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D 12 I. [PHANTOM, TELEOLOGIA FINITA O INFINITA, PERCEZIONE] Datierung: 5.IX.1931 Gesamtumschlag für das ganze D 12: Assoziative Passivität des Ich und Ichaktivität in der untersten Stufe; Kinästhese in der praktischen und nicht-praktischen Funktion Assoziation (assoziative Passivität) und Aktivität des Ich; Aufmerksamkeit, positives und negatives Interessiertsein; Normalfall: das positiv Interessiertsein. Fortdauernd dabeisein ist Befriedigung des Interesse; auf Seiten des „Inhalts“ passive Konstitution desselben als fortdauernde impressionale Gegenwart; Weise der Unveränderung: immerfort mit sich selbst gleich bleiben, oder Veränderung. Dabei kann in der Ähnlichkeitsabwandlung eine kontinuierliche Interessensteigerung als Steigerung der Befriedigung (des hier fraglichen Strebensmodus) begründen. Dieses strebende Verhalten des Ich, diese Weise des befriedigenden Interesses geht kontinuierlich durch das impressionale Jetzt auf das impressionale Kommende, auf das Inhaltliche in seiner Weise der Veränderung. Gegenüber dem Fall der Unveränderung, der ruhende Erfüllung ist, ist das Erfüllung im Aufschwung. Man kann sagen, im einen Fall begründet die ruhende, die gleichmäßige Erfüllung des Gefühl der stillen Freudigkeit als Lustzustand, im anderen Fall die schwungvolle Aufsteigerung. Anderseits der Fall der Minderung der Erfüllung, Gefühl des Niedergangs, Unlust. Aber hier haben wir das Merkwürdige des Mankos, das Zurückbleiben statt des Dabeibleibens bei dem Befriedigenden, wir kommen auf den Modus eines Streben auf das Verlorene hin. Der „Inhalt“ begründet kein „genießendes „ Dabei, keine Stillung des Interessenzuges im Dabei, im ruhenden oder aufschwingend bewegten Genießen, der Inhalt in seiner Wandlung ist so, dass die Befriedigung abnimmt; aber indem das Ich auf den befriedigenden Inhalt als solchen sich richtet, eignet es ihn sich in gewisser Weise an; d. h. dieses Gerichtetsein des Ich verschwindet nicht, wenn der Inhalt anders ist oder gar verschwindet; er verschwindet nicht wirklich, er verbleibt bewusst in unanschaulicher Weise als das Woraufhin des einmal gefassten Interesses für ihn; aber das 1

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Page 1: D 12

D 12I.

[PHANTOM, TELEOLOGIA FINITA O INFINITA, PERCEZIONE]

Datierung: 5.IX.1931Gesamtumschlag für das ganze D 12: Assoziative Passivität des Ich und Ichaktivität in der untersten Stufe; Kinästhese in der praktischen und nicht-praktischen Funktion

Assoziation (assoziative Passivität) und Aktivität des Ich; Aufmerksamkeit, positives und negatives Interessiertsein; Normalfall: das positiv Interessiertsein.Fortdauernd dabeisein ist Befriedigung des Interesse; auf Seiten des „Inhalts“ passive Konstitution desselben als fortdauernde impressionale Gegenwart; Weise der Unveränderung: immerfort mit sich selbst gleich bleiben, oder Veränderung. Dabei kann in der Ähnlichkeitsabwandlung eine kontinuierliche Interessensteigerung als Steigerung der Befriedigung (des hier fraglichen Strebensmodus) begründen. Dieses strebende Verhalten des Ich, diese Weise des befriedigenden Interesses geht kontinuierlich durch das impressionale Jetzt auf das impressionale Kommende, auf das Inhaltliche in seiner Weise der Veränderung. Gegenüber dem Fall der Unveränderung, der ruhende Erfüllung ist, ist das Erfüllung im Aufschwung. Man kann sagen, im einen Fall begründet die ruhende, die gleichmäßige Erfüllung des Gefühl der stillen Freudigkeit als Lustzustand, im anderen Fall die schwungvolle Aufsteigerung.Anderseits der Fall der Minderung der Erfüllung, Gefühl des Niedergangs, Unlust. Aber hier haben wir das Merkwürdige des Mankos, das Zurückbleiben statt des Dabeibleibens bei dem Befriedigenden, wir kommen auf den Modus eines Streben auf das Verlorene hin.Der „Inhalt“ begründet kein „genießendes „ Dabei, keine Stillung des Interessenzuges im Dabei, im ruhenden oder aufschwingend bewegten Genießen, der Inhalt in seiner Wandlung ist so, dass die Befriedigung abnimmt; aber indem das Ich auf den befriedigenden Inhalt als solchen sich richtet, eignet es ihn sich in gewisser Weise an; d. h. dieses Gerichtetsein des Ich verschwindet nicht, wenn der Inhalt anders ist oder gar verschwindet; er verschwindet nicht wirklich, er verbleibt bewusst in unanschaulicher Weise als das Woraufhin des einmal gefassten Interesses für ihn; aber das Interesse hat eine intentionale Modifikation erfahren, aus dem Interesse der genießenden Befriedigung, aus dem strebenden Dabeisein im Modus der Erfüllung, der Befriedigung, ist nun Interesse im Modus der entschwundenen Befriedigung, Interesse an dem vordem genossenen und nun verlorenen Inhalt geworden. Es ist zum begehrenden Hinstreben auf das hin geworden, was ich „selbst“ nicht mehr habe und als soeben gehabt verloren habe. Dieses unerfüllte Streben erfüllt sich in der ihm eigenen Spannung des Begehrens im Wiederauftreten des Inhalts bezw. des befriedigenden wieder Dabeisiens, bezw. wenn er schon da ist, aber im Modus se Ungenügens interessiert, durch einen umgekehrten Prozess des Aufsteigens zum alten Stand. In diesen Modis des Strebens hat es sein Ziel „außer sich“, das ich ist nicht schon bei dem Erstrebten, es strebt erst darin.Das Ich ist aber strebendes nicht nur als begehrendes, sondern in den Weisen des Tuns und Tunkönnens, als Ich der wirklichen und vermöglichen „handelnden“ Aktivität kann es auch passiv sein, Aktivität unterlassen und eventuell selbst wieder tätig-willentlich sich der Aktivität enthalten.Zur Aktivität gehört auch das aufgrund einer MotivationSichhinwenden und nun Dabeisein, Dabeibleiben und Bleibenkönnen.Im Dabeisein bei einem Inhalt kann, wenn er sich wandelt im Sinne der Unbefriedigung, das ursprüngliche Streben nach Besserung, nach Wiederbringen des Verlustes, die Besserung sich von selbst durch Rückwandlung des Inhaltes einstellen; das Streben auf das „Gute“ hin also ohne Zutun des Ich erfolgen. Ebenso wenn der Inhalt verschwunden ist, als guter verloren, kann er von selbst sich wieder einstellen, und so das begehrende Streben auf ihn von selbst Erfüllung finden. Aber diese Möglichkeit zufälliger Befriedigung, einer solchen „ohne Zutun des Ich“ hat neben sich die

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Befriedigung aus dem „Zutun“. Dieses Zutun ist das wollend-handelnde auf das „Gute“ Gerichtetsein, in ihm ist das Handlungsziel als Ende eines Willensweges konstituiert.In der Ursphäre des handelnden Strebens, aktiv erzielenden Tuns der impressionalen Gegenwartssphäre stoßen wir auf das Wegsystem der Kinästhesen. Aber Wege des Tuns, eines zielgerichteten, sind Wege einer durch Übung erlangten Herrschaft. Wie denn auch zu unterscheiden ist Ziel als Woraufhin eines Strebens und Ziel eines Tuns, das als praktisches erreichbar ist, mir als von mir aus erreichbar bewusst ist, eben auf einem Wege, den ich als wohlvertrauten und geübten gehen kann.In der Ursphäre „handelnden“ d. i. zielgerichteten Tuns, oder der einen Ursphäre, der des Tuns in der impressionalen sinnlichen Gegenwart (- die andere, scheint mir, betrifft den Erwerb der Vergangenheiten -) setzt die Konstitution zielgerichteten Tuns voraus das ursprünglich ungeordnete Miteinander von kinästhetischen Verläufen als ichlichen und von Verläufen von Felddaten, die aus Quellen der ichlosen Assoziation und assoziativen Zeitigung stammen. Wir werden sagen müssen, es sind die Felddaten das Reich ursprünglichen Interesse, und somit die Kinästhesen, so sehr sie inhaltliche Unterschiede haben, durch die sie nachher zu einer bewusstseinsmäßig geordneten und als das verfügbaren Mannigfaltigkeit werden, und sosehr auch sie ihre assoziative Zeitigung haben und ihre assoziativen Verschmelzungen, doch von den Felddaten prinzipiell unterschiedne. An und für sich sind sie nicht interessenlos, an sich sind sie nicht wie die Felddaten ursprünglich affizierend; nur die letzteren sind ursprünglich da und sind das, worauf sich in Stufen Daseiendes konstituiert; die Kinästhesen aber gehören immerzu zur konstituierenden Ichlichkeitne.Sagen wir nun, ins Genetischen übergreifend, in genetischer Ursprünglichkeit verlaufen die Kinästhesen unwillkürlich, d.i. nicht als Kinästhesen eines Tuns im eigentlichen Sinne, und mit ihnen verlaufen Daten in ihren Wandlungen bei Tatenlosigkeit des Ich. Indem die Kinästhesen verlaufen, ist das Ich untätig und doch „in Bewegung“. Ein spezieller Verlauf ist, dass dieser Verlauf, oder eine Partialkinästhese im Verlauf, stockt. Das Ich ist in dieser Hinsicht in vorübergehender „Ruhe“. Z. B. ein überraschender, ein das Ich überwältigender Inhalt macht seine Bewegung erstarren. Das Ich ist im Interesse dabei. Ein wieder in Bewegung kommen, und der Inhalt nimmt an Fülle des befriedigenden Interesses ab oder geht verloren. [5] Es ist nun eine ursprüngliche Abstimmung zwischen Verläufen der Daten und kinästhetischen Verläufen Voraussetzung für die Konstitution dieser uns immer schon vorgegebenen Welt. Es muss sich Unveränderung und Veränderung von verharrend Seiendem konstituieren können und dazu zunächst als normal eine Sphäre der Ruhe, des verharrenden Seins in der Unveränderung konstituiert sein, als Identisches, worauf das Ich zunächst in der Sphäre der lebendigen Gegenwart bleibend gerichtet ist, das es erfasst, aber wiederverlieren kann aus dem Erfassen, aus seiner erfahrenden Anschauung, das es aber wiedergewinnen kann in seinem kinästhetischen Tun, das einmal näher, das andere ferner haben kann, das sich also nähern und entfernen kann von sich aus, dem es sich aber auch kinästhetisch nähern und sich von ihm entfernen kann, das es durch Näherung an sich heranbringen kann, bis es bei ihm selbst ist, sein Dasein „genießend“; und so dann im willkürlichen Tun. Das einmal Erfasste ist sein eigen, sein verfügbarer Besitz, sein besitz dadurch, dass das Ich in bleibender Entschiedenheit auf das Optimum gerichtet und durch jede Abwandlung der Entfernung auf das Optimum tuend-strebend gerichtet ist und bleibt und seiner Verfügbarkeit gewiss ist. Die erste Habitualität als feste Entschlossenheit in der Richtung auf das „Gute“ als ein wann immer (hier in der lebendigen Gegenwart) tuend zu Verwirklichendes ist also die dieser Ursphäre.Aber hinzu müssen aus den Zusammenverlaufen von Datenwandlungen und kinästhetischen Wandlungen erst feste systematische Zusammenordnungen werden, es muss – und offenbar zuerst – in Form der Konstitution von unverändert verharrenden Einheiten eine Herrschaft über die Kinästhesen und die kinästhetischen Wege zur Erzielung desselben „Gegenstandes“ gewonnen werden.Das nun wirklich klar zu machen, ist ein Grundproblem. Alles ichliche Geschehen, mit dem Daten in eins verlaufen Daten die schon als Daten des Interesses Strebenpole sind, verläuft als gelingendes

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oder misslingendes Geschehen. Wie erwächst bei wiederholtem Gelingen – zwischen öfterem Misslingen – eine Übung, eine Herrschaft, wie ein festes Sichzuordnen einer bestimmt bekannt gewordenen Kinästhese mit „bekanntlich“ in eins damit auftretendem Datum, und wie das „fiat“, das das Geschehens als zu tuenden gewiss wird und einsetzend das „ich kann“ in sich birgt, in der Gewissheit, eben des durch mich erzielt Werdenden?

Wie ist eine Erscheinung als Erscheinung ihres „Gegenstandes“ bewusst? Wie weckt die jeweilige Erscheinung ihr Erscheinungssystem? Wie steht es mit der Richtung, der spezifische Intention, dem Gerichtetsein auf den Gegenstand als eine „handelnde“ Aktivität, und was kommt dabei als Leistung der „Passivität“, der Assoziation in Frage?Datum, Horizont, Verzeichnung im Horizont; Datum in Auffassung, Meinung; Richtung auf den Gegenstand, den gemeinten, den geltenden. Der „Gegenstand“ als Einheit einer Mannigfaltigkeit von Geltungen; Horizont der Geltungen, der Bestimmungsstücke des Gegenstandes, „implicite“ mitgemeint, jedem implicite zugehörig; eine Sonderrichtung darauf im Gerichtetsein auf den Gegensand; auch in der „Setzung“, Seinsgeltung, auch in der bleibenden Erzielbarkeit, Erreichbarkeit im „es selbst“ impliziert die Sondergerichtetheiten, Sondersetzungen, Sondergeltungen etc. – oder impliziert die Vermöglichkeit einer Tätigkeit der Explikation.Zum Gegenstand ist aber auch gehörig ein Außen-Sinn, ein Horizont von mitseienden anderen Gegenständen, von Relationen, Verbindungen – innerhalb eines universalen Horizontes. Die Unphänomene: Bewusstsein als „ich meine“, ich meine erfahrend und meine darin: etwas ist selbst da, selbst gegenwärtig oder selbst vergegenwärtigt, „wiedererinnert“, oder es ist gemeint aber nicht erfahrend gemeint, ich meine ich habe mannigfaltige Meinungen, ein All, des von mir Gemeinten in strömendem Wandel, aber allzeit eine Einheit meiner Meinungen, gemeint im Modus seiend oder vielleicht seiend, vermutlich, wahrscheinlich seiend, vermeint aber auch als nicht seiend, als Schein etc. Das meinende Leben im Urstrom ein Strom der Urseitigung. Ich meine aktiv gerichtet auf das oder jenes Gemeinte; in Sonderheit der Aktus „ich darauf gerichtet“ als ein eigenes, abgehobenes Moment (ein „Erlebnis“) des strömenden Gesamtlebens, des Urstromes (dessen Momente in diesem Sinne „Erlebnisse“ heißen); der Ichpol, das identische Ich aller zunächst in der strömenden Gegenwart auftretenden Akte: das identische Ich als Pol ist kein vermeinter Gegenstand im Akt. Reflexionsakte, in denen der Ichpol auf Akte gerichtet ist, gerichtet auf den Ichpol dieser Akte, auf dessen aktives Meinen und das darin Gemeinte. Dann ist der Reflexionsakt „in Vollzug“, das Ich dabei fungierendes, vollziehendes Ich. Der reflexiv bewusste, im Reflexionsakt gemeinte Akt und das darin gemeint beschlossene Ich ist nicht vollziehend, es ist im Modus der vergegenständlichten. Diese Unterscheidung ist selbst durch Reflexion gewonnen, durch welche ich von den Unterschieden der Funktion allein etwas erfahren, sehen, meinen, davon reden kann.Das im Urstrom fungierende eine Ich, der eine Pol der Akte; alles aktiv Gemeinte ist „gegenständlich“. Das Ich hat sein Gegenüber, das, was für es ist, ihm als seiend in irgendeinem Modus „gilt“, womit es in irgendeinem Modus beschäftigt ist. Im Urstrom und seiner Urzeit folgen die Akte aufeinander, sie schließen sich aneinander an in lückenloser Verkettung, innerhalb der Einheit der urströmenden Lebensgegenwart; ein Akt im Vollzug verlaufend schließt sich an den andern, ist mit ihm verkettet – wie immer es mit den „Gegenständen“ stehen mag, wie immer mit dem „sachlichen“ Zusammenhang oder sachlich Zusammenhanglosigkeit der Akte. Aber nicht nur das: wie immer es stehen mag mit der Verknüpfung oder Nichtverknüpfung der aufeinanderfolgenden Akte zu einem Akt, zu einer Einheit der von dem Ichpol ausgehenden Meinung und Richtung auf das einheitlich Gemeinte.Indem das fungierende Ich meinend sich richtet und gerichtet ist auf einen Gegenstand, breitet sich die Richtung, das gerichtete Meinen über die Strecke der Urzeit, eben der urströmenden Erlebens; das Meinen ist erstreckt, vom Ichpol geht kontinuierlich die Richtung auf den Gegenstand, das auf in Abzielen fort und geht fort die Einheit der Geltung. Aber nicht nur diese Kontinuität des

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Hinströmens, das eben für das Ich aktiv Hinzielen ist, Hingerichtetsein ist, hat ihren während des Strömens identischen Ichpol all der nach Phasen unterscheidbaren Richtungsstrahlen. Vielmehr gilt das offenbar kontinuierlich fort im totalen Strom der lebendigen Gegenwart und durch alle Akte und in eins hindurch. Von dem Ich, demselben Ich, geht eine Einheit der Strahlung aus.Aber ist das ganz korrekt? Geht ein Richtungsstrahl so ohne weiteres kontinuierlich von Akt zi Akt fort, durch den einen auf einen Gegenstand gerichtet und dann stetig in den andere hin, auf einen anderen Gegenstand?Es ist noch nicht Rücksicht genommen auf das beständige Spiel der Affektion und die Unterschiede des primär Gerichtetseins, den im ersten und prägnanten Sinne Gerichtetseins, mit etwas irgendwie aktiv (z.B. betrachtend-wahrnehmend, oder handelnd-umgestaltend) Beschäftigtseins, und im sekundären Gerichtetsein, das selbst verschiedene Modi und Stufen haben kann.Jeder Akt hat seinen Einsatz, das Ich wendet sich zu, aber aufgrund einer Affektion. Irgendetwas affiziert das Ich, übt darauf einen „Reiz“, mannigfaltige Reize auf das Ich hin; das Ich nun antwortend auf diesen oder jenen Reiz; Gradualitäten der Reize, ihr größerer oder geringerer Zug auf das Ich.[8 a] Wir sagten „Ich im Vollzug eines Aktes auf irgendetwas gerichtet, damit beschäftigt“ – dieses Ganze des Aktes ist ein Erlebnis in der ursprünglichen Zeitlichkeit, es erstreckt sich durch die Zeit hindurch, hat Anfang, Fortdauer, Ende, derart dass jedem Zeitpunkt ein Strahl des „ich bin gerichtet“ entspricht, stetig durch die Kontinuität der Phasen hindurchgeht auf „den“ Gegenstand. Im Aktus als währendem Erlebnis ist fortwährend der „Gegenstand“ als das Worauf der Richtung erlebt, vermeint, in jeder Phase als derselbe. In den kontinuierlich verschiedenen Phasen, den Erlebnisphasen, ist identisch identisch vermeinendes Ich und identisch vermeinter Gegenstand in gewisser Weise Erlebnismoment, von dem Akt als Erlebnis untrennbar. Aber gemeinter Gegenstand, sagt dasselbe, ist in jeder Phase gemeint, wie meinendes Ich dasselbe; ich bin in allen Phasen meinend. Ich bin nicht reelles Stück, reelles Moment jeder Phase, das vorüber ist; wenn die Phase verströmt ist, bin ich nicht verströmt, sowenig als ich einen Anfang habe mit dem Anfang des Erlebnisses. Ich bin das identische Ich als meinendes in allen Erlebnissen. Ich, dasselbe Ich, habe gemeint, habe dieses oder jenes wahrgenommen, erwartet, getan usw.; in den verschiedenen Vergangenheiten war ich dabei in verschiedenen Akten, aber ich bin selbst nicht vergangen, und von meinem identischen [8 b] Ichsein ist nichts verströmt; ich war nicht das strömende Leben oder Erleben, sonder war immer und überall das Erlebende, und so bin ich es jetzt, in dem jetzt in meiner Erlebnissphäre Wiedererinnerungen auftreten, bin ich jetzt auf die vergangene Gegenstände, die des damaligen Erlebens, gerichtet, und indem ich auf das damalige Ich, das damals erlebende Ich, reflektiere und wieder auf mein jetzt erlebendes, jetzt die Wiedererinnerung vollziehendes, wieder auf die früheren Gegenstände gerichtetes, finde ich mich als ein und dasselbe.Was aber vermeinte Gegenstände in ihrer Identität anlangt, nämlich als vermeinet, so besagt wieder das Verströmen des Aktes nicht das Verströmen des Gegenstandes, der den vermeinte ist, sonder ein Verströmen des ihn Vermeinens, also des „Vermeinten als solchen“. In wechselnden neuen Akten kann, wie ich reflektierend erschaue und in einem neien Akte das Vermeinte des einen und anderen Aktes in eins fasse und zur Identitätssynthesis bringe, dasselbe vermeint sein, numerisch identisch derselbe Gegenstand. Hat der Gegenstand des Aktes seine Zeitlichkeit, seine Dauer, sein Verharren als durch Veränderungen hindurch Identisches während dieser Dauer, so ist diese Zeitlichkeit mit allem ihren Inhalt eben Gegenstandszeitlichkeit, die dem vermeinten Gegenstand zugehörige und nicht die Erlebniszeitlichkeit als Zeitlichkeit des Erlebens, des vermeinenden Aktes selbst.Indessen in der Mannigfaltigkeit der Akte, worin Gegenstände vermeint und in diesem Sinne „erlebt“ sind, mag es zwar vorkommen und jeweils nach Belieben hergestellt werden können, dass mehrere Akte Erlebnisse sind, die dasselbe meinen; [9a] aber in der Einheit des urströmenden Erlebens sind viele, endlos viele unterschiedene Gegenstände Identitätspole in und für die meinigen Erlebnisse. Wir haben also einen einzigen Ichpol und eine endlose Vielheit von Gegenstandspolen.

