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DIE ABNAHME DER LEISTUNG
IM WERKVERTRAGSRECHT
Stand: 02.04.2015
Günter Adrians
Rechtsanwalt
Die Abnahme der Werkleistung im Werkvertragsrecht
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Die Abnahme der Leistung im Werkvertragsrecht
(Stand 02.04.2015)
Inhalt
I. Begriff der Abnahme Seite 2
II. Teilabnahme Seite 3
III. Formen der Abnahme Seite 4
1) ausdrückliche Abnahme Seite 4
2) förmliche Abnahme Seite 5
3) fiktive Abnahme Seite 6
4) konkludente Abnahme Seite 7
IV. Abnahmereife Seite 8
V. Abnahmefolgen Seite 9
1) Erfüllungswirkung Seite 9
2) Fälligkeit des Werklohns Seite 9
3) Verzinsung der Vergütung Seite 10
4) Gefahrübergang Seite 11
5) Entfallen von Schutzpflichten Seite 13
6) Beginn der Verjährungsfrist Seite 14
7) Beweislastumkehr für Mängel Seite 14
8) Ausschluss von Vertragsstrafe u. Mängel- rechten Seite 14
9) Entscheidungen zur Abnahme Seite 15
Die Abnahme der Werkleistung im Werkvertragsrecht
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I. Begriff der Abnahme
Der Begriff taucht im Werkvertragsrecht an verschiedenen Stellen auf:
§§ 634a Abs. 2; 640; 641 Abs. 1 und 4; 644 Abs. 1; 645 Abs. 1 BGB, §§ 12 ; 13
Abs. 1; 13 Abs. 4 Nr. 3 ; 4 Abs. 5 VOB/B.
Die häufige Erwähnung lässt bereits auf die besondere Bedeutung der Abnahme
für das Werkvertragsrecht schließen.
Abnahme bedeutet, die Billigung der Werkleistung als im Wesentlichen
vertragsgerecht.
In der Praxis ist folgende Situation nicht ungewöhnlich:
Der Bauunternehmer trifft sich nach Fertigstellung der Bauleistung mit dem
Architekten des Bauherrn auf der Baustelle. Man macht eine gemeinsame
Baustellenbegehung und der Architekt erklärt im Anschluss, bis auf Kleinigkeiten
sei die Werkleistung o.k. Liegt in dieser Erklärung eine Abnahme?
Nach der HOAI ist der mit der Objektplanung beauftragte Architekt im Rahmen
der Leistungsphase 8 „Objektüberwachung“ zur „Abnahme der Bauleistungen
…… unter Feststellung von Mängeln“ verpflichtet.
Beachte: Eine solche Erklärung des Architekten stellt in aller Regel keine
Abnahme im Sinne des BGB bzw. der VOB/B dar! Bei der Abnahme nach
BGB/VOB/B handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die nur
der AG (Bauherr) abgeben kann, es sei denn, der Architekt ist durch den
Bauherrn ausdrücklich zur Abgabe dieser rechtsgeschäftlichen Erklärung
bevollmächtigt.
Ohne ausdrückliche Bevollmächtigung ist der Architekt aber nicht zur Abgabe
rechtsgeschäftlicher Erklärungen für den Bauherrn berechtigt.
Praxistipp: Erscheint zu einem vereinbarten Abnahmetermin statt des
Bauherrn der Architekt, muss geklärt werden, ob der Architekt zur Erklärung der
Abnahme bevollmächtigt ist!
Bei der Abnahme im Rahmen der Objektüberwachung handelt es sich im
Unterschied zur rechtsgeschäftlichen Abnahme um eine technische Abnahme.
Die Abnahme der Werkleistung im Werkvertragsrecht
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Der Architekt prüft, ob die Ausführung mit den Plänen übereinstimmt und die
anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden.
Die technische Abnahme durch den Architekten bindet den Bauherrn in keiner
Weise. Dieser ist nicht gehindert, die rechtsgeschäftliche Abnahme wegen
Mängel zu verweigern.
Von der rechtsgeschäftlichen Abnahme ist ferner die Gebrauchsabnahme zu
unterscheiden. Diese erfolgt durch die Baubehörde und bestätigt die
Übereistimmung des Bauwerkes mit öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften.
