das verhalten der sinneszellen der cristae ampullares vom meerschweinchen nach experimenteller...

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Archiv Ohren- usw. tteilk, u. Z. Hals- usw. Heilk. 179, 473--497 (1962) =&usdem Aaatomischen Institut der Universit~t Tfibingen (Direktor: Prof. Dr. E. TO~UTTI) Das Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom ~Ieerschweinchen nach experimenteller Reizung des Bogengangsystems Von U. ]~ERKLE Mit 10 Textabbildungen (Eingegangen am 26. Miirz 1962) Naehdem es NEUB]~RT zum ersten Male gelungen war, durch die experimente]le Beschallung yon Meerschweinehen funktionelle Kern- schwellungen und -schrumpfungen an den Sinneszellen des Cortischen Organs zu erzeugen, lag der Gedanke nahe, entspreehende Versuehe aueh am Vestibularorgan anzustellen. Die Aufgabe dieser Arbeit liegt also darin, nach einer entspreehenden experimentellen Reizung die Cristae ampu]lares zu priifen, ob und in welehem MaBe Ver~nderungen an den Sinnesepithelien, insbesondere funktionelle Kernschwellungen und -sehrumpfungen, ausgelSst werden kSnnen. Zuvor ist zu bemerken, dab das Labyrinth des Meerschweinehens in seiner Topographie yore mensehliehen Organ abweieht, und zwar in folgenden Einzelheiten. Die L~ngsachse des Felsenbeins bildet mit der Sagittalen einen etwas kleineren Winkel a]s beim Menschen, n~mlieh 30--40 ~ Ferner steht die Ebene des oberen Bogenganges zur Sagittalen in einem naeh vorne offenen Winkel yon etwa 20 ~ Der seitliehe Bogen- gang aber liegt, wie K~ISTE~SSON (1954) betont, in der Ruhehaltung des Kopfes horizontal. Dazu erkl~rt W~R~ER, dal~ der seitliche Bogengang bei den verschiedenen Species die ,,Tendenz" habe, die ,,horizontale Lage ira Labyrinth und Sch~del weitgehend beizubehalten". Ein funk- tioneller Zusammenhang wird aber yon ibm in Abrede gestellt; er ver- mutet vielmehr, dal~ die ,,Ebene des lateralen Bogenganges dureh die Lage des Recessus utriculi bedingt" sei (1960, S. 125). Zu den topographischen Daten des Bogengangsystems gehSrt auch die ungef~hre Kenntnis der Winkel zwischen den drei Bogengangs- ebenen, die einige ~ltere Autoren an Korrosionsprs bestimmten. So betr~gt nach BERG (1903) bei den von ihm untersuehten S/~ugerarten der Winkel zwisehen den Ebenen des vorderen und hinteren Bogengangs etwas mehr als 90 ~ zwischen vorderer und seitlicher Ebene liegt er daffir etwas unter 90 ~

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Page 1: Das Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen nach experimenteller Reizung des Bogengangsystems

Archiv Ohren- usw. tteilk, u. Z. Hals- usw. Heilk. 179, 473--497 (1962)

=&us dem Aaatomischen Institut der Universit~t Tfibingen (Direktor: Prof. Dr. E. TO~UTTI)

Das Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom ~Ieerschweinchen nach experimenteller Reizung

des Bogengangsystems Von

U. ]~ERKLE

Mit 10 Textabbildungen

(Eingegangen am 26. Miirz 1962)

Naehdem es NEUB]~RT zum ersten Male gelungen war, durch die experimente]le Beschallung yon Meerschweinehen funktionelle Kern- schwellungen und -schrumpfungen an den Sinneszellen des Cortischen Organs zu erzeugen, lag der Gedanke nahe, entspreehende Versuehe aueh am Vestibularorgan anzustellen. Die Aufgabe dieser Arbeit liegt also darin, nach einer entspreehenden experimentellen Reizung die Cristae ampu]lares zu priifen, ob und in welehem MaBe Ver~nderungen an den Sinnesepithelien, insbesondere funktionelle Kernschwellungen und -sehrumpfungen, ausgelSst werden kSnnen.

Zuvor ist zu bemerken, dab das Labyr inth des Meerschweinehens in seiner Topographie yore mensehliehen Organ abweieht, und zwar in folgenden Einzelheiten. Die L~ngsachse des Felsenbeins bildet mit der Sagittalen einen etwas kleineren Winkel a]s beim Menschen, n~mlieh 30--40 ~ Ferner steht die Ebene des oberen Bogenganges zur Sagittalen in einem naeh vorne offenen Winkel yon etwa 20 ~ Der seitliehe Bogen- gang aber liegt, wie K~ISTE~SSON (1954) betont, in der Ruhehal tung des Kopfes horizontal. Dazu erkl~rt W~R~ER, dal~ der seitliche Bogengang bei den verschiedenen Species die , ,Tendenz" habe, die ,,horizontale Lage ira Labyr inth und Sch~del weitgehend beizubehalten". Ein funk- tioneller Zusammenhang wird aber yon ibm in Abrede gestellt; er ver- mute t vielmehr, dal~ die ,,Ebene des lateralen Bogenganges dureh die Lage des Recessus utriculi bedingt" sei (1960, S. 125).

Zu den topographischen Daten des Bogengangsystems gehSrt auch die ungef~hre Kenntnis der Winkel zwischen den drei Bogengangs- ebenen, die einige ~ltere Autoren an Korrosionsprs bestimmten. So betr~gt nach BERG (1903) bei den von ihm untersuehten S/~ugerarten der Winkel zwisehen den Ebenen des vorderen und hinteren Bogengangs etwas mehr als 90 ~ zwischen vorderer und seitlicher Ebene liegt er daffir etwas unter 90 ~

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474 U. ME~LE:

Zwar ~Srd man nicht zweifeln, dab dem Bauplan der drei in den l~aum greffenden Bogeng~nge eine Bedeutung ffir die Funktion und ihre Auf- teilung zukommt, es ist jedoch fraglieh, ob die individuellen Spielarten und die artunterschiedliehen Lageverh/~ltnisse fiir die Funktion erheblich shad. Von daher gesehen konnte die Versuehsanordnung solehe Einzel- heiten unberficksichtigt lassen.

In jedem Bogengang des h/~utigen Labyrinthes bilden Ampulla membranacea, Crista ampullaris und Cupula eine morphologisehe und funktionelle Einheit. Daher werden diese Gebilde nach einem Vorschlag yon WE~NnR unter dem Begriff , ,Ampullenorgan" zusammengefal~t.

Untersuchungsmaterial und Methodik Es wurden die Cristae ampullares yon 12 normalen und 27 experi-

mentell behandelten m/~nnlichen Meerschweinchen histologisch unter- such~ und ausgewertet. Die Tiere waren 6- -7 Woehen alt und wogen etwa 150--160 g.

a) Reizung des Ampullenorgans dutch alternierende Drehung Die experimentelle Beanspruehung der Bogeng/s erfolgte durch

eine alternierende Drehung, da eine gleichfSrmige, abgesehen yon Beginn und vom Ende der Drehbewegung, zu keinem adaequaLen Reiz des Bogengangsystems ffihrt. Daher wurde fiir unsere Untersuehungen ein Ger/~ gebaut, das folgendermaBen arbeitet.

Eine waagrecht liegende Drehscheibe wird yon einem Elektromotor fiber ein Schwungrad und eine Pleuelstange in eine alternierende hori- zontale Links-Reehts-Drehbewegung (Drehaehse also: senkreeht) ver- setzt. Der Winkel, d.h. das Ausmal~, um das die alternierenden Links- Rechts-Drehungen erfolgen, ist verstellbar. Bei allen Versuehen wurde ein Drehwinkel yon 40--45 ~ (Horizontaldrehung) oder yon 30 ~ (Kipp- bewegung) eingehalten. Aueh die Frequenz der Drehung 1/~Bt sieh regulieren; es wurde eine solche yon stets 85 Links-Rechts-Drehungen/ Minute gew/ihlt.

Durch einige wenige Handgriffe kann die Pleuelstange so eingebaut werden, da$ sich die Drehseheibe um eine horizontale Achse hin- und herdreh~ uad somit Kippbewegungen maeht.

Die l~eerschweinehen kamen in einen Pappkarton vorl soleher GrSSe, dal~ ihnen eine Bewegung nicht mSglich war. Der Kopf wurde dutch eine zus~tzliehe Zellstofflage fixler~. Die Meerschweinehen verhielten sieh fibrigens in fas~ allen F~llen ruhig. Bei der Horizontaldrehung verlief die senkreehte Drehachse dureh den Kopf.

Bei tier al~ernierendea Vorw~rts-Riickw~rts-Drehung (= Kippung, 30 ~ Frequenz 60/min) wurden die Tiere so befestig$, dab die Bogeng/inge etwa 2 em fiber der waagrechten, dureh die Drehseheibe ffihrenden Drehachse lagen.

b) Reizung des Ampullenorgans durch Spi~lung des diufieren Geh6rgangs Der /iul~ere GehSrgang wurde mi~ 25 cm a Wasser yon 12--14 ~

Tempera tur 2--21/~ rain gespiil$, in einer 2. Versuehsserie mit 40 em a

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinehen 475

Wasse r der g M e h e n T e m p e r a t u r 4~/2--5 min lang. Der K o p f des Tieres be fand sich dabe i in hor izon ta le r Lage, also n ieh t in de r sogenannten Opt imals te l lung . A n den Augen t r a t e n dann le ieht zuckende bis fein- schls uncha rak te r i s t i s che Bewegungen auf, aber ke in deu t l i cher N y s t a g m u s .

