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1 Das bewegte Gehirn: Einflüsse eines gesundheitsbewussten Lebensstils Martin Korte , Abt. Zelluläre Neurobiologie, TU Braunscheig TÜV: Lehrergesundheitstag Wie gut können wir uns heute noch konzentrieren? man sollte aber die Vergleiche von Affen und Menschen nicht überbewerten..... 4 Ein zuviel an Information stört das Denken: - das Arbeitsgedächtnis versagt - die Gewichtung der Informationen gelingt nicht - die Fehleranfälligkeit nimmt zu - die Stressbelastung nimmt zu (Multitasking / neue Medien)

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Page 1: Das bewegte Gehirn: Wie gut können wir uns Einflüsse eines … · 2019-07-11 · Greenfield, Susan: Mind change. How digital technologies are leaving their mark on our brains. London

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Das bewegte Gehirn:

Einflüsse eines gesundheitsbewussten LebensstilsMartin Korte , Abt. Zelluläre Neurobiologie, TU Braunscheig

TÜV: Lehrergesundheitstag

Wie gut können wir uns

heute noch konzentrieren?

man sollte aber die Vergleiche von Affen und Menschen nicht überbewerten.....

4

Ein zuviel an Information stört das Denken:- das Arbeitsgedächtnis versagt- die Gewichtung der Informationen gelingt nicht- die Fehleranfälligkeit nimmt zu- die Stressbelastung nimmt zu (Multitasking / neue Medien)

Page 2: Das bewegte Gehirn: Wie gut können wir uns Einflüsse eines … · 2019-07-11 · Greenfield, Susan: Mind change. How digital technologies are leaving their mark on our brains. London

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• Jeder Sekunde strömen 400.000 Sinnesreize auf das Gehirn ein

• die bewusste Verarbeitungskapazität eines menschlichen Gehirns beträgt etwa

120 bits/sec!

• um einer Person beim Sprechen zu zuhören, brauchen wir 60 bits/sec

(sprechen drei Menschen gleichzeitig, sind wir hoffnungslos überfordert!)

VerarbeitungskapazitätenBildung kommt von Bildschirm, wenn es von Buch käme,

würde es Buchung heissen. (Dieter Hildebrandt)

Wieviel Informationsverarbeitung verträgt ein Mensch?

Student: „Mr Osborne, may I be excused! My brain is full.“ 7

Ausflug in die Evolution der Intelligenz des Menschen

Welche Faktoren führten dazu, dass die

menschliche Spezies in ihrer Intelligenz alle

anderen Tierarten überflügelte?

Zweifüssigkeit – Werkzeuge - Sprache –

große Gehirne?

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Vergleich der Großhirngröße

Mensch

Primaten

AffenRatte

Zunahme der Gehirngröße beim Menschen

Vorläufer des Menschen (Australopithicus) spaltete sich von der Homolinie vor etwa 2.5 Mio. Jahren ab.

• sowohl die sich schnell abwechselnden Eiszeiten als auch die Zunahme der Hirngröße begannen vor 2.5 Mio. Jahren

• begleitet wurde die Zunahme in der Hirngröße von der Werkzeugherstellung

Gehi

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AustralopithicusPrimaten

Homosapiens

4x CortexVergrößerung

in 2.5 Mio.Jahren

Homoerectus

Eiszeiten

Millionen Jahre

400g

1600g

Warum brauchen wir ein so großes und teures Gehirn? Spezialisten versus Alleskönner

Spezialisten gegen Alleskönner:• Flugzeugpassagiere, die nur mit Handgepäck reisen,

bekommen am Flughafen alle Taxis, während die Reisenden mit den drei Koffern für alle Wetterbedingungen erst zur Gepäckausgabe müssen

• wenn aber das Wetter am Reiseziel stark schwankend ist, hat der Reisende, der für alle Wetterbedingungen etwas dabei hat, einen Selektionsvorteil

• freie Hände (lange Laufstrecken energetisch besser als auf 4 Beinen, wenn Beine kurz und Arme lang sind)

• kognitive Flexibilität und Lernfähigkeit – wechselndes Klima, flexible Nahrungsressourcen

• Beute jagen in Gruppen (Kooperation)

Warum brauchen wir ein so großes

und teures Gehirn?

