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Page 1: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

wwwstudentenwerkede 22016

Das Magazin des Deutschen Studentenwerks

POSTER

IM HEFT30 Jahre

Plakatwettbewerb des

Deutschen Studentenwerks

REGIONAL Deutschlands Wissenschafts-Regionen auf dem Pruumlfstand

Funktioniert das Modell von Manfred Prenzel wirklich

DIGITAL Bildung 40 fuumlr die Industrie 40

Neun Fragen an Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel

CETA und TTIP behandeln Hochschulen und Studentenwerke wie Kuumlhlschraumlnke

Boris Rhein ist lieber Wissenschafts- als Innenminister in Hessen

Azubi-Wettkochen der NRW-Studierendenwerke Sabrina Poschmann gewinnt

tunalyiStock

Die 3400 km Reisehellip hellipnehmen Fluumlchtlinge auf sich um nach Deutschland zu fliehen Fuumlr viele ist es eine Reise auf Leben und Tod auf der sie ausgeraubt geschlagen oder misshandelt werden Manche Kinder verlieren auf der Flucht ihre Eltern

terre des hommes setzt sich fuumlr Fluumlchtlingskinder ein Wir kuumlmmern uns um Jungen und Maumldchen die durch Krieg und Gewalt traumatisiert wurden

Bitte unterstuumltzen Sie unsere Arbeit ndash mit Ihrer Spende Weitere Informationen unter 05417101-128

EDITORIAL

Kooperation wagen

Anlaumlsslich ihrer Jahresversammlung im Mai 2016 in Berlin schrieb die Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung in ihrer Festrede den Hochschulen ins Stammbuch Wenn Hoch-schulen untereinander und zugleich mit der Wirtschaft regional und uumlberregional kooperie-

ren dann sind die positiven Eekte greiar Die regio-nale Arbeitslosigkeit sinkt das Wirtschaftswachstum steigt Und wir muumlssen feststellen Johanna Wanka hat recht

Denn wir waren zunaumlchst ziemlich skeptisch als der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Manfred Pren-zel seine Idee der Wissenschaftsregionen in die Dis-kussion brachte Schlieszliglich wuumlrde dies einen Paradig-menwechsel bedeuten In den vergangenen beiden Jahrzehnten war das Modell des Wettbewerbs der Hochschulen ihrer Autonomie und ihrer individuel-len Profilbildung handlungsleitend Aus welchen Gruumlnden sollten konkurrierende Hochschulen nun ploumltzlich anfangen zu kooperieren Vorstellen konnten wir uns houmlchstens die direkte branchenbezogene Ko-operation zwischen einzelnen Hochschulen und Un-ternehmen

Wir wollten der Sache auf den Grund gehen Ergeb-nis Entgegen unserer anfaumlnglichen Skepsis schreibt das Modell der Wissenschaftsregionen vielerorts Er-folgsgeschichte Unser Autor Klaus Heimann legt in seiner Recherche darwo sich in Deutschland erfolgrei-che Wissenschaftsregionen finden Am Beispiel der Metropolregion Mittelfranken bzw der Interessenge-meinschaft Hochschulen Region Nuumlrnberg (igh) wird nachvollziehbar was eine Wissenschaftsregion typi-scherweise auszeichnet ndash und welch enormen Nutzen

raquoEntgegen unserer anfaumlnglichen Skepsis schreibt das Modell der Wissenschaftsregionen

vielerorts Erfolgsgeschichtelaquo

sie stiften kann wirtschaftlichen (Wieder-)Aufschwung kon-kurrenzfaumlhige Produkte Jobs Uumlbrigens In Nuumlrnberg ging die Initiative von der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus weil sie das Zukunfts- und Innovationspotenzial eben der regio-nalen Verbuumlnde fruumlhzeitig erkannt hat Fazit Wissenschaftsre-gionen funktionierenwenn sie nicht von oben politisch verord-net werden sondern eine echte intrinsische Motivation haben und sich gleichberechtigt begegnen_ S 12

Die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur faumlllt in den Aufgabenbereich eines anderen Mitglieds der Bundesregie-rung Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel argumentiert im Interview angesichts der Digitalisierung sei eine staumlrkere Ver-netzung von beruflicher und akademischer Bildung notwendig zugleich brauche Deutschland leistungsstarke regionale Cluster_S 20

Traditionell ist der Bundeswirtschaftsminister der ndash den Ordnungsrahmen setzende ndash Huumlter der sozialen Marktwirt-schaft Genau diese Rolle koumlnnte durch die Freihandelsabkom-men CETA und TTIP verletzt werden Aufgrund mangelnder Transparenz besteht hier weiterhin viel Unklarheit Wir wollten von einem Experten und Insider wissen was auf Hochschulen und Studentenwerke denn zukommen kann Hans-Juumlrgen Blinn_S 35 alarmierender Befund Die Logik von CETATTIP heiszligt bdquoMarkt vor Staatldquo Hochschulen und auch die Studenten-werke wuumlrden in dieser oumlkonomistischen Logik wie austausch-bare Kuumlhlschraumlnke behandelt_S 34

Vielleicht haben Sie beim Lesen dieses DSW-Journals auch ein Aha-Erlebnis Das wuumlrde mich freuen und gerne koumlnnen Sie es mir mitteilen

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Achim Meyer auf der Heyde Generalsekretaumlr des Deutschen Studentenwerks raquo achimmeyeraufderheydestudentenwerkede

DSW JOURNAL 22016 3

Das Magazin des Deutschen Studentenwerks

Heft 2 Juni 2016

POLITIK

Wissenschafts-regionen Prenzels Modell ndash Wer dahintersteckt wie sie funktionieren was sie uns bringen 12-19

Industrie 40 ndash Bildung 40 Die Zukunft der Arbeit Wirtschaftsmi-nister Sigmar Gabriel zur Digitalisierung von Beruf und Studium 20-23

POSTER IM HEFT 30 Jahre Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks

Herausgeber Deutsches Studentenwerk Monbijouplatz 11 10178 Berlin Plakatwettbewerb bdquoKinder Kinderldquo wwwstudentenwerkede

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DSW JOURNAL 22016 4

INHALT

PRAXIS

Wettkochen der Azubis Stresstest in der Groszligkuumlche Beim Azubi- Kochwettbewerb der Studierendenwerke NRW gab es Traumlnen 24-29

PROFIL

Die Wiederkehrerin Wissenschaft Schule ndash und jetzt wieder Wissenschaftsministerin in Branden-burg die zweite Chance der Martina Muumlnch 30-33

PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA und TTIP behandeln Hochschulen und Studentenwerke wie Kuumlhlschraumlnke warnt Hans-Juumlrgen Blinn 34-35

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13 FRAGEN AN hellip Boris Rhein (CDU) hessischer Wissenschaftsminister Er will mehr Wohnraum fuumlr Studierende schaen 36-37

Ein Gedanke noch hellip Digitalisierung 04 DSW-Praumlsident Dieter Timmermann erzaumlhlt eine Geschichte von e-BAfoumlG und Foumlderalismus 38

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CAMPUS

TIERSCHUTZ

Mensa statt Schredder

GROSSVERSUCH Das Kuumlkenschred-dern bewegt die Republik 45 Millio-nen maumlnnliche Kuumlken werden jaumlhr-lich getoumltet Angesichts der Debatte macht das Studentenwerk Hannover Ernst in Sachen Tierschutz In einem Testlauf boten neun Mensen ganz be-sondere Brathaumlhnchen an Die bdquoZwei-nutzungshuumlhnerldquo die dort auf den Teller kamen stammten vom For-schungsgut der Tieraumlrztlichen Hoch-schule Hannover (TiHo) Sie gehoumlren zu einem Forschungsprojekt von TiHo und Studentenwerk untersucht wird ein neues Konzept zur Gefluumlgelhal-tung Die Aufzuchtbedingungen sind im Vergleich zur bisherigen Praxis re-

volutionaumlr laumlngere Mastzeiten keine gekuumlrzten Schnaumlbel dazu Bodenhal-tung mit Sitzstangen Sprungtischen und Strohballen Wuumlrden die Huumlhn-chen den Studierenden schmecken ndash und waumlren die bereit deutlich mehr dafuumlr zu bezahlen bdquoViele Studierende ernaumlhren sich besonders bewusst und sind sensibel fuumlr tiergerechte Nutz-tierhaltung und nachhaltige Ernaumlh-rungldquo sagt Eberhard Homann Ge-schaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Nach dem Essen wurden die Mensabe-sucher zu Geschmack und Akzeptanz befragt ndash die Ergebnisse werden ausge-wertet himraquo wwwstudentenwerk-hannoverde

Anita Straub

FRANKREICH DEUTSCHLAND

Gabelkreuzung FOTOWETTBEWERB Zwei gekreuzte Gabelnmehr nicht Damit gewinnt Anita Straub 24 von der Uni-versitaumlt Koblenz-Landau den ersten deutsch-franzouml-sischen Fotowettbewerb fuumlr StudierendeThema des Wettbewerbs den sechs franzoumlsische und vier deut-sche Studentenwerke gemeinsam auslobten bdquoTan-demldquo bdquoIch habe noch nie zuvor etwas gewonnenldquo sagt Anita Straub die die Aufnahme im Rahmen ihrer Master-Arbeit zur bdquostrukturellen Schoumlnheit von Dingen des Alltagsldquo gemacht hat Mit 1000 Euro die sie vom Deutsch-Franzoumlsischen Jugendwerk als Preisgeld erhaumllt will sie eine Skandinavien-Reise machen sg raquo wwwetudiantgouvfrpid33799

toute-actualite-etudiantehtml

Wussten Sie schon dass hellip

das BAfoumlG zum Wintersemester 20162017 erhoumlht wird Es gibt mehr BAfoumlG fuumlr mehr Studierende Die Bedarfssaumltze steigen um

7 die maximale Foumlrderung fuumlr Studierende die nicht bei ihren Eltern wohnen

erhoumlht sich von 670euro auf 735euro Der Bedarf fuumlr die Unterkunft steigt von 224euro

auf 250euro Auch die Elternfreibetraumlge steigen um 7 das Elterneinkommen darf also um

7 houmlher sein bevor es aufs BAfoumlG angerechnet wird Dadurch erhalten mehr Studierende BAfoumlG Sie koumlnnen kuumlnftig

450euro statt 400euro monatlich nebenbei verdienen und 7500euro Vermoumlgen haben

statt 5200euro raquo wwwstudentenwerkededebafoeg2016

PORTRAumlT-SERIE

Das sind wir

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitar-nes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten-

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter Dei-AKTION

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitarnes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter DeiAKTION

raquo wwwstudentenwerkfrankfurtde

essen-trinkendas-sind-wir

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

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CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

DSW JOURNAL 22016 13

POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 2: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

tunalyiStock

Die 3400 km Reisehellip hellipnehmen Fluumlchtlinge auf sich um nach Deutschland zu fliehen Fuumlr viele ist es eine Reise auf Leben und Tod auf der sie ausgeraubt geschlagen oder misshandelt werden Manche Kinder verlieren auf der Flucht ihre Eltern

terre des hommes setzt sich fuumlr Fluumlchtlingskinder ein Wir kuumlmmern uns um Jungen und Maumldchen die durch Krieg und Gewalt traumatisiert wurden

Bitte unterstuumltzen Sie unsere Arbeit ndash mit Ihrer Spende Weitere Informationen unter 05417101-128

EDITORIAL

Kooperation wagen

Anlaumlsslich ihrer Jahresversammlung im Mai 2016 in Berlin schrieb die Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung in ihrer Festrede den Hochschulen ins Stammbuch Wenn Hoch-schulen untereinander und zugleich mit der Wirtschaft regional und uumlberregional kooperie-

ren dann sind die positiven Eekte greiar Die regio-nale Arbeitslosigkeit sinkt das Wirtschaftswachstum steigt Und wir muumlssen feststellen Johanna Wanka hat recht

Denn wir waren zunaumlchst ziemlich skeptisch als der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Manfred Pren-zel seine Idee der Wissenschaftsregionen in die Dis-kussion brachte Schlieszliglich wuumlrde dies einen Paradig-menwechsel bedeuten In den vergangenen beiden Jahrzehnten war das Modell des Wettbewerbs der Hochschulen ihrer Autonomie und ihrer individuel-len Profilbildung handlungsleitend Aus welchen Gruumlnden sollten konkurrierende Hochschulen nun ploumltzlich anfangen zu kooperieren Vorstellen konnten wir uns houmlchstens die direkte branchenbezogene Ko-operation zwischen einzelnen Hochschulen und Un-ternehmen

Wir wollten der Sache auf den Grund gehen Ergeb-nis Entgegen unserer anfaumlnglichen Skepsis schreibt das Modell der Wissenschaftsregionen vielerorts Er-folgsgeschichte Unser Autor Klaus Heimann legt in seiner Recherche darwo sich in Deutschland erfolgrei-che Wissenschaftsregionen finden Am Beispiel der Metropolregion Mittelfranken bzw der Interessenge-meinschaft Hochschulen Region Nuumlrnberg (igh) wird nachvollziehbar was eine Wissenschaftsregion typi-scherweise auszeichnet ndash und welch enormen Nutzen

raquoEntgegen unserer anfaumlnglichen Skepsis schreibt das Modell der Wissenschaftsregionen

vielerorts Erfolgsgeschichtelaquo

sie stiften kann wirtschaftlichen (Wieder-)Aufschwung kon-kurrenzfaumlhige Produkte Jobs Uumlbrigens In Nuumlrnberg ging die Initiative von der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus weil sie das Zukunfts- und Innovationspotenzial eben der regio-nalen Verbuumlnde fruumlhzeitig erkannt hat Fazit Wissenschaftsre-gionen funktionierenwenn sie nicht von oben politisch verord-net werden sondern eine echte intrinsische Motivation haben und sich gleichberechtigt begegnen_ S 12

Die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur faumlllt in den Aufgabenbereich eines anderen Mitglieds der Bundesregie-rung Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel argumentiert im Interview angesichts der Digitalisierung sei eine staumlrkere Ver-netzung von beruflicher und akademischer Bildung notwendig zugleich brauche Deutschland leistungsstarke regionale Cluster_S 20

Traditionell ist der Bundeswirtschaftsminister der ndash den Ordnungsrahmen setzende ndash Huumlter der sozialen Marktwirt-schaft Genau diese Rolle koumlnnte durch die Freihandelsabkom-men CETA und TTIP verletzt werden Aufgrund mangelnder Transparenz besteht hier weiterhin viel Unklarheit Wir wollten von einem Experten und Insider wissen was auf Hochschulen und Studentenwerke denn zukommen kann Hans-Juumlrgen Blinn_S 35 alarmierender Befund Die Logik von CETATTIP heiszligt bdquoMarkt vor Staatldquo Hochschulen und auch die Studenten-werke wuumlrden in dieser oumlkonomistischen Logik wie austausch-bare Kuumlhlschraumlnke behandelt_S 34

Vielleicht haben Sie beim Lesen dieses DSW-Journals auch ein Aha-Erlebnis Das wuumlrde mich freuen und gerne koumlnnen Sie es mir mitteilen

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Achim Meyer auf der Heyde Generalsekretaumlr des Deutschen Studentenwerks raquo achimmeyeraufderheydestudentenwerkede

DSW JOURNAL 22016 3

Das Magazin des Deutschen Studentenwerks

Heft 2 Juni 2016

POLITIK

Wissenschafts-regionen Prenzels Modell ndash Wer dahintersteckt wie sie funktionieren was sie uns bringen 12-19

Industrie 40 ndash Bildung 40 Die Zukunft der Arbeit Wirtschaftsmi-nister Sigmar Gabriel zur Digitalisierung von Beruf und Studium 20-23

POSTER IM HEFT 30 Jahre Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks

Herausgeber Deutsches Studentenwerk Monbijouplatz 11 10178 Berlin Plakatwettbewerb bdquoKinder Kinderldquo wwwstudentenwerkede

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DSW JOURNAL 22016 4

INHALT

PRAXIS

Wettkochen der Azubis Stresstest in der Groszligkuumlche Beim Azubi- Kochwettbewerb der Studierendenwerke NRW gab es Traumlnen 24-29

PROFIL

Die Wiederkehrerin Wissenschaft Schule ndash und jetzt wieder Wissenschaftsministerin in Branden-burg die zweite Chance der Martina Muumlnch 30-33

PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA und TTIP behandeln Hochschulen und Studentenwerke wie Kuumlhlschraumlnke warnt Hans-Juumlrgen Blinn 34-35

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13 FRAGEN AN hellip Boris Rhein (CDU) hessischer Wissenschaftsminister Er will mehr Wohnraum fuumlr Studierende schaen 36-37

Ein Gedanke noch hellip Digitalisierung 04 DSW-Praumlsident Dieter Timmermann erzaumlhlt eine Geschichte von e-BAfoumlG und Foumlderalismus 38

