delirmanagement und post-op betreuungskonzepte · diagnose beginn der alzheimerpathologie...
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Delirmanagement und post-op
Betreuungskonzepte
Stabstelle demenzsensibles Krankenhaus
Universitätsklinikum Münster
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Christopher Göpel
Fallreport
81-jährige Patientin, mediale Schenkelhalsfraktur, operativ versorgt
Seit 2 Tagen auf der Normalstation, zuvor mit Ehemann weitgehend
selbstversorgend
Gestern Abend erstmals unruhig, nimmt Medikamente nicht mehr ein,
weigert sich, das Zimmer aufzusuchen, aggressiv gegen Pflegekraft,
muss fixiert werden
In Visite vormittags geordnet, orientiert, antwortet kohärent
Diagnose: Delir
Im weiteren Verlauf ruhiger, zurückgezogen, wenig motiviert, z.T.
Verlaufen auf Station
Entlassung zum stat. rehabilitativem Aufenthalt
Dort erneute Verschlechterung der Orientierungsstörungen und
Aufmerksamkeit, Pat. psychomotorisch verlangsamt
Nach 4-wöchtiger Reha keine Entlassung häusliche Entlassung
möglich, Pat. wird dauerhaft in Pflegeeinrichtung versorgt
Fallreport
Fallreport
Epidemiologie der Demenz
Etwa 1,5 Mio. Demenzerkrankte in Deutschland
Verdoppelung bis etwa 2035
Erhebliche Kosten:
Derzeit werden 5,633 Milliarden € von den Krankenkassen für
Demenzerkrankte ausgegeben
Epidemiologie der Demenz
Anteil der
Demenzkranken an
Verstorbenen in 2009
Stat. Bundesamt; wegweiser-
demenz.de 2012
21.11.2017 Menschen mit Demenz im Krankenhaus
2005 waren bereits 48 % 60 Jahre und älter
2030 werden es über 55% sein
Was verschlechtert Demenz-
symptome?
Soziale Isolation
Neue Umgebung / Reizüberflutung
Hör/Sehstörungen
Immobilität
Fixierung
Dehydratation
Fieber/Infekte
Einige Medikamente / Schnelle
Medikamentenwechsel
Wenn bei Fieber noch Delirium hinzukommt,
dann ist der Patient verloren. (Hippokrates, 460 – 375 v. Chr.)
Das Delirium ist ein Notfall: Selbstgefährdung,
hohe Sterblichkeit, oft nicht reversible
Symptome und lange Hospitalisationsdauer. (Seiler, 2005)
Extremfall der Verschlechterung:
Das Delir
Definition nach DSM IV
Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
Globale Störung der Kognition (Gedächtnis,
Orientierung, Sprache, Auffassung)
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Zugrundeliegende zerebrale oder systemische
Erkrankung
Definition des Deliriums
Hirnorganisches
Psychosyndrom
Durchgangs-
syndrom Akute
Verwirrtheit
Akuter exogener
Reaktionstyp Multifaktorielle
Enzephalopathie
Postoperative
kognitive
Dysfunktion
Delir
Wie sehen delirante Patienten aus?
- Hyperaktiv
Patient unruhig, agitiert, oft Halluzinationen, Gefahr der
Selbstverletzung
- Hypoaktiv
Reduzierte Aktivität, Patient teilnahmslos, lethargisch,
ruhig
- Mischformen
Unvorhergesehener Wechsel hyper- und
hypoaktivem Muster
→ 21 %
→ 49 %
→ 29 %
Häufigkeit des Delirs
Um 35 % aller Patienten > 65 Jahre in konservativen
Fachabteilungen im Krankenhaus erleben ein Delir
20% - 60% aller älteren chirurgischer Patienten
Patienten mit Hüftfrakturen: 60%
Auf Intensivstationen: 100%
Etwa 50% deliranter Patienten sind dement
88% der Demenzpatienten
erleiden im Krankenhaus ein
Delir
längerer Krankenhausaufenthalt (Ø 20 vs. 9 Tage)
Sterblichkeit kurzfristig 20-fach erhöht
¼ der älteren Delirpatienten stirbt innerhalb v. 3-
4 Monaten
Symptome in nur 50% d. F. komplett reversibel
40% von zuvor selbstversor-
genden Patienten einen Monat
nach Entlassung dauerhaft
im Heim
Folgen des Delirs
Risikofaktoren für ein Delir
Alter
Kognitive Beeinträchtigung
„Funktionelle Beeinträchtigung“
