diagnostik und therapie von parkinson-demenz in der klinischen praxis

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Nervenarzt 2006 · 77:1439–1443 DOI 10.1007/s00115-006-2179-7 Online publiziert: 9. November 2006 © Springer Medizin Verlag 2006 S. Wenzel 1 · B. Mollenhauer 1, 2 · C. Trenkwalder 1 1 Paracelsus-Elena-Klinik, Kassel 2 Center for Neurologic Diseases, Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical School, Boston Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis Übersichten Auch wenn James Parkinson 1817 selbst noch keine Verbindung zwi- schen der später nach ihm benannten Erkrankung und dem Auftreten einer Demenz feststellen konnte [„ (...) the senses and intellect being uninjured (...)“], wird mehr und mehr klar, dass die Parkinson-Erkrankung sich nicht nur auf das motorische System be- schränkt, sondern auch mit einer Viel- zahl nichtmotorischer Symptome und vor allem kognitiver Defizite einher- gehen kann [18, 22]. Definition Die Parkinson-Krankheit ist eine neu- rodegenerative Erkrankung, die klinisch unter anderem durch Ruhetremor, Ri- gor, Bradykinese und posturale Instabi- lität gekennzeichnet ist und die trotz des vornehmlich sporadischen Auftretens in den letzten Jahren zunehmend mit Mu- tationen verschiedener Proteine (wie bei- spielsweise α-Synuklein, Parkin etc.) in Verbindung gebracht wird [17]. Neuro- pathologisch ist die Erkrankung charak- terisiert durch Ablagerungen von Lewy- Körperchen in Hirnstamm und Kortex, die unter anderem α-Synuklein enthalten [31], und einem progredienten Verlust do- paminerger Neurone. Nach der neuropa- thologischen Stadieneinteilung von Braak verläuft die Erkrankung progredient mit Ausbreitung nach kortikal [6] und könnte somit die demenzielle Entwicklung in spä- teren Stadien pathophysiologisch erklä- ren, was jedoch kontrovers diskutiert wird [23]. Inwiefern eine demenzielle Entwick- lung bei einer Untergruppe der an Mor- bus Parkinson Erkrankten zu erwarten ist, kann derzeit ebenso wenig eindeutig geklärt werden wie deren prädiktive Er- fassung. Voraussetzung für die allgemeine Di- agnosedefinition einer Demenz ist der Nachweis eines Gedächtnisverlustes und des Denkvermögens mit Beeinträchti- gungen des Alltagsvermögens. Zusätz- lich besteht eine verminderte oder aufge- hobene Kritik- und/oder Urteilsfähigkeit und eine Verminderung des Ideenflusses. Die ICD-10 erlaubt die Verschlüsse- lung einer „Demenz bei primärem Par- kinson-Syndrom“ als F02.3 bei einer „De- menz, die sich bei einem Patienten mit fortgeschrittener, gewöhnlich schwerer Parkinson-Krankheit entwickelt“ [32]. Bisher wurden für die Diagnosestel- lung der Parkinson-Demenz keine ver- bindlichen Kriterien vereinbart. Kli- nische Studien haben einen MMSE (Mi- ni-Mental Status Examination) von unter 25 Punkten als Kriterium festgelegt [11, 12], ungeachtet dessen, dass die kognitive Beeinträchtigung bei der Parkinson-Er- krankung nur teilweise mit dem MMSE erfasst und objektiviert werden kann, so können Teilaufgaben im MMSE wie z. B. die Schreibaufgabe durch motorische Be- einträchtigungen der Parkinson-Erkran- kung nicht zur Abbildung der kognitiven Fähigkeiten beitragen. Die Parkinson-Demenz führt bei den Patienten selbst und den sie versorgenden Angehörigen zu erheblichen Belastungen. Nicht die motorischen, sondern die psy- chischen Defizite, allen voran die De- menz, führen oftmals dazu, dass Parkin- son-Kranke nicht mehr zu Hause versorgt werden können. Die Entwicklung einer Demenz, aber auch die Entwicklung ei- ner Depression sind Prädiktoren einer er- höhten Mortalität der Patienten mit M. Parkinson, dagegen sind Alter bei Krank- heitsbeginn und auch die Schwere der neurologischen Symptome ohne Einfluss auf die Mortalität der Patienten [2, 14]. Prävalenz der Parkinson-Demenz Die Demenz bei M. Parkinson stellt nur einen geringen Teil demenzieller Erkran- kungen dar, der im Bereich von 1–4 % liegt [2]. Das Risiko, eine Demenz zu entwi- ckeln, ist für Patienten mit M. Parkinson jedoch gegenüber der Allgemeinbevölke- rung 6fach erhöht [2, 10]. Die Angaben zur Häufigkeit der Demenz bei Morbus Parkinson sind kontrovers, abhängig von den Definitionskriterien, den verwende- ten Untersuchungsverfahren und der un- tersuchten Population. Rosenstein fand in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Häufigkeit von mehr als 40% [27], bestä- tigt durch Cummings [8]. Aarsland und B.M. wird finanziell unterstützt von der Michael J. Fox Foundation, der American Parkinson Disease Association und durch ein Dr. Werner Jackstädt-Stipendium (Stifterver- band der Deutschen Wissenschaft). 1439 Der Nervenarzt 12 · 2006 |