DSW JOURNAL 22016 5

CAMPUS

TIERSCHUTZ

Mensa statt Schredder

GROSSVERSUCH Das Kuumlkenschred-dern bewegt die Republik 45 Millio-nen maumlnnliche Kuumlken werden jaumlhr-lich getoumltet Angesichts der Debatte macht das Studentenwerk Hannover Ernst in Sachen Tierschutz In einem Testlauf boten neun Mensen ganz be-sondere Brathaumlhnchen an Die bdquoZwei-nutzungshuumlhnerldquo die dort auf den Teller kamen stammten vom For-schungsgut der Tieraumlrztlichen Hoch-schule Hannover (TiHo) Sie gehoumlren zu einem Forschungsprojekt von TiHo und Studentenwerk untersucht wird ein neues Konzept zur Gefluumlgelhal-tung Die Aufzuchtbedingungen sind im Vergleich zur bisherigen Praxis re-

volutionaumlr laumlngere Mastzeiten keine gekuumlrzten Schnaumlbel dazu Bodenhal-tung mit Sitzstangen Sprungtischen und Strohballen Wuumlrden die Huumlhn-chen den Studierenden schmecken ndash und waumlren die bereit deutlich mehr dafuumlr zu bezahlen bdquoViele Studierende ernaumlhren sich besonders bewusst und sind sensibel fuumlr tiergerechte Nutz-tierhaltung und nachhaltige Ernaumlh-rungldquo sagt Eberhard Homann Ge-schaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Nach dem Essen wurden die Mensabe-sucher zu Geschmack und Akzeptanz befragt ndash die Ergebnisse werden ausge-wertet himraquo wwwstudentenwerk-hannoverde

Anita Straub

FRANKREICH DEUTSCHLAND

Gabelkreuzung FOTOWETTBEWERB Zwei gekreuzte Gabelnmehr nicht Damit gewinnt Anita Straub 24 von der Uni-versitaumlt Koblenz-Landau den ersten deutsch-franzouml-sischen Fotowettbewerb fuumlr StudierendeThema des Wettbewerbs den sechs franzoumlsische und vier deut-sche Studentenwerke gemeinsam auslobten bdquoTan-demldquo bdquoIch habe noch nie zuvor etwas gewonnenldquo sagt Anita Straub die die Aufnahme im Rahmen ihrer Master-Arbeit zur bdquostrukturellen Schoumlnheit von Dingen des Alltagsldquo gemacht hat Mit 1000 Euro die sie vom Deutsch-Franzoumlsischen Jugendwerk als Preisgeld erhaumllt will sie eine Skandinavien-Reise machen sg raquo wwwetudiantgouvfrpid33799

toute-actualite-etudiantehtml

Wussten Sie schon dass hellip

das BAfoumlG zum Wintersemester 20162017 erhoumlht wird Es gibt mehr BAfoumlG fuumlr mehr Studierende Die Bedarfssaumltze steigen um

7 die maximale Foumlrderung fuumlr Studierende die nicht bei ihren Eltern wohnen

erhoumlht sich von 670euro auf 735euro Der Bedarf fuumlr die Unterkunft steigt von 224euro

auf 250euro Auch die Elternfreibetraumlge steigen um 7 das Elterneinkommen darf also um

7 houmlher sein bevor es aufs BAfoumlG angerechnet wird Dadurch erhalten mehr Studierende BAfoumlG Sie koumlnnen kuumlnftig

450euro statt 400euro monatlich nebenbei verdienen und 7500euro Vermoumlgen haben

statt 5200euro raquo wwwstudentenwerkededebafoeg2016

PORTRAumlT-SERIE

Das sind wir

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitar-nes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten-

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter Dei-AKTION

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitarnes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter DeiAKTION

raquo wwwstudentenwerkfrankfurtde

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

DSW JOURNAL 22016 7

CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 3: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

EDITORIAL

Kooperation wagen

Anlaumlsslich ihrer Jahresversammlung im Mai 2016 in Berlin schrieb die Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung in ihrer Festrede den Hochschulen ins Stammbuch Wenn Hoch-schulen untereinander und zugleich mit der Wirtschaft regional und uumlberregional kooperie-

ren dann sind die positiven Eekte greiar Die regio-nale Arbeitslosigkeit sinkt das Wirtschaftswachstum steigt Und wir muumlssen feststellen Johanna Wanka hat recht

Denn wir waren zunaumlchst ziemlich skeptisch als der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Manfred Pren-zel seine Idee der Wissenschaftsregionen in die Dis-kussion brachte Schlieszliglich wuumlrde dies einen Paradig-menwechsel bedeuten In den vergangenen beiden Jahrzehnten war das Modell des Wettbewerbs der Hochschulen ihrer Autonomie und ihrer individuel-len Profilbildung handlungsleitend Aus welchen Gruumlnden sollten konkurrierende Hochschulen nun ploumltzlich anfangen zu kooperieren Vorstellen konnten wir uns houmlchstens die direkte branchenbezogene Ko-operation zwischen einzelnen Hochschulen und Un-ternehmen

Wir wollten der Sache auf den Grund gehen Ergeb-nis Entgegen unserer anfaumlnglichen Skepsis schreibt das Modell der Wissenschaftsregionen vielerorts Er-folgsgeschichte Unser Autor Klaus Heimann legt in seiner Recherche darwo sich in Deutschland erfolgrei-che Wissenschaftsregionen finden Am Beispiel der Metropolregion Mittelfranken bzw der Interessenge-meinschaft Hochschulen Region Nuumlrnberg (igh) wird nachvollziehbar was eine Wissenschaftsregion typi-scherweise auszeichnet ndash und welch enormen Nutzen

raquoEntgegen unserer anfaumlnglichen Skepsis schreibt das Modell der Wissenschaftsregionen

vielerorts Erfolgsgeschichtelaquo

sie stiften kann wirtschaftlichen (Wieder-)Aufschwung kon-kurrenzfaumlhige Produkte Jobs Uumlbrigens In Nuumlrnberg ging die Initiative von der Industrie- und Handelskammer (IHK) aus weil sie das Zukunfts- und Innovationspotenzial eben der regio-nalen Verbuumlnde fruumlhzeitig erkannt hat Fazit Wissenschaftsre-gionen funktionierenwenn sie nicht von oben politisch verord-net werden sondern eine echte intrinsische Motivation haben und sich gleichberechtigt begegnen_ S 12

Die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur faumlllt in den Aufgabenbereich eines anderen Mitglieds der Bundesregie-rung Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel argumentiert im Interview angesichts der Digitalisierung sei eine staumlrkere Ver-netzung von beruflicher und akademischer Bildung notwendig zugleich brauche Deutschland leistungsstarke regionale Cluster_S 20

Traditionell ist der Bundeswirtschaftsminister der ndash den Ordnungsrahmen setzende ndash Huumlter der sozialen Marktwirt-schaft Genau diese Rolle koumlnnte durch die Freihandelsabkom-men CETA und TTIP verletzt werden Aufgrund mangelnder Transparenz besteht hier weiterhin viel Unklarheit Wir wollten von einem Experten und Insider wissen was auf Hochschulen und Studentenwerke denn zukommen kann Hans-Juumlrgen Blinn_S 35 alarmierender Befund Die Logik von CETATTIP heiszligt bdquoMarkt vor Staatldquo Hochschulen und auch die Studenten-werke wuumlrden in dieser oumlkonomistischen Logik wie austausch-bare Kuumlhlschraumlnke behandelt_S 34

Vielleicht haben Sie beim Lesen dieses DSW-Journals auch ein Aha-Erlebnis Das wuumlrde mich freuen und gerne koumlnnen Sie es mir mitteilen

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Achim Meyer auf der Heyde Generalsekretaumlr des Deutschen Studentenwerks raquo achimmeyeraufderheydestudentenwerkede

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Das Magazin des Deutschen Studentenwerks

Heft 2 Juni 2016

POLITIK

Wissenschafts-regionen Prenzels Modell ndash Wer dahintersteckt wie sie funktionieren was sie uns bringen 12-19

Industrie 40 ndash Bildung 40 Die Zukunft der Arbeit Wirtschaftsmi-nister Sigmar Gabriel zur Digitalisierung von Beruf und Studium 20-23

POSTER IM HEFT 30 Jahre Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks

Herausgeber Deutsches Studentenwerk Monbijouplatz 11 10178 Berlin Plakatwettbewerb bdquoKinder Kinderldquo wwwstudentenwerkede

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INHALT

PRAXIS

Wettkochen der Azubis Stresstest in der Groszligkuumlche Beim Azubi- Kochwettbewerb der Studierendenwerke NRW gab es Traumlnen 24-29

PROFIL

Die Wiederkehrerin Wissenschaft Schule ndash und jetzt wieder Wissenschaftsministerin in Branden-burg die zweite Chance der Martina Muumlnch 30-33

PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA und TTIP behandeln Hochschulen und Studentenwerke wie Kuumlhlschraumlnke warnt Hans-Juumlrgen Blinn 34-35

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13 FRAGEN AN hellip Boris Rhein (CDU) hessischer Wissenschaftsminister Er will mehr Wohnraum fuumlr Studierende schaen 36-37

Ein Gedanke noch hellip Digitalisierung 04 DSW-Praumlsident Dieter Timmermann erzaumlhlt eine Geschichte von e-BAfoumlG und Foumlderalismus 38

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CAMPUS

TIERSCHUTZ

Mensa statt Schredder

GROSSVERSUCH Das Kuumlkenschred-dern bewegt die Republik 45 Millio-nen maumlnnliche Kuumlken werden jaumlhr-lich getoumltet Angesichts der Debatte macht das Studentenwerk Hannover Ernst in Sachen Tierschutz In einem Testlauf boten neun Mensen ganz be-sondere Brathaumlhnchen an Die bdquoZwei-nutzungshuumlhnerldquo die dort auf den Teller kamen stammten vom For-schungsgut der Tieraumlrztlichen Hoch-schule Hannover (TiHo) Sie gehoumlren zu einem Forschungsprojekt von TiHo und Studentenwerk untersucht wird ein neues Konzept zur Gefluumlgelhal-tung Die Aufzuchtbedingungen sind im Vergleich zur bisherigen Praxis re-

volutionaumlr laumlngere Mastzeiten keine gekuumlrzten Schnaumlbel dazu Bodenhal-tung mit Sitzstangen Sprungtischen und Strohballen Wuumlrden die Huumlhn-chen den Studierenden schmecken ndash und waumlren die bereit deutlich mehr dafuumlr zu bezahlen bdquoViele Studierende ernaumlhren sich besonders bewusst und sind sensibel fuumlr tiergerechte Nutz-tierhaltung und nachhaltige Ernaumlh-rungldquo sagt Eberhard Homann Ge-schaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Nach dem Essen wurden die Mensabe-sucher zu Geschmack und Akzeptanz befragt ndash die Ergebnisse werden ausge-wertet himraquo wwwstudentenwerk-hannoverde

Anita Straub

FRANKREICH DEUTSCHLAND

Gabelkreuzung FOTOWETTBEWERB Zwei gekreuzte Gabelnmehr nicht Damit gewinnt Anita Straub 24 von der Uni-versitaumlt Koblenz-Landau den ersten deutsch-franzouml-sischen Fotowettbewerb fuumlr StudierendeThema des Wettbewerbs den sechs franzoumlsische und vier deut-sche Studentenwerke gemeinsam auslobten bdquoTan-demldquo bdquoIch habe noch nie zuvor etwas gewonnenldquo sagt Anita Straub die die Aufnahme im Rahmen ihrer Master-Arbeit zur bdquostrukturellen Schoumlnheit von Dingen des Alltagsldquo gemacht hat Mit 1000 Euro die sie vom Deutsch-Franzoumlsischen Jugendwerk als Preisgeld erhaumllt will sie eine Skandinavien-Reise machen sg raquo wwwetudiantgouvfrpid33799

toute-actualite-etudiantehtml

Wussten Sie schon dass hellip

das BAfoumlG zum Wintersemester 20162017 erhoumlht wird Es gibt mehr BAfoumlG fuumlr mehr Studierende Die Bedarfssaumltze steigen um

7 die maximale Foumlrderung fuumlr Studierende die nicht bei ihren Eltern wohnen

erhoumlht sich von 670euro auf 735euro Der Bedarf fuumlr die Unterkunft steigt von 224euro

auf 250euro Auch die Elternfreibetraumlge steigen um 7 das Elterneinkommen darf also um

7 houmlher sein bevor es aufs BAfoumlG angerechnet wird Dadurch erhalten mehr Studierende BAfoumlG Sie koumlnnen kuumlnftig

450euro statt 400euro monatlich nebenbei verdienen und 7500euro Vermoumlgen haben

statt 5200euro raquo wwwstudentenwerkededebafoeg2016

PORTRAumlT-SERIE

Das sind wir

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitar-nes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten-

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter Dei-AKTION

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitarnes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter DeiAKTION

raquo wwwstudentenwerkfrankfurtde

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

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CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

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Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 4: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

Das Magazin des Deutschen Studentenwerks

Heft 2 Juni 2016

POLITIK

Wissenschafts-regionen Prenzels Modell ndash Wer dahintersteckt wie sie funktionieren was sie uns bringen 12-19

Industrie 40 ndash Bildung 40 Die Zukunft der Arbeit Wirtschaftsmi-nister Sigmar Gabriel zur Digitalisierung von Beruf und Studium 20-23

POSTER IM HEFT 30 Jahre Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks

Herausgeber Deutsches Studentenwerk Monbijouplatz 11 10178 Berlin Plakatwettbewerb bdquoKinder Kinderldquo wwwstudentenwerkede

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INHALT

PRAXIS

Wettkochen der Azubis Stresstest in der Groszligkuumlche Beim Azubi- Kochwettbewerb der Studierendenwerke NRW gab es Traumlnen 24-29

PROFIL

Die Wiederkehrerin Wissenschaft Schule ndash und jetzt wieder Wissenschaftsministerin in Branden-burg die zweite Chance der Martina Muumlnch 30-33

PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA und TTIP behandeln Hochschulen und Studentenwerke wie Kuumlhlschraumlnke warnt Hans-Juumlrgen Blinn 34-35

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13 FRAGEN AN hellip Boris Rhein (CDU) hessischer Wissenschaftsminister Er will mehr Wohnraum fuumlr Studierende schaen 36-37

Ein Gedanke noch hellip Digitalisierung 04 DSW-Praumlsident Dieter Timmermann erzaumlhlt eine Geschichte von e-BAfoumlG und Foumlderalismus 38

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CAMPUS

TIERSCHUTZ

Mensa statt Schredder

GROSSVERSUCH Das Kuumlkenschred-dern bewegt die Republik 45 Millio-nen maumlnnliche Kuumlken werden jaumlhr-lich getoumltet Angesichts der Debatte macht das Studentenwerk Hannover Ernst in Sachen Tierschutz In einem Testlauf boten neun Mensen ganz be-sondere Brathaumlhnchen an Die bdquoZwei-nutzungshuumlhnerldquo die dort auf den Teller kamen stammten vom For-schungsgut der Tieraumlrztlichen Hoch-schule Hannover (TiHo) Sie gehoumlren zu einem Forschungsprojekt von TiHo und Studentenwerk untersucht wird ein neues Konzept zur Gefluumlgelhal-tung Die Aufzuchtbedingungen sind im Vergleich zur bisherigen Praxis re-

volutionaumlr laumlngere Mastzeiten keine gekuumlrzten Schnaumlbel dazu Bodenhal-tung mit Sitzstangen Sprungtischen und Strohballen Wuumlrden die Huumlhn-chen den Studierenden schmecken ndash und waumlren die bereit deutlich mehr dafuumlr zu bezahlen bdquoViele Studierende ernaumlhren sich besonders bewusst und sind sensibel fuumlr tiergerechte Nutz-tierhaltung und nachhaltige Ernaumlh-rungldquo sagt Eberhard Homann Ge-schaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Nach dem Essen wurden die Mensabe-sucher zu Geschmack und Akzeptanz befragt ndash die Ergebnisse werden ausge-wertet himraquo wwwstudentenwerk-hannoverde

Anita Straub

FRANKREICH DEUTSCHLAND

Gabelkreuzung FOTOWETTBEWERB Zwei gekreuzte Gabelnmehr nicht Damit gewinnt Anita Straub 24 von der Uni-versitaumlt Koblenz-Landau den ersten deutsch-franzouml-sischen Fotowettbewerb fuumlr StudierendeThema des Wettbewerbs den sechs franzoumlsische und vier deut-sche Studentenwerke gemeinsam auslobten bdquoTan-demldquo bdquoIch habe noch nie zuvor etwas gewonnenldquo sagt Anita Straub die die Aufnahme im Rahmen ihrer Master-Arbeit zur bdquostrukturellen Schoumlnheit von Dingen des Alltagsldquo gemacht hat Mit 1000 Euro die sie vom Deutsch-Franzoumlsischen Jugendwerk als Preisgeld erhaumllt will sie eine Skandinavien-Reise machen sg raquo wwwetudiantgouvfrpid33799

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Wussten Sie schon dass hellip

das BAfoumlG zum Wintersemester 20162017 erhoumlht wird Es gibt mehr BAfoumlG fuumlr mehr Studierende Die Bedarfssaumltze steigen um

7 die maximale Foumlrderung fuumlr Studierende die nicht bei ihren Eltern wohnen

erhoumlht sich von 670euro auf 735euro Der Bedarf fuumlr die Unterkunft steigt von 224euro

auf 250euro Auch die Elternfreibetraumlge steigen um 7 das Elterneinkommen darf also um

7 houmlher sein bevor es aufs BAfoumlG angerechnet wird Dadurch erhalten mehr Studierende BAfoumlG Sie koumlnnen kuumlnftig

450euro statt 400euro monatlich nebenbei verdienen und 7500euro Vermoumlgen haben

statt 5200euro raquo wwwstudentenwerkededebafoeg2016

PORTRAumlT-SERIE

Das sind wir

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitar-nes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten-

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter Dei-AKTION

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Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitarnes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

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CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

seezeıtstudierendenwerk bodensee

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 5: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

