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Nr. 1334

Der Zweck heiligt dieMittel

Verrat auf Asporc - Captain Ahab inBedrängnis

von Clark Darlton

Auf Terra schreibt man den September des Jahres 446 NGZ, was dem Jahr 4033alter Zeitrechnung entspricht. Somit sind seit den dramatischen Ereignissen, die zumAufbruch der Vironauten und zum Erscheinen der beiden Sothos aus ESTARTU führ-ten, mehr als 16 Jahre vergangen.

Seither haben die Lehre des Permanenten Konflikts und der Kriegerkult in der Ga-laxis ihren Einzug gehalten. Dennoch hat Sotho Tyg Ian den Widerstand der Galakti-ker nicht brechen können. Geheimorganisationen, allen voran die von Julian Tifflorgeleitete GOI, sorgen dafür, daß die Hoffnung auf Freiheit von fremder Unter-drückung erhalten bleibt.

Auch im Reich der 12 Galaxien, wo die Ewigen Krieger im Namen ESTARTUS seitJahrtausenden regieren, regt sich in jüngster Zeit mehr Widerstand gegen ihre Herr-schaft denn je zuvor, und anläßlich der Spiele des Lebens auf dem Mond Ijarkor er-folgt von selten der Netzgänger ein entscheidender Schlag gegen die Machthaber.Gucky, der Ilt, setzt sich anschließend per »persönlichem Sprung« von ESTARTU inden Halo der Milchstraße ab, um auf den Planeten Asporc aktuelle Informationenüber die Situation in der Galaxis zu sammeln.

Was Gucky an seinem Treffpunkt erlebt, steht unter dem Motto: DER ZWECK HEI-LIGT DIE MITTEL …

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Die Hautpersonen des Romans:Gucky - Der Mausbiber sucht Kontakt.Captain Ahab - Ein Schmuggler in Bedrängnis.Guang-Da-G'ahd - Eine Beauftragte der Stimme von Ardustaar.Targas und Conter - Besatzungsmitglieder der OSFARI.Windaji Kutisha - Der Schreckliche Jäger wird alarmiert.

1.

Obwohl längst nicht so unbequem undschwerfällig wie ein SERUN war der leich-tere Netzanzug zumindest lästig – wenig-stens empfand es Gucky so, als er in diekleine, frei im Raum schwebende Station te-leportierte, die den Gängern des Netzes alsInformationsknoten diente.

Bereits vorher, nach seinem Abschied vonReginald Bull auf der Welt Pinnafor, hatte ereine andere Station aufgesucht, um sich zuinformieren, um jedoch ganz sicherzugehen,daß er keinen Irrtum beging, zog er die dop-pelte Kontrolle vor. Im ersten Knoten hatteer außerdem eine Nachricht hinterlassen, diejeden Netzgänger von seiner Absicht, dieheimatliche Milchstraße aufzusuchen, unter-richtete.

Er öffnete Schutzhelm und den oberenTeil seiner Kombination und projizierte er-ste Teilausschnitte des psionischen Netzesauf den Bildschirm. Die Präferenzsträngewaren deutlich zu erkennen, auch die spon-tanen Unterbrechungen, die einen solchenStrang praktisch unpassierbar machten, ähn-lich wie fehlende Schienen eine Bahn-strecke.

Die einzelnen Projektionen waren mit derKARTE identisch, nach denen sich dieNetzgänger im allgemeinen richteten, eskonnte also kein Irrtum entstehen.

Um so wenig Zeit wie möglich zu verlie-ren und somit auch schneller ans Ziel zu ge-langen, tippte der Mausbiber die Gesamt-übersicht ein. Dazu mußte er den größerenSchirm aktivieren, denn selbst zweidimen-sional betrachtet, besaß das psionische Netzeinen Durchmesser bis zu fünfzig MillionenLichtjahren.

Der Rand der Milchstraße war nur etwasmehr als vierzig Millionen Lichtjahre ent-fernt – auf dem Präferenzstrang kaum mehrals ein Katzensprung.

»Da haben wir ihn ja«, murmelte Guckyzufrieden, als er die Direktverbindung vomInformationsknoten zum Rattley-System amNordrand der Heimatgalaxie deutlich vorsich sah. Es gab nicht die geringste Unter-brechung und damit weder Umwege nochsonstige Probleme. »Teleportation ist dage-gen wie mit Krücken laufen.«

Er ließ das Bild noch stehen, während ersich aus der kleinen Vorratskammer der Sta-tion mit Lebensmittelkonzentraten versorgte,die er in den geräumigen Taschen seinerNetzkombination verstaute. Asporc, dervierte Planet der gelbroten Sonne Rattley,würde ihn nicht gerade mit Delikatessenempfangen.

Einen Würfel verzehrte er gleich an Ortund Stelle und rief sich dabei noch einmalReginald Bulls Informationen ins Gedächt-nis zurück, die dieser ihm bei ihrem gemein-samen Einsatz auf dem Planeten Pinnafor inder hiesigen Galaxis Absantha-Gom über-mittelt hatte.

Auf Asporc sollte es einen geheimenTreffpunkt der Vironauten und der Wider-standsorganisation GOI geben. Die Gruppeder Netzgänger, vor allem Perry Rhodanselbst, hatte größtes Interesse daran, aktuelleNeuigkeiten aus der Milchstraße zu erfah-ren. Aber wegen des Fluchs der Kosmokra-ten war es Rhodan unmöglich geworden, dieHeimatgalaxie aufzusuchen. Auch Atlan undSalik war aus dem gleichen Grund der Zu-gang verwehrt.

»Wieder mal ich«, mampfte Gucky zwi-schen zwei Bissen. »Botschafter des Univer-sums – welch eine Ehre! Da ist Bully richtig

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zu beneiden, der mit seiner EXPLORERzwischen den Galaxien herumstreifen kann,um den Planeten der Lao-Sinh zu suchen,die sagenhafte Welt Hubei.«

Den Rest des Konzentratwürfels spülte ermit einem undefinierbaren Saft herunter undstudierte noch einmal das Computerbild, eheer die KARTE deaktivierte. Der Schirm er-losch.

»Na, dann wollen wir mal, alter Knabe«,sagte er zu sich selbst, wie er überhaupt gernSelbstgespräche führte, wenn er sich absolutallein und verlassen fühlte. Und das war erjetzt in der winzigen Station, die mitten imNichts verankert schwebte. »Schön in denStrang einfädeln, ans Ziel denken – und abgeht's durch die Mitte …«

Er vergaß nicht, die Netzkombinationwieder zu schließen, ehe er den Informati-onsknoten verließ, in dem mehrere Präfe-renzstränge zusammenliefen. Es fiel ihmnicht schwer, den richtigen zu finden.

Dann konzentrierte er sich auf sein Ziel,auf den Planeten Asporc, dessen Sonne Ratt-ley im Einzugsbereich »seines« psionischenStranges lag, so daß ein »Umsteigen« über-flüssig wurde. Er hoffte, daß der Strang bishinab zur Oberfläche des Planeten reichte,aber sicher war das keineswegs. Es konntedurchaus sein, daß er den Rest des Wegesdurch eine Teleportation zurücklegen mußte,was aber auch Vorteile besaß. Er würde sichbesser orientieren können und nicht blind ir-gendwo im Gestrüpp oder sonst wo landen.

In erster Linie war es wichtig, daß vorerstniemand von seiner Anwesenheit auf Asporcerfuhr, auch nicht die dort beheimateten As-porcos, obwohl sie bei der beabsichtigtenAktion nur eine unwichtige Nebenrollespielten.

Die Außenluke der winzigen Luftschleu-se, die nur einen Mann aufnehmen konnte,schloß sich geräuschlos hinter dem Mausbi-ber. Vierzig Millionen Lichtjahre, dachte er,und dann intensiver: Nordrand Milchstraße,Stern Rattley, Planet Asporc!

Wie nicht anders zu erwarten, verschwandfür ihn das Universum mit seinen vielen

Millionen Galaxien.

*

Aber nur für den kaum meßbaren Bruch-teil einer Sekunde.

Mehr Zeit war nicht vergangen, und dochhatte er eine kaum faßbare Entfernung zu-rückgelegt, im wahrsten Sinne des Wortes inGedankenschnelle.

Der Präferenzstrang führte nicht bis hinabzur Oberfläche Asporcs, oder aber seinheimlicher Wunsch, nicht direkt bis dorthinzu gelangen, hatte den Frühaustritt bewirkt.Jedenfalls befand er sich in einer Höhe vongut tausend Kilometern über dem Planetenund begann auf diesen zuzustürzen. Teleki-netisch bremste er den Fall ab.

Asporc war eine angenehme und warmeSauerstoffwelt mit neun Kontinenten undflachen Meeren. Die Landmassen waren mitdichter, tropischer Vegetation bedeckt. Sied-lungen und Städte der Asporcos lagen meistin den Küstenregionen.

Gucky besaß nicht den kleinsten Anhalts-punkt, wo sich der geheime Treffpunkt be-fand, und Asporc war immerhin um einigesgrößer als Terra. Aber Bully hatte zuver-sichtlich und voller Optimismus gemeint: dukannst ja espern.

Der hatte gut reden! Einen ganzen Plane-ten abespern, das war selbst für den Mausbi-ber keine leichte Aufgabe, zumal es nichtgeringste Hinweise gab.

»Ach was!« murmelte er in seinen Helmhinein. »Da hast du schon ganz andere Din-ger gedreht. Suchen wir uns erst mal einhübsches und sicheres Versteck, dann sehenwir weiter.«

Er ließ sich weitere fünfhundert Kilome-ter fallen, während sich der Planet langsamunter ihm hinwegdrehte. Der größte derneun Kontinente erschien ihm besondersvielversprechend, ohne daß er den Grunddafür hätte nennen können. Intuition viel-leicht. Möglich. Mit einer Spur von Logik.

Ein kurzer Sprung brachte ihn bis aufzehn Kilometer an den ausgewählten Konti-

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nent heran. Die wie ein Oval geformte Land-masse schien ziemlich eben zu sein, nur inder Mitte erhoben sich einige bewaldeteBerge. Hier entsprangen auch mehrere Flüs-se, die in alle Richtungen zum Meer hinab-strömten, wo die Städte lagen.

Gucky peilte die Berge an und teleportier-te.

Er rematerialisierte punktscharf auf derkleinen Lichtung, die von drei Seiten durchUrwald und von einer durch Felsen einge-schlossen wurde. Hier konnte er vor einerEntdeckung vorerst sicher sein, zumal diesteil aufragende Felswand besonderenSchutz bot. Ein schmaler Höhleneingang botDeckung vor den hier nicht seltenen Regen-güssen, eine Folge des fast ständigen Treib-hausklimas.

Erleichtert entledigte sich der Mausbiberder Netzkombination und verbarg sie in derHöhle, um sich freier bewegen zu können.Es war heiß, und er war froh, gleich in derNähe einen Bach mit kaltem Wasser zu fin-den. Nachdem er sich erfrischt hatte, hockteer sich im Schatten der riesigen Bäume nie-der und dachte erst mal nach.

Die Informationen, die er von Bully erhal-ten hatte, stammten ursprünglich von demVirenschiff GREY SQUIRREL, dessenMentor sie wiederum angeblich von einemSpringerkapitän namens Ahab bekommenhatte. Die Frage war nur, ob dieser CaptainAhab, wie er sich nannte, verabredungsge-mäß auch die GOI unterrichtet hatte.

Die ganze Situation erschien dem Maus-biber reichlich verworren und ziemlich unsi-cher. Am liebsten wäre er, wenn er schoneinmal hier war, gleich nach Terra gereist,wenn es dazu eine Gelegenheit gegeben hät-te. Aber die gab es im Augenblick nicht. Au-ßerdem gingen die Belange der Netzgängerjetzt vor. Zudem war die Organisation derGOI über die Vorgänge in der Milchstraßebestens unterrichtet, und das war es ja, wasRhodan interessierte, der sich selbst nichtdarum kümmern konnte.

Selbst im Schatten wurde es nun zu warm.Erst gegen Abend würde es erträglicher wer-

den. Gucky zog sich in die Höhle zurück. Erverspürte Müdigkeit. Ein paar StundenSchlaf würden ihm jetzt gut tun. Danachkonnte er mit frischen Kräften erneut ansWerk gehen.

Zum globalen Espern benötigte er sämtli-che ihm zur Verfügung stehenden Energien.

So müde wie jetzt war er nur ein halberGucky.

*

Von Asporc aus gesehen durchzog dieMilchstraße den nächtlichen Himmel wieein breites, helles Band aus vielen Milliar-den Sternen. Es war ein, Anblick, der Guckyimmer wieder faszinierte. Vor dem Höhlen-eingang lag er in dem noch warmen Gras aufdem Rücken und lauschte auf die Ge-räusche, die aus dem Wald zu ihm drangen.Es waren Geräusche, die keine Gefahr be-deuteten. Beruhigt schloß er die Augen, umsich besser konzentrieren zu können, undbegann intensiv zu espern.

Wie erwartet, waren es zunächst nur dieGedankenmuster von Asporcos, die stark aufihn eindrangen und für ihn von wenig Inter-esse sein konnten. Es gelang ihm bald, sievöllig auszufiltern und praktisch»verstummen« zu lassen. Was blieb, warmentales Schweigen.

Das war reichlich seltsam, denn es bedeu-tete, daß sich außer den Eingeborenen keineFremden auf dieser Welt aufhielten, zumin-dest nicht in dem Bereich, den er abtastenkonnte. Wenn er die Intensität seiner Emp-fangsmöglichkeit erhöhte, kamen die Musterder Asporcos wieder durch, und das wollteer vermeiden.

Ob er wollte oder nicht, er mußte seineäußerst bequeme Stellung aufgeben, wenn erüberhaupt Resultate erzielen wollte. Für ihnals Teleporter war das kein Problem, denn erkonnte, wenn es schon sein mußte, den gan-zen Planeten ohne große Mühe in wenigenStunden mental absuchen. Vorerst jedochbegnügte er sich damit, der größeren Stadtam Meer seine Hauptaufmerksamkeit zuzu-

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wenden.Es war kaum damit zu rechnen, daß die

GOI ihren geheimen Treffpunkt ausgerech-net in der Stadt eingerichtet hatte, aberGucky wollte nichts unversucht lassen, dieWiderstandsgruppe aufzutreiben. Er erinner-te sich, was er über sie wußte.

Eine Organisation verschiedener Interes-sengruppen der Milchstraße, die es sich vor-genommen hatten, die Macht des SothosTyg Ian zu brechen, um dem Galaktikumwieder die Möglichkeit einer freien und un-abhängigen Entwicklung zu verschaffen.Das Präsidium der GOI wurde von JulianTifflor geleitet. Der Sitz der Organisationbefand sich auf einem Planeten der Eastsideder Galaxis. Der offizielle Name war mitCLARK FLIPPER angegeben.

Es gab eine Menge Völker, die die GOIheimlich unterstützten. Sogar die Hanse unddamit auch Homer G. Adams gehörten zuden Sympathisanten. Der einzig ernst zunehmende Gegner der GOI war der Sothoselbst, der – wo immer es möglich war – sei-ne Jägerbrigade auf die ihm gefährlich er-scheinende Organisation ansetzte.

Gucky ließ seine Ausrüstung in der Höhlezurück und pirschte sich mit Kurzteleporta-tionen an den Rand der Stadt heran. Nach-dem er ein geeignetes Versteck auf einemmit Büschen bewachsenen Hügel gefundenhatte, begann er abermals zu espern.

Es gab nun zwar ein paar wenige Frem-dimpulse, aber sie stammten mit Sicherheitnicht von Mitgliedern der GOI. HarmloseBesucher oder auch Händler von anderenWelten, aber keine Widerstandskämpferoder Leute, die etwas zu verbergen hatten.

Aber da war etwas anderes, das ihn plötz-lich richtig wach werden ließ. Ganz schwa-che telepathische Impulse drangen an seinBewußtsein, Gedankenmuster, die ihm nichtvöllig fremd erschienen, wenn er sie auchnicht sofort zu identifizieren wußte. Einsaber wußte er mit absoluter Sicherheit: mitder Spezies, die diese Muster abstrahlte, hat-te er schon einmal zu tun gehabt. Aber wannund wo …?

Er konzentrierte sich noch stärker als zu-vor.

Die Impulse kamen nicht aus der Stadt,die weit unter ihm lag. In den meisten Häu-sern brannte noch Licht. Die Asporcosschienen nicht gerade mit den Hühnernschlafen zu gehen. Außerdem war es nochlange nicht Mitternacht Ortszeit.

Guckys volle Konzentration galt den selt-samen Gedankenmustern, die er nur undeut-lich und bruchstückweise empfing. EinigeBegriffe kamen klar durch, waren jedochnicht zu identifizieren. Was konnte wohl»Ardustaar« bedeuten? Diese Bezeichnungkam mehrmals und scheinbar völlig zusam-menhanglos durch und prägte sich ein, ohneeine Bedeutung zu erhalten.

Oder »Sayaaron« und dann noch»Meekorah«. Handelte es sich lediglich umNamen von Personen und Bezeichnungenfür Planeten oder Systemen?

Der Versuch, Sinn in die Impulse zu brin-gen, scheiterte völlig, was den Mausbiberum so mehr ärgerte, als er genau wußte, daßer schon einmal ähnliche Muster geespertund auch verstanden hatte. Er änderte seineTaktik und verlegte sich auf die Ortung.

Die Person, die in größerer Entfernung sointensiv dachte, hielt sich nördlich von sei-nem eigenen Standort auf, mit Sicherheitnoch jenseits der Berge, wo er sein Versteckhatte. Er rief sich den Anblick des Kontin-ents ins Gedächtnis zurück, wie er ihn ausgroßer Höhe gesehen hatte. Nördlich derBerge lag am Meer eine andere größereStadt.

Der »Sender« mußte sich dort befinden.Und noch etwas anderes entnahm Gucky

ganz bestimmten Charakteristiken der Men-talimpulse: Sie wurden nicht wahllos abge-strahlt, sondern bewußt in eine ganz be-stimmte Richtung, nämlich von Nord nachSüd. Der Empfänger mußte sich also in sei-ner Nähe aufhalten, wahrscheinlich unten inder Stadt.

Den Empfänger zu orten, ohne daß dieserebenfalls mental antwortete, war unmöglich.Zudem würde er, da er ebenfalls Telepath

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sein mußte, die Fähigkeit besitzen, sich ab-zuschirmen, wenn er das für nötig hielt.

Blieb also nur noch der Versuch, zumin-dest den Absender der Mentalimpulse imNorden aufzuspüren.

Noch zögerte Gucky, was ihm einen Zeit-verlust von mehr als zwanzig Stunden ein-brachte. Ein voller Tag auf Asporc dauerteetwas mehr als dreißig Terra-Stunden.

Ihm schien es im Augenblick wichtiger,sich die Muster hundertprozentig einzuprä-gen, um sie jederzeit wieder identifizierenzu können. Er ahnte, daß er eine wichtigeSpur entdeckt hatte.

Kaum hatte er sich zum vorläufigen Blei-ben entschlossen, da brach die einseitigeMentalverbindung abrupt ab.

Auf keinen Fall konnte die unbekannte In-telligenz etwas von seiner Anwesenheit er-fahren haben, da er seine eigenen Gedankenvollkommen abgeschirmt hatte und nur aufEmpfang gegangen war. Da er praktischnichts von dem Inhalt der Sendung wußte,konnte er auch nicht ahnen, ob sie planmä-ßig beendet oder überhastet abgebrochenworden war.

»Ich hätte den Sender anpeilen und sofortspringen sollen«, warf er sich wütend vor.Aber dann, wie um sich zu beruhigen, fander auch sofort ein Gegenargument: »Aberdas Einprägen der Muster ist wichtiger ge-wesen, denn nun sind sie jederzeit zu identi-fizieren – wenn auch leider nicht zu verste-hen. Und denken oder gar gezielt sendenwird der Unbekannte ja wohl wieder. Ob esjemand von der GOI ist …?«

Die Frage blieb natürlich ohne Antwort.Zur Hälfte froh, daß er überhaupt etwas

Ungewöhnliches entdeckt hatte, und zur an-deren Hälfte leicht verbittert teleportierte erin sein Versteck zurück, aß einen Würfelund rollte sich dann zum Schlaf zusammen.

Morgen war auch noch ein Tag.

*

Und was für ein Tag!Die Sonne knallte vom wolkenlosen Him-

mel, der bei dem Klima hier eine Seltenheitsein mußte. Gucky erwachte durch die denHöhleneingang hereinströmende Wärme undwurde erst richtig munter, nachdem er sicheine Weile in den nahe vorbeifließendenBach gelegt hatte. Als er zur Höhle zurück-watschelte, hinterließ er eine nasse Spur.

Er esperte kurz. Nichts.Nur Geduld, dachte er, während er sich in

der Sonne trocknen ließ. Das war gestern ei-ne mentale Botschaft von einer Person zu ei-ner bestimmten anderen. Also werden sie er-neut in Verbindung treten. Und dann werdeich mindestens einen von ihnen erwischen.

Der Gedanke gab ihm seinen Seelenfrie-den zurück. Mit dem Rücken gegen den Felsgelehnt, genoß er die Stille der urweltlichenUmgebung, die durch nichts gestört wurde.Dabei esperte er fast ohne Unterbrechung,was nun keine besondere Anstrengung be-deutete, da er genau wußte, wie das gesuchteMentalmuster beschaffen war.

Die Sonne erreichte ihren höchsten Stand.Gucky zog sich in die Höhle zurück undhoffte, daß die Felsen die Impulse, auf die erso sehnsüchtig wartete, nicht zu sehrblockierten.

Er mußte wohl ein wenig eingedöst sein,denn er fuhr erschrocken hoch, als die be-kannt-unbekannten Gedankenmuster an seinhalbwaches Bewußtsein drangen. Sie blie-ben undeutlich und schwach, viel schwächerals am Abend zuvor.

Gucky begriff blitzschnell. Ohne zu zö-gern, teleportierte er hinauf auf einen dernicht sehr hohen Berggipfel, von wo aus erfreie Sicht nach allen Seiten hatte.

Sofort wurden die Impulse stärker, wennauch nicht verständlicher. Und wieder tauch-ten die Begriffe »Ardustaar«, »Sayaaron«und »Meekorah« auf, mit denen nichts anzu-fangen war. Immerhin bestätigten sie, abge-sehen von der Identität der Muster, daß essich um denselben Mentalabsender handelte.

Die Peilung lag genau bei Süd.Also doch die Stadt am Nordrand des

Kontinents! Und der Empfänger saß in derSüdstadt. Wahrscheinlich zumindest.

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Das war immerhin schon etwas.Hastig kehrte Gucky in die Höhle zurück,

stopfte sich ein paar Konzentratwürfel in dieTaschen und sprang wieder auf den Berggip-fel. Er peilte Nord an, teleportierte und re-materialisierte weit oberhalb der Nordstadtin einem hügeligen und unbewohntenBuschgelände.

Die Impulse waren abermals stärker undintensiver geworden.

Ein erneuter Sprung brachte ihn näher andie Stadt heran. Weiter konnte er sich nichtmehr vorwagen, denn es gab vor ihm zu we-nig Deckungsmöglichkeiten. Zwischen ihmund dem Stadtrand lag ein mittelgroßerRaumhafen. Die Asporcos, wußte der Maus-biber, betrieben Raumfahrt in beschränktemAusmaß innerhalb ihres eigenen Systems.