Da Narkotica Keraver~nderungen an Nervenzellen und Sinneszellen hervor- rufen kSnnen, wurden die Meersehweinchen nach den Versuchen sofort dekapitier~, und zwar immer zwisehen 10 und 12 Uhr vormittags.

c) Isolierung und histotechnische Behandlung der Crista ampullaris I n s inngem~ger A b w a n d l u n g der P r e p a r a t i o n der Cochlea und der

B a s i l a r m e m b r a n m i t Cor t i sehem Organ (MERKLE) ge l ingt es, wenn aueh sehwieriger, die Ampu l l eno rgane zu pr~par ieren .

Die Seh~delk~lotte wird mit dem Gehim abgetragen, dann naeh HMbierung der Basis cranii jedes Felsenbein ,,herausgesch~lt". Die an dessen Unterseite hervor- tretende Bulla tymp~nica-- das ist der um die Cellulae mastoideae erweiterte Mit~el- ohrr~um der Nagetiere -- wird yon der Muskulatur befreit und vom Boden her er6ffnet. Dann wird auch die seitliehe Wand der Bulla einschlieBlieh Trommelfell, Hammer und AmboB breit weggenommen. Die weitere Orientierung ist nicht zu sehwierig, da beim Meerschweiaehen die Cochlea und ein Teil der CanMes semi- circulares ossei in die Bull~ hineinragen (Abb. 1); allerdings empfiehlt es sich, yon nun an eine Priiparierlupe zu beniitzen. Nach Erttfernung der Schneckenspitze dringt man durch die Fenestra cochleae (rotunda) mit einer rein zugespitzten Pr~pariernadel etwas in die Scala tympani vor und sprengt die Kuochenkapsel des Anfangsteiles der Basalwindung vorsichtig ab. Da sieh auf solche Weise der Peri- und Endolymphraum der Sctmecke welt erSffnen ]assen, vermag die Fixierungs- flfissigkeit rasch in das Labyrinth einzudringen. Schliel31ich beseitigt m~a auch noch teilweise, zu gleichem Zwecke, die diinne Knochenlamelle der Prominentia canalis semicircularis lateralis mit einer stumpfen Pr~pariernadel.

0 h n e das L a b y r i n t h vor der F ix i e rung so lehe rmagen zu erSffnen, w/iren, wie auger W]~RN~ (1940) aueh FERNANDEZ (1958) be ton t , se lbst bei raseher Arbei~ pos tmor t a l e Ver/ inderungen, besonders a m Sinnesepi thel , zu beff irchten. Der Arbe i t sgang beansp rueh te vom Beginn des Pr/~parierens bis zum Ein legen in die F ix ie rungs l6sung - - naeh Ane ignung einer gewissen F e r t i g k e i t - - fi ir beide Fe lsenbeine n ich t mehr als 4 - - 5 rain. Diese Ze i t spanne wurde s te t s e ingehal ten, da fiir alle ver- g le ichenden ka ryome t r i s chen Un te r suchungen k o n s t a n t e Verh/ i l tnisse f/Jr Vorbehandlung , F ix i e rung und F/~rbung erste Vorausse tzung sind. Aus dem Sehr i f t t um is t dies h in re ichend bekann t .

Die Fixierung erfolgt in Bouinscher LSsung ffir 24 Std bei Zimmertemperatur zwischen 17 und 21~ anschliegend wird in 80~ Alkohol gut ausgewaschen.

Nunmehr mfissen die hautigen Ampullen unter dem Pr~ipariermikroskop frei- gelegt werden. Dabei empfiehlt es sieh, das Prgparat, welches noeh im 80~ Alkohol liegt, der ,,NormMhaltung" des Kopfes entspreehend zu orientieren (wie in Abb.1), d.h. den Canalis semicircularis laterMis in die Horizontale zu bringen. Folgt man nun der schon teilweise erSffneten Prominentia eanalis semieircularis lateralis nach rome, so lggt sich ar~ ihrem vorderen Ende die Ampulla ossea erken- nen, die sich mig der Ampulla ossea der ,,Prominentia" des aufsteigenden Canalis

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476 U. MERKLE :

semieireularis super ior vereirSg~ ( A b b . l b ) . A m ,,Con]tuens p r o m i n e n t i a r u m " finden sich dann zwei kleine sehwarze Flecke, die durch den dfin~en K n o c h e n durchseheinen. Es sind die Pigmen~felder beider Cristae, die hier Ms sehr gute Merk-

Abb. la u. b. 1)aries labyrinthicus (Innenwand) der rechten Bulla tympanica, 1V[eerschweinchen. Ansicht yon laSeral nach Abtragung der seitlichen Wand. Orientierung des Bildes der ,,normalen" ]~:opfhaltung

entsprechend a Vergr. i2fach. 1 Canalis semicircularis superior ( = anterior) ; I a Ampulla ossea ; 2 Cochlea; 3 Stapes (Malleus und Incus wurden entfernt); 3a Sehne des h][. stapedius; 3b Gelenkfl~che der Articulatio incndostapedia; 3c ;Yfembrana stapedis in der Fenestra ~r (ovalis); 4 Fenestra cochleae

(rotunda); 5 Tuba auditiva

male der Orient ierung dienen. Die wei~ere En t f e rnung des Knochens h in ter dem Pigmentfeld der Ampul la l~teralis und iiber dem Pigmen~feld der Ampul la superior

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Verhal ten der Sinneszellen der Cristae ampul la res vom Meerschweinchen 477

geht mi t der Pr~par iernadel leieht vor sieh, da die Bouin-Fix ierung die iiberM1 diinnert Knochenlamel len schort wei tgehend entka lk t hat . Nach dem behu~samen Absprengen nieht zu groger Knochenst i iekchen gelingg es meist, die beiden eng-

kbb. lb. Vergr. 10fach. l Canalis semieireularis superior; la Ampulla ossea; 2 Prominentia eanalis semi- cireularis lateralis; 2 a Ampulla ossea; 3 Cochlea; 4 SteUe, an der das Pigmentfeld der Crist~ arapullaris posterior durchscheint; 5 Fenestra cochleae (rotunda); 6 Fenestra vestibuli (ovalis). ~L stapedius und Steigbtigel wttrden entfernt, man erkennt noch die quer durch das ovale Fenster laufende Knochenspange; 7 i'r tensor tympani, seinen kn6chernen Kanal verlassend, kurz vor seiner nach lateral umbiegenden Sehne durchtrennt; 8 Tuba auditiva; 9 N. facialis, bier freigelegt und dttrchtrenn~

benaehbar~en Ampul lae membranaeeae superior et lateralis unbeseh~digt aus ih rem K n o c h e n b e t t zu 15sen, yore Utr ieulus zu t r ennen u n d zu isolieren. Die Cris~ae lasse~ sich schlieglieh dadureh gewinaen, dM~ die Ampul len mi t einer feinen

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478 U. MERKLE :

Schere yon oben vorsichtig er5ffnet, das Ampullendach und auch ein Teil des Ampullenbodens -- bis auf den der Septumbasis benachbarten und pigmenthaltigen Abschnitt -- entfernt werden. Auch die Cupula wird ganz vorsichtig abgenommen; sie ist ffir die vorliegenden Untersuchungen ohne Belang.

Die Ampulla membranacea posterior liegt in einer gedaehten Verl~ngerung der Schneekenachse, etwa 1 mm basal vom Beginn der 1. Windung. Dabei ist die topographisehe Lage der Cochlea im Labyrinth bei ,,normaler" Kopfhaltung zu beaehten (vgl. Abb. 1). Aueh hier scheint, wie bei den schon beschriebenen Ampul- len, das Pigmentfeld durch den Knochen. In n~mlieher Weise werden Ampulle und Crista isolier~.

Diese Art der Priiparation ist zwar recht mfihsam und langwierig; ihr grol~er Vorzug gegenfiber der Verarbeitung des ganzen Felsenbeines liegt jedoch darin, dal~ alle Cristae in gleicher Orientierung einwandfrei geschnitten werden k6nnen. Zu den Sehwierigkeiten, die sich hier ergeben kSnnen, bemerkt WER~ER: ,,Infolge der komplizierten Form -- der Cristaepithelien -- sind lokale Besonderheiten sehwer nachweisbar, da die Schnittriehtungen zu sehr wechseln" (1940, S. 59).

