dem „schwarzen tod“ auf der spur - universität innsbruck · 2020. 5. 19. · dem „schwarzen...

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D em „Schwarzen Tod“ auf der Spur PEST: Eurac weist Bakterium „Yersinia pestis“ nach – Ausgrabungen in Brixen, Naturns und Telfs sollen in Forschungsprojekt einfließen I NNSBRUCK/BOZEN. Vor rund 400 Jahren wütete in Tirol die Pest. Jetzt konnte das Bakterium „Yersinia pestis“ von den Experten im Institut für Mumienfor- schung (Eurac) in Bozen un- ter der Leitung von Anthro- pologe Albert Zink nachge- wiesen werden. Ein grenz- überschreitendes For- schungsprojekt, bei dem Fundstätten in Nord- und Südtirol einbezogen werden sollen, ist bereits konzipiert. Die Forscher warten jetzt noch auf „grünes Licht“ vom Südtiro- ler Forschungsfonds. „Nachdem die Vorarbeiten so vielverspre- chend waren, sehe ich dafür gute Chancen“, sagt der Archäologe Harald Stadler vom Institut für Archäologie der Universität Innsbruck. Telfs war ein „Hotspot“ der Seuche, wo etwa 200 Menschen das waren rund 20 Prozent der Bevölkerung – starben. Nun wur- de bei einem Skelett, das bei der T elfer St. Moritzen-Kirche ausge- graben wurde, der Erreger des Schwarzen Todes“ molekularbi- ologisch nachgewiesen – für die Forscher ist damit erwiesen, dass es nicht etwa Typhus oder Fleckfieber war, dem 1634/35 so viele Menschen zum Opfer gefal- len sind, sondern die Pest. Der Archäologe Harald Stadler hat im Herbst 2018 eine Probegra- bung geleitet, die von Florian Messner und Nicole Mölk durch- geführt und vom Heimatbund Hörtenberg-Telfs mitfinanziert wurde. Der Nachweis des berüchtig- ten Erregers „Yersinia pestis“ ge- lang in einem Labor des Instituts für Mumienforschung (Eurac) in Bozen unter der Leitung des An- thropologen Albert Zink. Das Bakterium ist Auslöser für die Beulen- und Lungenpest. Sie wird von Ratten und Flöhen übertragen, die Menschen erla- gen der Krankheit innerhalb von Stunden oder Tagen. „Wir haben nicht das Bakteri- um selbst gefunden das ist längst abgestorben –, sondern seine Erbinformation, die DNA“, unterstreicht Frank Maixner, der die Laboranalysen zusammen mit Lena Granehaell vornahm. Identifiziert wurde der Hinweis auf den Todeskeim in einem Zahn. „In den stark durchblute- ten Zahnhälsen ist die Chance groß, auf DNA-Reste von Bakte- rien zu stoßen“, sagt Albert Zink. Bei der Sondierung in St. Morit- zen wurden u. a. 2 fast vollstän- dige Skelette geborgen, die wahr- scheinlich von einer erwachse- nen Frau und einem Mädchen stammen. Wie zu erkennen war, wurden die Toten in St. Moritzen ordnungsgemäß bestattet. Auch einige kleinere Funde wie Ro- senkranzperlen, Münzen, ein kleines Metallkreuz, geschmie- dete Nägel und Keramikscher- ben kamen in den Gräbern und im Umfeld ans Licht. Pestfriedhof Naturns/St. Prokulus mit einbeziehen Nach dem Erfolg der Vorun- tersuchungen hoffen die Wis- senschaftler jetzt, ein großes grenz- und fachübergreifendes Forschungsprojekts zum Thema Pest in Süd- und Nordtirol star- ten zu können. In das Projekt sollen Ausgrabungen aus Brixen und vom Pestfriedhof in Na- turns/St. Prokulus einbezogen werden, die Hans Notdurfter schon vor Jahren vorgenommen hat. Skelette von dort ausgegra- benen Pestopfern sind heute in Naturns im Museum zu sehen. Die bereits geborgenen und eventuell noch auszugrabenden Skelette werden nach dem Ab- schluss des Projekts wieder in würdiger Form an Ort und Stelle neu bestattet. © Alle Rechte vorbehalten Teile eines Puzzles, das den Forschern – einmal zusammengesetzt – Erkenntnisse über die Pestepidemie in Tirol liefern soll: die Ausgrabungen in Telfs (links) und Skelette vom Pestfriedhof in Naturns (rechts). Stefan Dietrich BILDER auf abo.dolomiten.it