Nun drangen die fremden Impulse sostark auf ihn ein, als wären sie für ihn be-stimmt, was aber eindeutig nicht der Fallwar. Noch immer blieben sie unverständlich,obwohl er sich vergeblich den Kopf darüberzerbrach, wo und wann er ähnliche Muster-strukturen schon einmal geespert – und ver-standen hatte.

Selbst die Gedanken der Asporcos wur-den derart überlagert, daß er sie nicht mehrauszufiltern brauchte. Um sie zu empfangen,mußte er sich sogar ein wenig anstrengen.

Der Unbekannte saß in der Stadt, daranbestand nun kein Zweifel mehr. Wie aber, sofragte sich Gucky, sollte er an ihn heran-kommen, ohne selbst entdeckt zu werden. Erkonnte ihn anpeilen und teleportieren, aberwenn dieser Unbekannte kein Mitglied derGOI war, konnte er seine Mission als ge-scheitert ansehen. Also mußte er sich ihmnähern, ohne selbst bemerkt zu werden.

Eine schier unlösbare Aufgabe.Was ihm jetzt fehlte, war ein Deflektor-

schirm, und den hatte er nicht.Die Sendung brach so abrupt ab wie ge-

stern nacht.Da nun vorerst Schluß war mit dem An-

peilen und Gucky nicht wieder auf eine neueSendung warten wollte, von der er nun nichtmehr so überzeugt wie gestern war, daß sie

jemandem in der Südstadt galt, verlegte ersich darauf, die Asporcos mental auszuhor-chen.

Seine Überlegung ging darauf hinaus, daßes nur wenig Fremde in der Stadt gab, die si-cherlich genügend Gesprächsstoff für diemit Abwechslung nicht gerade gesegnetenEinwohner boten. Wenn es ihm gelang, reinzufällig welche zu erwischen, die sich aus-gerechnet die Besucher von anderen Weltenals Thema gewählt hatten …

Das konnte eine langwierige Suche wer-den.

Er lag unter einem der letzten Büsche vordem Landefeld im kühlenden Schatten undsicherer Deckung. Außerdem befand sichniemand in unmittelbarer Nähe. Gezielt be-gann er, die massenweise an sein Bewußt-sein dringenden Gedanken der Stadtbewoh-ner auszusieben, so wie man etwa unterHunderten von Radiosendungen eine ganzbestimmte herausfiltert und fixiert.

Es waren ganz stinknormale Alltagsge-danken, die der Mausbiber empfing und diekeine Anhaltspunkte boten. Frauen dachtenan ihre Einkäufe, Männer an ihre Geschäfte,und einer freute sich darauf, seinen Urlaubauf dem siebten Planeten des Systems ver-bringen zu können, um sich mal richtig aus-zufrieren.

Schon fast pervers, dachte Gucky undsuchte weiter.

Und dann, völlig überraschend, wurde erfündig.

Er war sich nicht sicher, aber es mußtesich um zwei männliche Asporcos handeln,die für die Sicherheit oder die Fremdenpoli-zei arbeiteten, denn sie beschäftigten sich inerster Linie mit den Besuchern anderer Wel-ten, die vorübergehend oder auch länger aufAsporc weilten.

Namen und Völker wurden genannt, vondenen Gucky die meisten zumindest demNamen nach kannte. Die Bezeichnung derGOI fiel allerdings nicht zu seinem Bedau-ern. Die Organisation schien demnach hierunbekannt zu sein.

Dafür fiel jedoch ein anderer Begriff, der

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mit einem Schlag Licht in das Dunkel derbisherigen Ungewißheit brachte. Gucky fieles wie Schuppen von den Augen, und erschimpfte sich einen Narren, daß, er nichtvon selbst darauf gekommen war. Sein Ge-dächtnis schien nachzulassen.

Dieser Guang-Da-G'ahd sollten wirmehr Aufmerksamkeit schenken als bisher,sagte und dachte der eine der Asporcos, derein Vorgesetzter des anderen sein mußte.Zwar lebt sie schon lange unter uns, aberniemand weiß genau, welche Geschäfte siebetreibt und wovon sie ihren Unterhalt be-streitet. Diesem Volk ist nicht zu trauen.

Sie hat sich bisher in keiner Weise ver-dächtig gemacht, widersprach der andereund dachte es auch. Sie macht Geschäfte mitGalaktischen Händlern. Das ist nicht verbo-ten.

Die Natur dieser Geschäfte kennt nie-mand.

Was gäbe es hier schon zu schmuggeln?Es entstand eine Denkpause, die Gucky

gerade recht kam.Der Name Guang-Da-G'ahd deutete ohne

den geringsten Zweifel auf eine Kartanin hin– oder auch auf eine Lao-Sinh, was für denMausbiber keinen großen Unterschied be-deutete. Der sicherste Beweis jedoch, daß essich bei der erwähnten Person um eine An-gehörige der feliden Spezies handelte, warendie von ihr empfangenen Gedankenmuster,die nun eindeutig identifiziert waren.

Ihm kamen jedoch ernsthafte Zweifel, obdie mentale Sendung wirklich an eine Per-son in der südlichen Stadt gerichtet war,oder ob er sich da in die Irre hatte führenlassen.

Die beiden Asporcos wechselten das The-ma. Es war ohne Interesse für Gucky, dermit dem Ergebnis der bisherigen Recher-chen durchaus zufrieden war, wenn er auchsein eigentliches Ziel, Kontakt zur GOI auf-zunehmen, noch nicht erreicht hatte.

Um in unmittelbare Nähe der Kartanin zugelangen, würde er sich in die Stadt begebenmüssen, und das kam nur bei Dunkelheit inFrage. Ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm,

daß sie vielleicht etwas mit der Widerstands-organisation zu tun hatte, wenn ihm auchnicht klar war, was eine Felidin für ein Inter-esse an den Geschehnissen in der Milchstra-ße haben konnte.

Wahrscheinlich hätte er noch einige Zeitin seinem Busch gelegen und über die ganzeAngelegenheit nachgegrübelt, wenn in die-sem Augenblick nicht ein Ereignis eingetre-ten wäre, das alle seine unmittelbaren Pläneüber den Haufen warf.

2.

Seit 432 NGZ, also seit vierzehn Jahren,hielt sich die Kartanin Guang-Da-G'ahd nunauf dem Planeten Asporc auf. Mit dreißigKartan-Jahren fühlte sie sich alt genug, derAufgabe gewachsen zu sein, die man ihr ge-stellt hatte. Die »Stimme Ardustaars« war esgewesen, die ihr den Auftrag erteilt hatte,sich am Nordrand der Milchstraße anzusie-deln, die Entwicklung in dieser Galaxis zubeobachten und regelmäßig darüber zu be-richten.

Sie hatte sich auf Asporc eine sichere undstabile Existenz aufgebaut.

Vor allen Dingen eine unverdächtige Exi-stenz.

Die Stimme, davon war sie fest überzeugt,war das telepathische Verständigungsorgander sieben Hohen Frauen, und wenn sieselbst ihre Berichte abstrahlte, in Richtungder fernen Galaxis Pinwheel, so mußten dieHohen Frauen sie auch empfangen, zumalsie bei ihren Sendungen stets drei Paratrop-fen in der Hand hielt, die ihre Gedankene-missionen verstärkten.

Während ihrer Berichterstattung zog siesich in eine fensterlose und verschlosseneStube ihres Wohnhauses zurück, um unge-stört zu sein. Obwohl sie selten eine Antworterhielt, war sie fest davon überzeugt, daß sieimmer empfangen und verstanden wurde.

Guang-Da-G'ahd war eine Kartanin, dievon der Natur mit ungewöhnlicher Intelli-genz ausgestattet worden war – ein Haupt-grund für die Tatsache, daß man sie für die-

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se spezielle Aufgabe ausgewählt hatte. EinFernraumschiff hatte sie vor vierzehn Jahrenvon Pinwheel nach Asporc gebracht, um da-nach sofort wieder die Rückreise anzutreten.

Um ihr den Einstieg in das Alltagslebender ihr fremden Welt zu erleichtern, die Be-sucher aus dem Weltraum kannten und unterUmständen sogar begrüßten, hatte man siemit wertvollen Tauschgütern ausgestattet,die ihr zu einer angesehenen Existenz ver-halfen.

Für ihren persönlichen Bedarf befandensich in ihrem Besitz auch zehn KilogrammParatau, die sie sorgsam verteilt – damit kei-ne spontane Deflagration entstehen konnte –in gut gewählten Verstecken lagerte.

Vor einiger Zeit wäre ihre geheime Missi-on beinahe zu Ende gewesen, denn ihr Vor-rat an Paratau ging zur Neige. Da half ihrder Zufall. Da sie offiziell als Händlerin tä-tig war, lernte sie den Springer CaptainAhab kennen, der es mit seinen Geschäftennicht so genau zu nehmen schien und ihr Pa-ratau in jeder beliebigen Menge zu verschaf-fen wußte – gegen entsprechenden Gegen-wert, natürlich.

Auch das Lagerungsproblem konnte siezufriedenstellend lösen. Ein Paratron-Ge-nerator, den sie nach langer Suche auftrieb,erlaubte es ihr, bis zu eine Tonne der wert-vollen Substanz gefahrlos aufzubewahren.

Sie ahnte nicht, welchen unschätzbarenWert dieser Generator für ihr Volk darstell-te, und so hatte sie es auch unterlassen, inihren Sendungen darüber zu berichten. Siehatte es schon deshalb unterlassen, weil ihrdie Funktionsweise des Geräts völlig unbe-kannt blieb. Sie kannte nur seine vor einerDeflagration schützende Wirkung.

Und dann, eines Tages, kam wieder eineAntwort aus Pinwheel. Die Stimme Ardu-staars befahl ihr, unauffällig Kontakt zurGOI aufzunehmen, die heimlich den Sothobekämpfte.

Das war leichter gesagt als getan.Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo

und wie sie ein Mitglied dieser offiziellnicht existierenden Organisation auftreiben

sollte. Und eine weitere Frage stellte sichihr: gab es ausgerechnet auf dieser Welt, zuder man sie geschickt hatte, einen Anhängerder GOI? Und wenn ja, wie sollte sie ihnfinden?

Mit Telepathie, beantwortete sie sichselbst die Frage, wußte aber sofort, wieschwierig oder gar sinnlos ein solches Un-terfangen sein mußte. Der Gesuchte konnteein Asporco sein, aber auch einer der vielenFremden, die permanent auf einem der neunKontinente wohnten, selbst ein durchreisen-der Tourist oder Händler kam in Frage.

Guang-Da-G'ahd hatte ihre Meditations-kammer nach der abgestrahlten Nachrichtverlassen und sich in den großen Wohnraumbegeben, der ihr zugleich als Büro und zumEmpfang von Besuchern diente. Der StimmeArdustaars hatte sie, nicht zum erstenmal –mitgeteilt, daß ihre Suche nach der GOI bis-her vergeblich gewesen sei. Sie bat um neueAnweisungen und – wenn möglich – umRatschläge, die ihr das Aufspüren der Wi-derstandsbewegung erleichterten.

Ihre Gedanken und Überlegungenschweiften ab und landeten schließlich beiCaptain Ahab. Wenn ihr jemand helfenkonnte, dann der Springer. Als GalaktischerHändler kam er mit vielen Welten und Völ-kern in Verbindung und hörte manches, dasandere nie zu hören bekamen.

Sie nahm sich vor, ihn bei seinem näch-sten Besuch auf Asporc direkt auf die GOIanzusprechen. Schaden konnte sie damitkaum anrichten. Warum sollte sie hier nochnie etwas von der GOI gerüchteweise gehörthaben? Nein, eine diesbezügliche Fragewürde kaum den Verdacht des Springerswecken.

Der Gedanke daran, vielleicht doch nocheinen Weg zum Erfolg gefunden zu haben,erfüllte sie mit stiller Befriedigung. Wohligstreckte sie sich auf der breiten Liege aus,und als sie in einen leichten Nachmittags-schlummer fiel, war in dem Wohnraum soetwas wie ein leises Schnurren zu verneh-men.

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*

In seiner neuen Gestalt fühlte sich derSpringer-Patriarch Mossek ban Osfar sowohl wie nie zuvor. Offiziell kannte man ihnweltenweit als Captain Ahab, der mit seinemWalzenschiff OSFAR I von Planet zu Planetpendelte und Handel aller Art betrieb.

Nahezu ein Meter und neunzig groß,breitschultrig und stämmig gebaut, bot ermit seinem roten und lockig bis auf dieSchultern fallenden Haar und seinem eben-falls feuerroten Vollbart das Bild eines typi-schen Springers. Er trug auffallend farben-prächtige Kleidung, und wenn er sprach, sogeschah das mit tiefer und fast dröhnenderStimme.

Von seiner ursprünglichen Gestalt warnichts mehr übriggeblieben, wenn man vonseinem etwas seitwärts gerichteten Gang ab-sah.

Seine »Sippe« war absolute Tarnung,denn in Wirklichkeit gab es keine Sippe derOsfar. Zwar betrug die Mannschaft der OS-FAR I insgesamt zweihundertvierundfünfzigFrauen und Männer, alles echte Springer,aber Captain Ahab hatte sie selbst sorgfältigausgesucht. Ein Verwandtschaftsverhältnisbestand nicht, wohl aber eine verschworeneGemeinschaft. Die Springer der OSFAR Iwären für ihren Captain durchs Feuer gegan-gen.

Das Schiff besaß eine Länge von achthun-dert Metern und einen Durchmesser von ein-hundertzwanzig Metern. Wie auch sein Be-sitzer war der in Wirklichkeit sehr leistungs-fähige Metagravantrieb getarnt und erweckteselbst bei näherer Betrachtung den Eindruckeiner veralteten Maschinerie.

Captain Ahab schmuggelte Paratau, daseinträglichste Geschäft des halben Univer-sums. Und was wichtig für ihn persönlichwar: er versorgte die GOI mit dem für dieWiderstandsbewegung lebenswichtigenStoff. In den paratron-gesicherten Geheim-kammern der OSFAR I konnten gefahrlosbis zu achtzehntausend Kilogramm Paratau

gelagert werden. Ein Wert, der kaum abzu-schätzen war.

Den Paratau-Inspekteuren, die im Auftragdes Sothos den Handel mit Paratau über-wachten und den Schwarzhandel damit er-bittert und mit allen Mitteln bekämpften,war Captain Ahab ein Dorn im Auge, aberes mußte selbst für diese mit allen Voll-machten ausgestatteten Gruppe schwer sein,seiner habhaft zu werden. Auch die Jägerbri-gade war hinter ihm her. In erster Linie derElfahder Windaji Kutisha, berüchtigt unterseinem Beinamen »der schreckliche Jäger«.

Das alles konnte aber Captain Ahab nichtdavon abhalten, seinen mehr oder wenigermysteriösen und auch gefährlichen Geschäf-ten nachzugehen, die alle einem ganz be-stimmten und einzigen Ziel dienten. Immerwieder verstand er es, seinen Verfolgern zuentwischen, auch dann, wenn er scheinbar inihre geschickten Fallen geraten war.

Eine solche Falle hatte er gerade mal wie-der hinter sich, und er hatte ihr mit einigerMühe entkommen können. Nun waren sieerneut hinter ihm her, mußten aber wohl sei-ne Spur verloren haben. Als die OSFAR inden Normalraum zurückkehrte und die Orterund Massetaster zu arbeiten begannen, blie-ben die Bildschirme und Datenskalen leer.

Sie zeigten keine Verfolger mehr an.Ahab dachte einen kurzen Augenblick an

Domo Sokrat und Benk Monz. Die beidenHaluter waren einige Monate lang Gäste anBord seines Schiffes gewesen und hattendieses vor wenigen Tagen, als die OSFAR IKontakt mit einem GOI-Schiff aufnahm,verlassen, um zum Stützpunkt CLARKFLIPPER zu fliegen.

Ahab schüttelte die Gedanken ab undwandte sich an den diensthabenden PilotenTargas:

»Wird Zeit, daß wir unserer alten Kundinmal wieder einen Besuch abstatten, auchwenn wir diesmal das begehrte Zeug nichtan Bord haben, was ja bei der letzten In-spektion ein wahres Glück gewesen ist.«

»Die Mieze?« erkundigte sich Targas, einTerraner mit einem gehörigen Schuß Sprin-

Der Zweck heiligt die Mittel 11

Page 12: Der Zweck heiligt die Mittel

gerblut in den Adern, weshalb er auch vonder getürkten »Sippe« voll anerkannt wurde.»Da wird sie aber ein klägliches Miau vonsich geben.«

»Die soll ruhig miauen«, dröhnte Ahabund lachte in ähnlicher Tonart. »Die muß jaschon Unmengen von dem Zeug gehortethaben. Es soll ein reiner Freundschaftsbe-such werden.

Außerdem sind wir auf Asporc im Augen-blick ziemlich sicher. Niemand vermutet unsdort.«

»Hoffentlich hast du recht«, verriet Tar-gas erhebliche Skepsis. »Wir haben uns inletzter Zeit ganz schön verdächtig gemacht.«

»Verdacht hin, Verdacht her! Uns etwasbeweisen zu wollen, ist eine ganz andere Sa-che.«

»Die brauchen keine Beweise«, befürch-tete sein Pilot.

Captain Ahab schwieg und versank inNachdenken, während Targas den neuenKurs programmierte. Der Pilot hatte nicht sounrecht. Die Inspekteure gingen recht brutalvor und hielten sich nicht immer an das, wassie Gesetz nannten. Wenn sie jemanden fest-nageln wollten, dann taten sie das auch, undwenn sie Beweise einfach durch erpreßteGeständnisse konstruierten. Und dann – nunja, ein Toter kann nicht mehr viel aussagen.

Kein Wunder, daß die GOI entstandenwar, die Captain Ahab tatkräftig unterstütz-te. Auch das schienen die Inspekteure zuwissen, zumindest jedoch zu ahnen. Nur we-gen seines Schmuggels mit Paratau konntensie nicht so wild hinter ihm her sein.

Seine wahre Identität, so hoffte er zuver-sichtlich, mußte aber auch ihnen nicht be-kannt sein. Sonst hätte der augenblicklicheSotho seine sämtlichen Streitkräfte aufgebo-ten, um seiner habhaft zu werden.

Der Gedanke beruhigte ihn wieder.»Fertig?«Targas nickte und strich sich wohlgefällig

über den nur blaßroten Vollbart.»Fertig! Wir können!«»Wenn wir können, dann wollen wir

auch«, versuchte Ahab einen seiner etwas

merkwürdigen Scherze und gab sein Okay-Zeichen.

Targas strich mit der Hand über die Licht-taste und aktivierte damit den Metagrav-An-trieb.

*

Voller Verblüffung duckte sich Guckynoch tiefer in das Gebüsch, als sich die riesi-ge Springerwalze vom Himmel herabsenkteund zur Landung auf dem Raumhafen an-setzte.

Das hatte ihm gerade noch gefehlt, jetzt,wo er endlich sicher war, eine halbwegsbrauchbare Spur gefunden zu haben. Ob die-se Spur allerdings zur GOI führte, war nichteinmal halbwegs sicher.

Als unverbesserlicher Optimist und Posi-tivdenker verlor er jedoch in keiner Situationdie Hoffnung auf schließlichen Erfolg. SeineVerblüffung und anfängliche Enttäuschungüber die Störung, die das Erscheinen einesGalaktischen Händlers auf Asporc hervor-rief, wich allmählich der Überlegung, daßSpringer im allgemeinen ziemlich viel her-umkamen und Neuigkeiten sammelten. Manmußte es nur verstehen, sie ihnen aus derNase zu ziehen.

Und das sollte mit Hilfe der Telepathienicht allzu schwierig sein.

Es war Nachmittag und würde noch etli-che Stunden hell bleiben. Sein Versteck wargut, also blieb er. Schon deshalb, weil er denRaumhafen und einen Teil der Stadt vonhier aus gut im Auge behalten konnte. Seinein den Bergen verborgene Netzausrüstungkonnte er jederzeit holen, wenn sich das alsnotwendig erweisen sollte.

Die Walze landete. Das riesige Emblemauf dem zylindrischen Rumpf wies sie alsdas Patriarchenschiff der Sippe der Osfaraus. Und so lautete auch der Name desRaumschiffs.

OSFAR – versuchte sich der Mausbiberzu erinnern. Hatte er den Namen schon malgehört oder nicht? Und in welchem Zusam-menhang? Ließ ihn sein Gedächtnis schon

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Page 13: Der Zweck heiligt die Mittel

wieder im Stich?Espern würde ihn auch diese Hürde neh-

men lassen.Für den Augenblick vergaß er die aufge-

spürte Kartanin, die er zwar lose mit denGalaktischen Händlern in Verbindungbrachte, aber nicht gerade mit dem eben ge-landeten Schiff. Telepathisch tastete er sichzu der OSFAR vor und empfing ein wirresChaos von Gedanken, die leicht verständlichund gut zu unterscheiden waren. Man schienan Bord des Springers erleichtert zu sein,sich in Sicherheit zu befinden. Das deutetedaraufhin, daß es vorher Ärger gegeben hat-te. Gucky fand auch bald heraus, mit wem.

Er filterte weiter, bis er Impulse aufnahm,die er eindeutig als Anordnungen identifizie-ren konnte. Dann sprach jemand das befeh-lende Individuum direkt an und titulierte esals »Captain Ahab«.

An Captain Ahab hatten die zwei Aspor-cos ebenfalls gedacht! Der Zusammenhangwar plötzlich gegeben, denn sie hatten Ahabmit der Kartanin in Verbindung gebracht.Der Springer mußte also jener sein, mit demGuang-Da-G'ahd in Handelsbeziehungenstand und der mit der GREY SQUIRRELKontakt aufgenommen hatte.

Mit erneuter Konzentration nahm sich derMausbiber Ahab vor.

Das erste, was ihm auffiel und ihn stutzigmachte, war der Umstand, daß der vermeint-liche Patriarch seine an Bord befindlicheSippe durchaus nicht wie eine Sippe behan-delte, sondern eher wie Mitverschworeneund gute Bundesgenossen. Als er über Inter-kom das Wort an sie richtete, geschah das infür Patriarchen völlig ungewohnter Art undWeise.

Es gab keine rauen Befehle, sondern nurAnweisungen und wohlgemeinte Ratschlä-ge. Für die ersten Stunden ordnete er aller-dings ein vorübergehendes Ausgehverbotan, das mit ständiger Alarmstartbereitschaftbegründet wurde. Ein Grund für diese Maß-nahme wurde nicht genannt. Wahrscheinlichkannte ihn jeder an Bord.

Dann, als Ahab den Interkom deaktivier-

te, gab es eine kurze Unterhaltung mit demPiloten Targas, der nicht viel zu entnehmenwar.

Erst als Captain Ahab sich in seine Kabi-ne zurückzog, um sich prachtvoll einzuklei-den, weil er eine gewisse Felidin aufsuchenwollte, ließ er seinen Gedanken freien Lauf.

Und sie brachten für Gucky eine der größ-ten Überraschungen seines langen Lebens.