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Page 1: Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis

Nervenarzt 2006 · 77:1439–1443

DOI 10.1007/s00115-006-2179-7

Online publiziert: 9. November 2006

© Springer Medizin Verlag 2006

S. Wenzel1 · B. Mollenhauer1, 2 · C. Trenkwalder1

1 Paracelsus-Elena-Klinik, Kassel2 Center for Neurologic Diseases, Brigham and Women’s

Hospital, Harvard Medical School, Boston

Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis

Übersichten

Auch wenn James Parkinson 1817

selbst noch keine Verbindung zwi-

schen der später nach ihm benannten

Erkrankung und dem Auftreten einer

Demenz feststellen konnte [„ (...) the

senses and intellect being uninjured

(...)“], wird mehr und mehr klar, dass

die Parkinson-Erkrankung sich nicht

nur auf das motorische System be-

schränkt, sondern auch mit einer Viel-

zahl nichtmotorischer Symptome und

vor allem kognitiver Defizite einher-

gehen kann [18, 22].

Definition

Die Parkinson-Krankheit ist eine neu-

rodegenerative Erkrankung, die klinisch

unter anderem durch Ruhetremor, Ri-

gor, Bradykinese und posturale Instabi-

lität gekennzeichnet ist und die trotz des

vornehmlich sporadischen Auftretens in

den letzten Jahren zunehmend mit Mu-

tationen verschiedener Proteine (wie bei-

spielsweise α-Synuklein, Parkin etc.) in

Verbindung gebracht wird [17]. Neuro-

pathologisch ist die Erkrankung charak-

terisiert durch Ablagerungen von Lewy-

Körperchen in Hirnstamm und Kortex,

die unter anderem α-Synuklein enthalten

[31], und einem progredienten Verlust do-

paminerger Neurone. Nach der neuropa-

thologischen Stadieneinteilung von Braak

verläuft die Erkrankung progredient mit

Ausbreitung nach kortikal [6] und könnte

somit die demenzielle Entwicklung in spä-

teren Stadien pathophysiologisch erklä-

ren, was jedoch kontrovers diskutiert wird

[23]. Inwiefern eine demenzielle Entwick-

lung bei einer Untergruppe der an Mor-

bus Parkinson Erkrankten zu erwarten

ist, kann derzeit ebenso wenig eindeutig

geklärt werden wie deren prädiktive Er-

fassung.

Voraussetzung für die allgemeine Di-

agnosedefinition einer Demenz ist der

Nachweis eines Gedächtnisverlustes und

des Denkvermögens mit Beeinträchti-

gungen des Alltagsvermögens. Zusätz-

lich besteht eine verminderte oder aufge-

hobene Kritik- und/oder Urteilsfähigkeit

und eine Verminderung des Ideenflusses.