Schließlich ist die Abnahme zu unterscheiden von der Zustandsfeststellung
von Teilen der Leistung nach § 4 Abs. 10 VOB/B. Hierbei handelt es sich um
eine technische Abnahme, die der Vorbereitung einer späteren
rechtsgeschäftlichen Abnahme dient. Zweck ist es, solche Bauleistungen, die
durch die weitere Ausführung verdeckt werden und daher später nicht mehr
zugänglich sind, zu prüfen: Bewehrung vor Betonierung, Leitungen vor
Schließung der Wandschlitze etc.
AG und AN haben das Recht, eine Zustandsfeststellung zu verlangen. Das
Ergebnis ist schriftlich niederzulegen.
Beachte: Der AG ist zwar mit späteren Mängelrügen nicht
ausgeschlossen, er trägt aber die Beweislast für das Vorhandensein der erst bei
Abnahme gerügten Mängel!
Praxistipp: Bei Leistungen, die überdeckt werden, sollte mit der
Zustandsfeststellung nach Möglichkeit gleichzeitig ein gemeinsames Aufmass
genommen werde. Auch hierzu sollte schriftlich aufgefordert werden.
II. Teilabnahme
Im BGB-Bauvertrag kann eine Teilabnahme nur verlangt werden, wenn eine
solche vertraglich vereinbart ist. Für den abgenommenen Teil der Werkleistung
gelten die gleichen Rechtsfolgen wie für die Abnahme des gesamten Werkes
(vgl. unter IV).
Beim VOB-Vertrag hat der Auftragnehmer nach § 12 Abs. 2 VOB/B einen
Anspruch auf Abnahme von in sich abgeschlossenen teilen der Werkleistung.
Das in diesem Zusammenhang bestehende Problem besteht darin zu
bestimmen, wann eine „in sich abgeschlossene Leistung“ vorliegt. Eine generelle
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Beantwortung der Frage, wann eine „in sich abgeschlossene Leistung“ vorliegt,
ist nicht möglich. Der BGH legt einen strengen Maßstab an. Danach handelt es
sich um abgeschlossene Teilleistungen, wenn diese nach der
Verkehrsanschauung als selbständig und von den übrigen Teilleistungen aus
dem Bauvertrag unabhängig anzusehen sind, diese Leistungen sich überdies in
ihrer Gebrauchsfähigkeit abschließend beurteilen lassen. Maßgeblich dürfte sein,
ob die Leistung nach der Vertragsgestaltung selbständig bewertbar ist.
Praxistipp:
In der Praxis empfiehlt es sich, die Teilabnahme in dem Sinne zu regeln, dass
die besonders abnehmbaren Teilleistungen und die Voraussetzungen für die
Teilabnahme exakt beschrieben werden.
III. Formen der Abnahme
Die Abnahme ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung des AG (Bestellers), an
die zahlreiche Rechtsfolgen geknüpft sind. Die Erklärung hat zwei Komponenten:
(1) die Übergabe der Werkleistung und
(2) die Billigung als im Wesentlichen vertragsgerecht
Je nachdem, wie die Erklärung, das Werk als im Wesentlichen zu billigen,
artikuliert wird, unterscheidet man:
1) ausdrückliche Abnahme >
der AG artikuliert ausdrücklich die Billigung der Werkleistung, wobei nicht
unbedingt der Begriff der „Abnahme“ benutzt werden muss („die Leistung ist
o.k.“; ich bin mit der Leistung einverstanden (zufrieden)“ etc.)
Für die ausdrückliche Abnahme ist keine besondere Form vorgeschrieben.
Aus Beweisgründen sollte aber über die Abnahme immer ein Protokoll
gefertigt werden.
In diesem Zusammenhang ist § 12 Abs. 1 VOB/B zu beachten: verlangt der
AN im Rahmen eines VOB-Vertrages eine Abnahme, so hat der AG sie –
vorbehaltlich einer anderen vereinbarten Frist - innerhalb von 12 Werktagen
durchzuführen. Nach Ablauf der 12 Werktage gilt die Leistung aber nicht etwa
als abgenommen, vielmehr kommt der AG mit der Annahme der
Werkleistung in Verzug.