INHALT

PRAXIS

Wettkochen der Azubis Stresstest in der Groszligkuumlche Beim Azubi- Kochwettbewerb der Studierendenwerke NRW gab es Traumlnen 24-29

PROFIL

Die Wiederkehrerin Wissenschaft Schule ndash und jetzt wieder Wissenschaftsministerin in Branden-burg die zweite Chance der Martina Muumlnch 30-33

PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA und TTIP behandeln Hochschulen und Studentenwerke wie Kuumlhlschraumlnke warnt Hans-Juumlrgen Blinn 34-35

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13 FRAGEN AN hellip Boris Rhein (CDU) hessischer Wissenschaftsminister Er will mehr Wohnraum fuumlr Studierende schaen 36-37

Ein Gedanke noch hellip Digitalisierung 04 DSW-Praumlsident Dieter Timmermann erzaumlhlt eine Geschichte von e-BAfoumlG und Foumlderalismus 38

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CAMPUS

TIERSCHUTZ

Mensa statt Schredder

GROSSVERSUCH Das Kuumlkenschred-dern bewegt die Republik 45 Millio-nen maumlnnliche Kuumlken werden jaumlhr-lich getoumltet Angesichts der Debatte macht das Studentenwerk Hannover Ernst in Sachen Tierschutz In einem Testlauf boten neun Mensen ganz be-sondere Brathaumlhnchen an Die bdquoZwei-nutzungshuumlhnerldquo die dort auf den Teller kamen stammten vom For-schungsgut der Tieraumlrztlichen Hoch-schule Hannover (TiHo) Sie gehoumlren zu einem Forschungsprojekt von TiHo und Studentenwerk untersucht wird ein neues Konzept zur Gefluumlgelhal-tung Die Aufzuchtbedingungen sind im Vergleich zur bisherigen Praxis re-

volutionaumlr laumlngere Mastzeiten keine gekuumlrzten Schnaumlbel dazu Bodenhal-tung mit Sitzstangen Sprungtischen und Strohballen Wuumlrden die Huumlhn-chen den Studierenden schmecken ndash und waumlren die bereit deutlich mehr dafuumlr zu bezahlen bdquoViele Studierende ernaumlhren sich besonders bewusst und sind sensibel fuumlr tiergerechte Nutz-tierhaltung und nachhaltige Ernaumlh-rungldquo sagt Eberhard Homann Ge-schaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Nach dem Essen wurden die Mensabe-sucher zu Geschmack und Akzeptanz befragt ndash die Ergebnisse werden ausge-wertet himraquo wwwstudentenwerk-hannoverde

Anita Straub

FRANKREICH DEUTSCHLAND

Gabelkreuzung FOTOWETTBEWERB Zwei gekreuzte Gabelnmehr nicht Damit gewinnt Anita Straub 24 von der Uni-versitaumlt Koblenz-Landau den ersten deutsch-franzouml-sischen Fotowettbewerb fuumlr StudierendeThema des Wettbewerbs den sechs franzoumlsische und vier deut-sche Studentenwerke gemeinsam auslobten bdquoTan-demldquo bdquoIch habe noch nie zuvor etwas gewonnenldquo sagt Anita Straub die die Aufnahme im Rahmen ihrer Master-Arbeit zur bdquostrukturellen Schoumlnheit von Dingen des Alltagsldquo gemacht hat Mit 1000 Euro die sie vom Deutsch-Franzoumlsischen Jugendwerk als Preisgeld erhaumllt will sie eine Skandinavien-Reise machen sg raquo wwwetudiantgouvfrpid33799

toute-actualite-etudiantehtml

Wussten Sie schon dass hellip

das BAfoumlG zum Wintersemester 20162017 erhoumlht wird Es gibt mehr BAfoumlG fuumlr mehr Studierende Die Bedarfssaumltze steigen um

7 die maximale Foumlrderung fuumlr Studierende die nicht bei ihren Eltern wohnen

erhoumlht sich von 670euro auf 735euro Der Bedarf fuumlr die Unterkunft steigt von 224euro

auf 250euro Auch die Elternfreibetraumlge steigen um 7 das Elterneinkommen darf also um

7 houmlher sein bevor es aufs BAfoumlG angerechnet wird Dadurch erhalten mehr Studierende BAfoumlG Sie koumlnnen kuumlnftig

450euro statt 400euro monatlich nebenbei verdienen und 7500euro Vermoumlgen haben

statt 5200euro raquo wwwstudentenwerkededebafoeg2016

PORTRAumlT-SERIE

Das sind wir

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitar-nes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten-

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter Dei-AKTION

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

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Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitarnes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter DeiAKTION

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

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CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

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Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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PRAXIS Fo

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Foto

PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 6: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

CAMPUS

TIERSCHUTZ

Mensa statt Schredder

GROSSVERSUCH Das Kuumlkenschred-dern bewegt die Republik 45 Millio-nen maumlnnliche Kuumlken werden jaumlhr-lich getoumltet Angesichts der Debatte macht das Studentenwerk Hannover Ernst in Sachen Tierschutz In einem Testlauf boten neun Mensen ganz be-sondere Brathaumlhnchen an Die bdquoZwei-nutzungshuumlhnerldquo die dort auf den Teller kamen stammten vom For-schungsgut der Tieraumlrztlichen Hoch-schule Hannover (TiHo) Sie gehoumlren zu einem Forschungsprojekt von TiHo und Studentenwerk untersucht wird ein neues Konzept zur Gefluumlgelhal-tung Die Aufzuchtbedingungen sind im Vergleich zur bisherigen Praxis re-

volutionaumlr laumlngere Mastzeiten keine gekuumlrzten Schnaumlbel dazu Bodenhal-tung mit Sitzstangen Sprungtischen und Strohballen Wuumlrden die Huumlhn-chen den Studierenden schmecken ndash und waumlren die bereit deutlich mehr dafuumlr zu bezahlen bdquoViele Studierende ernaumlhren sich besonders bewusst und sind sensibel fuumlr tiergerechte Nutz-tierhaltung und nachhaltige Ernaumlh-rungldquo sagt Eberhard Homann Ge-schaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Nach dem Essen wurden die Mensabe-sucher zu Geschmack und Akzeptanz befragt ndash die Ergebnisse werden ausge-wertet himraquo wwwstudentenwerk-hannoverde

Anita Straub

FRANKREICH DEUTSCHLAND

Gabelkreuzung FOTOWETTBEWERB Zwei gekreuzte Gabelnmehr nicht Damit gewinnt Anita Straub 24 von der Uni-versitaumlt Koblenz-Landau den ersten deutsch-franzouml-sischen Fotowettbewerb fuumlr StudierendeThema des Wettbewerbs den sechs franzoumlsische und vier deut-sche Studentenwerke gemeinsam auslobten bdquoTan-demldquo bdquoIch habe noch nie zuvor etwas gewonnenldquo sagt Anita Straub die die Aufnahme im Rahmen ihrer Master-Arbeit zur bdquostrukturellen Schoumlnheit von Dingen des Alltagsldquo gemacht hat Mit 1000 Euro die sie vom Deutsch-Franzoumlsischen Jugendwerk als Preisgeld erhaumllt will sie eine Skandinavien-Reise machen sg raquo wwwetudiantgouvfrpid33799

toute-actualite-etudiantehtml

Wussten Sie schon dass hellip

das BAfoumlG zum Wintersemester 20162017 erhoumlht wird Es gibt mehr BAfoumlG fuumlr mehr Studierende Die Bedarfssaumltze steigen um

7 die maximale Foumlrderung fuumlr Studierende die nicht bei ihren Eltern wohnen

erhoumlht sich von 670euro auf 735euro Der Bedarf fuumlr die Unterkunft steigt von 224euro

auf 250euro Auch die Elternfreibetraumlge steigen um 7 das Elterneinkommen darf also um

7 houmlher sein bevor es aufs BAfoumlG angerechnet wird Dadurch erhalten mehr Studierende BAfoumlG Sie koumlnnen kuumlnftig

450euro statt 400euro monatlich nebenbei verdienen und 7500euro Vermoumlgen haben

statt 5200euro raquo wwwstudentenwerkededebafoeg2016

PORTRAumlT-SERIE

Das sind wir

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitar-nes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten-

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter Dei-AKTION

Frankfurt gibtrsquos online schaumlrfer als in Deutschlandldquo Mehr Gesichter aus

bdquoAuf den Philippinen essen wir normalerweise viel das Leben mit ihren beiden Soumlhnen und sie sagt

ihren Arbeitsalltag in der Ausgabe oder der Spuumllkuumlche auf dem Campus Riedberg als Kuumlchenhilfe Sie schildert

Philippinen und arbeitet halbtags in der Mensa bdquoPi x Gaumenldquo beiter persoumlnlich vor Digna Zitzelsberger kommt von den werk Frankfurt am Main seine Mitarbeiterinnen und Mitarnes Studentenwerksldquo Mit dieser Aktion stellt das Studenten

Digna Zitzelsberger 44 ist eines der bdquoGesichter DeiAKTION

raquo wwwstudentenwerkfrankfurtde

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

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CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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10 DSW JOURNAL 22016

CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 7: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

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HOCHSCHULE 40

HEIKO SAKURAI

EINE FRAGE

DIE GROSSEN PROGRAMME GEHEN AN DEN STUDIERENDEN VORBEI RICHTIG

Das antworten die Bildungsexpertinnen der vier Bundestagsfraktionen

bdquoRichtig Die Realitaumlt an den Hoch-schulen sieht folgendermaszligen aus Das Betreuungsverhaumlltnis wird von Jahr zu Jahr schlechter die Houmlrsaumlle platzen aus allen Naumlhten und die WissenschaftlerInnen hangeln sich von einem befristeten Teilzeitjob zum naumlchsten Durch die Pakte bzw die Initiativen wird keines dieser Proble-me angegangen Die Hochschulen brauchen keine kurzfristigen Pro-gramme sondern endlich eine zuver-laumlssige und bedarfsgerechte Grundfi-nanzierung um gute Bedingungen fuumlr alle Studierenden und Lehrenden zu garantierenldquo

raquo wwwnicole-gohlkede

bdquoWir stellen von 2015 bis 2020 fast 20 Milliarden Euro durch Bund und Laumlnder fuumlr die Foumlrderung von mehr Studienplaumltzen bereit Dazu kommen die 35 Milliarden fuumlr die Verbesse-rung der Lehre die Verbesserung der Lehrerausbildung und fuumlr den wissenschaftlichen Nachwuchs so-wie 500 Millionen Euro jaumlhrlich mehr fuumlr das BAfoumlG Die Exzellenzinitiative ist eine sehr wichtige Ergaumlnzung Sehr gute Forschung stimuliert auch sehr gute Lehre mehr Internationali-taumlt foumlrdert auch die Weltoffenheit der Studierendenldquo

raquo wwwernst-dieter-rossmannde

bdquoFalsch Mit den Hochschulprogram-men staumlrken wir Forschung und Leh-re Innovation und den wissenschaft-lichen Nachwuchs spuumlrbar Davon profitieren gerade die Studierenden Zugleich entlastet der Bund die Laumln-der wie nie Die Laumlnder haben so mehr Geld fuumlr ihre Hochschulen Uumlb-rigens Das groumlszligte Bund-Laumlnder-Pro-gramm ist der Hochschulpakt 2020 Der ermoumlglicht dass allein bis 2020 rund 760000 junge Menschen zu-saumltzlich studieren koumlnnen Der Bund zahlt davon mehr als die Haumllfte das sind 99 Milliarden Euroldquo

raquo wwwalbert-rupprechtde

Kai Gehring MdB Buumlndnis 90Die Gruumlnen

Nicole Gohlke MdB Die Linke

Dr Ernst Dieter Rossmann MdB SPD

Albert Rupprecht MdB CDUCSU

bdquoFuumlr Studis sind gut finanzierte Unis und Fachhochschulen sowie eine auskoumlmmliche Studienfinanzierung das Wichtigste Bei beidem hapertlsquos Erst nach sechs Nullrunden gibt es bald etwas mehr BAfoumlG Kuumlnftige Erhoumlhungen muumlssen regelmaumlszligig und automatisch erfolgen Auch muss der Bund die Laumlnder bei der Grundfinan-zierung ihrer Hochschulen dauerhaft verlaumlsslich unterstuumltzen ua mittels Hochschulpakt Ohnehin profitieren Studierende nur indirekt Uumlber die ein oder andere Vorlesung von Spitzen-forscherInnen oder zusaumltzliche Tenure-Track-ProfessorInnenldquo

raquo wwwkai-gehringde

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CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

seezeıtstudierendenwerk bodensee

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 8: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

CAMPUS

Halle

Koumlthen Merseburg

Studentenwerk Magdeburg

Friedensau Halberstadt Magdeburg Stendal

Wernigerode 23406 Studierende

Studentenwerk Leipzig

36322 Studierende

Chemnitz Zwickau Chemnitz Schneeberg

Zwickau 16204 Studierende

Kindertagesstaumltten

Plaumltze

28 1881

Psychologische Beratungen

Sozialberatungen

16448

15543

25 JAHRE STUDENTENWERKE IN DEN NEUEN BUNDESLAumlNDERN

Studentenwerk Rostock

Guumlstrow Rostock Warnemuumlnde Wismar

18400 Studierende

Studentenwerk Greifswald

Greifswald Neubrandenburg 15850 Studierende

Studentenwerk Frankfurt (Oder)

Cottbus Frankfurt (Oder) Eberswalde Senftenberg

18314 Studierende

Studentenwerk

Bernburg Dessau HalleSaale

28548 Studierende

Studentenwerk

Studentenwerk Thuumlringen

Jena Weimar Eisenach Erfurt Ilmenau Nordhausen

Schmalkalden Gera 50510 Studierende

Studentenwerk Potsdam

Brandenburg Potsdam Wildau

31461 Studierende

Studentenwerk Freiberg

Freiberg Mittweida 11631 Studierende

Studentenwerk Dresden

Dresden Goumlrlitz Zittau 48105 Studierende

2905 Beschaumlftigte

DSWDSW JOURNALJOURNAL 2201622016 8 8

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 9: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

STANDORT

bdquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Stu-dentenwerke wieder und neu zu errichtenwar richtig Die Hochschulen konzentrieren sich auf Lehre und Forschung die Studentenwerke sichern das Studium sozial ab Diese Arbeitstei-lung bewaumlhrt sich auch hier Dass es nach dem damaligen Neuanfang gelang in kurzer Zeit im Osten leistungsfaumlhige Einrichtungen zu schaf-fen verdanken wir vielen engagierten Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern aber auch der tat-kraumlftigen Mithilfe von Kolleginnen und Kollegen aus den alten Bundeslaumlndern Hier sind echte Partner- und Freundschaften entstandenldquo

Dr Ralf Schmidt-Roumlh Geschaumlftsfuumlhrer des Studentenwerks Thuumlringen Sprecher der ostdeutschen Studentenwerke

raquoDie Entscheidung in den neuen Laumlndern Studentenwerke wieder und neu zu errichten war richtiglaquo

bdquoDer Auau neuer Anstalten des oumlentlichen Rechts war alles andere als einfach es prallten schon Welten aufeinander gerade in der Begeg-nung mit den helfenden West-Kolleginnen und -Kollegen Die fuumlr Studentenwerke entscheiden-de Haltung der Servicegedanke an die Adresse der Studierenden sbquoWir sind fuumlr Dich dalsquo Das musste erst einmal verinnerlicht werden Uns beim Studentenwerk Halle kam in den fruumlhen Jahren nach 1991 sehr zugute dass die heutige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka in unserem Verwaltungsrat war Sie half entschei-dend mit Krisen zu bewaumlltigenldquo

Prof Dr Hans Lilie Langjaumlhriger Verwal-tungsratsvorsitzender des Studentenwerks Halle und ehemaliger Vizepraumlsident des Deutschen Studenten-werks

39614 Plaumltze in

Studierendenwohnheimen

Mensen

Gesamtumsatz

116

61 Mioeuro

Durchschnittliche Miete

207 euro warm im Monat

76973 BAfoumlG-Gefoumlrderte

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raquoDer Aufbau neuer Anstalten des oumlffentlichen Rechts war alles andere als einfach laquo

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CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

seezeıtstudierendenwerk bodensee

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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POLITIK Fo

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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PRAXIS Fo

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 10: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

10 DSW JOURNAL 22016

CAMPUS

PERSONALIA

Krone des Studentenwerks ALEXANDRA KRONE ist seit Mai 2016 Geschaumlfts-fuumlhrerin des Studentenwerks Osnabruumlckdas rund 30000 Studierende betreutSie folgt auf Birgit Bor-nemann die 13 Jahre lang die Geschaumlftsfuumlhrung innehatte Krone 42 ist in Osnabruumlck geboren ist promovierte Psychologin die Universitaumlt Osna-bruumlck zeichnete ihre mit bdquosumma cum laudeldquo be-wertete Dissertation zusaumltzlich aus Vor ihrem Wechsel zum Studentenwerk Osnabruumlck war sie Geschaumlftsleiterin Personal und Controlling bei ei-nem Logistikdienstleister mit mehr als 2000 Be-schaumlftigten 2013 verlieh ihr der Bundesverband der Personalmanager den bdquoPersonalmanagment-Awardldquo Laut bdquoNeuer Osnabruumlcker Zeitungldquo war Krone bdquoWunschkandidatinldquo des Verwaltungsrats

des Studentenwerks Osnabruumlck dem Uni-Praumlsident Prof Dr Wolfgang Luumlcke vor-sitzt Die Zeitung titelte bdquoKrone des Studentenwerksldquo sgraquo wwwstudentenwerk-osnabrueckde