Die Cristae, die sieh wihrend der Mikro-Pr~paration noch im 80~ Alkohol befinden, werden dann in einer 0,1 ~ alkoholischen ErythrosinlSsung angef~rbt, damit sie ohne Lupe einigermal~en erkennbar b]eiben. Sehlie~lich werden sie fiber die aufsteigende Alkoholreihe und Benzol in Paraffin eingebettet, und zwar wegen der sehr geringen GrSBe der Pr~parate in abgekfirzten, gleiehen Zeiten. Die B16eke miissen unter einer Lupe so zugeschni~ten werden, dai~ das Mikro~ommesser die Cristae genau quer treffen wird. Es wurden Serien oder Stufensehnitte (je 8 #) angefertigt, um Kernver~nderungen besser erkennen mid die Kerne verl~i3licher messen zu kSnnen. Kernf~rbung: H~malaun; dann noehmals kurze Naehf~rbung in Erythrosin.

d) Kernmessung und deren Auswertung Von jeder Crista wurden die GrS~en yon 200 Sinneszel lkernen mi t

dem Okularmikrometer bes t immt .

Nach einer gewissen ~bung ist es mSglieh, eine MeBgenauigkeit yon 0,3 # zu erzielen. Dieses Verfahren steht daher an Genauigkeit der Zeichenmethode nicht viel nach. Eine ausffihrlichere Bespreehung der Methodik der Kernmessung erfibrigt sich hier, da fiber dieses Thema in den letzten Jahren zahlreiche Spezialarbeiten ersehienen sind. Dagegen erseheint es angebracht, auf die statistisehe Methodik kurz einzugehen.

Die MeBbefunde wurden in Variationskurven zusammengefal~t; die Kurven griinden sich auf eine logarithmisehe Klasseneinteilung (nach HZ~TZSC~), be- stehend aus Regelklassen (K 1, K 2 . . . ) mit je drei Zwisehenklassen (z. B. K 1 a, K l b , K l c ) .

Zum Mittelwert M kann man als StreuungsmaI~ die ,,mittlere quadratische Abweichung" a sowie den ,,mittleren Fehler des Mittelwertes" aM bereehnen. Hierfiir gelten die Formeln:

~ X e ~ a = (i) n - - I

e ---- Einzelabweichung yore Mittelwert M; n ~ Zahl der gemessenen Kerne. ff

~ = 1 / - ~ - ( 2 )

a~ ist nach K O L ~ (1953) ,,ein zweckmiBiges Ma$ Ftir die GrSSe des einem Mittelwer~ zukommenden Fehlerbereiehes".

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen 479

Soll der UnterschiecI zweier Mittelwerte M 1 und M 2 statistiseh abgewogen werden, so ist der ,,mittlere Fehler der Differenz zweier Mittelwerte" a~ zu bestim- men. Die Formel lautet:

(r, = V aM12 ~- a~22. (3)

Ist die Differenz der beiden Mittelwerte D (D = 2]/1- Ms) grSl3er als aD " t, so gilt der Unterschied als statistisch gesiehert. Die GrSl~e des Faktors t, mit dem av multipliziert werden mu$, ist abhi~ngig vonder Zahl der beobaehteten F~lle; er be- tr~gt bei etwa 150 Messungen t : 3,06, bei 200 Messungen t : 3,04. Bei Uber- schlagsrechnungen und nicht zu kleiaem n (ab n : 100) kann man fi ir t ~-- 3 setzen.

Die logarithmische Klassengliederung verbietet es, bei der Berechnung von die absoluten Werte zugrundezulegen, da die KlassengrSl~en best~ndig zunehmen. Daher wurden, einem Vorsehlag H~Tzse~Es folgenct, die absoluter~ Werte durch eine Stufeneinteilung ersetzt mit der Ausgangsgr51~e 0 beim Maximum; eine Stufe entspricht eiaer Zwisehenklasse und wird als Recheneinheit benfitzt.

Ergebnisse

a) Zur mikroskopischen Anatomie und Cytologic der Crista ampullaris des normalen Meerschweinchens

Die Cr is ta ampul l a r i s bes$eht aus einer b indegewebigen, gef/~B- ha l t igen u n d die S innesnerven ff ihrenden Un te r l age (Sep tum t rans- versum, W ] ~ N ~ 1940, 1960) und der Sinnesepi thelschicht . WE~NE~ bezeichnet nur diese l e tz te re als Crista. Die Mehrzahl de r A u to re n (z.B. KOL~ER 1927; 1)E BURLET 1934) v e r s t e h t un t e r Cr is ta ampul l a r i s die S inncsepi the lsch ich t einschliefil ich ihrer b indegewebigen Grundlage . Topograph i sch un te r sche ide t m a n an der Cr is ta das Pec ten cr is tae (Cr is takamm) und die senkrech t abfa l lenden Dec l iv i t a t es cr is tae (Abb. 2).

DE BULLET (1934) erl~utert die Gestalt der Crista anschaulich; sic komme gleichsam zustande, ,,welm man einen weichen Gummiball gegen die Tischkante drfickt. Die Einbuchtung, welche hierdurch entsteht, hat, yore Irmeren aus be- traehtet, eirlen gerade verlaufenden Kamm (Cristakamm), weleher im allgemeinen senkrecht zur zugehSriger~ Bogengangsfl~che steht".

Wie Querschn i t t e durch die Cr is ta (Abb. 2) zeigen, t r / ig t das S e p t u m t r a n s v e r s u m cr is tae e twas oberha lb seiner Basis be iderse i t s je cine k le ine Leiste , die yon e inem einschicht igen, kub i schen oder flach p r i sma t i schen E p i t h e l bedeck t i s t und in der h/~ufig ein Gef/~l~ liegt. Diese Bi ldung, de r im Sehr f f t tum keine Beach tung geschenkt~ wird, mag als , ,P rominen t i a t r a n s v c r s a " beze ichnet werden (vgl, die P r o m i n e n t i a spiral is cochleae, die nach v. F~]~ANI)T U. S i x E ~ (1936, zi t . nach WE~N~s 1940) sehr wahrsche in l ich im Diens te der E n d o l y m p h b i l d u n g s teh t ! ) .

Die Sinneszel len b i lden die oberfl~chliche Zel lschicht der Cris ta ; sic bes i tzen vorwiegend sphgr ische oder e twas e l l ip t ische K e r n e m i t - - be i gu t e r H i s to t echn ik - - gcwShnlich deut l icher , verh/~ltnism~l]ig lockerer Chroma t in s t ruk tu r . J e d e r K e r n enth/s mehre re kleine a b g e p l a t t e t e KernkSrpe rchen , die sich fas t s te t s der Innense i t e der K e r n m e m b r a n eng anlegen.

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480 U. lV[E~rmE:

?r k a n n m i t WERSXrA5 (1956) zwei T y p e n y o n Sinnesze l len (oder Haarze l len) un te r sche iden . Die Sinneszel len des T y p s I h a b e n e inen f l a schenfSrmigen Zelleib u n d e inen sph~irisehen K e r n ; m a n f inder sie hguf iger a u f d e m P e c t e n cr is tae als

Abb. 2. Orista ampullaris, quer. 8 ~, 3geerschweinchen normal, H/~malaun-Erythrosin. Vergr. 260fach. Auf der Basalmembran (B) die elliptischen Kerne der Stfitzzellen. Dariiber die Sinneszellen mit vorwiegend sphiirisehen Kernen. Auf der Crista wenige t~berreste der Cupula. Oberhalb der Septum- basis die Prominentia transversa (Prt), links mit Vas transversum (Vt). Darunter die pigmenthal~igen

]~pithelzellen des Ampunenbodens. P Pecten cristae; D Declivitas cristae

a u f den Deel iv i ta tes . Die Sirmeszel len des T y p s I I s ind ey l indr i seh u a d bes i t zen m e i s t e inen le leht e l l ip t i sehen K e r n ; sie s ind fiber die ganze Cr is ta ver~eilt , we rden abe r basa l e twas hguf iger Ms a u f den P e e t e n ge funden .

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen 481

Die Stiitzzellen nehmen, anders als die Sinneszellen, die ganze H6he der Epithelschieht ein und bilden - - Khnlich wie auch im Cortischen Organ - - ein Stfitzfaserwerk aus. Sie liegen der Basa lmembran auf und haben ausgesprochen elliptische oder auch birnenfSrmige, je stabfSrmige Kerne, die in der l~egel 2 - - 4 grol3e, kugelrunde, nicht randst/indige KernkSrperchen besitzen. - - Sehr/~hnlich verhal ten sieh iibrigens aueh die KernkSrperehen der Stiitzzellen des Cortischen Organs:

Die Epithelzellen, die unterhalb der Prominentia transversa liegen und an- schlieBend den Ampullenboden bedeeken, sind pigmenthaltig. Sie ergeben die oben beschriebenen pigmenthaltigen, halbmondfSrmigen Epithelstreifen, die die Basis der Crista umgrenzen und durch die diinne Knochenlamelle der Ampulle als schwarze Fleckchen durehscheinen.

b) Kerngri)fien beim Normaltier Karyometr i sehe Untersuchungen, namentl ich auch solche auf

experimenteller Grundlage und mit funktioneller Fragestellung, erfordern ein grSl]eres Vergleichsgut yon normalen Pr~paraten. Daher wurden yon 12 Meerschweinchen, die unbehandel t blieben und mehrere S tunden ruhig gehal- 700 L /? ten wurden, die Cristae naeh dem oben besehriebenen Verfahren en tnommen und