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Konsequenz: § 300 Abs.1 BGB, § 304 BGB, § 644 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Beachte: Der Zugang des Abnahmeverlangens muss sichergestellt werden,
um den Beginn der 12-Werktagefrist nachweisen zu können.
Praxistipp:
Um die Abnahmewirkung zu erreichen sollte ein Abnahmeverlangen
sofort mit einer Frist verbunden werden.
2) förmliche Abnahme >
Es handelt sich um eine ausdrückliche Abnahme unter Beachtung
besonderer Förmlichkeiten. Sie ist im BGB-Werkvertrag nicht geregelt und
bedarf dort einer gesonderten Vereinbarung. Im VOB-Vertrag sieht § 12 Abs.
4 Nr.1 VOB/B vor, dass eine förmliche Abnahme auf Verlangen einer
Vertragspartei stattzufinden hat.
Die förmliche Abnahme ist dadurch gekennzeichnet, dass über sie ein
schriftliches Protokoll zu fertigen ist, dass von AG und AN zu
unterschreiben ist. Hieraus folgt, dass die förmliche Abnahme die
Anwesenheit beider Parteien voraussetzt. Eine Vertretung ist zulässig.
Ausnahmsweise lässt § 12 Abs. 4 Nr. 2 VOB/B eine förmliche Abnahme in
Abwesenheit des AN zu, wenn ein Abnahmetermin vereinbart und der AN
rechtzeitig dazu geladen war. Das Ergebnis der Abnahme ist dem AN
umgehend mitzuteilen.
Ist der AG nicht anwesend, kann die Leistung nicht förmlich abgenommen
werden. Der AG gerät allerdings in Annahmeverzug. Der AN kann eine Frist
zur Abnahme setzen (12 Werktage) und damit die Abnahmefolgen
herbeiführen, § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Bedeutung des Abnahmeprotokolls
Das Protokoll liefert den Beweis für den Verlauf des Abnahmetermins. Es
beweist noch nicht die Richtigkeit der dort aufgeführten Punkte. Durch
seine Unterschrift erkennt der AN weder Mängel an, noch eine
vorbehaltene Vertragsstrafe. Er bringt nur zum Ausdruck, dass er die
behaupteten Mängel und den Vertragsstrafenvorbehalt zur Kenntnis
genommen hat.
Die Unterschriften von AG und AN sind nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für
die Abnahme.
Bei der Anfertigung des Protokolls hat der AN das Recht zur Mitwirkung. So
hat er z.B. das Recht, Einwendungen gegen protokollierte Mängel im
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Protokoll festhalten zu lassen. Wird die Mitwirkung verweigert, ist der AN mit
seinen Einwendungen dennoch nicht ausgeschlossen. Er sollte sie allerdings
unverzüglich nach dem Abnahmetermin gegenüber dem AG schriftlich
äußern.
Beachte: Jede Partei hat nach § 12 Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 VOB/B das Recht,
auf eigene Kosten einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Die
Feststellungen des SV sind für die andere Partei allerdings nicht bindend.
3) fiktive Abnahme > § 12 Abs. 5 VOB/B und § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB
Wesentlich für die fiktive Abnahme ist, dass es auf den Willen des AG,
die Leistung abzunehmen, nicht ankommt. Sie ist für den AG besonders
gefährlich, da die Abnahme und mit der Abnahme die damit verbundenen
Rechtsfolgen, eintritt, ohne dass der AG sich dessen bewusst ist.
Wann tritt eine fiktive Abnahme ein:
a) Im VOB-Vertrag durch Schweigen des AG auf eine
Fertigstellungsanzeige des AN.
Wichtig: Die Zusendung der Schlussrechnung ist gleichzeitig die
Mitteilung der Fertigstellung der Leistung und führt nach § 12 Abs. 5 Nr. 1
VOB/B dazu, dass nach Ablauf von 12 Werktagen die Leistung als
abgenommen gilt.
Beachte: Zugang der Schlussrechnung muss nachgewiesen
werden!
b) Durch Inbenutzungnahme nach § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B > nach Ablauf
von 6 Werktagen gilt die Leistung als abgenommen
Beachte: In Verträgen mit Verbrauchern hält § 12 Abs. 5 VOB/B
einer Inhaltskontrolle nicht stand!