Koumlpfchen und Muskeln ANDREAS SCHUumlLKE ist der neue Geschaumlfts-fuumlhrer des Studierendenwerks Vorderpfalz Schuumllke ist seit April 2016 im Amt bei dem Studie-rendenwerk das seinen Hauptsitz in Landau hat und auch in Germersheim Ludwigshafen und Worms taumltig ist fuumlr insgesamt 17000 Studierende Der 50-jaumlhrige Jurist Schuumllke der auch als Rechtsanwalt taumltig war kennt die Studenten-werksarbeit gut Bis zu seinem Wechsel nach Landau war er Leiter der Allgemeinen Verwal-tung und Justitiar des Studentenwerks Gieszligen dessen stellvertretender Geschaumlftsfuumlhrer er ebenfalls war Schuumllke hat sich sein Jurastudium als Hotelportier selbst finanziert Er ist verheira-tet und hat drei Kindervon denen eines studiert In seiner Freizeit betreibt er Fitness und etwas Kraftsport sgraquo wwwstw-vpde

IMPRESSUM DSW-Journal Das Magazin des Grafik BlazekGrafik Redaktionsanschrift Deutschen Studentenwerks (DSW) wwwblazekgrafikde Deutsches Studentenwerk eV Ausgabe 12016 11 Jahrgang Karikatur Heiko Sakurai Redaktion DSW-Journal Das DSW-Journal erscheint viermal im Jahr

Herausgeber Deutsches Studentenwerk eV Monbijouplatz 11 10178 Berlin

Druck Henrich Druck + Medien GmbH wwwhenrichde

Beratung Helmut Ortner

Monbijouplatz 11 10178 Berlin Tel +49(0)30-29 77 27-20 Fax +49(0)30-29 77 27-99 E-Mail dswjournalstudentenwerkede

Verantwortlich Achim Meyer auf der Heyde wwwortner-conceptde Internet wwwstudentenwerkede Generalsekretaumlr Anzeigen Nachdruck und Wiedergabe von Redaktionsleitung Stefan Grob (sg) dswjournal-anzeigenstudentenwerkede Beitraumlgen aus dem DSW-Journal sind stefangrobstudentenwerkede Es gilt die Anzeigenpreisliste vom nur mit ausdruumlcklicher Genehmigung Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe 1 Januar 2016 der Redaktion erlaubt Der Bezugspreis

Christian Fuumlller Dr Klaus Heimann Armin ist im Mitgliedsbeitrag enthalten

Himmelrath Tilmann Warnecke Heike Hucht Dr Hans-Juumlrgen Blinn

KOLUMNE

GROB GESAGT

Onliner Ich bin immer online Und ich liebe es

Sonntagsabends beim Tatort schaue ich mir auf Spiegel Online parallel die Live-Tweets an die sind oft noch unterhaltsamer als der Tatort selbst und wenn jemand wirklich klug twittert wechsle ich zu Twitter und gebe meinem Tatort-abstinenten Kumpel A um ihn zu aumlrgern auf WhatsApp durch was er mal wieder verpasst dann antworte ich noch kurz auf die E-Mail meines Chefs der auch immer online ist und an einem Sonntag schickte mir mein zwoumlllaquoaumlhriger Sohn an-statt im Kinderzimmer nebenan sanft einzu-schlummern eine SMS bdquoPapa was machst Duldquo

raquoWelch ein Gluumlck dass Berufliches und Privates sich uumlberlappenlaquo

Jawas mache ich da eigentlich

Ich nutze Online-Medien Ich twittere beruflich ich bin privatberuflich auf Face-bookich posteich likeich teilekommentie-re ndash ich tue all daswas Milliarden Menschen auf dieser Welt auch tun Ich habe einfach das Gluumlck dass sich bei mir Berufliches und Privates stark uumlberlappen Meine Branche die PR-Branche hat das Riesengluumlck diesen epochalen Umbruch der Kommunikation miterleben zu duumlrfen Mit allen Sonnen- und allen Schattenseiten mit Klugheit auf Twit-ter und stumpfem Hass auf Facebook Zuruumlck ins analoge Zeitalter Bloszlig nichtWir muumlssen durch diese Revolution hindurchgehen mit Lust und Begeisterung

Oh meine berufliche Praxis veraumlndert sich grundlegend wie schoumln Oh das Berufli-che und das Private vermischen sich na und

Osup2ine bin ichwenn ich tot bin

Stefan Grob Redaktionsleiter DSW-Journal stefangrobstudentenwerkede

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TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

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Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 11: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

TEAMWORK im Studentenwerk

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SERIE

Service-Center ndash Will Eva Escher (links) aus Weingarten ihre Kolleginnen in Konstanz treen ist sie 50 Kilome-ter unterwegs ndash inklusive Faumlhrfahrt uumlber den Bo-denseeVor der Mensa in Konstanz staunt sie dann jedes Mal bdquoToll dieser Blickldquo Zusammen mit Petra Kayali (mitte) und Marina Filipczyk (rechts) ist Eva Escher das Service Center-Team von Seezeit Studierendenwerk Boden-see Es betreut sieben Hochschulen an fuumlnf Standorten und diese drei froumlhlichen Frauen sind fuumlr viele Studierenden die ersten Ansprechpart-nerinnen Die haumlufigste Frage Oumlstlich des Boden-sees bdquoWo gibtrsquos denn so ein BAfoumlG-Formularldquo westlich des Sees dage-gen bdquoAumlhm ich habe meine Mensacard verlo-ren ldquo himraquo wwwseezeitcom

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AN DEN SEE

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POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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k POLITIK

TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 12: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

Oberster Trommler fuumlr die Wissenschaftsregion Prof Dr Manfred Prenzel Vorsitzender des Wissenschaftsrats Taugt sein Modell sogar fuumlr die deutsche Wissenschaftspolitik der naumlchsten Jahrzehnte

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Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 13: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

Wissenschaft

Wir stellen die Leitidee von

auf den Pruumlfstand

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TEXT Klaus Heimann

Die Stimmung ist locker die Wege sind kurz und die Ideen sprieszligen So stellt sich Prof Dr Man-fred Prenzelim Nebenamt Vorsitzender des Wis-senschaftsrats funktionierende Wissenschafts-regionen vor Prenzel eigentlich Spezialist fuumlr empirische Bildungsforschung an der Techni-

schen Universitaumlt Muumlnchen will wissenschaftspolitisch keine kleinen Broumltchen backenAls er im Juni 2014 sein Amt als Chef der wichtigsten Beratungsinstanz von Bund und Laumlndern in der Wissenschaftspolitik uumlber-nahm markierte er noch im selben Monat sein wich-tigstes Projekt Er will den Gedanken des regionalen Ver-bunds in der Wissenschaft als dritte hochschulpoliti-sche Aufgabe neben Forschung und Lehre richtig stark machen

Vor allem Universitaumlten und auszligeruniversitaumlre For-schungseinrichtungen sehen sich bisher nicht in der regionalen Verantwortung Prenzel fragt sich Warum pflegen die einen die Gemeinsamkeitenwaumlhrend an an-deren Orten das Feld noch brach liegt Was sind die Er-folgsbedingungen fuumlr Kooperation auf regionaler Ebene Wie sehen die BedarfePotenziale und Grenzen aus bdquoDas alles sind Punkte die wir uns aktuell in der Arbeit des

im Dienst der RegionWissenschaftsrat-Chef Manfred Prenzel

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POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 14: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Regionen Hochschulen sind Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeld Prof Dr Johanna Wanka (CDU) Bundesministerin fuumlr Bildung und Forschung

Wissenschaftsrats anschauenldquo sagt Prenzel Und er ist zuversichtlich bdquoAm Ende des Tages werden wir zeigen dass es noch Potenzial gibt das es lohnt zu hebenldquo

Der Geist des Silicon Valley

Den Kosmos der Wissenschaftsregionen den gibt es schon laumlnger Natuumlrlich kann nicht jede Region so erfolg-reich sein wie das Silicon Valley in den USA Kaliforni-sches Denken taugt zwar zur Inspiration aber nicht als Kopiervorlage fuumlr Deutschland Aber es gibt sie auch in Deutschland die gelungenen Spitzencluster Verbuumlnde Kooperationen und Partnerschaften Paradebeispiel die Metropolregion Mittelfranken Die Staumldte Nuumlrnberg Fuumlrth und Erlangen erlitten einen wirtschaftlichen Herzinfarkt als die Unternehmen Grundig AEG oder Quelle komplett von der Bildflaumlche verschwanden Unter Federfuumlhrung der Industrie- und Handelskammer (IHK) agierten damals schon die acht mittelfraumlnkischen Hoch-schulen in einer gut funktionierenden Interessenge-meinschaft

bdquoBeutegemeinschaftldquo mit Spitzen-Indikatoren

Am Anfang ging es um den Ausbau der Hochschulen Spaumlter dann um die Entwicklung einer erfolgreichen Wissenschaftsregion Dr Robert Schmidt Leiter des Ge-schaumlftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Nuumlrnberg fuumlr Mittelfranken war von Anfang an dabei und kennt das Interesse der Wirtschaft bdquoWir brauchen starke Hochschulen die junge Fachkraumlfte fuumlr die Region ausbilden und die ihre Forschungsergebnisse fuumlr den Technologietransfer bereitstellenldquo Den Gedanken der bdquoBeutegemeinschaftldquo findet Schmidt nicht unpassend wenn er an den Beginn der Zusammenarbeit zuruumlck-denkt bdquoWir haben uns im Namen der Wirtschaft fuumlr die Interessen unserer Hochschulen stark gemachtldquo er-gaumlnzt Dr Elfriede Eberl Forschungsreferentin bei der IHK

Das Ergebnis kann sich sehen lassen Laut Zukunfts-atlas des Marktforschungsunternehmens bdquoPrognosldquo ist der Anteil der Hochqualifizierten im bundesweiten Ver-gleich in Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen am groumlszligten Und im Staumldteranking des Wirtschaftsmagazins bdquoWirtschafts-Wocheldquo liegt die Region bei den Patentanmeldungen so-gar auf Platz eins Das Erfolgsrezept liegt fuumlr Eberl auf der Hand Wer Innovationen in den Betrieben generieren will der braucht Wissenschaft in unmittelbarer Naumlhe Inzwischen gibt es zwoumllf IHK-Anwender-Clubs bdquoin de-nen ist der Wissens- und Technologietransfer der wich-tigste Punktldquo berichtet Schmidt

Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsidenten der Fried-rich-Alexander-Universitaumlt (FAU) Erlangen-Nuumlrnberg kann der Lobby-Runde bei der IHK viel abgewinnen bdquoDie Frage wie koumlnnen wir den Forschungsstandort weiter-entwickeln interessiert natuumlrlich die HochschulenAber auch die Kammer als Vertreter der mittelstaumlndischen Wirtschaft und die Kommunalpolitikerldquo so Hornegger Der Region etwas zuruumlckzugeben das ist fuumlr Hornegger eine wichtige Antriebskraft Dazu gehoumlrt fuumlr ihn alles daranzusetzen um bdquosehr gute Wissenschaftler und ex-zellente Studierende zu gewinnenldquo

Eine Wissenschaftsmeile

Begeistert berichtet der Praumlsident vom juumlngsten Pro-jekt der bdquoWissenschaftsmeile Nuumlrnbergldquo bdquoDie Wissen-schaftsmeile wird die Sichtbarkeit des Forschungsstand-orts international noch einmal erhoumlhenldquo ist Hornegger uumlberzeugt Die Nuumlrnberger und die Fuumlrther Straszlige die die beiden Staumldte der Metropolregion verbindet soll die Visitenkarte der Wissenschaftsregion abgeben Wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind hier Institute der FAU der Technischen Hochschule Nuumlrnberg die Fraun-hofer-Einrichtungen und Forschungsabteilungen von Unternehmen Es ist eine durch und durch historische Magistrale Hier dampfte der Adler die erste Eisenbahn in Deutschland und im Justizpalast Fuumlrther Straszlige 110 fanden die Nuumlrnberger Prozesse gegen die Kriegsverbre-

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POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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PRAXIS Fo

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Foto

PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 15: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

Im Silicon Valley ist die Stanford-Universitaumlt einer der Haupttreiber Fuumlr die Wissenschaftsregion Mittelfranken ist das unsere Aufgabe Prof Dr Joachim Hornegger Praumlsident der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg

cher des Nationalsozialismus statt Der urspruumlnglich re-gionale Verbund der fraumlnkischen Hochschulen hat zu-saumltzliche Partner bekommen Inzwischen sind das Fraunhofer-Institut fuumlr integrierte Schaltungen und das fuumlr integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie das Helmholtz Institut fuumlr Erneuerbare Energien und das Max-Planck-Institut fuumlr die Physik des Lichtes hin-zugekommen Auszligeruniversitaumlre Forschungseinrich-tungen sind in der Wissenschaftsszene ein gewichtiger Faktor Bundesweit arbeiten hier rund 100000 Forscher innen und Forscher und 125 Milliarden Euro flieszligen je-des Jahr in die bdquoAuszligeruniversitaumlrenldquo

Mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise

Den Franken ist es gelungen inhaltliche Schwer-punkte zu definieren Gemeinsame inhaltliche Ziele das sind die wichtigsten Bedingungen fuumlr erfolgreiche Wis-senschaftsregionen Verkehr und Logistik Energie und Umwelt oder neue Materialien das sind die technologi-schen Kompetenzfelder in Mittelfranken Der Bereich Medizin und Gesundheit angefuumlhrt von der Friedrich-Alexander-Universitaumlt Erlangen-Nuumlrnberg schate mit Medical Valley in Erlangen den Sprung in die erste Liga Deutschlands Aktuell wird in 40 Projekten an medizin-technischen Produkten und Dienstleistungen gearbei-tet Dutzende von mittelstaumlndischen Betrieben aus dem Feld Gesundheit und Medizin haben sich zusaumltzlich angedockt

Das Beispiel Nuumlrnberg-Fuumlrth-Erlangen belegt eindrucksvoll Wissenschaft mehrt den Wohlstand der Region Mit dieser Po-litik gelang es die Arbeitsplatzverluste der Vergangenheit wettzumachenInzwi-schen gibt es sogar mehr Arbeitsplaumltze als vor der Krise War die Wirtschaftsfoumlrde-rung bislang mehr oder weniger erfolg-reich damit beschaumlftigt potente Unterneh-men anzulocken ist das heute ganz anders Der Hotspot heiszligt Wissenschaftstransfer

Von Stanford lernen

Je besser die Region in der Wissenschaft aufgestellt ist umso attraktiver ist sie fuumlr Studierende junge Wis-senschaftlerinnen Start-ups Das sind allemal die Pfad-finder auf der Suche nach Neuem Konzerne wie Google Apple Cisco Hewlett Packard Facebook oder Amazon haben so angefangen Und jetzt Google und Apple sind so viel Wert wie alle 30 Unternehmen im Deutschen Ak-tienindex (DAX 30) zusammen Heute arbeiten und for-schen sie alle im Silicon Valley in enger Verknuumlpfung mit der privaten Stanford University eine der besten Universitaumlten der Welt

FAU-Praumlsident Hornegger hat selbst als Informatiker das Zusammenspiel von Hochschule und Unternehmen im Silicon Valley erlebt In seiner Zeit als Gastwissen-schaftler in Stanford hat er beobachtet welche Rolle Wissenschaft spielen kann bdquoIm Silicon Valley ist einer der Haupttreiber der Entwicklung die Universitaumlt in Standford Sie interagiert mit der Industrie und entwi-ckelt so das Tal weiterldquo Und dann ergaumlnzt er bdquoUnd das ist auch unsere Aufgabe Wir uumlbernehmen als Universitaumlt der Region eine zentrale Rolle in der Weiterentwick-lungldquo Die FAU setzt auf einen eigenen nachhaltigen Weg Die neuen Produktions- und Arbeitsmodelle do-cken an der gewachsenen industriellen Struktur und dem bewaumlhrten deutschen Sozialmodell an

Die Wirtschaftskraft in Wissenschaftsregionen ist um 20 houmlher Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft

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DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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PRAXIS Fo

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Foto

PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 16: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

DIE EXKLUSIVEN UNI-VERBUumlNDE Die Zusammenarbeit mehrerer Universitaumlten in der Region steht bei diesem Typus von Wissenschaftsregionen im Mittelpunkt Dafuumlr steht beispielhaft die Universitaumltsallianz Ruhr (UA-RUHR) die Zusammenarbeit der Universitaumlten Dortmund Bochum und Essen-Duisburg oder die strategische Allianz Rhein-Main-Universitaumlten mit Frankfurt am Main Darmstadt und Mainz Diese exklusive Form der Kooperation setzt auf Synergien zwischen den Unis schlieszligt aber viele Akteure der Wissenschaft in der Region aus Sie nehmen noch nicht einmal die Fachhochschulen mit ins Boot Das geht auch anders Das zeigt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) ein grenzuumlberschreitender Verbund von 30 Universitaumlten und

Schweiz

POLITIK

Wissenschaftsregionen Die Wettbewerber

DIE ERFOLGREICHEN Seit dem Jahr 2008 setzt das Bundesministerium fuumlr Bildung und Forschung im Rahmen seiner Hightech-Strategie auf Spitzencluster 1300 Foumlrderprojekte arbeiten in 15 regionalen Spitzenclustern So wie beispielsweise das Biotechnologie-Cluster bdquoMedizin gegen Krebsldquo in der Region Rhein-Neckar (BioRN) oder das Cluster AVIATION zur Luftfahrtechnik in der Region Norddeutschland Die Spitzencluster haben national wie international groszlige Strahlkraft Aumlhnlich arbeiten die neun Forschungscampusse Im Campus bdquoOpen Hybrid Lab Factoryldquo in Wolfsburg geht es um Leichtbau und innovative Werkstoff- und Fertigungstechnologien und bei der bdquoARENA 2036ldquo in Stuttgart geht es um Leichtbau Im Kern dieser Projekte geht es immer um die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in regionalen Zusammenhaumlngen