Die ICD-10 erlaubt die Verschlüsse-

lung einer „Demenz bei primärem Par-

kinson-Syndrom“ als F02.3 bei einer „De-

menz, die sich bei einem Patienten mit

fortgeschrittener, gewöhnlich schwerer

Parkinson-Krankheit entwickelt“ [32].

Bisher wurden für die Diagnosestel-

lung der Parkinson-Demenz keine ver-

bindlichen Kriterien vereinbart. Kli-

nische Studien haben einen MMSE (Mi-

ni-Mental Status Examination) von unter

25 Punkten als Kriterium festgelegt [11,

12], ungeachtet dessen, dass die kognitive

Beeinträchtigung bei der Parkinson-Er-

krankung nur teilweise mit dem MMSE

erfasst und objektiviert werden kann, so

können Teilaufgaben im MMSE wie z. B.

die Schreibaufgabe durch motorische Be-

einträchtigungen der Parkinson-Erkran-

kung nicht zur Abbildung der kognitiven

Fähigkeiten beitragen.

Die Parkinson-Demenz führt bei den

Patienten selbst und den sie versorgenden

Angehörigen zu erheblichen Belastungen.

Nicht die motorischen, sondern die psy-

chischen Defizite, allen voran die De-

menz, führen oftmals dazu, dass Parkin-

son-Kranke nicht mehr zu Hause versorgt

werden können. Die Entwicklung einer

Demenz, aber auch die Entwicklung ei-

ner Depression sind Prädiktoren einer er-

höhten Mortalität der Patienten mit M.

Parkinson, dagegen sind Alter bei Krank-

heitsbeginn und auch die Schwere der

neurologischen Symptome ohne Einfluss

auf die Mortalität der Patienten [2, 14].

Prävalenz der Parkinson-Demenz

Die Demenz bei M. Parkinson stellt nur

einen geringen Teil demenzieller Erkran-

kungen dar, der im Bereich von 1–4 % liegt

[2]. Das Risiko, eine Demenz zu entwi-

ckeln, ist für Patienten mit M. Parkinson

jedoch gegenüber der Allgemeinbevölke-

rung 6fach erhöht [2, 10]. Die Angaben

zur Häufigkeit der Demenz bei Morbus

Parkinson sind kontrovers, abhängig von

den Definitionskriterien, den verwende-

ten Untersuchungsverfahren und der un-

tersuchten Population. Rosenstein fand in

den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts eine

Häufigkeit von mehr als 40% [27], bestä-

tigt durch Cummings [8]. Aarsland und

B.M. wird finanziell unterstützt von der Michael J. Fox Foundation, der American Parkinson Disease Association und durch ein Dr. Werner Jackstädt-Stipendium (Stifterver-band der Deutschen Wissenschaft).

1439Der Nervenarzt 12 · 2006 |

Page 2: Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis

Mitarbeiter selbst gehen von einer Präva-

lenz der Demenz bei M. Parkinson von et-

wa 80% bei einem mittleren Krankheits-

verlauf von 8 Jahren aus [2].

In einer Zusammenstellung bisheriger

Veröffentlichungen anderer Arbeitsgrup-

pen über die Prävalenz demenzieller Er-

krankungen fanden sich 12 Untersu-

chungen zur Prävalenz der Parkinson-De-

menz, 24 Studien zur Untersuchung der

Prävalenz aller Demenzsubtypen. Trotz

verschiedener methodischer Schwächen

zeigte sich, dass zwischen 24 und 31% aller

Patienten mit M. Parkinson an einer De-

menz leiden [2]. Ausreichend große Studi-

en zum Auftreten der Parkinson-Demenz

werden derzeit in Deutschland erstmals

im Rahmen der GEPAD-Studie durchge-

führt [26]. Vorläufige Ergebnisse zeigen

eine Prävalenz von 40,4% in der Parkin-

son-Population, erfasst in neurologischen

Praxen und Klinikambulanzen bei ins-

gesamt 1326 untersuchten Parkinson-Er-

krankten aller Erkrankungsstadien.