Im BGB-Vertrag (gilt auch im VOB-Vertrag):
Nach § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB, indem der AG zur Abnahme unter
Fristsetzung aufgefordert wird. Nach Fristablauf gilt die Leistung als
abgenommen.
Beachte: Eine fiktive Abnahme kommt nicht in Betracht, wenn eine der
Parteien eine Abnahme verlangt!
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Praxistipp: Im VOB-Vertrag sollte der AN versuchen, die
Abnahmewirkungen über die Fiktion zu erreichen!
Konsequenzen für den AG:
1. Kein Vertragsstrafenanspruch, da kein Vorbehalt bei
Abnahme.
2. Kein Nachbesserungsanspruch wegen bekannter
Mängel, da kein Vorbehalt bei Abnahme!
4) konkludente Abnahme
Bei einer konkludenten Abnahme erklärt der AG durch sein Verhalten, dass
er die Werkleistung als vertragsgemäß akzeptiert. Voraussetzung ist, dass
der AG Zeit genug hat, das Werk zu prüfen und zu bewerten. Die Dauer
der Prüf- und Bewertungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Beispiele:
vorbehaltlose Zahlung des Werklohns
Bezug des Bauwerks nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist
(anders, wenn ein Einzug unter dem Zwang der Verhältnisse erfolgt
ist; erhebt der AG Mängeleinwendungen, ist eine konkludente
Abnahme durch Einzug ausgeschlossen)
Auszahlung/Rückgabe von Sicherheiten
Beachte: Auch für den AN sind mit einer konkludenten Abnahme
Unwägbarkeiten verbunden, weil unklar ist, zu welchem konkreten Zeitpunkt
die Abnahme erfolgt ist und die Abnahmewirkungen eintreten.
Eine konkludente Abnahme ist in der Praxis nicht selten als Folge einer
vergessenen förmlichen Abnahme, d.h., die Parteien haben eine förmliche
Abnahme vereinbart, führen diese aber nicht durch. Die Benutzung des
fertiggestellten Werkes über Wochen und Monate kann z.B. als Verzicht auf
die vereinbarte förmliche Abnahme angesehen werden. Da eine fiktive
Abnahme nicht in Betracht kommt, muss ermittelt werden, wann die
konkludente Abnahme eingetreten ist.
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IV. Wann kann die Abnahme verlangt werden?
Abnahmereife liegt vor, wenn
1) das Werk vollständig fertiggestellt ist (unbedeutende Restarbeiten stehen
einer Abnahme nicht entgegen; keine Abnahmereife soll bestehen bei
fehlendem Sockelputz und Eingangspodest eines EFH; bei fehlender
Dokumentation die zum sachgerechten Betrieb einer technischen Anlage
notwendig ist; wenn schlüsselfertiges Haus nicht uneingeschränkt
bezugsfertig u. dauerhaft nutzbar ist; fehlende Konstruktionsunterlagen,
Revisionspläne und Bestandsaufnahmen können wesentlich sein, so dass die
Abnahme je nach Sachlage verweigert werden kann) und
2) das Werk im Wesentlichen mangelfrei ist> unwesentliche Mängel stehen
einer Abnahme nicht entgegen!
Problem: Wann sind Mängel unwesentlich?
Die Frage lässt sich nicht generell beantworten, sondern ist in jedem Einzelfall zu
entscheiden. Unwesentlich ist ein Mangel, wenn er an Bedeutung so weit
zurücktritt, dass es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den
Besteller zumutbar ist, eine zügige Abwicklung des gesamten
Vertragsverhältnisses nicht länger aufzuhalten und deshalb nicht mehr auf den
Vorteilen zu bestehen, die sich ihm vor vollzogener Abnahme bieten. Kriterien
sind:
Kosten und Zeitaufwand einer Mängelbeseitigung
Beeinträchtigung der Nutzbarkeit (Funktionalität)
optische Mängel eher nicht
viele kleine unwesentliche Mängel können in der Summe wesentlich sein
sicherheitsrelevante Mängel sind immer wesentlich (fehlendes Geländer)
(OLG Hamm v. 26.11.2003, BauR 2005, 731)
V. Abnahmefolgen
1. Erfüllungswirkung
Der AN ist zur Herstellung des versprochenen Werkes verpflichtet. § 631
Abs. 1 BGB. Mit Abnahme tritt die Erfüllungswirkung ein. An die Stelle des
Erfüllungsanspruchs tritt der Anspruch auf Beseitigung von Mängeln.
