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Der «schwierige» Patient -
Persönlichkeitsstörungen
Steffen Lau
Klinik für Forensische Psychiatrie
PUK Zürich
Der «schwierige» Patient -
Persönlichkeitsstörungen
https://www.youtube.com/watch?v=Q-0gi0hCefc
Was macht
Persönlichkeiten/Persönlichkeitsgestörte
“schwierig”?
• Langwierige Behandlungen
• Komplexe, aufwändige Behandlungen
• Anforderungen an die Professionalität
• Sozial schädliches Verhalten – Gefährlichkeit
“Abnorme Persönlichkeiten”
empfindliche Unsicherheitszone in der psychiatrischen
Systematik
früher gebrauchte Begriffe in diesem Feld • Neurose
• Psychopathie
• Triebstörung
• Charakteropathie
• Kernneurose
• Soziopathie
• Symptomneurose
• neurotischer Charakter
Persönlichkeit
die Summe aller psychischen Eigenschaften und Verhaltensbereitschaften, die dem Einzelnen seine eigentümliche, unverwechselbare Individualität verleihen, enthalten in Aspekten des
Wahrnehmens
Denkens
Fühlens
Wollens
Beziehungsgestaltung.
Persönlichkeit - The Big Five (zuletzt McCrae & Costa)
Persönlichkeitsstörung
Wenn durch Ausprägungsgrad und/oder die besondere Konstellation von psychopathologisch relevanten Merkmalen der zuvor genannten Bereiche erhebliche subjektive Beschwerden und/oder nachhaltige Beeinträchtigungen der sozialen Anpassung entstehen
Was heisst
„psychopathologisch relevant“?
• Es soll nicht lediglich abweichendes und sozial störendes Verhalten bezeichnet werden
• Es geht vielmehr um Auffälligkeiten mit erkennbarem Bezug zu psychopathologischen Symptomen bei psychischen Erkrankungen
Ideengeschichte 1 Französische Konzepte
Philippe PINEL Jean-Etienne ESQUIROL
Ideengeschichte 1 Französische Konzepte
• Pinel - „Manie sans délire“ (1809) • Beeinträchtigung der affektiven Funktionen bei
ungestörten Verstandeskräften
• Ätiologie: mangelhafte Erziehung vs. perverse, zügellose Veranlagung
• Esquirol – «Monomanielehre» (1838) • Veränderungen des Willens und der Gefühle bei
unbeeinträchtigter Intelligenz
• Überdehnung des Konzepts (Pyromanie, Kleptomanie, Erotomanie)
Ideengeschichte 1 Französische Konzepte, Weiterentw.
• Morel - Lehre von den Degenerationen (1857) • krankhafte Abweichungen vom normalen Bild des
Menschen durch schädliche Umgebungseinflüsse und weitergegebene Vererbung mit zunehmendem Schweregrad von Generation zu Generation bis zum Aussterben
• Magnan und Legrain (1895) • Disharmonie im Zusammenspiel der zerebrospinalen
Zentren hinzugefügt.
• Dupré - „Doctrine des Constitutions“(1925) • Konzept einer „Déséquilibration mentale“, einer hereditär
verankerten psychopathischen Degeneration
• Mit sozialdarwinistischem Gedankengut entstanden daraus später in Deutschland folgenschwere Ideologien hin zum „lebensunwerten Leben“ (Binding und Hoche, 1920)
Ideengeschichte 2 deutschsprachige Schulen
Julius Ludwig August KOCH Emil KRAEPELIN Ernst KRETSCHMER
Ideengeschichte 2 deutschsprachige Schulen
• Koch - „psychopathische Minderwertigkeiten“ (1891) • „psychisches Zwischengebiet“, erste Typologie
• „Minderwertigkeit“ ganz im Zusammenhang mit Degenerationslehre
• Kraepelin • Lehrbuch, ab 1883 Konzept der psychopathischen
Zustände im Sinne des heutigen Verständnisses, „psychopathischer Persönlichkeiten“ erstmalig in 7. Auflage (1903)
• Kretschmer (1921) • Konstitutionstypologie
• Reaktionstypologie
Ideengeschichte 2 deutschsprachige Schulen
Kurt Schneider –
„Die psychopathischen Persönlichkeiten“ (1923)
• deskriptiv-symptomatologische Beschreibung ohne soziologische Wertung
