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Makromol. Chem. 178,2785-2797 (1977) Hoechst AG, D 6230 Frankfurt (M) 80 Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus Verteilung und Ausscheidung bei Mausen Karl-Friedrich Muck, Othmar Christ und Hans-Martin Kellner (Eingangsdatum: 6. Oktober 1976*)) SUMMARY: Isopropyl acrylat~-2,3-'~C and isopropyl acryIat~-2,3-~H were polymerized using anionic initiators. The isotactic polymers were fractionated by fractional precipitation and characterized. The polymer fractions were hydrolysed to polyacrylic acids by trifluoroacetic acid. Aqueous solutions of these radioac- tive labelled polyacrylic acids were injected intravenously to mice in amounts of 40 to lCOmg/kg. Distribution in organs and the excretion were studied. About two thirds of the dose were excreted within the first two days with a half-life of about 0,s days. Further excretion took place with a half-life of about six weeks. Distribution in the organism was not uniform; the highest concentrations were found in spleen, bones, and liver, i.e. organs being parts of the reticuloendothelial system. A relationship between organ concentration and molecular weight of the polyacrylic acid was only observed in the spleen. Nine weeks after injection about 10% of the dose were still retained in the organism, mainly in the skeleton. 1. Einleitung Polyacrylsauren zeigen wie andere Polyanionen besonders nach prophylaktischer Gabe im Tier einen antiviralen Effekt'). Diese prophylaktische Schutzwirkung kann nach einer einmaligen intraperitonealen Verabreichung von 3 mg pro kg Korpergewicht in der Maus bis zu acht Wochen anhalten". Die chemotherapeutische Wirksamkeit ist stark abhangig vom mittleren Molekulargewicht, von der Molekulargewichtsverteilung und vom sterischen Aufbau der Polyme- ren. Isotaktische Polyacrylsauren besitzen die beste Wirkung. Neben einer Interferoninduktion beruht diese Wirkung vor allem auf einer zusatzlichen Stimulierung anderer antiviraler Mechanis- men, wobei besonders das reticuloendotheliale System eine wesentliche Rolle spielt3). Bisher war wenig iiber eine Beziehung zwischen der Langzeitwirkung dieser Substanzen und ihrer Verweilzeit im Organismus bekannt. Wegen der einfachen und empfindlichen Nachweismoglichkeit wurden die zu untersuchenden Praparate radioaktiv markiert, und zwar entweder mit Tritium oder mit Kohlenstoff-14. Mit den beiden Markierungsformen sollte kontrolliert werden, ob bei den Verteilungsuntersuchungen im wesentlichen die intakten Poly- acrylsauren erfaBt werden. Ein weitergehender Abbau der Polymeren lieR namlich unterschied- liche Ergebnisse fur beide Markierungsformen erwarten. *) Revidiertes Manuskript vom 17. 1. 1977.

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Makromol. Chem. 178,2785-2797 (1977)

Hoechst AG, D 6230 Frankfurt (M) 80

Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus

Verteilung und Ausscheidung bei Mausen

Karl-Friedrich Muck, Othmar Christ und Hans-Martin Kellner

(Eingangsdatum: 6. Oktober 1976*))

SUMMARY: Isopropyl acrylat~-2,3- '~C and isopropyl acryIat~-2,3-~H were polymerized using anionic initiators.

The isotactic polymers were fractionated by fractional precipitation and characterized. The polymer fractions were hydrolysed to polyacrylic acids by trifluoroacetic acid. Aqueous solutions of these radioac- tive labelled polyacrylic acids were injected intravenously to mice in amounts of 40 to lCOmg/kg. Distribution in organs and the excretion were studied. About two thirds of the dose were excreted within the first two days with a half-life of about 0,s days. Further excretion took place with a half-life of about six weeks. Distribution in the organism was not uniform; the highest concentrations were found in spleen, bones, and liver, i.e. organs being parts of the reticuloendothelial system. A relationship between organ concentration and molecular weight of the polyacrylic acid was only observed in the spleen. Nine weeks after injection about 10% of the dose were still retained in the organism, mainly in the skeleton.