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2. Fälligkeit des Werklohns
Nach § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Vergütung bei der Abnahme des
Werkes zu entrichten. Die Abnahme ist also Voraussetzung dafür, dass der
AN überhaupt seinen Werklohn verlangen kann.
Der AG ist allerdings nicht gehindert, dem fälligen Werklohnanspruch das
Vorliegen von Mängeln entgegenzuhalten, § 641 Abs. 3 BGB. Er ist
berechtigt, wegen der Mängel einen angemessenen Teil der Vergütung
zurückzubehalten. Angemessen ist gem. § 641 Abs. 3 BGB in der Regel das
Doppelte der Mangelbeseitigungskosten (sog. Druckzuschlag).
Ausnahmsweise wird der Werklohnanspruch auch ohne Abnahme fällig,
wenn
(1) der AG die Abnahme unberechtigt verweigert (die behaupteten Mängel
liegen nicht vor), nachdem der AN eine Frist zur Abnahme gesetzt hat;
(2) der AG keine Mangelbeseitigung fordert, sondern Schadensersatz.
Sonderfall: Abnahme nach Kündigung des Bauvertrages?
Während nach der früheren Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 09.10.86,
BauR 1987,95) die Vergütung ohne Abnahme fällig wurde, hat der BGH mit
Urt. vom 11.05.2006 (BauR 2006,1294) seine Rechtsprechung geändert:
Da der AN trotz Kündigung zur Beseitigung eventuellen Mängeln verpflichtet
bleibt, bedarf es einer Abnahme der bis zur Kündigung ausgeführten
Leistung, um die Fälligkeit des Teilwerklohns herbeizuführen.
Praxistipp: Der AN sollte nach Kündigung dem AG eine Frist zur Abnahme
der Teilleistungen setzten und nach Möglichkeit die Abnahme mit einem
gemeinsamen Aufmaß verbinden.
Problem: Abgrenzung zwischen unfertigen und mangelhaften Leistungen!
3. Verzinsung der Vergütung
Nach § 641 Abs. 4 BGB ist die Vergütung des AN von der Abnahme an zu
verzinsen. Der An hat Anspruch auf eine Verzinsung in Höhe von 4% (vgl. §
Die Abnahme der Werkleistung im Werkvertragsrecht
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246 BGB). Handelt es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft beträgt der
Zinssatz 5% (vgl. § 352 HGB).
Beachte: Setzt der AN den AG in Zahlungsverzug, kann er nach § 288
Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
Basiszinssatz verlangen. Handelt es sich im einen Vertrag, an dem kein
Verbraucher beteiligt ist, beträgt der Zinsanspruch acht Prozentpunkte über
Basiszinssatz, § 288 Abs. 2 BGB!
Praxistipp: Voraussetzung für den Zahlungsverzug des AG ist neben der
Fälligkeit (Abnahme) eine Mahnung des AG. Der AN sollte daher den AG
unter Fristsetzung zur Zahlung auffordern. Ohne gesonderte Mahnung kommt
der AG gem. § 286 Abs. 3 BGB 30 Tage nach Fälligkeit und
Rechnungszugang automatisch in Verzug, wenn der AN den AG, der
Verbraucher ist, in der Rechnung auf diese Folge hinweist.
Beachte: Im VOB-Vertrag tritt an die Stelle des § 641 Abs. 4 BGB die
Regelung des § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B. Der AN hat daher im VOB-Vertrag
keinen Anspruch auf Fälligkeitszinsen. Der AN muss vielmehr nach
Fälligkeit eine Nachfrist setzen und hat nach Ablauf der Nachfrist Anspruch
auf Verzugszinsen!
4. Übergang von Leistungs- und Vergütungsgefahr
Nach § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB trägt der AN bis zur Abnahme die
Vergütungsgefahr. Das heißt:
Wird die Werkleistung vor Abnahme zufällig zerstört oder beschädigt
verliert der AN seinen Werklohnanspruch für die ausgeführte Leistung!
Der AN trägt desweiteren die Leistungsgefahr. Das heißt:
Wird die Werkleistung ohne sein Verschulden zerstört (gestohlen) oder
beschädigt, muss er die Leistung ein weiteres Mal erbringen!
