customer experience forum 5 magazin
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CUSTOMEREXPERIENCEFORUM5Das MagazinCX-Forum 5, November 2011
REFERAT ZUR STUDIEMASSIVE CHANGE
SEITE 16
KREATIVWORKSHOPDIE BOOM-WOW-WOW-WOW-BOOM-AH-KURVE
SEITE 18
SEITE 4
KEY DISCUSSIONDESIGN THINKING —ALS UNTERNEHMEN LERNBAR?
DOWNLOAD:Sämtliche Videos, Präsentationen und Impressionen vom CX-Forum 5 und früheren Foren können auf unserer Webseite heruntergeladen werden: www.cx-forum.ch
CX-FORUM5
INHALTSVERZEICHNIS
3 BLICKWECHSEL VORABENDPROGRAMM
4 KEY DISCUSSION
DESIGN THINKING – ALS UNTERNEHMEN
LERNBAR?
7 FALLSTUDIE CREDIT SUISSE & ZURICH
8 FALLSTUDIE AXA WINTERTHUR
9 FALLSTUDIE BASLER VERSICHERUNGEN
10 CX-FORUM EIN TAG IN BILDERN
12 FALLSTUDIE MUSIOL MUNZINGER SASSERATH
& BASLER VERSICHERUNGEN
13 FALLSTUDIE ERGO VERSICHERUNGSGRUPPE
14 FALLSTUDIE WORKATION WEEK
16 REFERAT ZUR STUDIE
MASSIVE CHANGE
17 HERAUSFORDERUNGEN
18 KREATIVWORKSHOP
19 INITIANTEN
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Liebe CX-Experten
Nach fünf Customer Experience Foren sind wir zur Über-zeugung gelangt, dass kaum noch jemand am Sinn von Design Thinking und Customer Experience (CX) zweifelt. Wir rennen offene Türen ein, wenn wir erklären, dass in Unternehmen aus der Kundenperspektive gedacht werden muss. Das belegen auch die Studie «Mas-sive Change» (S. 16) und die Key Discussion mit Carsten Schloter, CEO Swisscom (S. 04). Daraus geht allerdings ebenfalls hervor, dass der Weg zum Ziel «CX» nicht immer ausgeschildert ist. Gelegentlich geraten wir in Sack-gassen oder werden gebremst. Mal ist es das Silodenken in den Unternehmen, das ein durchgängig positives Kunden erlebnis verhindert. Oder die Zusammenarbeit von Spe zialisten und Generalisten klappt nicht. Manchmal sehen einzelne Kollegen oder Chefs einfach nicht, welcher Mehrwert durch Design Thinking entsteht. Und mitunter ist die Unternehmenskultur nicht so kreativ und offen, wie sie sein müsste. Diese Phänomene waren im November 2011 die «Herausforderungen», denen sich die Teil-nehmer in Gruppenarbeit gestellt haben. Die Ergebnisse seht ihr auf Seite 17.
Es gibt bei der Einführung von Design Thinking nicht nur Probleme, sondern auch wunderbare Erfolge. Das be-weisen die Fallstudien, die uns CX-Profi s wieder mit-gebracht haben. Solltet ihr also gelegentlich beim Finden eines geeigneten Pfads zum grossen Ziel in ein Motiva-tionsloch fallen, nehmt eins der CX-Magazine zur Hand. Wenn die anderen es geschafft haben, schafft ihr es auch!
Viel Freude beim Lesen!
Miriam Bleuler,Swisscom
Helmut Kazmaier,Stimmt
EDITORIAL
Das CX-Forum ist die perfekte Plattform für interessante, kreative Menschen, welche das Kun denerlebnis in der eigenen Firma verbessern oder optimieren möchten. Die Stimmung war wäh-r end der Veranstaltung immer ungezwungen und für die Kreativität sehr fruchtbar. Customer Ex-perience wurde im wahrs-ten Sinne des Wortes erlebt und gelebt!
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LUCA ZACCHEI Amavita Apotheken
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BLICKWECHSEL: VORABENDPROGRAMM
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Andreas Erbe (AE) — Carsten, es gibt ja einen Unter-schied zwischen Design Thinking als Grundhaltung und Design Thinking oder Experience Design als einer Disziplin. Bleiben wir doch kurz bei der Grundhaltung. Was macht für dich einen Design Thinker aus?