1. Einleitung

Polyacrylsauren zeigen wie andere Polyanionen besonders nach prophylaktischer Gabe im Tier einen antiviralen Effekt'). Diese prophylaktische Schutzwirkung kann nach einer einmaligen intraperitonealen Verabreichung von 3 mg pro kg Korpergewicht in der Maus bis zu acht Wochen anhalten". Die chemotherapeutische Wirksamkeit ist stark abhangig vom mittleren Molekulargewicht, von der Molekulargewichtsverteilung und vom sterischen Aufbau der Polyme- ren. Isotaktische Polyacrylsauren besitzen die beste Wirkung. Neben einer Interferoninduktion beruht diese Wirkung vor allem auf einer zusatzlichen Stimulierung anderer antiviraler Mechanis- men, wobei besonders das reticuloendotheliale System eine wesentliche Rolle spielt3).

Bisher war wenig iiber eine Beziehung zwischen der Langzeitwirkung dieser Substanzen und ihrer Verweilzeit im Organismus bekannt. Wegen der einfachen und empfindlichen Nachweismoglichkeit wurden die zu untersuchenden Praparate radioaktiv markiert, und zwar entweder mit Tritium oder mit Kohlenstoff-14. Mit den beiden Markierungsformen sollte kontrolliert werden, ob bei den Verteilungsuntersuchungen im wesentlichen die intakten Poly- acrylsauren erfaBt werden. Ein weitergehender Abbau der Polymeren lieR namlich unterschied- liche Ergebnisse fur beide Markierungsformen erwarten.

*) Revidiertes Manuskript vom 17. 1. 1977.

Tab.

1.

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Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus

2. Versuchsergebnisse

2787

2.1. Polymercharakterisierung

Zur Untersuchung der Verteilung und Ausscheidung von Polyacrylsauren im tierischen Orga- nismus wurden radioaktiv markierte Polyacrylsauren hergestellt. Hierzu wurden Acrylsaure(2,3- 14C)isopropylester bzw. A~ryls;iure(2,3-~H)isopropylester ionisch polymerisiert. Die isotaktischen Polymerisate wurden von ataktischen Anteilen gereinigt und einer Fallfraktionierung unterwor- fen. Die erhaltenen Fraktionen, die nach Protonenresonanzspektren zu 95 % isotaktisch aufgebaut waren, wurden sauer verseift. In Tab. 1 sind die Polymerisationsbedingungen und die charakteri- stischen GroDen der Polymerfraktionen zusammengestellt.

GPC-Daten fur die 3H-markierten Fraktionen waren wegen der hohen spezifischen Radioakti- vitat nicht zu gewinnen, weil diese Untersuchungen nur auDerhalb eines Kontrollbereiches durchgefuhrt werden konnten.

2.2. Tierversuche

Bei den zunachst durchgefuhrten Versuchen mit 3H-markierten Polyacrylsauren starben einige Tiere interkurrent. Da dies immer die schwachsten Tiere waren, wurde als wahrscheinlich angenommen, daD sie durch starkere Tiere an einer ausreichenden Futteraufnahme gehindert worden waren. Deshalb wurde bei den spateren 14C-Versuchen fur jedes Tier ein eigener Futtervorsatz in den Stoffwechselkafig eingebaut. Daraufhin uberlebten alle Mause, die mit Polya~rylsaure-2,3-'~C-Fraktionen bis zum Molgewicht 32 800 behandelt worden waren, die gesamte Versuchsdauer und verhielten sich unauffallig. Tiere, denen in zwei unabhangigen Versuchen die Polyacrylsaurefraktion 200 F 1 (MG 83400) appliziert worden war, starben alle zwischen 24 und 48 h nach Injektion. Bei der Sektion waren mit Ausnahme von postmortalen Veranderungen makroskopisch keine Auffalligkeiten festzustellen.