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Page 1: Dem „Schwarzen Tod“ auf der Spur - Universität Innsbruck · 2020. 5. 19. · Dem „Schwarzen Tod“ auf der Spur PEST: Eurac weist Bakterium „Yersinia pestis“ nach – Ausgrabungen

Dem „Schwarzen Tod“ auf der SpurPEST: Eurac weist Bakterium „Yersinia pestis“ nach – Ausgrabungen in Brixen, Naturns und Telfs sollen in Forschungsprojekt einfließen

INNSBRUCK/BOZEN. Vorrund 400 Jahren wütete inTirol die Pest. Jetzt konntedas Bakterium „Yersiniapestis“ von den Experten imInstitut für Mumienfor-schung (Eurac) in Bozen un-ter der Leitung von Anthro-pologe Albert Zink nachge-wiesen werden. Ein grenz-überschreitendes For-schungsprojekt, bei demFundstätten in Nord- undSüdtirol einbezogen werdensollen, ist bereits konzipiert.Die Forscher warten jetzt nochauf „grünes Licht“ vom Südtiro-ler Forschungsfonds. „Nachdemdie Vorarbeiten so vielverspre-chend waren, sehe ich dafür guteChancen“, sagt der ArchäologeHarald Stadler vom Institut fürArchäologie der UniversitätInnsbruck.

Telfs war ein „Hotspot“ derSeuche, wo etwa 200 Menschen– das waren rund 20 Prozent derBevölkerung – starben. Nun wur-de bei einem Skelett, das bei derTelfer St. Moritzen-Kirche ausge-graben wurde, der Erreger des„Schwarzen Todes“ molekularbi-ologisch nachgewiesen – für dieForscher ist damit erwiesen,dass es nicht etwa Typhus oder

Fleckfieber war, dem 1634/35 soviele Menschen zum Opfer gefal-len sind, sondern die Pest. DerArchäologe Harald Stadler hatim Herbst 2018 eine Probegra-bung geleitet, die von FlorianMessner und Nicole Mölk durch-geführt und vom HeimatbundHörtenberg-Telfs mitfinanziertwurde.

Der Nachweis des berüchtig-ten Erregers „Yersinia pestis“ ge-lang in einem Labor des Instituts

für Mumienforschung (Eurac) inBozen unter der Leitung des An-thropologen Albert Zink. DasBakterium ist Auslöser für dieBeulen- und Lungenpest. Siewird von Ratten und Flöhenübertragen, die Menschen erla-gen der Krankheit innerhalb vonStunden oder Tagen.

„Wir haben nicht das Bakteri-um selbst gefunden – das istlängst abgestorben –, sondernseine Erbinformation, die DNA“,

unterstreicht Frank Maixner, derdie Laboranalysen zusammenmit Lena Granehaell vornahm.Identifiziert wurde der Hinweisauf den Todeskeim in einemZahn. „In den stark durchblute-ten Zahnhälsen ist die Chancegroß, auf DNA-Reste von Bakte-rien zu stoßen“, sagt Albert Zink.Bei der Sondierung in St. Morit-zen wurden u. a. 2 fast vollstän-dige Skelette geborgen, die wahr-scheinlich von einer erwachse-

nen Frau und einem Mädchenstammen. Wie zu erkennen war,wurden die Toten in St. Moritzenordnungsgemäß bestattet. Aucheinige kleinere Funde wie Ro-senkranzperlen, Münzen, einkleines Metallkreuz, geschmie-dete Nägel und Keramikscher-ben kamen in den Gräbern undim Umfeld ans Licht.

Pestfriedhof Naturns/St.Prokulus mit einbeziehen

Nach dem Erfolg der Vorun-tersuchungen hoffen die Wis-senschaftler jetzt, ein großesgrenz- und fachübergreifendesForschungsprojekts zum ThemaPest in Süd- und Nordtirol star-ten zu können. In das Projektsollen Ausgrabungen aus Brixenund vom Pestfriedhof in Na-turns/St. Prokulus einbezogenwerden, die Hans Notdurfterschon vor Jahren vorgenommenhat. Skelette von dort ausgegra-benen Pestopfern sind heute inNaturns im Museum zu sehen.

Die bereits geborgenen undeventuell noch auszugrabendenSkelette werden nach dem Ab-schluss des Projekts wieder inwürdiger Form an Ort und Stelleneu bestattet. © Alle Rechte vorbehalten

Teile eines Puzzles, das den Forschern – einmal zusammengesetzt – Erkenntnisse über die Pestepidemie inTirol liefern soll: die Ausgrabungen in Telfs (links) und Skelette vom Pestfriedhof in Naturns (rechts).

Stefan Dietrich

BILDER auf abo.dolomiten.it