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(Nur das ist hinzufügen, dass unter den möglichen Akten des Ich, unter denen, die ich sogar jederzeit herzustellen vermag, auch ein universaler Akt zu sein scheint, der unter dem Titel Weltall eben die Allheit von Gegenständen befasst. Indessen Welt ist ein Titel für die Allheit von realen Objekten, von seienden, die in „realer Wirklichkeit“ sind. Wir pflegen aber zu sagen, dass Objekte, überhaupt, dass Gegenstände vermeint sein können, „bloß“ vermeint, die aber in Wahrheit gar nicht sind, und trotzdem finden wir, dass verschiedene Akte auf dieselben als vermeinte bezogen sein können oder dass diese selbst als seiend und als dieselben seienden vermeint sein können. Wir sind aber hier nicht so weit, um vermeintes und wirkliches Sein in ihrer Bezogenheit zu einander und ihrem Sinn besprechen zu können).

[10a] Apperzeption; Beispiel: die sinnliche Wahrnehmung als gewohnheitsmäßige, eingeübte Praxis von gewissem Typus. Dazu gehört die Zweiseitigkeit des „Wenn-So“ und auf Seiten des „Wenn-So“ haben wir die eingeübte Vermögen, Können in einem Spielraum von Vermöglichkeiten, einen bewussteinsmäßigen Horizont von Vermöglichkeiten.Hier haben wir den Spielraum der Organkinästhesen (mit den assoziativ fest zu ihnen gehörigen Organempfindungen), ein System von Vermöglichkeiten kinästhetischer Bewegungen von relativen Ruhen (Ruhekinästhesen) aus, die selbst durch vermögliche Bewegungen in andere überzuleiten sind.Bin ich in einer kinästhetischen Totalruhe, halte ich mich kinästhetsich ruhig, so ist diese Ruhe begabt mit einem Horizont, einen Spielraum von kinästhetischen Bewegungen, die ich von da aus vermöglich kann, und die eventuell überführen in eine neue Totalruhe; dabei kann ich während einer Bewegung Teikinästhesen abheben und relative Teilruhen und Teilbewegungen und sie vermöglich abwandeln; ich kann für mich schon konstituierte Bewegungsgestalten als im Horizont stehende und für mich abgehobene Möglichkeiten willkürlich erzeugen, willkürlich abwandeln.[10 b] In der Körperwahrnehmung (raumdinglichen Wahrnehmung) laufen in Verbindung mit den kinästhetischen Abläufen (die auch, wenn sie passiv ablaufen, z. B. beim passiven Zusinken des Auges oder dem Zurücksinken in seine kinästhetische Ruhelage) „Erscheinungen“ ab, genauer, in eins mit den kinästhetischen Bewegung (und Ruhen) sind kontinuierliche Erscheinungsverläufe.Hierbei sind verschiedene Vorkommnisse besonders zu notieren. Wir sehen von den Vorkommnissen der Erscheinungssphäre zunächst ab, die der Titel Vordergrund-Hintergrund, besonders Ding, worauf ich gerichtet bin und dinglicher Hintergrund usw. anzeigen. Zu diesem Unterscheidungstitel gehören weitere Unterschiede: Wahrnehmungsfeld als Koexistenz der jeweils in Koexistenz wahrgenommenen bezw. merkbaren, bebachtbaren Dinge; in der Succession: Übergang der Wahrnehmungsfeldern etc.Wir nehmen eine gewahrende Wahrnehmung, und als ob sie alles schon wäre; ein kinästhetischer Prozess, eine kinästhetische Kontinuität, oder ein periodischer Prozess des Gehens der als Einheit einer periodischen Kinästhese fungiert, und in eins damit die einheitliche Kontinuität der Erscheinungen, die synthetisch einig sind als Erscheinungen von demselben Ding. Die einheitliche Kinästhese ist schon vertraut als ein Kontinuum möglicher Ruhen, möglichen Haltmachens (kinästhetsicher Punkte); jedem entspricht ein „Punkt“ in der Erscheinungskontinuität, eine Einheit der Koexistenz (ein Stück des gesamten visuellen Feldes, das eine beständige Gestalt visueller Koexistenz ist, nur wechselnd in der Qualifizierung).[11a] In der Koexistenz haben wir möglicher und eventuell wirkliche Teilungen des Sehfeldstückes; das ganze Stück hat seinen Gesamtcharakter Erscheinung-von (Auffassung-als), und jedes Teilstück für sich den Sinn, eingeordnet in den Gesamtcharakter. Wie dann im kontinuierlichen Fortgang, Übergang, die Gesamterscheinungen eine Einheit bilden als Erscheinungen (Phasenerscheinungen) von demselben Raumding; jede Teilerscheinung hat ihre darin eingeordnete Erscheinungsreihe als Erscheinungsreihe desselben Momentes vom Ding – so visuell; und im Visuellen operieren wir. Was wir hier unterscheiden als die Sehfeldstücke und ihre Erscheinungscharakteren (Auffassungscharakteren) bezeichnet wird; oder es definiert sich damit „hyletisches Datum“

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(Empfindung) als ein funktioneller Begriff, abstrahiert aus der fertig konstituierten Dingwahrnehmung. Dieses Wort selbst ist zweideutig; es bezeichnet eintweder konkrete Erscheinung bezw. Erscheinungskontinuität oder es bezeichnet diese Erscheinungskontinuität in eins mit der kinästhetischen Kontinuität, die ihr zugehört.Was besagt nun dieses Einsein, dieses Verbundensein von Erscheinung (in der das Ding erscheint, in der sich und das Ding wahrnehmungsmäßig als es selbst „darstellt“, vorstellt, und so vor uns steht) mit den zugehörigen Kinästhesen? Oder was besagt dieses Zugehörigseins bewusstseinsmäßig?[11 b] Auch die Erscheinungen verlaufen vermöglich, passiv oder aktiv; aber auch passiv sind sie bewusst als solche, die wir „subjektiv“ ablaufend haben und als das tuend ablaufen lassen könnten. Die Erscheinungen haben einen Spielraum, eine Horizont der Vermöglichkeit, einen Horizont von erscheinungen, die wir, von der, die wir faktisch haben, ablaufen lassen könnten, nach Willkür verwirklichen könnten. Auch Erscheinungen verbleiben eventuell in Ruhe, „unbewegt“, und jedes gerade „Unbewegte“ können wir in Bewegung, in Verlauf setzen, innerhalb seines Erscheinungsspielraumes. Und doch ist das eine grundverschiedene Vermöglichkeit von der der Kinästhese. Die Vermöglichkeit der Erscheinungen, das sie ablaufen lassen Können und ihre Art, in Spielräumen zu sein, ist eine mittelbare und nimmt ihrem Sinn von der unmittelbaren der Kinästhese. Die Unmittelbarkeit des Könnens bezw. des Tuns. Des Verwirklichens besagt: hebt sich in Spielraum der Kinästhese (der nicht explizit bewusst ist, aber selbst als Einheit bewusst werden kann, anchaulich durchlaufen werden kann in einer entsprechenden Vermöglichkeit) einer kinästhetische Bewegung ab, so genügt ein schlichtes „fiat“, sie zu verwirklichen; das „gekonnt“ geht in Wirklichkeit über, Was aber die Erscheinungen anlangt, si ist ihr Ablauf als Erscheinungen vom Selben ein Ablauf „infolge“, und das in Wesensnotwendigkeit. Kein unmittelbares fiat kann den Verlauf in Bewegung setzen, sondern nur „durch“ das die parallelen Kinästhetsen bewegende verwirklichende fiat wird der Erscheinungsverlauf verwirklicht, und so ist er mittelbar in meinem Vermögen und hat auch so den Charakter des mir zur Verfügung Stehens.[12a] Es ist also ein Zusammenhang, und in der subjektiven Zeit ein solcher der Gleichzeitigkeit, des Zugleichverlaufens der Kinästhesen und der dazugehörigen Erscheinungenm der zu charakterisieren ist als ein Zusammenhang des „Wenn-So“. Nicht ein bloßes Koexistieren des entsprechenden Phasen, ein wechselseitiges gleiches Miteinandersein, sondern ein „kausales“, einseitiges Miteinander; das jeweilige Sein der Kinästhesen bedingt das Mitdasein der zugehörigen Erscheinung; die Kinästhese motiviert die escheinung. Die verwirklichende Thesis, das fiat, der als Vermöglichkeit zunächst vorschwebenden Kinästhese „insceniert“ einen kinästhetischen Verlauf und insceniert in der Modalität des „infolge“ einen Erscheinungsverlauf, der nich nicht wirklich geworden, aber im Horizont des fiat stehend ein Teil des kinästhetischen Verlauf ist, schon charakterisiert als das im fiat nunmehr Kommende; und diese antizipierende Thesis hat als Korrelat die antizipeirende Mitthesis, Nachsatzthesis der entsprechenden Erscheinungsstrecke als kommend infolge.Ist das schon hinreichend, um die Verbindung zwischen Kinästhese und entsprechende Erscheinung zu charakterisieren? Ja ist es die korrekte Beschreibung des „Wenn-So“, das hier vorliegt? Muss es nicht vielmehr heißen: wenn wir mit der Kinästhese a Erscheinung E auftritt, so ist es nun im von Ka vorgezeichneten Horizont der Kinästhesen der Erscheinungshorizontes, der der Erscheinungen des Dinges De, zugeordnet vorgegeben dem System der Kinästesen,- der ich bin immerzu in irgendeiner „der“ Kinästhesen; [12b] ich bin jeweils in einer Stellung, und jede Stellung gehört hinein in das eine und selbe totale Stellungssystem; ich bin immer irgendwie kinästhetisch, in irgend einer Ruhe zu einer anderen, von einem ruhenden Halt zu einem anderen; -wobei die obigen Unterschiede zwischen ruhe als Nullzustand und Halt in Frage kommen. In meiner jeweiligen Stellung finde ich etwas von, ein Ding in seiner Erscheinung, aber in derselben einmal D 1, das andere mal D2 etc.

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[13 a] Kinästhese. – Die Empfindungsdaten im Felde verlaufend, entweder von selbst, ohne mein Streben verlaufend ohne „Interesse“, oder in meinem Streben.Der Verlauf im Interesse ist ein solcher im ichlichen Interessiertsein, in ichlichen modis des Strebens. Strebensmodus des Dabeiseins, Streben in der Fülle, „genießend“. Dieser Modus wird gebrochen durch eine Abwandlung des Inhaltes, der nicht mehr voll genossen wird, sondern eine Verarmung bringt; dabei ist das Streben auf den Inhalt gerichtet, dauernd gerichtet als auf sein Wobei, solange er eben nicht entschlüpft, wobei dieser „Inhalt“ noch keineswegs sagen darf ein Objekt und das Entschlüpfen nicht schon das Fortbewegen eines Objektes. Streben zurück zum Inhalt, zurück zum „Dabei“, in stetigen Wandlung zum vollen Genuss, Identifikation desselben; strebender Übergang als Weg zum selben, Steigerung der Fülle, Erzielung. Richtung auf ein Ziel durch einen „Weg“ dahin. Im strebenden Übergang haben wir Verlaufsmodi von Strebenmodalitäten, und als Verlauf selbst ein Strebenmodus unerfüllten, sich erfüllenden Strebens und schließlich mehr oder minder dabeisein. Im Verlauf Richtung auf das Telos, das sich aber auf einem Wege in den Abwandlungen darstellt; [13b] Verlieren und Wiederfinden der Darstellung, Verlieren aus dem Felde, Antizipation, wenn die schon die Wege vertraut geworden sind als Wege von strebenden Verläufen, in denen das Verlorene kommendes und im nähern im Kommen ist; die Vorerwartung sich erfüllend in dem ersten darstellenden Bild und dieses als Darstellung sich weiter und vollkommener erfüllend im Selbst.Was sind das nun, die Strebenswege? Verlaufsweisen, die an sich den Charakter strebend haben, des „ich bewege“, ich tue etwas auf etwas hin; diese sind wiedererkennbar. Es können auch verschiedene Strebensverläufe in demselben Telos, demselben Strebenmodus des in der Zielfülle sein, terminieren.Doch muss vorher unterschieden werden: die Strebensmodi im weitesten Sinn, in denen der Verlauf noch ziellos ist, ein dahin strömendes und eventuell vielfältig unterschiedenes (nachher erst unterscheidbares) „ich bewege mich“; der Charakter „subjektiver Verläufe“ ist schon vorausgesetzt, damit eigentliches Streben werden kann auf ein Ziel hin. Ein solches subjektives Bewegen ist auch das Medium, durch das auf ein Genussziel, das verloren gegangen ist, zurückgestrebt wird; es war selbst im Genuss bei einer „kinästhetischen“ Situation, Wandel der Situation, dabei in eins konstellation von Daten eines Feldes; die kinästhetischen Konstellationen müssen erst gemerkt, identifiziert sein und können dann als jeweils bestimmter Strebensweg gewählt werden. In der passiven Wiederholung der kinästhetischen Konstellation haben wir dann Deckung, Einigung, eine kinästhetische Konstellation wiedererkannt weckt die kinästhetische Konstellationswandlung zum Ziel, auf das das Streben geht. Das Streben bekommt den Endsinn als Sinn auf diesem Strebenswege. Das Streben richtet sich durch diesen Verlauf, eine Strebensintentionalität, die kontinuierlich durch Streben (von – von – von) hindurch, durch kinästhetischen Verlauf und Gehalte hindurch auf das Ende geht. Die Wege werden für sich beachtbar, aber in der Übung brauchen sie nicht zu besonders beachteten Wegen zu werden. Das Ziel als Ziel von da aus und „End“punt des von da aus auf es hin gerichteten Weges. Das Ziel hat dadurch einen intentinalen Charakter des Telos von da aus.Scheidung der Kinästhesen von den wechselnden Zielen; Übertragung durch Assoziation.

[15 a] Die schwierige statische und genetische Analyse der kinästhetischen Systeme.Hauptpunkte: wir müssen unterscheiden kinästhetische Ruhe und kinästhetische Bewegung; kinästhetische Ruhe ist der Stand der Passivität, des Null hinsichtlich des Strebens. Kinästhetische Bewegung ist ein Strebensverlauf, und eben desselben Null ist die Ruhe. Im Strebensverlauf haben wir Kontinuität der Anspannung, eine Spannungssteigerung, „fortgesetzte“ Anspannung, eventuell auch den Modus der nachlassenden Anspannung, einer Minderung der Kraft, der Energie; das ergibt eine Änderung des kinästhetischen Gesamtphänomens, einer Kinästhese der fortgesetzten Anspannung. Wieder ein Fall, ein Modus ist zuerst nachlassen der Anspannung und Übergang in Passivität, eventuell plötzlich in Passivität übergehen, wobei die Gesamtkinästhese in die

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Nullkinästhese, die der Ruhelage übergeht. Dabei dürfen wir diesen Übergang, dürfen wir das Totalphänomen einer immer kontinuierlich verlaufenden Kinästhese, nicht, wie es die Mathematiker tun, aus Differentialen von ruhen aufbauen oder auch nur aus kleinen Momenten der Ruhe; das sind schon „logische“ Konstruktionen. Jeder Verlauf ist ein besonderes und in sich ganz einheitliches Phänomen – das sogenannte „Phi“-Phänomen, - und so auch hinsichtlich der Kraftanspannung und ihrer Modi. Ein ausgezeichnetes Phänomen ist das Phänomen der Ruhe, in die jedes Bewegungsphänomen überzugehen tendiert – ein Tendieren, [15b] das kein Streben ist. Aber wesensmäßig gehört hier wie überall zum Streben und seinen energetischen Modis jeweils ein Korrelat des Ent-Strebens sozusagen, das Energieloswerden und energielos ablaufende und abgewandelte Strebensphänomen, und ein Endzustand solchen Ablaufes, ein Zustand der Ruhe, sozusagen das tote Streben, das Streben im Modus reiner Potentialität eines von da vermöglicher Weise Fortstrebens, eines Übergangs in Modi eigentlichen positiven Strebens.Was die Kinästhesen der äußeren (sinnlichen) Wahrnehmung anlangt, so sind sie sehr mannigfaltig. Und zunächst haben wir innerhalb eines allgemeinen totalen kinästhetischen Systems, innerhalb der totalen kinästhetischen Bewegung und innerhalb der totalen kinästhetischen Ruhe und Modi der Bewegung gemäß wechselnder Energieverteilung (was schon ein analytisch konstruktiver, also gefährlicher Ausdruck ist) weitere statische Unterschiede zu beachten. In der Beziehung auf den Leib gesprochen haben wir ihn ale ein Gesamtorgan auszusehen, in dem vielerlei Teilorgane zu unterscheiden sind. Die Teilung in Organe, wie die Rede von Gesamtorgan hat Beziehung auf Kinästhesen; jedes Organ hat sein „kinästhetisches System“, jedes mit anderen zusammenfungierend konstituiert sozusagen ein kinästhetisches Organ höherer Stufe und do das All der Organe ein Organ gemäß einer Totalkinästhese als Synthesis aller, nämlich aller miteinander fungierender oder möglicherweise miteinander fungierender Organe. Dem entspricht nun das Besondere der obigen Allgemeinheit.Aber nun habe wir auf Folgendes zu achten. Der Leib hat als Ganzes betrachtet wohl vielerlei Ruhelagen; ruchen stehen, ruhend sitzen, liegen usw. und das selbst wieder in verschiedenen Weisen, die verschiedene Ruhelagen darstellen. Alle diese Ruhelagen – Ruhelagen für die Gesamtkinästhese und dann Sonderkinästhesen, die von ihnen aus so und natürlich vermöglich durchzuführen sind, dass sie bei Null-Werden der Energie in die jeweilige selbe Ruhelage zurückführen, sind selber wieder durch kinästhetische Übergänge so zu verwandeln, vermöglic zu verwandeln; ich kann stehend eben das Stehen überleiten in Gehen, auch in beweglicher Weise überleiten in ein Sitzen, das Sitze in ein Lieben usw.Greifen wir eine solche Ruhelage heraus. Ein Problem ist hier offenbar, was die Besonderheit dieser und so jeder Ruhelage ausmacht und bedingt, bezw. was die verschiedenen Besonderungen bedingt. Sagen wir, der körperliche leib ist in körperlicher Ruhelage, so reicht das natürlich nicht aus, da die kinästhetische Ruhelage objektiv zwar Bewegungslosigkeit (raumkörperliche) in sich schließt, aber „subjektiv“ kinästhetische Anspannungslosigkeit besagen soll, während ein Ruhen unter Anspannung nicht mehr eben kinästhetische Ruhe besagt, die wir im Auge hatten.Doch eben das weist auf einen neuen Punkt der Analyse hin, zu dem wir sogleich übergehen werden. Zunächst aber weisen wir darauf hin, dass in jeder kinästhetischen Ruhelage, als totaler verstanden, inbegriffen sind kinästhetische Ruhelagen aller Organe; alle sind nicht in Bewegung und alle sind dabei anspannungslos ruhend; aber jedes ist „beweglich“, jedes „kann ich“ in Bewegung setzen von seiner Ruhelage aus, in eine vermögliche Bewegung überführen, die dann zugleich körperliche Organbewegung ist – von außen, eben raumkörperlich objektiv betrachtet. So hat jedes Organ bezw. hat jede Organkinässthese ihre eigene Null-Lage, die aber relativ ist auf die Totalnulllage der Gesamtkinästhese bezw. des Gesamtkörpers als „Leibes in seiner jeweiligen Ruhe“, Alle diese Gesamtkinästhesen im Null-Stande sind aber, wie gesagt, auf einander dadurch bezogen, dass sie vermöglich in einander überzuführen sind, was weiterer Aufklärung bedarf. Anzumerken ist doch bezüglich der hier bestehenden Relativitäten, dass zwar jedes Null eines Sonderorgans (wozu wir auch in eins zusammen fungierende Organmehrheiten rechnen) auf eine jeweilige Totalruhelage bezogen ist, und damit auch das System vermöglicher kinästhetischer