DIE FOumlRDERER Wissenschaftsregionen beinhalten auch die Chance einer Renaissance der Laumlnder in der Wissenschaftspolitik Das Land Hessen foumlrdert thematisch fokussierte Forschungsverbuumlnde (Pro LOEWE) zwischen Universitaumlten Fachhochschulen und auszligeruniversitaumlren Forschungseinrichtungen Bereits bestehende wahrnehmbare wissenschaftliche Kerne werden zu oumlrtlichen und regionalen Zentren ausgebaut Auch das Modell bdquoLeibniz-Wissenschafts-Campusldquo will das oft bemaumlngelte Nebeneinander von universitaumlrer und auszligeruniversitaumlrer Forschung aufbrechen Die Leibniz-Gemeinschaft unterstuumltzt so angelegte Projekte

Fachhochschulen aus Deutschland Liechtenstein Oumlsterreich und der

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POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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PRAXIS Fo

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Foto

PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 17: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

DIE MUTIGEN Die Hochschulen als Partner fuumlr die Entwicklung in der Region wollte die Industrie- und Handelskam-mer (IHK) Nuumlrnberg gewinnen Deshalb hat sie die Interessengemeinschaft Hochschulen Region Nuumlrn-berg (igh) gegruumlndet und vorangetrieben in unserem Text haben wir sie als bdquoMetropolregion Mittelfrankenldquo vorgestellt In der Gemeinschaft die die Kammer auch managt sind alle acht regionalen Hochschulen und die Wirtschaft vertreten Ziel ist es die Koopera-tions- und Synergiepotenziale der Hochschulen untereinander sowie die Moumlglichkeit der Zusammen-arbeit mit der regionalen Wirtschaft zu nutzen Unter dem Dach der bdquoWissenschaftsregion NordOstldquo haben sich neun Hochschulen und Forschungsein-richtungen zusammengeschlossen um die Vernet-zung von Wissenschaft Wirtschaft und Kultur im oumlstlichen Mecklenburg-Vorpommern zu befoumlrdern und die zentrale Bedeutung der Wissenschaft fuumlr die Region sichtbar zu machen

DIE TROMMLER

sich die Partner Viel mehr ist nicht

DIE GESCHEITERTEN Das mit den Wissenschaftsregionen klappt nicht immer es gibt auch Scheitern So in Sachsen Die im Saumlchsischen Hochschul-Entwicklungsplan 2020 ausgerufenen vier

Sabine Irene Freifrau von Schorlemer (2009 bis 2014 parteilos) die Regionen bei Internationalisierung Synergien und Wissenstransfer zu vernetzen verfolgt Nachfolgerin Eva-Maria Stange (SPD) so nicht mehr Im Norden ist die Idee des Wissenschaftsministeriums einer

Cluster-Regionen (Dresden Leipzig Chemnitz Freiberg) sind in der Fortschreibung der Planung nicht mehr zu finden Die Idee der ehemaligen Wissenschaftsministerin

Manchmal geht es schlicht um Wissenschafts-Marketing So bei der Wissenschaftsregion Bonn Gemeinsam bilden die Stadt Bonn und die benachbarten Kreise mit Wissenschafts-und Forschungseinrichtungen die Wissen-schaftsregion Bonn Gemeinsam tritt man auf internationalen Leitmessen auf die Bonner Wissenschaftsnacht geht gemeinsam uumlber die Buumlhne und bei Fachveranstaltungen treffen

Niedersaumlchsischen Technischen Hochschule (NTH)

Braunschweig TU Hannover TU Clausthal zu einem

regionen funktionieren nicht

gescheitert Der versuchte Zusammenschluss von TU

schlagkraumlftigen Netzwerk stieszlig auf das Desinteresse der Universitaumlten Fazit Top-down verordnete Wissenschafts-

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POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 18: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

Mehr Wirtschaftskraft weniger Arbeitslosigkeit

Oumlkonomen der London School Economics (LSE) ha-ben die Eekte von Wissenschaft sogar in Euro berech-net Wenn es gelingt die Forschung in Hochschulen auszligeruniversitaumlren Einrichtungen und in den Unter-nehmen zu fokussieren und zu buumlndeln dann steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf im Schnitt um vier Pro-zent Houmlrt sich nicht viel an sind aber immerhin 121 Milliarden Euro fuumlr Deutschland Und Prof Dr Andreas Schluumlter Generalsekretaumlr des Stifterverbands fuumlr die Deutsche Wissenschaft ergaumlnzt dass die Arbeitslosig-keit in starken Wissenschaftsregionen im Durchschnitt ein Drittel niedriger ist Und bdquoDie Wirtschaftskraft ist pro Kopf um ein Fuumlnftel etwa 4000 Euro houmlher als im Bundesdurchschnittldquo erklaumlrte er auf einer Tagung des Stifterverbands im Februar 2016 in Berlin

Auf Daten des Stifterverbands berief sich auch Bun-desbildungsministerin Prof Dr Johanna Wanka (CDU) als sie bei der Jahresversammlung der Hochschulrekto-renkonferenz (HRK) im Mai 2016 in Berlin sprach Sie sagte bdquoKooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft foumlrdern die wirtschaftliche Staumlrke ganzer Re-gionen Laut einer Studie des Stifterverbands verbessern Hochschulen in ihren Regionen das Bruttoinlandspro-dukt pro Kopf im Schnitt um knapp 4500 Euro senken die Arbeitslosigkeit um 31 Prozentpunkte und steigern das Patentausup1ommen um rund 13 Prozent jeweils ge-messen am bundesdeutschen Durchschnitt Hochschu-len sind somit Motoren des Fortschritts fuumlr ihr Umfeldldquo Wankas Loblied hat einen guten Grund Im Koalitions-vertrag von Schwarz-Rot steht man wolle regionale Ver-buumlnde staumlrker foumlrdern

Wissenschaftsregionen koumlnnen sich auch deshalb gute Perspektiven erarbeiten weil die Wirtschaft sich inzwischen in der Forschung anders aufstelle erlaumlutert FAU-Praumlsident Hornegger bdquoVor zwanzig Jahren haben starke Unternehmen ihre Innovationen im eigenen Hause betriebenldquo Man hatte 200 Wissenschaftler die haben geforscht und entwickelt Heute sei durch die glo-bale Vernetzung der Zugri auf Informationen auf neu-es Wissen nicht mehr zu monopolisieren bdquoIrgendeiner stellt seine Forschungsergebnisse ins Netz und dann sind sie sofort weltweit verfuumlgbarldquo Viele Innovationen entstuumlnden heute auszligerhalb der UnternehmenDeshalb seien sie darauf angewiesen sich in andere vor allem hochschulische Netzwerke einzubinden bdquoUnd wir ha-ben verstanden dass die Innovationstreiber der Zukunft die Start-ups sind die wir aus den Hochschulen heraus gruumlndenWir vermitteln den Studierenden dass sie sich

mit unserem Abschluss nicht unbedingt bei groszligen Fir-men bewerben sollen sondern sich sehr wohl zutrauen koumlnnen in unserem Umfeld etwas Neues aufzusetzenldquo

Erfolgreiche Mutige Gescheiterte

Der Kosmos der Wissenschaftsregionen in Deutsch-land jenseits der Metropolregion Mittelfranken ist bunt und vielgestaltig Schnell sind 60 regionale Akteu-re Orte und Institutionen identifiziert Das bdquoWhoacutes Wholdquo der deutschen Wissenschaftsregionen dekliniert sich so Es gibt die Erfolgreichen die Verbandelten die Foumlrderer die Mutigen die Gescheiterten die Trommler die Vordenker und die Unterstuumltzer (vgl die Info-Gra-fik)

Aber Wissenschaft im Dienst fuumlr Region Ist das uumlberhaupt eine angemessene Aufgabenstellung Wis-senschaft soll doch die groszligen Probleme der Mensch-heit loumlsen Wie verhindern wir Krieg Wie retten wir das Klima Wie erreichen wir dass alle Menschen sau-beres Trinkwasser haben Dahinter fallen doch Fragen nach der Wohlfahrt in der Region weit zuruumlck Wissen-schaftsrat-Chef Prenzel jedenfalls akzeptiert den ver-meintlichen Gegensatz zwischen Spitzenforschung und regionalem Verbund nicht bdquoBeide Perspektiven lassen sich gut miteinander vereinbarenldquo sagt er und fuumlgt hinzu Wissenschaftspolitisches Interesse fuumlr Re-gionen sei auch in Zeiten starker Internationalisierung nicht Ausdruck fuumlr provinzielles ruumlckwaumlrtsgewandtes Denken bdquoIm Gegenteil Regionale Kooperationen sind ebenso notwendig wie internationaleldquo

Es reicht nicht eine Struktur vorzugeben Die Lektion haben wir gelernt Gabriele Heinen-Kljajic (Buumlndnis 90Die Gruumlnen) Niedersaumlchsische Ministerin fuumlr Wissenschaft und Kultur

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POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 19: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

Die humboldtsche Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt reicht nicht mehr Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling ehemaliger Geschaumlftsfuumlhrer des Centrums fuumlr Hochschulentwicklung (CHE)

Zusammenarbeit statt Einsamkeit

Unterstuumltzung gibt es von Prof Dr Detlef Muumlller-Boumlling dem ehemaligen Rektor der Universitaumlt Dort-mund und langjaumlhrigen Leiter des Centrums fuumlr Hoch-schulentwicklung (CHE) in Guumltersloh Er hat die Be-deutung der Region als wissenschaftliches Handlungs-feld relativ spaumlt entdeckt Seine Studie von 2011 im Auftrag der Stiftung Mercator in Essen vergleicht die wissenschaftliche Leistungsfaumlhigkeit der Regionen Zuumlrich Muumlnchen Berlin mit dem Ruhrgebiet Fuumlr Muumll-ler-Boumlling ist ganz wichtig dass die Professorinnen bereit sind zu kooperieren bdquoWir kommen aus der hum-boldtschen Welt der Einsamkeit und Freiheit als Idee fuumlr die deutsche Universitaumlt Aber das reicht nicht mehr Es braucht die Zusammenarbeit mit dem ande-ren Ich sehe dass viele Wissenschaftler dies inzwi-schen erkannt habenldquo Das ist eine wichtige Vorausset-zung fuumlr den aktuellen Erfolg der Wissenschaftsregio-nen Die Wissenschaftlerinnen also diejenigen die die Kaumlrrnerarbeit machen wollen ihrem Umfeld zum Erfolg verhelfen

Das klappt allerdings nicht immer In Niedersach-sen und im Freistaat Sachsen sind Versuche Wissen-schaftsregionen zu etablieren gescheitert In beiden Faumlllen waren es Top-down-Modelle aus den Wissen-schaftsministerien So stampfte das Land Niedersach-sen nach sechs Jahren Laufzeit den umstrittenen Hochschulverbund Niedersaumlchsische Technische Hochschule (NTH) ein Das war die Allianz der drei Hochschulen TU BraunschweigTU Clausthal und Uni-versitaumlt Hannover Die niedersaumlchsische Wissen-schaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic zog die Not-bremse bdquoWir haben die Lektion gelernt dass es nicht reicht eine Struktur vorzugeben und dann zu erwarten dass die Akteure darin erfolgreich wirken werdenldquo

Top-down funktioniert nicht

Eine aumlhnliche Erfahrung machten die Hochschulpo-litiker in Sachsen Der Freistaat verordnete schon im

Jahr 2011 in seinem bdquoHochschul-Entwicklungsplan 2020ldquo die Idee der Wissenschaftsregionen fuumlr Dres-den Leipzig Chemnitz und Freiberg Nicht nur fuumlr den regionalen Zuschnitt gab es verbindliche Vor-gaben ebenso fuumlr die Arbeitsgebiete Internatio-nalisierung Synergien und Wissenstransfer Im

jetzt fortgeschriebenen Hochschulplan 2025 findet sich der Begri Wissenschaftsregionen nicht mehr

Andreas Friedrich Pressesprecher des Saumlchsischen Staatsministeriums fuumlr Wissenschaft und Kunst sagt

dass die Vorgaben zu starr waren und in der Praxis schei-terten bdquoNetzwerke soll es auch in Zukunft geben die muumlssen aber auf den eigenen Antrieb der Hochschulen zuruumlckgehenldquo so Friedrich

So wie in der LandeshauptstadtHier operiert bdquoDRES-DEN-conceptldquo erfolgreich Dieser Hochschul-Verbund von jetzt 20 Partnern setzt auf Synergien in den Berei-chen ForschungAusbildung Infrastruktur und Verwal-tung Um diesen Schatz zu heben bedarf es eines Drei-klangs aus bdquofoumlrderlichen Strukturen raumlumlicher Naumlhe und einer persoumlnlichen Verbundenheit der treibenden Personen im Netzwerkldquo Das erlaumluterte Prof Dr Hans Muumlller-Steinhagen der Rektor der Universitaumlt Dresden auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin

Nach der Schuldenbremse Prenzels Modell

Fuumlr den Wissenschaftsrat-Vorsitzenden Manfred Prenzel ist mehr Kooperation auch aus anderen Gruumlnden angesagt Bereits jetzt sei erkennbar wie die Rahmenbe-dingungen fuumlr die Wissenschaft in Deutschland sich in den naumlchsten Jahren veraumlndern Die Studierendenzahl wuumlrde nicht weiter so wachsen und die beschlossene Schuldenbremse der Laumlnder tree auch die Hochschulen Das System Hochschule sei spaumltestens dann gefordert zu zeigen wie durch gemeinsame Nutzungskonzepte bei teuren Einrichtungen oder in der Lehre Gelder einzuspa-ren sind bdquoIn einer solchen Situation sind neue Organisa-tionsformen wie regionale Verbuumlnde gefragtldquo erklaumlrt Prenzel bdquoEs hilft nichtwenn jeder fuumlr sich strampelt not-wendig sind gemeinsame Ansaumltzeldquo Wie die konkret aus-sehen das wird der Wissenschaftsrat Anfang 2017 zeigen Zum Ende seiner Zeit als Vorsitzender praumlsentiert der oberste deutsche Wissenschaftslobbyist Prenzel dann sein Vermaumlchtnis Perspektive Wissenschaftsregion

DER AUTOR

Dr Klaus Heimann ist freier Journalist und Moderator in Berlin Er schreibt zu den Themen Bildung Arbeitswelt und Karriere

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POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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POLITIK Fo

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 20: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 21: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK Fo

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Industrie 40 raquoWir duumlrfen

keine Angstdebatte

fuumlhrenlaquo Bildung 40

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DIGITALISIERUNG Folgt auf Industrie 40 gleich Bildung 40 Was heiszligt das fuumlr Hochschulen und die Berufsbildung Sigmar Gabriel (SPD) Bundeswirt-schaftsminister und Vizekanzler antwortet auf neun Fragen

Was kommt mit Industrie 40 uumlberhaupt mit der Digitalisierung der Wirtschaft auf Deutschland zu

Digitalisierung praumlgt bereits heute die Artwie wir leben arbeiten kommunizieren ndash und wird es kuumlnf-tig noch staumlrker tun Die digitale Transformation ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben der naumlchs-ten Jahre und gerade fuumlr Deutschland als Produkti-onsstandort ein entscheidendes Zukunftsthema Wichtige Grundlagen fuumlr den Wettlauf um die Pro-dukte und die Maumlrkte von morgen werden jetzt ge-legt Wir wollen Deutschland als digitales Wachs-tumsland Nummer 1 in Europa etablieren und eine Fuumlhrungsrolle bei einer konsequentenvertrauens-wuumlrdigen und sicheren Digitalisierung von Wirt-schaften Leben und Arbeiten einnehmen

Wie wird sich die Arbeitswelt veraumlndern durch Industrie 40

Hier muumlssen wir aufpassen dass wir keine Angstde-batte fuumlhren Denn das ist schlicht falsch Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht men-schenleere Fabriken Entscheidend ist dass Unter-nehmen und Sozialpartner sich fruumlhzeitig engagie-renAus- und Weiterbildung werden kuumlnftig noch wichtiger und selbstverstaumlndlich muumlssen Unter-nehmen und Sozialpartner auch die kritischen Fra-gen im Blick haben und aufmerksam verfolgenwie etwa Was bedeutet eswenn die Grenzen der Arbeit verschwimmen Was muumlssen wir tun um die Be-schaumlftigten fuumlr Industrie 40 fit zu machen Der um-fassende und enge Dialog zwischen Sozialpartnern

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POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 22: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK

PolitikWissenschaft und Gesellschaft ist ein wich-tiger Faktor der unsere Wirtschaft stark macht Da-her haben wir im Bundeswirtschaftsministerium diesen Dialog mit der Plattform Industrie 40 verste-tigt und auf die neuen Herausforderungen der Digi-talisierung ausgerichtet

Welche Qualifikationenwelche Kompetenzen werden kuumlnftig erforderlich sein

Industrie 40 veraumlndert nicht nur bestehende Wert-schoumlpfungsmodelle sondern auch die Organisati-onsformen in den Unternehmen sowie die Qualifi-kationsanforderungen an die Belegschaft Insge-samt werden dabei natuumlrlich die IT-Kompetenzen der Mitarbeiter eine grundlegende Rolle spielen

raquoWir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch umgekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bietenlaquo