Als Risikofaktoren für eine demen-

zielle Entwicklung bei Parkinson werden

früh auftretende Halluzinationen und ei-

ne eher akinetisch-rigide Form der Par-

kinson-Erkrankung genannt. Emre be-

schreibt als Risikofaktoren zusätzlich: fort-

geschrittenes Alter, höheres Lebensalter

bei Beginn der motorischen Störungen,

Depression und Nikotinkonsum [10].

Auswirkungen

Typisch sind Störungen der Exekutivfunk-

tionen, räumlich-visuelle Störungen, aber

auch psychotische Symptome wie Wahn

und vor allem optische Halluzinationen.

Erst an zweiter Stelle sind Gedächtnisstö-

rungen zu nennen [10]. Häufig kommt es

auch zu depressiven Symptomen, Schlaf-

störungen, rascher Ermüdbarkeit, Verhal-

tensauffälligkeiten teilweise mit Weglauf-

tendenzen.

Testverfahren

Ein standardisiertes Verfahren zur Objek-

tivierung einer demenziellen Entwicklung

bei M. Parkinson gibt es, wie bereits er-

wähnt, bislang nicht. Hinweise auf kogni-

tive Defizite kann der MMSE geben [12].

Geeigneter erscheint der Cambridge Cog-

nitive Assessment-Revised Test (CAM-

COG-R) [4, 28]. Ferner steht seit neues-

tem der PANDA (Parkinson Neuropsy-

chometric Dementia Assessment), ein

spezifisch für die Demenz bei M. Parkin-

son etablierter Test zur Verfügung [16],

der bezüglich der Aussagekraft kognitiver

Symptome bei der Parkinson-Erkrankung

derzeit validiert wird.

Algorithmus zur Untersuchung der Parkinson-Demenz

Zum Screening einer möglichen Parkin-

son-Demenz wird von unserer Seite der-

zeit noch ein MMSE durchgeführt. Das

weitere Prozedere erfolgt abhängig von

dessen Ergebnis und dem klinischen Be-

fund.

Bei einem MMSE von größer als 27

Punkten wird zunächst davon ausgegan-

gen, dass keine Demenz vorliegt. Sollte

sich im klinischen Alltag oder durch die

Fremdanamnese aber der Verdacht auf ei-

ne Demenz erhärten, wird ebenso wie im

Falle eines MMSE-Ergebnisses zwischen

21 und 26 Punkten eine weitere testpsy-

chologische Screeninguntersuchung mit-

tels Uhrentest und DemTect durchge-

führt [7, 29] und anschließend eine aus-

führlichere neuropsychologische Testung

eingeleitet und eine Depression differen-

zialdiagnostisch abgegrenzt.

Bei einem MMST kleiner als 21 Punkte

wird vom Vorliegen einer Demenz ausge-

gangen und der nächste Schritt eingeleitet:

Laborchemisch werden eine Schilddrü-

senfehlfunktion, eine Unterversorgung

mit Vitamin B12 wie auch ein Mangel an

Folsäure und das Vorliegen einer Lues

ausgeschlossen.

Eine Bildgebung des Neurokraniums

per Magnetresonanztomographie (MRT)

oder (falls MRT nicht möglich) Compu-

tertomographie wird durchgeführt.

Ein Elektroenzephalogramm (EEG)

ist nur bei Hinweisen auf eine zusätz-

liche Epilepsie sinnvoll, ansonsten ist bei

Patienten mit Parkinson-Demenz häu-

figer als bei Patienten ohne kognitive Stö-

rungen der Parkinson-Erkrankung eine

EEG-Verlangsamung zu sehen. In der Di-

agnostik und Differenzialdiagnostik der

Demenz zeigt das EEG jedoch keine zu-

sätzliche Information [30].