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Bewegungen von diesem Organ-Null aus, dass aber gleichwohl dasselbe Organ in den verschiedenen totalen Ruhelagen, auf die es bewusstseinmäßig mitbezogen ist, dasselbe Null bezw. dasselbe vermögliche Bewegungssystem haben kann. So z. B. meine jetzt schreibende Hand ist bezogen auf meine Ruhelage, ich sitze zwar auf meinem Lehnsessel, vorgebeugt, den Linken Arm auf der Sessellehne und die Hand auf der Tischfläche ruhend, während die andere Hand mit dem Federhalter die schiebende (schreibende) Bewegung durchführt. Sowie ich innehalte, entspannt sich die bewegende Energie, die Hand mit der Feder nimmt nun auch Ruhestellung ein, beim Nachdenken entspannen sich auch unwillkürlich meine Augen, sie nehmen ihre Ruhelage ein, alle Organe in eins ruhen, die Totalruhelage ist eingetreten. Alle sind so „unterstützt“ (spannungslos), dass bei aller Energiepassivität einer Nullkinästhese verharrend statthat. Aber dann möchte ich mich doch in verschiedener Weise „zurechtsetzten“, je nach dem könnte der Oberkörper und so die verschiedenen körperlichen Organe in verschiedener Weise sich ruhend zusammen ordnen, und es könnte doch auch die Haltung der schreibenden Hand und ihrer Bewegungsart im Wesentlichen dieselbe sein. Nun die Hauptuntescheidung zwischen jener kinästhetischen Ruhe – Unbewegung .-, dem Entspanntsein, also ohne Strebenzug sein, und kinästhetischer Ruhe Unbewegung, in verhaltener Spannung. Dies letztere kann selbst verschieden sein; ein plötzliches unwillkürliches Erstarren der Bewegung, ein Starrwerden vor Überrascung, wie wenn der Blick „starr“ wird bei einem unerwarteten Knall.Es kann aber auch ein Haltmachen sein, ein noch Fortstreben, aber inzwischen Haltmachen, wie wenn ich z.B. die Augen bewegend in der durchlaufenden und näher Gestaltbetrachtung einer Blume auf ein Gespräch aufmerksam werde, momentan abgelenkt, aber nur in der Weise des momentanen Haltmachens, während das Streben zur Weiterbetrachtung noch lebendig bleibt.Es kann ferner auch sein, dass im fortgesetzten Anspannen und der ihm eigenen Steigerung mir das Steigern allmählich zu unbequem wird, dass die sozusagen vorhergesehene Anspannung sich totläuft, so z. B. wenn ich die Augen seitwärts wende ohne dem Kopf dabei zu bemühen, während ich bei einer neuen, schon „mühsamen“ Kraftanspannung sehr wohl die Augen weiter seitwärts bewegen könnet. Hier kommen wir auf eine Grenze jeder kinästhetischen Bewegung, jeder einfachen oder komplexen (wie beim Zusammenfungieren von Organen), die kontinuierlich verläuft, hat ihr Ultimum, oder vielmehr gegenüber dem Null der Ruhe ein Limes der äussersten Anspannung. Doch warum sage ich wie beschränkend? Es ist notwendig ein Begriff der kinästhetischen Bewegung so weit zu fassen, dass darin sich die Ruhen begriffen sind, Was soll der beschränkende Zusatz „jede Kinästhese, die kontinuierlich verläuft“? Gedacht was an das „Gehen“. Wir müssen also Rücksicht nehmen auf eine doppelte Art der Zusammensetzung von kinästhteischen Bewegungen, Die Zusammensetzung ist Synthesis; wir können sagen, sie ist Verschemzung und zwar entweder kontinuierliche Verschmelzung, die eine einzige in sich ungeschiedene Einheit, phänomenologisch vom selben Typus wie eine einfache Kinästhese herstellt. Dieses Herstellen meint nicht ein Tun, sondern eine Art Assoziation, eben Verschmelzung, passive Einigung. In der Erfahrung, im Erleben ist der Komplex das Früherem und es heißt Komplex, weil durch das mannigfaltige Verlaufen von Totalkinästhesen es passiv zur „Auflösung“ der „inneren Ungeschiedenheit“ kommt, nämlich zur Abhebung der dabei implicite auftretenden, eingeschmolzenen Abhebungen. Immer und notwendig haben wir totale Kinästhesen, darin Komponenten der Ruhen und Bewegungen, auf die wir aus Erfahrung rechen können, die wir als kontinuierlich Totalverschmelzung aus einzelnen Ruhen und Bewegungen erkennen oder kennen lernen können; darin als letzte Teile der ganzen Verschmelzung die einfachen, in diesem Sinne elementaren kinästhetischen Prozesse.Wir müssen tastend erst lernen, hier zu beschreiben; die Sachen stellen sich bei Eingehen in die Beschreibungen immer komplizierter dar; das Zusammenspiel von eigentlichen Bewegungen und relativen Ruhen, die sozusagen bei einer passenden Bewegung in sie eingehen können als quasi bewegte Ruhen. Ich denke z. B. an folgenden Unterschied: ich sitze ruhig und bewege bloß den Arm; die Arm-Bewegung „bewegt“ nicht mit meinem sonstigen Körper; eine ganz andere

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Assoziation ist es, wenn innerhalb der Armbewegung die Hand still liebt, die Finger ruhen, in ihren vermöglichen Kinästhesen ruhig bleiben. Das gibt nicht nur äußerlich, raumdinglich, einen anderen Vorgang, sondern in unserer jetzigen Innbetrachtung vor allem eben kinästhetsichen Vorgang. Und dies ganz ausschließlich ist hier in Frage unter Abstraktion von den Apperzeptionen, denen gemäß dabei in eins raumkörperliche Vorgänge der obigen Bewegungen, ihr kontinuierlicher und dann auch diskreter Stellungswechsel im phänomenalen Raum erfahren werden.Das erst zu beschreiben ist hier das Typische, und seine typische Analyse, wobei wir durch Exempel die in de Erfahrung schon liegende oder erst durch neue Erfahrung herzustellende Teilanalyse fordern können, Im voraus wissen wir nichts über die Art der kinästhetischen Gesamtmannigfaltigkeiten, in ihren vermöglichen Totalabwandlung nach Ruhen und Bewegungen, nichts über ihre Art der Vieldimensionalität, wozu dann später die Wesensfragen treten, mit Beziehung auf deren Funktion Raumanschauung, Wahrnehmung einer räumlichen Umwelt möglich zu machen; die Fragen, was das Wesesnmäßige der Mannigfaltigkeit vorschreibt, und was für den menschlichen Leib Faktum ist, und dabei als normales und anomales (Typik der faktischen Anomalitäten). Das sind also Probleme der kontinuierlichen Verschmelzungssynthesis, die Einheit der Kinästhese herstellet. Aber ergänzend sind dabei die Vorkommnisse der Sonderbildungen in Betracht zu ziehen, sie zu diesen Mannigfaltigkeiten als einer mehrdimensionalen gehören und als einer vermöglichen, die also die Gestaltung als vermöglich auszeichnet. Ich bewegen einen Finger – in verschiedenen Bewegungsgestalten; ich kann ihn kreisen lassen, ich kann ihn auf und ab schwingen lassen, drehen usw., das natürlich von den jeweiligen Ruhelage aus, und stets rein kinästhetisch gesprochen.Das birgt in sich aufeinander bezogene „Ausrichtungs“-systeme. Wahrnehmend bin ich ausgerichtet auf das Wahrgenommene, auf die Einheit der Erscheinungen (Erscheinendes im Wie), die selbst Nachsätze sind, also durch sie hindurch. Sie sind Durchgang; ihr Horizont ist Horizont der vermöglichen Selbstgebung des Erscheinenden, die ihrerseits Synthesis der jeweils im Übergang, in einer jeweiligen Erscheinungsreihen (Korrelat eines Übergangs von Ka zu Kb, also einer kinästhetischen Linie) als einstimmig erfolgenden, von mir her die Kinästhese in ihrem Spielraum ins Spiel setzenden ist, bald in dieser, bald in jener kinästhetischen Linie. Diese bezeichne selbst also Durchgänge.

Das noch unbeherrschte, reflektorische Ablaufen der Kinästhesen im wachen Ich des Kindes. Visuell? Was ist das? Ist es nicht schon instinktiv strebend ein „Tun“, das einheitlich sich in verschiedener „Energie“ und je nach der „körperlichen“ Lage in verschiedenen Weise verläuft? Es spielen dabei zugleich verschiedene Kinästhesen; Strampeln der Beinen, Kinästhesen der Kopflage etc., sich wechselseitig beeinflussend; jede Totalkinästhese für sich hat ihren Nullpunkt, in den die Kinästhese von selbst zurückführt, als das Null der betreffenden kinästhetischen Aktivität; aber bei den körperlichen Kinästhesen, die nicht optimal sind, ist ein Null ausgezeichnet. Zunächst je nach der Unterstützung des Organs, Lage der Anstrengungslosigkeit, die relativ Null ist in dieser Unterstützungssituation; es bildet sich erst eine normale Ruhelage aus, in der alle Kinästhesen in ihrem Ruhepunkt sind. Ich stehe – normale Lage der Füsse, des Kopfes, die Hand mit den Armen; eine andere Ruhelage – das Sitzen. Und so verschiedene Ruhelagen, von denen aus einzelne Kinästhesen aktiv ablaufe können. Jeweilige Ruhelage, Übergang in Aktivität, durch die eine Kinästhese aus der Ruhelage herausgeführt wird, in dies sie zurücksinken tendiert; Anspannung im Herausrücken, Kraftanspannung aufwenden, Nachlassen, sich entspannen lassen, nachlassen in minderer Kraftanspannung, geminderte Aktivität, in der die Kinästhese sich abwandelt; völlige Passivität, passiver Rucklauf der Kinästhese in die Nulllage; im Verlauf plötzliches „Stop“, Haltmachen etwa bei einem plötzlich übergreifen den Reiz, nachlassen der Anspannung, - der Reiz mindert sich oder verschwindet, während die Kinästhese sich entsprechend abwandelt.Der beständige, aber je nach der Situation verschiedene Strebensverlauf der Kinästhese, in der vielfältigen Wiederholung der Gesamtkinästhese, Deckung, Vertrautheit. Wiederholung der

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Kinästhese mit dem Halt, mit Abbruch und relativen Enden; Deckung also Bekanntheit der Halt-Kinästhesen.

[20 a] wir haben zu unterscheiden die bloß wahrehmend fungierenden Kinästhesen, also 1.) die in eins wahrnehmungsmäßiges „Universum“ von Dingen konstituierenden kinästhetischen Funktionen, durch die sich das jeweils wahrnehmungsmäßige Gesamtfeld, das raumdingliche Wahrnehmungsfeld, konstituiert, der wahrnehmungsmäßige Gesamtraum, in dem verteilt die Allheit der in eins gesehenen, getasteten, bezw. ungetastet jetzt tastbaren, ungesehenen, aber jetzt sichtbaren Dinge konstituiert – ein sich wandelndes Feld in der eben strömenden lebendigen Gegenwart, in der neue Dinge eintreten als neu zur Wahrnehmung kommend, andere austreten, aber doch noch im geistigen Griff bleiben, in lebendiger Nochgeltung als noch da. Dabei aber ist in diesem Wandel doch ein Universum konstituiert, eine „Welt“; darin ist das einzelne Wahrnehmungsobjekt in sich wahrgenommene Einheit im Wandel seiner kinästhetisch motivierten Erscheinungsweisen.2.) die praktisch fungierenden Kinästhesen, durch die total betrachtet die schon wahrnehmungsmäßig gegebene Welt „praktisch“ handelnd umgestaltet wird, und zwar a.) durch praktische Umwandlung der räumlichen Lage der Dinge, also Eingreifen in Bewegung und Ruhe, b.) durch praktische Umwandlung der qualitativen Veränderungen und Unveränderungen, also praktisch die Dinge deformieren, in eins damit die extensive Materie umwandeln oder diese handeln bei Erhaltung der Gestalt- c.) aber dieses Eingreifen ist ein Eingreifen in die kausalen Universalstil innehaltende Welt, und so hat praktisches wirken auf ein Ding in dessen Umgebung kausale Folgen.Es handelt sich nicht um zwei getrennte Sorten von Kinästhesen, sondern um zweierlei Weisen des Zusammenfungierens der in der Einheit des kinästhetischen Systems mannigfach sich gliedernden Kinästhesen. In den verschiedenen Funktionsweisen, den mannigfaltigen schon unter dem Titel „Wahrnehmung“, kommt nicht nur in Betracht das zu jeder einzelnen und elementaren Kinästhese gehörige Moment der kinästhetische Lage, sondern auch das Moment der „Spannung“ der Kraft. – Doch eigentlich liegt in der Beziehung „Lage“ schon Lage im kinästhetischen System, als Moment, also bewusstseinsmäßig erst da, wo wir das System als schon ausgebildet haben, wie denn auch die Kraftspannung dann schon auf das System bezogen ist.Wir haben also als Voraussetzungen zu unterscheiden: 1.) jede aktiv fungierende Kinästhese hat in jedem immanenten zeitlichen Moment ein Moment dessen, was in der Situation des Systems zur kinästhetischen Lage wird, und 2.) ein Moment der Kraft; das erstere hat seine Abwandlungsmöglichkeiten in Form einer Mannigfaltigkeit; das andere Moment hat intensitätsartigen Charakter und zwar ein Null und ein Extrem.Das gilt dann auch für komplexe Kinästhesen; die Kinästhesen sind konkret immer schon komplex und bilden eine einzige totale Mannigfaltigkeit, die als systematische sich erst konstituiert und dann also stets bewusst wird an jeder aktuellen komplexen Kinästhese als Horizont der Vermöglichkeit.Es fragt sich also, wie das Kraftmoment auf diese Mannigfaltigekeit verteilt ist. Sollen wir sagen, dass es, weil jeder Lagenpunkt dieser Mannigfaltigkeit sein eigenes Kraftmoment hat, ebenso wie vielfältig die Lagenmannigfaltigkeit selbst ist, wirklich über sie verteilt? Anderseits scheidet es sich von dem Lagenmoment dadurch, dass verschiedene kontinuierliche Wege von der totalen Nulllage in andere Lagen die ihnen angemessene Kraftanspannung fordern, die sich in den Verläufen entspannend zu der gleichen Endintensität führt. Jede Lage im System ist zurückbezogen auf die Null-Lage, in die sie zurückfällt, wenn die ihr zugehörige angespannte Kraft sich von selbst entspannt. (Das ist nicht so einfach, da es Unterstützung gibt, Ruhen eines Gliedes oder des ganzen Körpers auf einer Unterlage).Das ist also ein eigenes wichtiges Thema der Untersuchung und muss sorgsam verfolgt werden. Insbesondere Kraft und Streben, als Streben in dem Modus der Verwirklichung und der unerfüllten Intention, und Streben durch Verwirklichtes hindurch auf nicht-Verwirklichtes etc. Entspannte Kraft, Antwort der Aktivität, des Strebens? Die Kraftverteilung über die Mannigfaltigkeit ist aber

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nicht koexistent. Aber ich kann eine entspannte Kraft aktivieren ohne sie in Bewegung zu setzen. Die Mannigfaltigkeit kann bald in diesen, bald in jenen Linien verlaufen und kann zwar in verschiedenem Tempo verlaufen.Und je nach dem Tempo ist die Kraftanspannung eine verschiedene. Zudem haben wir das Phänomen möglicher Abwandlung der Anspannung und ihrer Aufhebung – z. B. ich sitze jetzt ruhig, der Arm liegt ruhig auf dem Tisch, die Füße ruhig auf dem Boden. Es gibt sehr verschiedene Totalruhelagen – des Leibes, sagen wir, - hinsichtlich der Totalkinästhese eine Totalruhe, eine immer wieder andere kinästhetische Situation, die als Ruhelage nicht ein bloßes Stillhalten in einer jeweiligen totalen Kraft, sondern ein Stillsein, ein Ruhen, in der keine Kraft aufzuwenden und aufgewendet isst, und doch wohl noch ein Modus der Kraft, mindestens in der Apperzeption – aufgehoben, auf Null herabgesetzt zu sein. All diese Phänomenen muss man phänomenologisch gerecht werden.Praktisches und unpraktisches Fungieren der Kinästhesen. Nun ist das praktische Fungieren der Kinästhesen, und zwar das ursprünglich praktische Fungieren, ist unmittelbare Erfahrung von Veränderungen, die ich von mir aus in an der Wahnehmungsmäßigen Welt zustandebringe – ein Problem, gegenüber dem unpraktischen Fungieren, in dem Welt für mich wahrnehmungsmäßige ist. Ohne mein praktisches Eingreifen wäre sie von sich aus ruhende oder sich bewegende, sich qualitativ verändernde oder unverändert bleibende Dingwelt, Welt von Dingen. So ist sie schon konstituiert, so ist sie für mich da, erfahrend d. i. in den betreffenden Verläufen von wahrnehmend fungierenden Kinästhesen und ihnen zugehörigen Darstellungen. Nun aber konstituiert sich Welt, konstituieren sich Dinge in einer wahrnehmungsmäßigen Dingtotalität [22b] de facto optisch und haptisch; was weiter dazu tritt an anderen Sinnen, das setzt schon konstituierte Raumdinglichkeit voraus; nun bemerken wir einen eigentümlichen Vorzug der haptisch reduzierten Wahrnehmung: das Berühren der Dinge, wobei wir jetzt davon absehen, dass dabei der berührende Leib, die berührende Hand mitkonstituiert ist und zwar so, dass der Finger und das Ding konstituiert sind als räumlich unvermittelt aneinander liegend, sich, wie wir wiederum sagen, körperlich berührend. Uns handelt es sich aber um ein ganz anderes Berühren. Berührung als haptische Selbstgegebenheit des Objektes hinsichtlich des berührten Teiles der Oberfläche. Das Berühren ist in der zugehörigen Kinästhese eine Selbstdarstellung eines Stückchens Oberfläche, und nicht einmal der ganzen Oberfläche. Während aber eine optische Darstellung eines so kleinen Stückes der Oberfläche, oder, sagen wir, des ursprünglichen Oberflächensphantoms eine bloße Abschattung ist, die sich mit verschiedenen weiteren wirklichen und möglichen Abschattungen synthetisch verbindend dieses Stück Oberfläche konstituiert, ist das Berührte nicht bloß abgeschattet, sondern in einer anderen Originalität selbst da. Und ist diese Art Originalität nicht die letztfundamentale, auf die auch die optische zurückweist als an sich kernhafte, wie viel sie als optische am Ding, dem „schon“ haptisch konstituierten beimessen mag? Lassen wir das zunächst dahingestellt und achten wir jetzt darauf, [22a] dass zur vollen Realität unserer Welt gehört, dass sie für uns praktische Welt ist und unsere Wahrnehmungswelt, dass sie für uns ursprünglich und das ist in ursprünglichster Weise, in wahrnehmungsmäßiger Weise praktisch ist.Könnte eine rein optisch konstituierte Welt praktisch sein, eine wirkliche reale Welt? Das haptische Berühren ist noch unpraktisch so wie das bloße Sehen. Aber das Berühren hat das Eigentümliche, dass es durch Kraftanspannung zum Drücken, zum Stossen, zum Schieben etc. werden kann; aber auch zum Zusammendrücken der zugleich von verschiedenen Seiten ein Ding tastenden Finger, wodurch es ein Packen des Objekts, ein Ergreifen und dann im Mitspiel mit anderen Kinästhesen zum Heben, Tragen etc. werden kann. Aus dem bloß wahrnehmenden Betasten, in dem sich haptisch bloß das Phantom, die res extensa konstituiert und wodurch wir in eins mit dem bloßen Sehen ein Wahrnehmungsfeld von res extensae konstituiert haben, von selbst zunächst verlaufend-seiend, wird nun eine Welt, in die wir eingreifen handelnd, bewegend, was ruhend ist, von uns aus verändern die Veränderungen, die von selbst im Ablauf sind, und dann, was bloß außendinglich da ist und von selbst ist, in gewisser Weise subjektivierend, indem wir es in unserem Leib „einbegreifen“; aber dieser Leib selbst ist noch in Frage in seiner Auszeichnung als Ding und doch

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Ding, das wir von uns aus immerzu bewegen können, ohne dass dieses Bewegen ein stoßen ist, ohne dass, wie bei den Außendingen, die Kinästhesen sich in außenpraktische Funktionen verwandeln.

D 12II.

Keine Datierung (wohl aber auch 1931)Keiner eigene Titel [Problem der Kinästhese]

[24a] die Konstitution des Dinges in der Unveränderung nach Räumlichkeit und Qualifizierung, als sich konstitutiv voneinander abhebend, und Konstitution der Veränderung und der eigentlichen Unverändeurng d. h. des Dinges als in Veränderung und Unveränderung verharrenden.

1.) Diese Konstitution ist in allen Stufen als Konstitution von Einheiten in Mehrheiten, allheitlich geschlossenen Mehrheiten; Einheiten in Konfigurationen von Einheiten, in einem standhaltenden konfigurativen Stil, der innerhalb der Einheit einer Raumform bezw. raumzeitliche Form sich hält und den Dingen Bestimmungen der Lage, der in den Lagenveränderungen sich verändernd, der Gestalt (Gestaltsänderung), der Qualifizierunggen verteilt. Ist da nicht schon dadurch, dass jedes Ding Einheit in seiner Mehrhei ist, eine gewisse Abhängigkeit des Dinges von seiner Umgebung gegeben? Was ist dann das Neue, das die Kausalität hereinbringt?