2.2.1. Organverteilung

Die Verteilung der injizierten Polyacrylsaurefraktionen wurde in Milz, Knochen, Leber, Nieren, Muskulatur, Gehirn und Blut in Abhangigkeit von der Zeit bis maximal 64 Tage nach Injektion gemessen. Die MeBwerte fiir die Fraktionen 100 F 2 und 300 F 2, die am ausfuhrlichsten untersucht worden sind, sind in Tab. 2 zusammengestellt. Die Verteilung im Organismus ist nicht gleichmaDig, die hochsten Konzentrationen treten in Organen des reticu- loendothelialen Systems (RES) wie Milz, Knochen und Leber auf. Die Abbn. 1 4 geben die Konzentrationen in den einzelnen Geweben in Abhangigkeit von der Zeit an. Beide Markierungs- formen brachten ahnliche Ergebnisse.

Milz

Die Milz wurde als ganzes Organ in Form einer einzigen MeDprobe untersucht. Der prozentuale Fehler (Standardabweichung dividiert durch Mittelwerte x 100) bewegte sich bei 20%, die Streuung war also innerhalb der einzelnen Tiergruppen nicht sehr groD. In Abb. 1 ist eine Tendenz zu ansteigenden Gewebespiegeln bei zunehmendem Molgewicht der Polymerfraktionen

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Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus 2789

zu beobachten. Etwa 2 Wochen nach Injektion traten die maximalen Gewebekonzentrationen auf. Die Elimination vollzog sich langsam. Bei hohen Molgewichten lagen die maximalen Konzentrationen zwischen 180 und 300 pg/g, bei niedrigen bei 5-6 pg/g.

Abb. 1. Zeitabhangigkeit der Konzentration in der Milz nach intravenoser lnjektion von 40 mg ( + 100 mg auf 40 mg umgerechnet) isotaktischer Polya~rylsaure-~H bzw. -14C pro kg Korpergewicht an Mausen. Die Zahlen hinter 'H bzw. I4C in den Abbn. geben die Molgewichte der Fraktionen ge- maiB Tab. l an

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Stellvertretend fur das Skelett wurde der Oberschenkelknochen (Femur) in Form einer Probe gemessen. Die durchschnittliche Streuung innerhalb einer Gruppe betrug 13 %. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Polymerfraktionen waren gering. Ein Maximum trat nicht auf. Die Konzentrationen bewegten sich eine Woche nach Injektion zwischen 30 und 601g/g und in der achten Woche noch um 20pg/g. Aus der Steigung der Kurven in Abb. 2 laat sich eine Halbwertszeit von etwa 10 Wochen abschatzen.

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Abb. 2. Zeitabhangigkeit der Konzentration im Femur nach intravenoser lnjektion von 40 mg ( + 100 mg auf 40 mg umgerech- net) isotaktischer Polyacrylsaure- 3H bzw. -14C pro kg Korperge- wicht an Mausen

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Die Leber wurde in 3 bis 6 MeBproben zerschnitten. Die Verteilung der Radioaktivitat in der Leber war homogen. Innerhalb einer Tiergruppe war der prozentuale Fehler der MeBergeb- nisse im Durchschnitt 15%. Nach einem plateauartigen Verlauf iiber 2-3 Wochen war eine

2790 K.-F. Muck, 0. Christ und H.-M. Kellner

schnellere Elimination als beim Knochen festzustellen ( t 5 0 z4 Wochen). Eine Molekularge- wichtsabhangigkeit ist in Abb. 3 nicht zu erkennen. Die Gewebskonzentrationen lagen zu Versuchsbeginn bei 10 bis 50pg/g und bei Versuchsende zwischen 3 und 20pg/g.

Abb. 3. Zeitabhangigkeit der Konzentration in der Leber nach intravenoser Injektion von 40 mg (+ 100 mg auf 40 mg umgerech- net) isotaktischer Polyacrylsaure- 3H bzw. -14C pro kg Korperge- wicht an Mausen LEBER

2.