Ahab bedachte den Sotho, der ihn besiegtund jetzt in der Milchstraße das Sagen hatte,mit haßerfüllten Gedankenflüchen, in die erdie Jägerbrigade und die Paratau-In-spekteure einschloß. Gleichzeitig schwor ersich, zusammen mit der GOI die ursprüngli-chen Zustände in der Galaxis wieder herzu-stellen …

… er, der ehemalige und rechtmäßige So-tho Tal Ker!

Captain Ahab war kein anderer als Stal-ker!

Von dem Schock mußte sich Gucky ersteinmal erholen, aber das dauerte nur wenigeSekunden, in denen ihm vieles klar wurdeund er eine Menge Antworten auf vieleschwebende Fragen erhielt. Und was ihn ammeisten freute, war, daß er nun einen Wegsah, Verbindung zur GOI aufzunehmen.

Durch Stalker natürlich!Doch seiner Freude folgte sogleich die

Enttäuschung.Captain Ahab alias Stalker, selbst mit au-

ßergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet,die zwar nicht an jene des Mausbibers her-anreichten, blockierte abrupt seinen Mental-bereich. Er mußte bemerkt haben, daß er te-lepathisch abgetastet wurde.

Gucky drang nicht mehr durch. Es war,als stieße er gegen eine undurchdringbareWand, in der es keine einzige Lücke gab.Vielleicht war er zu unvorsichtig und direktbei seinem Versuch gewesen, den ehemali-gen Sotho auszuhorchen.

Ein Fehler, der jedoch nicht allzu tragischwar. Jetzt, da er wußte, wer Captain Ahab inWirklichkeit war, konnte er auch offen Kon-takt mit ihm aufnehmen, denn ihre Ziele wa-ren nahezu identisch.

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An die Kartanin Guang-Da-G'ahd dachteer im Augenblick nicht mehr, da sie allemAnschein nach nichts oder nur wenig überdie Verbindung Captain Ahabs zur GOIwußte. Möglicherweise, so überlegte er wei-ter, hatte sich der Captain, wenn er mit derKartanin zusammen war, mental abge-schirmt, denn ihm war ja bekannt, daß sieihre telepathischen Fähigkeiten in erster Li-nie dem Paratau zu verdanken hatte.

Erneut peilte der Mausbiber den Springeran, ohne jedoch bis zu seinem Denkzentrumvordringen zu können. Aber er konnte sei-nen Aufenthaltsort mit Sicherheit feststellen.

Dann erst konzentrierte er sich undsprang.

*

Ahab hatte es durchaus nicht so eilig, seinSchiff zu verlassen. Zuerst mußten einigebehördliche Formalitäten erledigt werden.Zwei Beamte der Zollverwaltung des Raum-hafens kamen an Bord und überzeugten sichdurch einen flüchtigen Rundgang davon, daßsich keine verbotene Ware in den Lagerräu-men befand. Aber auch wenn es welche ge-geben hätte, so wären sie niemals fündig ge-worden.

Der Zoll hatte es auf Asporc nie so genaugenommen, erinnerte er sich, aber waren diebeiden Beamten, die er flüchtig kannte, nichtein wenig zu schnell gewesen diesmal? Alser jetzt darüber nachdachte, fiel ihm die Hastauf, mit der sie von Lagerraum zu Lager-raum geeilt waren, fast ohne einen Blick aufdie gestapelten Kisten und Behälter zu wer-fen.

Dann aber verdrängte er das aufkeimendeMißtrauen wieder und entsann sich der Tast-versuche des mental Begabten, der versuchthatte, in seine Gedanken einzudringen. DieKartanin war es nicht gewesen, da war er si-cher. Deren Muster kannte er zur Genüge.Das hier waren ihm fremde Muster gewesen.Und er hatte sie zu spät bemerkt.

War es denn möglich, daß es auf Asporceinen natürlichen Telepathen gab, oder war

Guang-Da-G'ahd so leichtsinnig gewesen,ihren Paratau mit jemandem zu teilen?

Er würde sie sich vorknöpfen müssen.Mit diesem Entschluß beendete er seine

Toilette und machte sich zum Verlassen desSchiffes bereit.

Doch dazu kam er nicht mehr. Mit einemunüberhörbaren »Plopp« materialisierte mit-ten in seiner bequem eingerichteten Kabineein kaum ein Meter großes Wesen mit brau-nem Pelz, das nur eine leichte Sommerkom-bination trug und offensichtlich unbewaffnetwar.

Ehe er sich von seiner Überraschung er-holen und zu seinem im Gürtel steckendenStrahler greifen konnte, gab der so unheim-lich plötzlich aufgetauchte Fremdling einenpiepsenden Ton von sich, den man mit eini-ger Phantasie als ein vorwurfsvolles»Nanana!« interpretieren konnte. Dann kames in reinstem Interkosmo deutlicher nach:

»Aber Stalker! Eigentlich solltest du michkennen, oder hast du mit deiner ursprüngli-chen Gestalt auch deine Erinnerung verlo-ren?«

Captain Ahab trat einen Schritt zurück,stolperte über sein Bett und setzte sich un-freiwillig hin.

»Gucky, der Mäusebiber!« entfuhr esihm.

»Ilt ist die richtige Bezeichnung«, korri-gierte Gucky und setzte sich unaufgefordertin den unter der Sichtluke stehenden Sessel.»Als Springer und Captain Ahab gibst du ei-ne prächtige Figur ab. Niemand würde dichso erkennen.«

»Du warst es also, der geespert hat!« Daswar keine Frage, sondern eine Feststellung.»Ich habe es zu spät bemerkt. Kein Wunderalso, wenn du weißt, wer ich bin. Wassuchst du hier auf diesem gottverlassenenPlaneten?«

»Ich bin hier, um Kontakt zur GOI aufzu-nehmen«, erklärte Gucky. Dann erzählte erAhab von der Begegnung der GREYSQUIRREL mit Bulls EXPLORER.

»Dann bist du also eine Art Vorhut derVironauten, die in ESTARTU ihr Unwesen

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treiben«, sagte Ahab, als Gucky geendet hat-te.

»Ich bin kein Vironaut, sondern ein Gän-ger des Netzes«, erwiderte Gucky.

»Dann schickt dich also Rhodan«, stellteStalker fest.

»Nur indirekt«, erwiderte Gucky. »Ich binhier, um Informationen zu sammeln und dieGOI moralisch zu unterstützen. Und du,Stalker, brauchst dich nicht mit allen Kräf-ten abzublocken. Ich weiß, daß du ein Sym-pathisant der GOI bist und ihr hilfst, wo im-mer du kannst. Ich hoffe, du hast dein Ver-sprechen der GREY SQUIRREL gegenübergehalten und die GOI über den Treffpunktauf Asporc informiert?«

»Natürlich habe ich das«, nickte Ahabund fuhr dann, in gespielter Verzweiflung,fort.

»Vor dir kann man wohl nichts geheimhalten, wie? Also gut, zugegeben, ich gehö-re, wenn auch nicht offiziell, zur GOI. Ichversorge sie mit Paratau …«

»… und machst glänzende Geschäfte da-bei.«

»Das bin ich meiner Maske als Springer-Patriarch schuldig.«

Gucky nickte voller Verständnis undwechselte das Thema.

»Was kannst du mir über diese Kartaninerzählen, die hier lebt und mit der du guteKontakte unterhältst?«

»Ach, davon hast du auch Kenntnis? Derreinste Superspion!«

»Also?« blieb Gucky sachlich.Ahab lehnte sich zurück und hob die

Schultern.»Sie ist eine gute Kundin von mir und

scheint Paratau zu horten – warum, das weißich nicht. Vielleicht wartet sie nur, bis dasZeug teurer wird und will es dann mit Ge-winn abstoßen. Sie scheint nämlich nicht ge-rade dumm zu sein.«

»Weiß sie, wer du bist?«»Natürlich nicht! Ich glaube, sie hat auch

keine Ahnung davon, daß ich mit der GOIarbeite, aber ich weiß, daß sie deren Kontaktsucht. Die Gründe dafür sind mir allerdings

nicht bekannt.«»Feliden sind stets voller Geheimnisse,

Ahab. Katzenwesen gegenüber bin ich vonNatur aus mißtrauisch.«

»Kein Wunder«, zeigte der falsche Sprin-ger Verständnis und grinste. »Bei deiner Fi-gur.«

»Laß die aus dem Spiel, du Krebsgänger.Zurück zur Kartanin. Ich bin dafür, daß wirihr mal gemeinsam auf den Zahn fühlen,dann weißt du auch in Zukunft, ob du ihrvertrauen kannst oder nicht.«

»Gute Idee. Suchen wir sie gemeinsamauf.«

»Einverstanden. Noch eine allgemeineFrage; Was geht in der Milchstraße so vor?«

Ahab-Stalker seufzte und holte tief Luft.»Das ist in zwei Sätzen kaum zu berich-

ten. Sotho Tyg Ian hat sich zum heimlichenHerrscher aufgeschwungen und versucht, al-le Völker des Galaktikums zu kontrollieren,mehr oder weniger offen. Die Hanse magihn schon gar nicht und sympathisiert mitder GOI, natürlich nicht offensichtlich.Überall wächst der verborgene Widerstand,und die GOI wird allerorts unterstützt.« Inknapper Form unterrichtete Stalker denMausbiber über die wichtigsten Ereignisseder letzten Zeit.

»Dann wird es Zeit, daß eingegriffenwird«, stellte Gucky fest, nachdem Stalkergeendet hatte.

»Höchste Zeit! Und dann, wenn wir ge-siegt haben, werde ich …«

Er verstummte jäh und blockte sich men-tal ab. Gucky erfuhr nicht mehr, was er hattesagen wollen, konnte es sich aber denken. Ertat, als hätte er es nicht bemerkt. CaptainAhab war wichtig für ihn geworden. Erwollte es nicht mit ihm verderben.

»Es ist bald Abend, Ahab. Ich denke, wirsollten unserer Freundin rechtzeitig einenBesuch abstatten. Müssen wir uns anmel-den?«

Nun lachte Ahab so dröhnend, daß sichGucky erschrocken die Ohren zuhalten muß-te.

»Sie weiß es längst. Sie hat wieder Para-

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tau zwischen ihren hübschen Krallen. Wol-len wir wetten?«

»Ich wette nur, wenn ich bestimmt weiß,daß ich gewinne«, ließ der Mausbiber durch-blicken, daß er die Gedankenimpulse derKartanin nicht verständlich empfangenkonnte.

»Dann hättest du diesmal verloren. Ichnehme an, daß du Schwierigkeiten hast, siemental auszuhorchen. Die Kartanin strahlensehr komplizierte Muster ab.«

»Nicht immer«, erinnerte sich Gucky anseinen Aufenthalt auf der Welt Chanukah,wo er zusammen mit »Fazzi« Slutch derLao-Sinh namens Mei-Lao-T'uos begegnetwar, die er mental bestens verstanden hatte.

Captain Ahab erhob sich.»Dann würde ich sagen, gehen wir, ehe es

zu dunkel wird.«Gucky rutschte aus dem Sessel, aber noch

ehe er etwas sagen konnte, schrillten dieAlarmsirenen durch das ganze Schiff. Auto-matisch schaltete sich der Bord-Interkomein.

»Hier spricht Pilot Targas! HöchsteAlarmstufe! Ich wiederhole: Höchste Alarm-stufe! Captain Ahab bitte sofort in die Zen-trale! Drei Kampfschiffe der Para-In-spekteure setzen gerade zur Landung an.Achtung: Höchste Alarmstufe! Ich wieder-hole …«

Ahab war mit einem Satz auf dem Gang,wobei er fast die Tür eingerannt hätte, undraste in Richtung Zentrale davon.

Gucky hatte es einfacher.Er teleportierte und war vor ihm da.

3.

Eines der wichtigsten Ziele des SothosTyg Ian war ein Drosseln des Handels mitParatau, den er, um seine letzten Ziele zu er-reichen, allmählich völlig abbauen wollte.Seine Handlanger, die Paratau-Inspekteure,konnten mit Recht als eine Spezialtruppe be-zeichnet werden, deren Aufgabe es war, denerwähnten Handel zu überwachen und spätervielleicht ganz zu unterbinden.

Jeder Kodextreue hatte die Möglichkeit,Inspekteur zu werden, aber der Sotho bevor-zugte aus nur ihm bekannten Gründen in er-ster Linie Angehörige des Volkes der Pterus.

Die Truppe brauchte nur dem Sotho selbstRechenschaft abzulegen, ob sie Schiffe mitParatau nun im freien Weltraum oder auf ei-nem Planeten aufbrachte. Ihre Raumer wa-ren mit Enerpsi – oder Linearantrieb ausge-rüstet und schwer bewaffnet. Sie stammtenzum größten Teil aus der Galaxis ESTAR-TU, von wo Tyg Ian sie mitgebracht hatte.Sie verfügten über modernste technischeEinrichtungen.

In dem Augenblick, in dem Gucky in derKommandozentrale der OSFAR dicht nebendem erschrockenen Targas rematerialisierte,landeten die drei angekündigten Raumschif-fe, und zwar derart, daß sie Captain AhabsWalze in die Mitte nahmen.

Nun kam auch Ahab in die Zentrale ge-stürzt. Ohne ein Wort zu verlieren, aktivierteer den Interkom, den Targas gerade abge-schaltet hatte.

»Geschütze besetzen, sofort! Aber keinFeuer eröffnen ohne meine ausdrücklicheErlaubnis! Zur Verteidigung bereithalten!«Er schaltete wieder ab. »Die sind nur wegenuns da, jede Wette. Sie müssen uns gefolgtsein, und wir haben nichts davon bemerkt.Ein Glück, daß kein Paratau an Bord ist.«

Gucky war sich keineswegs sicher, daß esden Inspekteuren nur um Paratau ging. Ervermutete vielmehr eine gezielte Aktion hin-ter dem überraschenden Auftauchen vonTyg Ians Spezialtruppe. Er teilte Ahab seineVermutung mit.

»Kann schon sein«, brummte dieser mitverhaltener Wut, in die sich Unsicherheitmischte. »Sie wollen mir schon lange wasam Zeug flicken. Wenn sie auch nur denkleinsten Hinweis auf meine Kontakte zurGOI finden, machen sie mich fertig.«

»Immer langsam«, ermahnte ihn derMausbiber, dem nicht allzu wohl in seinemPelz war. »Wenn sie frech werden, sollen siemich kennen lernen! Ich habe da so meineTricks auf Lager.«

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»Vorläufig passiert noch nichts«, gab sichAhab den Anschein, als fände er zu seinemOptimismus zurück. »Wir warten ab, was sieunternehmen.«

Sie konnten die drei Schiffe unterschiedli-cher Bauart unmittelbar durch die Sichtlu-ken beobachten. Nichts rührte sich dort. Kei-ne Luke öffnete sich, selbst die Energiege-schütze schwenkten nicht in ihre Richtung.

Alles wirkte so, als wären die drei Raum-er unbemannt.

Targas strich sich über die Stirn.»Verdammte Kopfschmerzen«, beklagte

er sich. »Das muß wohl die plötzliche Auf-regung sein.«

Captain Ahab warf ihm einen forschendenBlick zu und strich sich mit der Rechtendurch seine wallenden roten Haarlocken, dieer wegen des geplanten Besuchs in der Stadtbesonders gut gelegt hatte. Nun brachte ersie völlig durcheinander. Auch die gefloch-tenen Ornamente seines Bartes wurden dasOpfer seiner plötzlichen Nervosität.

»Erschrick nicht, Targas, aber ich habeauch Kopfschmerzen.«

Gucky hörte kaum zu. Er starrte hinüberzu dem nächsten Schiff und versuchte zu es-pern. Es wäre jetzt von unschätzbarem Vor-teil, wenn er etwas über die Absichten derInspekteure erfahren könnte. Aber zu seinergroßen Verblüffung und Enttäuschung emp-fing er überhaupt nichts. Keinen einzigenGedankenimpuls. Selbst nicht aus der Stadt.Letzteres machte ihn vollends stutzig undließ einen fürchterlichen Verdacht in ihmaufsteigen.

Targas' und Ahabs Kopfschmerzen …Ehe er sich überzeugen konnte, ob seine

Vermutung stimmte, meldete sich die provi-sorische Krankenstation der OSFAR und in-formierte den Captain, daß seine SpringerSchlange stünden und um Schmerzmittel bä-ten.

Sie hatten urplötzlich unerträgliche Kopf-schmerzen bekommen.

Ahab ballte die Fäuste und schüttelte siein Richtung der Inspektionsschiffe.

»Die sind das! Irgendwelche Strahlung,

nehme ich an. Wir müssen so schnell wiemöglich von hier verschwinden und …«

»Das ist sinnlos!« unterbrach ihn derMausbiber. »Der Antrieb wird blockiertsein. Ich kann keine Gedankenimpulse mehrempfangen, ich kann nicht teleportieren –habe es gerade versucht – oder Telekineseanwenden. Sie haben uns in der Falle, undwir waren sorglos genug, sie nicht rechtzei-tig daran zu hindern.«

»Wovon redest du?« wollte Ahab wissen,und diesmal dröhnte seine tiefe Stimme wiegewöhnlich. »Was für eine Falle?«

»Ein hochenergetisches psionisches Feld,Captain Ahab! Sie haben uns nicht ohneGrund in ihre Mitte genommen. Die Genera-toren von drei Schiffen sind durchaus in derLage, uns lahmzulegen – Organisches Lebenund auch die gesamte Elektronik und Po-sitronik der OSFAR. Mir fällt bereits dasReden schwer. Nicht mehr lange, und siemachen uns restlos fertig.«

»Wie konnten sie wissen, daß ich auf As-porc gelandet bin? Wir verfügen über besteOrter, aber von einer Verfolgung war nichtszu bemerken. Jemand muß ihnen einen Tipgegeben haben.«

Daran hatte der Mausbiber auch schon ge-dacht, aber nur kurz.

Wer sollte hier auf Asporc ein Interessedaran haben, Captain Ahab in eine derartigverhängnisvolle Situation zu bringen? KeinAsporco, und ganz sicher nicht die KartaninGuang-Da-G'ahd, die doch von ihrem Kon-takt mit dem Springer nur Vorteile habenkonnte.

Aber wer sonst?Nicht nur das Sprechen, auch das Denken

selbst begann schwer zu werden. Wie einelangsam fortschreitende Lähmung begannsich das psionische Feld auf den Organismusauszuwirken. Die endgültige Auswirkungnach längerem Verweilen in einem solchenFeld war Gucky ebensogut bekannt wieCaptain Ahab und seiner Mannschaft.

Soweit durfte es niemals kommen, odersie waren verloren.

Eine solche starke psionische Dauerstrah-

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lung wirkte auf das organische Gehirn einund legte das motorische Nervensystemlangsam, aber sicher zum Großteil lahm. DieBewegungen wurden langsamer und schwer-fälliger. Der Herzschlag verringerte sich dra-stisch, so daß die Blutzirkulation allmählichzum Erliegen kam. Das geschah erst in derEndphase. Vorher begann das Gehirn anBlutarmut zu leiden, und wenn dieser Zu-stand lange anhielt, entstanden Dauerschä-den, wenn nicht der Tod eintrat.

Längst lag Gucky in einem der Konturses-sel, die Augen geschlossen und schwer at-mend. Captain Ahab, dem Piloten Targasund der gesamten Mannschaft der OSFARerging es nicht besser.

In dem Schiff breitete sich Schweigenaus.

Wenn nichts Entscheidendes geschah,konnte es das endgültige Schweigen des To-des werden.

*

Guang-Da-G'ahd hatte die Ankunft Cap-tain Ahabs natürlich auch bemerkt, und dies-mal tat sie etwas, das sie vorher nie getanhatte. Sie holte drei Tropfen Paratau ausdem sicheren Behälter, nahm sie in ihreHand, die sie dann zur Faust ballte, nachdemsie die Krallen eingezogen hatte.

Es dauerte nur wenige Sekunden, da emp-fing sie bereits erste verworrene Gedanken-impulse aus der OSFAR, allerdings nichtvon Captain Ahab selbst, der sich schon ge-gen das Espern des Mausbibers abgeblockthatte. In dieser Hinsicht kam sie zu spät.

Allerdings nicht zu spät, um über etwasendgültige Sicherheit zu erhalten, das siebisher nur vage vermutet hatte.

Einige Mitglieder der Besatzung, die sichauf den bevorstehenden Besuch der Stadtfreuten, dachten flüchtig an das Abenteuer,das hinter ihnen lag und an ihre gelungeneFlucht vor den Paratau-Inspekteuren. Auchder Jägerbrigade galten haßerfüllte Flüche,insbesondere dem »Schrecklichen Jäger«Windaji Kutisha, dem sie noch einmal durch

die Lappen gegangen waren.Nicht wegen ihres Handels mit Paratau,

was schon schlimm genug gewesen wäre,sondern hauptsächlich deshalb, weil sie die-sen Stoff der GOI lieferten.

Also besaß Captain Ahab Verbindungenzur GOI!

Diese Erkenntnis erleichterte die Kartaninungemein, denn damit war ihre lange ver-gebliche Suche beinahe zu Ende – aber auchnur beinahe. Das Problem war: Wie konntesie Ahabs Vertrauen gewinnen, wenn sie ihnoffen auf seine Beziehungen zur GOI an-sprach?

Aus Gründen der Vorsicht und auch ausgesundem Mißtrauen würde er jedes Wissenüber die Widerstandsbewegung abstreitenund sie vielleicht sogar auslachen. Nicht nurdas: Es war durchaus möglich, daß er künf-tig den Kontakt mit ihr abbrach, weil er sievielleicht für eine Spionin des Sothos hielt,der offensichtlich sein Gegner war.

Nein, der direkte Weg war diesmal der amwenigsten versprechende. Sie mußte einenanderen suchen und finden.

Sie brauchte auch nicht lange zu überle-gen.

Voraussetzung für das Gelingen ihrer Ab-sicht, Kontakt zur GOI zu erhalten und mehrüber sie zu erfahren, konnte nur ein Ereignissein, das sowohl die Organisation wie auchin erster Linie Captain Ahab davon über-zeugte, daß man ihr volles Vertrauen schen-ken durfte. Jeder noch so schwach ausge-prägte Verdacht, sie würde mit dem Sothosympathisieren, mußte ein für allemal besei-tigt werden. Nur so würde es möglich sein,die Informationen zu erhalten, die die HohenFrauen von ihr haben wollten.

Die Behörden Asporcos verhielten sichim allgemeinen neutral und kümmerten sichnur wenig um die internen Angelegenheitendes Galaktikums, aber wenn es um offizielleAngelegenheiten ging, unterstützten sie denSotho oder auch die Hanse, die ja offiziellmit diesem zusammenarbeitete.

Zeit zu langen Überlegungen blieb ihrnicht. Sie mußte handeln, ehe Captain Ahab

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seinen üblichen Besuch bei ihr machte.Wenige Minuten später verließ sie ihr

Haus und begab sich in das nahe gelegeneHyperfunkzentrum, dessen Leiter sie gutkannte und dem sie schon mal diesen oderjenen Gefallen getan hatte. Sie genoß seinVertrauen, was ihr jetzt zustatten kam.

Seine Spangen aus PEW-Metall vibriertenleicht, als sie ihre Bitte vortrug. Dann aber,nach schicklichem Zögern, gestattete er ihrden Zutritt zur eigentlichen Sendeanlage undließ sie auf ihren ausdrücklichen Wunsch al-lein. Er gab ihr fünf Minuten.