80 gesehnitten. Die Sinnesepithelkerne wurden gemessen und statistiseh ausgewertet . E0

Die Er rechnung der durchschnit tHehen Volumina ergab, dab sieh die KerngrSBen q0 der Sinneszellen der Crista superior und ]ateralis sehr nahe k o m m e n (etwa 85 bis

2# 95 #8), in der Crista posterior aber kleiner sind (etwa 70- -80/z 3) (Abb.3). Es diirfte

0 sieh um eiuen eehten, das heiBt intra- /V vitalen GrSBenuntersehied handeln, denn Abb. 3. Die dttrchschnittliehen Kern- die Cristae wurden, wie sehon hervor- volumina der Crista-Sinneszellen in tt 3

eines Normaltieres. Crista superior gehoben, gleichartig behandelt . (oben) ; Crista lateralis (seitlich); Crista

posterior (hinten). B e i v i e r F e l s e n b e i n e n w u r d e a u f d i e v o r d e r

a ffir die Cristae: LO LS LH Fixierung sonst vorgenommene ErSffnung des 0,097 0,092 0,168 Can~lis semicircularis lateralis verzichtet und ~0 l~S ~H auch d~bei jenes besondere Verhatten der Kern- 0,099 0,091 0,154 grel3en in den Cristae posteriores beob~chtet.

Zur Erg~nzung sei rLoch angefiihrt, dal~ in einer zweiten, etwas abweichend vorbeh~ndelten Gruppe yon drei Normaltieren die durehschnittlichen Kernvolumina aller Cristae zwischen 60 und 70 #3 l~gen. Die Pr~parate wurden unter sich in g l e i e h e r W e i s e h e r g e s t e l l t , d . h . d ie B u l l ~ t y m p a n i c a v o r d e m E i n l e g e n n i c h t b r e i t ereffnet, auch das Labyrinth an keiner Stelle aufgebroehen, die Stiicke blieben l~nger in der Einbettungsreihe. Die Sinneszellkerne zeigten in diesen Pr~paraten eine gewisse Verdichtung der Chromatinstruktur, und die Anz~hl der l~ngsovMen Kerne war deutlich grel~er als bei der anderen Gruppe. D~raus ersieht man, dal3 die

Arch. {)hr.-, Nas.-, u. ]~ehlk.-Heilk., Bd. 179 33

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482 U. MERKLE:

histotechnische Vorbehandlung die Mel~ergebnisse beeinflussen kann; bei nicht konstanter Behandlung sind ungenaue Ergebnisse zu beffirchten. Auch WERN]~R (1940) betont die groBe Anf~lligkeit der Sinneszellen und der Stiitzzellen des

Labyrinthes gegeniiber un-

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Abb. 4. Die Kerngr61~en der Crista- Sinneszellen zweier normaler lVleerschweinchen u n d - - - - - - . Die Kurvenpaare zeigen, dal~ die Kerngr6fien bei den Normaltieren nicht erheblich voneinander abweichen. Deu~liche Gipfe] der Cristae superiores und laterales bei K 1; Kurven der Cristae posteriores zwei- gipfelig: um K 1 und K1]2a . LO Crista des linken oberen Bogenganges; /~OCrista des rechten oberen Bogenganges;

ZS Crista des linken seitlichen Bogenganges usw.

gleichm~l~iger Vorbehand- lung.

In den Variations- kurven der Normaltiere liegt der gut ausge- pri~gte Gipfel ffir die Cristae superiores und Cristae laterales bei K 1 = 9 0 # a (Abb.4). Die Variationsbreite umfaBt 7-- 8 Zwischen- klassen. I m Unterschied dazu lassen sich an den Cristae posteriores wechselnde, manchmal nur wenig hervortre- tende Gipfelwerte er- kennen. Die Vertei- lungskurven gleichen sich einander nicht im selben MaBe und zeigen nicht die bei den fibri- gen Cristae angetroffene weitgehende Ubereiu- stimmung. Gemeinsam haben sic nut eine auf- fallend groBe Varia- tionsbreite, die fast

1 immer yon K ~- b oder

c bis K 1 c o d e r K 2 reicht, also 9--11 Zwischenklassen ( ~ 3 Regel- klassen) umspannt. Es kann noch nicht beurteilt werden, ob dies ,,zu- f~llig" ist, oder ob sich hier irgendeine physiologische Beziehung verr~t. Zwischen rechtem und linkem Labyrinth ergaben sich bei Normaltieren keine bezeichnenden Unterschiede der Kerngr6Ben.

c) Die Crista ampullaris nach experimenteller Belastung Die Drehversuche und die Spfilungen des ~uBeren Geh6rganges

ergaben meist deutliche Veri~nderungen der Kerngr6Ben und zwar teils eine Zunahme, 6fters auch eine Abnahme. Diese Volumen~nderungen

Page 11: Das Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen nach experimenteller Reizung des Bogengangsystems

Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen 483

warden mit Hilfe der Kernmessungen n~her best immt und graphisch dargestellt.

U m sicher zu gehen, dab es sich dabei nicht um histotechnisch- artefizielle KerngrSl3eni~nderungen handelt, wurden bei Normaltieren and bei Versuchstieren Stichproben yon Kernen des Bogengangsepithels

a b

Abb.5a und b. Crista lateralis, quer, l~Ieerschweinchen, 8/~ H~malaun-Erythrosin. Vergr. 410fach. a Crista lateralis eines Normaltieres; b Crista ]ateralis eines 15 rain horizontal-alternierendgedrehten l~Ieerschweinchens: ~ $ i g e Vergr6Berung der meisten Sinneszellkerne. Zu vergleichende :Kernreihen

sind mit Pfeilen gekennzeichnet

gemessen, und zw~r vom Ampullenboden unterhalb der Prominentia transversa. An Schnitten, die yon gleichartig vorbehandelten Pr~paraten s tammten, konnte, bei keinem Versuchstier eine Ver~nderung der Epithel- kerne gegenfiber den Normaltieren festgestellt werden. Die KerngrSl3en- ~nderungen betrafen immer nur die Sinneszellen der Versuchstiere und gelegentlich auch die Stfitzzellen des Sinnesepithels (vgl. S. 487).

Ergebnisse der Drehversuche. Nach einer Versuchsdauer yon 15 min alternierender Horizont~ldrehung kam es bei den untersuchten ffiiff Meerschweinchen zu KernvergrSl3erungen an den Sinneszellen der Crist~e ampullures (Abb.5). Die statistische Prfifung ergab fiir die Cristae der linken Seite eines Normaltieres und eines 15 min-Tieres folgende Werte:

33*

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484 U. I~I~K~E:

Crista D * a~ t �9 (rD Sicherung

Oberer Bogengang 1,3 0,19 0,58 -~ Seitlicher Bogengang 2,0 0,18 0,55 + I-Iin~erer Bogengang 1,0 0,24 0,73 +

�9 In Recheneil~eiten (1 E ~ 1 Zwischenklasse); siehe Erlguterung S. 478f.

Die Unterschiede shad signifikant; am gr6Bten sind sie bei den Cristae laterales mit 30--35~ w~hrend die KernvergrSBerungen in den

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Abb.6. Die Crista-Sinneszellen nach Drehung 20 rain horizontal-al~ernierend; . . . . . . 20 rain vor-riickw~ir ts (Kippung). Fiir alle Kurven, mit Ausnahme der Abb.10, gilt der gleiche ~Ial]stab. Beim Vergleich ist jedoch zu beachten, dab in Abb.4 die Skala der Kernklassen mit K t~ l a beginnt, in den Abb.6, 7

und 9 aber schon mit K l l8b oder K 1/4

Cristae superiores und posteriores bis etwa 20~ ausmaehen.

Die yon der Kern- sehwellung betroffenen Zellkerne zeigen oft eine deutliche Auflockerung ihrer Chromatinstruk- fur, damit sind sie heller, lichter geworden. Zuweilen bekommt man den Eindruck, da~ auch die Stfitzzellen reagie- ren k6nnen; sie er- scheinen dann im gan- zen etwas gr6Ber, und besonders scheinen auch die Nucleoli der Stfitz- zellenkerne grSi]er ge- worden zu sein. Eine vergleiehende varia- tionsstatistische Mes- sung wurde allerdings noch nieht vorgenom- 1] len .

Einige Meerschwein- chen wurden 30 und

45 min gedreht (MERKLE 1958). Auch bei ihnen zeigten sich teilweise KernveI'i~nderungen an den Cristae. Da die Zahl dieser Priiparate noch klein ist, werden die Befunde hier nicht erSrtert.

Weitere Drehversuehe sollten zeigen, ob das Vorhandensein oder -- wie wit manchmal auch beobachteten -- das Fehlen yon Kernver~nde- rungen auch yon der Zeitdauer der Reizwirkung abhgngen kann. So warden ffinf Versuchstiere je 20 rain horizontal-~lternierend gedreht.