• Definition • Variationen oder Abweichungen
von einer uns vorschwebenden, aber nicht näher bestimmbaren Durchschnittsbreite
• unter der Abnormität psychopathischer Persönlichkeiten leiden die Betroffenen selbst oder die Gesellschaft
Ideengeschichte 3 Angelsächsische Konzepte
Benjamin RUSH (USA) James Cowles PRICHARD (GB)
Ideengeschichte 3 Angelsächsische Konzepte
• Rush - „moral alienation of the mind“(1812)
• Prichard - „moral insanity“(1835) • bei unbeeinträchtigtem Intellekt
antisoziales/dissoziales Verhalten
• Patridge - „sociopathy“ (1930)
• Henderson - der «aggressive Psychopath» (1939)
• Cleckley - „The Mask of Sanity“ (1941)
• Hare – Psychopathy Checklist Revised (1991)
psychoanalytische Charakterkunde
• Alexander - „neurotischer Character“ (1928) • ich-syntoner Psychopath vs. ich-dystoner Neurotiker
Persönlichkeitsstörungen in den
modernen Diagnosesystemen
Persönlichkeitsstörungen in den
modernen Diagnosesystemen
Die Clusterbildung des DSM
Cluster A:
Sonderbare, exzentrische Persönlichkeitsstörungen
• Paranoide
• Schizoide
• Schizotype
Cluster B:
Emotional instabile Persönlichkeitsstörungen
• Antisoziale
• Borderline-
• Histrionische
• Narzisstische
Cluster C:
Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörungen
• Vermeidend-selbstunsichere
• Dependente
• zwanghaft
Das Alternative DSM-5-Modell
für Persönlichkeitsstörungen 1. Funktionsniveau der Persönlichkeit
Mindestens mittelgradige Beeinträchtigung von
• Selbst
• Identität
• Selbststeuerung
• Nähe
• Interpersonelle Beziehungen
• Empathie
2. Eine beeinträchtigte Domäne
• Neg. Affektivität (vs. Emotionale Stabilität), 9 Facetten
• Verschlossenheit (vs. Extraversion), 6 Facetten
• Antagonismus (vs. Verträglichkeit), 6 Facetten
• Enthemmtheit (vs. Gewissenhaftigkeit), 5 Facetten
• Psychotizismus (vs. Adäquatheit), 3 Facetten
oder zwei beeinträchtigte Facetten (aus 24)
Krankheitsbeginn
1. ICD-10: in Kindheit /Jugend situationsübergreifend aufgetreten und zu deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen führend
2. DSM-IV: Persönlichkeitszüge müssen mind. 1 Jahr andauern, diss. nicht <18J.
3. Prävalenz unter psych. beh. Adoleszenten 50-60% (Becker 1999)
4. Prävalenz von PS bei Adoleszenten 15-20%, aber deutlicher Rückgang der Auffälligkeiten im Übergang zum Erwachsenenalter (Johnson 2000)
jungen Erwachsenen fällt die Anpassung an gesellschaftliche Normen leichter als Jugendlichen
in kritischen Lebensphasen gibt es Persönlichkeitsakzentuierungen, die bei erfolgreicher Bewältigung der Entwicklungsschritte zurückgehen (besser Adoleszentenkrise oder unreife Persönlichkeitszüge)
Kontinuum zwischen Verhaltensmustern in Ki/Jug und Erw (z.B. bei BPS), hier Diagnose PS in später Adoleszenz sinnvoll
Prävalenzdaten der
Persönlichkeitsstörungen (nach ICD-10)
Paranoid
Schizoid
Dissozial
Emotional instabil, impulsiver Typ
Emotional instabil, Borderline Typ
Histrionisch
Anankastisch
Ängstlich
Dependent
Andere
Irgendeine Persönlichkeitsstörung
2,4 %
1,8 %
1,8 %
4,5 %
14,9 %
4,3 %
1,8 %
15,2 %
4,6 %
6,8 %
39,5 %
Loranger et al. 1994: N=716 ambulante u. stat. psych. Patienten; 364 Männer u. 352 Frauen
Stabilität von Persönlichkeitsstörungsdiagnosen
Zwei-Jahres-Stabilität der Diagnose 40%-60%
Zwei-Jahres-Stabilität der Kriterien 28% bis 62%
Anzahl erfüllter Merkmale sank über die Zeit
Stabilität der Diagnose mässig
stabile Merkmalskonstellation mit wechselnder Dysfunktionalität
Differenzierung in zwei diagnostische Achsen umstritten
