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Das Konzept der Ökosystemleistungen im Kontext der europäischen
Landnutzung
Tobias Plieninger & Christian SchleyerJahrestagung des AK „Ländlicher Raum“
„Neue Funktionen und Nutzungen in ländlichen Räumen – Perspektiven und Herausforderungen für die Raumentwicklung und -forschung“
Soest, 17.-18. November 2011
Gliederung
• Ökosystemleistungen – Konzept, Geschichte, politischer Einfluss
• Ökosystemleistungen und Landnutzung in Europa
• Beispiel: Ökosystemleistungen durch Feldgehölze in einer intensiv genutzten Agrarlandschaft der Oberlausitz
• Nutzen und Herausforderungen des Ansatzes
Millennium Ecosystem Assessment
• Groß angelegte Studie über den globalen Zustand der Ökosysteme (natürlich – menschlich geprägt); von den Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen
• Sichtung einer großen Zahl an wissenschaftlicher Literatur durch über 1.300 Wissenschaftler(innen) aus 95 Ländern im Zeitraum von 2001 bis 2005
• Fokus auf Beziehungen zwischen Ökosystemleistungen und menschlichem Wohlbefinden
• Ökosystemleistungen bezeichnen den vielfältigen Nutzen, den Menschen aus Ökosystemen erzielen
• Viele dieser Leistungen werden erst allmählich von der Gesellschaft wahrgenommen, anerkannt und entgolten
Die Biodiversität […] ist auch unser Naturkapital, denn sie stellt Ökosystemdienstleistungen bereit, die die Grundlage unserer Wirtschaft bilden. Verschlechterung und Verlust dieses Kapitals stellen die Bereitstellung dieser Dienstleistungen in Frage und führen zum Verlust an Arten und Lebensräumen, des Wohlstandswertes der Natur und von Arbeitsplätzen und gefährden unser eigenes Wohlbefinden.
EU-Biodiversitätsstrategie 2011-2020
Ökosystemleistungen und Landwirtschaft
• Anteil Landwirtschaftsfläche an Bodenfläche: 40,1% (EU), 47,4% (D) (Eurostat, 2011)
• Gemeinsame Bereitstellung von Agrarprodukten mit anderen Ökosystemleistungen
• Vorhandener Wissensbestand über Management für Biodiversität und Ökosystemleistungen
• Bestehende Erfahrungen mit Anreizinstrumenten• Umfang der EU-Agrarförderung 2009: 88 Mrd. EUR
(OECD, 2010); Forderung: „public money for public goods“
„Die ländliche Entwicklungspolitik muss dahingehend verstärkt werden, dass durch die Erhaltung und Verbesserung einer Land- und Forstwirtschaft mit hohem Naturschutzwert im Kontext der Gemeinsamen Agrarpolitik Ökosystemdienstleistungen geschaffen werden.“
(EU-Kommission, 2010)
Management von Ökosystemleistungen in der Landwirtschaft
• Ökosystemleistungen können oft nicht auf einer Parzelle erbracht werden
→ Spezielle Anforderungen an Landschaftsplanung und betriebsübergreifende Kooperation
(Gol
dman
et a
l.,
2007
)
Bestäubung Gewässer-reinhaltung
Kohlenstoff-Speicherung
• Feldgehölze: Streuobstwiesen, Gehölzinseln, Hecken, Baumreihen, Baumgruppen, Ufergehölze, etc.
• Erfüllen vielfältige Ökosystemleistungen (Erosionsschutz, Grundwasserschutz, Landschaftsästhetik etc.)
• Bestandteil der EU-Strategie für eine „grüne Infrastruktur“• Forschungsfragen:
• Wie hat sich Feldgehölzfläche von 1964-2008 verändert?• Welche Auswirkungen hat dies auf die Bereitstellung von lokal,
regional und global wirksamen Ökosystemleistungen?