Carsten Schloter (CS) — Jeder defi niert den Begriff Design Thinking anders, und ich erhebe nicht den Anspruch, die einzige Wahrheit zu verkünden. In meinem heutigen Verständ-nis ist Design Thinking eine Haltung, die dazu führt, dass man an ein Thema mit komplett offenen Augen und Ohren heran-geht, quasi als Entdecker und – das ist besonders wichtig – ohne Hypothese. Manager sind inzwischen bereit, zum Kunden zu gehen, um zu schauen, wo seine Probleme liegen. Aber sie gehen sehr oft mit einer bestimmten Hypothese an diese Kundenbeobachtung heran. Doch wenn ein Mensch eine Hypo-these im Kopf hat, dann ist sofort seine Beobachtung nicht mehr neutral. Er nimmt nur noch jene Punkte auf, die seine Hypothese bestätigen, und neigt dazu, jene Punkte zu über-sehen, die zu seiner Hypothese in Widerspruch stehen.
AE — Der Umgang mit Wahrnehmungsblockaden ist also etwas sehr Wichtiges, was als Technik immerhin lernbar ist. Damit komme ich von der Haltung zur Disziplin. Christina, was muss man lernen für gutes Design Thinking, für gutes Experience Design?
Christina Taylor (CT) — Für mich ist Design Thinking krea-tive Problemlösung. Kreativität kann man nicht ganz lernen, das muss man in seiner DNA haben. Problemlösung kann man lernen. Die Verbindung von beidem kann man auch lernen. Oft sind es zwei Personen, einer ist kreativ, ein anderer ist ein analytischer Problemlöser, die man zusammenbringen muss. Das ist Führungssache. Das kreative Genie, das sowieso alles hinterfragt und vielleicht etwas verrückt ist und farbige Tep-piche in öde Büros legt, trifft auf Analysten, die den Markt kennen und eigentlich genau wissen, was man tut und was
man nicht tut. Diese Schnittstelle konstruktiv zu managen, das ist Design Leadership, und das fasziniert mich die letzten drei Jahre.
AE — Carsten, wie siehst du deine Rolle? Was trägst du als CEO dazu bei, dass sich Design Thinking durch-setzen kann?
CS — Indem ich Christina hier im BrainGym kritisch anschaue, wenn sie rosa Teppiche verlegt, aber nicht unmittelbar die Entscheidungen umstosse. Ich denke, man muss in einem Unternehmen immer wieder Freiraum schaffen, um mit neuen Ansätzen und mit neuen Haltungen zu experimentieren. Es gibt durchaus Themen im Unternehmen, die man von oben nach unten treiben muss. Aber es gibt eben auch Themen, denen man Platz einräumen muss. Man kann darauf setzen, dass sie sich viral verbreiten, wenn sich Erfolge zeigen. Beim Thema Design Thinking war ich hin- und hergerissen. Wenn man eine solche Haltung sofort mit dem ganzen Unternehmen teilt, dann unterliegt man der Gefahr, dass das Thema Pro-grammcharakter annimmt. Irgendjemand würde sich Ge-danken machen, wie titulieren wir das Ding? Sobald aber ein Name im Raum steht, beginnen meiner Erfahrung nach 16’000 Menschen mit diesem Titel ganz unterschiedliche Dinge zu verbinden. Man fi ndet ihn auf einmal in jeder Präsentation wieder. Die Leute haben das Gefühl, sobald man diesen Auf-hänger hat, ist alles besser. Doch nach ein paar Monaten kehrt die grosse Ernüchterung ein – und das Thema ist tot. Des-wegen muss ich sehr gut überlegen, was man programmatisch von oben nach unten treibt, und bei welchen Themen man auf virale Verbreitung setzt, indem man einem Team Freiraum und Mittel gibt.
CT — Als wir angefangen haben, haben wir Experience Design unterrichtet. Wir haben ein Jahr lang 800 Leute hier im Brain-Gym darin ausgebildet, wie man ein Problem mit Design Thinking Methoden löst. Die Teilnehmer haben das cool ge-
KEY DISCUSSION: DESIGN THINKING – ALS UNTERNEHMEN LERNBAR?
VON SWISSCOM DISKUTIERTEN:
CARSTEN SCHLOTER, CEO
CHRISTINA TAYLOR, HEAD OF BEST EXPERIENCE
ANDREAS ERBE, MODERATION
Am Anfang der fünften Ausgabe des CX-Forums stand für ein mal keine Ansprache, sondern ein angeregtes Gespräch: Carsten Schloter und Christina Taylor unterhielten sich darüber, wie und ob Design Thinking in Unternehmen eingeführt und vorangetrieben werden kann. Eine Firma, ein Grundgedanke, aber zwei unterschiedliche Perspektiven: hier der CEO, der zum ersten Mal öffentlich Stellung nimmt zu Design Thinking im Unternehmen, da die Bereichsverantwortliche, die diese Denk-weise seit einigen Jahren im Unternehmen verbreitet.