2.) Wenn Unveränderung in der ersten Form, aus der erst Veränderung und Unveränderung als ihre Modi erwachsen sollen, konstituiert sich, so konstituiert nun Veränderung so, dass eine neue mitlaufende Kinästhese notwendig ist, um die alten Wandlungen systematich „erhalten“ zu können, in denen „Unverändeung“ ihren Sinn erhalten hatte. (Dabei noch: wenn die Kinästhesen, die konstituierend fungieren, „zu schnell“ verlaufen, haben wir „Phi“-Phänomen, die bei normalen Schnelligkeitsgrad eben zu normalen Erscheinungsverläufen führen, so dass jene vermöglich – da ich diese Schnelligkeit beeinflussen kann – die Bedeutung von Veränderungsphänomen erhalten können.)

So für jede Stufe. Dasselbe Ding, dasselbe in Ruhe und nun dasselbe in Veränderung übergehend und fort sich verändernd, dasselbe Ding in Ruhe übergehend, seine Bewegung verlangsamend, und so, dass ich schließlich meine Kinästhesen des Mitgehens einstellen kann.In diesem Stil konstituieren sich stufenweise aus Dingen, welche Einheiten, Identitäten sind im Wandel ihres Seins als Sichveränderns (das jeweils in die Null-Form der Veränderung, die „Ruhe“, übergehen kann, also als bald ruhendes, bald sich bewegendes dasselbe ist), neue Identitäten dadurch, dass neue Kinästhesen, wieder die alte Stilform annimmt, in der nun die alten Kinästhesen und kinästhetisch motivierten Darstellungszusammenhänge ihr Spiel treiben; und wieder wenn die alte Dingssphäre in Veränderung ist, etwa so, dass dieses oder jenes Ding oder eine Gruppe sich ändert – verändert im Sinne der alten kinästhetischen Motivation – so wandelt die neue Kinästhese nur so ab, dass bei jedem Stillhalten eine Veränderung im Sinne der alten Kinästhese verläuft, bezw. so, dass diese alte Kinästhese passend ins Spiel gesetzt als mitgehendes Tun das Scheinphänomen der Ruhe herstellt, nämlich dieselben, systematisch aus den alten Kinästhesen zu bestreitenden Wandlungen, die für diese resultieren würden, wenn eine dieser Kinästhesen mitgehend mit der Veränderung Scheinruhe herstellte. Die Scheinruhe der nächsten Kinästhese impliziert so alle Scheinruhen unmittelbar oder als Scheinruhen der Scheinruhen.Das okulomotorische Feld mit Kinästhese K0 (die spezifische okulomotorische Kinästhese)

I. a.) Ruhe – wenn K0 still bleibt, keine Änderung; wenn K0 von mir in Wandlung gebracht wird, so ein System von Änderungen, die vermöglich wiederholbar sind, und deren jede sofort Unveränderung wird, wenn die betreffende Wandlung zur Stille wird. Beziehung auf ein Optimum. K0-Stellung, zu welcher das optimale „Bild“ gehört; identisches Objekt in ruhe; Normalfall: das ganze Feld ist ruhig.

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b.) Veränderung, Objektveränderung – bei Stillhalten; von K0 Veränderung des Bildes, es wandelt sich „von selbst ab“, so als einzelnes oder das ganze Feld.

II. Es tritt eine neue Kinästhese ins Spiel. Jene Wandlung von selbst sei eine solche (und das ist ein Grundvorkommnis), dass sie durch die neue Kinästhese „aufgehoben“ werden kann.1.) K1 (z.B. Kopfbewegung, Kopfwendung oder auch Oberkörperbewegung) ergibt bei

Stillhalten von Augenbewegung (K0) das, was früher Veränderung war; und anderseits bei Stillhalten von K1 ist ein bestimmtes System von Abwandlungen anhängig, wenn K0 sein kinästhetisches System durchläuft. Kombiniert sich K0 und K 1 in ihren Abwandlungen, so ergibt sich ein kombiniertes System, das beliebig wiederholbar in jeder kombinierten Stillhaltung „dasselbe“ ergibt.

Aber wie das? Zu jeder kinästhetischen Stellung des K1 gehört nicht etwa dasselbe Veränderungssystem im System K0, sondern das ganze Feld in seiner totalen Veränderung verädert sich. Zu jedem Stillhalten K1 gehört ein neues okulomotorisches Ruhefeld, wenn Ruhe höherer Ordnung konstituiert sein soll, in stetigem Übergang, bei Übergang in Kinästhese 1, und zwar so, dass der Übergang dieselben Veränderungen des okulomotorischen Feldes und seiner Dinge erscheinen lässt, welche ohne K1 eben als Veränderung der Dinge des okulomotorischen Feldes erfahren würden; also ein System von Veränderungen in diesem Felde wird durch das Spielen der neuen K1 als Erscheinungsweisen von neuen Dingen bezw. die alten bloß okulomotorischen Dinge als Erscheinungsweisen neuer Dinge konstituiert. Und zwar so, dass im kombinierten System von K0 – K1 ein wiederholbares System immer wieder zu aktualisierender kombinierter Kinästhesen vorliegt, in deren systematischen Ablauf immer wieder dieselben Vorkommnisse der Unwandlung und Wandlung erzeugbar sind.

3.) In jeder Stufe haben wir Beziehung auf ein Optimum; also in der neuen konstituiert sich ein neues Optimum aufgrund der alten, die zu den verschiedenen Stellungen von K 1 gehörigen, auf das alle sonstigen Erscheinungen bezogen sind. Indem ich okulomotorisch bei dem optimalen ding D0 bin und bei, passend K0 abwandelnd, ihm bleibe, während es sich verändert (durch das Spielen von Kinästhesen 1), so habe ich als Veräderung eine Kontinuität von Optima; aber in jeder Phase dieser Veränderung kann ich K1 stillhalten und habe das D1, so wie bei dieser Stellung des K1 sich zeigt und immer wieder sich zeigen wird, wie oft ich wandelnd wieder in dieser Stellung zurückkehre. Das D1 ist immerfort antizipiert als das, was es immer sich zeigen könnte, was sich gerade zeigt, erweist sich als Seite und verweist als Seite auf andere Seiten etc.; alle deren, die nicht optimalen Erscheinungen, verweisen auf dieses Optimum, das in einer gewissen, zyklisch geschlossenes Sonderkinästhese (herausgegriffen aus der gesamten K0 K1) relativ optimale Erscheinungsweisen immer wieder in relative optimale überführt, mit einer Synthesis, in der sich das Objekt optimal von allen seinen Seiten zeigt. Aus der okulomotorischen Lage des Objekts in K0 ist nun die objektive Ruhelage i K0K1 geworden.

Außer –optimale Erscheinungen verweisen auf eigene Zusammenhänge (sonderkinästhetische Systeme), in denen sie Erscheinungen von demselben von verschiedenen Seiten darstellen und in derselben Erscheinungen höherer Stufe, die da Fernding heißt.Das alles ist noch nicht klar verständlich, nicht genug expliziert. Es ist besonders auszuführen, wie die kinästhetische Motivation subjektive und objektive Bewegung korrelativ konstituiert, wie Bewegung und Ruhe am Ort bevorzugt ist, wie sie sich abheben muss gegenüber der Qualifizierung und ihrer eigenen Weise der Unveränderung und Veränderung, bezw. wie sich Gestalt und Lage, demgemäß auch Deformation abheben muss gegenüber Qualität und Qualitätsänderung. Zu beachten das schon Gesagte: die kinästhetisch motivierte Darstellung von Objekten betrifft in eins das ganze Feld; zunächst haben wir ein Empfindungsfeld, dann durch die neuen Kinästhesen immer wieder Objektfeld; einzelne Objekte können in ihrer Situation für sich betrschtet werden, aber es ist das eine Abstraktion; die Konstitution ist immer und notwendig eine Feldkonstitution, eine Konstitution einer Mehrheit, in der das Einzelne Einheit ist, und einer Mehrheit, die eine

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Totalität ist und Horizonte bildend immer wieder Totalität ist und Horizonte bildend immer wieder Totalität antizipiert. Es kommt dann noch auf die kinästhetisch-erscheinungsmäßige Konstitution der übrigen „Sinne“ an und ihres Zusammenspiels.In dieser näher zu begründenden Weise konstituiert sich die raumzeitliche Dingwelt; das letzte Ding ist seiend in Ruhe und Veränderung und seiend in einem jeweils veränderlichen und in allen Veränderungen identischen Universum – betrachtet als Welt der Erfahrung und ausschließlich betrachtet nach allen Seiten der kinästhetischen Konstitution als der Konstitution von Einheiten in mannigfaltigen Erscheinungsweisen, welche „Nachsätze“ kinästhetischer Motive sind. Soweit diese Konstitution reicht, sprechen wir von Phantomen. Was fehlt ist die neuartige fundierte Konstitution, die des realen Dinges der Kausalität, dessen „Verharren“, substantiell-reales Verharren einen ganz anderen Sinn hat als den bloß der Einheit des Phantoms in seinen mannigfaltigen Darstellungen.Dass die kinästhetische Konstitution eine erscheinende und sich erscheinungsmäßig darstellende Allheit ergibt im Strom der lebendigen Gegenwart, von Gegenwart zu Gegenwart, das sagt, eine feste raumzeitliche Form ist da; in ihr sind die Dinge extensionale Größen und nach Lage, nach Gestalt, nach Qualifizierung jeweils bestimmt erfahren; und so werden sie notwendig immer erfahren sein; das gehört zu ihrer Form. Aber im Gang der Erfahrung tritt auch das „Gewohnheitsmäßige“ der Beziehung der sich darstellenden Einheiten der Veränderung und hinsichtlich ihrer Veränderungsweisen, von einander, von „Umständen“ hervor, und es konstituieren sich alsbald kausale Eigenschaften, es konstituiert sich damit ein antizipierbarer Seinssinn von Dingen als an sich seienden. Eine feste jedem Ding eigene individuelle Typik kausalen Verhaltens und eine Typik konkreter Allgemeinheit überhaupt, die die Dinge als verharrend in ihrer kausal zusammenhängenden Veränderungen wiedererkennbar macht. Das Thema „Kausalität in der Nahsphäre“. Kausalität spielt innerhalb der lebendigen gegenwart ihre konstitutive Rolle mit – in der optischen Nahsphäre der perspektivierung, in der haptischen, die als beständige Wahrnehmung erwachsende Darstellung liefert Phantomding, Oberflächending. Aber selbst darin ist die Ausbildung von Erscheinungen (optisch von Perspektiven) beschränkt. Eigentlich gewinnen wir damit nur ein zusammenhängendes endloses Relief in der „Ruhe“; und es ist ein Problem, wie sich im Konkurs mit der Darstellungsabwandlung, die „von selbst verläuft“, sich ein Ding mit geschlossener Oberfläche unter anderen ebensolchen Dingen konfiguriert im leeren Raum konstituieren soll. Einheit und Mehrheit haben wir „dinglich“ (als Phantome, die hier ausgefüllte zweidimensionale Extensionen sind, während von Kausalität hier keine Rede ist) in der okulomotorischen Sphäre sehr leicht. Sowie wir aber in der Opsis zur Konstitution von höherstufigen Phantomen kommen wollen, diese Phantome im dreidimensionalen Raum sein sollen, in ihm konfigurierte Einheiten derart, dass eine allheitliche Mehrheit von Einheiten als Phantome resultieren soll, ist die Sache nicht so einfach. Die Selbstwandlung der Erscheinungen terminiert immer in einer „Ruhe“, in der das Phantom, das noch nicht voll konstituiert ist als Einheit von Veränderungen und Ruhen, zur „Boden“-Fläche zurückkehrt – wo die Ablösung als allseitig Erfahrbares nicht statthat. Also wie kommt es eigentlich zur Konstitution von geschlossene Oberflächendingen?In betracht kommt hier in der zentralen Nahsphäre – als ei bisher noch nicht in Rechnung gezogenes Moment der Konstitution –, dass wir nicht bloß Kinästhesen des Sehens und Betastens ins Spiel setzen, sondern wir ergreifen Dinge, fassen die Dinge in die Hand, drehen sie verschiedentlich herum, „allseitig“ betasten und drehen sie dabei, legen sie dann wieder hin und „wissen“ nun, wie sie allseitig aussehen, auch hinsichtlich derjenigen Oberflächenteile, mit denen sie aufliegen. Die kleinen Dinge sind sozusagen die Urdinge oder die Normaldinge für die Konstitution der größeren, zunächst der größeren, die wir noch einigermaßen heben können und nach neuen Seiten betasten und eventuell besehen, obschon nicht mehr so vollständig, und schließlich Dinge wie dort der große Schrank, die Wand, die wir nicht mehr so behandeln können.Wenn ich den Bleistift aufhebe, drehe, wende, betaste, besehe, so haben wir einerseits Verläufe von Darstellungen, in denen sich Einheit konstituiert, in der Weise, das Ding bewegt sich „von sich aus“. Aber habe ich es bewegt und halte es, bin ichlich ruhend (stillhaltens), wobei ich es besehe

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und betaste (einzelweise oder kombiniert) oder von mir aus bewegt und während der Bewegung ebenso tuend. Ich habe in eins zweierlei „Bewegen“, das des Objektes, das ebenso als bewegt dargestellt ist oder sein soll, wie wenn es auf dem Boden als Rolle als Wagen sich bewegte, ohne mein Zutun; und ich habe ein <Bewegen> von mir aus, die Bewegung als meine Bewegungsleistung, wieder mittelst meiner Kinästhesen, die aber in einer anderen Funktion sind als für tastende etc. Darstellungen. Es ist ebenso, wie wenn ich mein Bein bewege und dabei mit der Hand es betaste oder es als sich bewegend sehe; in Deckung also das Bewegtsein als Raumbewegung und das subjektive Sichbewegen des Organs, d. i. das subjektive Ablaufenlassen der Kinästhese.Doch zugleich kommt hier gegenüber der Hebung meiner Leibesgliedes Neues in Frage. Im Aufheben des Ergriffenen, Tragen in Gehen, oder im Bewegen der tragenden Hand, im Sitzen und dergleichen, im Drehen, Wenden dabei heben wir nicht bloß Verlauf der Kinästhesen bloß mit zugehörigen Erscheinungsweisen der Hand, der Beine, der bewegten Hand, der so und so umfassend fungierenden Finger, sondern die Phänomene der erfasst getragenen, gewendeten, durch die zusammenspielenden Kinästhesen subjektiv „handelnd“ bewegten Dinge. Dabei wirkt mit das Zusammendrücken etwa der fassenden Finger, die Überwindung der Schwere des Objekts, die Gradualität der größeren oder geringeren Anstrengung, Kraftanspannung des Hebens, eine Gradualität, die es macht, dass wir bald vorweg leicht zufassen, bald vorweg eine größere Kraft ins Spiel setzend, bald eine kleinere gemäß der individuell-typischen und vertrauten Art des Objektes. Indem ich mit „dem“ Objekt verschiedentlich so verfahre, die Stelle wechsle, an der ich es fasse, es umdrehe und so die von der Hand gefasste Fläche nach oben bringe, frei lege usw., löst sich das Objekt nicht <mir> von der Bodenfläche durch Aufnehmen, sondern auch von meiner Hand als eigenes Objekt; was nachher in seiner Fassung an verschiedenen Stellen sichtlich und betastbar wird, das gehört ihm vorweg. Dabei ist auch zu bemerken, dass das Anfassen und angefasst Tragen, Wenden etc. in sich schon als wie „tastend“ fungieren kann und fungiert.Allerdings das bloße Anfassen und ergreifend in der Hand Halten ist nicht ein Hin- und herbetasten; es ist auch nicht ein ruhendes Berühren, das in der habituellen Vermöglichkeit steckt, in ein Tasten übergeführt werden zu können. Auch ein sich von selbst bewegendes Objekt, das ich berühre, indiziert die Vermöglichkeit „mitgehend“ es zu betasten. Wenn ich aber nur den Bleistift z. B. in der Hand halte, vollziehe ich kein Tasten im eigentlichen Sinne und kann gar nicht ohne Zuzug anderer Organe und Kinästhesen als tastend fungierender eben zu einem Tasten kommen.Beim Anfassen bedarf es also etwa einer Ergänzung dadurch, dass ich die andere Han dins Spiel setzte, mit ihr Anfassend der Bleistift etwa zwischen den Fingern der anderen Hand hin und her schiebe und so die glatte Oberfläche und die Kanten seiner Längserstreckung durchtaste usw.In der primordialen Sphäre hätte ich ohne diese mit Kraftaufwendung fungierenden Kinästhese zwar schon sich bewegende Dinge, schon Dreidimensionalität, schon krumme Flächen, aber nicht Dinge konstituiert mit den vollgeschlossenen Oberflächen: dies als konstituiert, so wie vordem sich Einheiten der Darstellungen konstituiert hätten (nämlich im Zusammenspiel von Erscheinungsabwandlungen eines Erscheinungssystems als im freien Spiel der Kinästhesen ablaufend, zunächst in der Urform der Ruhe und dann der Bewegung und in Bezug auf die sich mit konstituierenden Optima); das alles trifft in dieser Korrelation und der freien Vermöglichkeit nicht zu, wenn wir volle Oberflächenphantome konstituiert haben wollen, also für die „Dinge“ oder „Phantome“, für die noch nicht konstitutiv in Rechnung gezogen sind die soeben behandelten und nicht bloßen kinästhetischen und doch auch kinästhetischen Leistungen.Das leiblich handelnde Eingreifen in Ruhe und Ortsveränderung eines Dinges ist nicht eigentlich konstitutiv für die Oberflächenkonstitution. In dieser Konstitution gibt es nun Aufheben von Scheinbewegungen; schon konstituierte Bewegungen als Dingbewegungen, gleichwertig Bewegungen von Dingen im schon konstituierten Raum, die also schon Oberfläche, drei Dimensionen haben, werden aufgehoben oder geändert, indem mein Leib sich sich dagegenstemmend, stoßend etc. eingreift, oder dadurch, dass ich das Ding ergreifend es sozusagen zu einem Stück meines Leibes mache.

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Das Ding liegt da, oder auch es bewegt sich (rollende Kugel z.B.) Was ist da? Ich will es ansehen, wie es ist. Wie lerne ich es kennen, ohne es aufzuheben, zur Hand zu nehmen? Z. B. es ruht, da sehe ich es nicht allseitig, bewegt es sich langsam brauchen nicht alle Seiten sichtbar zu werden und dabei insbesondere so sichtbar, dass ich mich nachbewegend jede Bewegung zur Scheinruhe bringen könnte und das Ding mir so ansehen könnte. Aber man wird doch sagen müssen, dass auch durch das Sich-von-selbst-Zeigen neuer Seiten ohne die Bewegung im neuen Ruhestande, obschon im einzelnen Fall nicht Akkseitigkeit zustande kommt, doch geschlossene Oberfläche sich vorzeichnet.Das aufhebende Zurhandnehmen heißt von mir her eine Bewegung erzeugen und das Objekt und zwar als ein nach Gestalt und Qualifizierung unverändertes in eine Lage bringen, in der ich es besser, nach seiner ganzen Gestalt-Qualität kennen lernen kann, nach diesen Grundqualitäten, die es hat, wo immer es im Raume ist, und wann immer, solange es ist. Hat es, meiner Auffassung gemäß, eine Zeit, in der es unverändert bleibt – prägnanter Begriff von Unveränderung = keine Deformation, keine Änderung der Qualitäten der Gestaltfüllen – bloße Ortveränderung gilt hier nicht wie auch Bewegung nicht als Veränderung des Dinges; es selbst bleibt unverändert in der Bewegung, das Ding aber ändert sich, wenn seine Gestalt sich verändert oder seine Farbe etc.Das Eingreifen in die Bewegung des „unverändert“ Gegebenen hilft, es kennen zu lernen, wie unabhängig von der Bewegung ist und eventuell sich „verändert“; so auch das Zur-Ruhebringen, Anhalten, z.B. einer rollenden Kugel, und sie dann eventuell hin und her drehen, also langsam von mir aus rollen, beliebig anhalten und wieder bewegen etc., wobei auch die zugehörigen „Phi“-Phänomene vertraut ablaufen. Ebensogut wenn es ein kleines Ding ist, nehme ich es in die Hand, halte es aufhebend vor meine Augen (statt mich vorhin hinunterzubeugen), rolle es zwischen den Händen usw.

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Datierung 1931. Keine eigene Aufschrift. Thema: Zur Konstitution der Tastwelt. –Die haptischen Kinästhesen.