Aber durch das Zusammenwachsen von Informati-onstechnologieAutomatisierungstechnik und Soft-ware werden auch Organisationstaumltigkeiten immer anspruchsvoller Daher kann ich es nur nochmal wiederholen Weiterbildungsmoumlglichkeiten und ei-ne Arbeitsorganisation die das Lernen von Beschaumlf-tigten foumlrdert muumlssen in den Unternehmen einen Schwerpunkt bilden

Wie muss sich das duale Berufsbildungssys-temwie muumlssen sich die Hochschulen darauf vorbereiten

Die halbe Welt bewundert uns fuumlr unser System der dualen Berufsausbildung Und gerade dieses System erweist sich auch bei der Anpassung an die Heraus-

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POLITIK Fo

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 23: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

POLITIK Fo

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forderungen von Industrie 40 als groszlige Staumlrke denn der praktische Teil der Lehre findet in den Be-trieben statt und die Ausbildungsunternehmen sind immer am Puls der Zeit Und das gilt in aumlhnli-cher Form auch fuumlr die akademische Ausbildung Auch hier gibt es immer mehr Partnerschaften und Kooperationen zwischen Hochschulen und Unter-nehmen Das ist der richtige Weg und hiervon profi-tieren beide Seiten

Findet Industrie 40 denn schon Niederschlag in Neuordnungsverfahren von Ausbildungsbe-rufen oder von Studiengaumlngen

Ja selbstverstaumlndlich Denn nur durch staumlndige An-passung und Erneuerung haumllt die duale Berufsaus-bildung Schritt mit den technischen Entwicklun-gen der Berufs- und Arbeitswelt Hierzu erfolgt eine regelmaumlszligige Anpassung der Ausbildungsordnungen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern So ha-ben wir beispielsweise im letzten August eine Viel-zahl von Ausbildungs- und Pruumlfungsinhalten ange-passt unter anderen die Ausbildung zur Automatenfachfrau-mann zum Bergbautechnolo-gen oder Betonfertigteilbauer Die Sozialpartner stellen gerade durch ihre Sachverstaumlndigen bei den Neuordnungsverfahren sicher dass die betriebli-che Expertise und damit die aktuellen Entwick-lungen und Innovationen des jeweiligen berufli-chen Handlungsfeldes in das Ausbildungsgesche-hen einflieszligen

Was tut das Bundesministerium fuumlr Wirtschaft daruumlber hinaus Unser Eindruck ist Es gibt Agenden und Programme die Laumlnder werkeln an der Digitalisierung der Bildung Ihr Haus genauso wie das Bundes-ministerium fuumlr Bildung und Forschung hellip

Bei der Neuordnung dualer Berufe geht es um Qua-litaumlt und Nachhaltigkeit Schnellschuumlsse sind nicht angesagt denn nur der Konsens der Sozialpartner traumlgt eine Neuordnung und garantiert deren Umset-zung in der betrieblichen Praxis Ich kann nur fuumlr mein Haus sprechenwir handeln im engen Dialog mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften

Verlangt die Digitalisierung nicht dringend nach mehr Durchlaumlssigkeit zwischen beruflicher Bildung und Hochschul Bildung Wie koumlnnen die Uumlbergaumlnge zwischen den beiden Systemen verbessert werden

Ja ganz klar Zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung brauchen wir mehr Durchlaumls-sigkeit Beide Bereiche bilden die zentralen Saumlulen fuumlr unseren Fachkraumlftenachwuchs Dennoch muumls-sen wir Jugendliche nicht nur uumlber das Hoch-

Industrie 40 bedeutet gute Arbeit mit neuen Chancen und Aufgabenfeldern fuumlr Arbeitnehmer nicht menschenleere Fabriken

ZUR PERSON

Sigmar Gabriel 56 ist Vize-kanzler Bundesminister fuumlr Wirt-schaft und Energie Vorsitzender der SPD Er stammt aus einfa-chen auch schwierigen familiaumlren Verhaumlltnissen und galt als verhal-tensauffaumllliges Kind Ungeachtet dessen schaffte er den Bildungs-aufstieg1976 machte er in Goslar die Mittlere Reife nach seinem Wehrdienst studierte er von 1982 bis 1989 in Goumlttingen Germanis-tik Politik und Soziologie auf Lehramt 1987 bis 1989 machte er sein Referendariat Waumlhrend seiner Studienzeit jobbte Gabriel nebenbei als Nachtportier in einem Goumlttinger Hotel und beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Er sammelte Berufserfah-rung in der Erwachsenenbildung unterrichtete Deutsch fuumlr Auslaumln-der und Berufsvorbereitung fuumlr arbeitslose Jugendliche beim Bildungswerk Niedersaumlchsischer Volkshochschulen in Goslar wo er lebt Sigmar Gabriel ist in zweiter Ehe verheiratet hat eine erwach-sene Tochter aus erster Ehe und mit seiner jetzigen Ehefrau eine zweite Tochter die 2012 geboren wurde Gabriel ist ein Befuumlrworter der beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP

schulstudium informieren sondern ihnen auch die Chancen und Entwicklungsmoumlglichkeiten in der beruflichen Bildung staumlrker verdeutlichen und das Image der dualen Ausbildung noch weiter staumlr-ken Das ist auch ein zentrales Anliegen der Part-ner der Allianz fuumlr Aus- und Weiterbildung Hier arbeitet die Bundesregierung gemeinsam mit der Bundesagentur fuumlr Arbeit sowie Wirtschaft Ge-werkschaften und Laumlndern zusammen beispiels-weise gerade auch beim Thema der wechselseiti-gen Durchlaumlssigkeit Das bedeutet wir wollen nicht nur junge Leute dazu bringen sich durch ein Studium weiterzuqualifizieren sondern auch um-gekehrt soll das berufliche Bildungssystem mehr und bessere Moumlglichkeiten fuumlr Studienaussteiger bieten

Heiszligt fuumlr Sie Digitalisierung die Bildung letztlich ausschlieszliglich an den Qualifikations-anforderungen der Industrie auszurichten

Nein das heiszligt es ganz sicher nicht und das waumlre sicher auch nicht im Interesse unserer Industrie Vielmehr brauchen wir enge Kooperation zwi-schen Schulen Berufsschulen Universitaumlten und Industrie

Wie kann dann Ihr Ministerium uumlber die Gemeinschaftsaufgabe bdquoVerbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturldquo (GRW) diese Kooperation von Unternehmen und Hochschulen also regionale Verbuumlnde oder bdquoWissenschaftsregionenldquo foumlrdern

Die GRW ist das zentrale regionalpolitische Foumlrder-instrument von Bund und Laumlndern Im Fokus steht die Foumlrderung gewerblicher und kommunaler In-vestitionen aber auch die Vernetzung und Koopera-tion So foumlrdern wir uumlber die GRW beispielsweise auch Technologie- und Gruumlnderzentren an Hoch-schulstandorten Seit 2015 koumlnnen auch Innovati-onscluster gefoumlrdert werden Deutschland braucht leistungsstarke regionale ClusterWenn Unterneh-men und Forschungseinrichtungen langfristig ko-operieren koumlnnen sie von den jeweiligen Staumlrken und Kompetenzen profitieren Daher bildet das Thema Clusterpolitik ein wichtiges Element unse-rer Innovationspolitikwelches die Regionalfoumlrde-rung ergaumlnzt

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PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

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Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 24: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PRAXIS

Stresstraumlnen Freudentraumlnen

AZUBI-WETTKOCHEN Vier Zutaten acht Koch-Azubis aus

den NRW-Studierendenwerken ein Drei-Gaumlnge-Menuuml Beim diesjaumlhrigen Azubi-Wettkochen in Siegen gab es

Stresstraumlnen Freudentraumlnen ndash und einen Heimsieg TEXT Heike Hucht

FOTOS Kay Herschelmann

Der Zucker schmilzt einfach nicht Das Kochfeld laumlsst ihn auch Minuten nach dem Einschalten kalt Da hilft weder Unter-den-Topf-Gucken noch Am-Kopf-Kratzen Und weiter Erdnuumlsse ha-cken und an Karamell denken leider auch nicht Max Poppel ist ratlos Der entscheidende Hin-

weis kommt schlieszliglich von Pruumlfer Timo SommerWirt-schaftsleiter und Kuumlchenmeister der Diakonie Suumldwest-falen bdquoIst das wirklich ein Induktionstopfldquo will er von dem Auszubildenden des Studierendenwerks Essen-Duisburg wissen Poppel stutzt ndash und stuumlrzt los um ein Kochgeschirr mit ferromagnetischem Boden zu holen

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PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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PRAXIS Fo

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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28 DSW JOURNAL 22016

PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 25: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PRAXIS

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PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 26: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PRAXIS

Der Auszubildenden-wettbewerb der Studierendenwerke NRW fand vom 14 bis 18 Maumlrz 2016 statt unsere Reportage stammt vom 18 Maumlrz 2016 Die Abschluss-pruumlfungen fanden nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt

bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo

Vor rund 40 Minuten puumlnktlich um 800 Uhr fruumlh hat Dirk Heindrichs mit dem Startkommando bdquoAn die Toumlpfe fertig ndash losldquo die Teilnehmer des Koch-Azubi-Wett-bewerbs auf ihre Plaumltze geschickt Der Kuumlchenleiter des Ausbildungsrestaurants bdquoars mundilsquoldquo im Studierenden-werk Siegen ist nicht nur Hausherr am Austragungsort Er soll den acht Koch-Azubis die die Studierendenwerke in Nordrhein-Westfalen ins Rennen geschickt haben auch bei Fragen zur Seite stehen den beiden eigenen Schuumltzlingen ebenso wie den Gaumlsten aus den Studieren-denwerken Paderborn Dortmund Essen-Duisburg und WuppertalAlle acht sind im dritten Lehrjahr und gehouml-ren zu den besten ihres Jahrgangs Fuumlr den Wettbewerb nominiert wurden die zwei jungen Frauen und die sechs jungen Maumlnner von ihren jeweiligen Ausbildern

bdquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studierendenwerke sehr ernst nehmenldquo sagt Detlef Ru-janski der Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Sie-gen das den Koch-Azubi-Wettbewerb erfunden hat und seit 1988 ausrichtet bdquoMit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingun-genldquo sagt Rujanski

Das Kochen unter Pruumlfungsbedingungen ist Houmlhe-punkt der vorausgegangenen Workshop-Woche die an diesem Freitag zu Ende geht Seit Montag haben sich die Auszubildenden durch Theorie und Praxis verschiedener Wissensfelder geackert von Fisch uumlber Fleisch bis Ser-

Mit dem Wettbewerb bieten wir Koch-Auszubildenden im dritten Lehrjahr die beste denkbare Pruumlfungsvorbereitung unter Echtbedingungen sagt Rujanski

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 27: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

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viceAm heutigen Freitag koumlnnen sie zeigenwas sie ge-lernt haben bdquoNatuumlrlich waumlre es toll zu gewinnenldquo sagt Saskia Riedel vom Studierendenwerk Paderborn waumlh-rend sie den Teig fuumlr ihre Apfel-Walnuss-Tarte ausrollt bdquoAber selbst wenn es nicht klappt Der Wettbewerb ist auf alle Faumllle eine gute Vorbereitung fuumlr die Abschluss-pruumlfungldquo

Schwein Meerbarbe Pastinake Apfel

Neben der gebuumlrtigen Thuumlringerin werkelt Yasin Zer-ria parallel an einer Pastinakensuppe und an Rotwein-butter die sein Hauptgericht adeln soll Jedes Drei-Gaumln-ge-Menuuml muss vier Zutaten enthalten die von der Pruuml-fungskommission vorgegeben wurden In diesem Jahr sind das neben Schweinefilet und Meerbarbe auch Pasti-nake und Apfel Auszligerdem soll ein Teig verarbeitet wer-den egal ob suumlszlig oder herzhaft Alles andere duumlrfen die acht Pruumlflinge selbst entscheiden Nachdem sie im Janu-ar 2016 uumlber die fixen Ingredienzien informiert wurden hatten sie einige Wochen Zeit Rezepturen fuumlr jeweils sechs Portionen zu entwickelnWarenkoumlrbe zusammen-zustellen und Ablaufplaumlne einzureichen

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PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 28: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

28 DSW JOURNAL 22016

PRAXIS

Detlef Rujanski

raquoAuszubilden ist fuumlr uns eine Verpflichtung die wir Studie-rendenwerke sehr ernst nehmenlaquo Detlef Rujanski Geschaumlftsfuumlhrer des Studierendenwerks Siegen

Noch wird gescherzt und gelacht hellip

Waumlhrend die meisten seiner Mitstreiter eine suumlszlige Teigvariante gewaumlhlt haben setzt Philipp Grunwald auf einen Nudelteig den er mit einer selbst hergestellten Spinatmatte gruumln faumlrbt bdquoGanz alte Schule echtes Hand-werkldquo wird von den vier Pruumlfern anerkennend vermerkt Bis zur Praumlsentation der Gerichte ziehen sie von Arbeits-platz zu Arbeitsplatz und beobachten die Auszubilden-den beim Umgang mit Geraumltschaften und Lebensmit-teln Noch laumluft alles rund es wird gescherzt und gelacht bdquoDas ist eine erstaunlich entspannte Gruppeldquo kommen-tiert Kestutis Ivanauskas ehemaliger Berufsschullehrer und IHK-Pruumlfer die lockere Arbeitsatmosphaumlre Sogar Andreas Goumlhrke der fuumlr eine TV-Reportage von einem Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks begleitet wird ist die Ruhe selbst

Kurze Zeit spaumlter dann die erste Krise Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefi-let ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszu-bildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter Gegen 1200 Uhr mittags zieht das Tempo merk-lich an Im Laufschritt werden fehlende Zutaten aus dem Kuumlhlraum geholt oder benutztes Geschirr weggeraumlumt Nur noch eine Viertelstunde bevor der erste Gang den Pruumlfern zum Begutachten und Verkosten praumlsentiert werden soll Die Bewegungen werden hektischer Koch-jackenaumlrmel saugen Schweiszligperlen auf der Lautstaumlrke-pegel steigt Zwischen koumlchelnden Belugalinsen und fast garen Meerbarbenfilets kommt nun auch Marc Kunert vom Studierendenwerk Dortmund ins Rotieren alle paar Minuten wandert sein Blick zu Uhr

Beim Fuumlllen mit der Farce reiszligt Sabrina Poschmann das Schweinefilet ein Die Nerven der Siegenerin liegen blank Traumlnen flieszligen Helfer Heindrichs rettet die Situation die Auszubildende faumlngt sich wieder und arbeitet konzentriert weiter

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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vat Studentenwerke bilden aus

Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 29: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PRAXIS

Im Minutentakt

Christoph Deis vom Hochschul-Sozialwerk Wupper-tal ist einer der ersten der seine Vorspeise schickt zwei Portionen zur Pruumlfungskommission vier zu den Gaumlsten der Veranstaltung Sobald seine Mitstreiter nachziehen laumluft der Countdown Im Abstand von 20 und 25 Minuten muumlssen auch die anderen beiden Gaumlnge angerichtet sein Die Pruumlfer haben anschlieszligend etwa eine Dreivier-telstunde jedes Gericht zu bewerten Wie sieht es aus Wie schmeckt es Wie gut passen die Komponenten zu-sammen Stimmen Konsistenzen und Wuumlrzprofil Zu-sammen mit den Ergebnissen der schriftlichen Pruumlfung und der Benotung des Arbeitsprozesses ergibt sich so ei-ne Punktzahl zwischen 0 und 100

Die Ergebnisse verkuumlndet Elmar Koumlnniger Abtei-lungsleiter Gastronomie des Studierendenwerks Siegen kurz nach halb drei Der Paderborner Azubi Philipp Grunwald darf sich uumlber einen dritten Platz freuenAnd-reas Goumlhrke vom Studierendenwerk Siegen uumlber seine Zweitplatzierung Gewinnerin Sabrina Poschmann ebenfalls vom Studierendenwerk Siegen kann ihr Gluumlck kaum fassen Unglaumlubig schlaumlgt sie die Haumlnde vor den

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Die Ausbildungsleistung der Studentenwerke kann sich sehen las-sen Mehr als 400 Auszubildende machen derzeit ihre Ausbildung bei einem Studentenwerk Der am weitesten verbreitete Ausbil-dungsberuf ist der der Buumlrokauffrau bzw des Buumlrokaufmanns darunter auch etliche IT-Kaufleute dann folgen die Koumlchinnen und Koumlche Allerdings loumlst in der betrieblichen Ausbildung das neue Berufsbild bdquoFachmannFachfrau fuumlr Systemgastronomieldquo immer staumlrker die Koumlchin und den Koch ab Stark im Zunehmen sind auch Erzieherinnen und Erzieher die ihren Beruf in einer Studenten-werks-Kita lernen

Mund Als ihr die anderen gratulieren kullern Freuden-traumlnen Ihr Siegerinnen-Menuuml Gebratenes Meerbarben-filet mit Limettenschaum Schweinefilet im Brotmantel mit Speck-Senf-Sauce Pastinaken-Moumlhren-Gemuumlse und gruumlnem Risotto als Nachspeise Zweierlei vom Apfel aus Apfel-Walnusstarte und Apfeltiramisu