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Nieren

Die beiden Nieren eines Tieres wurden getrennt gemessen, es zeigten sich nur geringe Unter- schiede. Innerhalb einer Tiergruppe wiesen die MeBergebnisse eine durchschnittliche Streuung von 17% auf. Die Konzentrationen waren etwa ein Viertel bis halb so hoch wie in der Leber. In der ersten Woche war eine etwas schnellere Ausscheidung zu beobachten, dann war die Konzentrationsabnahme kaum von der der Knochen zu unterscheiden (Abb. 4).

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NIEREN

Zeit in Tagen 10 20 30 40 50 60

Muskulatur

Abb. 4. Zeitabhangigkeit der Konzentration in den Nieren nach intravenoser Injektion von 40 mg (+ 100 mg auf 40 mg umgerech- net) isotaktischer Polyacrylsaure- 3H bzw. -I4C pro kg Korperge- wicht an Mausen

Als reprasentativ fur die Skelettmuskulatur wurde ein Teil der Oberschenkelmuskulatur entnommen. Im Unterschied zu den anderen Geweben ergaben sich hier beim selben Tier zum Teil recht groBe Inhomogenitaten. Trotzdem 1aBt sich aus der Summe aller Daten fur

Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus 2791

die Muskulatur eine weit geringere Konzentration ablesen als fur die bisher genannten Gewebe. Sie lag zwischen 1 und 7pg/g in der ersten Woche und bei 0,4 bis 2pg/g in der achten Woche. Der Konzentrationsverlauf entspricht dem der Leber, jedoch sind die Absolutwerte um den Faktor 10 niedriger (Abb. 5).

Abb. 5 . Zeitabhangigkeit der Konzentration in der Oberschen- kelmuskulatur nach intravenoser Injektion von 40 mg ( + 100 mg auf 40 mg umgerechnet) isotakti- scher Polya~rylsaure-~H bzw. -I4C pro kg Korpergewicht an Mausen

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Die Konzentrationen waren hier noch einmal um den Faktor 10 geringer als in der Muskulatur (Abb. 6). Lediglich Fraktion 300 F 2 (MG 18200) zeigt etwas hohere Werte.

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Abb. 6 . Zeitabhangigkeit der Konzentration im Gehirn nach in- travenoser Injektion von 40 mg ( + 100 mg auf 40 mg umgerech- net) isotaktischer Polyacrylsaure- 3H bzw. -14C pro kg Korperge- wicht an Mausen

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2192 K.-F. Muck, 0. Christ und H.-M. Kellner

Diese in ausgewahlten Organen und Geweben erhaltenen Befunde wurden durch die autoradio- graphischen Aufnahmen in den Abbildungen 7a+ untermauert. Es ist an Hand des Schwarzungs- grades deutlich zu erkennen, dalj die Polymerkonzentrationen in Organen wie Niere, Magen und Darm zeitlich wesentlich schneller abnehmen als in Organen des RES. Daruber hinaus zeigen die Bilder, daR bei den quantitativen Messungen die Bereiche mit wesentlichen Anreiche- rungen erfaRt worden sind. Beide Markierungsarten geben in den Autoradiogrammen gleiche Verteilungsmuster.

Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus 2793

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Abb. 7a-c. Ganztierautoradiogramme (zwei verschiedene Schnittebenen) von Mausen nach i. v. In- jektion von 40 mg/kg Polyacryl~aure-~~C a) ein, b) 7 und c) 14 Tage nach Applikation. Expositions- zeit 12 Tage

2.2.2. Ausscheidung

Der Verlauf der Elimination mit Kot und Urin wurde nach Injektion von Polyacrylsa~re-~H eingehend verfolgt, und zwar durch Untersuchung der taglichen Ausscheidung bis maximal 64 d. Wie Abb. 8 am Beispiel von Fraktion 300 F 3 (MG 11 000) zeigt, erfolgte die Elimination in zwei Phasen mit Halbwertszeiten von 10h und 41 d, rnit Fraktion 300 F 1 (MG 63200) wurden 14h und 44d gemessen. Der langsame ProzeB spiegelt die lange Verweildauer fur einen Ted der Dosis im Organismus wider.