Die kurze Zeitspanne genügte, Verbin-dung mit Windaji Kutisha aufzunehmen, dersich gerade nur wenige Lichtjahre von As-porc entfernt auf einem seiner Stützpunkteaufhielt.

Der Schreckliche Jäger bedankte sichüberschwänglich für die wichtige Informati-on und versprach, die Paratau-Inspekteureunverzüglich zu benachrichtigen.

Die von der Kartanin eingeleitete Aktionlief an. Niemand würde sie mehr aufhaltenkönnen.

Guang-Da-G'ahd kehrte in ihr Haus zu-rück. Vage verspürte sie Zweifel am Gelin-gen ihres tollkühnen Plans, der gut ihr Endebedeuten konnte. Aber ungewöhnliche Auf-gaben waren auch nur durch ungewöhnlicheMethoden zu lösen.

Und die ihre war mehr als nur ungewöhn-lich.

Sie war verzweifelt.

4.

Die Paratau-Inspekteure hatten nicht dieAbsicht, Captain Ahab in ein wimmerndesund denkunfähiges Bündel lebenden Flei-sches zu verwandeln, dem keine Informatio-nen mehr zu entlocken sein konnten. Dennes ging ja um Informationen. Daß er mit derGOI zusammenarbeitete, stand für den Lei-ter der auf Asporc gelandeten Truppe fest.Er war dem Schrecklichen Jäger für seinenTip äußerst dankbar und würde sich gele-gentlich dafür erkenntlich zeigen.

Mehrere Versuche, mit der OSFAR Funk-kontakt aufzunehmen, scheiterten und ließenklar erkennen, daß die Springer bereits dieWirkung des psionischen Feldes spürten undden erwarteten Symptomen erlagen. Es wur-de also allmählich Zeit, Gegenmaßnahmeneinzuleiten.

Der Leiter, ein Oberinspekteur, konnte essich nicht erlauben, den wertvollen Gefange-nen zum guten Schluß noch durch den Todzu verlieren, ohne ihn verhört zu haben. Wasdanach mit Ahab geschah, konnte nichtmehr von Wichtigkeit sein.

Seine exakten Anordnungen gingen an dieKommandanten der anderen beiden Schiffeund an den eigenen Piloten, dann erst legteer die unbequeme und klobige Spezialkom-bination an, die sein bizarres Aussehen fastvöllig verbarg. Nun wirkte er fast humanoid.

Er wählte drei Pterus aus, die ihn beglei-ten sollten. Auch diese legten ihre Kombina-tionen an, die sie vor dem schädlichen Ein-fluß des psionischen Feldes schützten. Dasspezielle Material der Anzüge isolierte ge-gen hochenergetische Strahlung.

»Wir benötigen drei Parageneratoren zurErzeugung lokal begrenzter Psi-Felder«, be-fahl er seinen drei Begleitern. »Ich selbstnehme den vierten, um diesen Ahab isoliertverhören zu können.«

Nachdem alle Vorbereitungen getroffenwaren, die der Leiter für notwendig hielt,verließen die vier Pterus das Leitschiff, ohnesich um die Funkanfragen der asporcischenBehörden zu kümmern. Die Eingeborenendes ziemlich abseits gelegenen Planeten wa-ren den Inspekteuren gleichgültig.

Durch die schweren Spezialkombinatio-nen in ihren Bewegungen gehemmt, schrit-ten sie langsam und unbeholfen auf die OS-FAR zu, deren Ausstiegsleiter bereits ausge-fahren war.

Sie befanden sich nun innerhalb desgroßen von den drei Schiffen erzeugten Psi-Feldes, ohne das geringste von dessen Aus-wirkungen zu spüren. Anders war es auchnicht zu erwarten gewesen.

Der Leiter der Abordnungen stieg als er-

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ster die Leiter empor und öffnete ohne be-sondere Schwierigkeiten die Außenluke, dievon innen schon nicht mehr verriegelt war.Im Innern des Schiffes empfing sie eine un-heimliche Stille – auch das war nicht überra-schend.

Sie fanden die ersten Springer, die aufdem Hauptkorridor zusammengebrochenwaren und sich kaum noch bewegen konn-ten. Immerhin waren sie noch in der Lage,sich kriechend über den Boden zu schieben,als wollten sie sich vor den Eindringlingenin Sicherheit bringen, ein Unterfangen, daszum Scheitern verurteilt war.

»Sammelt sie ein Und verteilt sie in dreider Laderäume«, ordnete der Leiter an.»Stellt die Generatoren auf und isoliert dieGefangenen. Aber überseht mir niemanden,denn ich lasse später das große Feld abschal-ten.«

Die drei Inspekteure machten sich stumman ihre mühevolle Arbeit. Der Leiter selbstging weiter in Richtung Zentrale.

So sicher wie diesmal war er sich nochniemals gewesen, endlich die ersehnte Spurzum Hauptsitz der GOI gefunden zu haben,abgesehen davon, daß er dem Schmugglerfür immer das Handwerk legen konnte.

Die Schottentür zur Kommandozentraleder OSFAR glitt geräuschlos zur Seite undgab den Eingang frei.

*

Schwach und wie aus weiter Ferne ver-nahm Gucky die dumpfen Schritte und blin-zelte mit den schwer gewordenen Augenli-dern, um etwas erkennen zu können. Was ersah, war eine unförmige Gestalt, die im Tür-rahmen stand und dessen Gesicht hinter derverdunkelten Sichtscheibe nicht zu erkennenwar.

Ohne Zweifel einer der Paratau-In-spekteure. Er war gekommen, um seine Beu-te abzuholen.

Unendlich langsam drehte er den Kopf,bis er Captain Ahab sehen konnte, der reglosund mit geschlossenen Augen im Sessel lag.

Dort, wo sein dichter Bart das Gesicht nichtverbarg, war er totenblaß.

Hoffentlich lebte er noch.Per ungebetene Eindringling stellte das

Gerät, das er in einer Hand trug, vorsichtigauf den Boden. Ahab warf er nur einenflüchtigen Blick zu, dafür betrachtete er denMausbiber um so länger. Viel schien er mitdem ihm fremden Wesen nicht anfangen zukönnen, aber da er es zusammen mit CaptainAhab in der Kommandozentrale gefundenhatte, mußte es irgendwie von Bedeutungsein. Der andere Springer, der vor den Kon-trollen »eingeschlafen« war, mußte der Pilotsein.

Ohne Komplikation aktivierte er den In-terkom, schaltete das Bild hinzu und kon-trollierte den Fortschritt der Arbeiten seinerUntergebenen. Sie waren noch immer dabei,die nahezu bewegungsunfähigen Mitgliederder Besatzung in die drei großen Räume zuschleppen, die ihnen als Gefängnis dienensollten.

Geduldig wartete der Leiter, bis sämtlicheKabinen und Gänge überprüft und die klei-nen Feldgeneratoren eingeschaltet waren.Nun gab es kein Entkommen mehr für dieSpringer.

Jetzt erst kümmerte er sich um seine eige-nen Opfer. Den Piloten ließ er zu den ande-ren bringen, aber Captain Ahab und das klei-ne Pelzwesen wollte er sich gesondert vor-nehmen. Um kein Risiko einzugehen, schal-tete er seinen eigenen Generator ein, ehe erden drei Schiffen befahl, ihre leistungsstar-ken Psi-Feld-Erzeuger zu deaktivieren.

Er rief seine drei Helfer in die Zentraleder OSFAR.

»Beim bevorstehenden Verhör sollen siesich wohl fühlen«, sagte er voller Hohn undZynismus. »Bringt die beiden in die Kabinedes Captains. Sie muß gleich zu Beginn desKorridors liegen, also in unmittelbarer Näheder Kommandozentrale.«

Er blieb dicht hinter den drei Inspekteu-ren, damit die Gefangenen keine Sekundeohne den Einfluß des nun schwächeren Psi-Feldes blieben. Es gab Fälle, in denen sich

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durch Psi-Energien Beeinflußte nach Ab-schalten des Feldes erstaunlich schnell er-holten.

Ahabs fast luxuriöse Behausung warschnell gefunden. Der Captain und Guckywurden auf das einzige Bett gelegt, auf demsie dann friedlich und reglos liegen blieben,die Augen geschlossen und nur schwach at-mend.

Der nun geringere Einfluß des kleinerenFeldes verursachte keine neuen Schäden,schwächte aber auch den jetzigen Zustandder Gefangenen nicht ab. Er hielt ihn stabil.Jedenfalls hatten das die bisherigen Erfah-rungen so gelehrt.

»Ich werde mich später um sie küm-mern«, teilte der Leiter den drei Helfern mit.»Ihr bleibt hier, ich muß noch einiges erledi-gen.«

Ohne eine Entgegnung abzuwarten, ver-ließ er die OSFAR und kehrte in sein Leit-schiff zurück, um Kontakt mit Windaji Ku-tisha aufzunehmen.

Vorher aber schickte er noch einen Pterusin das Springerschiff.

*

Allmählich und unendlich langsam spürteGucky, das zumindest einige Funktionenseines motorischen Nervensystems zurück-kehrten. Er konnte die Augen wieder völligöffnen und sehen, daß die Tür geschlossenworden war. Der Einfluß des Psi-Feldes warwesentlich geringer als zuvor.

Er sah neben sich Captain Ahab liegen,der ruhiger atmete und zögernd wieder zusich kam, ohne sich allerdings der Auswir-kung der energetischen Bestrahlung entzie-hen zu können. Seine Hände zuckten nur, alser die Arme bewegen wollte, um sich aufzu-richten. Dann öffnete er die Augen und be-merkte den neben sich liegenden Mausbiber.

Er versuchte zu sprechen, brachte abernur ein heiseres Krächzen hervor. AuchGucky hatte Mühe, einen verständlichenTon hervorzubringen. Es würde noch etwasdauern.

Er versuchte zu espern, gab es aber gleichwieder auf. Seine Psi-Kräfte waren hundert-prozentig lahmgelegt und blieben es auchjetzt. Die Energieemission der kleinen Gene-ratoren reichte dazu aus.

Aber wenigstens konnte er wieder seinGehirn gebrauchen und denken. Es fiel nochschwer und kostete Anstrengung, die bishe-rigen Ereignisse logisch aneinander zureihenund Antworten zu finden.

Die Para-Inspekteure hatten die OSFARnicht durch reinen Zufall gefunden – dashatte der Mausbiber von Anfang an geahnt.Seine zweite Vermutung konnte nur durchein weiteres Gespräch mit Ahab bestätigtwerden.

»Kannst du mich wenigstens verstehen?«fragte er nach einer Weile und als er spürte,daß sich seine Stimmbänder wieder bewe-gen ließen. »Nicke nur mit dem Kopf, oderschüttele ihn. Je nachdem.«

Ahab nickte und stöhnte auf, weil esschmerzte.

»Gut«, meinte der Mausbiber ungerührt.»Mir geht es schon wieder besser, aber ichkann weder espern noch teleportieren. Dirist doch klar, daß wir verraten wurden.«

Ahab schüttelte den Kopf.»Nein«, krächzte er leise. »Wir wurden

verfolgt, und man fand uns hier.«»Na fein, es geht ja schon wieder«, freute

sich Gucky. »Du glaubst also nicht an Ver-rat, auch gut. Ich jedenfalls bin davon über-zeugt. Wie ist eigentlich dein inneres Ver-hältnis zu Guang-Da-G'ahd? Ich meine, deinpersönliches. Laß mal die Geschäfte ausdem Spiel.«

»Wir verstehen uns gut. Schließlich han-deln wir beide gegen die geltenden Gesetzeund sind somit natürliche Bundesgenossen.«Er stöhnte erneut und sammelte neue Kräfte.»Wenn du da an Verrat denkst, bist du ge-waltig auf dem Holzweg.«

Gucky war anderer Meinung. Sein Ver-dacht gegen die Kartanin verstärkte sich in-stinktiv, vom Verstand her blieb er unerklär-lich.

Es fehlte jede logisch erscheinende Be-

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gründung.»Was wird nun weiter geschehen, Ahab?«

Gucky wechselte das Thema, denn es erschi-en ihm sinnlos, weiter über die Kartanin zusprechen. »Wohin wird man uns verschlep-pen?«

Der Captain hatte die Augen wieder ge-schlossen, war aber voll bei Bewußtsein,auch wenn er sich kaum bewegen konnte.Die energetische Fesselung war sicherer alsalles andere.

»Wohin? Ich glaube, das können die In-spekteure allein nicht entscheiden. Sie wer-den den Sotho, die Geister der Hölle sollenihn holen, fragen müssen. Und der will michtot.«

»Aber vorher wollen sie alle einiges wis-sen«, tröstete ihn der Mausbiber. »So schnellwird demnach nicht gestorben. Ich hoffe,das beruhigt dich.«

»Ungemein!«Um neue Kräfte zu sammeln, beendeten

sie das ziemlich fruchtlose Gespräch und ga-ben sich ihren Gedanken und Überlegungenhin.

Es mußte die Kartanin gewesen sein, dennwer sonst?

Aber warum nur?Vergeblich zermarterte sich Gucky das

ohnehin stark mitgenommene Gehirn, ohneauch nur den Hauch einer vernünftig klin-genden Erklärung zu produzieren.

Die Hilflosigkeit und Ungewißheit be-gann ihm mehr auf die Nerven zu gehen alsdie nervliche und körperliche Belastungdurch das energetische Psi-Feld.

Es bedeutete zumindest keine unmittelba-re Gefahr mehr für sein Leben oder das derSpringer.

*

Der Leiter der Inspekteure aktivierte inseinem Schiff das Hyperfunkgerät und er-hielt nach einigen Schwierigkeiten den ge-wünschten Direktkontakt mit der Jägerbriga-de und dann mit Windaji Kutisha selbst.

»Wir haben sie«, teilte er dem Jäger mit,

der für seine Brutalität berüchtigt war undauch dafür, daß er besonders schmerzhafteFoltermethoden anwendete, wenn er etwasWichtiges erfahren wollte. »Sie sitzen in ih-rem eigenen Schiff fest. Ich nehme an, dumöchtest dich mit ihnen unterhalten.«

»Und ob ich das möchte! Lange genughabe ich auf diese Möglichkeit warten müs-sen. Außerdem muß ich mich noch bei unse-rer Informantin bedanken. Wie man sich ir-ren kann. Ich habe sie stets in Verdacht ge-habt, mit Ahab unter einer Decke zustecken.«

»Ich traue ihr nicht.«»Du bist auch ein Dummkopf«, nahm der

Jäger kein Blatt vor den Mund. Er konnte essich erlauben. »Sie spielt uns die fettesteBeute in die Hände, und du mißtraust derKartanin! Wer soll das mit Logik begrei-fen?«

»Mit Instinkt, großer Jäger. Das hat nurwenig mit Logik zu tun.«

»Eben! Und nun sorge dafür, daß die Ge-fangenen sicher sind. Ich wurde verhindert,sonst wäre ich bereits dort. Gib mir noch dieOrtszeit durch.«

»Später Abend. Bald ist es Nacht.«»Dann muß ich nichts überstürzen. Mor-

gen werde ich Captain Ahab verhören. Eswird mir eine ganz besondere Freude sein.«

Der drohende Unterton war nicht zu über-hören.

Der Para-Inspekteur schaltete ebenfallsab. Noch einmal kehrte er zur OSFAR zu-rück, ließ die vier Wachen in der Walze ab-lösen, schärfte ihnen größte Wachsamkeitein und begab sich erneut an Bord seinesSchiffes, um in seiner Kabine ein paar Stun-den zu schlafen.

Er war überzeugt, sich das verdient zu ha-ben.

*

Als Pilot Targas unbeschreiblich träge dasBewußtsein wiedererlangte, obwohl er nochimmer die Wirkung eines energetisch verrin-gerten Psi-Feldes verspürte, fand er sich

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zwischen zwei Männern der Besatzung wie-der, die halb auf ihm lagen. Er schob sie miteiniger Anstrengung zur Seite, um leichteratmen zu können.

Nun war es also doch geschehen! Manhatte Captain Ahab und seine Crew überli-stet und – wie es aussah – endgültig aus demVerkehr gezogen.

Er richtete sich etwas auf und versuchte indem spärlichen Licht des Laderaums seinenCaptain zu entdecken, fand ihn aber nicht indem Durcheinander der herumliegendenKörper der Springer, von denen die meistennoch immer bewußtlos oder bewegungsun-fähig waren.

Vielleicht hatte man ihn separat unterge-bracht.

Er legte sich wieder hin und stellte zufrie-den fest, daß sein Verstand wieder zu arbei-ten begann. Noch ein paar Stunden unterdem ersten Psi-Feld, und sein Gehirn wäreirreparabel ruiniert worden. Das der anderennatürlich auch. Also wollten die Inspekteuresie nicht gleich umbringen. Eine nur schwa-che Beruhigung, denn die mit Sicherheit vorihnen liegenden Verhöre waren auch nichtgerade angenehm.

Gab es einen Ausweg aus der verzweifel-ten Situation?

In dem Laderaum gab es keine Sichtlu-ken, aber Targas wußte, daß es bereits Nachtsein mußte. Bis zum folgenden Tag würdealso kaum noch Entscheidendes geschehen.Es war also eine Galgenfrist, die sich ihmbot, ohne daß er ahnte, wie er sie nutzenkonnte.

Er rüttelte den Springer, der neben ihmlag, erhielt jedoch als Antwort nur ein un-williges Grunzen. Viel besser war das Er-gebnis auch bei dem zweiten nicht, den erwachzurütteln versuchte, immerhin schlugder kräftig wirkende Bursche die Augen aufund starrte Targas verständnislos an, der ihmzwei recht unsanfte Klatscher auf die Wangeverabreichte.

Das brachte den Mann endgültig zu sich.»Was is'n los?« knurrte er und warf einen

Rundblick auf die im Dämmerlicht der spär-

lichen Lampen herumliegenden Besatzungs-mitglieder. »Mir ist schlecht, verflucht …!«

»Kannst du dich bewegen?«Der Mann versuchte es, dann stöhnte er:»Leidlich. Aber nun erkläre mir doch end-

lich, was passiert ist. War da was im Es-sen?«

»Quatsch! Die Inspekteure haben uns mitStrahlen gelähmt – oder so ähnlich. Sie ha-ben uns in Gruppen aufgeteilt und einge-sperrt. Den Captain und wahrscheinlich auchden Mausbiber extra. Wir müssen versu-chen, hier heraus zu kommen.«

»Der Mausbiber!« Der Gedanke an dasWunderwesen schien ihm neue Kräfte zuverleihen. »Der kann doch so ziemlich alles.Warum unternimmt er nichts?«

»Soweit ich das mitbekommen habe, liegtder auch flach. Die Beeinflussung durch dieStrahlen scheint sich unterschiedlich auszu-wirken. Siehst du doch schon an uns. Viel-leicht finden wir noch ein paar, die uns hel-fen können. Die haben sicher keine Wachenaufgestellt.«

»Wer? Die Inspekteure?«»Wer denn sonst?« Targas versuchte sich

aufzurichten, was ihm auch nach einigenvergeblichen Versuchen gelang. »Mann, die-se Schwäche! Als ob man die ganze Nachtdurchgemacht hätte.«

»Mein Schädel brummt wie verrückt«,meinte der andere kläglich, setzte sich aberhin, den Rücken gegen die Wand gelehnt.»Wenn wir wenigstens Waffen hätten!«

»Muß auch so gehen. Bleib noch hier sit-zen. Ich sehe mal nach, ob ich noch jemandfinde, der sich bewegen kann.«

Auf allen vieren kroch er durch die wahl-los in den Raum geworfenen Männer undFrauen. Die meisten schliefen oder warenbewußtlos. Nur wenige waren halbwach undhörten kaum auf das, was Targas zu ihnensagte. Viel Unterstützung war von ihnenkaum zu erwarten. Enttäuscht kehrte er anseinen ursprünglichen Platz zurück. Seineinziger Bundesgenosse macht schon einenetwas frischeren Eindruck.

»Nun?« erkundigte er sich hoffnungsvoll.

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»Nichts! Wir müssen es allein versu-chen.«

»Bist du verrückt?«»Nur ein wenig«, gab Targas zu. »Das

energetische Feld, mit dem man uns erledigthat, wirkt noch immer, ist aber jetzt schwä-cher. Wir müssen den Captain finden, unddiesen Mausbiber.«

»Und wenn doch Wachen auf dem Korri-dor sind?«

Targas gab keine Antwort. Er gab demMann einen leichten Stoß und begann, aufdie Tür des Laderaums zuzukriechen. Derandere folgte ihm mit unterdrückten Flü-chen, was auch als Zeichen dafür gewertetwerden konnte, daß er sich allmählich zu er-holen begann.

An der Tür richtete sich Targas mit eini-ger Anstrengung auf und erreichte endlichdie Wärmetaste des Schlosses. Er legte seineflache Hand darauf und wartete.

Die elektronische Verriegelung war nichtauf bestimmte Muster geeicht und konntevon jedem Mitglied der Besatzung gelöstwerden.

Es dauerte länger als gewöhnlich. KeinWunder, denn das Psi-Feld wirkte ja nichtnur auf Organismen ein. Der Springer, derTargas begleitete, stieß diesen an und deute-te auf eine Metallstange, die er inzwischengefunden haben mußte.

»Das muß genügen«, murmelte er ent-schlossen, wenn auch schwach.

Etwas klickte im Innern der Tür. Targasdrückte ganz vorsichtig gegen sie. Sie öffne-te sich einen Spalt weit. Er schob sich, jetztwieder liegend, ein kleines Stück vor, bis erdie eine Seite des Korridors einsehen konn-te. Der Gang war leer. Die andere Seitekonnte er wegen der Tür nicht beobachten.

Unendlich langsam kroch er weiter. Linkswar der Korridor ebenfalls leer. Wenn esWachen gab, so mußten sie gerade einenRundgang machen. Es galt, schnell zu han-deln, ehe sie zurückkehrten.

»Los! Die Luft ist rein«, flüsterte er sei-nem Begleiter zu, der seine Stange festerpackte und weiterkroch. Im Korridor richte-

ten sie sich auf und stützten sich an denWänden ab, da ihre Beine sie kaum zu tra-gen vermochten.

Sie wankten ein Stück in Richtung Kom-mandozentrale und spürten die plötzlicheErleichterung, als sie das um den Laderaumgelegte Feld passierten. Fast ohne Übergangverschwanden Kopfschmerzen, Übelkeit undSchwäche. Klares Denken kehrte zurück,und erst jetzt begriff Targas so richtig, aufwas er sich da eingelassen hatte.

Er drehte sich um und entdeckte den klei-nen Generator auf der anderen Korridorseitedicht bei der Tür, durch die sie entflohenwaren.

Den müssen wir abschalten, durchzucktees ihn. Er hielt seinen Begleiter am Armfest.

»Du bleibst hier stehen und paßt auf, daßniemand uns überrascht. Ich bin gleich wie-der da.« Er deutete auf den Generator.»Wenn ich den abschalte, erhalten wir Un-terstützung durch die anderen.«

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, ginger den Korridor zurück, aber noch ehe ersich bücken konnte, um an das Gerät heran-zureichen, hörte er Schritte.

Hastig kehrte er zu seinem Begleiter zu-rück.