Vor-Medikation (Bestehende Neuroleptika- und/oder
Benzodiazepin-Einnahme, Anticholinergika)
Durchgeführter Eingriff
Anämie
Renale und hepatische Funktion
Ausbildungsstatus
Raats et al. 2016; Dasgupta et al. 2014; Dasgupta et al. 2006; Fick et al. 2002; Dyer et
al. 1995; Fick et al. 2016
Risikofaktoren für ein Delir
Alter
Kognitive Beeinträchtigung
„Funktionelle Beeinträchtigung“
Vor-Medikation (Bestehende Neuroleptika- und/oder
Benzodiazepin-Einnahme, Anticholinergika)
Durchgeführter Eingriff
Anämie
Renale und hepatische Funktion
Ausbildungsstatus
Raats et al. 2016; Dasgupta et al. 2014; Dasgupta et al. 2006; Fick et al. 2002; Dyer et
al. 1995; Fick et al. 2016
Multifaktorielle Genese des Delirs
Mitgebrachte
Veranlagung Akute äußere
Einflüsse
Delir
Risikopatienten
finden
Einflüsse
kennen und
minimieren
Strukturiertes Vorgehen beim Delir
1. Unterscheiden: Verschlechterung Demenz vs. Delir
2. Nichtmedikamentöse Intervention prüfen /
Grund behandeln
3. Spezifische medikamentöse Therapie einleiten
4. Kontinuierliches klinisches Monitoring
Wann beginnt die Erkrankung?
Alzheimerdemenz
Menge d
er
Am
ylo
id-A
bla
geru
ngen
Alter
Amyloid-
Ablagerungen
Neurokognitive Leistung
Zeitpunkt der
Diagnose
Beginn der Alzheimerpathologie
Alzheimerdemenz Alzheimererkrankung
Menschen mit Demenz im Krankenhaus
Strukturiertes Vorgehen beim Delir
CAM (Confusion Assessment Method)
Stabstelle demenzsensibles Krankenhaus Umsetzung von demenzsensiblen Versorgungskonzepten am UKM
1. Demenzscreening
2. Pharmazeutische Aufnahme
Etablierung eines „pharmazeutischen Aufnahmebogens“ (Stations-spezifisch)
Frage nach delirogenen Medikamenten, Plausibilität, Dosierung, Wechselwirkung und
Verträglichkeit kritisch überprüfen.
3. Direkte Patientenbetreuung
Begleitung von Risikopatienten zum/nach dem OP (UCH) bzw. zu invasiven therapeutischen
oder diagnostischen Prozeduren (UCH und Med D)
Delirmonitoring (CAM)
4. Mitarbeiterschulung
Gestaffelte Schulung, getrennt nach ärztlichen und pflegenden Mitarbeitern.
a): Basisschulung aller Mitarbeiter (Umfang 2x90 min), Whgl. alle 6 Monate
b): Schulung von zu bestimmenden „Multiplikatoren“ (1-2/Station), Besuch von
Workshops und umfängliche hausinterne Schulung
5. Demenzvisite
Etablieren einer festen, interdisziplinären Visite bei ausgewählten Patienten (1x Woche)
Einrichten einer tel. „Demenz-Hotline“
6. Etablieren eines standardisierten Delirmanagements
Teamleitung
4 speziell
ausgebildete
Pflegekräfte
1 FachArzt/Ärztin
Neurologie/Psychiat
rie
Begleitung von Risikopatienten
Demenz- und Delirscreening
Dokumentation
Direkte Ansprechpartner auf Station
Durchführung und Planung interner
Fortbildungen
Beratung pflegender Angehöriger
Koordination ehrenamtlicher Kräfte
Koordination akuter Maßnahmen
Organisation des personellen
Einsatzes
Durchführung interdisziplinärer
Visiten
Durchführung spezifischer
Untersuchungen
Ansprechpartner bei medizinischen
Fragen
Besetzung des Hotline-Telefons
Durchführung und Dokumentation
Pharmazeutische Aufnahme
Begleitung von Visiten der
Risikopatienten
Ansprechpartner bzgl. med.
Delirmanagements
Ansprechpartner Controlling/
Dokumentation/Kostenkontrolle
Fachliche und organisatorische Leitung des Projektes
Mitarbeiterschulung
Anpassen und Verändern konzeptioneller Ausrichtungen
Ansprechpartner für Abteilungsleiter und Klinikleitung
Umsetzung des demenzsensiblen
Versorgungskonzeptes am UKM
1 Pharmazeut/in
Ehrenamtliche
Kräfte (auch BuFD,
FSJ)
Begleitung von Risikopatienten
Kognitive Aktivierung (Vorlesen,
Aufklären über Aufenthalt,
Einsetzen spezifischer Toolbox)
Beratung durch Leitung
der ...