Der EinfluB des schnellen Prozesses war so groB, daB innerhalb der ersten Woche ca. 90% der bis 9 Wochen insgesamt ausgeschiedenen Radioaktivitat den Korper verlassen hatte. Das war gleichbedeutend rnit 63 bis 81 % der Dosis (Tab. 3).

Mit Hilfe der gemessenen Gewebespiegeln wurden die bei der Totung im Organismus der Tiere befindlichen prozentualen Anteile der injizierten Radioaktivitat abgeschatzt. Fur die Muskulatur Wurde rnit einem Anteil am Korpergewicht von 40%, fur das Skelett rnit 15% und 20% gerechnet. Dabei ergaben sich die in Tab. 3 angefiihrten Geweberiickstande. Zusammen mit den in den Ausscheidungen wiedergefundenen Anteilen fiihrt dies fur die ‘‘C-Versuche zu Bilanzen zwischen 79 und 106% (Mittelwert 95%) und fur die 3H-Versuche zu 93 bis 11 3 % (Mittelwert 101 %).

2794 K.-F. Muck, 0. Christ und H.-M. Kellner

Abb. 8. Ausscheidung rnit Urin und Kot in Abhangigkeit von der Zeit nach intravenoser Injektion von 100 mg isotaktischer Polya~rylsaure-~H (MG 1 1 000) pro kg Korpergewicht an Mausen; t S 0 = Halb- wertszeiten

3. Diskussion

Die beschriebenen Versuche sollten AufschluB uber die Verteilung und die Verweilzeit von Polyacrylsauren im Mauseorganismus geben. Untersuchungen zur moglichen Biotransformation dieser Polymeren wurden nicht durchgefuhrt. Aus den vorliegenden Daten laBt sich aber ableiten, daB die Polyacrylsauren im wesentlichen unverandert im tierischen Korper gespeichert werden. Die mit beiden Markierungsformen erhaltenen Ergebnisse stimmen namlich in den wesentlichen Befunden gut uberein. Da bei einem starkeren Abbau der Polymerketten im Organismus im Falle der 3H-Markierung groBere Anteile des Tritiums aus dem Molekul eliminiert worden waren, deutet diese Ubereinstimmung auf eine hohe Stabilitat der Polyacrylsauren im Organismus der Maus hin. Auch die praktisch vollstandigen Versuchsbilanzen stutzen diese Vermutung, denn bei einer starkeren Metabolisierung hatte ein nicht zu vernachlassigender Teil des Tritiums im Korperwasser erscheinen mussen und hatte sich bei dem gewahlten Aufarbeitungsverfahren dem Nachweis entzogen.

Innerhalb der ersten Tage nach i. v. Injektion der Polyacrylsauren wurde ungefahr zwei Drittel der Dosis rnit einer Halbwertszeit von ca. 0,5 d ausgeschieden. Die weitere Exkretion erfolgte mit einer Halbwertszeit von ca. 6 Wochen wesentlich langsamer. Die Verteilung im Organismus war sehr unterschiedlich. Dabei war eine Abhangigkeit vom Molgewicht nur in der Milz deutlich, in der als einzigem Organ oder Gewebe auch eine Konzentrationszunahme bis in die zweite Woche hinein festzustellen war. Zu dieser Zeit bestanden hier in Abhangigkeit vom Molgewicht der Polyacrylsauren Konzentrationen zwischen 5 und 300 pg/g. Wegen des

Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus 2195

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2796 K.-F. Muck, 0. Christ und H.-M. Kellner

geringen Anteils der Milz am Korpergewicht hatte dies keinen erkennbaren EinfluB auf den Verlauf der Ausscheidung.