als unabhängig von der psychischen Erkrankung als Risikofaktor (risk model) als Vulnerabilitätsindikator (vulnerability model) als verschiedene Manifestationen oder Phasen des gleichen
zugrundeliegenden Krankheitsprozesses oder konstitutionellen Faktors (spectrum or subclinical model)
als Folge des klinischen Syndroms (complication oder scar model) als Modulatoren der psychopathologischen Phänomene als Modulatoren für den Krankheitsverlauf und –ausgang
(pathoplasty model) als Modulatoren für den Therapieverlauf
Persönlichkeitsstörungen werden betrachtet:
Hypothesen zum Zusammenhang
zwischen Persönlichkeitsstörungen
und klinischen Symptomen
Prinzipien der Konzeptualisierung
von Persönlichkeitsstörungen
• Affektsstörung
• Denkstörung
• Impulskontrollstörung
• Interaktionsstörung
• Abwehrstörung (Neurose)
• Dimensionale Störung
• Kategoriale Störung
• Erlebnisfolgestörung
Diagnostik Allgemeine Kriterien (ICD)
Es handelt sich um schwere Störungen der Persönlichkeit und des
Verhaltens der betroffenen Person, die nicht direkt auf eine
Hirnschädigung oder -krankheit oder auf eine andere psychiatrische
Störung zurückzuführen sind. Sie erfassen verschiedene
Persönlichkeitsbereiche und gehen beinahe immer mit persönlichen und
sozialen Beeinträchtigungen einher. Persönlichkeitsstörungen treten
meist in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und
bestehen während des Erwachsenenalters weiter.
• Schweregrad
• Lokalisation in Lebensbereichen
• Dauer
• Ausschlussdiagnose
Diagnostik
1. Bestimmung des Ausmasses der
Beeinträchtigung
2. Ausschluss anderer Ursachen
3. Typisierung der Auffälligkeiten in
• Denken
• Fühlen
• Impulskontrolle
• Interaktionsstile
• Beziehungsgestaltung
Diagnostik Typisierung
• Hilfreich ist die «verstehende» Analyse unterschiedlicher
Lebensbereiche
• Die Simulation von Alltagssituationen differenziert das komplexe
Zusammenspiel von Denken, Affekt, Interaktion und
Handlungskontrolle
• Keine voreiligen Schlüsse oder zirkuläre Argumentationen!
• Bleiben Sie kreativ in der Vorstellung, wie und warum Dinge von
Ihren Patienten gesehen und gestaltet werden.
• Denken Sie hypothesengeleitet
• Erst dann sollten Sie eine Typisierung wagen
• Testpsychologie kann helfen, ersetzt aber nicht die klinische
Urteilsbildung und schon gar nicht die kritische
Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
Diagnostik Verstehendes Vorgehen bei PS
• Wie sieht der Pat. sich selbst, die Umwelt, die Zukunft?
• Wie begegnet der Pat. der Welt, den Mitmenschen?
• Welches Gefühl oder welche Gefühlslage herrscht vor?
• Welche Ursachen haben fortgesetzte Probleme?
• Wie trifft der Pat. Entscheidungen und wie setzt er sie um?
Diagnostik Typisierung
Warum soviel Aufwand????
Das «Stigma»
der Diagnose Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsgestörte
• …verändern sich nicht.
• …sind schwierig zu behandeln.
• …wollen sich nicht verändern.
• …spalten.
• …könnten sich zusammennehmen, wenn sie nur wollten.
• …ärgern mich persönlich.
• …sind grenzüberschreitend und gefährlich.
Wichtige Aspekte
bei der Behandlungsplanung
Persönlichkeitsgestörter
• Diagnostik – Individuelles Fallverständnis (wir behandeln keine Diagnosen!)
– Behandlungsplanung und -prognose
>Welche individuellen Besonderheiten müssen im Fokus der Behandlung stehen und mit welcher Wahrscheinlichkeit lassen sie sich in welchem Zeitraum günstig beeinflussen?
• Festlegung der notwendigen Massnahmen Welche Massnahmen wären indiziert?
Kann der Pat. sie auch nutzen/bewältigen?