Patienten mit einer Mikroangiopa-

thie und vaskulären Risikofaktoren wer-

den zusätzlich dopplersonographisch un-

tersucht, um eine Stenose bzw. relevante

Plaques der hirnversorgenden Gefäße aus-

zuschließen. Risikofaktoren wie Bluthoch-

druck – hier wird wegen der häufig zu fin-

denden fehlenden Nachtabsenkung des

Blutdrucks bei Parkinson-Patienten eine

Langzeitblutdruckmessung notwendig –

und erhöhte Blutfette sowie Homozystein

müssen optimal eingestellt bzw. behandelt

werden. Insbesondere ist auf das Manage-

ment von Patienten mit stark schwanken-

den Blutdruckwerten sowie nächtlichem

Blutdruckanstieg zu achten.

Bei Auftreten einer demenziellen Ent-

wicklung bei M. Parkinson kann eine Un-

tersuchung des Liquor cerebrospinalis

zum Ausschluss eines entzündlichen Ge-

schehens und zur Analyse etablierter De-

menzmarker hilfreich sein. Der Nach-

weis eines erhöhten τ-Proteins (>450 pg/

ml) könnte Hinweis auf einen schnelleren

DLB (n=70) AD (n=74) PDD (n=73) PD (n=23) NNC (n=41)

100

200

300

400

500

600

700

800

Tau Protein [pg/ml]

Beta-Amyloid (1-42) [pg/ml]

Mittelwert; Box: Mittelwert ± Stdf.; Whisker: Bereich ohne Ausreißer

Abb. 1 9 τ-Protein und β-Amyloid im Li-quor von Patienten mit Lewy-Körperchen-De-menz (DLB), Morbus Alzheimer (AD), Par-kinson-Demenz (PDD); M. Parkinson ohne De-menz (PD) und nicht-dementen neurolo-gischen Kontrollpati-enten (NNC)

1440 | Der Nervenarzt 12 · 2006

Übersichten

Page 3: Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis
Page 4: Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis

neuronalen Degenerationsprozess wie

z. B. bei M. Alzheimer [dann oft in Kom-

bination mit erniedrigtem β-Amyloid 1–

42 (<450 pg/ml)] geben.

Eine prädiktive Testung zur Parkinson-

Demenz mittels Liquor ist derzeit (noch)

nicht möglich. Die Wertigkeit des Liquor

cerebrospinalis in der Demenzdiagnostik

bei Parkinson ist bislang gering, kann aber

in Zukunft hilfreich sein.

Erfahrungen, dass tatsächlich im Liquor

cerebrospinalis nachgewiesene Proteine

die neuropathologischen Veränderungen

widerspiegeln, liegen von anderen neu-

rodegenerativen Erkrankungen, wie dem

M. Alzheimer, vor [33]. Proteine wie das

τ-Protein, phosphoryliertes τ-Protein so-

wie die β-Amyloide 1–42/1–40 und das

β-Amyloidpeptid-Spektrum können zur

Charakterisierung und Differenzierung

neurodegenerativer Erkrankungen bei-

tragen [3, 5]. Bislang führten jedoch Dif-

ferenzierungsversuche mit diesen Mar-

kern bei Parkinson-Erkrankungen zu dis-

krepanten Ergebnissen [13, 21].

Unserer Erfahrung nach diskriminiert

das τ-Protein vornehmlich von einem M.

Alzheimer und einer Lewy-Körperchen-

Demenz (DLB), während β-Amyloid 1−42

bei M. Parkinson ebenso erniedrigt sein

kann – vor allem bei Patienten mit zusätz-

licher Demenz (. Abb. 1).

Ein möglicher Kandidat für einen spe-

zifischeren Liquorsurrogat- oder -bio-

marker für die Parkinson-Erkrankungen

ist das α-Synuklein, ein intrazellulärer Be-

standteil der zahlreichen Lewy-Körper-

chen. Durch den Nachweis von α-Syn-

uklein im Extrazelluläraum mehren sich

Hinweise auf einen möglichen Transport-

mechanismus [9]. Das Vorhandensein

von extrazellulärem α-Synuklein nährt

die Hoffnungen auf einen darauf basie-

renden möglichen Biomarkerkandidat

für auch andere synukleinassoziierte Er-

krankungen.