[31a] Tastwelt Besondere Schwierigkeiten hat die konstitutive Leistung des Tastens und der Vereinigung der von verschiedenen Tastgliedern gelieferten Einheiten.. Hier haben wir doch, in der Beschränkung auf ein einzelnes Glied, kein Optimum, und unter dem Titel kontinuierliche Berührung und Betastung eine kontinuierliche Verschmelzung der successiven Momentandaten zu einer Kollektion, die kinästhetisch wiederholt werden kann und auch umgekehrt werden kann; dabei kann die Kinästhese jederzeit stillstehen (und so alle Kinästhesen), anderseits es kann derselbe Verlauf von selbst eintreten und dieselbe Verschmelzung erzielen und erzeugen; Identifizierung durch Wiederholung der Erzeugung in verschiedene „Erzeugungsweisen“, die, wenn ich stillhalte, von dem momentan Berührten aus als Vermöglichkeiten indiziert sind. Auch im okulomotorischen Feld schaffe ich successive Verschmelzungen des in jedem Moment ganz erfüllten und mit Abhebungen versehenen Empfindungsfeldes.Hier ist dieses als ganzes mit der Augenkinästhese in starrer Funktion, während beim Tastfeld die Kinästhese auf ein einzelnes Stück des Feldes für sich bezogen ist, das seine Sonderabhebungen in seiner Weise hat. Jedes Feld eine Einheit der Extension, mit extenstionaler individueller Form und wechselnder „Materie“. Zerstückung bestimmt die Form.Problem des Miteinanderfungierens mehrer Tastkinästhesen mit ihren Berührungsfeldern. Mehrere Kinästhesen können (bei Stillhaltung der mitzubewegenden) dieselbe Tastsphäre für eine und dieselbe Tastdarstellung verwerten, ich fahre über das Papier mit einem Finger, ich kann ihn dabei allein bewege oder auch den Arm bewegen, oder bloß den Arm und den Finger in seiner Kinästhesen unbewegt sein lassen; es würden sich an sich verschiedenen Sphären identischer Tastgegenstände konstituieren, wenn nicht besondere Assoziationen ausgebildet wären und

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Vermöglichkeiten, alle mit allen zur Einheit zu bringen, wobei gewisse Tasteempfindungssphären des Tastfeldes bezw. ihre Gegenstände den Charakter von Darstellung derselben Gegenstände erhalten.Tastraum, Welt rein haptisch reduziert. Die Wahrnehmungswelt ist unter allen Umständen haptisch konstituiert; es ist in jeder lebendigen Gegenwart eine haptische Gegenwartswelt (haptische Wahrnehmungswelt) als „Ausschnitt“ aus der ganzen haptisch antizipierten Welt konstituiert, Das aber nicht so wie optisch, Die in der lebendigen Gegenwart erscheinende Welt bietet sich in einer Perspektivierung von nah und fern und zwar so, dass eine Nahwelt als in gewisser Weise optimale Kernwelt ausgezeichnet ist, nämlich als solche, die innerhalb der lebendigen, eigentlich perzeptiven Gegenwart einen Umkreis optimal zugänglicher Dinge enthält, die man willkürlich ganz nah heranrücken kann (über einen zentralen und immer so gegebenen Kern von solchen hinaus, bei denen man schon „ganz nah“ ist), um sie in einen absolut optimalen Aspekt zu bringen, von dem dann wieder die sonstigen optimalen Aspekte durch Modifikation zu gewinnen wären.An die ferneren Dinge heranzukommen, das übersteigt die perzeptive Nahsphäre, und erfordert einen Übergang von der jetzt aktuellen in immer neue „Nahwelten“, bezw. Nahwelt-Erscheinungsweisen der jeweiligen Weltgegenwart (bei der man anstatt in die Ferne zu gehen immer bleiben könnte, sie nähet kennen zu lernen).Dazu Abschluss der momentanen fernen Welterscheinung durch den Horizontkreis oder durch Wände des geschlossenen Raumes, des Zimmers oder der im Endlichen mit näheren Dingen verstellten totalen Welt. Hier ist alles gegeben und das perzeptiv Gleichzeitige gegeben in Perspektiven mit der Wirklichkeit und Möglichkeit perspektivischer Abwandlung.Anders für den haptischen Raum und die haptische Raumweltsphäre. Was hier koexistent perzipert in jeder Phase und in der ganzen lebendigen Gegenwart gegeben ist, ist zwar auch durch Darstellungen, die einheitlich die momentan verwirklichte haptsiche Welt darstellen und im fortgehen Strömen der immanenten Gegenwart synthetisch sich einigen zur konkreten gegenwärtigen haptischen Welt als der strömend wahrnehmungsmäßigen, aber hier ist das einzeln Verwirklichte und die einheitlich-verwirklichte Mannigfaltigkeit nicht Verwirklichung durch Perspektivierungen der Nähe und Ferne, und die Kontinuität der Darstellung in Bewegung und Ruhe, in bezug auf die Potentialität der Kinästhesen, ist keine Kontinuität durch Übergang von Perspektiven in Perspektiven der Annäherung und Entfernung mit Beziehung auf perspektivische Optima. Gleichwohl ist hier alle Darstellung einseitig und eben Einheit in der Kontinuität von Darstellungen. Gibt es auch in der rein haptisch konstituierten Welt „nah“ und „fern“? Hier spielen für die Darstellung alle Kinästhesen mit ihre Rolle; die Geh-Kinästhese fungiert zugleich als Tastkinästhese (Gehen, Sitzen, Liegen), das dabei Berührte ist schon tastweltlich aufgefasst, es rechnet taktuell immer mit. (Auch hier konstituiert sich leerer Raum zwischen den Dingen, als Potentialität ihres beweglichen Stellungswechsels uns Annehmens immer neuer wirklicher und möglicher Ruhelagen). Auch hier also Unterschiede der Nähe und Ferne, wobei jede mit dem Tastfeld verbundene Kinästhese zugleich als annähernd und entfernend fungieren kann in eins damit, dass sie tastend fungiert. Einheitliches Tastempfindungsfeld zerfallend in Teilfelder, zu denen Kinästhesen gehören, eventuell kombinierte; dieselbe Kinästhese kann zugleich zu verschiedenen gehören. Im eigentlichen „Gehen“ als Lokomotion vollzieht sich die Synthesis der Nahräume; auch hier haben wir Nahraum mit orientierter Farstellung, ein Hier und Dort, und alles Dort um mein Hier geordnet. Haptischer Nahraum ist perzeptiv konstituiert, durch Stillstehen der Gehkinästhese; die Außendinge darin, die wirklich perzipierten, in der Koexistenz und verbunden nur als Horizont führen sie die Potentialität mit sich, noch andere wiederfinden und sie selbst wieder finden zu können; aber mein Leib bleibt, und bleibt bei allem Perzipierten. Mein Leib ist immerzu Hier, in ihm sind die haptischen Daten und die Kinästhesen lokalisiert; im Gehen behält er seine zentrale Nähe, und nur für seine Organe gibt es ein ihm Näheres und Ferneres im Nahraum. Orientierte Darstellung geht in der Zeitigung kontinuierlich in orientierte Darstellung über, sich gleichbleibend oder sich wandelnd, im Zusammenhang damit, dass ich stehen bleiben kann oder „mich bewegen“ kann bezw. die Dinge sich bewegen. [32 b?]

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Dann das Zusammenspiel von Visualität und Taktualität; jedes visuell Wahrgenommene ist tastbar, unmittelbar in der zentrale Sphäre, in der ich bei „Stillstehen“ nur die sonstigen Kinästhesen ins Spiel setzten muss, um was ihnen zugehört, zu berühren etc.; mittelbar durch „Hingehen“ oder, wenn es sich her bewegt, „bis es da ist“; das bloß Getastete wird sichtbar und kommt zu Gesicht als visuelle Nahding.So für jedes Außending. Jedes Außending kann konstituiert gedacht werden ohne mein Gehen und so die ganze auf meinen Stillstand bezügliche Nahsphäre des Haptischen. Sie hat ihre relativen haptischen Ruhen und Bewegung in sich. Durch kinästhetisches Entfernen und darunter durch Gehen kann, was da nah ist, aus dem Nahfeld verschwinden; ich kann aber auch gehend Dinge haptisch im Felde behalten. Sie bleiben beständig bei mir, bei meinem im Gehen mir verbleibenden Leibe.Ich kann „zurückgehend“ sie wiederfinden, unverändert haptisch in der gleichen kinästhetischen Stillhaltung des Gehens und willkürlich, wann immer ich gehe und wieder zurückgehe und stillstehe und meine sonstigen Kinästhesen spielen lasse: ich habe immer gleiche Tastphänomene, und sage immer wieder dasselbe. Eventuell eine Bewegung, welche ich beim Stillhalten immer wieder vorfinden kann.[...]Wenn ich in irgendeiner annähernden und entfernenden Kinästhese und alles in einsgehend ein Außenobjekt habe und erfasse, das, wenn ich stillhalte, sich kontinuierlich anders darstellt, aber in synthetischer Vereinheitlichung als dasselbe, und wenn ich mich bewege, die Wandlung sich ändert oder gar in Scheinruhe übergeht, so sage ich Bewegung. Aber dasselbe ist dann doch nicht der Fall für meinem Leib selbst. Wenn er „bewegt wird“ und ich stillhalte, erfahre ich keine Bewegung wie für ein Außending. Und mein kinästhetisches Mich-bewegen? Mein Fortgehen? [..]So muss ich sagen: rein zu wiederholende Kinästhese, die dann immer wieder dieselbe Tasterscheinung mit sich führt, dasselbe Tasterscheinungssystem, das ich also immer wieder durchlaufen kann, ohne dass das Objekt mir entschlüpft. Tastobjekte sind nicht immer wahrnehmungsmäßig für mich da; sie können aus meinem Tastfeld austreten; wenn sie sich bewegen, muss ich bei ihnen mitgehend bleiben – was also Sache einer kinästhetischen Änderung ist. Schon wenn ich sitzend einen bewegten Gegenstand meiner Nahsphäre tastend erfasse, muss ich dafür sorgen, dass ich ihn nicht verliere; mit dem tastenden Dabeisein muss sich verbinden das eventuelle Armausstrecken, um dabei zu bleiben. So auch wenn ich z.B. meine bewegte Hand mit der anderen betaste. Aber die Lokomotion meines Körpers als seine Raumbewegung mit all seubeb relativen Bewegungen der Hand, der Füße usw., kann ich nicht erfassen in dieser Art unmittelbar; denn meine Geh-Kinästhese kann mich nie von meinem Leib ablösen, mich von ihm entfernen; er ist nie von sich selbst entfernt.Haptisch ist mein Leib konstituert als zu jeder Nahwelt gehörig; aber er erscheint niemals wie ein anderes Ding als sich bewegend; die Dinge konstituieren sich als Einheiten der Ruhe und Bewegung in dem Gesamtraum als ihrer universalen endlos offenen Form; aber was hat der Leib mit diesem Außendingraum zu tun?Der Leib kann zu allen Dingen „hinkommen“ und dadurch bei allen Dingen „dabei sein“; wenn sie sich bewegen, kann er bei ihen aktuell wahrnehmend dabeibleiben, und zwar durch seine eigenen Kinästhesen, und dieses Tun heißt sein „Sichbewegen“; aber für ihn ist nicht Ruhe und Bewegung schon konstituiert wie für ein Außending; er ist doch haptisch konstituiert als Dinganalogon, als wie ein ruhendes oder bewegtes Außending konstituiert ist in den Kinästhesen ohne Gehen. Aber meine kinästhetische Beweglichkeit erzeugt doch nicht für meinen Leib die gleichen Bewegungsphänomene.Nun aber das Gehen. Dass es so etwas gibt, wie konstantes bei einem Ding Bleiben bei gehenden Bewegung, der Lokomotion des Totalleibes, so etwas wie genau mitlaufend ein Ding tasten. Das Gehen ist haptisch nur eine weitere Stufe derselben Art der Konstitution, durch die sich bisher das Ding konstituiert hatte. Es bleibt dieselbe systematische Erscheinungsweise für den Leib. Die gehende Kinästhese kann nicht perspektivierend entfernen, kann nicht mehr fungieren als eine

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Bewegung perspektivisch konstituierend. Wäre also optische Konstitution Dingkonstitution für sich, so wäre zwischen Ding und Leibkörper ein Abgrund.Nun nehmen wir einen Gegenstand, der in Bewegung ist, einen Wagen, wähern er sich bewegt, haptisch für mich als bewegt erfahren; trete ich darauf, so wandeln sich nun alle haptischen Phänomene, ähnlich wie im Mitlaufen; aber ich gehe nun eben nicht, sondern ich sitze.Ich sitze ab und sitze wieder auf, ich werden „eins“ mit dem Wagen, und in dieser Verbindung nun kehren die Phänomene sich um; ich habe wieder die haptische Welt i Ruhe und Bewegung verharrend; zur Darstellung der Welt gehör der Sinn des durch „Teilnahme“ an einem bewegten Ding „Bewegtwerdens“.Aber ist das wirklich ein Bewegtwerden oder haben die Außendinge sich geändert? Sie können mit meinem Leibe „eins“ werden und können aber auch diese Verbindung wieder lösen.Aber warum brauche ich überhaupt meinen Körper (immer von Einfühlungsmöglichkeiten abgesehen)? Okulomotorisch, das Sehfeld ist als Empfindungsfeld ausgefüllt; es sei eingeteilt in Abhebungen, etwa Schachbrettmuster, es bewege sich; wäre es immerzu so bewegt, so könnte ich wieder darauf zurückkommen?Wie könnte da Objektidentifikation statthaben? An meinem Leibe habe ich ein immer wieder und immer wieder schlechthin Identifizierbares. Aber ebenso hätte ich nicht objektive Bewegung; es kann aber in Bewegung geraten, aber auch dann wieder mit Ruhe enden; „das kommt sehr gewöhnlich vor“.[...]Jedes Bild für sich schon im okulomotorischen Feld hat seine eigene Kinästhese, in der es beweglich identifiziert wird, ohne Verschiebung im Felde. Oder gibt es vor-objektive Fortverschiebung im Feld und ein „an Ort und Stelle Bleiben“ unter Ineinanderschiebung. Aber wie ist das ein wesentlicher Unterschied? Doch wohl nur kinästhetisch und mit Beziehung auf die Optimale Sphäre bedeutsam: in der optimalen Sphäre kann ich die Augen zyklisch bewegend Bildänderungen erfahren, durch die optmalen optimal bleiben und als das identifiziert werden; oder aber das Optimum wird zwar dann nicht Optimal, aber im Krislauf wird es dann wieder identifiziert und behalten und so das Ganze; durch das optimale Kernstück, die optimale o-Sphäre sind alle o-kinästhetischen Erscheinungen in jedem Jetzt orientiert, bezw. die Objekte jeweils orientiert gegeben, aber kein bleibendes o-Objekt. Der okulomotorische Objektraum aber ist homogen; Erweiterung durch eine außerokulomotorische Kinästhese wäre denkbar, welche diese „endliche Welt“ bloß fortsetzt, aber ihr objektives Sein als endgültiges bleibt. Aber es kommt faktisch anders; die Änderungen dieser Objekte werden zur Darstellung von unveränderten Objekten.[36a] Ich habe also als Ruhe das objektive Feld – visuell – im festen Entfernungsrelief, das erst den Sinn einer Erscheinung in einer Erscheinungsmannigfeltigkeit des Reliefwandels von Objekten oder objektiven Mehrheiten erhalten, die im Reliefwandel identisch bleiben und zwar zunächst als ruhende Objekte (unveränderte), und dann als sich bewegende, verändernde durch mein Gehen und sonstiges Annähern und Entfernen durch annähernde Kinästhesen und entfernende-; aber auch durch die Leistung der Perspektivierung der optischen Bilder unabhängig von Reliefmomente.Entfernung wird aber nicht ursprünglich konstituiert durch dieses „Relief“, sondern durch die Perspektivierung konstituieren sich „Entfernungsdinge“, und damit verbindet sich die auf sie gegründete und sie nachher anzeigende abschattende Wandlung des Reliefmomentes; dadurch ist ein engerer Umring des Wahrnehmungsfeldes ausgezeichnet; über ihn hinaus sieht man kein „Relief“.Freilich kann man die Leistung des durch reine Assoziation und zwar Verschmelzung von koexistentem Ähnlichen, aber Differentem erwachsenen Reliefmomentes für sich und unabhängig verfolgen und so zunächst von Reliefentfernung und perspektivischer Entfernung unabhängig handeln.Durch mein Gehen wandelt sich das Relief der Ruhe; das subjektive Entfernungsrelief; die bloße Sehkinästhese hat Beziehung zum okulomotorischen Feld, das als Zwei-Augen_Fled und Konvergenzfeld ein einheitlich festes Relief hat.

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Durch die übrigen Kinästhese wird dieses Feld abgewandelt; es wird einerseits Erscheinung als bloße Seite, anderseits als Relief, und zum eirklichen Relief. Das erforderte genauere, nicht leichte Analysen.

1.) Konstitution ohne das Gehen: rein visuelle Dinge als Oberflächendinge, die „vielseitig“ sind, aber nur „einseitig“ gesehen werden; das aber in einem beschränkten Nahgebiet. Was die Ferne anlangt, so ist für sie keine Allseitigkeit wirklich erfahrbar. Aber die Ferndinge sehen „ähnlich aus“; die Assoziation weckt; die Geltung aber ist aufgehoben, obschon nicht die Anschaulichkeit, also nicht die Möglichkeit anstatt der Vermöglichkeit. Die Möglichkeit wird giltig, wenn eine neue Vermöglichkeit einsetzt, die analoge, aber andere Entfernung zu einer nähernden verwandelt. In engen Ganzen ist die Möglichkeit der stetigen Entfernungswandlung schon begründet.

Diese weitere Verwandlung stellt nun hier die neue Gehkinästhese dar. Für den Leib habe ich partiell Dingkonstitution, aber die visuelle Konstitution ist schon in der Unterstife eingeschränkt, und die Ruhe, die wirklich konstituiert ist, sie nicht Ruhe als Spezialfall der Bewegung, als welche auf Entfernungsänderung des schon in niederer Stufe als Objekt konstituierten beruht.Immer optisch: ein Außending ist konstituiert als Einheit von Nah- und Fernerscheinungen durch Perspektive und Relief; dabei eventuell so, dass ein ganzes Ding in Ruhe und Bewegung erfahren werden kann, das Teile hat, die in Bezug auf das Ganze relativ ruhend der sich bewegend erfahren werden.Der Leib hat seine Glieder, die als sich bewegende oder nicht bewegende erfahren werden, aber als ganzer Leib kann er optisch nicht durch perspektivierende Konstitution (in Verbindung mit der Konstitution durch das Relief) als bald ruhend, als bald bewegt erfahren werden, durch diejenige Konstitution, durch die wir Außendinge erfahren als ursprüngliche und eigentliche Realitäten in ihrer realen Welt.Rein optische Weltkonstitution als Idee ergibt primordial keine Konstitution meines Leibes als eine Naturkörpers – zu dessen Wesen die Möglichkeit des Bewegtseins gehört. Kann das das auf das rein Optische reduzierte „Aufspringen und Abspringen“ auf bewegte Objekte etwas helfen?

[37 a] Ab hier bis zu S. 47 der Transkription in Hua XV S. 295-313. Beilage XVIII. VGL!!! Sehr wichtig: Doppetle Konstitution vom Leib/KörperLeib durch doppelte kinästhetische Funktion konstituiert

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Keine Datierung aber offenbar auch 1931. Bl. 55-73 veröffentlicht in Philosophy and Phenomenological Research VI/3, 1946 S. 323-3dx43Blatt 61-73 in Hua XV, Text Nr. 16.Doppelmanuskript, aber von Husserl als zusammengehörig in einem Umschalg gelegt, der die Aufschrift trägt:

Zwei wichtige Manuskripte: 1.) die konkrete Gegenwart als Einheit der Konfiguration der Wahrnehmungsgegebenheiten, die „erste“ Welt; 2.) Konstitution der Anderen, des Leibes als erstes Objekt der Außerleiblichen Welt.