Veränderungen von Ökosystemleistungen in einer intensiv genutzten Agrarregion
Flächenveränderung Feldgehölze, 1964-1992-2008• Ausweitung der Feldgehölz-Fläche um
24,8%• Zunahme während sozialistischer und
postsozialistischer Phase • Zunahme über alle Feldgehölz-Typen
hinweg (Ausnahme: Streuobstwiesen)
0
20
40
60
80
100
120
1964 1992 2008
Cov
er (h
a)
Alleys, tree rowsHedgerowsIsolated treesRiparian woodlandsScattered fruit treesShrublandsTree groupsWoodlots
(Plieninger et al., 2012)
Lokale Effekte: Insektenbasierte Ökosystemleistungen• Relevanz: 2/3 der weltweiten Kulturpflanzen und 1/3 der
menschlichen Nahrung von Insektenbestäubung abhängig; wirtschaftl. Gesamtwert: 155 Mrd. EUR (TEEB-Report)
• Voraussetzung: Räumliche Nähe zu reifen, ungestörten Lebensräumen (u.a. Feldgehölze)
• Befund: Geringe Verbesserung der Bestäubungsleistungen trotz deutlicher Zunahme an Feldgehölzen in der Region
1964 2008 Veränd. 1964-2008
p
Randliniendichte (m ha-1) 76.4 ± 5.2 92.9 ± 5.8 21.5% <0.001Mean Euclidian nearest-neighbor distance (m)
31.8 ± 2.0 27.1 ± 2.9 14.9% <0.001
Mean Euclidian distance matrix-tree (m)
104.4 ± 5.3 106.0 ± 5.7 1.5% n.s.
(Plieninger et al., 2012)
Regionale Effekte: Hydrologische Ökosystemleistungen
• Gewässerbelastung aus landwirtschaftlicher Nutzung (Boden, Nährstoffe, Pestizide, Insektizide, Nitrate)
• Feldgehölze als „biogeochemische Barrieren“• Befund: Überproportionale Verbesserung von hydrologischen
Leistungen• Ökosystemleistungen abhängig von räumlicher Verteilung in
der Landschaft
1964 2008 Veränd. 1964-2008
p
Tree cover in buffer (%) 21.5 ± 2.6 31.3 ± 3.9 45.6% <0.001 Proportion of buffer voids (%)
50.1 ± 4.5 30.1 ± 4.3 40.1% <0.001
Mean functional buffer width (m)
7.8 ± 1.4 14.3 ± 2.6 83.7% <0.001
(Plieninger et al., 2012)
Globale Effekte: Kohlenstoff-Speicherung
• Beitrag der Landwirtschaft zum Treibhausgas-Ausstoß: 7,9% (D), 10,3% (EU-27) (UBA, 2010; EEA, 2011)
• Attraktiv für Bestrebungen der Klimastabilisierung: Energetische Biomassenutzung
• Aber: Häufig Zielkonflikte mit anderen Leistungen• Erst allmählich beachtet: C-Speicherung in ober-/
unterirdischer Biomasse durch Agroforstwirtschaft
C in Biomasse (Mg ha-1)Hecke 20.8 ± 4.4 Aufforstung 70.3 ± 4.6 Ufergehölz 54.4 ± 8.3 Buschland 15.4 ± 5.3 Sukzessionswald 44.6 ± 5.2 Baumreihe 48.4 ± 11.4 Gehölzinsel 57.7 ± 4.1
(Plieninger & Schaich, in Vorbereitung)
• Schärfung des gesellschaftlichen und politischen Bewusstseins für den Wert von Ökosystemen / Landschaften
• Bereitstellung von Entscheidungsgrundlagen (Landnutzungskonflikte, Landschaftsplanung, Prioritäten im Naturschutz…)
• Durchbruch bei der Integration von Naturschutz und Landschaftspflege in die Sektorpolitiken?
• Erschließung privater Mittel für Naturschutz und Landschaftspflege
Nutzen des Ökosystemleistungs-Ansatzes
Probleme des Ökosystemleistungs-Ansatzes
• Suggeriert engen Fokus auf Ökologie, vernachlässigt (vermeintlich) Leistungen des Menschen in der Landschaft
• Erforderliche Kooperation auf verschiedenen räumlichen Ebenen
• Utilitaristisches Konzept: Erhalten wird nur das, wofür Nachfrage vorhanden ist
• Rückzug des öffentlichen Sektors (Ordnungsrecht / Haushaltspolitik) aus der Verantwortung?
• „Neoliberalisierung“ natürlicher Ressourcen?