»Schnell! Wir müssen verschwinden. Da– die Kabine!«

Die Tür stand noch einen Spalt offen. Sieschlüpften hinein und zogen sie zu. Dannhorchten sie und wagten kaum zu atmen.Die Geräusche der näherkommenden Schrit-te waren nur gedämpft zu vernehmen. Siewurden deutlicher. Zwei Wachtposten muß-ten es sein, die von ihrer Runde zurückkehr-ten.

Plötzlich hielten die Schritte abrupt an.Gedämpftes Gemurmel war zu vernehmen,dann ein Alarmruf.

Da wußte Targas, daß er einen Riesenfeh-ler begangen hatte.

Er hatte vergessen, die Tür zum Lade-raum wieder zu schließen.

Ihre Flucht war bemerkt worden, nochehe sie richtig begann.

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Verzweifelt sah er sich in der Kabine um.Ein Gemeinschaftsquartier für zehn Besat-zungsmitglieder, stellte er fest. Zehn Etagen-betten, ein Nebenraum mit sanitärer Anlage– das war alles. Der Tisch in der Mitte botkeine Versteckmöglichkeit.

»Wir bleiben hier«, entschied er schließ-lich. »Stell dich neben der Tür auf. Wenn je-mand hereinschaut, benutze die Metallstan-ge. Ich werde ihn ablenken.«

»Es müssen aber zwei sein«, gab sein Be-gleiter zu bedenken.

»Dann haust du eben zweimal zu«, meinteTargas.

Erneut waren die Schritte zu hören, dieeinen kamen näher, die anderen entferntensich. Die Posten hatten sich getrennt. Eingutes Omen, hoffte Targas, der mitten in derKabine stand, um die Blicke eines Herein-tretenden auf sich zu lenken.

Die Tür wurde ohne Ankündigung mit ei-nem kräftigen Ruck aufgestoßen. Im Rah-men erschien die plumpe Gestalt eines Pte-rus' im Schutzanzug. Als er Targas entdeck-te, hob er die Energiewaffe und richtete sieauf ihn. Noch ehe er das Feuer eröffnenkonnte, schlug der andere Springer mit allerKraft zu.

Es gab einen dumpfen Krach, als derHelm zersplitterte und der Inspekteur wievom Blitz gefällt zu Boden stürzte. DieEnergiewaffe fiel ihm aus der Hand. Targassprang hinzu und riß sie an sich. Vorsichts-halber vergewisserte er sich, daß sie entsi-chert war, ehe er sich zu dem Inspekteurhinabbeugte, um sich von dessen Harmlosig-keit zu überzeugen. Der Pterus war nicht tot,aber für längere Zeit außer Gefecht gesetzt.

Blieb noch der zweite, falls es nur diesebeiden an Bord der OSFAR gab.

»Der hat vorerst genug«, sagte er undrichtete sich auf. »Der andere wird ihn baldvermissen. Vorher müssen wir Ahab fin-den.«

Sie glitten erneut auf den Korridor hinausund wandten sich nach rechts. Ohne Zwi-schenfall erreichten sie den Antigravlift undTargas riß seinen Begleiter im letzten Au-

genblick zurück, als dieser hineinspringenwollte.

»Vorsicht! Wir wissen nicht, wie groß dieReichweite der Generatoren ist. Das Feldkann die Anlage hier lahmgelegt haben. Gibmir die Stange.«

Der Springer zögerte, dann ließ er sie los,als Targas zupackte.

Sie blieb nicht in dem leeren Schachtschweben, wie es hätte sein sollen, sondernfiel, durch keine Antigravkräfte gehalten, indie Tiefe und schlug unten polternd auf. DasPsifeld des nächsten Generators wirkte bishierher, zumindest auf die Positronik.

»Der mechanische Notlift!« entschiedTargas, der davon überzeugt war, daß derandere Posten den Lärm vernommen habenmußte und bald erscheinen würde.»Schnell!«

Sie liefen weiter den leicht gerundetenKorridor entlang und spürten, daß nun auchdie letzten Spuren einer Einwirkung durchdas energetische Feld verschwanden.

Die Kabine war leer. Sie betraten sie undwarteten, bis sich die Tür automatisch ge-schlossen hatte. Targas wählte das obersteDeck. Dort befanden sich die Kommando-zentrale und die Einzelkabinen.

Der Lift funktionierte einwandfrei undbrachte sie schnell nach oben. Unten bei denLaderäumen mußte der zweite Posten inzwi-schen seinen überfallenen Gefährten gefun-den haben, löste aber keinen Alarm aus.Wahrscheinlich befürchtete er die Bestra-fung durch seinen Vorgesetzten und ver-suchte nun auf eigene Faust, seinen Fehlerwiedergutzumachen.

Der obere Korridor, mehr gerundet undkürzer als jener im Unterdeck, schien eben-falls leer zu sein. Dafür war er schlechter zuüberblicken.

Den Energiestrahler schußbereit in beidenHänden ging Targas voran, dicht gefolgt vondem nun waffenlosen Springer, der sich ver-geblich nach einem geeigneten Gegenstandzu seiner Verteidigung umsah.

Sie untersuchten jede Kabine, fanden aberkeine Gefangenen.

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Dann blieb Targas plötzlich so unvermit-telt stehen, daß sein Begleiter ihn fast umge-rannt hätte.

Weiter vorn waren Stimmen zu verneh-men. Sie blieben unverständlich. Ein vor-sichtiger Blick um die Rundung des Gangesverriet dem Piloten, daß zwei Pterus vor derKabine des Captains Wache hielten. IhreHelme waren geöffnet. Demnach hielten siesich außerhalb des Bereichs eines Psi-Feldesauf.

Für einen sicheren Schuß waren sie zuweit entfernt, außerdem hätte er zuerst seineDeckung verlassen müssen. Guter Rat warteuer. Aber dann wurde Targas die Entschei-dung abgenommen.

Von der anderen Seite des Korridors nä-herten sich die Schritte des fast vergessenenPterus' aus dem Unterdeck. Er mußte denLift nach ihnen benutzt haben.

Der Gegner hatte die beiden Entflohenenin der Zange.

»Überlaß jetzt alles mir«, flüsterte Targasseinem Gefährten zu, der nun allen Mut ver-lor und zu schlottern begann. »Jedenfalls ha-ben wir es versucht.«

Er sprang vor und verließ seine Deckung.Mit einem gut gezielten Schuß aus der er-beuteten Waffe setzte er den Posten von un-ten außer Gefecht und wirbelte dann herum,um sich um die beiden vor der Kabine desCaptains zu kümmern. Die aber reagiertenschneller, als er erwartet hatte.

Für eine lange Sekunde stand er imSchnittpunkt von zwei starken Energiebün-deln, die ihn sofort töteten.

Der Springer, der ihn begleitet hatte, ver-suchte davonzurennen, aber die lichtschnel-len Energiebündel holten ihn ein, ehe er dieKabine des Lifts erreichen konnte. Außer-dem stolperte er über den bewußtlosen Pte-rus und verlor Zeit.

Genau neben der unförmigen Gestaltstürzte auch er.

Damit war der mutige Ausbruchsversuchdes Piloten Targas endgültig gescheitert unddie ursprüngliche Situation wieder herge-stellt.

Der Rest der Nacht verlief ruhig.

5.

Am Morgen erst erfuhr der Oberinspek-teur von den Geschehnissen während derNacht an Bord der OSFAR. Der schwer ver-wundete Pterus lag auf der Krankenstationseines Schiffes, vorerst dienstunfähig.

Der zweite Wachtposten, der den Flucht-versuch mitverschuldet hatte, erhielt Arrestin einer Dunkelzelle. Die internen Diszipli-nargesetze der Spezialtruppe konnten nichtgerade als lasch bezeichnet werden.

Dann legte der Oberinspekteur dieSchutzkleidung an und begab sich erneut indas Schiff Captain Ahabs. Die durch diekleinen Generatoren stark verminderte In-tensität würde ein erstes Gespräch mit denGefangenen aller Voraussicht nach ermögli-chen.

Er wies die beiden Pterus, die bei der Ka-bine des Captains Wache hielten, an, nebender Tür mit feuerbereiten Waffen Aufstel-lung zu nehmen und jeden Fluchtversuchmit Lähmstrahlen zu vereiteln.

Ohne den schützenden Helm zu öffnen,betrat er die Kabine. Die in den Anzug ein-gebaute Sprechanlage ermöglichte auch beivoller Isolierung eine Verständigung.

Captain Ahab und Gucky waren bereitswach und bei Bewußtsein, wenn auch nichtaktionsfähig. Vergeblich hatte der Mausbi-ber versucht, seine mentalen Fähigkeiteneinzusetzen. Nicht einmal die Gedanken desCaptains konnte er wahrnehmen.

Er war aufgestanden und hatte sich in denbequemen Sessel geschleppt, in dem er mehrlag als saß. Er blickte auf, als die unförmigeGestalt hereinkam und in der weit geöffne-ten Tür stehenblieb.

Captain Ahab versuchte sich aufzurichten,sank aber wieder in seine liegende Stellungzurück. Er starrte den Paratau-Inspekteur mitverhaltener Wut an.

»Wie ich sehe, geht es euch gut«, sagteder Oberinspekteur über die Sprechanlage inInterkosmo. »Es wäre von großem Vorteil

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von dir, Captain, wenn du jetzt ein umfas-sendes Geständnis ablegen würdest, dennich fürchte, daß Windaji Kutisha, den ihrden Schrecklichen Jäger nennt, nicht sorücksichtsvoll vorgeht wie ich. Also, was ist,Ahab? Welche Beziehungen unterhältst dumit der GOI?«

Ahab mußte sich räuspern, ehe er einWort herausbrachte:

»Keine!«Die plumpe Gestalt kam einen Schritt nä-

her.»Du lügst! Man kann es dir ansehen. Wir

wissen, daß du Kontakt mit den Rebellenhast, und wir wissen auch, daß du sie mitParatau belieferst, was ein todeswürdigesVerbrechen ist. Warum also willst du esnicht zugeben?«

Diesmal sprach Captain Ahab schonleichter und deutlicher.

»Eben weil es ein todeswürdiges Verbre-chen ist, du Dummkopf.«

Wenn der Leiter der Spezialtruppe wü-tend über die freche Antwort war, so ließ eres sich nicht anmerken. Sein Tonfall bliebunverändert kühl und sachlich.

»Dein Leugnen wird dir nichts nützen,wenn der Jäger dich mit seinen speziellenMitteln in die Zange nimmt. Du wirst redenwie ein Wasserfall.«

»Seit wann reden die?« Guckys Stimmewar etwas piepsig und hörte sich schwachan. »Hau ab, du störst!«

Der Leiter ignorierte den Mausbiber. Vor-erst wenigstens.

Da Ahab schwieg, fuhr er fort:»Uns interessiert der geheime Stützpunkt

der GOI, Ahab. Du weißt, wo er sich befin-det, und wenn du ihn uns verrätst, könntesich das positiv auf das spätere Urteil überdich auswirken. Also überlege es dir gut.«

»Schon überlegt, Pterus. Ich kann dirnichts verraten, weil ich nichts weiß.«

»Na schön, dann eben nicht.« Er deuteteauf den Mausbiber. »Wer ist dieser winzigeFrechling dort? Vielleicht ein Mitglied derGOI?«

Gucky ruckte etwas hoch, sackte dann

aber wieder zurück. Er warf dem Leitereinen giftigen Blick zu und bedauerte, wienoch nie zuvor, seine Hilflosigkeit. Demhätte er schon ein paar akrobatische Kunst-stückchen beigebracht, wenn er dazu in derLage gewesen wäre.

»Mein Maskottchen«, log Ahab eiskalt,»Ich habe ihn mal irgendwo gegen eine Ki-ste rostiger Nägel eingehandelt. Er soll mirGlück bringen.«

»Dann hat er aber schön versagt«, höhnteder Leiter und betrachtete den vor Wut fastplatzenden Gucky, der sich schwor, diesenunverschämten Kerl bei Gelegenheit – solltees eine solche jemals geben – derart in dieMangel zu nehmen, daß er nicht mehr wuß-te, ob er Männchen oder Weibchen war.»Vielleicht werde ich ihn später übernehmenund in einen Käfig sperren.«

»Einverstanden«, erklärte Ahab und lä-chelte mühsam. »Ich bin froh, wenn ich ihnwieder loswerde. Viel geholfen hat er mirnicht. Er ist eigentlich sogar daran schuld,daß ich dir in die Falle ging.«

Der Pterus kam noch einen Schritt näher.»Ach, das ist ja interessant. Wieso eigent-

lich?«»Weil er unbedingt nach Asporc wollte.«Das klang zwar nicht nach einer überzeu-

genden Erklärung, aber der Leiter schiensich damit zufrieden zu geben. Er trat zweiSchritte bis zur Tür zurück.

»Der Jäger muß jeden Augenblick eintref-fen. Du kannst dich jetzt schon auf ihn freu-en, Ahab. Und du«, wandte er sich anGucky, »kannst dich schon mal von Ahabentlausen lassen. Ich mag kein Ungeziefer.«

Er war auf dem Korridor, ehe Gucky denVersuch unternehmen konnte, ihm an dieKehle zu springen, was ohnehin sinnlos ge-wesen wäre.

Die Tür schloß sich mit einem dumpfenLaut.

»Das ist … das ist …«, ächzte Gucky undverstummte. Zu seiner nicht unerheblichenSorge um sein künftiges Schicksal kam nunauch noch der Ärger über diesen unver-schämten Inspekteur.

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»Nur nicht aufregen, das war erst einharmloses Vorspiel«, tröstete ihn der Cap-tain. »Wenn der Schreckliche Jäger auf-kreuzt, ist jeder Spaß zu Ende.«

»Wieso ist der eigentlich so schrecklich«,zeigte der Mausbiber mildes Interesse.

Ahab hatte sichtlich Mühe mit dem Re-den, daher machte er es so kurz wie ebenmöglich.

»Seine Foltermethoden. Er arbeitet mitden raffiniertesten psionischen Mitteln, wieschon erwähnt. Mehr weiß ich auch nicht.«

»Wenn er dazu hier das verflixte Feld ab-schalten muß, segelt er geradewegs in denHimmel und kann dort die Engelchen singenhören«, raffte sich Gucky zu einem rhetori-schen Kraftakt auf und schloß dann die Au-gen.

Aber er konnte nicht schlafen, ebenso we-nig wie Captain Ahab.

*

Das Schiff des Schrecklichen Jägers wardiesmal ein kleiner Raumer, der an ein in dieLänge gezogenes Riesenei erinnerte. Es lan-dete auf drei kräftigen Teleskopstützen. Seit-lich wurde ein Schacht ausgefahren, der biszur Oberfläche von Asporc reichte.

Der Oberinspekteur, von der bevorstehen-den Ankunft des Besuchers unterrichtet, be-gab sich zu dessen Empfang auf das Lande-feld hinaus. Zwei Pterus begleiteten ihn.

Dann erschien er, Windaji Kutisha – derSchreckliche Jäger.

Sein entfernt humanoid wirkender Körperwar nackt und weiß, fast durchsichtig. Werihn nicht kannte, hätte ihn für zerbrechlichgehalten – und sich dabei furchtbar geirrt. Erwar nicht bewaffnet, und er hatte es auchnicht nötig, denn er wurde von drei mecha-nischen Leibwächtern begleitet.

Die drei Roboter besaßen unterschiedlicheFormen – eine Halbkugel, ein Kegel und einWürfel. Sie verfügten über höchst empfind-liche Wahrnehmungsorgane, einfahrbareTentakel, Waffen und alle möglichen Instru-mente, die sich nach Bedarf einsetzen lie-

ßen.Die Begrüßung der beiden dem Sotho Tyg

Ian voll ergebenen Personen erfolgte ohneüberschäumende Freude, verriet aber dochdas bestehende Verhältnis der Zusammenge-hörigkeit.

»Nun habe ich ihn endlich, diesen CaptainAhab«, sagte der Jäger, wobei er das »ich«deutlich betonte. »Hast du ihn schon verhörtoder es versucht?«

»Noch vor kurzer Zeit, aber er leugnet je-den Kontakt mit der GOI. Er zeigt sich sehrverstockt.«

»Das wird er nicht mehr lange tun.« Win-daji Kutisha deutete auf seine Robotbeglei-ter. »Siehst du den Kubus, mein Freund? Ichhabe zusätzlich einige psionische Spielerei-en einbauen lassen. Im Gegensatz zu deinenFeldern lahmen sie nicht das Opfer, sondernmachen es sogar quicklebendig – allerdingsauf Kosten körperlicher und psychischerSchmerzen, die niemand lange aushält. Ja,man muß sich immer etwas Neues einfallenlassen, wenn man Erfolg haben will. Der So-tho wird zufrieden sein.«

»Er wird mit uns zufrieden sein«, betontenun seinerseits auch der Oberinspekteur.»Eine Belohnung ist uns sicher.«

Der Jäger ignorierte es.»Ich habe noch einige Vorbereitungen zu

treffen, dann beginne ich mit der Arbeit.« Esklang zynisch mit einer Spur von Vorfreude.»Der Tag ist noch lang.«

»Da wäre noch etwas, Windaji Kutisha. InBegleitung des Captains befindet sich einkleines Wesen, mit einem braunen Pelz be-deckt. Es sieht aus wie ein dummes Tier,kann aber sprechen. Ahabs Maskottchen,wie er gestand. Ich glaube nicht, daß es et-was für uns Wichtiges weiß und bitte dich,es zu schonen. Ich möchte es später über-nehmen, denn es sieht recht niedlich aus.«

»Befragen werde ich es doch dürfen?« er-kundigte sich der Jäger ironisch.

»Natürlich«, beeilte sich der Oberinspek-teur zu versichern. »Es gibt freche Antwor-ten. Achte nicht darauf. So eine Art Hofnarr,nehme ich an. Wohl mehr Bordnarr«, fügte

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er hinzu und gab etwas von sich, das wohlein Lachen über den eigenen Scherz seinsollte.

Der Jäger enthielt sich jeder Heiterkeit.»Bereite alles vor. Ich werde mich per-

sönlich in Ahabs Schiff begeben und michdort selbst mit ihm befassen. Ich benötigeweder Wachen noch Zeugen.«

Das war deutlich genug. Diesmal jedochbeugte sich der Oberinspekteur nicht demWillen des Jägers.

»Es ist meine Pflicht, die höchste Sicher-heitsstufe einzuhalten, und dazu gehört, daßwir die Walze besetzt halten. Immerhin be-finden sich mehr als zweihundert Gefangenean Bord.«

Der Schreckliche Jäger wußte nur zu gut,daß der Leiter der Spezialtruppe recht hatteund nach den Befehlen des Sothos handelte.Dagegen durfte er nichts unternehmen.

»Also gut, einverstanden«, lenkte er ein.»Aber nicht mehr als ein Dutzend deinerLeute. Ich selbst werde nur von meinen dreiRobotern begleitet.«

»Und wann?«»In einer Stunde.«Sie trennten sich und kehrten in ihre

Raumschiffe zurück.

*

Gucky spürte es zuerst.Das psionische Feld, das ihn und Ahab

nahezu bewegungsunfähig machte, wurdeschwächer, aber wiederum nicht soschwach, daß er hätte in Aktion treten kön-nen. Sprach- und Denkzentrum schienen wievon einer schweren Last befreit, aber als eraufstehen wollte, sank er mit einem Schmer-zenslaut wieder in den Sessel zurück. Auchwar er nicht in der Lage, den geringsten Ge-dankenimpuls zu empfangen, was seine auf-keimende Hoffnung sofort wieder im Keimerstickte.

»Was bedeutet das?« Captain Ahab ver-zog das Gesicht. »Wieder diese verfluchtenKopfschmerzen! Und übel ist mir auch. Ichkann jedoch auf einmal ganz klar denken.«

»Geht mir ähnlich. Ich vermute, jemandmanipuliert an dem Generator. Vielleicht eingutes Zeichen. Kann aber auch das Gegen-teil bedeuten.«

»Also eins von beiden – ein schönerTrost.«

Gucky drehte mühsam den Kopf, als eraus den Augenwinkeln heraus sah, wie sichdie Kabinentür lautlos öffnete. Die weißeGestalt, die eintrat und nach zwei Schrittenanhielt, war kein Engel. Es war der Schreck-liche Jäger. Hinter ihm auf dem Gang ließsich undeutlich ein Würfel erkennen.

Zweifellos eine Art Roboter, denn er be-wegte sich und kam vor bis zur Türschwelle.Dort hielt er an.

»Windaji Kutisha!« entfuhr es CaptainAhab erschrocken, obwohl mit dessen Er-scheinen zu rechnen gewesen war.»Gratuliere!«

»Ich hoffe, dein Glückwunsch kommt vonHerzen und ist ehrlich gemeint.« Die Stim-me des Jägers triefte vor Hohn. »Ich warlange genug hinter dir her. Aber nun hast duausgespielt, Ahab. Niemand lehnt sich – of-fen oder heimlich – gegen den Sotho auf,ohne dafür bestraft zu werden. Die Höhe derStrafe richtet sich aber nicht nur nach denbegangenen Verbrechen. Sie kann milderausfallen, wenn der Delinquent zur Koope-ration bereit ist und gesteht. Ich denke, ichhabe mich deutlich genug ausgedrückt.«

»Ziemlich. Aber eine Strafmilderung wür-de in meinem Fall doch lediglich so ausse-hen, daß ich fünf Minuten schneller als be-absichtigt sterbe. Richtig?«

»Diese fünf Minuten können unter Um-ständen eine Ewigkeit dauern, Ahab, und duwürdest dankbar sein, wenn man sie dir er-ließe.«

»Vielen Dank, Jäger. Auf diese Art Gnadeverzichte ich.«

»Trotzdem werde ich, bevor ich andereMethoden anwende, meine Fragen an dichrichten: Wo befindet sich das Hauptquartieroder der Stützpunkt der GOI? Ich gebe direine Minute zum Überlegen.«

Ahab schwieg. Die sechzig Sekunden ver-

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gingen.»Du willst es also nicht anders?« Er

schwieg einen Moment und betrachtete denMausbiber, wobei er sich zu erinnern ver-suchte, wo und wann er einmal von einemerstaunlichen Wesen gehört hatte, das die-sem Pelzträger ähnlich sehen mußte. Seltsa-merweise versagte sein Gedächtnis. »DeinMaskottchen, he? Wenn es sprechen kann,dann kann es sicher auch denken.«

»Nur beschränkt«, versuchte Ahab,Gucky möglichst aus der Sache herauszuhal-ten. »Von ihm wirst du kaum etwas erfah-ren.«

»Das kommt auf den Versuch an. Ich wer-de euch beide zugleich vornehmen. Einerwird schon weich werden.«

»Eher wird deine Birne weich«, sagteGucky laut und deutlich.

Kutisha dachte an die Bemerkung des Pa-ra-Inspekteurs und ignorierte die Beleidi-gung. Das kleine Luder würde schon baldzahm werden. Und gesprächig in seinemSinn.

Er drehte sich und gab dem Würfelroboterein Zeichen. Dabei trat er einen Schritt zurSeite.

Auf der Vorderseite des Kubus entstandein runder, heller Fleck von etwa zehn Zen-timetern Durchmesser. Aus ihm schoßgleichzeitig ein grünliches Strahlenbündel,aas Captain Ahab und Gucky einhüllte.

Die Schmerzen begannen sofort und ohneÜbergang.