• Kontrolle der Behandlungsintegrität • Wie kann ich sicherstellen, dass alle „an einem Strang ziehen“ und
das gemacht wird, was geplant ist?
• Kontrolle des Behandlungserfolges Realistische Erfolgserwartung!
• Planung der weiteren Betreuung, „Rückfall“-Prävention
Grundprinzipien in der Behandlung
Persönlichkeitsgestörter
• Motivationsaufbau, abhängig von einzelnen Therapiezielen
• Etablierung der tragfähigen therapeutischen Beziehung
• Schaffung neuer Erfahrungsräume
• Förderung der gewünschten neuen Erlebens- und Verhaltensstile
• Redundante Therapieschleifen – der Pat. muss eingeschliffene und früher funktionale Stile ablegen und durch neue ersetzen
• durch Rückschläge nicht entmutigen lassen, in langen Veränderungszeiträumen denken, durch Teilziele Erfolgserleben fördern
• Zunächst Arbeit an leichter zugänglichen Phänomenen der Störung
• Die Arbeit an störungsfördernden Kognitionen und Emotionsmustern erst zu einem späteren Zeitpunkt
Leitfragen bei ausbleibendem
Therapieerfolg
• Richtige Diagnose? Richtiges Fallverständnis? Stimmt meine Auffassung des „Grundproblems“?
• Richtige Interventionen?
• Richtige „Passung“ für den Patienten? Motivation?
• Ausreichende Intensität der Interventionen?
• Ausreichende Dauer der Interventionen?
• Ausreichende Kontrolle der Behandlungsintegrität?
• Können Veränderungen auch ausreichend sichtbar gemacht werden?
Was macht
Persönlichkeiten/Persönlichkeitsgestörte
“schwierig”?
• Langwierige Behandlungen
• Komplexe, aufwändige Behandlungen
• Anforderungen an die Professionalität
• Sozial schädliches Verhalten – Gefährlichkeit
Paranoide
Persönlichkeitsstörung
Paranoide
Persönlichkeitsstörung
• Misstrauen und Argwohn
• Motive anderer werden als böswillig ausgelegt
• Verletzungen werden expansiv und rasch mit Gegenangriffen
und/oder mit lang anhaltender Feindseligkeit beantwortet
• sensitive Empfindlichkeit gegenüber Misserfolgen und vermeintlichen
Zurücksetzungen
• vermehrt kränkbar, emotional rigide, beharrlich und streitbar, dabei
humorlos, scheinbar gefühlsarm
• Fehler werden der Umgebung angelastet
• Denkschemata: „Ich kann niemandem vertrauen“, „Andere
versuchen, mich zu manipulieren“, „Andere Menschen wollen mich
erniedrigen oder verärgern“
Wichtigste Differentialdiagnose: Wahnhafte Störung
Schizoide
Persönlichkeitsstörung
Schizoide
Persönlichkeitsstörung • Gleichgültigkeit und Zurückhaltung im zwischenmenschlichen
Kontakt, Einzelgängertum
• sowie eingeschränkte emotionale Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit
• scheu, verschlossen, erscheinen gleichgültig gegenüber Äußerungen
von Lob oder Kritik
• starr, undurchdringlich, trocken, kalt
• Verschrobene Querköpfe, äußerungsarme Eigenbrötler
• kühle, innerlich fein differenzierte Aristokratentypen oder auch
zerfahrene, wurstige, gemütsstumpfe Sonderlinge
• Denkschemata: „Es geht mir besser, wenn ich alleine bin“,
„Beziehungen bringen Verwirrung mit sich“, „Was andere über mich
denken, ist gleichgültig“
Wichtigste Differentialdiagnose: leichte Formen der autistischen und der
Asperger-Störung
Schizotypische
Persönlichkeitsstörung
Dies ist keine Filmfigur…
Schizotype
Persönlichkeitsstörung • Störungen der Aufmerksamkeit, der selektiven Wahrnehmung und der
Filterung von Reizen, vermehrte Bezugssetzung durch eigentümliche
Auswahl und Bewertung von Informationen
• unklare, seltsame Ausdrucksweisen und eine abwegige Verwendung von
Worten (noch nicht Inkohärenz)
• Einzelgängerisch, fühlen sich in Gesellschaft unwohl
• Defizite im Gebrauch der üblichen Kommunikationsmechanismen wie
Augenkontakt, Körpersprache u. ä.