Page 13: Das Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen nach experimenteller Reizung des Bogengangsystems

Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampul]ares vom Meerschweinchen 485

Fast alle Pr~parate zeig~en deutliche Kernreaktionen an den Sinnes- zellen; aber es fiberraschte, dal~ die Kerne jetzt durchweg kleiner

1 1 geworden waren. Die Kurven haben ihren Gipfel bei K ~ oder K ~ a

(Abb.6, ausgezogene Linie). Gegenfiber den Normwerten zeigen die Sinneszellkerne der Cristae superiores und der Cristae laterales also eine Volumenabnahme um eine Regelklasse. Man bemerkt, dab die beim Normaltler etwas ungleichm~Bigen und flachen Kurven der Cristae posteriores jetzt eine geringere Variationsbreite angenommen haben und

1 1 deutlicher ausgepr~gte Gipfel bei K ~ oder K ~ a aufweisen. Bei der

t torizontaldrehung h~tte man vielleicht ein besonderes Verhalten der Cristae laterales erwartet; ein solches l~I~t sich abet auf Grund der Variationskurven nicht feststelien.

In einem weiteren Versuch wurden vier Meerschweinchen einer 20minfitigen alternierenden Vorw~rts-Rfickw~rts-Drehung unterworfen. Die karyometrischen Befunde sind in der Abb. 6 wiedergegeben (punk- tierte Linie) und den Befunden nach Horizontaldrehung (ausgezogene Linie) gegenfibergestellt. Aus den Diagrammen ist ersichtlich, da~ die Kernreaktionen in beiden Versuchen ann~hernd parallel gehen. Im Vergleich mit den Normaltieren (Abb. 4) zeigt sich fibereinstimmend bei beiden Versuchsanordnungen eine Volumenabnahme der Kerne aller

1 1 Cristae auf K ~ oder K ~ a.

Ergebnisse der Versuche nach thermischem Reiz vom Geh6rgang aus. Bei drei Meerschweinchen wurde in der oben beschriebenen Weise der linke ~uBere GehSrgang je 2--21/2 rain gespfilt. In den Cristae laterales der gespfilten Seite zeigte sich eine Volumenabnahme nahezu

1 aller Sinneszellkerne auf K -~ b, w~hrend in den Cristae superiores die

Kerne des Pecten deutlich, tells erheblich, vergrSl3ert waren. Die Sinnes- zellen der Declivitates zeigten geringe Kernvolumenabnahmen oder blieben unveri~ndert. Ebensowenig schienen sie in den Cristae posteriores ver~nder~. Auf der ungespfilten Seite zeigten die Cristae fiberraschender- weise fast fibereinstimmende Ver~nderungen, d.h. auf dem Pecten der Cristae fanden sich einzelne auffallend stark vergrSl~erte Zellkerne, auf den Deelivitates normale Kerne.

Bei vier Meerschweinchen wurde der linke, bei vier anderen der rechte i~ul3ere GehSrgang je 41/2 rain gespiilt. Die Folge war eine deutliche Verkleinerung der Sinneszellkerne s~mtlicher Cristae beider Seiten (Abb. 7, Beispiel fiir Spfilung links). In den Cristae superiores et laterales

1 liegt der Gipfel immer bei K ~ a; die Kurven fallen nicht zu steil nach

rechts ab, ja weisen sogar manchmal einen zweiten Gipfel bei oder um

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486 U. MERKLE:

%

25

2~

0

% 4~

26

75

0

K1 auf, offenbar ein Zeiehen daffir, dab eLE gewisser TeiI der Kerne keine Volumenabnahme erfahren hat.

Die Kerne der Crist~e posteriores zeigen wieder eLE besonderes Ver- halten, denn beim Normaltier waren die schwach ausgepr~gten Gipfel in den Kurven der Sinneszellkerne aufgefallen. Bei den Versuchstieren

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A'~I~ KYz KI Kz I<Vr KVz K/ Kz

Abb.7 . Die Crista-Sinneszellkerne zweier igeerschweinchen, deren l inker au~erer GehSrgang 41/2 rain m i t ka l t em Wasser gesptilt w~rde. V611ig gleiche Behandlung. Bei L H ist das

zweite Pr~iparat ver lorengegangen

dagegen tritt eLE deut- licher Gipfel in derKern-

1 klasse K ~ a zutage,

w~hrend die Klassen 1

fiber K y b meist nur

schwach besetzt sind.

Bei allen Versuchs- ~ieren fielen neben den ~nderungen des Kern- volumens auch Ver~n- derungen der Kernstru/c. fur auf. Wiihrend in der blormalzelle gew6hnlich eLEe recht klare Chro: matLEstruktur vorliegt, wird diese beim Ver- suchs~ier vieffach un- deutlich oder gar nicht mehr erkennbar. Hs erschein~ der ganze Kern sodann homogenisiert. Diese Ver~nderung be- trifft vorzugsweise die verkleinerten Kerne,

wird aber aueh an den in ihrem Volumen unver~nderten gefunden. Solehe Strukturbesonderheiten sLEd, wie BUeHE~ (1958) betont, mi~ ein Aus- druek der Zellaktivitiit; sie sollten daher nach seinem Rat die karyo- metrischen Befunde ,,durch die qualitative Beurteilung und zahlen- m~,Bige Differenzierung der versehiedenen Kernformen" vervollst~ndigen (S. 119).

Kerne mit (nahezu) homogen erscheLEender Struktur kommen in den normalen Crista-Sinneszellen gelegentlich vor, treten abet in den belasteten Ampullenorganen viel zahlreieher auf. ELEen ~berblick soll die folgende Tabelle geben; die Zahlen bezeichnen die prozentuate tI~ufigkeit der homogenisierten Kerne (I)urehsehnittswerte yon je drei Meerschweinchen).

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen 487

Normaltiere (Einzelne HSchstwerte in Klammern)

oben 5--10 (19) seitlich 3-- 6 hinten 10--20 (30)

Versuchstiere (Spiihmg des ~uBeren GehSrganges,

gespiilte Seite) oben 48 seitlich 19 hinten 51

Ferner trat an den Stfitzzellen nicht selten eine Art der Mitreaktion auf, wie sie bereits bei den 15 min alternierend-gedrehten Tieren erwahnt wurde. Bei Stfitzzellen, deren Kernvolumina zugenommen hatten, fanden sich oft aueh deutliehe VergrSl~erungen der Nucleoli. Allerdings scheinen sieh die Kernveranderungen an Sinneszellen und Stfitzzellen nicht immer proportional zu verhalten, ein Umstand, der das Problem offenbar noch mehr verwickelt. Immerhin fhllt der Befund vor allem deshalb auf, weft in einer eigenen frfiheren Untersuchung bei kurzer und aueh bei lang- dauernder experimenteller Beschallung an den Stfitzzellen des Cortischen Organs keine GrS~en~nderungen gefunden werden konnten. Das Ver- halten der Stiitzzellenkerne bei funktionellen KerngrSBenanderungen yon Sinnesepithelien ist ohne Zweffel ein wiehtiges Problem fiir sieh, dem jedoch hier nicht naehgegangen wurde.

Diskussion der Befunde

Vor der Besprechung der eigenen Untersuchungsergebnisse erseheint es angezeigt, das Ph~tnomen der ,,funktionellen Kernschwellung" kurz zu erl~utern.

MILOVlDOV berichtet (1949, S. 21) fiber die Arbeiten des Botanikers J. SCH~IEW~D-THIESS (1897) und des Histologen A. Gu~wrrscH (1904), die schon gesetzm~Bige Beziehungen zwischen KerngrSl]e und Zell- leistung bei der Pflanze und beim Tier beobachteten (Schrifttums- nachweise siehe MILOVlDOV).

Die Grundlage der heutigen Karyometrie gab JACOBZ, der seine Erfahrungen fiber KerngrSBe und Funktion in dem Satz zusammen- fai]te: . . . . . spezifische Zelltiitigkeit f f i h r t . . , zu Waehstumszunahme des Kerns" (1942, S. 631f.).

B]~INO~OFF und seine Mitarbeiter verglichen die KerngrSBen yon Organgeweben im l~uhezustand und bei funktioneller Belastung. Sie fanden stets eine VergrSl~erung der Kernvolumina; dafiir pr~gte B ~ - ~OaOFF den Begriff der ,,funktionellen Kernschwellung", die somit als cytomorphologisches Zeichen einer erhShten Stoffwechselt~tigkeit der Zelle gelten kann. Es ist aber zu bedenken, dal3 die vergrSl3erten Kerne bei gleichm~l~iger, ls funktioneller Beanspruchung nicht immer ihr festes Volumen halten, sondern da~ die Kerngr6Ben dann wechselnd ab- und wieder zunehmen kSnnen.

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4:88 U. MERKL~ :

AuBerdem sind auch KemvergrS]erungen ohne eine spezffische Zellaktivit~t bekann~. So kommt es in Sehilddriisen, die mit 4em antithyreoidalen S~off Thio- urazil behandelt wurden, zum Bride des ,,aktiven" Follikels mit einer VergrSi3erung der Follikelzellen und ihrer Kerne, wogegen im Organismus die Zeichen der Schild- driisenunterfunktion beobach~e~ werden.