Beispiel: OLG Jena (NJW-RR 99,895) Brandstiftung im Mischwasserkanal
OLG Düsseldorf (BauR 2003,1587) Großbrand vor Abnahme
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Problem: Beschädigung der Werkleistung durch Nach- oder Neben-
unternehmer!
Beispiel: OLG Celle v. 18.03.2010 (BauR 2010, 1081) Beschädigung von
Trockenbauarbeiten wegen fehlerhaft angebrachter Regenrinne
Nach der Rechtsprechung sind Beschädigung durch Nach- oder
Nebenunternehmer dem AG nicht zuzurechnen, da diese keine
Erfüllungsgehilfen sind.
Es bleibt daher dabei: das Risiko der Beschädigung vor Abnahme verbleibt
bei dem AN!
Aber: Der AN kann vom AG die Abtretung von Ersatzansprüchen
verlangen, die diesem gegen den Schädiger zustehen. Bis zur Abtretung
kann er die Neuherstellung des Werkes verweigern!
Sonderregelung bei zufälliger Zerstörung/Beschädigung eines vom AG
gelieferten Stoffes, § 644 Abs. 1 Satz 3 BGB:
Keine Verantwortlichkeit des AN vor Abnahme!
Beispiel: OLG Naumburg v. 18.03.2004 (ZfBR 1004,791) Vergütung für
fehlgeschlagene Bohrarbeiten (Werkleistung war vor Abnahme aufgrund
eines Mangels des Baustoffes „Baugrund“ unbrauchbar geworden)
Konsequenz: AN hat Anspruch auf den entsprechenden Anteil seiner
Vergütung nach § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB!
Beachte: Während des Annahmeverzugs geht die Gefahr auf den AG
über, § 644 Abs. 1 Satz 2 BGB!
Für den VOB-Vertrag bestimmt § 12 Abs. 6 VOB/B den Übergang der Gefahr
auf den AG mit der Abnahme, soweit der AG die Gefahr nicht schon nach §
7 VOB/B trägt.
§ 7 Abs. 1 VOB/B bestimmt eine Ausnahme insoweit, als bereits vor
Abnahme die Gefahr auf den AG übergeht, wenn die Leistung ganz oder
teilweise durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr od. andere objektiv
unabwendbare vom AN nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder
zerstört wird.
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Problem: Wann ist ein unabwendbares Ereignis gegeben?
BGH: Wenn das Schadensereignis trotz Anwendung wirtschaftlich
zumutbarer Mittel durch äußerste Sorgfalt nicht vermeidbar war.
Praxisfälle: Sturm als unabwendbares Ereignis?
Unternehmer sichert Baustelle gegen bevorstehenden Sturm. Dieser
entwickelt sich unvorhersehbar zu einem „Jahrhundertorkan“.
Konsequenz: Unternehmer erhält für die ausgeführte Leistung trotz
Beschädigung die Vergütung!
5. Entfallen von Schutzpflichten nach § 4 Abs. 5 VOB/B
Nach § 4 Abs. 5 VOB/B hat der AN die von ihm ausgeführten Leistungen und
die ihm für die Ausführung übergebenen Gegenstände bis zur Abnahme vor
Beschädigung und Diebstahl zu schützen.
Aussagen über Schutzpflichten finden sich in den Allgemeinen
Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV). In den
einzelnen DIN-Normen ist jeweils unter Ziffer 4 (Nebenleistungen) geregelt,
dass Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen Leistungen sein können, die auch
ohne ausdrückliche Erwähnung zur vertraglich geschuldeten Leistung
gehören (z.B.: Ziffer 4.1.2 der DIN 18331; Ziffer 4.1.5 der DIN 18356, Ziffer
4.1.3 der DIN 18367).
Beispiel: Werkunternehmer hat bei Dachsanierung das darunter liegende
Wohnhaus vor Niederschlägen zu schützen. Hierzu muss er geeignete
Maßnahmen in Form einer Schutzfolie bzw. eines Notdaches treffen (OLG
Celle v. 29.09.2002).