• ausgeprägte Furcht vor und Vermeidung von sozialen Situationen.
• häufig magische, esoterische und abergläubige Überzeugungen
• eigentümliche Verhaltensweisen, etwa in der Art, sich zu kleiden oder zu
bewegen
• Denkschemata : „Wenn fremde Menschen mich ansprechen, ist dies
furchtbar unangenehm“, „Wenn andere Menschen miteinander sprechen,
kennen die sich wahrscheinlich schon lange und wollen mich nicht dabei
haben“, „Ich gehöre nicht dazu“
Wichtigste Differentialdiagnose: schizophrene Störungen
Antisoziale
Persönlichkeitsstörung
Antisoziale
Persönlichkeitsstörung • dauerhafte und tiefgreifende Neigung, die Rechte anderer zu verletzen und
zu missachten
• geringe Introspektion und Selbstkritik,
• Mangel an Empathie, Gefühlskälte, Egozentrizität, überhöhter Anspruch,
• paradoxe Anpassungserwartung und Unter- bzw. Fehlbesetzung sozialer
Normen
• Impulsivität, Unzuverlässigkeit, Bindungsschwäche
• Mangel an Schuldgefühlen
• Denkschemata : „Andere Menschen sind schwach und verdienen es, dass
man sie ausbeutet“, „Wenn ich etwas haben möchte, sollte ich alles
Erforderliche tun, um es zu bekommen“, „Wir leben in einem Dschungel, in
dem der Stärkste überlebt“
Wichtigste Differentialdiagnose: Substanzmissbrauch
Emotional-instabile
Persönlichkeitsstörung
Borderline
Persönlichkeitsstörung • affektive Instabilität, übersensible Reaktivität gegenüber schon
niedrigschwelligen, aber emotional relevanten Reizen
• hohe Affektintensität, Neigung zu schnellen Affektwechseln
• Ambivalenz zwischen Bedürfnissen nach Bindung und einer gegenläufigen
Sorge um Autonomieverlust
• impulsive Selbst oder Fremdschädigung
• dysphorisch, ängstlich, ärgerlich
• chronisches Gefühle der Leere
• Instabilität des Selbstbildes und der Selbstwahrnehmung
• dissoziative oder (pseudo-)psychotische Symptome
• Denkschemata : „Die Welt ist gefährlich und böse“, „Ich bin hilflos und
machtlos“, „Ich bin von Natur aus unakzeptabel“
Wichtigste Differentialdiagnose: affektive Störungen
Histrionische
Persönlichkeitsstörung
Histrionische
Persönlichkeitsstörung • Abhängigkeit von äußerer Aufmerksamkeit, Bestätigung und Anerkennung,
• Suggestibilität und eine Neigung zur affektiven Labilität und Oberflächlichkeit
• Gespür für Atmosphäre, aber auch Hang zur Dramatisierung, Unechtheit und
Koketterie
• Mangel an gleichmäßig durchgehaltenen Zielen und Wertorientierungen mit
der Folge von Unbeständigkeit, insbesondere im zwischenmenschlichen und
partnerschaftlichen Bereich
• zielen darauf ab, anders und mehr zu erscheinen, als sie sind
• agierende Züge, wobei häufig ein ausgeprägter sekundärer
Krankheitsgewinn besteht
• Denkschemata : „Wenn andere mich nicht mögen oder bewundern, bin ich
ein Nichts“, „Gefühle und Intuition sind bei weitem wichtiger als rationales
Denken und Planen“, „Ich bekomme das, was ich möchte, wenn ich die
anderen blende oder amüsiere“
Wichtigste Differentialdiagnose: andere PS des Cluster B
Narzisstische
Persönlichkeitsstörung
Narzisstische
Persönlichkeitsstörung • Brüchiges Selbstwertgefühl
• Neigung in Phantasie und Verhalten zu Großartigkeit,
Überlegenheitsgefühlen und Verachtung anderer, Mangel an Empathie
• in hohem Masse kränkbar, dünnhäutig und überempfindlich gegenüber der
Einschätzung durch andere
• neigen dazu, andere unbewusst auszubeuten, wobei sie glauben, dass ihnen
aufgrund ihrer besonderen Qualitäten und Fähigkeiten auch eine besondere
Behandlung zusteht
• hohe Anspruchshaltung, starkes Bedürfnis nach Anerkennung und
Bewunderung
• Gefühle von Leere und Sinnlosigkeit