Auf der anderen Seite kann eine ,,Schrumpfung" oder besser -- da dieser Ausdruck der Pathologie vorbehalten bleiben sollte -- eine Kern- verkleinerung Zeiehen einer herabgesetzten Zellt~tigkeit sein.

Da die Fragestellung der vorliegenden Arbei~ in einer gewissen ]~bereinstim- mung s~eht mit den Arbei~en anderer Autoren fiber funktionelle Kernsehwellung an Sinnesepithelien, komme das Schrifttum nochmals kurz zu Wor~. Auf Anregung BEN~INGHOFFS zog als ers~er PUFF (1951, 1952) die funktionelle Kernschwellung zum Studium der Funktion eines Sinnesorgans, des Auges, heran. Dureh Belichtung der I~letzhaut des Frosches konnte er aa den Kernea der St~bchen- und Zapfen- zellen eine Kernschwellung erzeugen. Darfiber hinaus gelang es ihm, der Duplizit~its- theorie der Physiologen eine his~omorphologische Stfitze zu geben: bei sehwaeher Beliehtung schwollen nur die S~behenkerne, bei starker vorwiegend die Zapfen- kerne. ROHEN (1953) erhob entsprechende Befunde am S~ugetierauge (Ratte).

Kernsehwellungen an den Sinneszellen des Cortischen Organs des Meersehweinehens nach Beschallung erzielten NEUBERT (1952), lV~ERKLE (1954), I~IEU]~EI~T U. W0STENFELD (1955), BECK (1955, 1956), WOSTEN- FELD (1957). Diesen Versuehen lag sehon die bestimmte Absicht zu- grunde, die Ansprechgebiete der TSne im Cortischen Organ mittels der Kernsehwellungen zu ,,markieren" und das Prinzip der Tonlokalisation, das schon frfiher dureh andere Methoden 1 naehgewiesen wurde, auch yon dieser Seite zu unterstiitzen.

Die Befunde am Cortisehen Organ gaben gewisse Hinweise auf das Funktionsgesehehen im Innenohr. Die durch Kernsehwellungen murkier- ten Ansprechgebiete einfacher, reiner TSne erwiesen sieh als verh~ltnis- m~tl3ig groG; diese Befunde fiberrasehen jedoeh nieht, sondern stimmen iiberein mit Experimentalergebnissen, die dureh andere Methoden erzielt wurden (Sehrffttum bei W E ~ E R 1940). Sollte, wie N]~U~V.RT annimmt, die Reizfibertragung durch EndolymphstrSmungen erfolgen, so mfissen sich solche in gr5Beren Absehnitten einer Sehneckenwindung, ja fast in der ganzen Schnecke abspielen -- wenn aueh unter ,,Schwerpunk~- bildung" in demjenigen Windungsabsehnitt, der dem betreffenden Ton zugeordnet ist.

Aueh Reizversuehe an Bogeng~ngen und Cristae (und Maculae) wurden im Schrifttum schon beschrieben; da sie aber ganz vorwiegend unter neurologisch-klinisehen Gesiehtspunkten angestellt wurden, unter- suchte fast keiner der Autoren das histologische Verhalten der Cristae. Immerhin seien die Arbeiten, soweit sie sich mit unserer Fragestellung berfihren, kurz erSrtert.

1 Zum Beispiel Anbohrung der Ba~ilarmembran mit daraus folgender Tonlfieke (HELD U. KLEI~KNECItT), Ergebnisse der Untersuchungeu von v. B~KS~SY u. a.

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen 489

W~TT~ACK (1929) lieB Meersehweinehen, die auf einer Drehscheibe radial -- mit dem Kopf zur Peripherie - - befestigt waren, je 1 rain mi~ 40, 80 und 120 Um- drehungen/min rotieren. Die tfistologische Untersuchung ergab Ver~nderungen an den Cristae, Cupulae und der Maeula sacculi. Eine Drehung z.B. n~eh links fiihrt nach W I ~ T ~ C K ZU einer ,,ampullipetalen" Endolymphs~r5mung im linken seit- lichen Bogeng~ng. Sie soll einea einseitigen Druck auf die Crist~ ampullaris bewirken und Ursache der histologisehen Ver~nderungen in der Crista sein: niedriges Epithel mit dunklen, kleinen Kernen, oder, im Hinbliek auf die (vermeintliche) Entstehung, ,,kompressives Zellbild". In der Cris~ l~teralis der reehten KSrpersei~e, in deren

Abb.8. Schema zur Theorie der EndolymphstrSmungen (aus WERI~I~R 1960). Bei Drehung mul~ einer , ,ampullifugalen" S~rSmung auf der einen Seite der Crista eine , ,ampullipetale" StrSmung auf

der Gegenseite entsprechen, und umgekehrt . Bg Bogengang; U Utriculus

Bogengang eine ,,ampullifugale" StrSmung -- und dami~ ein Endolymphsog - - auftreten soil, erscheinen die Kerae bl~sehenfSrmig mid grSi3er: ,,depressives" Zellbild. Die yon WZ[TTMAACI~ zur Erkl~rung angenommenen rein ampullffugalen oder ampullipetalen EndolymphstrSmungen iu den Bogeng~ngen sind schon aus physikalisch-hydrodynamischen Griinden abzulehnen (vgl. auch W~.R~E~ 1960); denn einer ampullifugalen StrSmung im Bogengang mul~ eine ampullipetale StrSmung im Utriculus en~spreehen und umgekehrt (Abb.8). Es wurde n~mlich yon vielen Autoren, so auch WITTMAACK, ZU wenig beaehte~, dab die Einhei~ yon Bogengang, Ampulle und Utriculus jeweils einen gesehlossenen endolymphatisehen Vollring ergibt, der im wesentlichen in einer Ebene liegt, ein Umstand, den aueh W~.RNER (1960) befoul.

Somi t h a b e n die drei e n d o l y m p h a t i s c h e n Vollr inge den Ut r i cu lus gemeinsam, der in der T a t j a auch einen sehr langgezogenen, fas t rShren- a r t igen h~ut igen Beh~l ter darstel l~ - - h ier h~ngen sie zusammen. W i r mfissen d a h e r annehmen , dab es sich bei long i tud ina len S t rSmungen 1 i m m e r u m Rings t rSmungen hande l , .

Bei den W i t t m a a c k s c h e n Versuchen t r a t eine Winke lbesch leun igung nur zu Beginn und a m E n d e der gle ichfSrmigen Drehung auf. J e d o c h is~ es bemerkenswer t , dab WITT~AACK berei ts zweierlei K e r n r e a k t i o n e n un te r sch ied u n d beschr ieb, n~mlich die Vo lumenzunahme u n d die V o l u m e n a b n a h m e m i t Chromat inve rd ich tung . I n meinen Un te r suchun- gen wurden diese be iden Re~kt ionsweisen zwar auch gefunden, j edoch kSnnen sie, wie schon erSr ter t , n i ch t e infach mi t , , ampul l i fuga len" oder , , ampu l l i pe t a l en" S t rSmungen in Z u s a m m e n h a n g geb rach t werden.

Immerhin kommen diese yon W I T T ~ C K beschriebenen Versuehe den nor. malen physiologisehen Gegebenheiten noeh verh~il~nism~Big nahe. Dagegen stellen Experimente, in denen Versuchstiere einer sehr langd~uernden Rotation (bis

1 StrSmungen in L~ingsrichtung der Bogeng~inge.

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4 9 0 U.~]:ERKLE:

Monate) oder einer kfirzeren, aber ungew6hnlich schnellen l~otation ausgesetzt waren, keine physiologischen Reize mehr dar. Sie sind als Labyrinth-Sch~digungs- versuche -- entsprechend den Schallschi~diglmgsversuchen, dem sogenannten akustischen Trauma -- einzureihen (MAI~x 1909; GRIFFITH 1920, 1922; DORCUS 1932; WITT~IAACK 1909; I~S~GAWA 1931). Der Wert solcher Experimente ist jedoch in erster Lilfie darin zu sehen, dal~ die Funktion der Macula nach Verlust des S~atolithen, der durch die Rotation gew6hnlich abgeschleuder~ wird, gepriift werden kalm. Dabei zeigte sich iibrigens, dal~ die Maculareflexe bei fehlendem Statolithen zwar reduziert, aber keineswegs erloschen sind.

Hier sei auch auf die wichtigen Untersuchungen STEn~HAUSEI~s hin- gewiesen, der am lebenden Tier nach ErSffnung des seitlichen Bogengangs EndolymphstrSmungen und Cupulabewegungen beobachten konnte. Diese Befunde best~tigten unmit telbar die Mach-Breuersche StrSmungs- theorie, wenigstens in ihren Grundzfigen. ST~I~IAUS]~ folgert ferner, dai~ die Cupulaverlagerungen den Reiz ffir die Crista-Sinneszellen dar- stellen. Dieser Auffassung sehlossen sich, gerade auch unter dem Ein- druek yon STEINHAVS~S Arbeiten, die meisten Physiologen und 0to- logen an. So sehreibt e~wa R~IN (1947) : , ,Jede Drehung des Kopfes und damit der Bogengs ffihrt zur Verschiebung der Endolymphe gegen- fiber den Wandungen. Der dabei auftretende Endolymphst rom wird in den Ampullen zu einer Bewegung der Cupula ffihren mfissen. Diese meehanische Beanspruchung scheint den ad/iquaten Reiz ffir das Sinnes- epRhel darzustellen" (S. 414).