Klinischen Pharmakologie
Unfallchirurgie
Anästhesie
Psychiatrie
Pflegedirektion
Sozialdienst
Patiententransport
Krankenpflegeschule
Etablierung eines „pharmazeutischen Aufnahmebogens“
(Stationsspezifisch)
Frage nach delirogenen Medikamenten, Plausibilität,
Dosierung, Wechselwirkung und Verträglichkeit kritisch
überprüfen
Pharmazeutische Aufnahme
Therapie des Delirs
- Behandlung der inhaltlichen Denkstörungen
- Behandlung der psychomotorischen Unruhe
Therapie des Delirs
- Behandlung der inhaltlichen Denkstörungen
Delir ohne Demenz
Haloperidol, initial 2x1mg p.o.
Tgl. Monitoring Delirsymptome (z.B. CAM)
Wenn Besserung: Nä. Tag Dosis halbieren,
wenn weiterhin Besserung: Haldol beenden
Cave: Keine i.v. Applikation ohne Monitor
Keine Haldol-Bedarfsmedikation
Keine langfristige Therapie
Delir mit Demenz
Risperidon, initial 2x0,5mg p.o.
Tgl. Monitoring Delirsymptome (z.B. CAM)
Wenn Besserung: Nä. Tag Dosis halbieren, wenn
weiterhin Besserung: Risperdal beenden
Cave: Keine Bedarfsmedikation
Keine langfristige Therapie
Therapie des Delirs
- Behandlung der psychomotorischen Unruhe
Wenn psychomotorisch unruhig zusatzlich:
Melperon (besser steuerbar, HWZ 6h), initial 25mg-0-50mg p.o.
Pipamperon (HWZ 20h), initial 20mg-0-40mg p.o.
NUR wenn orale Applikation nicht mo glich:
- Benzodiazepine, z.B. Lorazepam i.v. in 2mg Schritten
- alternativ Diazepam i.v. in 5mg Schritten
Therapie des Delirs
- Bei Tag/Nachtumkehr bzw. Schlaf/Einschlafstörungen
Keine Benzodiazepine! Keine Z-Substanzen! (Cave!: s.o.)
- Mirtazapin, initial 7,5-15mg z.N.
- Alternativ Agomelatin (Valdoxan) 25-50mg z.N.
(Leberwertkontrollen)
- Alternativ Circadin (Melatonin) 2mg ret. abends
wenn Schlafsto rung v.a. durch psychomotorische Unruhe:
- z.B. Melperon 0-0-25mg-50mg
Prophylaxe eines Delirs
• Schmerzen vermeiden • Schmerzmittelgabe vor Mobilisation
• Schmerzmittelreserve ausschöpfen
• Wahrnehmung fördern (Hörgerät/Brille)
• Kommunikation • Maßnahmen erklären
• Berührungen gezielt einsetzen
• Sicherheit und Reorientierung geben
• Früh mobilisieren
• Ernährung normalisieren • Enegrydrinks
• Zahnprothese einsetzen
• Flüssigkeit bilanzieren
• Dehydratation vermeiden und konsequent behandeln
• Über/Unterstimulation beenden • Bezugsperson/pflege
• Angehörige einbinden
• Zimmerwechsel vermeiden
• Aktivierung, z.B. Radio/Fernseher gezielt einsetzen
Kooperation mit Patiententransport
Spezielle Schulung bestimmter Mitarbeiter
Elektronische „Markierung“ von Risikopatienten
Systematische Begleitung der Risikopatienten
Delirmanagement im perioperativen Setting
• Op- Schleuse und Einleitung
Re-orientierung Elibox
Kommunikation anpassen
Respectare (Entspannung)
• OP
Einsatz von Anästhesieverfahren überprüfen
Periduralanästhesie
• AWR
Hilfsmittel unbedingt zurück
Schmerzmanagement (Schmerzdienst)
Beratung pflegender Angehöriger
Einzel- und Familienberatungsgespräche
Pflegetrainings bereits während des
stationären Aufenthaltes im UKM
Individuelle Pflegetrainings Zuhause
Pflegekurse
Umsetzung eines demenzsensiblen
Versorgungskonzeptes
Systematisches
und valides
Screening auf
Delirrisko
Medikamentöse
und nicht-
medikamentöse
Delirprävention
Delir-
management
Versorgungs
-konzepte
nach
Entlassung
Prävention medizinischer Nachteile bei
älteren Patienten im Krankenhaus