Differenzialdiagnose

Die Differenzierung zwischen einer Par-

kinson-Demenz und einer vaskulär be-

dingten Demenz bei Parkinson-Patienten

kann im Einzelfall problematisch oder

nicht möglich sein. Neuropsychologische

Testverfahren und Biomarker zeigen bis-

her keine ausreichende Trennschärfe, die

bei Parkinson-Patienten eine sichere Un-

terscheidung erlaubt.

Die Differenzialdiagnose zur Lewy-

Körperchen-Demenz ist teilweise schwie-

rig, da insbesondere teilweise erhebliche

neuropathologische Überlappungen mit

dem Morbus Alzheimer beschrieben wer-

den [15]. Per definitionem unterscheidet

sich die Parkinson-Demenz von der DLB

ausschließlich durch das zeitlich unter-

schiedliche Auftreten der extrapyrami-

dalmotorischen Symptome: Bei Parkin-

son-Patienten sollten definitionsgemäß

motorische Symptome über ein Jahr vor

der demenziellen Entwicklung auftreten,

während Patienten mit einer Lewy-Kör-

perchen-Demenz die Parkinson-Symp-

tome oftmals gleichzeitig oder nach der

Demenz entwickeln [20]. Neuropatholo-

gisch lässt sich eine Parkinson-Demenz,

trotz sehr unterschiedlichen klinischen

Verläufen, nicht von einer Lewy-Körper-

chen-Demenz unterscheiden.

Therapie

Nach den bisherigen Therapiestudien zur

Parkinson-Demenz und den Erfahrungen

aus der Behandlung der Alzheimer-De-

menz, erscheint überwiegend ein frühzei-

tiger Therapiebeginn erstrebenswert.

In einer großen (n=541) internationa-

len, multizentrischen, doppelblinden, pla-

zebokontrollierten Studie wurde die Wir-

kung von Rivastigmin bei der Parkin-

son-Demenz untersucht. Es konnte ei-

ne geringe aber doch signifikante Verbes-

serung der demenziellen Symptome er-

zielt werden [11]. Die Ergebnisse zeigten

auf der 70-Punkte-Skala des ADAS-cog

(kognitiver Teil des Alzheimer Disease

Assessment Score) bei den mit Rivastig-

min behandelten Patienten nach einer 24

Wochen dauernden Behandlung der im

Schnitt seit 9 Jahren an der Parkinson-

Krankheit leidenden dementen Patienten

eine Verbesserung um 2,1 Punkte, wäh-

rend die mit Plazebo behandelte Gruppe

eine Verschlechterung von durchschnitt-

lich 0,7 Punkten erfuhr. Ähnliche, nur ge-

ringfügige Verbesserung der Kognition ist

auch aus der Alzheimer-Forschung unter

der Therapie mit Cholinesterasehemmern

bekannt. Die Differenz beider Gruppen

aus der Studie von Emre und Mitrbeitern

bei Parkinson-Demenz-Patienten ent-

Zusammenfassung · Summary

Nervenarzt 2006 · 77:1439–1443

DOI 10.1007/s00115-006-2179-7

© Springer Medizin Verlag 2006

S. Wenzel · B. Mollenhauer · C. Trenkwalder

Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis

Zusammenfassung

In den letzten Jahrzehnten erhielten bei der

Parkinson-Erkrankung vornehmlich die mo-

torischen Symptome und deren Therapie me-

dizinische Beachtung. Jedoch rücken zuneh-

mend auch nichtmotorische Symptome ins

Bewusstsein; dazu gehören unter anderem

kognitive Defizite. Eine Demenz im Rahmen

einer Parkinson-Erkrankung ist häufiger als

bislang angenommen. Nach durchschnitt-

lich 8 Jahren werden bei ca. 40% der Parkin-

son-Patienten kognitive Defizite festgestellt.

Die Demenz und die damit verbundenen Pro-

bleme bestimmen meist eher die Progno-

se der Parkinson-Erkrankung als die moto-

rischen Symptome. Der Notwendigkeit einer

standardisierten Diagnostik und adäquaten

Therapie steht eine bislang geringe Studien-

lage gegenüber.