Design Thinking – als Unternehmen lernbar?
UNSER VERSTÄNDNIS VON…
CUSTOMER EXPERIENCE
Wir verstehen unter Customer Experience
(CX) eine Haltung, die den Kunden und seine
Bedürfnisse ins Zentrum stellt. Dabei wird
das Erlebnis des Kunden mit dem Unternehmen
über alle Berührungspunkte und über den ge-
samten Kundenzyklus betrachtet. Ziel ist es,
dieses Erlebnis konsistent positiv zu gestalten,
sodass ein Unternehmen dadurch einen Wett-
bewerbsvorteil erlangt.
UNSER VERSTÄNDNIS VON… DESIGN THINKING
Design Thinking (DT) wird oft im Zusam men-hang mit CX genannt und impliziert eine Denk-haltung, die auf dem Trial-and-Error-Prinzip basiert, schnell Ideen als Pro to typen durchläuft, die Sichtweise des Kunden konsequent in den Mittelpunkt stellt und dabei sowohl analytisch wie auch kreativ in der Problemlösung vorgeht. Design Thinking Methoden bieten sich an, um Kontaktpunkte, Prozesse, Produkte oder Dienst-leistungen im Sinne einer guten Customer Ex perience zu gestalten. Im deutschen Sprach-raum wird DT oft missverstanden: Es geht nicht darum, Design zu begreifen als «Dinge schöner zu machen», sondern darum, bei der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung wie ein Designer vorzugehen.
CARSTEN SCHLOTER ist überzeugt, dass man in einem Unternehmen immer wieder Freiraum schaffen muss, um mit neuen Haltungen zu experimen-tieren.
CHRISTINA TAYLOR treibt den Design Thinking Ansatz bei Swisscom weiter voran: «Es lohnt sich!»
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funden, einige Sachen mitgenommen und in ihrem Job gele-gentlich angewendet. Das hat bedingt genützt. Aus meiner Sicht haben wir ein nächstes Reifestadium erreicht, als wir anfi ngen, konkrete Projekte umzusetzen und an diesen Projek-ten zu lernen. Wir haben uns auf einige wenige Sachen kon-zentriert, sie angewendet, sodass es nicht bei Worthülsen blieb. Das hat die Art, wie wir in der Praxis zusammenarbeiten, verändert. Ein Design Prozess besteht aus 300, 400 kleinen Entscheiden, nicht nur aus einer grossen Geste am Anfang. Diese Geste ist die kreative Leitidee, aber dann in der Um-setzung ist es wichtig, immer wieder neu zu denken, eine andere und bessere Form der Umsetzung zu fi nden. Deshalb ist für mich die Implementierung in praktische Projekte aus-schlaggebend.
CS — Was ich nicht möchte, ist, dass der Eindruck entsteht: «Wenn es uns gelingt, dann ist es gut. Und wenn es nicht ge-lingt, dann ist es auch gut.» In den letzten zwölf Monaten bin ich zur Überzeugung gekommen, dass diese Grundhaltung eine zentrale Voraussetzung für eine Learning Organization ist. Gleichzeitig aber steht sie im fundamentalen Widerspruch zur Art und Weise, wie wir trainiert sind. Wir sollten bisher mit einer möglichst hohen Problemzahl in einer möglichst kurzen Zeiteinheit umgehen. Also geht man automatisch jedes Thema mit einer vorformulierten Hypothese an und versucht sie halbwegs objektiv zu validieren. Das ist unglaublich ein-engend, und aus meiner Sicht behindert es die Learning Or-ganization enorm.
AE — Wenn ich dich richtig verstehe, ist es meine ei-gene Wahrnehmung, an der ich arbeiten muss?
CS — Menschen sind absolut entwicklungsfähig. Sie sind konditioniert durch die Art und Weise, wie sie aufwachsen, wie sie erzogen werden, aber sie sind lernfähig. Während der Reifekurve im Laufe von 60 Jahren durchlaufen sie gewisse Erfahrungen. Insbesondere bei Fehlern haben sie Gelegen -heit, über sich selbst nachzudenken, über ihre Haltung. Es ist wichtig, mit Menschen über Haltung zu diskutieren. Men-schen verändern so die Art und Weise, wie sie an Probleme herangehen.