[55a] [In Philosophy and Phenomenological Research 1945 p. 324-343] [...] Die gesamte wirklich erscheinende Weltgegenwart ist eine Totalität der Perspektive für mich, jedes einzelne Ding nicht nur ist Einheit im Wandel seiner Perspektivierung, sondern jedes Paar, jede zugleich gegenwärtig seiende Gruppe von Dingen perspektiviert sich eins; das ganze dingliche Wahrnehmungsfeld als konstituierte Mannigfaltigkeit von persektivisch erscheinenden Dingen ist eine harmonische Einheit

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der Perspektivität; ein perspektivischer Stil waltet und waltet fort im Wandel des Wahrnehmungsfeldes bei Eintreten von Wanhnehmungserscheinungen von Dingen, die soeben nicht im Felde waren, bezw. im Austreten von solchen, die es just sind. Und er waltet nicht bloß in jeder momentanen Gegenwart in ihrer kontinuierlichen Synthesis der Übergänge, einer Synthesis, welche auch die Perspektivischen Koexistenzen und Successionen in der Weise, wie sie ineinander übergehen und übergehend miteinander insgesamt zusammenpassen, betrifft.Dieser Stil ist immerzu vorgezeichnet und erhält sich, immerfort sich einstimmig bestätigend in der Form, dass zwar einzelne Erscheinungen diesen Stil durchbrechend eintreten, sei es in die unstimmig, „stilwidrig“ verlaufen (nicht in normaler Weise Ferndinge in Nahdinge übergehen lassen und umgekehrt), sei es nicht im Ganzheitsstil erwartungsmäßig verlaufen; so erwächst Zweifel, Korrektur und Schein.Das ist nicht der ganze, der konktrete Erscheinungsstin, in dem für mich, den Wahrnehmenden, lebendige Gegenwart urprünglich erfahrenden, Welt als seiende einstimmig erfahren ist.Denn dabei ist von de Qualitäten keine Rede gewesen. Genauer wäre auch hervorsuheben, dass der konkrete Totalstil in seiner Schichtung immerzu eine Schlichte mehrheitlicher „unveränderter“ Dinge konstituiert und demgemäß eine Kernschicht der ersten Normalität hat, und dazu gehört „Ruhe mit qualitativer Unveränderung“, die sich erst „nachher“ abheben (durch qualitative Veränderung als kontinuierlich einheitliche Assoziation und voller qualitativer Gleichheit verschiedener „starr bleibenden“ Körper. Der starre Körper ist der Normalkörper, die Deformation des Körpers kann in jeder Phase in Starrheit übergehen. Eben so für die qualitative Veränderung. Dazu der Kausalstil als fundierte Stufe; noch zu berücksichtigen der Kausalstil, der in diesem Erscheinungsstil fundiert ist; die Unterstufe konstituiert die „Phantome“, erst durch den fundierten Regelstil und gewohnten Verhalten der Phantome unter phantomischen Umständen ergibt konstituiertes Ding. Die Kausalität, die Ganzheitlichkeit des Stiles hat eine ganzheitliche Form, die durch „Unveränderung“ und „Veränderung“ der Perspektiven als bloß räumlicher hindurchgeht (eine Veränderung und Unveränderung nicht der Dinge und nicht als in der Dingseitlichkeit wahrgenommen, sondern als Zeitlichkeit des immanenten Lebens erfahren).[56 a] Dieser Wandlungsstiel in seiner „Ruhe“ (momentanen Nicht-Wandlung) und „Bewegung“ ist untrennbar bezogen auf mein vermögliches Ruhen oder mich Bewegen; und danach kann er zeitweise (immanentzeitlich) von selbst sich wandeln; Wandlung der Erscheinungen in Erscheinungssystem (der subjektiven Darstellungen bis hinauf zu den sich darstellenden Kausalitäten) und des ganzen Erscheinungssystem „von selbst“, einschließlich das sich nicht wandeln „von selbst“, und anderseits Wandlung von mir aus, aus meinem Tun, angefangen von meinem kinästhetischen Tun. Es ist aber Tun in einem System des Tunkönnens. Hinsichtlich der Räumlichkeitserscheinungen ein derartiges Vermögen bezogen auf die Selbstwandlungen, dass ich jede Selbstwandlung – in meiner vertrauten nächsten Sphäre – allgemein zu reden, wettmachen könnte, mehr oder minder vollkommen. Also der totale Wandlungsstil, darin beschlossen jeder einzelne dingliche einstimmige Erscheinungswandelstil im „von selbst“ ist durch mein darauf bezügliches Vermögen seinerseits wandelbar, und in dieser Art ist dieser ganze, ichlich selbstüberlassene oder in Freiheit ichlich beeinflusste Stil, dass er seine Einstimmigkeit erhaltend jedes Einzelne, das ihm erscheint, und in kontinuierlich, einstimmig-wechselndeen Erscheinungen erscheint, als eins und dasselbe erfahren und je nach dem in bestimmter Weise als „objektiv“ verändert oder unverändert, Ort und räumliche Ausdehnung haltend oder sich bewegend, sich deformierend, sich qualitativ ändernd oder nicht ändernd.Zu diesem universalen Erfahrungsstil der Welt in der Erfahrungsform lebendige Gegenwart ist zu zählen, dass er jeweils schon hat oder in Vermöglichkeit (wenn nicht zufällig Hemmungen mitspielen) haben kann eine äußerste Ferne, ein von selbst oder von mir her Verschwimmen der Entfernungsdinge, die sie stetig in den Limes Null überführt, derart dass alle Gestaltunterschiede, alle qualitative Unterschiede überhaupt verschwinden, alle inneren Abhebungen von Teilen, und so in der stetigen Identifizierung desselben Dinges doch schließlich dasselbe Ding als ein „Punkt“

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erscheint. Ebenso kann umgekehrt ein Fernpunkt der äußersten Ferne von selbst oder von mir aus, obschon es nicht immer in unserem faktischen Vermögen liegt, in eine Ferndingskontinuität übergehen, in der es sich immer differenzierter zeigt. Die äußerste Ferne kann auch wie der blaue Himmel oder ein ferner eintöniger Hintergrund derart sein, dass bei der Verschwimmung das Unterschiedene in seinen Hintergrund verfließt seine Abhebung verlierend.Auch das gehört zum perspektivischen Erscheinungsstil; in seinem ihm stilmäßig eigenen Wandel indiziert er Möglichkeiten der Auflösung in Erscheinungen, die als de universalen Erscheinungsstil einstimmig sich anpassende Erfahrungen von weltlichen Objekten wären – ohne Frage, ob ich „wirklich dahin kann oder nicht“; er indiziert, wir können auch sagen, er induziert die Welt als durch diesen Stil Seinsinn habende, als immerzu mit einem mitgegebenen, oder wenn ich im Zimmer, in einer Höhle bin und nicht gerade angebunden, oder faktisch herzustellenden Fernkreis (Horizontkreis) und dazu nach Nähe und Ferne erscheinend.[57a] Er erscheint damit so, dass die Möglichkeit mitgemeint ist, dass von der fernsten Ferne, die darum selbst noch Ferne heißt, von selbst Objekte herankommen könnten, wie es ein sehr gewöhnliches Vorkommnis ist, dass erscheinungsmäßig ein Horizontpunkt sich abzuheben beginnt, sich in eine Fernerscheinung und Erscheinungskontinuität verwandelt, also der Seinssinn herankommendes Ding erwächst; und korrelativ die Möglichkeit, dass bei meinem Hinausgehen gegen das Ferne hin in irgendeiner der Orientierungsrichtungen der Fernhorizont, sosehr er zunächst empfindlich sein mag, sich entsprechend in einen Erscheinungshorizont von Dingen wenigstens partiell auflöst.Diese Möglichkeiten sind durch Erfahrung „vorgezeichnet“; sie sind Möglichkeiten, die Seinsgeltungen in sich schließen, sie sind nicht bloße Phantasiemöglichkeiten. Es sind eben induktive Möglichkeiten, für die aus der früheren Erfahrung, aus dem ganzen Gang auch der lebendigen Gegenwart stilmäßig etwas spricht, obschon keine bestimmte Seinsgewissheit im einzelnen und Ganzen motiviert ist.[58a]Der Stil der Perspektiven, darin der Raumperspektiven, dass die qualitativen Perspektiven, ist schon konstituiert in der Raumzeitlichkeit, die doch die Form der Realitäten ist, und wie sie an sich sind; wir haben schon den Unterschied zwischen „immanenter Zeit“, Zeit der perspektivischen Verläufe, und Phantomzeit der perspektivisch erscheinenden Einheiten.Aber wie weit reicht das? Hier ist zu fragen: 1.) für die Immanenz, haben wir nicht die Schlafpausen? Was macht sie zu den Pausen einer einzigen, die abgebrochenen Ströme von perspektivischen Erscheinungen verbindenden Zeit? Hier haben wir, kann man sagen, die verborgene Urzeitigung, die sich an der Erinnerungen in ihre Ferne zeitigt. Aber wie für die Phantome? Wären die Phantomwahrnehmungsfelder, Zeitfelder nicht getrennt und nur verbunden durch immanente Zeit, wäre nicht die immanente und die Phantomzeit noch ungeschieden, obschon bereits geschieden wäre Phantom als vermöglich konstituierte Einheit von Erscheinungen und diese selbst. Wie wäre es mit dem Raum? Koexistenz wäre phantomisch konstituiert, unterschieden von der in den Perspektiven bestehenden. Jedes Phantom in sich hat schon Räumlichkeit, hat schon Koexistierendes, was jetzt ist, aber nicht jetzt zusammen wahrnehmungsmäßig gegeben ist. Phantome können sich von selbst bewegen oder von mir aus, auch miteinander, mehrere als Einheit sich bewegen im Raum als Form.Aber wie weit kann ich eine Einheit eines Phantoms durchhalten – durch Wahrnehmung natürlich, und eine Wiedererinnerung, die innerhalb einer Sphäre kontinuierlich fortschreitender Wahrnehmung, also sozusagen in einer beliebig erweiterten Gegenwart reicht; aber wie steht es mit Pausen, mit Unterbrechungen, in denen zwar immanente Zeit fortlaufen mag, aber nicht Einheit der Phantomwahrnehmung.Aber wir brauchen nicht das Problem des „Schlafes“, der „Bewusstseinslosigkeit“ anzurühren, vorangeht die Weise der lebendigen strömenden Phantomgegenwart, dass in sie Phantome eintreten und wieder austreten, dann wieder eintreten können usw. Aber sind die Phantome noch nach dem „Austreten“, wie das Wort es anzeigt, und hat schon einen Sinn, dass das neueintretende Phantom „dasselbe“ ist, das schon früher war?

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Ich habe in einem gewissen Umfang das Vermögen, das verloren gegangene Phantom wieder zu erschauen. Im kontinuierlich wahrnehmenden Übergang von meinem jeweiligen Feld dauernd im Wandel der Perspektiven als wahrgenommen verharrender Phantome zu einem durch neue Phantome erweiterten und im Vermögen, beliebig zu dem früheren Feld mit den früheren Phantomen zurückzukehren, wobei im Übergang von Phase zu Phase ein Kern verharrend wahrgenommener Phantome vermittelt, identifiziere ich ohne weiteres die neu wahrgenommenen mit den gleichen früher wahrgenommen, d. h. als im früheren Feld erinnerten. Dieser Übergang hat den Charakter einer kontinuierlichen Gesamtwahrnehmung, und darin gründet auch eine Einheit der Gesamterfahrung einer „Phantomwelt“, die kontinuierlich für mich wahrnehmungsmäßig da war, obschon ich eigentlich von ihr in der jeweiligen Gegenwart nur einen Ausschnitt wahrnehme und wahrnahm. Es ist hier ein Wahrnehmungsstil erworben von der Art, dass zu jeder wahrnehmungsmäßigen Gegenwart ein Horizont vermöglich wahrnehmbarer und miteinander, mitgegenwärtiger Objekte gehört, eventuell bekannter, aber auch unbekannter. Jede Weise, meine Kinästhese ins Spiel zu setzen, bring zur Wahrnehmung, was schon vorher hätte wahrgenommen werden können etc.Aber das ist nicht bloß richtig für eine normale Sphäre unverändert (in Ruhe und qualitativer Unveränderung) in der Kontinuität der Erfahrung verharrender Phantome? Und habe ich mit den Phantomen (den Einheiten aus Perspektiven) nicht bloß die körperliche Natur in der Wahrnehmung in Betracht gezogen und zwar eben nach dem, was in der Beschränkung auf die perspektivischen Erscheinungsweisen von Natur (also abstrakt) zu sagen ist, nach dem, was von ihr eigentlich wahrnehmungsmäßig bezw. rein aus sinnlicher anschaulicher Gegenwart her zu sagen ist? Also mit anderen Worten, ich habe die Welt als primordial reduzierte pure Natur orientiert um meinen fungierenden Leib (den selbst primoridal reduzierten) und im Wandel der Orientierungen innerhalb meiner ungebrochenen Kontinuität lebendiger Erfahrung identisch meiner ungebrochenen Kontinuität lebendiger Erfahrung identisch erfahren als verharrend im Wandel der Perspektiven, als Wandel, der von selbst verlaufend vermöglich auch der von mir zu dirigierender Wandel ist.Die weiteren Probleme müssen natürlich sein die Synthesis dieser primordialen Welt mit den Welten der für mich seienden Anderen und das Problem der „Pausen“, Schlaf und auch Tod.Doch nun, wie kommen wir über den Normalfall der Ruhe, der Unveränderung hinaus und wie auf die schon konstituierte Raumform als Form unveränderlicher Phantome, endlos offen vermöge des immerzu vorgezeichneten Horizontes möglicher Koexistenzen von Phantomen. Keine Schwierigkeit mach die konstitutive Einheitsbildung eines Übergangs von unverändertem Phantom in dasselbe so und so veränderte und nun wieder unverändert verharrende, eines Übergangs der früher oder später zur Unveränderung führen und in ihr terminieren kann; die Vermöglichkeit der mannigfaltigen Änderungsformen, aufgefasst als Kontinuen von Phasen, denen je ein bestimmt zugehörige Unveränderung entspricht (Aufbau aus Differenzialen) macht keine Schwierigkeit; es wird also Ruhe und Bewegung erfahren in den Formen gleichförmiger und ungleichförmiger etc., und so für die verschiedenen Weisen und qualitativen Richtungen der Veränderungen.Das alles ist nicht so einfach mit Beziehung auf die verschiedenen „Sinne“ etc. Ist die nötige Aufklärung durchgeführt, so verstehen wir die abstrakte schicht: Phantom in Veränderung oder Unveränderung verharrend als dasselbe zunächst, solange die Wahrnehmung dieses Phantoms (und einer beliebigen Phantomgruppe) ungebrochen fortläuft und das Auftreten und Eintreten von Phantomen in das Wahrnehmungsfeld in einem gewissen Stile verläuft. Wenn ich einen Pendel schwingen sehe und bei beliebigem Wegsehen und immer wieder Hinsehen dieselbe ruhende Uhr und Uhrrumgebung sehe, so „erfahre“ ich, dass der Pendel sich durch die Zwischenzeiten des Nichtgesehensseins hindurch gleichmäßig bewegte, obschon es denkbar wäre, dass er sich inzwischen anders bewegt hätte. Auch weiß ich, dass Bewegung in Ruhe, Veränderung in Unveränderung übergehen könnte und in sehr verschiedenen Weisen; aber erfahre ich fortdauernde Ruhe, so erwarte ich kontinuierlich Ruhe, solange nichts antizipatorisch für Bewegung spricht, wie wenn ich schon die Ruhe dieses Objektes oder dieser Objektart als einen partiellen Vorgang

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innerhalb eines periodischen Wechsels von Ruhe und Bewegung erfahren könnte; und so auch für beliebige Folgen, typische Folgen von beliebigen Veränderungsvorgängen. An sich zeichnet jedes Phantom in seiner Veränderungsweise (Grenzfall Ruhe mitgezählt) künftiges Verharren und künftige Veränderung vor und in gewissen Umfänge auch die Veränderungsweise; aber doch so, dass immer offen ist die Möglichkeit des Andersgeschehens und zwar nicht nur als Phantasierbarkeit; sondern Anfangen und Aufhören finden statt, solche Antizipationen durchbrechend und gehört als eine gewohnte Sache selbst mit zum Stil dieser Phantomerfahrung.Dabei wirkt nicht das bloß Einzelne, sondern die ganzen Felder; aber dann kommen in dem schon konstituierten Raume, dem visuell-taktuellen Raume, die Qualitäten und die Konstitution des Raumes als dingleeren aber durchstrahlten Raumes, - tönendes Objekt, Tonstrahlen im Raume. Wärme am Objekt, Wärmestrahlung und die Weise, wie Strahlungen ohne strahlende Objekt erfahren wird; (dieses nicht als Raumobjekt direkt erfahren) ihr Objekt indiziert und in eigener Perspektive Wärme des Ofens perspektivisch sich abschattend an der wechselnden Strahlung an den verschiedenen Raumstellen, in denen mein Körper ist. Was unter gleichen kinästhetischen Umständen erfahren das Gleiche zusammen verfügbar macht, konstituiert dasselbe zusammen als Einheit von Abscharrungen.Konstitution der Phantomwelt in der beweglichen, der strömenden ununterbrochenen Wahrnehmung, die konstitutive Leistung, die in ihrem Sinn schon liegt, immerfort bestätigend, bewährend. Es ist eigentlich kontinuierliche Konstitution. Die Raumzeitlichkeit ist schon Form, Form für res extensa.Ruhe und Bewegung, Veränderung und Unveränderung sind schon in einem gewissen Sinne da – nämlich durch das, was unsere aufklärende Auslegung aufgewiesen hat, nach einem bestimmten Sinn aufgeklärt.Und doch haben wir noch keine Rechenschaft für das, was Phantome zu realen Objekten macht, zu Objekten, die verharren in objektiv realen Veränderungen und Unveränderungen und als so verharrend an sich sind.Eigentlich haben wir nur Rechenschaft gegeben für die Konstitution von Einheiten aus denjenigen subjektiven kinästhetisch-assoziativen Wandlungen, die in der lebendigen Gegenwart verlaufen und Einheiten ergeben, die unmittelbar kinästhetisch verfügbar sind, die in den Abschattungen konstituiert sind , einzeln und als ganze Wahrnehmungsfelder mit Eintreten und Austreten, aber als unmittelbar verfügbar ständig bewussten, beständig präsumierten Einheiten. Es sind diese Einheiten schon Einheiten der Veränderung und Unveränderung. In der Ruhe ist das Ding – das Phantom, wie wir sagen – einseitig gegeben, jede Seite aus der gerade ablaufenden Seitenabwandlung immerzu den vorgreifenden Horizont mit sich führend der Gegenseite, der im Still der Unveränderung antizipierten. Ist das Phantom in Veränderungsgang, so ist für das Unsichtige Veränderung antizipiert; freilich nie ausgeschlossen ist, das Antizipierte, als eigentlich unerfahrene Mitgegenwart gesetzte Ruhe, wenn wir Erfahrung herstellen sich ans Bewegung oder Veränderung zeigt und umgekehrt Bewegung und Veränderung als Unveränderung und Ruhe. Aber immerhin ich kann mich überzeugen, wenigstens in einigem Umfange, ob z.B. die Rückseite in ihren Teilen unbewegt geblieben ist oder ob der Körper sich dort etwa deformiert hat, sich qualitativ verändert hat, und ich kann in wiederholtem Herumgehen eine sich immerfort bekräftigende Gewissheit verschaffen. Und so für Veränderung – aber in der ursprünglich lebendigen strömenden Gegenwart und der in ihr konstituierten raumzeitlichen und mit Objekten besetzten Gegenwart. Natürlich gilt dasselbe für jede vergangene Gegenwart und auch jede künftige.Aber reicht das Ganze hin, um der konstitutiven Erfahrungsstruktur der für mich seienden Welt genug zu tun, bezw. dem Sinn der einen durch die Zeiten fortdauernden selben Welt genug zu tun, den sie für mich in diesem Erfahrungsleben hat? Wie macht es sich im strömenden Fortgang meines Erfahrungslebens, dass ihm dieser Sinn zu eigen werden kann, welche universale Struktur hat er und welche Niederschläge des Erfahrungssinnes innerhalb jeder lebendigen Gegenwart weise auf sie zurück? Wie verhält sich die spezifische Struktur der lebendigen gegenwärtigen Erfahrung, in der dieser Sinn gegründet ist und wie sieht in ihr sich vollziehende Bewährung aus? Die

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Wiedererinnerung innerhalb der lebendigen Gegenwart auftretend und in ihrem Bestande ausgewirkt, reproduziert mit mein früheres Leben, meine frühere lebendige Gegenwart und so die in ihr als raumzeitliche Gegenwart erfahrene Welt.Aber inwiefern ist sie ohne weiteres erfahren als dieselbe, die ich jetzt noch erfahre, obschon der Umkreis von Dingen, den ich jetzt erfahre, meine gegenwärtige Umwelt, im Allgemeinen doch einen andere ist als die früher aktuell gegenwärtig gewesene. In der lebendigen Gegenwart habe ich den Wechsel von Phasen, Gegenwartsstrecken, in denen Dingen zur Erfahrung kommen, die noch nicht da waren, und Dingen verschwinden aus der wirklichen Erfahrung, die doch als früher schon dagewesene bezw. nach ihrem Verschwinden fortdauernde aufgefasst sind. Das beruht darauf, das Verschwundene in der gewöhnlichen Erfahrung willkürlich und nach belieben immer wieder auffinden, es wieder erfahren zu können, und den darauf beruhenden Apperzeptionen, Das scheint leicht verständlich; auch dies, dass ich im Übergang von einer einheitlichen Gegenwart im Strömen zu einer näheren schon reproduktiv gewordenen hinsichtlich der Dinge, die sie bot und die meine jetzige Gegenwart nicht bietet, doch sagen ich sehe sie jetzt nur nicht, sie sind noch da, und bei passendem Vorgehen kann ich sie auch wieder sehen; ebenso: ich hätte schon damals, was jetzt als neues erfahren ist, erfahren können, wenn ich eben damals meine Kinästhesen passend hätte spielen lassen. Aber ist das in dieser engeren Sphäre eine gar so einfache Sache, setzt sie nicht strukturell etwas voraus, damit es zu solchen Identitätserfahrungen, die auf dem immer wiederkönnen beruhen, kommen kann? Und wie bei weit zurückliegenden Gegenwartsumwelten? Die Städte, die Länder, die Berge usw., die ich vor längerer Zeit kennen gelernt habe, auf diese Reise etwa, sind noch immer, obschon ich jetzt hier bin, zu Hause. Ich kann sie freilich wieder besuchen, ich kann die Städten meiner Kindheit wiedersehen, - aber wie kann ich das sagen, wie ist für mich das Widergesehene erfahren als dasselbe, wie erfahrbar als dasselbe? Faktisch erkenne ich wieder und dabei erfahre ich gewöhnlich, dass dasselbe sich mehr oder minder eventuell total verändert hat, dass manches ganz verschwunden ist, dass das vertraute Haus nicht mehr da steht und statt dessem ein anderes und dergleichen. Aber woher können wir denn all das sagen, aus welchen Erfahrungen wird das möglich? Ich sage dasselbe und nicht Gleiches, dasselbe, nur verändert, ich nenne ein Gleiches der Gegenwart und der Wiedererinnerung dasselbe, aber auch ein Verschiedenes, „ganz anders aussehendes“ unter dem Titel verändertes ein und dasselbe. Ich unterscheide und zwar erfahrend Gleiches und Selbes, Identisches. Freilich nicht immer kann ich unterscheiden, nicht immer kann ich der vermeinten Identität gewiss sein. Und doch sage ich, dieselbe Welt und sage auch in solchen unterschiedenen und faktisch für mich unentscheidbaren Ungewissenheiten, nur ich zweifle, ob es Identisches oder gleiches ist; oder ich zweifle, ob es dasselbe in einer stärkeren Veränderung ist oder ob es ein anderes ist; jedenfalls das liegt auch solchen Zweifeln zugrunde, das Ding, dessen ich mich erinnere ist nicht nur subjektiv erscheinendes während meiner damaligen Erfahrung gewesen und sich in ihr subjektiv zeitweise bewährendes. Indem es objektiv war, war es als fortdauerndes, eventuell als sich verändernd in der Weise des Zerfallens, was auch nur eine weise des Fortseins in Form der Zerfallsstücke ist, für die dann weiteres ähnlicher Art passieren kann. Vielleicht ist diese unser Leben beherrschende Auffassung in dieser Strenge als Auffassung einer absolut verharrender Natur ein schon mittelbares Kunstprodukt der Wissenschaft. Vielleicht ist es zunächst ein wirkliches Verschwinden, ein zu nichts werden, offen zu lassen – vor allem, wenn wir abstraktiv die Welt primordial betrachten und von der Leistung der Miterfahrung keinen konstitutiven Gebrauch machen.Aber jedenfalls müssen wir doch verstehen und zwar zunächst als Unterstufe verstehen, wie es doch zur Konstitution der Einheit einer Zeitwelt als verharrender Welt kommt mit dem Bestande der lebendigen Gegenwart und meine Vergangenheiten verbindenden erfahrenden Dingidentifizieungen. Dann mag gefragt werden, wie es zu der „Identifizierung“ kommt, die kein Verschwinden und kein Wunder des Ernstsehens von Dingen zulässt.Man sieht, dass die Frage der konstitutiven Möglichkeit einer einheitlichen objektiven Welt (und zunächst Natur) innigst zusammenhängt, ja äquivalent ist mit dem Problem der Möglichkeit,