Abet es gab auoh Widerspruch. So tra~ dieser herrschenden Theorie, ohne allerdings die Verschiebungen der Endolymphe zu bezweifeln, WITTm~tCK (1933) entgegen. Nach ihm ist die Cupula unbeweglich, den ad~quaten Reiz fiir die Crista soll der Druck der Eadolymphstr6mung selbst, der unmittelbar auf die Sirmes- zellen wirkt, darstellen.

W~g~rR (1960) glaubt ebenfalls nicht an die Kausalfolge EndotymphstrSmung- Cupulabewegung tier Idassischen Theorie. Er nimmt an, dab ,,in optimaler Stellung zum natiirlichen Drehpunkt die Winkelbeschleunigung unmittelbar an der Ampulle angreift. Dank ihres endolymphdichten Abschlusses schiebt die Cupula die Endo- ]ymphe nach der einen oder aaderen Richtung" (S. 119); also soll sich die Cupula gegeniiber der Ampullenwand dutch ihre EigentriigheR bewegen.

Bei den horizontal-alternierenden Drehbewegungen wurde beson- tiers - - aueh im Itinbliek auf WITTMAACKS Ergebnisse - - auf das Ver- hal~en der Sinneszellen der Cristae laterales gegenfiber den anderen Cristae geaehtet. Die 15 min-Tiere zeigten die st/~rksten Kernvergr6Be- rungen in den Cristae laterales.

Bei den 20 rain lang gedrehten Meerschweinehen (Abb. 6) kam es zu einer deutliehen Volumenabnahme, aber es f/~llt auf, dab die Sinneszell- kerne der Cristae laterales hinsiehtlich GrSBen/~nderungen nieht sehr

bevorzugt sind; nur bflden sie verh/~ltnism/~Big hohe Gipfel bei K 2 ' die

denjenigen der normalen Crista (K 1) meist ahnlich sind. Dagegen

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VerhaRen der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinehen 491

erscheinen die Gipfel der Cristae superiores gewShnlich etwas niederer als beim Normaltier, und die Kurven fallen nach reehts weniger steil ab.

So bemerkt man auch in den meisten Cristae posteriores gut aus- 1 1

geprhgte Gipfel bei K ~ oder K ~ - a; also erfolgte hier die Volumen-

abnahme night dutch eine ungef~hr gleichm/~l]ige Verkleinerung aller Kerne, sondern vorzugsweise durch ein Zuriiektreten yon K 1 und der Zwischenklassen um K 1.

Es fiberraschte, dal] die Meerschweinchen, die einer 20minfitigen Vorw~rts-Riickw~rts-Kippung ausgesetzt waren, ganz Khnliche Ver- /inderungen der Cristae, wie die horizontal gedrehten, zeigten. Da die Ebene des oberen Bogengangs beim Meersehweinchen der Sagittalen nahe kommt, kSnnte man bei einem solehen Versuch besonders mit Ver~nderungen in den Cristae superiores reehnen. Abet die Gipfel aller

1 1 Cristae liegen bei K ~ oder K ~- a, fallen also mit denen der alternie-

rend-horizontal gedrehten Tiere weitgehend zusammen, wie Abb.6 zeigt.

Wir dfirfen unterstellen, dal~ -- bei sorgf~ltiger, konstanter Histo- teehni]~ -- die gemessenen KerngrSl~en und ihr Verteilungsmodus ein Spiegelbild der Leistungsanforderung an die Zellen darstellen. Die Frage nach einer Funktionsaufteilung auf die drei Cristae und damit die drei Bogeng~nge jeder Seite 1/~l]t sich mit den vorliegenden karyometrisehen Befunden noch nicht befriedigend beantworten. Zwar war bei den horizontalgedrehten 15 min-Tieren die funktionelle Kernschwellung in den Cristae ]aterales gegeniiber den Cristae superiores und posteriores deutlicher ausgepr~tgt. Aber bei den 20 rain horizontal gedrehten und den 20 min sagittal gekippten Tieren unterschieden sich die drei Cristae jeder Seite mit ihren kleiner gewordenen Sinneszellkernen in den Varia- tionskurven kaum voneinander (Abb. 6).

Wie ist diese Erscheinung zu erkl~ren ? 1. Aus dem Schrifttum ist bekannt, dab kS neben der funktionellen

Kernschwellung aueh eine funktionelle Kernvolumenabnahme gibt (vgl. z. B. WrrTMAACKs kompressives und depressives Zellbfld).

2. Auch in den vorliegenden Versuchen scheint ein Zeitfaktor das An- und Abschwellen der funktionell gleichm~l~ig belasteten Sinneszell- kerne mitzubestimmen. Schon frtiher wurde die Vermutung ge~ul3ert (MERKLE 1954), dal~ die Sinneszellkerne des Cortischen Organs wiihrend liingerer gleichm~13iger Beanspruchung durch Besehallung ,,rhythmi- sehen Volumenschwankungen" unterliegen.

Dieses An-und Absehwellen der Sinneszellkerne untersueh~e WUSTENFELD (1957) genauer mad kam zu folgenden Ergebnissen. In einem Versueh mit 7 iYleer- schweinehen land er beim 1. Tier schon nach fiinfminiitiger Beschallung zahlreiehe Sehwellkerne, beim 2. Tier nach 10 rain kaum noch solehe. 15 min nach Beginn der

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492 UoMERKLE:

Toneinwirkung s~ellten sich wieder KeravergrSl~erungen ein. Naeh 30 min dauernder BeschaUung wird ein zwei~es Minimum erreieht, ein Maximum sehon wieder 5 min sparer, in der 35. rain.

Dies ist ein weiterer Beweis dafiir, daft die funk~ionelle Kernsehwellung kein Dauerzus~and sein muB, aueh nicht bei konstanter Belastung (KRANTZ 1947). Also mu$ man sieh die Kerne gleichsam ,,pulsierend" vorstellen und kann daher aus rela~iv wenigen hist~ologisehen Bildern nur mit Vorsicht auf einen bestimmten Funktionszustand der Sinneszellen sehliel~en.

Gibb uns doeh das his~ologisehe Pr~para~ immer nur gewissermal3en eine 1VIomentaufnahme dieses ,,wogenden" Gesehehens. Der Zeitfaktor diirfte also aueh fiir die Sehwellungen bei den 15 min-Tieren und die Verkleinerungen bei den 20 min-Tieren verantwortlieh zu maehen sein; dies kSnnte auch erkl~iren, dal~ in einigen belasteten Cris~ae die KerngrSBen unver~ndert blieben.

3. Die ira grofien und ganzen gleichen Kernvolumina in den drei Cristae - - abgesehen yon den 15 min-Tieren - - lassen auf gleiehen oder ~hnlichen Funktionszustand sehlieBen. Andererseits liegt es, da jedes Labyr inth drei Cristae besitzt, nahe, eine gewisse Funktionsaufteilung anzunehmen. Soweit nun das Kernbild eine Aussage zul~Bt, kam es bei den Versuchen immer zu EndolymphstrSmungen in allen Bogengs wenn auch in den einzelnen F~llen in untersehiedlichem AusmaB. So waren naeh 15minfitiger Horizontal-Drehung eine Crista lateralis oder beide Cristae laterales yon der Kernschwellung bevorzugt; abet aueh die Cristae superiores, ferner die Cristae posteriores nahmen an ihr teil.

Auf die angefiihrten Theorien sich stfitzend, wird hier zun~chst eine RingstrSmung seitlicher Bogengang-Utrieulus angenommen. Da aber aueh die anderen Bogeng/~nge mit dem Utrieulus kommunizieren und dariiber hinaus dureh ihn zu je einem Vollring erg/~nzt werden, kann deren Endolymphinhal t yon der primaren RingstrSnung nicht un- beeinfluBt bleiben. Diese RingstrSmung dfirfte also aueh in den anderen Bogeng~ngen Endolymphverschiebungen induzieren, die in Kern- ver/~nderungen an deren Cristae zum Ausdruek kommen k6nnen. Infolge- dessen neigen vielleieht auch die EndolymphstrSmungen und -wirbel in den eng benaehbarten Ampullae laterales et superiores dazu, sieh alsbald anzugleiehen. Das maehte verst/~ndlich, dab aueh die KerngrSBen der Cristae laterales et superiores sich h/~ufig sehr /~hnlieh verhalten; die Crista posterior liegt dagegen von den beiden anderen Cristae verh/~ltnis- m/~l~ig welt ab. Es darf welter angenommen werden, da$ bei immer l~ngerer experimenteller Belastung die Untersehiede zwisehen den Cristae zur~iekgehen kSnnen als Folge der st/~rker werdenden ,,akzesso- rischen" RingstrSmungen in den urspriinglieh nieht oder wenig betrof- fenen Bogeng/~ngen. Dafiir sprieht aueh die Beobaehtung, dal3 Meer- sehweinehen, die Sehfittelbelastungen ausgesetzt waren, Kernsehwellun- g e n d e r Sinneszellen nicht nut an den Maeulae aufwiesen, sondern aueh im Cortisehen Organ ( N ~ u ~ T 1958) - - h/~ngt doch der Duetus eoeh- learis mi t dem vestibul/~ren Endolymphraum zusammen!