• ein menschliches Gehirn wiegt etwa 2% des Körpergewichtes

• es verbraucht aber 20-25% des Blutsauerstoffs/Stoffwechselenergie!

• 15% des menschlichen Blutes fließen ständig durch das Gehirn!

• menschliches Gehirn: braucht 400 kcal Tag (Schimpanse: 120 kcal)

• Gehirne müssen bei der Geburt relative klein sein (limitiert durch die Größe

des Geburtskanals) – bedingt lange Entwicklungsphase

• wir investieren in die Aufzucht unserer Kinder 12 Millionen kcal – doppelt

so viel als dies bei einem Schimpansen der Fall ist!

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Das Problem aller Probleme:Daten aus 1700 Studien , mit 19 Mio. Erwachsenen

aus 186 Ländern.

Erstmals auf der Welt leben mehr fettleibige als untergewichtige Menschen!

• 2016 sind mehr als 640 Millionen Erwachsene adipös (13% aller Menschen)

• bei unveränderte Lebensweise sind das im Jahre 2025 über 1,1 Milliarden!

• 375 Mio. Frauen und 266 Mio. Männer sind Fettleibigkeit.

• 1975 waren es gerade einmal 105 Millionen Menschen!

• Body-Mass-Index (BMI), Gewicht/Körpergröße2 (m2): liegt der Index bei

über 30, gilt ein Mensch als fettleibig

• USA, Australien, Kanada, Irland, Neuseeland, Großbritannien - hier leben gut

ein Fünftel aller Übergewichtigen!

Übergewicht: Kein rein amerikanisches Problem!

USA

USA

Deutschland

Erhöhter Grundumsatz eines Organs, welches keine Energie speichern kann

• Menschen verbrennen pro Tag bei gleichem Aktivitätslevel

und justiert auf Gewicht und Größe 27% mehr Energie als Schimpansen

(400 kcal mehr), sogar 635 kcal mehr als Gorillas und 820 mehr Orang-Utans

• Warum werden wir also dick?

• erhöhter Energieverbrauch im Ruhezustand: vor allem bedingt durch das Gehirn,

welches keine Energie speichern kann: man braucht einen guten Energietank

• Menschen haben von allen Menschenaffen den höchsten Körper-Fettanteil!

• erhöhter Energieumsatz: erlaubt größere Gehirne, aber verlangt

auch einen großen Energietank (Fett), einen kleinen Darm und eine

effizientere Fortbewegung (Herman Pontzer et al., Nature 2016)

Bedenkenswert:

Stamm der Hadza (Tansania):

• Benötigen 2.600kcal am Tag, 1.500kcal für

physische Aktivität (15km gehen/laufen, ect.)

• sie wiegen 51kg – Bewegung verbraucht etwa

30kcal/kg

• Westeuropäer/Amerikaner: wiegt 50% mehr

und verbraucht 75% weniger Energie für

physische Aktivitäten (17kcal/kg)!

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Bewegung KalorienreduktionNeurogeneseSynaptogeneseSynaptische PlastizitätKognitive FunktionMotorische FähigkeitenDNA ReparaturMitochondrien EntstehungReduktion von Inflammation

Reduzierte HerzfrequenzGesteigerte PumpleistungNiedrigerer Blutdruck

Erhöhte Insulin SensitivitätKetonkörper-Produktion

Erhöhte Insulin Sensitivität

Mobilisierung von FettgewebeGeringere Inflammation

NeurogeneseSynaptogeneseSynaptische PlastizitätKognitive FunktionMotorische FähigkeitenDNA ReparaturMitochondrien EntstehungReduktion von Inflammation

Reduzierte HerzfrequenzGesteigerte PumpleistungNiedrigerer Blutdruck

Erhöhte Insulin SensitivitätKetonkörper-Produktion

Erhöhte Insulin Sensitivität

Mobilisierung von FettgewebeGeringere Inflammation

MikrobiomeEs gibt mehr Bakterien im Darm als wir Körperzellen haben!