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dasselbe Objekt in verschiedenen Zeiten (und dann nach verschiedenen menschlichen Individuen) erfahren zu können, bezw. nach der trancendentalen Möglichkeit, dasselbe als dasselbe zu erfahren. Wieder hängt damit zusammen das Problem des Wiedererkennens der konkreten Typik der Objekte und der Objekte selbst an ihrem Typus. Wir unterscheiden das Allgemeintypische oder die allgemeinen Typen (Haus, Baum, Tier etc.) bezw. das Erfahren eines Objektes, auch eines unbekannten als „ein Baum“, „ein Tier“ usw. sein Typus ist bekannt und wiedererkannt, obschon nicht als Allgemeines, für sich Gegenständliches, aber das individuelle Objekt ist unbekannt in seiner Individualität. Anderseits unterscheiden wir den individuellen Typus, an dem die konkrete Individualität des Objektes als solche erkannt wird. Ein Mensch hat z. B. einen Körper, hat aber, wenn er nicht geschiednen als Körper und als Person thematisch ist, in dem einheitlichen Auffassen als Mensch sein allgemein Typisches, aber auch seine unmittelbar aufgefasste (wie vollkommen immer aufgefasste) Individualität, sein Gehaben, sein Benehmen, das ihn ohne Vergleich mit Anderen kennzeichnet und in dem er ohne weiteres als dieser Mensch erkannt wird (wie ja auch das Allgemeintypische nicht durch Vergleichung und abstraktive Verallgemeinerung erfasst wird, sondern als Moment der Erfahrung selbst bewusst wird). Die uns aus Erfahrung vertraute Welt, unsere Lebenswelt, ist in jeder Gegenwart, und in jeder Überschau ist die Einheit der Raumzeitlichkeit , die die unsere Erfahrung ist, in der einheitlichen Welt, die die unsere ist, als unsere nicht nur strömend gegenwärtig, sondern unsere raumzeitliche Erfahrungswelt dank den wieder heraufzuholenden erinnerungsmäßigen Vergangenheiten und der für uns lebendigen Zukunft vorzeichnenden Erwartung durchaus eine typisierte Welt, alles darin seiende, ob bekanntes oder unbekanntes ist Erfahrungsobjekt, der Form nach ein A und dieses A.Und alle realen Verhältnisse, Verbindungen, Ganze, Teile sind selbst von diesen Formen, die hier, wenn man will, als „Erscheinungsformen“, „Erfahrungsformen“ zu verstehen sind und nicht als sozusagen Kunstformen einer Logifizieung, die alle traditionnelle Logik implizite schon voraussetzt. Hier ist aber das Problem, wie und in welchen Stufen die Typisierung, die wesentlich zur Konstitution von Objekten als Weltgegenstände Gehört, sich aufbaut, bezw. als die zur „fertigen“ und immer schon fertigen Erfahrung von Objekten gehörige in ihrer Sinnbildung strukturiert bezw. fundiert ist. Und von woher muss man dann verstehen, wie individuelles zu verschiedenen Erfahrungszeiten, denen noch die objektiven Zeiten des Erfahrenen entsprechen, identifiziert und als dasselbe wiedererkannt und durch Erfahrung bewährt werden kann, dasselbe, das immer schon Typisiertes ist. Ferner wie bloß Gleiches (das schon die Form hat von zwei oder mehreren A) als Gleiches verschiedener individueller Objekte erfahrbar ist – über die Zeitspannen hinaus.Die Objekte sind konstituiert als verharrende Einheiten der Unveränderung und Veränderung. Die Typisierung umgreift in allen Stufen die konstitutive Bildung von Einheiten der Veränderung und die verschiedenen „Begriffe“ oder Typen von Veränderung, schließlich die objektive. Wie waltet diese Typisierung, dass Objekte wiedererkennbar durch Erfahrung immer wieder und immer wieder bewährbar werden können als dieselben. Obschon in ganz verschiedenen Veränderungszuständen, in den verschiedenen Zeiten seienden, als dieselben auch durch diese Zeiten hindurch verharrend, noch immer seiend?Denken wir uns abstraktiv eine Wahrnehmungswelt, eine lebendige wahrnehmungsmäßige Gegenwart in Ruhe. Wie muss unser Vorgehen sein? 1.) Reduktion der Intersubjektivität auf Subjektivität als meine eigene; b.) jede Wiederveränderung hat ihren Sinn von Ruhe; es muss also die Konstitution von „Ruhe“ die von „Veränderung“ fundieren; c.) alle Vergangenheit gewinnt in der strömenden Gegenwart ihren Sinn und zwar aus ihrem Strömen sich konstituierend; alle objektive Vergangenheit konstituiert sich aus objektiver Gegenwart und objektive Gegenwart letztlich in der Struktur „lebendige Gegenwart“, wonach sie in sich strömend eine Urgegenwart trägt; in dieser eigentlichen Wahrnehmungsgegenwart ist konstituiert die wahrnehmungsmäßige Weltgegenwart, also die erste Wahrnehmungswelt, und darin die Konstitution der Ruhe.Jede Gegenwart ist eine Situation – wie immer Wandel in ihr statthat, kinästetischer und Orientierungswandel, Perspektivenwandel, Ruhe und Bewegung, qualitative Veränderung und

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Unveränderung, und es erhält sich Einheit; es wird nicht nur Einheit des raumkörperichen Dinges als desselben, das sich dabei bewegt, erfahren etc. es hat auch die ganze Situationseinheit, oder vielmehr, das in der Einheit einer lebendigen Gegenwart koexistent Erfahrene hat eine Einheit, die der Situation.

1.) nehmen wir als Erstes, als Normalfall, von dem auszugehen ist, die Situation einer „ruhenden Umwelt“; also stets ist in dem Wandel der Kinästhesen Unveränderung erfahren, im Prozess des immer wieder Identifizierens derselben Dinge, des sie einstimmig Erfahrens, sie Kennenlernens, im Prozess immerfort den Horizont des neu Kennenzulernenden und eventuell des bloßen Wiedererfassens, des Wiederwahrnehmenkönnens als schon bekannt. In diesem zeitlichen Prozess (immanent zeitlich und darin dargestellt dingliche Zeit, als Verharren aller Dinge in Unveränderung) hat nicht nur jedes Ding seine verharrende Gestakt, sondern alle in eins eine verharrende räumliche Konfiguration, sich darstellend durch Konfiguration der Darstellungen in ihren Sinnesfeldern.

Zu diesem Wandel gehört, dass in jeder Phase dieser strömenden Gegenwart eine bestimmte Konfiguration wahrnehmungsmäßig verwirklicht ist von einer jeweiligen Seite, dass aber im strömenden Übergang von Phase zu Phase Dinge in die Wahrnehmung eintreten, andere austreten, jedoch so, dass, wenn ich die Kinästhese stillhalte, so ein solcher Wandel nicht eintritt. Aber das Stillhalten, so wicht es konstitutiv ist, ist doch nur Durchgang für das normale Ablaufenlassen oder willkürlich bestimmte Dirigieren der Kinästhese; das so strömend vonstatten gehende Wahrnehmen verknüpft sich zur Einheit einer Wahrnehmung, die soweit reicht, als das Verströmte, das im lebendigen Prozess Vergangene, in der Gegenwart trotz der „Verdunkelung“ noch abgehoben ist, eben als frisch lebendige „retentionale“ Vergangenheit. Ebenso in diesem Strömen protentional eine lebendige Zukunft in ihrem strömenden Übergang in lebendig verwirklichende Gegenwart vorgezeichnet. Was darin Strömende, als Einheit Konstituierte ist ein kontinuierlich verharrendes „Raumfeld“, von unveränderten Dingen, oder, was dasselbe, eine offene, stetig zur Kenntnis kommende und sich in der Kenntnisnahme, in der strömend kontinuierlichen Erfahrung erweiternde räumliche Konfiguration von unveränderten Dingen. Das Zusammen der Dinge, die in der lebendigen Gegenwart in eins erfahren sind, ist nicht ein bloßes Zusammenerfahrensein, sondern Einheit einer zeiträumlich bezw. in der Raumzeitlichkeit konfigurativ verbundenen Zusammen; unter dem Titel Konfiguration darf man nicht bloß an das Räumliche denken, sonder mit auch an das Qualifizierende, also an die Phänomenologische Einheit, die hier die einzelne Konkreta konkret einig hält. Wie Assoziation in besonderer Strukturgestalt das ruhende Ding konstituiert (Kinästhesen-Perspektiven), so ist auch die universale Struktur des verbundenen Zusammen, das im Strömen der ganzen lebendigen Gegenwart ein einziges und ganzes Wahrnehmungsfeld liefert, eine assoziative Struktur. Vorausgesetzt, dass man versteht, was Assoziation als intentionale Synthesis bedeutet.Hier wirkt also Assoziation – darin liegt beständige Apperzeption, die synthetische Einheit, die sich bildet an einer Stelle, als Bildung von Abschattungen als Abschattungen, die im kinästhetischen Übergang Erscheinungen vom Selben sind, überträgt sich auf alle Stellen der Sinnesfelder, und im Gleichzeitigen Prozess der Bildung ist es doch zugleich Assoziation der Bildungen, das in wechselseitiger apperzeptiver Übertragung sozusagen und Deckung – Deckung im Typus. Jedes neu eintretende Objekt ist schon apperzipiert als Objekt, als Einheit von so zu bildenden, so zum Ablauf zu bringenden Erscheinungen, und so ist das Überhaupt die erste universale Typisierung – eben die als Erfahrungsobjekt, Wahrnehmungsobjekt und als Konfiguration von Objekten, auch ist die Typik des sich Erweiternd der Konfiguration unter Imgriffbleiben, Neuaufnehmen von eigentlich wahrnehmbaren Objekten und Verlust an solchen, aber einem Verlust, der doch Aufbewahrung ist in der Form des noch in lebendiger Geltung Bleibens, der bloß retentionalen Abwandlung.Jedes Objekt für sich ist selbst ein Figuriertes, es ist in sich abgeschlossene Konfiguration, nämlich der an ihm abgehobenen extensiven Teile – man könnte ebenso gut sagen, eine

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Konfiguration von Objekten, die eingeordnet ist als Teilkonfiguration der totalen; denn durch diese Konstitution von Einheiten bloßer Ruhe ist in Wahrheit Objekt noch nicht konstituiert.2.) Konstitution von Veränderung aus Unveränderung ist schon vorausgesetzt für die

perspektivische Konstitution von Raumdinglicher Unveränderung, darin zunächst räumlicher Ruhe. Ich will mir hier die Konstitution der einzeldinglichen Veränderung schenken. Als Konstitution eines in der Veränderung Verharrenden unter verharrender Raumgestalt, die selbst sich deformieren kann, und Qualifizierung, die ihrerseits unverändert bleibt oder sich ändern kann. Ferner Konstitution der Veränderung als Veränderung eines bloßen Stückes (Gliedes etc.) oder mehrerer Stücke und Veränderung als Zerfallen in selbstständige Teile. So für die Grundstruktur der Körper (Natur). Damit konstituiert sich ein Objekt für sich, als verharrendes im Wechsel von Unveränderung und Veränderung gegenüber einem anderen Objekt für sich, und zwar immer in der Beschränkung auf lebendige Wahrnehmungsgegenwart.

Nun nehmen wir darauf Rücksicht, dass jede Veränderung eo ipso zugleich Veränderung der konkreten objektiven (raumzeitlich konkreten) Gesamtsituation ist oder der Gesamt-„Konfiguration“. Auch sie als strömende Totalität hat ihre Unveränderung und Veränderung, und auch ihre Veränderung führt von totaler Unveränderung zur totalen Unveränderung oder kann dahin führen, wenn die sich verändernden Objekte in Unveränderungszustände übergehen. Fassen wir, wie zum konstitutiven Ergebnis selbst gehört, Unveränderung und Veränderung in eins als zur Objektdauer gehörige Wandlung des Sichgleichbleibens oder Ungleichwerdens in den strömenden Zeitphasen der Dauer einer Wandlung, in der es als dasselbe sich „verändernde“ Objekt verharrt (was hier sein Objektsein ausmacht), fassen wir also „Veränderung“ erweitert, so hat sich uns ergeben: die totale Objektgegenwart als sich während der strömenden immanenten Gegenwart wahrnehmungsmäßig zeitigende, objektivierende ist eine verharrende Totaleinheit, nicht die eines Objektes, aber einer konfigurativen Verbundenheit aller immanent zugleich erfahrenen Objekte, - ist sozusagen die erste Welt als Welt der Erfahrung, hier der bloßen Erfahrung der lebendigen Gegenwart und zwar ihrer objektivem Wahrnehmungsstruktur allein.Darin liegt: die Veränderungsmannigfaltigkeiten, die sich durch das fortgehende Währen, das Fortdauern des Wahrnehmungsobjektes erstreckt und in welcher das Objekt sein Dasein hat als verharrend identische Einheit ist nicht isoliert und kann es auch nicht sein; diese Veränderungsmannigfaltigkeit der Totalität der zusammen in der Einheit der strömenden Wahrnehmungsgegenwart wahrgenommenen Objekte; sie verharren nicht einsam sondern vergesellschaftet innerhalb der in ihrer Weise (einer ganz anderen) verharrenden Form der objektiven Zeit. Doch ist hier nicht zu übersehen, dass raumzeitliche Konfiguration – (auch Zeit jedes Objektes hat seine Dauer, es fängt an, es hört auf, es ist im Zerfallen in mehrere Objekte nicht mehr dasselbe Objekt, als Objekt im jetzigen Sinne überhaupt nicht mehr) – früher ist als Raum und Zeit selbst, verstanden als identisch verharrende Formen, innerhalb deren alle Objekte räumlich sind, als in ihr eine Stelle, eine Lage habend durch ihre Raumgestalt, die als Objektbestimmung Raumgestalt in Lage ist, und was die Zeitform anlangt, innerhalb deren alle Zeiten Dauern sind, die den Objekten als Bestimmungen zu eigen sind. Die „Vorstellung“ dieser Formen erwächst erst auf dem Grunde der beständig wechselnden Konfigurationen.Als die erste Welt haben wir gewonnen die in der lebendigen Perzeptiven Gegenwart und die rein aus ihrer Intentionalität bestrittene Welt; sie reicht soweit, als mein Behalten, auch als mein in Verfügung Behalten reicht. Das soeben Erfahrene ist nicht verloren, es gehört noch weiter zur Welt, die für mich ist. Doch ist hier nicht zu schnell über das Problem hinwegzugehen...

Bl. 69-73 in Hua XV Text Nr. 16.

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Keine Datierung. Wohl 1930-31?Kein eigener Umschlag. Thema: Notizen über Kinästhese

Perspektiven. [...] Das Limes der ursprünglichen Ferne, bezw. jeder Ferndarstellung ist die äußerste Ferne bezw. die äußerste Ferndarstellung, die keine entfernende Modifikation mehr gestattet. Alle äußersten Fernen bilden in der Einheit der Gesamtwahrnehmung, im optischen Wahrnehmungsfeld der lebendigen Gegenwart und darin in jedem zeitlich zentralen Jetzt, eine besondere Einheit. Oder deutlicher, alle in dieser Gegenwart koexistenten Perspektiven bilden eine Einheit, die einer perpektivischen Konfiguration, und darin die äußersten Fernen eine Einheit äußersten Fernen, die wenn sie kontinuierlich ist, die einheitliche Horizontkugel bilden (Himmel -; doch ist das vielleicht nicht ganz korrekt).Die Perspektivierung vollzieht sich in Schichten; sie hat in jeder Schicht und so Formal gesprochen folgende Struktur: 1.) die assoziative Synthesis (verschmelzend); 2.) die vermögliche, verfügende Synthesis. Die verschmelzende Assoziation (ad 1.) gesagt ist a.) die in der Urpräsenz jetzt eintretende Ähnlichkeitsverschmelzung; so ist schon das optische Empfindungsfeld in jedem Jetzt eine Einheit solcher Verschmelzung; und jeder darin abgehobene Inhalt hat Sondereinheit in sich. Es ist ein formales Assoziationsproblem dieses Gebietes, was Einheit des Feldes und dann Einheit und Mehrheit im Feld möglich macht.Diese Art Verschmelzung fungiert nicht nur als die der Empfindungssphäre, sondern kehrt in allen Stufen wieder, d. h. sowie durch die Empfindungsabwandlung, die als neues in Betracht kommt (die successive Verschmelzung) und durch kinästhetiche Vermöglichkeit Einheiten höherer Stufe (und nicht bloß Einheiten des inneren Zeitbewusstseins) konstituiert sind und wir nun perzeptive Koexistenzen und stetige perzeptive Abwandlungen im Verlauf haben – nicht die Veränderung der Dinge, sondern Verläufe von Veränderungswahrnehmungen.b.) die successive Verschmelzung der in jedem Jetzt als Einheiten verschmolzenen Daten; hier erwachsen die ersten Phänomene von Verharrendem und sich Veränderndem, auf die die Wiedererinnerung immer wieder zurückkommen kann, aber nicht von „Objekten“, die koexistieren in der Objektzeit, in ihr in Ruhe und Bewegung, in Unveränderung und Veränderung verharren, und ein Objektraum als invariante Form der Koexistenz ihrs verharrenden Daseins haben.Im Empfindungsfeld die Komponenten, die der Lokalität und Qualität, dem okulomotorischen Objektfeld entsprechend, und sich stufenweise durch neue Objektsinnbildungen aufbauend.Ad 2.) kinästhetisch verfügende Synthesis: a.) die Synthesis der Kinästhesen zu verfügbaren Systemen und zur Einheit eines Totalsystems; b.) assoziative Einigung der zusammenverlaufenden Kinästhesen und Daten; c.) die bleibenden „Wenn-so“-Beziehungen, mit meiner bestimmen subjektiven Wandlung der kinästhetischen Stellung im Stellungssystem, die bestimmte „Erscheinung“; d.) das als optimal Bewertete, Erstrebte und die Ausbildung der Intentionalität, der gemäß jedes Datum in der kinästhetischen lage „Erscheinung“, „Abschattung“ ist von seinem Optimum.

Ruhe und Bewegung im okulomotorisch konstituierten Objektfeld.1.) vollkommene kinästhetische Ruhe bis auf die Augenbewegungen. Das okulomotorische

Feld mit seinen okulomotorischen Perspektiven, in stetiger Wandlung bezogen auf ein Optimum (okulomotorisch-kinästhetische Nulllage ist ausgezeichnet). Zugehörig eine Gesamt-Null-Erscheinung des ganzen Feldes von okulomotorischen daten; in ihr ein Kern optimaler Objekterscheinung; alle andere Objekterscheinungen der Null-Lage gehen in die optimale über bei einer Ablenkung der Kinästhese in die Kinästhesen; die okulomotorische Objekte sind im Wandel „infolge“ der okulomotorischen Kinästhesen, sie können aber auch im Wandel sein „von selbst“. Korrelation: dieselben Abwandlungen, Perspektiven, die von selbst stetig ablaufen, können auch von mir her (also kinästhetisch bewirkt) ablaufen. Ruhe und Bewegung: wenn die okulomotorische Kinästhese stillhält, hört alle perspektivische Wandlung auf; setzt aber in bestimmter Zuordnung zu den Kinästhesen, den kinästhetsichen

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Richtungen (Hauptrichtungen rects, links, oben, unten) zu den kinästhetsichen Verläufen im kinästhetischen zweidimensionalen System alsbald wieder ein, und wir haben ein zugeordnetes zweidimensionales Perspektivensystem.