Jede Bewegung war plötzlich so gut wieausgeschlossen, denn sie verstärkte denSchmerz bis zur Unerträglichkeit. Eine Aus-nahme bildeten die Sprechwerkzeuge unddas Denken. Alle anderen Sektoren des Ge-hirns wurden lahmgelegt – abgesehen auchvom Schmerzzentrum.

»Das ist Stufe eins«, erklärte der Jägerund fügte voller Sadismus hinzu: »Ich habezehn Stufen zur Verfügung. Was das bedeu-tet, werdet ihr bereits bei Stufe zwei feststel-len können. Ich wiederhole also meine Fra-ge: wo befindet sich das Versteck der GOI?«

Diesmal unterließ er es, eine Frist zu nen-

nen.Ahabs starr gewordenen Augen, waren

auf den Jäger gerichtet. Es kostete ihn einegehörige Portion Willenskraft, vor Schmer-zen nicht zu schreien. Sie durchzogen seinenganzen Körper und legten sich wie eineZentnerlast auf sein Gehirn. Ein stählernesBand schien seinen Kopf einzuzwängen.Aber er vermochte völlig klar zu denken.

Gucky erging es nicht besser. Er hatteschon manches psionische Verhör durchge-standen, aber dieser Jäger arbeitete geradezumit teuflischen Mitteln. Er hatte seinenBeinamen nicht umsonst erhalten.

Kutisha verriet keine Gemütsbewegung,als er sagte:

»Stufe zwei!«Das stählerne Band um Ahabs Kopf schi-

en sich zusammenzuziehen, wenig nur, aberes reichte doch, ihm einen kurzen Schmer-zenslaut zu entlocken. Dann war ihm so, alsgelänge es ihm, sich an den Schmerz zu ge-wöhnen. Für einige Sekunden war es, alsseien sie verschwunden, dann jedoch kehr-ten sie schlagartig wieder zurück.

Gucky hatte ebenfalls Mühe, sich zu be-herrschen, dabei konnte er körperlicheSchmerzen auf den Tod nicht ausstehen. Erlenkte sich ab, indem er an alle die Dingedachte, die er diesem Jäger antun würde,wenn er dazu die Gelegenheit erhielt.

»Immer noch nichts?« fragte Kutisha hä-misch, verriet aber schon so etwas wie Un-geduld. »Du, Pelztier, als ständiger BegleiterAhabs weißt du ja auch über die GOI be-stens Bescheid.«

»Du verfügst über eine krankhafte Phan-tasie«, war alles, was der Mausbiber äußerte.

»Stufe drei!«Eine Steigerung war zweifellos vorhan-

den, sie bewirkte jedoch zu Kutishas Leid-wesen nicht das erhoffte Geständnis. Erwandte seine Aufmerksamkeit wieder mehrCaptain Ahab zu.

»Du scheinst ein harter Bursche zu sein,Ahab. Aber vergiß nicht, daß wir erst beiStufe drei sind. Bleiben noch sieben. Warumersparst du dir nicht das überflüssige Leiden

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und stiehlst mir wertvolle Zeit? Wo kann ichdie GOI finden? Wo, verdammt noch mal!?Antworte, und ich schalte das Feld ab.«

»Lieber sterbe ich, Jäger.«»Das kannst du außerdem noch haben,

Ahab! Aber vorher wirst du noch die restli-chen sieben Stufen kennen lernen. Das hatnoch nie jemand durchgehalten, ohne denVerstand zu verlieren.«

»Wenn du an unserer Stelle wärst«, ließsich der Mausbiber gequält vernehmen,»hättest du es gut. Du würdest nämlichnichts verlieren.«

Kutisha gab den starren Blick des Ilts wü-tend zurück.

»Stufe vier!« ordnete er dann an.Der grüne Lichtkegel leuchtete abermals

eine Nuance intensiver.Entsprechend verstärkte sich seine Wir-

kung.Gucky begann sich ernsthaft zu fragen,

wie lange er das noch aushielt. Wenn es we-nigstens auch nur die geringste Möglichkeiteiner Hoffnung gäbe! Aber es gab keine.Wer sollte ihnen helfen? Auf Asporc gab esniemanden, der ein Interesse daran habenkönnte, es mit den Jägern oder den Paratau-Inspekteuren zu verderben. Außerdem wür-de man sich auch noch den Zorn des Sothoszuziehen.

Wieder mußte er an Guang-Da-G'ahddenken, die geheimnisvolle Kartanin. SeinVerdacht gegen sie bestand immer noch,wenn er sich auch nicht erklären konnte,welchen Vorteil sie sich von dem Verrat –falls sie ihn begangen hatte – erhoffen konn-te.

Sicherlich gab es eine große Anzahl vonAsporcos, die heimlich mit den Zielen derGOI sympathisierten, aber das würden sieniemals offen zugeben. Sie kamen als Hilfenicht in Betracht.

Ahab dachte an seine »Sippe«, die irgend-wo im Schiff gefangengehalten wurde. DieMänner und Frauen bildeten seine letzteHoffnung, aber es war nur eine sehr schwa-che und vage Hoffnung. Man würde sie sostreng bewachen, daß jeder Fluchtversuch

vergeblich sein mußte. Er ahnte nicht, daßTargas und ein anderer Springer bei einemsolchen Versuch getötet worden waren.

Die ganze Zeit über hatte der Jäger seinebeiden Opfer ohne jede Gefühlsregung be-obachtet, aber seine Geduld schien allmäh-lich ein Ende zu haben.

»Ich benötige eine Erholungspause«,spottete er. »Ein gutes Frühstück, ein BecherWein – und dann sehe ich wieder nach euch.Ich bin großzügig und lasse es bis dahin beiStufe vier. Bis später.«

Er quetschte sich am Türrahmen vorbei,um nicht in den Wirkungsbereich des grünenLichtbündels zu geraten und ging davon.Seine Schritte entfernten sich und verklan-gen schließlich.

Zurück blieben der Würfelroboter undzwei für die beiden Gefangenen nicht sicht-bare Pterus auf dem Korridor.

Ahab atmete hörbar auf. Er flüsterte:»Ein Trick! Wir werden belauscht. Dem

verdammten Würfel traue ich alles zu. EinGerät, das der Satan erfunden haben muß.«

»Der Satan heißt Windaji Kutisha! Jetztgibt es schon zwei Typen, mit denen ich lie-bend gern abrechnen möchte. Ich bin vonNatur aus mit einem friedfertigen Charaktergesegnet worden, aber alles hat seine Gren-zen. Und diesmal wurde sie überschritten.Ich sinne auf Rache, fürchterliche Rache!«

»Denke lieber darüber nach, wie wir unsbefreien können. Lange halte ich dieseSchmerzen nicht mehr aus. Wenn man sichwenigstens bewegen könnte!«

»Wenn ich wenigstens teleportieren könn-te«, knüpfte Gucky den Wunschfaden wei-ter. »Was glaubst du, was ich mit diesemWürfel da machen würde? Schrott würde ichaus ihm machen, einen ganzen Haufen wert-losen Schrott.«

»Wunschdenken bringt uns nicht weiter«,blieb Ahab nüchtern. Fast vergaß er dieSchmerzen. »Ich hoffe immer noch auf dieKartanin. Ich bin schließlich mit ihr befreun-det, das weiß jeder. Auch die Inspekteurewissen das, und bestimmt auch Kutisha. Siekönnte wirklich ein gutes Wort für mich ein-

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legen.«»Hüten wird sie sich«, vermutete Gucky

düster.Eine Weile schwiegen sie, dann hörten sie

Schritte.Der Schreckliche Jäger kehrte zurück, um

das Verhör fortzusetzen.

*

Noch unentschlossen, was sie als nächstesunternehmen sollte, blieb Guang-Da-G'ahdvorerst noch in ihrem Haus. Um jedoch je-derzeit in die Geschehnisse eingreifen zukönnen, füllte sie ein kleines Fläschchen mitParatau ab.

Sie trug eine leichte Kombination, die ih-re geschmeidige Figur voll zur Geltungbrachte. Den flachen Behälter mit Paratauverbarg sie in der Handtasche, die sie stän-dig bei sich trug.

So vorbereitet, wartete sie auf den Augen-blick, der ihr zum Eingreifen günstig erschi-en.

Der Jäger Windaji Kutisha war am frühenVormittag mit seinem Schiff gelandet. MitHilfe eines schnell vergehenden Paratautrop-fens konnte sie einen Teil der Unterhaltungverfolgen, die der Leiter der Inspekteure undder Jäger führten. Da wußte sie, daß ihrnicht mehr viel Zeit blieb.

Aber sie durfte auch nicht zu früh eingrei-fen, wenn sie ihren raffinierten Plan nichtdurch eigene Schuld vereiteln wollte. Siekonnte Captain Ahab den Beginn des bevor-stehenden Verhörs nicht ersparen. Um soüberzeugender würde dann ihr Auftritt wir-ken.

Die Behörden von Asporc waren ihreVerbündeten, ohne daß sie es auch nur ahn-ten.

Über ihr Visiphon ließ sie sich mit demRaumhafenmeister verbinden, den sie durchihre Händlertätigkeit gut kannte. Mit Un-schuldsmiene erkundigte sie sich, warum derSpringer Captain Ahab sein Schiff nochnicht verlassen habe und was die vier ande-ren Raumer an Waren mit sich führten.

»Es sind keine Handelsschiffe«, wurde ihrwahrheitsgemäß mitgeteilt. »Es sieht ganzso aus, als hätte sie eine besondere Missionhergeführt. Paratau-Inspekteure, Guang-Da-G'ahd! Du weißt, was das bedeutet. EinVerdacht auf illegalen Handel mit Parataubesteht schon lange gegen den CaptainAhab.«

Die Kartanin tat erstaunt.»Captain Ahab? Das kann ich nicht glau-

ben. Ich stehe doch schon lange mit ihm inHandelsbeziehungen.«

»Dann wird man auch dich verhören«,deutete der Asporco an, daß man die Naturihrer Geschäfte mit dem Springer zumindesterahnte. »Soeben ging der Schreckliche Jä-ger an Bord der OSFAR.«

»Windaji Kutisha? Er selbst?«»Kein anderer. Wenn der sich persönlich

des Falles angenommen hat, sieht es bösefür Ahab aus.«

»Gibt es keine Möglichkeit, etwas fürAhab zu tun?«

»Nein. Wir können und wollen uns nichteinmischen. Außerdem: wenn er schuldigsein sollte, schuldig im Sinn des Sothos,würde man auch uns bestrafen.«

»Gibt es offiziell Einwände, wenn ichKontakt mit dem Jäger aufnehme?«

»Natürlich nicht, aber wozu?«»Meine Sache. Stellt mir ein Fahrzeug zur

Verfügung, damit man mich ungehindertpassieren läßt.«

»Ich werde eins schicken. Hoffentlichhandelst du nicht unüberlegt. Wenn Ver-dacht auf dich fällt …«

»Keine Sorge. Die Leute des Sothos ver-trauen mir.«

Der Asporco sah sie nur an und schaltetedann ab.

Während Guang-Da-G'ahd auf das ver-sprochene Fahrzeug wartete, nahm sie er-neut einen Tropfen Paratau in ihre Hand undesperte. Drei recht unterschiedliche Gedan-kenimpulse hatte sie ohne Mühe ausgefiltertund schnell identifiziert. Die von WindajiKutisha und Captain Ahab erkannte sie so-fort. Die dritten gehörten einer Person, die

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zu Ahab gehörte und die ihr unbekannt war.Das Verhör war bei Stufe drei angelangt.

Sie konnte die Schmerzen beinahe selbstspüren, denen der Captain ausgesetzt war –und es war ihre Schuld. Aber das war derPreis, den sie alle zu zahlen hatten, sollte dasendgültige Ziel – besonders das eigene – er-reicht werden.

Die dritten Impulse, die ihr unbekannten,irritierten sie. Es mußten zweifellos diekomplizierten Impulse eines Mutanten sein.Sie blieben ihr vorerst unverständlich. Eswürde Zeit benötigen, sie kennenzulernen,und Zeit stand ihr keine mehr zur Verfü-gung.

Die Wirkung des Tropfens ließ merklichnach, aber sie esperte noch weiter.

»Stufe vier« fing sie noch auf.Dann sah sie vor ihrem Haus den Wagen

vorfahren. Mit dem letzten Gedankenimpulsdes Schrecklichen Jägers erfuhr sie zu ihrerErleichterung, daß dieser das Verhör unter-brach, um zu frühstücken.

Der Rest des Parataus verdampfte harm-los.

Sie nahm ihre Tasche und verließ ihrHaus. Der Fahrer des Wagens ließ sie ein-steigen, sprach aber kein Wort. Er wußte,was er zu tun hatte. Das einfache Elektro-fahrzeug glitt durch die fast leeren Straßender Stadt und erreichte schnell die Raumha-fenzufahrt. Niemand hielt sie auf, auch dannnicht, als sie das Tor passierten und Kurs aufdie fünf Schiffe nahmen.

Der Wagen hielt an. Die Kartanin sprangheraus und ging auf den nächsten Posten derInspekteure zu.

»Ich muß Windaji Kutisha sprechen«, for-derte sie.

Der Pterus wirkte unsicher.»Das muß ich dem Oberinspekteur mel-

den«, versuchte er eine Ausrede, um Zeit zugewinnen.

»Dann tu das! Sofort!«Der Pterus sagte ein paar Worte in sein

Funkgerät. Die Antwort hörte sich unwilligund unfreundlich an. Der Leiter der Spezial-truppe wollte wissen, wer ihn zu stören wag-

te. Als er den Namen der Kartanin erfuhr,wurde er zugänglicher und kündigte an, erwolle sich selbst um die Sache kümmern.

Guang-Da-G'ahd schickte den Fahrer desWagens, der sie gebracht hatte, zum Tor zu-rück. Sie wußte nicht, ob sie ihn noch benö-tigte.

Drüben bei der OSFAR erblickte sie einenPterus in Schutzkleidung, der das Schiff ver-ließ und schwerfällig auf sie zukam. Sieging ihm entgegen, denn es konnte sich nurum den angekündigten Leiter handeln.

Sie begrüßten sich formell.»Ich muß mit Windaji Kutisha sprechen«,

verlangte sie ohne viel Umschweife. »Es istdringend.«

»Der Jäger hat jetzt keine Zeit«, wurde ihrbarsch mitgeteilt.

»Ich weiß, er verhört Captain Ahab. Aberich muß …«

»… du mußt nichts! Warte, bis das Ver-hör beendet ist.«

»Ich werde nicht warten!« fuhr sie ihn an.»Ich bin Guang-Da-G'ahd, und ich war esauch, der dem Jäger verriet, daß sich Cap-tain Ahab hier auf Asporc aufhält. Meinst dunoch immer, daß der Jäger meinen Wunsch,ihn zu sprechen, ablehnt?«

Der Leiter machte eine einladende Gestein Richtung der OSFAR.

»Warum hast du das nicht gleich gesagt?Komm mit mir. Das Verhör kann jeden Mo-ment fortgesetzt werden. Wahrscheinlich hates schon wieder begonnen.«

Für die Begriffe der Kartanin bewegtesich der Pterus mit der Langsamkeit einerSchnecke. Sie trieb ihn respektlos zur Eilean. Das Verhör mußte ihrer Schätzung nachjetzt bei Stufe fünf angelangt sein. Langewürde Captain Ahab die Qualen nicht mehrdurchstehen können, und wenn er erst ein-mal auspackte …

Sie durfte nicht an die Folgen denken.Sie überholte den Oberinspekteur und be-

trat noch vor ihm den Korridor der OSFAR,sprang in den wieder funktionierenden Anti-gravlift und schwebte hinauf zum oberenDeck.

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Von weitem schon sah sie das grüneLichtbündel, das von dem Roboterkubus ab-gestrahlt wurde.

Sie begann zu laufen.

6.

»Nun? Hast du es dir überlegt, Ahab?«Windaji Kutisha stand dicht neben dem

Strahlenbündel in der Kabine und betrachte-te seine Gefangenen mit zuversichtlicherÜberlegenheit. Er kaute noch an seinemletzten Bissen.

Ahab und Gucky schwiegen verstockt. Siehatten genug damit zu tun, die unerträglichwerdenden Schmerzen zu bekämpfen. Dablieb keine Reserve mehr, überflüssige Ge-spräche zu führen.

»Dann Stufe fünf!«Die Steigerung war kaum zu spüren, aber

sie war da. Gucky hegte den Verdacht, daßStufe fünf nur eine psychologische Steige-rung bedeutete, denn eine rein energetischekonnte bereits lebensgefährlich sein. Ein zufrüher Tod für die Gemarterten aber brachtenichts.

Sein Verdacht schien sich zu bestätigen,denn der Jäger ließ sich mit der nächstenStufe ungewöhnlich viel Zeit. Zuerst redeteer dem Captain noch einmal gut zu, dann be-gann er mit massiven Drohungen und ver-steckten Lockungen. Er verstieg sich sogardazu, dem Springer im Fall eines offenenGeständnisses Straffreiheit zu versprechen.

Dann fiel ihm etwas Neues ein. Er deuteteauf Gucky.

»Du liebst doch dein Maskottchen, Ahab.Du hast es doch stets bei dir, und es soll dirGlück bringen.« Seine Stimme wurde merk-lich drohender. »Wenn du dich weiterhinweigerst, mir den Stützpunkt der GOI zuverraten, werde ich deine geliebte Bordmausvor deinen Augen langsam zerstrahlen.« Erhob die Waffe und richtete sie auf Gucky,der nun doch einen ordentlichen Schreck be-kam. »Nun, was sagst du zu meinem Vor-schlag?«

Captain Ahab unterbrach sein Schweigen.

»Das wirst du nicht wagen, Jäger, denndann würdest du überhaupt nichts erfahren.Richtet sich dein Zorn immer gegen Un-schuldige und Wehrlose? Ein Zeichen derSchwäche, Jäger.«

»Unsinn! Nur ein Mittel, dich zur Ver-nunft zu bringen.« Der Lauf seiner Waffewar noch immer auf den Mausbiber gerich-tet. »Mach endlich den Mund auf und sprichvon dem, was ich wissen möchte. Ich zählebis vier …«

Auf dem Korridor waren eilige Schritte,die sich schnell näherten. Der Jäger ließ denStrahler sinken. Sichtlich ungehalten trat ereinen Schritt zurück, um sich zu vergewis-sern, wer ihn da zu stören wagte.

Von ihren Plätzen her erkannten die Ge-folterten eine Kartanin.

Zu ihrer Verblüffung legte sich der Un-mut des Jägers bei ihrem Anblick. Fast schi-en er seine Gefangenen zu vergessen.

»Sei begrüßt, Guang«, empfing er sie miteinem Anflug von Freundlichkeit. »Sichermöchtest du Zeuge einer interessanten Vor-stellung werden. Ahab ist hart im Nehmen.Er hat noch keine vernünftige Antwort gege-ben. Doch das wird sich bald ändern.«

Die Kartanin folgte dem Jäger in die Ka-bine. So wie auch er vermied sie es, in denBereich des grünen Lichtbündels zu geraten.

Sie blickte Captain Ahab ausdruckslos an,ehe sie den Mausbiber studierte. Das mußteder potentielle Mutant sein, den sie nichthatte richtig espern können.

»Wer ist das?« fragte sie den Jäger.»Eine Art Haustier, Ahabs Maskottchen.

Ich werde es töten, wenn er nicht spricht.«Sie spielte scheinbar achtlos mit ihrer

Handtasche.»Würdest du mir Gelegenheit geben, mit

Ahab allein zu reden? Ich bin sicher, dabeietwas zu erreichen. Wenn es mir nicht ge-lingt, kannst du das Verhör mit deinen Me-thoden fortsetzen.«

Captain Ahab verspürte steigendes Unbe-hagen. Es wurde zu offensichtlich, daß zwi-schen seiner Partnerin Guang-Da-G'ahd unddem Jäger ein gewisses Vertrauensverhältnis

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vorhanden sein mußte. Anders konnte auchihr plötzliches Erscheinen und das Verhaltendes Jägers ihr gegenüber nicht erklärt wer-den.

Sein Verdacht bestätigte sich mit WindajiKutishas Antwort.

»Ich bin dir zu Dank verpflichtet, Guang.Nur dir habe ich zu verdanken, daß mir derSpringer in die Falle ging. Du hast michrechtzeitig informiert. Aber ich weiß nicht,ob ich dir deine Bitte erfüllen darf. Es stehtzuviel auf dem Spiel.«

Gucky war nicht sonderlich überrascht,daß sich sein ursprünglicher Verdacht bestä-tigte. Er hatte es geahnt, aber er wußte nochimmer nicht, welchen Vorteil die Kartanindabei für sich herausschlagen wollte.

Ahabs Enttäuschung hingegen war gera-dezu niederschmetternd. Sein psychischerSchmerz ließ den physischen unbedeutenderscheinen. Sie, die seine letzte verzweifelteHoffnung darstellte, entpuppte sich als Ver-räterin.

Seine Widerstandskraft erlosch. Er wußte,daß er nun reden würde. Die nächste Folter-stufe würde seinen Mund öffnen. Und wennes nur geschah, um das Leben des Mausbi-bers zu retten und sich an Guang-Da-G'ahdzu rächen.

»Was soll denn schon passieren«, setztedie Kartanin ihren Versuch fort. »Ich werdenoch mehr für dich tun, indem ich dir denBeweis dafür liefere, daß Ahab illegal mitParatau handelt. Und wenn ich mich nichtsehr irre, ist dieses sogenannte Maskottchensein Komplize. Ich bringe sie zum Reden,Windaji, wenn du es mir erlaubst.«

»Dann fang an mit dem Verhör«, gab ernach.

»Allein!« forderte sie kaltblütig. »Er wirdnur reden, wenn du nicht dabei bist.«

Gucky vergaß für einen Augenblick seineSchmerzen. Warum bezeichnete die Karta-nin ihn als Ahabs Komplizen, und warumwollte sie unbedingt mit Ahab allein redenund schickte den Jäger fort?

»Ich gehe bis zur Biegung des Korridors«,gab der Jäger schließlich nach. »Die Tür be-

halte ich im Auge. Das grüne psionischeFeld bleibt aktiviert, um jeden Fluchtversuchzu verhindern. Ich gebe dir fünf Minuten.«

»Gut, Windaji.«Sie wartete, bis sich der Jäger an dem

Lichtbündel vorbei gedrückt hatte und seineSchritte sich auf dem Korridor entfernten.Dann sah sie Captain Ahab an.

»Gemeines Biest!« sagte er nur verächt-lich.

»Es war die einzige Möglichkeit, Ahab.«Sie öffnete ihre Tasche und zog das kleineFläschchen daraus hervor. Der Captain wuß-te sofort, daß es sich nur um Paratau handelnkonnte. »Zehn Tropfen dürften genügen, dasFeld zu neutralisieren, und dann …«

Endlich hatte sich auch Gucky von seinerÜberraschung erholt.

»Beeile dich, der Jäger hört mit und wirdgleich erscheinen!«

Tatsächlich konnten sie seine schnell nä-herkommenden Schritte vernehmen. Guang-Da-G'ahd zögerte nun nicht mehr. Sie öffne-te das Behältnis und entließ etwa zehn Trop-fen Paratau, die sie geschickt im Raum ver-teilte. Die erhoffte Wirkung trat unverzüg-lich ein.

Der grüne Strahl wurde zu normalemLicht.