Essen für die Seele

Eine im Januar veröffentlichte Auswertung von Daten von mehr 12,7

Millionen Menschen hat gezeigt: Wer sich mediterran ernährt, der

erkrankt statistisch gesehen seltener an Krebs, Herzinfarkt, Demenz,

Diabetes Typ 2 und lebt länger als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Rezepte für die grauen Zellen

Nicht zu viel, und vor allem das Richtige – so lautet kurz gefasst das Rezept, um seine Neurone sprießen zu lassen (Pfeil nach oben). Die Auswirkungen verschiedener Lebensmittelbestandteile wurden an Versuchstieren getestet; die mit einem Stern (*) versehenen Pfeile zeigen Effekte, die inzwischen auch beim Menschen nachgewiesen sind.

[Wein]

[Curry]

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Übergewichtigkeit und das Alzheimer Risiko

• Bauchfett als Risikofaktor:Buchfett hat die größte Ansammlungen an Makrophagen im Körper (Zytokineund Enzündungsmediatoren, z.B: IL-6), Leptin

• Schutz vor Alzheimer:Anti-Inflammatorische Medikamente (NSAIDs), z.B. Rheuma Behandlung

• Bildung neuer Nervenzellen wird angeregt (BDNF)

• Durchblutung des Gehirns wird verbessert

• Konzentrationsfähigkeit wird gesteigert

• lässt das Gehirn langsamer Altern (moderates Ausdauertraining reicht)

Schon 10 min pro Tag an sportlicher Aktivität stärken die Gedächtnisleistung (Artikel in PNAS, 2018)

Suwabe et al., PNAS, 2018

Bewegungstraining

als Intervention

gegen Erkrankungen

des Gehirns

Gedächtnis

Konzentrationsvermögen

Geschwindigkeit

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TanzenTanzkurs:• schult Koordination• fördert Ausdauer• trainiert Gedächtnisfähigkeiten• Koordination von 4 Großhirn-

hemisphären• Soziale Aktivität

Kurzum, es vereint die drei positiven Faktoren, die kognitives Altern beeinflussen: 1. sozial sein2. Bewegung3. kognitives Training!

Was gut ist,

für das Herz, ist auch

gut für das Gehirn!

Depression• BDNF Level im Gehirn erniedrigt• Neurogenese im Hippocampus erniedrigte• Bewegungsniveau erniedrigt

Therapie:• BDNF Level steigt 4 Wochen

nachdem Antidepressiva

gegeben wurden wieder an

• Neurogenese steigt parallel an

• Sport lindert Symptome

Schutz vor Depression:

1. Japanische Depressionsprophylaxe Studie des NIH: Japaner verzehren im Schnitt 4x soviel Fisch wie ein Durchschnittsdeutscher.Und während in der Deutschlang 5 von 100 Personenjedes Jahr an einer schweren Depression erkranken,trifft dasselbe Schicksal nur einen von 100 Japanern !

2. Bewegung – Sport (BDNF Ausschüttung)

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Stress reduziert den BDNF Level, Sport erhöht ihn

165 Prozent

noch kürzer:

Lern

en

Lauf

en

Lieb

en

Lernen

Laufen

Lieben

LernenLaufenLiebenLachenLachs_

Ich habe Gewicht verloren, aber es findet mich immer wieder….

(Dr. Eckart von Hirschhausen)

Mit Gewohnheiten brechen

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Gewohnheiten: Der Kopf bestimmt, was der Bauch will

• Wer abnehmen will, muss seinen Kopf überzeugen, nicht seine Leber

• Keep it simple!

