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292 | Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4/2017 stimmten einer Baugenehmigung nur zu, wenn das Erscheinungsbild keine katholi- sche Kapelle vermuten ließ. Daher gleicht das Äußere einem fast scheunenartigen Fachwerkbau. Dem lang gestreckten Kir- chenschiff ist zum Dorfplatz eine Loggia vorgelagert, die auf schlanken Holzsäulen ruht. Das Innere dagegen interessierte nicht. Daher findet man mit Kanzel, von Tragefiguren gestützten Altar mit üppi- gem Schnitzwerk und der ockergelb or- namentalen Wand- und Deckenmalerei eine reiche, in den Formen des ländlichen Frühbarocks gehaltene Ausstattung. Wäh- rend der Bauarbeiten verstarb Stechinelli. Im Celler Land konnte er als Katholik nicht begraben werden, seine letzte Ruhestätte fand er an der St. Magdalenenkirche in Hil- desheim. Abbildungsnachweis 1 Wikimedia Commons, losch; 2 Wikimedia Commons CC BY 3.0, Hajotthu. Hoheit und er nahm den wegen seiner spindeldürren Beine genannten Stechinelli mit nach Celle (von stecchino für Zahnsto- cher). Hier begann dessen glanzvoller Aufstieg: Kammerjäger des Herzogs, Hausbesit- zer, Handelsmonopol für Wein und Tuch, Landdrost, Inhaber mehrerer Amtssitze, Leitung des Postwesens in den welfischen Herzogtümern und Erwerb des Gutes Wieckenberg. Sehr geschäftstüchtig er- langte Stechinelli großen Reichtum. Höhe- punkt seiner Karriere war die Erhebung in den erblichen Reichsgrafenstand mit dem Titel „von Wickenburg“ durch Kaiser Leo- pold I. Stechinelli war Katholik und das in einem protestantischen Land. Für sein Seelenheil benötigte er ein Gotteshaus. So war die Errichtung einer katholisch konzipierten Kapelle auf dem Gelände des Gutshofes in Wieckenberg geplant. Aber so einfach war das nicht. Die Kirchenoberen in Win- sen (Aller) und wahrscheinlich der Herzog Der Junge aus Rimini Dietmar Vonend Rimini: Stadt an der italienischen Adria und ein Zentrum des Badetourismus. Schon in der Antike ein wichtiger Hafen, war sie in der Römerzeit Endpunkt der Rom mit der Adriaküste verbindenden Via Flaminia und etwas später auch Ausgangspunkt der bis nach Piacenza führenden Via Aemilia. In der Stadt wurde 1640 Francesco Maria Capellini geboren. Dessen Spuren führen nach Niedersachsen, nach Celle und vor allem nach Wieckenberg. Nach einer Legende hütete der arme Kna- be Schafe. Der oft den Karneval in Vene- dig besuchende Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg ritt an dem Feld vorüber und warf in den zum Gruß hochgehaltenen Hut des Jungen eine gro- ße Münze. Das müsse ein Versehen sein, dachte dieser und tauschte das Geldstück bei einem Kaufmann ein. Dann gab er die gewechselten Münzen dem Herzog zu- rück, damit dieser ihm eine kleinere Mün- ze geben könne. Das rührte die fürstliche 1, 2 Die Gutskapelle in Wieckenberg im Landkreis Celle lässt im Äußeren eher an eine Scheune denken. Im Inneren erstrahlt sie dagegen im barocken Glanz.

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292 | Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4/2017

stimmten einer Baugenehmigung nur zu, wenn das Erscheinungsbild keine katholi-sche Kapelle vermuten ließ. Daher gleicht das Äußere einem fast scheunenartigen Fachwerkbau. Dem lang gestreckten Kir-chenschiff ist zum Dorfplatz eine Loggia vorgelagert, die auf schlanken Holzsäulen ruht. Das Innere dagegen interessierte nicht. Daher findet man mit Kanzel, von Tragefiguren gestützten Altar mit üppi-gem Schnitzwerk und der ockergelb or-namentalen Wand- und Deckenmalerei eine reiche, in den Formen des ländlichen Frühbarocks gehaltene Ausstattung. Wäh-rend der Bauarbeiten verstarb Stechinelli. Im Celler Land konnte er als Katholik nicht begraben werden, seine letzte Ruhestätte fand er an der St. Magdalenenkirche in Hil-desheim.

Abbildungsnachweis

1 Wikimedia Commons, losch; 2 Wikimedia Commons CC BY 3.0, Hajotthu.

Hoheit und er nahm den wegen seiner spindeldürren Beine genannten Stechinelli mit nach Celle (von stecchino für Zahnsto-cher).

Hier begann dessen glanzvoller Aufstieg: Kammerjäger des Herzogs, Hausbesit-zer, Handelsmonopol für Wein und Tuch, Landdrost, Inhaber mehrerer Amtssitze, Leitung des Postwesens in den welfischen Herzogtümern und Erwerb des Gutes Wieckenberg. Sehr geschäftstüchtig er-langte Stechinelli großen Reichtum. Höhe-punkt seiner Karriere war die Erhebung in den erblichen Reichsgrafenstand mit dem Titel „von Wickenburg“ durch Kaiser Leo-pold I.

Stechinelli war Katholik und das in einem protestantischen Land. Für sein Seelenheil benötigte er ein Gotteshaus. So war die Errichtung einer katholisch konzipierten Kapelle auf dem Gelände des Gutshofes in Wieckenberg geplant. Aber so einfach war das nicht. Die Kirchenoberen in Win-sen (Aller) und wahrscheinlich der Herzog

Der Junge aus Rimini

Dietmar Vonend

Rimini: Stadt an der italienischen Adria und ein Zentrum des Badetourismus. Schon in der Antike ein wichtiger Hafen, war sie in der Römerzeit Endpunkt der Rom mit der Adriaküste verbindenden Via Flaminia und etwas später auch Ausgangspunkt der bis nach Piacenza führenden Via Aemilia. In der Stadt wurde 1640 Francesco Maria Capellini geboren. Dessen Spuren führen nach Niedersachsen, nach Celle und vor allem nach Wieckenberg.

Nach einer Legende hütete der arme Kna-be Schafe. Der oft den Karneval in Vene-dig besuchende Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg ritt an dem Feld vorüber und warf in den zum Gruß hochgehaltenen Hut des Jungen eine gro-ße Münze. Das müsse ein Versehen sein, dachte dieser und tauschte das Geldstück bei einem Kaufmann ein. Dann gab er die gewechselten Münzen dem Herzog zu-rück, damit dieser ihm eine kleinere Mün-ze geben könne. Das rührte die fürstliche

1, 2 Die Gutskapelle in Wieckenberg im Landkreis Celle lässt im Äußeren eher an eine Scheune denken. Im Inneren erstrahlt sie dagegen im barocken Glanz.