Erkennt der AN bei Angebotsabgabe, dass außergewöhnliche
Schutzmaßnahmen notwendig sind, kann er diese einkalkulieren. Erkennt er
erst während der Ausführung deren Notwendigkeit, kann er ein
Nachtragsangebot erstellen. Da außergewöhnliche Schutzmaßnahmen in
der VOB/C in vielen Normen als „Besondere Leistung“ aufgeführt werden,
besteht insoweit ein Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 6 VOB/B. Lehnt der
AG ein entsprechendes Nachtragsangebot trotz eines Bedenkenhinweises
nach § 4 Abs. 3 VOB/B ab, ist der AN nicht mehr verpflichtet, die
Werkleistung zu schützen.
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6. Beginn der Verjährungsfrist für Mängelansprüche
Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beginnt nach § 634a Abs. 2 BGB
mit der Abnahme.
Die für das Werkvertragsrecht wesentlichen Verjährungsfristen finden sich in
§ 634a Abs.1 BGB:
zwei Jahre für Arbeiten an Sachen oder diesbezüglichen Planung-
oder Überwachungsleistungen,
für Bauwerke und darauf bezogene Planungs- und
Überwachungsleistungen beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre,
vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung beträgt die
Verjährungsfrist für Bauwerke im VOB-Vertrag vier Jahre;
7. Beweislastumkehr hinsichtlich Mängel
Vor der Abnahme hat der AN zu beweisen, dass sein Werk mangelfrei ist.
Nach der Abnahme geht die Beweislast auf den AG über.
Ausnahme: Hat der AG sich bei der Abnahme seine Mängelrechte
vorbehalten, tritt keine Beweislastumkehr ein!
8. Ausschluss von Vertragsstrafe und Mängelrechten bei fehlendem
Vorbehalt
Nach § 341 Abs. 3 BGB verliert der AG einen Vertragsstrafeanspruch, wenn
er sich einen solchen bei Abnahme nicht vorbehält.
Nach § 640 Abs. 2 BGB verliert der AG seine Mängelrechte, wenn er sich
diese Bei Abnahme nicht vorbehält.
9. Entscheidungen zum Thema „Abnahme:
1. OLG Celle, Urteil vom 09.05.2012 – 14 U 147/10
„Hat der Auftraggeber entgeltlich die Reparatur solcher Leistungen in
Auftrag gegeben, die der Auftragnehmer bereits erbracht hat und die von
einem Drittunternehmen vor der Abnahme beschädigt worden sind,
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entfällt die Vergütungspflicht für diesen Auftrag nicht bereits deshalb, weil
der Auftragnehmer möglicherweise noch die Vergütungsgefahr trug“.
Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. In der Regel trägt der
Unternehme vor Abnahme seiner Werkleistung die Leistungs- und
Vergütungsgefahr: geht die Werkleistung vor Abnahme unter oder wird sie
beschädigt, so muss er seine Leistung noch einmal erbringen. Einen
Vergütungsanspruch hat er erst, wenn sein mangelfreies Werk abgenommen
wird. Der Unternehmer muss daher sein Werk bis zur Abnahme vor
Beschädigungen schützen.
Das OLG Celle hatte darüber zu befinden, ob der Unternehmer auch dann
keine Vergütung verlangen kann, wenn seine Leistung vor Abnahme
beschädigt wurde, der Auftraggeber einen gesonderten Auftrag zur
Schadensbeseitigung erteilte und hierüber eine Rechnung zur Vorlage bei
einem Versicherer verlangte.
2. OLG Oldenburg, Urteil vom 11.12.2014 – 8 U 140/09 -:
„Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert
werde.
Die Wirkungen der Abnahme treten auch bei einer unberechtigten
Abnahmeverweigerung ein.“
Gemäß § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 12 Abs. 3 VOB/B kann der
Auftraggeber wegen unwesentlicher Mängel die Abnahme nicht verweigern.
Wann ein Mangel unwesentlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles
ab. Den Nachweis hierfür hat der Unternehmer zu führen.
Sicherheitsrelevante Mängel sind nie unwesentlich!
3. OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.12.2014 – 1 U 49/14
Der Unternehmer trägt bis zur Abnahme der Werkleistung das Risiko
eines Diebstahls von Baumaterialien, die in dem errichteten Haus
gelagert werden.