AE — Wir in der Schweiz und auch bei Swisscom haben eine Kultur, die auf Kompromisse zielt, auf Abstim-mung. Es dauert, bis man etwas zeigt, und man traut sich oft erst etwas zu zeigen, wenn man das Gefühl hat, es ist fertig. Wäre es nicht nur richtig, sondern sogar nötig, etwas zu zeigen, das unfertig ist, damit man daran lernen kann?
CS — Ich denke, die Haltung, die hinter Design Thinking steht, lässt sich fördern. Aber man darf die Dinge nicht übers Knie
brechen. Die Weiterentwicklung einer Kultur ist kein Projekt, sondern ein Weg. Wenn wir nach einem Jahr zurückgeblickt hätten und versucht hätten zu messen, was wir erreicht haben, und dann beurteilt hätten, ob wir weitermachen, hätten wir abgebrochen. Aber wir haben’s aus Leidenschaft gemacht. Selbst wenn man es am Anfang ganz bewusst viral laufen lässt, ist es wichtig, dass das Management mit voller Überzeugung dahintersteht und sagt, das ist jetzt nicht mal ein «Try» von irgendwas, sondern das ist etwas, das dem Unternehmen fundamental gut tut. Wir geben ihm keinen Namen, wir ex-perimentieren damit.
AE — Carsten, wie kann man denn solche Zellen, solche Subkulturen fördern? Ist es das Individuum, sind es einzelne Führungskräfte oder sind es Impulse von aussen? Wie kriegt man diese Bewegung in die Mitte der Organisation, sodass sie anfängt, sich zu verbreiten?
CS — In dem Augenblick, in dem man die organisatorische Bezeichnung «Experience Design» ins Unternehmen bringt, entsteht sofort der Eindruck, das sei etwas für ein paar wenige. Deswegen muss man auf die Terminologie achten. Design Thinking lässt sich applizieren auf jegliche Problemstellung bei jedem Thema im Unternehmen. Man muss schon am An-fang schauen, mit welchen Begriffen man das Thema posi-tioniert, damit die Menschen im Unternehmen nicht den Eindruck haben, «das ist für die paar crazy geeks, aber nichts für mich». Es geht auch um die Terminologie: Experience Design, Customer Centric Design, Design Thinking. Wenn man dieses Publikum hier bitten würde: «Schreibt auf, was ihr mit diesen Begriffen verbindet», das ginge breit auseinander. Im Unternehmen ist es genauso...
CT — Es ist nun mal eine junge Disziplin, es gibt noch keine klare Sprache und Vorgehensweise. Jedes Unternehmen muss für sich selbst defi nieren, was Design Thinking konkret bedeu-tet. Unter anderem deshalb haben wir ein Forum wie dieses gegründet. Ich kam in die Schweiz und habe gemerkt, dass im deutschsprachigen Raum kaum jemand von CX spricht. In den USA wird es seit zehn Jahren schon gelebt. Dort existiert aber auch die Philosophie, dass Informationen offen sind. Sie werden nicht eifersüchtig bewacht, sondern geteilt. Wer ein guter Unternehmer ist, macht etwas daraus. Um Design Thinking zu lernen, kannst du nicht einfach andere kopieren oder ein Modell aus einem Buch übernehmen. Du musst für dich und deine Firma selbst zusammenstellen, was aus welchem Buch für dich passt. Dieses Schärfen der Begriffe, das Defi nieren von Zielen und Methoden für die eigenen Bedürfnisse – gemeinsam mit einer Community – ist ein wichtiger Prozess.
AE — Das betrifft aber auch die Art, wie wir zusam-menarbeiten. Die Aufstellung, die wir bei der Swisscom
haben, ist ja durchaus sinnvoll, aber wir haben halt auch Einheiten, über deren Grenzen hinweg gearbeitet werden muss. Carsten, was kann man tun, um das zu fördern?