Sabrina Poschmann gewinnt einen Reisegutschein im Wert von 450 Euro sowie einen Bildband uumlber Pasta Was sie mit Blick auf die bevorstehende Abschlusspruuml-fung uumlber sich gelernt hat bdquoIch muss noch an meinem Zeitmanagement arbeitenldquo sagt die Siegerin aus Siegen Die Generalprobe war jedenfalls ein voller Erfolg

DIE AUTORIN

Heike Hucht arbeitet als freie Journalistin in Muumlnster Sie schreibt vor allem uumlber Genuss Gastronomie und Architektur Ihre spannendste Beobachtung beim Wettstreit der Koch-Azubis Siegeswille und Hilfsbereitschaft schlieszligen sich keineswegs aus

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PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

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er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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PROFIL

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PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 30: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PROFIL

MARTINA MUumlNCH Als Bildungsministerin stand sie in der Dauerkritik Nun ist sie zum zweiten Mal Wissenschaftsministerin in Brandenburg Portraumlt einer Politikerin die oft mit Ursula von der Leyen verglichen wird ndash und diesen Vergleich ablehnt

TEXT Tilmann Warnecke

FOTOS Charles Yunck

Die Ruumlckkehrerin D

er Campus der Universitaumlt Potsdam ist vielleicht der schoumlnste in Deutschland und sicher der hoch-herrschaftlichste Die Uni residiert im Park von Sanssouci im Neuen Palais in einem jener Schloumls-ser also die einst Friedrich der Groszlige bauen lieszlig Ein beeindruckendes Ambiente ndash so denkt auch

Martina Muumlnch die Wissenschaftsministerin in Branden-burg die an diesem Tag zum Gespraumlch auf den Campus ge-kommen ist bdquoWenn man die Studierenden hier ein und aus gehen siehtwuumlrde man auch gerne noch einmal zur Uni gehenldquo sagt Muumlnch und lacht

Dann zeigt sie auf einige Gipsplastiken die an einem kleinen Pavillon am Wegesrand lehnen und oensichtlich gerade restauriert werden sollen bdquoDavon haben wir noch viele in den Depots ein wunderbares Zeugnis unseres Kul-turerbesldquo Und sie beginnt zu erklaumlrenwie sich die Uni und die staatlichen Schloumlsser gemeinsam der Figuren anneh-men diese erforschen und neu auereiten

Studienbedingungen Forschung Kulturerbe ndash das sind zentrale Bereiche um die sich Muumlnch seit Anfang Maumlrz 2016 als Ministerin fuumlr Wissenschaft Forschung und Kultur in Brandenburg kuumlmmert Sie folgte Sabine Kunst im Amt die mitten in der Legislaturperiode als Praumlsidentin an die Humboldt-Universitaumlt nach Berlin wechselte

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Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 31: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

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PROFIL

DSW JOURNAL 22016 31

PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 32: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PROFIL

Martina Muumlnch uumlber

hellip Hochschulfusionen bdquoEs wird bundesweit sehr genau geschautwas in der Lausitz passiert In strukturschwachen Regionen im Osten wie im Westen uumlberlegt manwie Fusionsprozesse von Hochschulen ablaufen koumlnnen ndash gerade wenn es sich um unterschiedliche Hochschultypen handeltldquo

hellip die Exzellenzinitiative bdquoWir sind mit der Exzellenzinitiative auf dem richtigen WegWir brauchen sie damit Deutschland in der Wissenschaft international anschlussfaumlhig ist Spitzenfoumlrderung sollte auch nicht gegen Breitenfoumlrderung ausgespielt werden Ich muss das eine tun und darf das andere nicht lassenldquo

hellip Studentenwerke bdquoDie Studentenwerke haben eine ganz wichtige Funktion fuumlr Studierende Diese wollen sich wohl fuumlhlen sie wollen vernuumlnftig wohnen vernuumlnftig versorgt werden Das hat alles seinen Preis ndash gehoumlrt aber zum Studium dazuldquo

hellip Bologna bdquoMich treiben die Berufschancen von Bachelor Absolventen um Nicht alle Unternehmen sind derzeit oen diese Absolventen direkt aufzunehmen Dafuumlr muumlssen wir mehr werbenldquo

hellip die Digitalisierung der Hochschulen bdquoGerade Teilzeitstudierende koumlnnen uumlber E-Learning-Programme einiges nachholenWir brauchen dafuumlr aber eine funktionierende Infrastruktur Der Netzausbau ist noch nicht uumlberall so weit fortgeschritten dass man flaumlchendeckend einen schnellen Datenfluss hatldquo

Fuumlr die 54-jaumlhrige Muumlnch ist das ein Comeback das manche uumlberraschte Denn nach den Wahlen im vor-vergangenen Jahr war sie zuvor als Bildungsministerin fuumlr die Schulen zustaumlndig zunaumlchst nicht wieder ins Kabinett berufen worden Ihre Amtsfuumlhrung war zuletzt auch in ihrer eigenen Partei der SPDvon vielen als un-gluumlcklich empfunden worden Dabei galt sie einst als ei-ne der groszligen Honungen der Brandenburger Sozialde-mokratie Mit Ursula von der Leyen verglich man sie so-gar Nicht nur weil sie ebenfalls Aumlrztin ist und sieben Kinder hat ndash sondern weil sie auch fuumlr frischen Wind in ihrer Partei stand

Nun also der Neuanfang im Wissenschaftsministe-rium Dass sie mitten in der Legislatur quasi querein-steigt haumllt Muumlnch nicht fuumlr nachteilig bdquoIch uumlberneh-me ein wohlbestelltes Hausldquo Fuumlr Muumlnch sind die Hoch-schulen und die Kulturstaumltten des Landes ja auch kein unbekanntes Terrain Von 2009 bis 2011 war sie bereits Wissenschaftsministerin bevor sie ins Bildungsressort wechselte ndash auf ausdruumlcklichen Wunsch des damaligen Ministerpraumlsidenten Matthias Platzeck (SPD) uumlbrigens

Der hatte sie auch nach Potsdam geholt nachdem sie in Cottbus als Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordne-tenversammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte

Muumlnch sagt sie habe in ihrer ersten Amtszeit be-reits vieles angelegtwas ihre Nachfolgerin dann um-setzteTatsaumlchlich setzte Muumlnch zum Beispiel die Ex-pertenkommission ein die Reformvorschlaumlge fuumlr die Hochschulen in der Lausitz machen sollte ndash was spaumlter in der lange umstrittenen Fusion der BTU Cottbus mit der Fachhochschule Lausitz muumlndete Muumlnch initiierte auch dass die Filmhochschule in Babelsberg zur ersten Filmuniversitaumlt in Deutschland wurde bdquoJetzt geht es darum den fahrenden Zug gut weiter zu lenken und vielleicht den einen oder anderen neuen Akzent zu set-zenldquo Als einen Schwerpunkt nennt sie den Technolo-gietransfer bdquoGerade in strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiberldquo

Als Wissenschaftsministerin in Brandenburg ist Muumlnch in einer ungewoumlhnlichen Lage Denn fuumlr eine der groumlszligten Attraktionen ist sie gar nicht zustaumlndig Berlin als Magnet in der Mitte des Landes der auch vie-le Studierende und Wissenschaftler anzieht die an eine der Hochschulen Brandenburgs gehen bdquoBerlin ist at-traktiv das ist auch voumlllig normal da brauchen wir uns nichts vorzumachen ndash aber davon profitieren beide Laumln-derldquo sagt Muumlnch

Die Landes-Hochschulen als bloszligen Appendix der Hauptstadt-Wissenschaft zu sehen ndash da widerspricht sie erwartungsgemaumlszlig vehement bdquoWir haben auch ent-scheidende Vorteile gerade bei den berlinfernen Hoch-schulenldquo Und leben lasse es sich in Brandenburg na-tuumlrlich sehr gut Sie selber eine gebuumlrtige Heidelberge-rin ist Mitte der 1990er Jahre von Berlin-Charlotten-burg nach Cottbus gezogenweil ihr Mann dort am Klinikum eine attraktive Stelle annahm Natuumlrlich war das erstmal eine Umstellung sagt MuumlnchAber dann entdeckte sie die Schaumltze der Lausitz Sie schwaumlrmt vom Theater in Cottbusvon den Fuumlrst-Puumlckler-Parks in der Lausitzvon der Naumlhe zu Polen

Um Studierende bemuumlhen muss sich Brandenburg gleichwohl Sobald sich Berlin nicht mehr leicht mit dem Regionalexpress erreichen laumlsst faumlllt es den Hoch-

Im Osten studiert man entspannter Das hat sich in Westdeutschland herumgesprochen

schulen schwerer die Studierendenzahlen zu halten Demnaumlchst will das Land eine neue Kampagne aufle-gen um gezielt fuumlr den Standort zu werben Branden-burg koumlnne mit guten Betreuungsrelationen punkten die Hochschulen seien besser ausgestattet Studierende finden leichter eine Wohnung sagt Muumlnch bdquoEs hat sich bei den jungen Leuten in Westdeutschland herumge-sprochen dass man im Osten entspannter studiertldquo

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PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 33: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PROFIL

In strukturschwaumlcheren Regionen sind Hochschulen die wahren Innovationstreiber

Sie ist auch beeindrucktwie gut die Kinderbetreu-ung an den Hochschulen funktioniert bdquoMan sollte jun-ge Familien unterstuumltzenwenn sie fruumlh Kinder bekom-men wollenldquo Sie selbst hat oft erlebtwie wenig Ver-staumlndnis es gesellschaftlich dafuumlr gibt mehr als ein Kind zu bekommen Muumlnch erzaumlhlt von Wildfremden die sie fragten ob ihre sieben Kinder wirklich alle von einem Mann sind ndash und von Kollegen die auf eine er-neute Schwangerschaft mit der Frage reagierten bdquoWeiszligt Du nichtwie man verhuumltetldquo

Nun machte das Land in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Streit um die Fusion der Lausitzer Hochschulen wissenschaftspolitisch Schlagzeilen Als Cottbuserin hat sie die Auseinandersetzung vor Ort miterlebt bdquoDie Diskussionen waren sehr kraumlftezeh-rendldquo Sie waumlre selber vielleicht etwas langsamer vorge-gangen als ihre Vorgaumlngerin Sabine Kunst war mit der Fusion sogar weiter gegangen als das Votum der Exper-tenkommission bdquoInhaltlich stehe ich aber voll dahinter In einer Region wie der Lausitz koumlnnen zwei Hochschu-len mit aumlhnlichem Faumlcherspektrum innerhalb von 30 Kilometern nicht uumlberlebenldquo Sie will der Brandenbur-gisch Technischen Universitaumlt (BTU) Cottbus-Senften-berg jetzt Zeit geben sich zu entwickeln ihr Profil zu finden ndash und sie hot darauf dass diese Uni bundesweit zum Vorbild werden kann

Vieles wird davon abhaumlngenwie sich die Finanzie-rung der Hochschulen entwickelt Bei den Zuschuumlssen pro Student steht Brandenburg im bundesweiten Ver-gleich ziemlich weit hinten Fuumlr die Zeit nach 2018 muumls-sen bald die neuen Hochschulvertraumlge verhandelt wer-den die Hochschulen laufen sich schon einmal warm dafuumlr Joumlrg Steinbach der Praumlsident der BTU Cottbus-Senftenberg sieht eine Finanzierungsluumlcke von 200 Millionen Euro pro Jahr bdquoWir erwarten dass diese Dif-ferenz zur eigentlich notwendigen Finanzierung in ver-nuumlnftiger Art und Weise verkleinert wirdldquo fordert er Muumlnch verweist darauf dass die Finanzierung in den vergangenen Jahren bereits gestiegen sei Jetzt werde man versuchen die Zuschuumlsse fuumlr die Hochschulen zu stabilisieren ndash was angesichts der Schuldenbremse und des Auslaufens des Solidarpakts schwierig genug wer-den koumlnnte

Als Bildungsministerin stand Muumlnch in der Dauer-kritik Der Unterrichtsausfall war hoch wie nie ihre Plaumlne zur Inklusion konnte sie nicht wie gewuumlnscht umsetzen es gab Hickhack um die Reform der Schul-aumlmter im Ministerium wurden gar Unterschriften ge-sammelt um gegen die Politik der Hausspitze zu pro-testieren Detailliert aumluszligern will sich Muumlnch dazu nicht

mehr bdquoWichtige und intensive Jahreldquo seien es gewesen und bdquoAls Bildungsminister steht man immer in der Kritikldquo Sie lerne daraus dass man bdquobei manchen The-men ndash wie etwa der Inklusion ndash die Geschwindigkeit an das anpassen musswas gesellschaftlich machbar istldquo

Und was ist mit dem Vergleich mit Ursula von der Leyen Muumlnch hat den nie gemocht nicht zuletztweil sie anders als von der Leyen ihre Kinder nie zur politi-schen Inszenierung herangezogen hatAuch jetzt wehrt sie ndash angesprochen auf die Bundesministerin ndash den Ver-gleich schnell ab bdquoIch will ja auch nicht Verteidigungs-ministerin werden das ist gar nicht mein Dingldquo

Als Aumlrztin hat sie uumlber Hirnveraumlnderungen bei Schi-zophrenen promoviert bdquo300 Seiten hatte meine Doktor-arbeit ich habe viel Literatur verwendetldquo ndash den kleinen Seitenhieb auf von der Leyen deren schmales Doktor-werk mal gerade 60 Seiten umfasstverkneift sie sich dann doch nicht Mit der Wissenschaft ist es bei Muumlnch damals nichts geworden auch weil sie beim Umzug nach Cottbus ihre damalige Stelle am Berliner Virchow-Klinikum aufgeben musste Ihre forschende Neugier habe sie aber behalten sagt sie Dass sie jetzt als Minis-terin wieder fuumlr die Wissenschaft zustaumlndig ist ndash damit schlieszligt sich fuumlr Muumlnch ein Kreis Nur dass sie jetzt nicht mehr im Labor arbeitet sondern dafuumlr Sorge tra-gen muss dass andere gut im Labor forschen koumlnnen

DER AUTOR

Tilmann Warnecke arbeitet im Ressort bdquoWissenldquo des Berliner bdquoTagesspiegelsldquo und schreibt uumlber Bildungs- und Forschungspolitik

ZUR PERSON

Martina Muumlnch (SPD) 54 Jahre alt ist seit Maumlrz 2016 Wissenschaftsministerin in Brandenburg Zuvor war sie von 2011 bis 2014 Bildungsministerin von 2009 bis 2011 schon einmal Wissenschaftsminis-terin Muumlnch wuchs in Heidelberg auf und studierte Medizin in Heidelberg Hamburg London und in den USA Uumlber Berlin wo sie als Aumlrztin am Virchow-Klinikum arbeitete kam sie nach Cottbus wo sie seit 1998 in der Stadtverordne-tenversammlung saszlig und 2003 den Fraktionsvorsitz ihrer Partei uumlbernahm 2004 wurde sie erstmal in den Landtag gewaumlhlt

wwwmartina-muench destartseite-spd-marti-na-muenchhtml

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PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 34: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PERSPEKTIVE

Markt vor Staat CETA UND TTIP Mit den Freihandelsabkommen soll auch die Bildung privatisiert werden Hochschulen und Studentenwerke werden in der oumlkonomischen Logik der Abkommen wie Kuumlhlschraumlnke behandelt Eine Warnung

Bevor Sie diesen Beitrag weiterlesen sollten Sie sich diese Frage beantworten Sind Sie der Auf-fassung dass der Staat gewisse Dienstleistungen wie zum Beispiel Bildungfuumlr seine Buumlrgerinnen und Buumlrger vorhalten soll oder ist dafuumlr jeder Einzelne selbst verantwortlich insbesondere

was die Finanzierung der Ausbildung anbelangt

Falls Sie zu der uumlberwiegenden Mehrheit der Bevoumll-kerung gehoumlren die sich weiterhin eine soziale Markt-wirtschaft mit einer ausgepraumlgten Daseinsvorsorge wuumlnscht so sollten Sie die aktuelle Diskussion zu den geplanten Freihandelsabkommen der Europaumlischen Union mit Kanada (CETA) und mit den USA (TTIP) in-tensiv verfolgen Denn diese Abkommen werden den Grundsatz bdquoMarkt vor Staatldquo fuumlr alle Dienstleistungsbe-reiche weiter vorantreiben Mit Auswirkungen auf die Hochschullandschaft in Deutschland ist zu rechnen

Dies ist keine boumlswillige Unterstellung sondern nur die Weiterentwicklung eines Prozesses der schon vor

Jahrzehnten begonnen hat ndash Stichwort Neoliberalis-mus ndash und der seine voumllkerrechtliche Verankerung im bdquoAllgemeinen Abkommen uumlber den Handel mit Dienst-leistungenldquo gefunden hat dem bdquoGeneral Agreement on Trade in Services (GATS)ldquo von 1995 Dort wird naumlmlich postuliert dass der Prozess der schrittweisen Liberali-sierung durch bilaterale oder multilaterale Verhandlun-gen immer weiter vorangetrieben werden soll Schaut man sich dieses Abkommen naumlher an sind davon nur die staatlichen Dienstleistungen ausgenommen die in Ausuumlbung hoheitlicher Gewalt erbracht werden Dies gilt jedoch nur fuumlr die Bereiche in denen es keine priva-ten Anbieter gibt und somit trit die Verpflichtung den Markt immer weiter zu privatisieren auch den Bil-dungsbereich