Schlüsselwörter

M. Parkinson · Demenz · Liquor cerebro-

spinalis · Diagnostische Möglichkeiten ·

Cholinesterasehemmer

Diagnosis and clinical therapy for Parkinson’s disease dementia

Summary

For decades, awareness of Parkinson’s disease

mainly focused on the presence and treat-

ment of motor symptoms. More and more

other symptoms of this disease not related to

the motor system now receive increased at-

tention, including cognitive decline. Demen-

tia in Parkinson’s disease occurs more often

than initially was thought. After an average

of 8 years, about 40% of these patients suf-

fer from cognitive decline. The difficulties and

related problems affect prognosis more than

do the motor symptoms. There is a need for

standardized diagnostic and specific thera-

peutic intervention, but appropriate studies

are still lacking.

Keywords

Parkinson’s disease · Dementia ·

Cerebrospinal fluid · Diagnostic options ·

Cholinesterase inhibitors

1442 | Der Nervenarzt 12 · 2006

Page 5: Diagnostik und Therapie von Parkinson-Demenz in der klinischen Praxis

spricht dem Punktwert, um den sich ein

Patient mit M. Alzheimer innerhalb eines

Jahres verschlechtert [24]. Bereits im Jahr

2000 war ein Effekt von Rivastigmin bei

der Lewy-Körperchen-Demenz in einer

doppelblinden, plazebokontrollierten, in-

ternationalen Studie gefunden worden.

Insbesondere wurden hier das Verhalten

und die neuropsychiatrischen Symptome

verbessert [19].

Auch die Wirkung anderer Cholines-

terasehemmer war schon zuvor unter-

sucht worden, so z. B. Galantamin bei ei-

ner kleinen Gruppe von 16 Patienten mit

Hinweisen auf eine Verbesserung der de-

menziellen Symptomatik [1]. Donepezil

hatte in einer kleinen Untersuchung von

22 Parkinson-Demenz-Patienten keinen

verschlechternden Effekt auf die moto-

rischen Symptome, aber die antidemen-

tive Wirkung war anhand einer der ver-

schiedenen verwendeten Skalen zur Mes-

sung kognitiver Funktionen nachweisbar

[25].

Langzeitbetreuung

Der Wirkstoff Rivastigmin wurde im

März 2006 auch für die Indikation Par-

kinson-Demenz zugelassen. Es empfiehlt

sich aus unserer Sicht ein Abbruch der Be-

handlung mit Rivastigmin bei Erreichen

eines MMSE-Ergebnisses von 10 Punkten.

Beobachtungen und Studien zur Anwen-

dung von Rivastigmin bei einer Parkin-

son-Demenz dieses Schweregrades liegen

nicht vor. Eine Nachuntersuchung und

kontinuierliche Überwachung sowohl

der Motorik wie auch der psychopatholo-

gischen Symptome ist unerlässlich. Studi-

en über den natürlichen Verlauf der Par-

kinson-Demenz liegen ebenfalls nicht vor.

Daten zur Langzeitbetrachtung unter der

Medikation mit Rivastigmin fehlen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass

die Demenz bei M. Parkinson bislang zu

wenig Beachtung fand, jedoch zuneh-

mend zu sozialökonomischen Problemen

führen wird, nicht zuletzt durch verbes-

serte Therapie der motorischen Symp-

tome und dadurch bedingte längere Le-

benserwartung bei Patienten mit M. Par-

kinson. Eine verbesserte Diagnostik so-

wie einheitliche Therapie ist daher erfor-

derlich.

Korrespondierender AutorDr. S. Wenzel

Paracelsus-Elena-KlinikKlinikstraße 16, 34128 [email protected]

Interessenkonflikt. Es besteht kein Interessenkon-

flikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass kei-

ne Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in

dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Kon-

kurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation

des Themas ist unabhängig und die Darstellung der In-

halte produktneutral.

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1443Der Nervenarzt 12 · 2006 |