Ein wesentlich umfangreicheres Depot stellte bei Konzentrationen zwischen 20 und 60 pg/g das Skelett dar, gefolgt von der Leber. Die Abbn. 7a-c zeigen, daB die Verteilung im Knochen nicht gleichmaoig war, sondern daB die Epiphysen bevorzugt waren.

Die hohen und persistierenden Anreicherungen in Milz, Knochen und Leber, also Geweben, die zum reticuloendothelialen System gehoren, stehen im Einklang rnit der beobachteten langan- haltenden antiviralen Wirksamkeit der Polyacrylsauren.

4. Experimenteller Ted

4.1, Tiermaterial und Versuchsbedingungen

Die fur die Untersuchungen verwendeten mannlichen weiDen Mause waren bei Applikation zwischen 20 und 35 g schwer. Sie stammten aus werkseigenen Zuchtanlagen.

Es wurden maximal 5 Tiere in einem Stoffwechselkafig gehalten, die Mause hatten freien Zugang zu Futter (@Altromin R Fa. Altrogge, Lage) und Wasser. Die Temperatur der Stoffwechselraume betrug 22

Kot und Urin wurden gemeinsam gesammelt. Die Kafige wurden bei den Versuchen mit 'H-markiertem Material taglich und bei den 14C-Versuchen alle 7 Tage griindlich mit Methanol/Wasser ausgespult.

P o l y a c r y I s a ~ r e - ~ ~ C wurde in physiologischer Kochsalzlosung, gegebenenfalls unter Zugabe von etwas Natronlauge, gelost und nach Neutrallsation rnit verdunnter Salzsaure intravenos in eine Schwanzvene injiziert. Die Dosierung betrug einheitlich 40mg pro kg Korpergewicht.

P~lyacrylsaure-~H wurde in Wasser gelost und in Dosierungen von 4&100 mg/kg Korpergewicht igtravenos in eine Schwanzvene injiziert.

Nach zuvor festgelegten Zeiten wurden die Mause durch Kopfschlag betaubt und durch Entbluten getotet.

1 "C, die relative Luftfeuchte lag zwischen 60 und 65 %.

4.2. Probenzubereitung und MePtechnik

Fur die Radioaktivitatsmessung nach dem Flussigkeitsszintillationsverfahren diente eine zur Kol- loidbildung geeignete Mischung aus Xylol, einem Polyathoxyathanol*) und Athanol mit 1,170 PPO (2,5-Diphenyloxazol) und 0,1% Dimethyl-POPOP [1,4-Bis-(4-Methyl-5-phenyl-2-oxazolyl)benzol]. Das Verhaltnis der waDrigen Proben zur Szintillationsflussigkeit war stets so gewahlt, daD klare homogene MeDlosungen vorlagen. Quenchkorrekturen erfolgten rnit Hilfe einer externen Standardeinrichtung nach der Kanalverhaltnismethode.

Das tritiumhaltige biologische Material wurde zunachst an der Luft getrocknet. Damit sollte evtl. durch 'H-Elimination aus dem markierten Molekiil freigesetztes Tritium, das in solchen Fallen praktisch quantitativ im Korperwasser vorliegt, entfernt werden. Die getrockneten Proben wurden dann in einem Tri Garb@-Verbrennungsautomaten (Packard Instr. Comp.) verbrannt. Analog 'wurden I4C-haltige Aus- scheidungsprodukte und Knochen aufgearbeitet. I4C-haltige Organe und Gewebe sowie Blut wurden in Digestin@ (Merck, Darmstadt) aufgelost. Verfarbungen lieBen sich rnit Perhydrol@ beseitigen.

In entsprechender Weise wurde biologisches Material unbehandelter Tiere zur Ermittlung der Nullwerte prapariert und gemessen.