Obwohl der Bauherr das Haus vor Abschluss der Innenausbauarbeiten bereits
in Besitz genommen hatte, weist das OLG Saarbrücken das Risiko des
Diebstahls von Innenausbaumaterialien, die im Haus gelagert waren, dem
Unternehmer zu. Dieses Ergebnis leitet das Gericht aus § 644 Abs. 1 Satz 1
BGB ab, wonach der Unternehmer die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes
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trägt. Den Umstand, dass das Haus bereits an den Bauherrn übergeben
worden war, wertet das Gericht als Teilabnahme, die aber nicht die noch nicht
fertig gestellten Innenausbauarbeiten umfasste.
4. OLG Brandenburg, Urteil vom 05.07.2012 – 12 U 231/11
„Mängel können einer konkludenten Abnahme entgegenstehen, wenn
der Unternehmer nicht erwarten darf, der Besteller werde das Werk als im
Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt hinnehmen. Hiervon kann
regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn die Mängel den
Vertragsparteien bekannt bzw. durch den Besteller gerügt sind. Nicht
bekannte Mängel stehen einer konkludenten Abnahme daher
grundsätzlich nicht entgegen.
Vereinbaren die Parteien eine förmliche Abnahme, setzt eine
konkludente Abnahme voraus, dass die Vereinbarung einvernehmlich
aufgehoben wurde, was ebenfalls konkludent erfolgen kann. An die
Voraussetzungen eines konkludenten Verzichts auf die vereinbarte
förmliche Abnahme sind strenge Anforderungen zu stellen“.
Sowohl die förmliche als auch die konkludente Abnahme setzen zwei
Komponenten voraus: die Entgegennahme des Werkes und die Erklärung
des Bestellers, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß
anerkennt. Bei der förmlichen Abnahme wird die rechtsgeschäftliche Erklärung
ausdrücklich abgegeben, bei der konkludenten Abnahme wird sie aus dem
Verhalten des Bestellers abgeleitet, z.B. aus der Zahlung des Werklohns, die
Ingebrauchnahme des Werkes über einen längeren Zeitraum hinweg etc.
5. OLG Frankfurt, Urteil vom 29.09.2014 – 1 U 282/12
„Die Fälligkeit des Werklohns setzt die Abnahme oder die
Abnahmefähigkeit des Werkes voraus. Die Abnahme ist allerdings
entbehrlich, wenn der Auftraggeber die Abnahme ernsthaft verweigert,
Minderung oder Schadensersatz verlangt oder eine Ersatzvornahme
durchgeführt hat.
Liegen wesentliche Mängel vor, fehlt es an der Abnahmefähigkeit. Fehlt
es an der Abnahme und der Abnahmefähigkeit, ist die Klage als derzeit
unbegründet abzuweisen“.
Aus Sicht des Unternehmers sollte nach Fertigstellung der Werkleistung
unverzüglich auf eine Abnahme durch den Auftraggeber gedrängt werden. Wir
die Abnahme mit der Begründung verweigert, es lägen Mängel vor, sollte
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dieser Einwand ernsthaft geprüft und eventuelle Mängel beseitigt werden.
Sind auch nach gewissenhafter Prüfung keine (wesentlichen) Mängel
feststellbar, ist das Werk abnahmefähig und der Werklohn damit fällig. Der
Nachweis für die Abnahmefähigkeit obliegt dem Unternehmer.
6. Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.06.2014 – VII ZR 276/13
„Mit der vorbehaltlosen Zahlung einer Rechnung und der Abgabe einer
die Dokumentation betreffenden Übernahmeerklärung wird die Leistung
jedenfalls dann nicht durch schlüssiges Verhalten abgenommen, wenn
sie noch nicht voll funktionsfähig ist“.
Im konkreten Fall hatte der Auftraggeber dem Auftragnehmer bestätigt, die
Leistung vollständig, ordnungsgemäß, funktionsfähig und der Beschreibung im
Vertrag gemäß übernommen zu haben, obwohl beiden bekannt war, dass das
Gewerk nicht richtig funktionierte. Der BGH hat die Erklärung des
Auftraggebers als Bestätigung der körperlichen Übernahme des Werkes
gewertet. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, das Werk sei im Wesentlichen
vertragsgerecht sei damit nicht verbunden gewesen. An einer Abnahme fehle
es daher.