Bewegung im okulomotorischen Feld. Bei Stillhalten der kinästhetischen Wandlung bei Änderung der Perspektiven, aber auch im Allgemeinen bei kinästhetishcen Wandlungen; einzelnes kann sich bewegen. Hier der mögliche Grenzfall: ich mache kinästhetisch die bewegung genau mit und die Dingperspektive bleibt immerzu dieselbe; es können sich mehrere bewegen, einheitlich als Gruppe bewegen (wie wenn die ein Ding wären) und auch alle im Durcheinander bewegen, „ohne Rücksicht“ aufeinander; dasselbe okulomotorische Ding als verharrende Einheit im Wandel dieser Erscheinungen. Konstitution des okulomotorischen Raumes und der okulomotorischen Welt in der starren Raumform, starr in der Weltzeit; die identischen Dinge als verharrend inobjektiver Ruhe und bewegung.<2.)> Nun, ins Spielsetzen anderen Kinästhesen – zur puren Konstitution visueller Dinge in Ruhe und Bewegung. Die bisherigen Dingen werden zu „Erscheinungen“ und zwar zu Darstellungen von Seiten der neuen Dingen höherer Stufe, höherer Konstitutionsstufe, und zugleich verbindet sich damit die Perspektivierung, in der sie in vermöglicher kontinuierlicher Abwandlung bald Nahdinge darstellen, bald Ferndinge, so zwar, dass die zunächst dargestellten Seiten den Sinn „Seite von der Nähe“ und „Seite von der Ferne“ erhalten, also eine doppelte Darstellungsweise. Der okulomotorische Raum ist zweidimensional, der sich konstituierende Raum ist dreidimensional; es gibt jetzt „Drehung in der dritten Dimension“. Die dreidimensionale konstitutive Perspektivierung kann betrachtet werden rein nach dem, was das visuelle Empfindungsfeld als Bildfeld des Einauges oder auch der beiden Augen, der sich rein deckenden Bildfelder, liefert; aber auch in Betracht kann gezogen werden Konvergenz und Relief.Alle Perspektivierung, so schon auf der früheren Stufe, beruht auf kinästhetisch motivierten Abwandlungen und auf kinästhetisch vermöglicher Überführung in ein Optimum.

a.) Ausbildung des Nahraumes – der räumlichen Gegegwartssphäre von Dingen – für Ruhe und Bewegung im Nahraum, das kann befasst werden als Sphäre des vertrauten umnittelbaren Zugangs zu den optischen Erscheinungen, in denen ich allseitig das dingliche selbst und einen Umkreis von Dingen selbst erfahre.

b.) Fernraum, Fernwelt, Vermögen lange Zeit un dimmer fortschreitend zu gehen, in perspektivierender Annäherung und anderseits Entfernung.

Im optimalen Kernfeld lerne ich alles ursprünglich kennen. Alles „Äußere“ bringt die Kinästhese dahin, dass es zum optimalen wird; aber schon im optimalen Gebiet übersteigt es dasselbe und es bedarf der Bewegung, wie auch zur optimalen Identifizierung. Wir haben also eine Kinästhese zyklischen Hin- und Hergehens, einer zyklischen Identifizierung, die zur optimalen und eigentlichsten Wahrnehmung gehört. Anderseits die Kinästhese der Überleitung in die optimale Sphäre.Bei der Bewegung, in die ein Ruhendes gerät, kann ich die zyklische Bewegung des optimalen Betrachtens nicht bloß einfach wiederholen, sondern ich muss die Kinästhesen zugleich abwandeln und so, wie ich, wenn das Objekt ruhend wäre, es verlieren müsste; zyklisch kann ich auch ein Außenbild durchlaufen und identifizieren; aber das spielt hier nicht die Rolle, vielmehr die Auffassung als Darstellung vermöge der Führung in das Optimum, wo es sich selbst als es selbst identifizierbar charakterisiert. Das ist überhaupt ein Erstes, das allem vorangeht, ob kinästhetisch oder nicht: wo ein zyklischer Prozess des „ich kann“, „ich tue“, im „wenn-so“ ein Datum kontinuierlich abwandelnd in sich selbst zurückführt, eventuell in eine sukzessive Mehrheit von Daten auseinandergehend, die zyklisch immer wiederkehren bei der entsprechenden Zyklik des Tuns, da wird eine verharrende Einheit und nicht ein Nacheinander gleicher Prozesse erfahren, die sich in diesen Einzelheiten der Mehrheit expliziert und sie als Bestimmungen vorweg schon in sich hat, sofern sie schon in dieser Typik apperzipiert wird. Was immer uns entgegentritt als seiend, wird schon apperzipiert als explikabel.

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In der Sukzessionszeitigung als Assoziation tritt in einem Felde prozesshaft Neues auf, sich paarend mit dem Alten unter Differenz der Abhebungen; wir haben hier Mehreres, das in der Einheit liegt.In jeder Stufe der Konstitution haben wir eine optimale Darstellungssphäre; in jeder hat die wahrnehmungsmäßige Gegebenheitsweise die Eigenschaft, dass im Wahrnehmungsfeld reduziert auf das Feld der in der lebendigen Gegenwart und in jeden urquellenden Jetzt wirklich perzipierten Objekte, ein Kernfeld optimaler Gegebenheit hat (was teils streng zu nehmen ist, was das Feld ganz eng macht, teils etwas locker, wenn ich die konkrete zeitliche Gegenwart nehme und zwar mit den Objekten, die darin fortdauernd als ruhende gegeben sind oder bewegt, so dass sie stillstehend optimal verharrende Ruheobjekte ergeben würden).Im Kernfeld habe wir die eingeübten zyklischen Kinästhesen, welche das Objekt, soweit es in der optimalen Gegebenheit identifiziert, als expliziert und zugleich, was davon noch nicht optimal gegeben ist, immer wieder in die optimale Form überführt. Explikation ist auch ein wiederholtes und zu wiederholendes Durchlaufen von optimalen Komponenten, die nicht in eins optimal gegeben sein können. Das Objekt kann optimal nur gegeben sein in einer prozesshaften optimalen Explikation und im Bewusstsein des Immer-wieder. Optisch haben wir außer dem optimalen Kernfeld das ihm Äußere, aber schon perzeptiv gegebene, es muss erst in das Kernfeld durch eine annähernde Kinästhere herangebracht werden. In jeder „Welt“ haben wir also Gegebenheitsweise nach nah und Fern und Selbstbewegung der Objekte, die, teils innerhalb der optimalen Kernsphäre verlaufend, immer zugleich das bewegte Objekt, nach verschiedenen Seiten, optimal zeigen; bedeutsam ist wohl auch das Tempo der kinästhetischen Bewegung, das selbst sein Optimum hat, um die Selbstgegebenheit vollkommen zu machen; und dem entsprechend die Möglichkeit eines Tempo der Selbstbewegung des Objektes, in dem es sich vorzüglich in seinem verschiedenen Seiten zeigt und günstigenfalls von allen Seiten.Was übrigens für die Sehsphäre, die Sehnwelt gilt, gilt auch für die Tastsphäre, die Tastwelt; es gilt natürlich, wo beide synthetisch einig sind.. Aber die abstraktiv genommene Tastwelt, in der perzeptiven Gegebenheitsweise. Da haben wir innerhalb der Wahrnehmungswelt keine Scheidung zwischen optimaler Sphäre und außer-optimaler als einen festen Strukturbestand. Wenn ich angelehnt im Sessel sitze etc., ohne mit den feiner empfindenden Organen zur tastenden Berührung zu kommen, habe ich nichts Optimales, obschon eine eingeübte kinästhetische Beziehung zur optimalen Tastgegebenheit. (etwa im tastenden Berühren des Gegenstandes mit den Fingerspitzen); ich weiß, wie ich das, was mein Ellbogen berührt und „tastend“ erfährt zur besten Gegebenheitsweise zu bringen ist, indem ich die Fingerwahrnehmung durch entsprechende Kinästhesen ins Spiel setze; so ist das eben eine Möglichkeit, aber nicht bezeichnend für den Strukturaufbau der zu jedem Jetzt gehörigen perzeptiven Gegebenheitsweise der Welt.Bleiben wir wieder in der optimal reduzierten Welt; die niederen Stufen gehen eben als Stufen in die höheren ein. Also die optimalen Sphären decken sich. Was in der niederen Stufe verharrend-veränderliches Objekt ist, geht in die höhere Stufe nicht als Objekt ein; denn was bei ihm Ruhe und Bewegung des Objektes ist, das ist in der höheren Stufe Darstellung von Unveränderung, von Ruhe und Bewegung derart, dass eben Veränderung hier Ruhe bedeutet.

Kinästhese und Aktivität – Bewusstsein in Vermöglichkeit; das worauf das Ich tuend gerichtet ist, wenn es das Bewusstsein aktiv vollzieht – also Bewusstseinsgegenstand? Die Aktivität als einfach oder komplex – das Bewusstsein als urtümliches und aus Aktivität selbst gebildetes; Akt mit Akt zur Einheit eines Aktes verbunden; inaktives Bewusstsein und seine inaktiven Verbundenheiten – Einheit des Bewusstseins.Aktivität, vielfältige Möglichkeiten, Ordnung in ihrer Verknüpfung; Richtungen der Aktivität, Wege im Wegsystem nach verschiedenen Richtungen offen. Aktivität und das, was ich unmittelbar bewege, das unmittelbar ais mir Erzielte, unmittelbar aus mir hervorgehend. Erinnerung, dunkel auf das Dunkel gerichtetsein, sich vertiefen in..., eindringen, näherkommen an die Vergangenheit; Gradualität der Erinnerung; Erinnerung aufsteigend oder Kraftanspannung, ohne mein Eindringen;

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Erinnerung in Bewegung des Aufsteigens; oder Erinnerung, auf die ich mich gespannt richte und sie in Bewegung setze.Inhalt und Form des Aktes. Korrelation: Geschehen und Akt; Geschehnisse, die von selbst laufen, aber „subjektiv“ sind, sofern sie unmittelbar aktivierbar sind durch die bloße Richtung des Ich darauf, auf das, was als geschehen Könnende antizipiert ist. Unmittelbares Können als Voraussetzung für mittelbares Können und Tun.

[81 a] Noten zur Überlegung: [...] 1.) eine Kinästhese hat immanentzeitliche Verlaufform; sie ist ein immanent zeitliches Geschehen, anfangend, fortlaufend, endend; in ihrer immanenten Dauer hat sie besondere Wesenscharaktere gegenüber anderen immanenten Geschehnissen.2.) sie ist ein vermögliches Geschehen, in das sich mein Ich unmittelbar „einlassen“ kann; Ich bin immer aktiv und als das in einem Tun begriffen, das aus mir als „wachem Ich“ ausstrahlt; dieser Ichmodus muss gesehen werden und dieses von-mir-aus-Geschehen als eine Form. Aber ich bin auch in einem unwachen ichlichen Sein; in gewisser Weise betrifft das alles immanente Leben als mein Leben. Aber ist es nicht meiniges, sofern es mich angeht, sofern ich seiner bewusst bin, obschon ich nicht aktiv darauf gerichtet bin in einem von mir, dem aktiven Ich ausstrahlenden Tun?3.) eine Kinästhese hat ihre eigentümliche „Kraft“ als ein Moment der Steigerung oder Minderung im Verlauf einer vermittelnden Gradualität des sich Verlauf weder Steigerns noch Minderns.

Jede Kinästhese ist Komponente eines kinästhetischen Systems, ist Einzelkinästhese in einem kinästhetischen Komplex. Kinästhese im Modus eines wirklicher Verlaufs, im aktiven Tun, und im passiven (ichlich passiven) Geschehen. Unwillkürliche Kinästhesen, Kinästhesen im Geschobenwerden. Das Bilden von Perioden aus Kinästhesen; aber das macht doch nicht wirklich eine Kinästhese; aber durch kinästhetisches Tun, durch die unmittelbare Kinästhese, tue ich doch mittelbar etwas, was nicht unmittelbar aus mir tun kann; dann schafft periodische Kinästhese Einheit einer mittelbaren Veränderung.Eine Kinästhese als Bewegung im Gang, im System der Vermöglichkeit zu anderen Kinästhesen, die nicht in Gang sind. Eine Kinästhese in Gang – sie hat angefangen und sie endet. Das Ende von Kinästhesen: die angewandte Kraft hat sich erschöpft; die Kraft kann aber wieder eingesetzt werden, die Kinästhese wird dann fortgesetzt; im Gang der Kinästhese Aufbrauch der Kraft durch steigenden Widerstand, Hemmung. Es gibt auch die Möglichkeit einer stetigen Erhöhung der Kraft während des Ganges in stetiger Anspannung. Kinästhetisches Stemmen und dergleichen. Kinästhesen summieren sich und sind auch in gewisser Weise teilbar. Hier kommt in Betracht das Stillhaltenkönnen; darin Bewegung in verschiedenen Kraftsmodis. Also eine Kontinuität, eine Extension, die Größe hat, Phasen hat, mit Abständen und Richtung, und kontinuierlich zugehörige Kraft-Widerstand-Verteilung. Ferner Umkehrbarkeit.Null der Kinästhese; generelles Null; die Phasen sozusagen etwas Qualitatives; die Bewegung Durchlaufen der Qualitäten, Qualitätsverlauf. Null Qualität. Jede Qualität in das generelle Null zurückführbar und von dort aus erreichbar;: Limes des Null; von da aus die Qualitätsrichtungen, und die äußerste Entfernung, Horizont; Limes der gerichteten Entfernungen als der äußerste Horizont; äußerste Qualität, äußerste Anspannung der bewegenden Kraft.

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Keine Datierung (wohl 1931)Keine eigene Aufschrift. Thema: Modalisierung durch Widerstreit Modalisierung durch Widerstreit (nicht ausgereift!)Widerstreit im reiche der Erfahrung vermöge ihrer doxischen Antizipation, im Reiche meiner Erfahrung, die mit ihrem Kern Wahrnehmungsfeld und Erinnerungsfeld, Mitgegenwarts- und

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Mitzukunftsfeld immerfort eine unendliche Zeitwelt in den objektiven Zeitmodalitäten, also mit unendlicher Vergangenheit uns Zukunft in Seinsgeltung hat. Der Kern ist Kern für eine Struktur der Seinsmöglichkeiten, innerhalb deren sich alle meine mittelbare Induktion verhält. Die Induktion selbst ist, voll gefasst und in eins mit dem Kern, die Seinsverzeichnung, die für mich immerfort gilt; freilich in der Unbestimmtheit, die sich als Spielraum der Möglichkeiten (im Gesamtspielraum) auslebt. Diese induktive Welt für mich ist kontinuierlich beweglich, immer wieder anders bestimmt, trotz der Identität einer formalen Struktur, immer wieder anders dadurch, dass jedes wirklich Eintretende den Spielraum ändert.So habe ich als reife wache Ich kontinuierlich meine Welt, das für mich beweglich geltende Universum zeitlicher Tatsachen. Zeitigung besagt in erster Linie die Konstitution von „Tatsachen“; ihrer Form ist die Raumzeitlichkeit; sie ist die universale Form realen Daseins, die für mich und aus mir gezeitigt ist. Ebenso aber jeder Andere seine Zeitigung und seine kontinuierlich für ihn seiende Zeitwelt, die <sich> aber, da die Andern Andere für mich sind, und ich Anderer für sie bin, sich zu einer Zeitwelt zusammenschließt – trotz der Seinsmodalisierungen, die in der Wechselverständigung unvermeidlich werden.So habe auch ich in der Kontinuität meines erfahrenden Lebens und zwar in jeder Phase eine neue und doch wieder dieselbe Welt – unter beständiger Modalisierung und Korrektur (bezw. Näherbestimmung). Meine Welt ist von vornherein so erfahren, dass sie die Erfahrungen Anderer, der bekannten, apperzipiert in Bestimmtheit, und unbekannten (in ihren Spielraum) mitrechnet – aber als die, die mir als die der Anderen gelten, obschon sie das, wie wir wissen, bei weitem nicht immer sind; in dem Commercium mit den Anderen, die selbst zu unserer, zu meiner Welt gehören, als mir geltend, erhalten sie auch de Geltung als Subjekte ihrer Welt, der ihnen geltenden, und so gilt mir auch, und dann jedem, die in Wahrheit seiende Welt als eine ideelle Bewährungseinheit gegenüber den subjektiven Gestaltungswelten aller unmittelbar und mittelbar, in Wirklichkeit und Möglichkeit mit einander kommunizierenden Subjekte, die dabei selbst als wahrhaft seiende Bewährungspole sind, subjektiv vermeinte Tatsachen in der Raumzeitlichkeit und ideell wahre Tatsachen, der ihrerseits selbst wieder als wahr vorausgesetzten Zeitwelt bezw. Zeiträumlichkeit.Aber sosehr ich auch als Tatsache, als Realität, in der Welt als dem Universum der Raumzeitlichkeit bin, so bin ich doch für mich nur aus meiner eigenen Zeitigung und bin es nur aus meiner eigenen Aktivität der Seinskonstitution, durch die für mich Leiber und darin waltende und durch die Leiblichkeit raumzeitlich lokalisierte Subjekte sind und auch ich selbst seiend als in der Raumzeitlichkeit lokalisiert.Welt ist für mich nur dadurch, dass ich Akt-Ich bin und in Connex mit anderen Ichsubjekten und in diesem connex gemeinschaftlich mit ihnen Tatsachenwelt konstituierend, Aber fortlaufende Konstitution con raumzeitlichen Tatsachen, fortgehende Erfahrung, Kenntnisnahme, Wissen ist untrennbar eines mit fortgehender Ausbildung praktischer Interessen, mit praktischen vorhaben und Handlungen, aus denen Werkgebilde hervorgehen, Erzeugnisse der Ichsubjekte, welche die Welt in ihren Objekten verändern, aber doch die Identität der sich verändernden Dinge und so die Identität der Welt selbst nicht wandeln. Dieselbe Welt – nur im Einzelnen anders; ähnlich wie in jeder praktischen Veränderung eines seienden Objektes es in seinem Sein verharrt und nicht ein anderes, sondern eben nur anders wird.Soweit Erfahrung, eigene und fremde, einzelne und gemeinschaftliche Erfahrung reicht, soweit haben wir Streit zwischen Erfahrungsgestaltungen und Erfahrungsgestaltungen, zwischen erfahrendem Sein und erfahrenem Sein, eigenem und fremden; der Streit ist zwischen den erfahrenden Akten.Aber nun habe ich auf dem Boden der für mich seienden Welt meine Vorhaben, meine praktischen Interessen. Aber jeder Andere hat nun andere Interessen, im Allgemeinen, und die emeinen streiten mit denen der Anderen, bezw. meine Vorhaben mit denen der Anderen. In der seienden Welt sind, wie ich vielleicht erkenne, meine praktischen Möglichkeiten in bezug auf dieselben Dinge, auf die sich die Vorhaben der Anderen beziehen, mit den entsprechenden praktischen Möglichkeiten der Anderen unverträglich. Die Möglichkeit, die meine Handlung verwirklicht, ist nur dann auch für

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den Anderen eine praktische Möglichkeit, wenn er sich zur Gemeinschaft einer Vorhabe und einer Handlung mit mir vereinigt. Darin liegt: die Erwerbe der Handlung müssen allgemeine Erwerbe sein, und jeder der Streitenden muss verzichten auf den Erwerb als einen nur eigenen Erwerb.Ich komme auch mit mir selbst in Streit, in Willensstreit; es verträt sich nicht mein gestriger Wille mit meinem heutigen; den einen oder anderen muss ich aufgeben, oder ich muss ihn wandeln (z.B. die Raumspelle der Realisierung andern und die Zeitstelle), bis beide in der gewandelte Form verträglich werden. Die Erfahrungswelt als Tatsachenwelt, als Welt verharrend-veränderlicher Realitäten; jede Veränderung schließt jede andere in der raumzeitlichen Stelle aus; alle realen Möglichkeiten betreffen Unverträglichkeiten in der Tatsachenwelt. Die Erfahrungswelt als Welt für mögliche Vorhaben der in ihr seienden Menschen, der in ihr wollenden, vorhabenden, welt des personalen Streites und der personalen Vereinigung,Menschen, personale Subjekte in der Welt, in der seienden Welt, in sie hineinlebend, aktiv erfahrend, wie sie ist, handelnd, sie als die bekannte oder durch Erkenntnis zu Bekanntheit zu bringende, nach personalen Zwecken zu verändernde auffassend.Aber da bedarf es eingehender Überlegung. Das Handeln der Mitteilung, das Handeln durch Mitteilung; das ganze Reich des gemeinschaftlichen Lebens als handelnden Lebens, in dem die Mitmenschen behandelt sind.

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