Zur Herstellung von Ganztierautoradiogrammen wurden die Mause unmittelbar nach Totung in Trockeneis/Aceton bei ca. - 65 "C tiefgefroren und rnit einem Jung K-Mikrotom (Jung AG, Heidelberg) bei - 20°C in verschiedenen Korperebenen geschnitten. Nach Gefriertrocknung erfolgte die Exposition auf DuPont X-Ray Screen Film 817 TA.

*I Bestandteil einer werkseigenen Szintillatormischung, vergleichbar mit z. B. @Unisolve

Das Verhalten von isotaktischen Polyacrylsauren im Organismus 2797

4.3. Herstellung und Polymerisation der Acrylester

a ) A~ry lsaure-2 ,3-~H-isopropyles ter : In einem 30 ml Rundkolben werden mit einer modifizierten Wilz- bach-Apparatur 1,2 ml frisch destillierter Propiolsaureisopropylester, 151 mg Lindlar-Katalysator und 10 ml absoluter Diathylather vorgelegt und mit flussigem Stickstoff eingefroren. Die Apparatur wird evakuiert und mittels einer Toplerpumpe werden 20 Ci Tritiumgas in das ReaktionsgefaB uberfuhrt. Das Reaktionsgemisch wird aufgetaut und 2 h bei Luftkuhlung geruhrt; dann wird in Gegenwart von 184 ml Wasserstoffgas in etwa 6 h die partielle Hydrierung zu Ende gefuhrt. Das Restgas wird abgepumpr und das Reaktionsgemisch mit 2,Oml inaktivem Acrylsaureisopropylester und mit 0,5 g Hydrochinon versetzt. Der Diathylather wird bei Normaldruck abgezogen und der A~rylsaure-2,3-~H-isopropylester i. Vak. destilliert; Kp 3 W O " C (2@50 mmHg).

Der erhaltene Ester besitzt eine spezifische Aktivitat von 4,O Ci/ml, die chemische Reinheit betragt 95% und die radiochemische Reinheit liegt bei uber 99%.

b ) AcrylsU~re-2,3-'~C-isopropylester: Natriurna~rylat-2,3-'~C wurde nach bekannter Vorschrift4-*) hergestellt. 1,17g(12,5 mmol)(6,5 mCi/mmol) davon werden bei 190°C mit 5 ml Phosphorsauretriisopropyl- ester" unter RuckfluR umgesetzt. Beim Erhitzen auf 220°C Badtemperatur destilliert Acryl~aure-2,3-'~C- isopropylester ab. Der Rohester wird anschlieBend bei 60°C Badtemp. und 250 mmHg fraktioniert. Die Hauptfraktion ist noch stark mit Isopropanol verunreinigt. Durch Behandlung mit Calciumhydrid und dreifacher Destillation im Hochvakuum durch Phosphorpentoxid-Trockenrohre wird ein reines Produkt erhalten. Ausb.: 650 mg (5,7 mmol, 46%). Spezifische Aktivitat: 6,5 mCi/mmol. GC-Reinheit: 98 %.

c) Die experimentellen Bedingungen zur Polymerisation von Acrylsaureisopropylester, zur Aufarbeitung und Charakterisierung der Polyacrylate sowie zur Hydrolyse zu Polyacrylsauren haben wir an anderer Stelle beschrieben").

Unser Dank gilt den Herren Dr. Berngruber und Dr. D. Gantz fur die Synthese, Dr. K . Lotzsch fur die Analytik der markierten Monomeren, Dr. E . Duch fiir die Gelpermeationschromatogramme und Dr. F . Cauagna fur die Protonenresonanzspektren der Polymerisate, sowie Frau Chr. Kotter fiir die Anfertigung der Autoradiogramme.

') E. De Clercq, P. De Somer, Life Sci. 7, 925 (1968) 2 , E. De Clercq, P. De Somer, Appl. Microbiol. 16, 1314 (1968) 3, Th. C. Merigan, M. S. Finkelstein, Virology 35, 363 (1968); A. Billiau, J. J . Muyembe, P. Be

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