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampu]lares vom Meerschweinchen 493

Die unterschiedlichen karyometrisehen Befunde innerhalb gewisser Cristae, besonders der 2 rain gespfilten Meersehweinehen, erinnern an L O g ~ T E D~ Nos (1926) und P o L z ~ s (1927) Angabe, dab sieh die Sinneszellen innerhalb einer Crista funktionell nieht gleiehwertig seien ~. Die Au~oren st/i~zen sich auf histologisehe Pr~para~e naeh Silber- impregnation, in denen sich die Nervenendigungen des N. vestibularis gut dars~ellen lieBen. lqach POLJAK soll das Pecten cristae ,,mehr dif- ferenzierte und mehr in- tensive", die Declivitates ,,mehr diffuse, summa- rische" Reize aufnehmen. Vielleicht vermag diese Arbeitshypothese unsere Befunde mi t zu erkl/~ren.

Die Abb.9 stellt die Crista-KerngrSBen zweier Meersehweinehen ein- ander gegenfiber, yon deneu das eine links (punktierte LiDAe), das andere reehts (ausgezo- gene Linie) gesptilt wurde. Man stellt sogleich lest, dag der erwartete Seiten- unterschied (Sptilung links - - Spfilung reehts) fast ganz fehlt. Man sieh~ nur, dab auf der gesptil- ten Seite die Sinnes-

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Abb. 9. Die Crista-Sinneszellke~e elnes links ...... und eines rech~s gesptilten l~eerschweinchens

zellkerne der Crista superior und lateralis noeh in etwas h6herem MaBe zur Volumenabnahme neigen, wie die betonten Gipfel dieser Kurven ausweisen. Die Annahme ersehein~ erlaub~, dab die~Tempera~ur sieh auf dem Knochenweg fortpflanzL der ja bei den kleinen Tieren sehr kurz ist und naeh 4 - -5 min mehr oder weniger gleiehm/~Big beide Felsenbeine temperiert .

Sehr auffallend war noeh ein Befund, der an mehreren Cristae laterales und aueh superiores naeh einer Sp/ilung yon 41/2 min erhoben werden konn~e: Die Kerne der einen Deelivitas eristae sind wesentlieh gr6Ber als die der anderen (Abb. 10). Leider war an den Pr/~paraten

z Schon S~BACGH (1912) nahm an, dab die Sinneszellen auf einer Crista- Seite reizbarer seien als auf der anderen.

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494 U. MEI~KLE :

anfangs die Vorhofs- u n d Bogengangsseite noch n icht gekennzeichnet , so dab n ich t mehr gesag~ werden kann , auf welcher Declivitas die Kern- ve r~nderungen jeweils vo rhanden waren. I m m e r h i n ]iegt hier offenbar eine ganz , ,einseitige" funkt ionel le Beanspruchung der Crista vor. So fand auch T~I~CKER (1959) Potent ia ldifferenzen zwischen beiden Seiten der Crista nach ki inst l ich erzeugter Cupula-Ablenkung u n d Endo lymph- s t r6mung.

Da fiber die Entstehungsweise der kMorisehen Bogengangsreizung seig BXRXSY die Meinungen teilweise auseinandergehen, sollen noch einige wichgige Ergebnisse aus dem Schriftgum angeffihrt werden. DE Kr~Ex~ u. STOR~ VA~ L~EVWS~ (1922)

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Abb. 10. Die Haarzellenkerne der linken Crista lateralis aus Abb.9. - - g e s a m t e Crista;

die beiden gegenfiberliegenden . . . . . . . Deelivitates

konngen durch Experimente an Kaninehen beweisen, dab der Kaltwassernystagmus durch die Abkiihlung der horizontalen Bogeng~nge entsteht; die Autoren be- finden sich damit in ~-bereinstimmung mit den Befunden yon MxI~z u. LIo~ (192i). Auch SChmALTZ u. VOLGE~ (1924), die die Temperagur am horizongalen ]~ogengang des Menschen bei calorischer Schwaehreizung mM~en, nahmen eine solche Engstehungsweise an. U~DRITZ (1928) fand, da$ Endolymphbewegungen durch Rotation sowie dutch Temperatur- differenzen zusgande kommen kSnnen. Und WE~]~I~ (1940, S. 353), der diese Fragen eingehend untersuchte, schreibg dazu: ,,Es ist sieher, dM~ auch bei der

thermischen Reizung sich im wesentlichen der gleiche Vorgang abspielg wie bei der Drehung. Es scheing mir aber, dab die vSllige IdentiJizierung der rotatorischen und thermischen Reizung 1 falsehe Vorsgellungen erweckt hat."

Diesen Ergebnissen zufolge triffg der lokMe thermische Reiz, der sieh durch den Mittelohrraum ausbreRet, zun~chst die umschriebene Sgelle des seiglichen hgutigen Bogengangs, welche in der Prominentia canalis semicircularis lagerMis in das Tympanum hineinragt. Dies fiihrt zuerst zu lokalen Vergnderungen der Er~dolymph- diehge und zu Endolymphbewegungen, die sich nieht vorwiegend longi~udinM ab- spielen, sondern umschriebene, wirbelghnliehe Sgr6mungen ~ransversaler oder cireu- l~rer Riehgnng bewirken. Damit stehen sie jedenfMls, wie auch W~sv.~ betont, im Gegensatz zur longidudinalen SgrSmung, die bei rotatoriseher Reizung den Bogen- gang -- die Bogeng~nge -- und den Ugriculus durchmiBt. Die Annahme drgngt sich auf, da~ die untersehiedliehen Kernbefunde an gegeniiberliegenden Declivitates cristae das cytologische Abbild eines vorwiegend einseigigen Anbrandes und Ab- fdeBens yon En491ymphstrSmen und -wirbeln darstellen. JedenfMls ist dieser Befund ein wesenttiches cytologisehes Merkmal ffir die ~hermisehe Reizung der Bogeng~nge.

Zusammenfassung

Durch experimentel le Belas tung des Bogengangsystems wurden die Sinnesfelder der Cristae ampullares gereizt. Es k o n n t e n funkt ionel le Kernschwel lungen u n d K e r n v o l u m e n a b n a h m e n hervorgerufen werden.

i Im OrigLnM Fettdruck.

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Verhalten der Sinneszellen der Cristae ampullares vom Meerschweinchen 495

Nach 15miniitiger alternierend-horizontaler Drehung kam es zu VergrSBerungen der Sinneszellkerne in den Cristae l~terales, ebenso, aber nicht in gleichem Ausma[3, in den Cristae superiores. Am wenigsten waren die Cristae posteriores yon Kernschwellungen betroffen. Nach 20 rain langer alternierend-horizontaler Drehung nahmen bei den meisten Versuchstieren die Crista-Epithelkerne an Volumen betr~chtlich ab. Dies wird mit den schon aus dem Schrffttum bekannten ,,rhythmischen Volumenschwankungen" funktionell belasteter Zellkerne erkli~rt. Bei dieser Versuchsgruppe war merkwfirdig, da~ die Cristae ]aterales sich durch die Volumina ihrer Sinneszellkerne nicht mehr yon den Cris~ae der anderen Bogeng~nge abhoben. Man mug annehmen, daB, je ls die Belastung andauert, desto mehr auch die anfangs nur im seitlichen Bogengang und ira Utriculus auf~retende RingstrSmung auf die anderen Bogeng~nge fibergreift, so da~ es zu dieser Angleichung der KerngrS]~en kommt.

Nach 20minfitiger Vorw~rts-Riickwiirts-Kippung kam es ebenfalls zu erheblichen Volumenabnahmen der Sinneszellkerne; auch hier war eine Angleichung der KerngrSBen aller Cristae eingetreten. In einigen Fi~llen waren keine Ver~nderungen der KerngrSl~en, daffir aber zumeist J~nde- rungen der Kerns t ruktur festzustellen.

Bei der Reizung der Bogeng~nge durch GehSrgangsspfilungen (21/2min, 4 - -5 rain) war ebenfalls in der Regel eine Kernvolumen- abnahme zu verzeichnen. Auch hier waren nach kurzer, linksseitiger Spfilung y o n 21/2 mill Dauer gewisse Unterschiede gegenfiber der rech~en Seite erkennbar, die nach 41/2minfitiger Spiilung fast verschwunden waren. Eigenartig und bezeichnend fiir die thermische Reizung war der Befund, dab manche Cristae auf der einen Declivitas erhebliche Schwel- ]ungen der Sinneszellkerne, auf der anderen Declivitas Volumen- abnahmen aufwiesen.

Soweit es die cyto]ogischen Befunde erlauben, werden die Vorgi~nge diskutiert, die sich wahrscheinlich im Bogengangsystem abspielen und die zu solchen Kernveri~nderungen ffihren kSnnen.

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