Jeden Augenblick mußte der Jäger auftau-chen. Keine Sekunde durfte verloren gehen.Es blieb Gucky keine Zeit mehr, lange Er-klärungen abzugeben oder Ahab und dieKartanin einzeln in Sicherheit zu bringen.

Er glitt, nun von allen Schmerzen und Be-hinderungen befreit, aus dem Sessel, packtedie Kartanin bei der freien Hand – in der an-deren hielt sie ihre Tasche mit dem restli-chen Paratau – und schnappte sich die vonCaptain Ahab.

Er konzentrierte sich auf sein letztes Ver-steck nahe am Rand des Raumhafens und te-leportierte.

Keine zwei Sekunden später stürmte derSchreckliche Jäger in die Kabine und starrtefassungslos auf das leere Bett und den leerenSessel.

Die Gefangenen waren spurlos ver-

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schwunden, und mit ihr die Kartanin.Was war geschehen?

*

Die Angelegenheit wurde noch unerklärli-cher, als die beiden Pterus, die seitlich aufdem Gang Posten standen, glaubhaft versi-cherten, niemand hätte die Kabine verlassen.Der Würfelroboter hatte sich selbständig de-aktiviert. Das psionische Feld war erloschen.

Konnte die Kartanin ihre Hand dabei imSpiel gehabt haben? Unwahrscheinlich,denn sie war es doch gewesen, die CaptainAhab in diese ausweglose Situation gebrachthatte. Und wie auch sollte sie es angestellthaben, sich und zwei andere Personen ein-fach verschwinden zu lassen?

Windaji Kutisha löste den allgemeinenAlarm aus. Eine Minute später erschien derOberinspekteur an Bord der OSFAR, die erinzwischen wieder verlassen hatte.

Er war ebenso fassungslos wie der Jäger.»Aber das ist doch unmöglich! Niemand

kann sich in Luft auflösen, und schon garnicht, wenn er unter dem Einfluß eines psio-nischen Feldes steht.«!

»Doch, es wäre möglich«, widersprachder Jäger. »Paratau!«

Der Oberinspekteur starrte ihn verblüfftan.

»Dann ist es also doch wahr! Ahab han-delt illegal mit dem Zeug. Aber Guang-Da-G'ahd – das verstehe ich nicht. Sie gabuns den Tipp.«

Vielleicht wäre der Jäger auf den richti-gen Gedanken gekommen, wenn er CaptainAhabs Maske durchschaut und die wahreNatur des Springers erkannt hätte. Aber sowar der Captain für ihn nichts anderes als ei-ner der vielen Galaktischen Händler, mit de-nen er es dienstlich oft genug zu tun hatte.

»Die Terraner verfügen über ein Gerät«,spann Windaji Kutisha den Faden weiter,»das unsichtbar macht. Aber ich bin sicher,so ein Gerät nimmt Platz ein. Ich hätte esentdeckt. Das ist also nicht die Antwort.Gibt es eine andere?«

Der Oberinspekteur verriet durch Gesten,daß er angestrengt nachdachte, allerdingsohne greifbares Ergebnis.

»Zumindest steht fest, daß die Kartaninuns hereingelegt hat«, äußerte er schließlich.»Nur das Motiv ist mir unerklärlich. Ichhielt sie für eine zuverlässige Verbündete.«

»Sie wird es büßen – wenn unsere Ver-mutungen stimmen. Aber sie müssen richtigsein, denn die Flucht ereignete sich erst nachihrem Erscheinen hier. Und sie war es auch,die Paratau mitbrachte. Und von wem hat siees ursprünglich erhalten? Na, von Ahab na-türlich.«

»Wir müssen sein Schiff untersuchen.«»Das ist klar. Vorher jedoch müssen wir

versuchen, der Flüchtigen wieder habhaft zuwerden. Sie können ja nicht ohne Schiff vondieser Welt verschwinden. Wir haben genü-gend Leute: Zuerst durchkämmen wir dieStadt, dann die nähere Umgebung. Wie im-mer sie auch ihre Flucht bewerkstelligt ha-ben, sie können noch nicht weit gekommensein.«

»Ich werde sofort meine Männer los-schicken.«

»Und ich die meinen«, sagte der Jäger,versetzte seinem kubischen Roboter einenwütenden Tritt und verließ zusammen mitdem Oberinspekteur die Kabine Ahabs. »Ichleite die Aktion von der Kommandozentraleder OSFAR aus. Das Schiff ist sehr hoch.Ich habe von dort aus einen besseren Über-blick.«

»Viel Glück!« wünschte der Leiter, wobeier sich selbst auch miteinschloß.

Dann hastete er auf den nächsten Lift zu.

*

Gucky rematerialisierte mit Ahab undGuang in dichtem Gebüsch auf einem Ge-lände, das hoch genug lag, um sowohl denRaumhafen als auch einen Teil der Stadt zuüberblicken.

Die Kartanin löste ihre Hand aus der Pfo-te des Mausbibers.

»Du bist Teleporter, ein Mutant. Deshalb

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konnte ich deine Gedanken nicht verständ-lich aufnehmen. Puh, das war knapp.«

»Die Flucht, meinst du wohl«, präzisierteAhab, der sich nur langsam von seinemSchreck erholte. Es war alles zu schnell ge-gangen. »Das ist Gucky, Rhodans berüchtig-ter Ilt«, stellte er schließlich den Mausbibervor.

»Ich bin niemandes Ilt, Ahab. Ich binmein eigener Ilt. Aber es stimmt schon, daßich mit Rhodan und den Terranern befreun-det bin.«

Die Kartanin hatte aufmerksam zugehört:Die wenigen Sätze ließen erkennen, daß so-wohl Ahab als auch der Mausbiber zumin-dest Sympathisanten der GOI waren. AberAhab würde die stärkere Bindung zu denWiderständlern besitzen. Bis hierher hattesie ihr Ziel erreicht.

»Und was nun?« erkundigte sie sich undblickte hinüber zu den fünf Schiffen.

»Wartet hier, ich bin gleich wieder zu-rück.«

Ahab hielt Gucky fest.»Wohin willst du? Du kannst uns doch

jetzt nicht hier allein lassen.«»Ist ja nur für einen Augenblick. Ich muß

meine Ausrüstung holen, die ich südlich inden Bergen versteckt habe.«

»Du willst teleportieren?«»Spazieren werde ich bestimmt nicht!«Es machte »Plopp«, und weg war er.Ahab seufzte.»Das also sind Teleportationen, Tele-

sprünge! Eine beneidenswerte Fähigkeit.Wie hätten wir ohne den Ilt dem Jäger ent-kommen können?«

»Ich hatte schon einen Plan, aber der istnun hinfällig geworden.«

Ahab sah sie ernst an.»Und nun erkläre mir einmal, warum du

dem Jäger und den Inspekteuren überhauptverraten hast, wo sie mich finden können.«

Es war reiner Zufall, daß Ahab die Fragein Abwesenheit des Ilts stellte, der mögli-cherweise gemerkt hätte, daß die Kartaninlog.

»Von den Behörden hier erfuhr ich, daß

die Inspekteure nach Asporc unterwegs wa-ren, um dich zu fassen.. Um das Vertrauender Schnüffler und der Jäger zu gewinnen,unterrichtete ich sie von deinem Hier sein,denn für eine Warnung war es bereits zuspät. Damit waren sie mir zum Dank ver-pflichtet – und so konnte ich zu dir gelangenund Paratau mitbringen. Das ist alles.«

»Klingt einleuchtend«, mußte der Captainzugeben. »Eine andere Möglichkeit gab eswohl kaum, den Jäger mitten in seinem Ver-hör zu unterbrechen. Der wird ganz schönwütend auf dich sein.«

»Mit meiner Rolle als harmlose Händlerinauf Asporc ist es nun wohl vorbei. Ich mußhier fort – aber wohin?«

Diesmal warf Ahab ihr einen längerenBlick zu als vorhin. Dann deutete er an:

»In meinem Schiff ist noch Platz.«Sie tat überrascht.»Du würdest mich mitnehmen, Ahab?«Er nickte.»Bin ich dir nicht zu größtem Dank ver-

pflichtet? Es wäre dein sicherer Tod, wennich dich zurückließe. Sogar die Asporcoswürden dich ausliefern, wollten sie sichnicht ihr eigenes Grab schaufeln.«

Fast hätte sie geschnurrt, so zufrieden warsie.

»Ich danke dir, Ahab. Das werde ich dirnie vergessen.«

Der Captain streckte sich im warmenSand aus.

»Wo bleibt bloß der Ilt? Er sagte was voneinem Augenblick. Ein verdammt langerAugenblick!«

Gucky materialisierte wie auf Kommandound wirbelte den Sand auf. Das Paket, das ertrug, legte er ins Gebüsch. Dann setzte ersich.

»Was Neues?« erkundigte er sich.»Nichts – bis jetzt«, versicherte Ahab.

»Einige Pterus haben mein Schiff verlassen,aber von dem Jäger war nichts zu entdecken.Er muß noch in der OSFAR sein. Was tunwir jetzt?«

»Vorerst bleiben wir hier. Ein besseresVersteck finden wir kaum. Und dann die

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herrliche Aussicht, die man von hier hat.Fast meine ich, man könnte glatt in deineKommandozentrale sehen.«

Ahab kniff die Augen zusammen, dannschüttelte er den Kopf.

»Aber ich – wenn auch nur mental. DerJäger hält sich dort auf und schickt seineLeute auf die Jagd. Auf die Jagd nach uns!Ich werde jetzt etwas für seine Abwechslungsorgen, das lenkt ihn ab. Außerdem kann ersich dann nicht mehr klammheimlich ver-drücken, sollte er das vorhaben. Oder habenwir nicht noch ein Hühnchen mit ihm zurupfen?«

»Zwei oder drei sogar«, stimmte der Cap-tain zu. »Und was willst du tun?«

Guckys treubraune Augen wurden zu ge-fährlich schmalen Schlitzen, als er die Schif-fe auf dem Landefeld fixierte.

»Achte auf das Eierschiff des Jägers, dannhast du die Antwort.«

Sowohl Ahab wie auch Guang-Da-G'ahdsahen hinüber zum Landefeld. Das SchiffWindaji Kutishas war nicht zu übersehen. Esstand ein wenig abseits der drei Raumer, dieAhabs Walze in die Mitte genommen hatten.Undeutlich waren einige Gestalten zu erken-nen, die das Schiff verließen. Sie bildeten ei-ne Marschformation und setzten sich inRichtung der Zufahrtstraße in Bewegung.

Ahab traute seinen Augen nicht, als derRaumer des Schrecklichen Jägers sich plötz-lich zu bewegen begann und langsam wie inZeitlupe auf seinem flimmernden Antigrav-feld emporstieg und an Höhe gewann.

»Er haut ab – ohne den Jäger!« japste erfassungslos.

»Ach wo!« belehrte ihn der Mausbiber –und ließ los.

Befreit von dem starken telekinetischenEinfluß und ohne die Unterstützung des An-tigravfelds verlor das eiförmige Schiff jedenHalt. Es neigte sich über und begann zu stür-zen.

Es war nur knapp fünfzig Meter gestie-gen, aber der Fall aus dieser relativ geringenHöhe genügte, soviel Schaden anzurichten,daß an einen regulären Start für viele Tage

nicht zu denken war. Man würde etliches zureparieren haben, nachdem man das halbeWrack wieder aufgerichtet hatte.

»Donnerwetter!« Ahab fing sich erstaun-lich schnell. »Das muß Telekinese gewesensein!«

»Es war Telekinese«, sagte Gucky. »Ichhoffe, der Jäger hat den mißglückten Startbeobachten können. – Ah ja, hat er!«

Guang-Da-G'ahd hielt ihren Kopf ein we-nig schief, als sie nüchtern feststellte:

»Teleporter und Telekinet! Und wenn ichmich nicht sehr täusche, bist du auch Tele-path. Eine erstaunliche Kombination und ei-ne fast unglaubliche Ansammlung außeror-dentlicher Fähigkeiten.«

»Ich bin zufrieden«, zeigte sich der Maus-biber bescheiden.

Die Kartanin öffnete ihre Tasche undnahm die Paratropfen heraus.

»Ich muß wissen, wie der Jäger es aufge-nommen hat«, erklärte sie sachlich. »Aber esgeht nicht ohne Paratau.«

Gucky grinste.»Das ist zwar ein Nachteil, aber es funk-

tioniert wenigstens. Mach nicht zu lange.Die Vorstellung ist noch nicht zu Ende.«

Ahab starrte ihn an.»Was denn nun noch?«»Du wirst schon sehen«, vertröstete ihn

der Ilt.Windaji Kutisha, der den Sessel des toten

Piloten mit Beschlag belegt hatte, sah befrie-digt zu, wie seine alarmierten Leute seinSchiff verließen und in Richtung Stadt mar-schierten. Sie würden die Geflüchtetenschon irgendwie auftreiben, und wenn sie je-des Haus einzeln auf den Kopf stellen muß-ten. Ewig konnten sich die drei auch nichtunsichtbar machen.

Und wehe den Asporcos, wenn sie sichnicht hilfsbereit zeigten!

Sein Blick fiel wieder durch die nun völ-lig geöffnete breite Sichtluke auf das Lande-feld. Auch bei den drei Raumern der Para-Inspekteure war Bewegung zu beobachten.Ihr Leiter trommelte seine Mannschaften zu-sammen und erteilte ihnen seine Befehle.

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Das Normalfunkgerät der OSFAR warimmer noch eingeschaltet. Er nahm Kontaktzu seinem Piloten auf, der an Bord des Jä-gerschiffs geblieben war.

»Sind meine Anordnungen befolgt wor-den?«

»Außer mir hält – sich niemand mehr anBord auf, Kutisha.«

»Gut. Ich bleibe noch im Schiff des Sprin-gers. Es besteht die geringe Möglichkeit,daß er sich noch hier an Bord aufhält. So ei-ne Art Geheimversteck, mit einem Gang zuseiner Kabine verbunden. Dort soweit allesin Ordnung?«

»Könnte nicht besser sein«, bestätigte derPilot.

Das stimmte auch, doch nur bis zu diesemMoment.

Es war nur zu natürlich, daß im Verlaufder nächsten Minuten die sich überstürzen-den Ereignisse sehr unterschiedliche Ein-drücke hinterließen. Waren sie schon beiGucky, dem Captain und der Kartanin rechtunterschiedlich, so vergrößerte sich die psy-chische Differenz zwischen dieser Gruppeund dem Schrecklichen Jäger erheblich, dernun seinerseits wieder ganz anders die Din-ge deutete als sein unglücklicher Pilot.

Ehe Windaji das Funkgerät abschaltenkonnte, bemerkte er etwas, das er zuerst füreine optische Täuschung hielt.

Sein Schiff bewegte sich und hob langsamab.

Es startete.Das wenigstens mußte der Eindruck sein,

den der Jäger hatte. Er schaltete entspre-chend langsam. Er konnte es einfach nichtglauben, daß sein Pilot, mit dem er doch ge-rade noch gesprochen hatte, eigenmächtighandelte und praktisch eine Meuterei be-gann.

»Bist du wahnsinnig geworden?« brüllteer in das noch aktivierte Gerät, wobei sichseine raue Stimme überschlug. Sonst war siekeineswegs so rau, aber jetzt war sie es.»Sofort wieder landen!«

Er bekam keine Antwort, denn der Pilotwar selbst so fassungslos, daß er keine Luft

mehr holen konnte. Kein einziges Instru-ment hatte er berührt. Nur das Funkgerätwar auf Empfang geblieben, das war alles.

Inzwischen war das Schiff zwanzig Meterhoch gestiegen.

»Zurückkehren!« befahl der Jäger völligaußer sich. »Lande sofort, du Idiot! Ich lassedich hinrichten!«

Doch das half auch nicht. Das Schiff klet-terte weiter.

Bis auf fünfzig Meter Höhe, dann hielt esan, neigte sich nur leicht – und begann zufallen, bis es auf die betonierte Landebahnknallte und langsam Umkippte, was bei derEiform nicht viel zu sagen hatte.

Der Schreckliche Jäger sackte in denKontursessel zurück und versuchte, den er-littenen Schock zu verarbeiten. Die weinerli-che Stimme seines Piloten drang kaum anseine Ohren.

»Kutisha! Es ist nicht meine Schuld! Ichhabe nichts angerührt. Es passierte von ganzalleine …«

»Du mußt wahnsinnig geworden sein!«Der Jäger vergaß völlig, daß er erst vor kur-zer Zeit ebenfalls etwas völlig Unmöglicheserlebt hatte. »Ein Schiff startet nicht vonselbst. Du bleibst an Bord, bis ich eine Un-tersuchung abgeschlossen habe. Wenn dudas Schiff verläßt, nehme ich dich von hieraus unter Feuer.«

»Ich muß raus, ehe es explodiert.«»Nichts explodiert, du Esel! Wir sprechen

uns noch.«Mit dieser für den Piloten wenig tröstli-

chen Aussicht nahm der Jäger Kontakt mitdem Leiter der Paratautruppe auf, der sichan Bord seines Flaggschiffs aufhielt. Derhatte das Geschehen auch beobachtet undfalsche Schlüsse gezogen.

»War das eine Meuterei, Jäger? Es istdoch unglaublich …«

»Unsinn! Zwar drohte ich meinem Pilo-ten, aber ich bin nun sicher, daß es nicht sei-ne Schuld war. Da steckt mehr dahinter! Erstdas rätselhafte Verschwinden der Gefange-nen, und nun das! Glaubst du an Zauberkräf-te?«

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»Nicht direkt«, schränkte der andere vor-sichtig ein. »Aber an Mutanten.«

Der Schreckliche Jäger kam ins Grübeln.Mutanten! Ahab war mit Sicherheit kei-

ner, und die Kartanin konnte mit Hilfe vonParatau vielleicht Telepathie ausüben, abersonst …

Das Pelztier! Ahabs Maskottchen! Ver-flucht, wenn er sich doch nur erinnern könn-te …!

Aber er konnte es nicht, so sehr er auchnachdachte.

Und dann vernahm er über die Außenmi-krophone einen fürchterlichen Knall, demandere folgten.

Sie hörten sich an wie Explosionen.

*

»Und nun der nächste Akt des Dramas«,verkündete Gucky dramatisch und konzen-trierte sich. »Die Brüder sollen sich wun-dern!«

Captain Ahab und Guang-Da-G'ahd rich-teten sich auf, um besser sehen zu können.

Ganz so einfach, wie das alles aussah, wares nicht. Gucky mußte die empfindliche Ma-schinerie der drei Schiffe telekinetisch abta-sten und die Stellen finden, an denen er er-folgreich ansetzen konnte. Aber in dieserHinsicht verfügte er über reichliche Erfah-rung, genug jedenfalls, um seine beiden Be-gleiter nicht zu enttäuschen.

Und schon gar nicht den Jäger und die Pa-ratau-Inspekteure.

Als Ouvertüre erfolgte in einem der Schif-fe eine Detonation im unteren Teil, die einStück der Hülle heraussprengte. Durch dasso entstandene Loch folgten Trümmer undnoch einige heile Gegenstände, die auf dasLandefeld herabregneten. Ein Pterus warauch dabei. Er schien unverletzt, denn errannte davon und brachte sich eiligst in Si-cherheit, bevor noch mehr passieren konnte.

Weitere Explosionen richteten in den bei-den anderen Schiffen deutlich sichtbareSchäden an, deren Behebung einige Zeitdauern würde.

»Sieht schon ganz beachtlich aus«, gabsich Captain Ahab gelassen, obwohl er in-nerlich vor Aufregung bebte. »Ich glaube,du kannst eine ganze Flotte lahm legen,wenn du es darauf anlegst.«

»Nur eine halbe«, blieb Gucky abermals,ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, be-scheiden. »Ich denke, die haben nun vorerstgenug.«

»Windaji Kutisha ist noch in deinemSchiff, Ahab«, sagte die Kartanin mit ihremParatautropfen in der Hand. »Seine Gedan-ken sind sehr wirr und kaum verständlich. Erkann sich nicht erklären, was geschehen ist.«

Auch Gucky empfing die Gedanken desJägers, den Panik ergriffen hatte. Furcht wares, die ihn dazu veranlaßte, die OSFARnicht zu verlassen. Er traute sich nicht insFreie. Immerhin verstärkte sich sein Ver-dacht, daß hinter den bisherigen Unfällenein starker Mutant steckte, und da dieser lo-gischerweise ein Verbündeter Ahabs seinmußte, fühlte er sich an Bord des Springer-schiffs sicher.

»So also ist das!« Gucky verbarg seineGenugtuung und Vorfreude nur geringfügig.»Da müssen wir etwas dagegen tun.«

»Wogegen?« wollte Ahab wissen.»Ich nehme mir jetzt dein Schiff vor, Cap-

tain.«Ahab erschrak fast zu Tode.»Nein, bitte, nicht! Wir brauchen es noch!

Und denk an meine Leute, die immer nochvon Psifeldern festgehalten werden.«

»Es gibt bald keine Psifelder mehr«, pro-phezeite der Mausbiber beruhigend. »DeineSpringer sind gleich frei, und dann machensie aus dem Jäger einen Gejagten. Du wirstsehen.«

»Die OSFAR muß startklar bleiben«, batAhab noch einmal inbrünstig.

»Keine Sorge, das bleibt sie auch.«»Bitte, bitte!« wiederholte Captain Ahab,

der an das Schicksal der anderen vier Raum-er dachte und seine OSFAR bereits alsTrümmerhaufen auf dem Landefeld liegensah.

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7.

Der Springer Conter war einer der siebzigGefangenen, die in Hangar zwei eingesperrtwurden. Als sich das psionische Feld durchden Wechsel der Generatoren abschwächte,verspürte er die unmittelbar einsetzende Er-leichterung, blieb aber ruhig zwischen sei-nen Gefährten liegen.

Draußen im Gang standen bewaffnetePterus. Sie würden nicht zögern, auf ihn zuschießen, wenn er den Versuch wagte, denHangar zu verlassen. Er mußte warten, bis.seine Mitgefangenen sich ebenfalls von ih-rem psionischen Lähmschock erholten.

Als er versuchte, sich aufzurichten, durch-zuckten ihn stechende Schmerzen. Das Feldwar noch immer wirksam, aber den Ver-stand schien es nicht mehr stark zu beein-flussen. Und sprechen konnte er auch.

Er stieß den neben ihm Liegenden an,einen kräftig gebauten und älteren Mann miteinem feuerroten Vollbart.

»Hast du es auch bemerkt?«»Natürlich! Die wollen uns ja nicht gleich

umbringen. Ich denke, daß wir bald was un-ternehmen müssen, wenn wir dem Captainund uns selbst helfen wollen.«

»Warte, bis auch die anderen soweit sind.Vielleicht lassen die Schmerzen bald nach.Ich kann mich kaum bewegen.«

Conters Wunsch ging schneller in Erfül-lung, als er gehofft hatte. Der kaum sichtba-re grün-blasse Schimmer, der den Hangarausfüllte, verschwand von einer Sekunde zuranderen. Gleichzeitig ging auch die Wirkungdes Feldes gänzlich verloren.

Der bärtige Riese neben Conter richtetesich auf und streckte seine Glieder. Er grin-ste zufrieden.