• soziales Unbehagen
• Denkschemata : „Niemand hat das Recht, mich zu kritisieren“, „Da ich
anderen überlegen bin, habe ich das Recht auf besondere Behandlung und
Privilegien“, „Andere Menschen sollten glücklich sein, dass sie meine
Bedürfnisse befriedigen dürfen“
Wichtigste Differentialdiagnose: hypomane Episode, Substanzkonsum
Anankastische
Persönlichkeitsstörung
Anankastische
Persönlichkeitsstörung • Gewissenhaftigkeit, Perfektionismus,
• Solidität und Normentreue, so überwertig, dass sowohl die berufliche
Produktivität als auch die zwischenmenschlichen Beziehungen darunter
leiden
• Strenge Ernsthaftigkeit und Rigidität
• starren, moralisch anspruchsvollen und prinzipientreuen Verhaltensmuster,
eigensinnig vertreten und den relevanten Bezugspersonen aufgenötigt
• Gefühle, Humor und Freude erscheinen suspekt und bedrohlich
• Denkmuster: „Wenn ich mich nicht 100%ig an meine Prinzipien halte,
versinke ich im Chaos“, „Die Welt ist schmutzig und konfus, nur bei mir ist es
sauber und ordentlich“, „Ich muss meine Gefühle vollkommen unter Kontrolle
haben“
Wichtigste Differentialdiagnose: Zwangsstörung
Vermeidend-selbstunsichere
Persönlichkeitsstörung • große Angst vor Zurückweisung und Ablehnung, Wunsch nach Zuwendung
• ständiges Bemühen, unangenehme Gefühle und Situationen, in denen
solche auftreten können, zu vermeiden
• unsicher, schüchtern, angespannt und ängstlich
• Minderwertigkeitsgefühle im sozialen Kontakt
• aus innerer Unsicherheit heraus nach außen krampfhaft ausgeglichen
• oder mit einem allzu sicheren Auftreten oder auffallendem Äußeren in
Erscheinung treten, aber dennoch ständig schlechtes Gewissen
• bei allem, was missglückt, zunächst die Schuld bei sich suchen
• Denkmuster: „Ich sollte Situationen, in denen ich Aufmerksamkeit errege,
aus dem Wege gehen oder möglichst unauffällig sein“, „Die unangenehmen
Gefühle werden zunehmen und außer Kontrolle geraten“, „Es wäre
unerträglich, wenn man meine Unsicherheit bloßlegen würde“
Wichtigste Differentialdiagnose: soziale Phobie
Dependente
Persönlichkeitsstörung • übermächtige Gefühl, nicht zu eigenständiger Lebensführung in der Lage zu
sein
• Selbsteinschätzung als hilflos und schwach
• in allen Lebenssituationen Suche nach Unterstützung durch andere,
insbesondere den Partner, ständige Angst vor Verlust und
Alleingelassenwerden
• kaum Bereitschaft, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen
• Bemühen um Anpassung und Nachgiebigkeit
• Denkmuster: „Ich bin hilflos, wenn ich mir selbst überlassen werde“, „Ich
kann keine eigenen Entscheidungen treffen“, „Ich darf nichts tun, was
meinen Unterstützer und Helfer kränken könnte“
Wichtigste Differentialdiagnose: geschlechtsspezifische Beurteilungsfehler
Zusammenfassung
Take Home Messages • Persönlichkeitsstörungen sind besser behandelbar als wir bisher dachten,
trotzdem ist eine gesunde Skepsis in Bezug auf den Behandlungserfolg
gerechtfertigt.
• Nehmen Sie sich genügend Zeit, …
• …auch um die Motivation des Pat. einzuschätzen: Wie weit ist er bereit zu
gehen?
• Nehmen Sie realistische Therapieziele ins Auge ohne pessimistisch zu sein.
• Fragen Sie sich bei (vermeintlichem?) Stillstand der Therapie, ob auf Seiten
der Therapeuten noch Optimierungsbedarf besteht.
• Reflektieren Sie ausreichend über das, was in der Therapie passiert
(Supervision der Behandlung und der Behandler)
• Bleiben Sie kreativ ohne unseriös zu werden
Dann kann ein Teil von «schwierigen» Behandlungen auch wieder «leichter»
werden.
Danke für die Aufmerksamkeit!