Nun waumlre es naiv zu glauben in CETA oder TTIP stuumlnde explizit drin dass Deutschland zum Beispiel Studiengebuumlhren einfuumlhren muumlsste oder seine Studie-rendenwohnheime nicht mehr bauen duumlrfte Die Syste-matik der Freihandelsabkommen ist viel subtiler und

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PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

DSW JOURNAL 22016 35

36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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DSW JOURNAL 22016 38

Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 35: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PERSPEKTIVE Ill

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nicht immer gleich zu durchschauen Sie folgt jedoch einer Maxime Sie ist immer rein oumlkonomisch ausge-richtet sie behandelt Hochschulen oder Studentenwer-ke wie KuumlhlschraumlnkeWer eine bessere Krankenversor-gung will der muss eben mehr zahlen und fuumlr eine gu-te Bildung muss man eben mehr Geld auringen Dabei wird aber der wichtigste Aspekt von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unberuumlcksichtigt gelassen das So-lidaritaumltsprinzip

Bildung gilt bei uns (noch) als Menschenrecht zu dem jeder unabhaumlngig seiner Herkunft und seines Ver-moumlgens Zugang haben sollWie in der Ausgabe 42015 des DSW-Journals eindrucksvoll beschrieben wurde ist Bildung in den USA einer der lukrativsten Geschaumlftsbe-reiche uumlberhaupt Nach einer Studie des bdquoUS College Boardldquo haben 40 Millionen Amerikanerinnen rund 13 Billionen Dollar an Studienkrediten aufgenommen Dies bedeutet eine Verdoppelung der Darlehen inner-halb der vergangenen zwoumllf Jahre und die Studienge-buumlhren stiegen seit 1986 um fast 500 Prozent

Kann dies auch in Deutschland drohen Aber jaWa-rum soll der Staat ein teures Bildungswesen aufrechter-haltenwenn es auch private Anbieter dafuumlr gibt Dies bedeutet doch Arbeitsplaumltze und Steuereinnahmen Und Banken koumlnnen Kredite vergeben private Caterer die Studierenden versorgen Dabei gewinnen doch (fast) alle

Die Diskussion uumlber Studiengebuumlhren hat Ingo Kra-mer Praumlsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbaumlnde (BDA) im DSW Journal 12016 be-reits aufgegrien Er begruumlndet sein Eintreten fuumlr Studi-engebuumlhren unter anderem mit einer damit einherge-henden besseren Qualitaumlt des Studiums und der beste-henden Unterfinanzierung der deutschen Hochschulen Es sei auch nicht einzusehen so Kramer dass drei Vier-tel der staatlichen Leistungen im Hochschulbereich Studierenden zugutekommen unabhaumlngig von ihrer sozialen Lage Nun diese Kramerrsquosche Zielrichtung deckt sich doch hervorragend mit den amerikanischen Forderungen bei TTIP

Die EU-Kommission hat naumlmlichwenn auch nur muumlndlich bestaumltigt dass die USA ein groszliges Interesse haben Erwachsenenbildungsdienstleistungen uumlber den Status quo von GATS hinaus zu liberalisieren Dies wuumlr-de zum Beispiel Manager-Fortbildungskurse Sprach-kurseTestkurse fuumlr die Universitaumltszulassung betreen Aufgrund der Geheimverhandlungen sind weitergehen-de Forderungen durchaus moumlglich

Pascal Kerneis Geschaumlftsfuumlhrer des bdquoEuropean Ser-vices Forumldquo einem Lobbyverband europaumlischer Groszlig-unternehmen bringt es auf den Punkt bdquoUnternehmen sollen befaumlhigt werden nach wirtschaftlichen Kriterien zu konkurrieren die sich am Markt orientieren und nicht an Regierungenldquo

Den Bildungsbereich weiter zu privatisieren ist aber auch Ziel der Europaumlischen Kommission Ein-drucksvoll hat dies am 11 Juni 2015 ein Vertreter der Wirtschaftskanzlei Redeker Sellner Dahs bei seinem Referat zum Thema bdquoWissenschaftseinrichtungen und Europaumlisches Beihilferechtldquo vorgetragen Die Ausbil-dung von Humanressourcen innerhalb des oumlentlichen Bildungswesens gelte demnach als nichtwirtschaftli-che Taumltigkeit Die Fort-Weiterbildung koumlnne hingegen wirtschaftliche Taumltigkeit seinwenn die oumlentlichen Einrichtungen in Konkurrenz zu privaten Anbietern treten ndash das entspricht dem Prinzip des GATS-Abkom-mens Diese Unterscheidung habe im Hinblick auf den Bologna-Prozess Konsequenzen Weil der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss istwerde man den Master wohl als Fort-Weiterbildung werten muumlssen Staatliche Ausgaben fuumlr Hochschulen unterlaumlgen dann beihilferechtlichen Restriktionenwenn auch auslaumlndi-sche private Bildungseinrichtungen entsprechende Masterstudiengaumlnge anbieten

Mit anderen Worten Im Fal-le auslaumlndischer Konkurrenz muumlssen deutsche Hochschulen Masterstudiengaumlnge zu den glei-chen Konditionen anbieten wie Wir koumlnnen nicht uumlberrascht sein ihre auslaumlndischen Konkurren-ten Dies wuumlrde zwangslaumlufig auf wenn amerikanische Unternehmen eine Erhebung von Studienge- gegen die staatliche Subventionierung buumlhren hinauslaufen und CETA und TTIP bieten hierfuumlr die des studentischen Wohnungsbaus rechtlichen Grundlagen sogar fuumlr Klagen im Bereich des Inves- in Deutschland klagen titions-schutzes

Oder ziehen wir die Parallele zu den Studentenwer-ken Aufgrund ihres breiten Leistungsspektrumsvon der Verpflegung uumlber das studentische Wohnen bis zur Kinderbetreuung stehen die Studentenwerke unab-haumlngig von ihrem staatlichen sozialen Auftrag in der Logik von CETA und TTIP sozusagen staumlndig und origi-naumlr in Konkurrenz zu privaten Anbietern man denke nur an Caterer

Wir sollten daher nicht allzu uumlberrascht seinwenn amerikanische Unternehmen etwa gegen die Subventi-onierung des studentischen Wohnungsbaus klagen denn bisher wurde das oumlentliche Bildungswesen als Bestandteil oumlentlicher Daseinsvorsorge weder bei CETA noch bei TTIP verbindlich festgeschrieben Australien hat dies uumlbrigens bei TPP der Transpazifi-schen Part-nerschaft mit den USA durchgesetzt

DER AUTOR

Dr Hans-Juumlrgen Blinn ist Ministerialrat im Ministerium fuumlr Bildung des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragter des Bundesrates im Handelspolitischen Ausschuss des Europaumlischen Rates (Dienstleistungen und Investitionen) in Bruumlssel

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13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

Foto

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DSW JOURNAL 22016 37

EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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DSW JOURNAL 22016 38

Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 36: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

36 DSW JOURNAL 12016

13 FRAGEN

WIR STARTEN EINE AUFHOLJAGD

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

DURCHFUumlHRUNG

Deutsches Zentrum fuumlr Hochschul- und Wissenschaftsforschung

Page 37: Deutschlands Wissenschafts-Regionen #Funktioniert das ... · 2/2016 Das Magazin des Deutschen Studentenwerks R T Deutschen Studentenwerks twettbewerb des 30 Jahre #REGIONAL? Deutschlands

PERSOumlNLICH

13 Fragen an

BORIS RHEIN Hessischer Minister fuumlr Wissenschaft und Kunst (CDU)

1 Herr Rhein wird es nicht Zeit dass auch Hessen end-lich eine Elite-Universitaumlt bekommt Wir haben gute Chancen mit der neu gestalteten Exzel-lenzinitiative Denn sie trit die Staumlrke der deutschen und hessischen Hochschullandschaft ndash die Breite

2 Die Ursprungsidee war aber ausdruumlcklich Leuchttuumlr-me zu foumlrdern und keinen Breitensport zu treiben Die Laumlnder waren sich einig dass im Zentrum der Foumlr-derung herausragende Forschungscluster stehen sollen ndash und deswegen haben wir auch die Zahl der Foumlrderfaumllle erhoumlht

3 Hamburg hat gegen die Verfestigung des Elitezuschus-ses Einspruch erhoben Was haben Sie fuumlr Ihre Unis getan Das Land Hessen hat seine Universitaumlten in die Lage versetzt sich bestmoumlglich fuumlr den Wettbewerb aufzu-stellen Gieszligen und Marburg haben mit dem mittelhes-sischen Forschungscampus eine sehr gute Idee entwi-ckeltAuch die Kooperation der Universitaumlten Frankfurt Darmstadt und Mainz ist innovativ ndash weil sie laumlnderuuml-bergreifend ist

4 Sie waren ein starker zupackender Innenminister Jetzt schlagen Sie sich in Schneckenrunden mit der KMK und komplizierten Hochschulen herum Sehnsucht nach Durchgreifen Nein ich wuumlrde sofort wieder das Wissenschaftsressort waumlhlenwenn ich vor der Wahl stuumlnde Manche Bera-tungwie bei der Exzellenzinitiativewar etwas muumlh-samAber der Reiz der Wissenschaftspolitik ist dass hier die Zukunft gestaltet wird

5 Was ist ihr Lieblingsprojekt Da gibt es nicht eines ndash sondern viele Gerade in diesem Moment vielleicht unsere Hochschule in Vietnam ein

faszinierendes Land mit ehrgeizigen Studenten Die Vietnamese-German University ist ein einzigartiges Projekt der Auszligenwissenschaftspolitik

6 Studieren zu viele junge Leute Die Akademikerwahn-Debatte ist substanzlos Sie wird ausgerechnet von jenen gefuumlhrt die von ihrer eigenen Akademisierung am meisten profitiert haben

7 Sie meinen Professor Nida-Ruumlmelin Unter anderem ja Da hatten die 68er ausnahmsweise mal Recht Die groumlszligten Kritiker der Elche waren fruumlher selber welche Der Arbeitsmarkt verlangt heute maxi-male Qualifikation

8 Und der Facharbeiter ein deutsches Symbol geraumlt ins Straucheln Keineswegs Aber Absolventenlenkung wie in der DDR ist freien Systemen fremd

9 Dort hat das prima geklappt Gregor Gysi ist Anwalt ndash und gelernter Rinderbesamer Nein die DDR ist damit grandios gescheitert ndash ihr sind die Akademiker in Scharen davongelaufen Staatliche Lenkung darf nicht Traumlume und Berufe bestimmenWir wissen ja gar nicht ob wir in die richtige Richtung len-ken Die Buumlrger machen das instinktiv richtig

10 Die Eltern oft nicht Sie draumlngen ihre Kinder zu Abitur und Studium Wichtig ist doch die Wahlfreiheit und die gesellschaft-liche Wertschaumltzung aller BildungsgaumlngeWir in Hes-sen setzen auf die Durchlaumlssigkeit der SystemeWer zu-erst eine Ausbildung macht darf nicht Sorge haben in einer Sackgasse zu enden Deswegen erleichtern wir be-ruflich Qualifizierten den Zugang zur Hochschule

11 Es herrscht groszlige Wohnungsnot ndash besonders unter hes-sischen Studenten Wieso schlampt Hessen da Wir haben seit 2007 rund 4000 Plaumltze geschaen Und weil das noch nicht die gewuumlnschten 10 Prozent Zu-wachs sindwollen wir jetzt eine Aufrac34oljagd starten Wir investieren 90 Millionen Euro in neue Wohnheim-plaumltze bis 2019Aber Nicht jeder Studierende bekommt eine Studentenbude vom Staat

12 Was unterscheidet Ihre Wissenschaftspolitik von der der Gruumlnen In den Grundsatzfragen sind wir uns sehr einig Und wo es Dierenzen gibtwie bei Tierversuchen finden wir einen klugen Kompromiss

13 Welchen guten Kompromiss kann es bei Tierversuchen denn geben Wir haben zwei Professuren eingerichtet die Reduzie-rung Verfeinerung und Ersetzung von Tierversuchen erforschen Das ist wegweisend

Die 13 Fragen stellte Christian Fuumlller Journalist Autor Pisaversteher

ZUR PERSON

Boris Rhein 44 CDU ist seit 2014 hessischer Wissenschaftsminister im Kabinett von Volker Bouffier (ebenfalls CDU) der an der Spitze einer schwarz-gruumlnen Koalition steht Vorher war Rhein seit dem Jahr 2010 Innenminister des Landes Hessen Rhein studierte Jura an der Goethe-Universitaumlt Frankfurt am Main nach dem ersten Staatsexamen leistete er Zivildienst als Betreuer in einem Wohnheim fuumlr Schwerbehinderte Nach dem zweiten Staatsexamen im Jahr 2000 arbeitete er als Rechtsanwalt von 1999 bis 2006 war er Mitglied im Hessischen Landtag Als Innenminister galt Rhein als Hardliner Er ist verheiratet und Vater zweier Soumlhne

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DSW JOURNAL 22016 37

EIN GEDANKE NOCH

DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

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Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

Selbstkoordination der Laumlnder auf welches Prinzip die Kul-tusministerkonferenz doch sonst so groszligen Wert legt Fehlan-zeige Eine sanfte Intervention der Bundesregierung um viel-leicht nochmal an das Ziel der bdquomedienbruch-freien Prozesseldquo zu erinnern Vielleicht hinter den Kulissen

Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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DSW JOURNAL 22016 38

Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

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DER DSW-PRAumlSIDENT HAT DAS LETZTE WORT

e-BAfoumlG oder Digitalisierung 04

Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzaumlhlen Sie passt gut in diese Zeit da der Begri Digita-lisierung in aller Munde und Koumlpfe ist (auch in diesem DSW-Journal) und sich Wirtschaft und Politik ernsthaft bemuumlhen aus den Moumlglich-keiten des Internets etwas Sinnvolles zu ma-

chen Meine Geschichte geht so Eine Bundesregie-

rung namentlich dessen Bildungs- und For-schungsministerium will beim e-Government bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen vorangehen und erweitert ein Gesetz natuumlrlich uumlber den normalen parlamentarischen Prozess Es kann also nie-mand sagen etwas kaumlme uumlberra-schend In der 25 BAfoumlG-Novelle werden also die Bundeslaumlnder verpflichtet ab 1 August 2016 eine elektronische BA-foumlG-Antragstellung zu gewaumlhr-leisteneinschlieszliglich der elektronischen Identifi-kation In der Gesetzesbegruumlndung heiszligt es woumlrt-lich bdquoDas Ziel sind medien-bruchfreie Prozesse

raquoEin medienbruchfreies e-BAfoumlG ist doch kein visionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges

Vorhaben in diesem Jahrzehntlaquo

die zu vollstaumlndig auf elektronischem Weg durch-gefuumlhrten Verwaltungsverfahren fuumlhrenldquo Im Klartext Es geht um eine vollstaumlndige Digitalisie-rung von BAfoumlG-e-Antrag bis zur BAfoumlG-e-Akte die dann auch bei einem Hochschulwechsel elek-tronisch weitergeleitet werden kann Digitalisie-rung eben e-Government vielleicht kein allzu vi-sionaumlres oder groumlszligenwahnsinniges Vorhaben in dieser Dekade Muumlsste man meinen

Nur kommt der Foumlderalismus ins Spiel Zwar hat die Bundesregierung weil sie es voll zahlt seit 2015 beim BAfoumlG das volle Sagen Nur Fuumlr die Durch-fuumlhrung sind allein die 16 Laumlnder zustaumlndig Bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe Mitte Juni 2016 hat nur ein einziges Land e-BAfoumlG umgesetzt Ein Hoch auf die Hessen

Die allermeisten Bundeslaumlnder werden wahrscheinlich an-bietendass man einen formlosen BAfoumlG-Antrag an eine landes-weite De-Mail-Adresse schicken kann die dann wieder im Land verteilt werden muss Schoumlnes e-Government Zur Erinnerung Die Laumlnder wussten von der Frist 1 August 2016 seit dem Jahr 2013

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Zustaumlndig sind uumlbrigens in den Bundeslaumlndern die Innen-ministerinnen Haben Sie von einem Beschluss der Innenmi-nisterkonferenz gehoumlrt die Chance e-Government beim BAfoumlG beim Schopf zu packen Ich nicht

Fazit Eine sehr gute Idee die sehr gut zu einem Hochtech-nologieland mit einer Wirtschaft passt die sich Industrie 40 auf die Fahnen schreibt wird in ein Gesetz gegossen das dann aber diejenigen die es umsetzen muumlssen sehr weit und auch mini-malistisch auslegen koumlnnen Es versickert im Foumlderalismus Und die Leidtragenden sind Buumlrgerinnen und Buumlrger die einfach nur die staatliche Studienfoumlrderung BAfoumlG beantragen wollen Gera-de diese Gruppe deren groumlszligter Teil sicher bdquoDigital Nativesldquo sind haumltte man echtes e-Government zumuten duumlrfen

Lehrstuumlck e-BAfoumlG Der Digitalisierungs-Tiger des Bundes sprang ndash und endet in den Laumlndern als Bettvorleger Digitalisie-rung 04

Prof Dr Dieter Timmermann Praumlsident des Deutschen Studentenwerks raquo dietertimmermannstudentenwerkede Fo

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DSW JOURNAL 22016 38

Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

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Wir rechnendamit du zaumlhlst Bis Ende Juli 2016 laumlu die 21 Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks Sie erfasst die wirtschaliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland wie sie wirklich ist Sei dabei wenn wir dich einladen und hilf die Studienbedingungen in Deutschland gezielt zu verbessern Fuumlr dich und andere Mehr unter wwwsozialerhebungde

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