»Keine Ahnung, welche Teufelei sie nunwieder im Schilde führen, aber ich denke,wir versuchen jetzt den Ausbruch. So eineGelegenheit kommt nicht so schnell wieder.Vielleicht ein technisches Versagen ihrerFeldgeneratoren – was weiß ich. He, bewegteuch, Kameraden! Wozu haben wir unsere

Fäuste?«Conter hatte sich erhoben und war zur Tür

gegangen. Zu seiner Überraschung hattendie Pterus sie nicht verschlossen. Sie mußtensich ihrer Sache absolut sicher sein. Wennsie allerdings den Ausfall des Fesselfelds be-merkten …

Conter wartete, bis mehr als zwei Dut-zend Springer neben und hinter ihm standen,dann gab er ihnen ein Zeichen und ließ dieTür mit einem Händedruck seitlich in dieVerschalung gleiten.

Die beiden Pterus wirbelten herum, abersie wurden von den herausstürmendenSpringern völlig überrascht. Ehe sie ihreStrahler in Schußposition bringen konnten,lagen sie bereits auf dem Boden des Korri-dors und wurden mit schnell herbeigeschaff-ten Seilen gefesselt.

»Hinauf zur Zentrale!« rief Conter. »Unddie beiden Pterus werft aus dem Schiff.«

Er begann zu laufen, einen erbeutetenStrahler in der Rechten. Gut drei Dutzendseiner Gefährten folgten ihm. Sie wußten,worum es nun ging. Wenn sie Captain Ahabbefreiten und die Kommandozentrale er-reichten, hatte sich ihr Ausbruch bezahlt ge-macht.

Der Antigravlift funktionierte.Conter und fünf weitere Springer spran-

gen in den Schacht und ließen sich nachoben bringen. Die anderen folgten ihnen we-nig später nach.

Im Oberdeck verteilten sie sich unddurchsuchten die Kabinen. Sie waren aus-nahmslos leer. Vom Captain keine Spur. Le-diglich zwei Pterus fielen ihnen in die Hän-de, denen es nicht viel besser erging als denanderen Wachtposten.

An dem Roboterwürfel vorbei hasteteConter weiter und betrat dann vorsichtig miterhobenem Strahler die Zentrale. Ein schnel-ler Rundblick genügte.

Hier hielt sich niemand auf.Conter sah hinaus aufs Landefeld und

stieß einen Laut der Überraschung aus. Dievier Raumschiffe, die da standen – das eiför-mige mußte umgekippt sein – machten nicht

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gerade einen startklaren Eindruck. Sie wirk-ten, als hätten sie gerade eine mittlereRaumschlacht hinter sich gebracht.

Es mußte sich in der Zwischenzeit einigesereignet haben, das keineswegs in die Pläneder Paratau-Inspekteure paßte.

Wo aber steckte Captain Ahab?Die Zentrale füllte sich, dann bahnte sich

der Riese mit dem roten Feuerbart einenWeg durch die Aufgeregten.

»He, Conter!« Seine Stimme war so kraft-voll wie sein Körperbau. »Da läuft noch je-mand im Schiff herum, den wir nicht fassenkonnten. Sieht aus wie ein Gespenst, weißwie eine Leiche. Und so flink wie ein Trilli-catch. Könnte das vielleicht …?«

»Kutisha! Der Schreckliche Jäger!« Con-ter war sichtlich erschrocken. »Hinterher! Erdarf uns nicht entkommen. Er muß wissen,wo der Captain geblieben ist!«

Eine wilde Jagd durch das Schiff begann.

*

Als der Jäger sah, was mit den drei Schif-fen der Inspekteure geschah, erfaßte ihn Pa-nik. Es war nur zu offensichtlich, daß imAugenblick nur noch die OSFAR startbereitund flugfähig sein konnte. Er würde sie un-ter keinen Umständen verlassen dürfen.

Hastig stellte er eine bestimmte Frequenzein und erhielt auch Funkkontakt auf derHyperwelle mit einer Station der Jägerbriga-de.

Seine Meldung war kurz und deutlich:»Notfall auf Asporc im Rattley-System.

Erbitte dringend sofortige Unterstützung!«Das war alles, aber es würde genügen.

Bald würde Hilfe eintreffen, und wenn Ahabbis dahin nicht gefaßt werden konnte, würdedie Verstärkung ihn früher oder später docherwischen. Der Gauner würde unter allenUmständen versuchen, wieder an Bord sei-nes Schiffes zu gelangen.

Der Jäger fühlte sich trotz aller Enttäu-schungen erleichtert. Während er überlegte,was er mit der verräterischen Kartanin an-stellen sollte, unternahm er mit dem Inter-

kom eine Inspektion der Wachen vor denLagerräumen und dem Hangar, in denensich die Gefangenen aufhielten.

Er mußte zweimal hinsehen, ehe er esglaubte.

Die Feldgeneratoren auf den Gängen wa-ren ausgefallen. Springer liefen durch dieGänge, überwältigten die Pterus und entfern-ten sie unsanft aus dem Schiff.

Der Jäger überlegte nicht lange. Ohne denInterkom auszuschalten, sprang er auf undrannte aus der Zentrale. Sie würde das ersteZiel der Ausbrecher sein. Er mußte sich soschnell wie möglich in Sicherheit bringen.Wie konnte er auch nur ahnen, daß jeder sei-ner Schritte telepathisch überwacht wurde?

An den beiden Posten und seinem deakti-vierten Roboter vorbei, der von den Sprin-gern Minuten später zusammen mit den Pte-rus aus dem Schiff geworfen wurde, raste erum die Biegungen des Korridors und ge-langte zur anderen Seite der OSFAR, wosich ebenfalls Lifte befanden. Bevor er inden Schacht sprang, überzeugte er sich da-von, daß sich das Antigravfeld einwandfreiaktivieren ließ.

Er sprang hinein, schwebte für drei odervier Sekunden frei im Dämmerlicht desmehr als fünfhundert Meter tiefen Schach-tes, ehe er zu fallen begann.

Die Wände sausten an ihm vorbei nachoben, er aber stürzte nach unten. Das Feldwar, wie das seiner Psi-Generatoren, deakti-viert worden. Allerdings nicht völlig, dennsonst hätte er den Sturz kaum überlebenkönnen. Der Aufprall auf dem Schachtbodenwar jedoch noch heftig genug, um ihm dasBewußtsein zu rauben.

Er spürte den furchtbaren Schmerz, dannwurde es schwarz vor seinen Augen, und erspürte nichts mehr.

*

Gucky atmete erleichtert auf, als seineKonzentration nachließ und er sich wie voneinem Alpdruck befreit fühlte. Die Kartaninnahm gerade einen neuen Tropfen Paratau in

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ihre Hand und esperte weiter.»Geschafft!« sagte der Mausbiber zu

Ahab, der keine Ahnung hatte, was in denwenigen Minuten alles passiert war. »AnBord der OSFAR befindet sich kein Pterusmehr. Nur der Jäger ist noch da – er liegtschwer verletzt in einem Antigravschacht.Wir nehmen ihn uns später vor. Deine Sprin-ger sind frei. Sie suchen dich wie einenfaustgroßen Asteroiden in einer fremden Ga-laxis.«

»Nichts wie weg hier!« war alles, was derCaptain dazu äußerte.

»Wir müssen uns sogar beeilen«, unter-stützte ihn die Kartanin. »Der Jäger hat überHyperfunk die Brigade zu Hilfe gerufen.Wie lange es dauert, bis die hier sein kön-nen, weiß ich nicht.«

»Sie werden zu spät eintreffen.« Guckyzog seine Ausrüstung aus dem Gebüsch undpreßte sie an sich. »Ich muß zweimal sprin-gen diesmal. Du zuerst, Ahab. Deine Leutewerden sich freuen.« Er fing einen undefi-nierbaren Impuls der Kartanin auf, den errichtig deutete. »Keine Sorge, Guang, ichhole dich sofort.«

Er nahm Ahabs Hand und teleportierte.In der Kommandozentrale der OSFAR

hielten sich nur ein paar Springer auf, dieanderen jagten den Jäger, fanden ihn abernicht. Conter fuhr herum, als hinter ihm dastypische »Plopp« der verdrängten Luft ent-stand und sein Captain leibhaftig aus demNichts heraus materialisierte. Neben ihmwirkte das nur ein Meter hohe Pelzwesengeradezu winzig.

»Captain …?«»Ich bin's, kein Geist. Bin unter die Tele-

porter gegangen. Dies hier ist Gucky, ein Ilt.Ihm haben wir unsere Rettung zu verdanken– und natürlich auch Guang-Da-G'ahd, diemit uns kommen wird.«

»Captain, ich verstehe nicht …«»Später, Conter, später. Wir müssen von

hier verschwinden, ehe die alarmierte Jäger-brigade eintrifft. Alle Männer und Frauenauf ihre Posten!«

»Und der Jäger? Der muß noch an Bord

sein.«Gucky mischte sich ein:»Um den kümmere ich mich, sobald ich

die Kartanin geholt habe.«Zehn Sekunden später stand Guang-

Da-G'ahd vor dem verblüfften Conter, derden Mausbiber ehrfürchtig erschauernd be-trachtete. Dann schüttelte er nur noch denKopf und verließ die Zentrale.

Seiner Meinung nach waren in den letztenStunden zuviel unerklärliche Dinge gesche-hen. Die mußten zuerst verdaut werden.

»Du übernimmst Targas Pilotenaufgabe«,rief Ahab ihm nach, der durch den Mausbi-ber vom Tod der beiden Springer informiertworden war.

Er nahm in seinem Sessel Platz und nahmsich den Interkom vor. Befriedigt nahm erzur Kenntnis, daß seine Leute ausnahmslosihre Startpositionen eingenommen hatten.Die Luken wurden geschlossen und das bor-dinterne Klimasystem aktiviert. Conter er-schien wieder, etwas gefaßter als zuvor, undnahm seinen Platz an den Kontrollen ein.

Plötzlich sagte der Mausbiber: »Die Ge-dankenimpulse des Schrecklichen Jägerskommen aus der falschen Richtung, nichtmehr aus dem Schacht. Er war verletzt! Wieist es möglich, daß er das Schiff verlassenkonnte?«

Seine Worte lösten allgemeine Verwir-rung aus. Ahab wurde wütend, denn es warseine Absicht gewesen, der GOI den wert-vollen Gefangenen durch Gucky übergebenzu lassen, so als eine Art Einführungsge-schenk. Und Guang-Da-G'ahd mußte nunbefürchten, daß ihr Verrat an dem Jäger undden Paratau-Inspekteuren unwiderlegbar be-stätigt wurde.

Gucky verspürte nur Enttäuschung dar-über, daß er sich das Gespenst nicht mehrpersönlich vornehmen konnte, wie er es ge-plant hatte.

Aber nun war nichts mehr daran zu än-dern. Der Schreckliche Jäger hatte die allge-meine Verwirrung der Springer nach demErscheinen Ahabs ausgenutzt und seineChance wahrgenommen.

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Seine Verletzung konnte nicht so schwersein, wie es den Anschein gehabt hatte.Nicht mehr lange, und er würde sich wiederauf seine Jagd begeben, und diesmal würdees die Jagd auf die GOI sein.

Captain Ahab fluchte noch eine Minutelang vor sich hin, ohne darauf zu achten, daßsich eine weibliche Person in seiner Näheaufhielt. Schließlich wurde er von Guckyunterbrochen.

»Nun hör schon auf damit, Ahab! Seifroh, daß alles gut gegangen ist und die an-deren eine Schlappe erlitten haben, die sienicht so schnell vergessen werden. DiesenJäger werden wir bestimmt einmal erwi-schen, und dann erhält er seine gerechteStrafe.«

»In der Hölle soll er schmoren«, äußerteAhab einen frommen Wunsch und beruhigtesich einigermaßen. »Programmiere den KursRichtung Eastside, Conter, StützpunktCLARK FLIPPER. Und dann nichts wie forthier!«

Gucky hatte sich in einem Sessel nieder-gelassen, der im Hintergrund der Komman-dozentrale stand. Es gab noch Dinge, überdie er nachdenken mußte, weil sie nicht völ-lig klar waren.

In erster Linie ging es da um Guang-Da-G'ahd.

*

Die OSFAR I startete problemlos, be-schleunigte mit Höchstwerten und glitt dannnoch innerhalb des Systems in den rettendenHyperraum. Nun würde es kaum noch mög-lich sein, sie aufzuspüren, zudem sich dieherbeieilenden Einheiten der Jägerbrigadeebenfalls noch im Hyperraum aufhaltenmußten.

Gucky, der scheinbar teilnahmslos in sei-nem Sessel den Abflug von Asporc verfolgthatte, in Wirklichkeit aber nach allen Regelnder Kunst zu espern versuchte, winkte derKartanin freundlich zu.

»Guang, ich möchte dir einige Fragenstellen. Komm her, nimm neben mir Platz.«

Sie stand auf und setzte sich in den Sesselneben ihm.

»Was möchtest du denn wissen, meinkleiner Freund?«

Captain Ahab, der das FlugkommandoConter überlassen hatte, gesellte sich zu ih-nen. Durch sein kurzes Gespräch mit derKartanin wußte er ja schon, was sie zu ihrem»Verrat« an ihm veranlaßt hatte.

Wenigstens glaubte er es genau zu wis-sen.

Gucky stellte eine entsprechende Frage,und sie erzählte ihm die gleiche Version, diesich ja nur recht wenig von der Wahrheit un-terschied. Aber gerade diese Wahrheit wares, die der Mausbiber herausfinden wollte.

Er esperte.»Mein scheinbarer Verrat an Ahab gab

mir die Möglichkeit, das Vertrauen des Jä-gers zu gewinnen, und ohne sein Vertrauenund seine Dankbarkeit mir gegenüber hätteer mich niemals zu euch gelassen, damit icheuch befreien konnte. Das wäre eigentlichalles.«

Ahab mischte sich ein:»Und du tatest es nur um meinetwillen,

Guang?«Sie zögerte einige Sekunden, dann schüt-

telte sie den Kopf.»Nicht nur, Ahab. Ich will ehrlich zu dir

sein und erwarte, daß auch du offen zu mirbist. Einen weiteren Verrat hast du ja nichtmehr zu befürchten, denn ich bin nun völligin deiner Hand. Ich muß Verbindung zurGOI aufnehmen, und nur du kannst mir da-bei helfen. Oder meinst du, ich wüßte nicht,daß du mit dieser Organisation zusammenar-beitest?«

Er starrte sie eine Weile forschend an, eheer sagte:

»Du hast es also schon die ganze Zeit ge-ahnt, Guang? Warum hast du mich nie direktdanach gefragt?«

»Ich war mir nicht sicher.«»Und dann warst du es auf einmal?«»Bis zu einem gewissen Grad – ja. Das

Eintreffen der Inspekteure und des Jägersgab mir schließlich die endgültige Gewiß-

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heit. Ich mußte schnell handeln.«Gucky, der das Gespräch aufmerksam

verfolgte und dabei esperte, hatte erheblicheSchwierigkeiten. Es waren Schwierigkeiten,wie er sie sonst nur selten erlebte. Zwarkonnte er die Gedanken der Kartanin emp-fangen, aber er konnte sie nur zum geringenTeil deuten und klar verstehen.

Immerhin empfing er Guang-Da-G'ahdsEmotionen ziemlich klar, und er wußte, daßer eine Lüge sofort identifizieren konnte.

»Guang«, fragte er, als eine Pause ent-stand, »warum legst du Wert darauf, mit derGOI Kontakt aufzunehmen? Du hattest eingutes Leben auf Asporc, das nun zu Endeist. Du bist wie Ahab ein Individuum, dasdurch die ganze Galaxis gejagt wird. Unddas nur, weil du wissen möchtest, wer dieGOI ist und wer dahintersteckt. Warum?«

Sie sah ihn offen an.»Ich bekam den Auftrag«, gab sie zu.»Einen Auftrag? Von wem?«Sie zögerte sichtlich. Überlegte sie eine

einleuchtend klingende Unwahrheit, oderwußte sie es selbst nicht? Wieder versuchteder Mausbiber vergeblich, einen klaren Ge-danken von ihr zu empfangen. Es wurdelangsam besser, tröstete er sich. Aber es ge-nügte noch lange nicht.

»Nun?« drängte er sie. »Von wem kamder Auftrag?«

Endlich bequemte sie sich zu einer Ant-wort:

»Von der Stimme.«Captain Ahab beugte sich vor.»Von was für einer Stimme, Guang?«Sie wirkte etwas hilflos, und Gucky er-

kannte, daß sie es auch war. Sie schauspie-lerte nicht. Möglichst sanft vergewisserte ersich:

»Ist es eine Stimme, die du hören kannst?Mental hören, meine ich natürlich.«

Sie nickte.»Nur mental! Aber ich höre sie auch nur

dann, wenn ich drei Tropfen Paratau in mei-ne Hand nehme. Dann spricht sie zu mir.Und ich antworte.«

Gucky entsann sich der seltsamen Menta-

limpulse, die er bei seiner Ankunft auf As-porc empfangen hatte und nicht zu deutenwußte. Sie hatten ihn in die Lage versetzt,die Kartanin halbwegs aufzuspüren. Aber erwar sich jetzt nicht mehr so sicher, ob er dieImpulse der rätselhaften »Stimme« oder jeneder Kartanin aufgefangen hatte.

»Aber du weißt nicht, wem diese Stimmegehört?« wollte Ahab es genau wissen.

»Nein. Ich habe nur Vermutungen.«»Welche?«»Ich glaube, die Stimme gehört den Ho-

hen Frauen meines Volkes.«Ganz deutlich könnte Gucky nun espern,

daß sie nicht log. Sie wußte es wirklichnicht.

Welches Interesse aber sollte das Volk derso weit entfernten Kartanin daran haben, daßihre Beauftragte in der Milchstraße Kontaktzu der Widerstandsbewegung gegen den So-tho aufnahm? War das ein gutes oder einschlechtes Zeichen. Hatten sie die Absicht,sich da einzumischen?

Gucky wußte es nicht, und die Kartanin –dessen war er sicher – wußte es auch nicht.Sie führte nur Befehle aus, ohne den Zweckzu erkennen.

»Was soll geschehen, wenn du die GOIgefunden hast?« Ahab überzeugte sich miteinem Seitenblick davon, daß der Mausbiberkonzentriert blieb und esperte. »Du hast jagehört, daß ich Conter das Ziel unseresFluges angegeben habe. Es ist der Stütz-punkt der GOI. Und ich möchte wissen, ichmuß sogar wissen, was deine Absichtensind, Guang!«

»Ich weiß es nicht, Ahab. Erst wenn ichKontakt aufgenommen habe, wird mir dieStimme weitere Anweisungen geben. Das istdie Wahrheit, glaube mir.«

Gucky entspannte sich.»Es ist in der Tat die Wahrheit – das kann

ich mit Sicherheit behaupten. Aber ob dieseStimme nun wirklich von den Hohen Frauenausgeht, das vermag ich nicht zu sagen. Esstimmt jedoch, daß Guang es auch nichtweiß, sie nimmt es lediglich an.«

Mehr sagte der Mausbiber nicht, aber er

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nahm sich vor, von nun an ständig auf derLauer zu liegen, bis die geheimnisvolleStimme wieder zu der Kartanin sprach. De-ren Gedankenimpulse waren im Verlauf desGesprächs immer deutlicher für ihn gewor-den. Er begann, außer Emotionen nun aucheinzelne Begriffe zu verstehen, und es konn-te nicht mehr lange dauern, bis keiner ihrerGedanken mehr unverständlich blieb.

Er vermutete außerdem, daß diese Stim-me, die über Millionen von Lichtjahren hin-weg zu der Kartanin »sprach«, nicht dieStimme der Hohen Frauen war.

Aber wer schickte die Impulse dann aus?Wer hatte ein Interesse an dem Kontakt

mit der GOI, und warum?»Wir sitzen jetzt alle drei in einem Boot«,

sagte er in das entstandene Schweigen hin-ein. »Und wir haben auch alle etwas ge-meinsam: Wir wissen nichts und können nurvermuten. Die Hohen Frauen des Volkes derKartanin verfolgen einen ganz gewissenZweck, wenn sie Guang beauftragten, dieGOI zu finden. Daß sie die GOI an den So-tho verraten wollen, dürfen wir wohl aus-schließen, denn das wäre gegen ihre eigenenInteressen. Fliegen wir also nach CLARKFLIPPER, stellen Guang als Vertreterin derKartanin vor – und warten, was passiert.«

Und er dachte bei sich, was er ohne Ab-hörgefahr tun konnte, da die Kartanin denParatauvorrat gut verschlossen in der Taschebei sich trug, daß er schon bald und noch vorErreichen des Stützpunkts herausfindenmußte, wer oder was die »Stimme« war, derGuang so bedingungslos gehorchte.

Captain Ahab erhob sich.»Komm mit, Guang, ich werde dir deine

Kabine zeigen. Wir sind noch nicht am Ziel.So ganz neu ist die OSFAR nun auch wiedernicht, aber ich werde sie überholen lassen,denn ich befürchte, daß mir in Zukunft auf-regende Zeiten bevorstehen. Man wird michjagen bis ans Ende der Galaxis – vielleichtnoch weiter.«

»Und das alles ist meine Schuld«, sagtedie Kartanin, und Gucky stellte fest, daß sieabermals die Wahrheit sprach.

Ahab kehrte nach wenigen Minuten zu-rück. Er setzte sich.

»Bist du nicht müde nach den ganzenAufregungen?«

»Zuerst habe ich Hunger und Durst«, be-kannte der Mausbiber. »Wie ist deine Kü-che?«

Ahab strahlte.»Du hast immer eine gute Idee auf Lager,

mein Freund. Und sei beruhigt, wir habeneine ausgezeichnete Küche an Bord. Sprin-ger haben immer einen guten Appetit, undwas meinst du, was passieren würde, gäbeich meinen Leuten den üblichen Konzentrat-brei, wie er in manchen Schiffen gang undgäbe ist? Der Koch würde gelyncht.«

»Hört sich gut an. Gehen wir.«Er watschelte voran, dicht gefolgt von

Ahab, der noch hinzufügte:»Es sind sogar eingefrorene frische Mohr-

rüben da.«Guckys Gesicht verriet Überraschung. Er

blieb stehen, hakte sich beim Springer einund teleportierte mit ihm direkt in den Ge-meinschaftsspeiseraum der OSFAR.

»Entschuldige, Ahab, aber nun halte iches keine Sekunde länger mehr aus. Her mitden kleinen Rübchen!«

»Eine besonders gute Züchtung. Mitglie-der der GOI beschäftigen sich in ihrer Frei-zeit damit. Gärtner aus Leidenschaft.«

Ein Springer kam und fragte nach ihrenWünschen.

Als er ging, um die Bestellung aufzuge-ben, meinte Gucky, dem bereits das Wasserim Mund zusammenlief:

»Ehrlich gesagt, die GOI wird mir immersympathischer.«

»Nur wegen deiner Leibspeise?«Der Mausbiber antwortete nicht, denn

schon von weitem sah er den Springer miteiner flachen Schüssel zurückkehren. Siewurde auf den Tisch gestellt.

Gucky lehnte sich zurück. Sein Magenknurrte laut und deutlich.

»Das dauert noch einige Zeit«, erklärteCaptain Ahab »In einer halben Stunde sindsie aufgetaut.«

46 Clark Darlton

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Der Ilt war davon überzeugt, daß ihm nochnie in seinem Leben eine halbe Stunde solang wie diesmal vorgekommen war.

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