Das Gehirn steuert das Köpergewicht, in dem signalisiert was wir essen wollen!

Was wir Essen und wie viel ist erlernt!.

Umlernen ist mühsam -Essen kann sogar zur Sucht werden!

- man muss sein Verhalten ändern

und nicht versuchen Gewichtsziele

zu erreichen!

- 3x am Tag Essen

- was man isst beim Einkaufen

entscheiden!

- Mehr Eiweiß (die machen satt),

weniger Kohlenhydrate

- Wasser statt Fruchtsäfte

Mark Twain sagte einmal zu dem Umstand, wie schwer es ist schlechte Gewohnheiten wieder abzulegen:

"Schlechte Gewohnheiten sollte man nicht aus dem Fenster werfen, sondern die Treppe hinunterboxen, wenn man sie

wirklich los werden will.“

Eine Schale Gemüse ‐ oder ? Wahrnehmung als Erinnerungsleistung

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Wo ist die Zahnbürste? Gefunden?

Suchtgefahr?

Quelle: A. Markowetz, Digitaler Burnout, 2015

- Bildschirm-Handy wird 88 mal am Tag angeschaltet

- 35 mal: kurze Unterbrechungen (Blick auf die Uhr ect.)

- 53 mal: längere Unterbrechungen, E-mails, Whatsapp ect.

- Alle 18 min nutzt man in den wachen Stunden sein smartphone!

- Durchschnittlich verbringt man 2.5 Stunden am Tag mit seinem

Handy (davon telefoniert man ca. 7 min)

Wie viel Unterbrechungen verträgt unser Gehirn?

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15 min Eindenkzeit

• das Gehirn benötigt etwas 15 Minuten um sich auf eine neue kognitive

Situation einzustellen

• das Gehirn muss sich hierbei einpendeln auf Aspekte, die für die

selektive Wahrnehmung wichtig sind (Denkalgorithmus)

• Eindenkzeit bedenken und Arbeitsabläufe entsprechend planen, z.B.:

– Doppelstunden sind effektiver

– Kein Multitasking bei den Hausaufgaben

Warum als Schutzräume digital-freie Zeiträume

notwendig sind.

©Zeit Magazin

„Wenn man immer so denkt,

wie man immer gedacht hat,

wird man auch immer das

erhalten, was man immer

erhielt – dieselben alten

Ideen.“Michael Michalko (Kreativtrainer)

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Literatur

Martin Korte, Wir sind Gedächtnis, DVA 2017Martin Korte, Jung im Kopf, Neues Einsichten der Gehirnforschung in das Älter werden, Pantheon 2014Banaji, M. R., und A. G. Greenwald: Vor-Urteile. Wie unser Verhalten unbewusst gesteuert wird und was wir dagegen tun können, München 2015.Duhigg, Charles: Die Macht der Gewohnheit. Warum wir tun, was wir tun, München, 2013.Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, München 2008.Gigerenzer, Gerd: Risiko. Wie man die richtigen Entscheidungen trifft, München 2014.Heath, Chip, und Dan Heath: Switch. Veränderungen wagen und dadurch gewinnen!, Frankfurt/Main 2013.Kahneman, Daniel: Schnelles Denken, langsames Denken, München, 2014.Carr, Nicholas G.: Abgehängt. Wo bleibt der Mensch, wenn Computer entscheiden? München 2014.Flaxman, Seth, Sharad Goel und Justin M. Rao: “Filter bubbles, echo chambers, and online newsconsumption”, in: Public Opinion Quaterly, 80 (1), 2016, S. 298-320.Greenfield, Susan: Mind change. How digital technologies are leaving their mark on our brains. London 2014.Jabr, Ferris: “Why the Brain prefers Paper”, in: Scientific American, 11/2013, S. 48-53. Levitin, Daniel J.: The Organized Mind. Thinking Straight in the Age of Information Overload. New York 2014. Ende