CS — In jedem grösseren Unternehmen gibt es Organisations-einheiten. Deshalb gibt es auch Silodenken. Es wird sogar teilweise gefördert. Die Leute in den Abteilungen Entwicklung und Sales sollen möglichst wenig miteinander in Berührung kommen. Aber es gibt drei Wege, dieses Silodenken zu über-winden. Der erste sind regelmässige Jobrotations. Jemand, der fünf Jahre in einer Position ist, sollte in eine andere Einheit wechseln. Das machen wir immer systematischer, und das führt dazu, dass die Menschen in ihrem Denken breiter werden. Zweitens: Ich bin langsam der Überzeugung, dass eine Orga-nisation alle fünf bis sechs Jahre einfach durchgeschüttelt werden muss, weil sich sonst Muster einschleichen. Man hin-terfragt gewisse Dinge nicht mehr. Es wird wie in einer Bezie-hung nach einer gewissen Zeit. Da muss immer wieder ein bisschen frischer Wind rein. Und drittens: Es hängt ganz entscheidend davon ab, wie das Führungsteam miteinander agiert. Ich glaube, da haben wir noch einiges an Potenzial bei der Swisscom, denn diese Silokultur fängt innerhalb der Geschäftsleitung an. Wie ver-halten sich Geschäftsleitungsmitglieder, wenn es einen offen-sichtlichen Zielkonflikt zwischen den Interessen ihres Be-reiches und den übergreifenden Interessen gibt? Beim Verhalten in solchen Situationen senden sie – mitunter voll-kommen unbewusst – Signale aus, die sich auf die ganze Organisation übertragen.
AE — Und da nützen auch schön defi nierte Prozesse und Absichtserklärungen…
CS — Nichts!
AE — Danke für diesen prägnanten Schluss. Christina, Carsten, gibt es noch etwas, das ihr uns mitgeben wollt?
CT — Es lohnt sich! Es ist ein Weg, den jeder selbst gehen muss. Man lernt beim Laufen. Und man kann es nicht alleine tun.
CS — Immer wenn es um die Kultur des Unternehmens geht, wenn es um Haltung geht, muss das Management besonders aufmerksam sein. Über die bewusste Entwicklung einer Kultur hat man den allergrössten Hebel, die Unternehmung nach vorne zu bringen und Fähigkeiten zu entwickeln, die Allein-stellungsmerkmale sind. Die Kultur ist das reale Asset eines Unternehmens.
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CREDIT SUISSE UND ZURICH
Einfach besser beraten
«Lebensversicherungen sind kein Graus. Und der Versicherer klappert nicht einfach nur mit dem Sargdeckel.»
FALLSTUDIE: CREDIT SUISSE & ZURICH
CHRISTOPH MÜLLER & THOMAS STEIGER
CS und Zurich Leben Schweiz verkaufen zwar ein kompliziertes Produkt, ihre Strategie ist jedoch ein-fach: Ohne technische Hilfsmittel beraten sie bildhaft, nicht trocken und bestimmt nicht unverständlich. Die Zahlen können sich sehen lassen, die Kunden sind zufrieden. Zur guten Zusammenarbeit der zwei unglei-chen Partner hat die Beratung durch die Stimmt AG beigetragen.
«Lebensversicherung» klingt nicht für jeden unterhaltsam – auch für Bankberater nicht. Doch die Credit Suisse und die Zürich Lebensversicherungsgesellschaft AG haben es ge-schafft, das Thema aufzulockern. Der Grund dafür: CS-Kunden sollen bei ihrer Bank über die Standardgeschäfte hinaus auch Versicherungen abschliessen. Eigentlich ist die Idee ja naheliegend. Kunden legten schon immer bei ihrer Bank Geld für den Lebensabend auf die hohe Kante. Doch für die Bankberater ergaben sich einige Hemm-schwellen, als sie Lebensversicherungen mitanbieten sollten. «Die Partnerunternehmen CS und Zurich haben unterschied-liche Kulturen», sagt Thomas Steiger, Leiter Privatkunden bei Zurich Leben Schweiz. Also mussten ein paar Missverständ-nisse geklärt werden. Danach ging es um Imageprobleme: Wer den Beruf des Versicherungsvertreters unterschätzt, wird kaum engagiert eine Police verkaufen. Auch sie liessen sich aus-räumen, so Steiger. «Lebensversicherungen sind KEIN Graus. Und der Versicherer klappert nicht einfach nur mit dem Sarg-deckel.» Ausserdem hatten manche Berater ihre Mühe mit dem Kundengespräch und wussten nicht recht, wie sie von den klassischen Anlagethemen zum Versicherungsthema über-leiten sollten.
«WIR PLANEN DAS UNERWARTETE»
Die Banker mussten also in die Lage versetzt werden, ihrer neuen Aufgabe gerecht zu werden. Und sie brauchten Motiva-tion: Der Bankberater müsse Ziel und Zweck einer Versiche-rungslösung einsehen, sagt Thomas Steiger. Die Botschaft laute: «Wir planen das Unerwartete.» Mit dieser Überzeugung könne man den Kunden gezielt zum Thema Lebensabend ansprechen. Mit entsprechenden Vorbildern gelänge es dann, für einmal nicht nur von den schönen Dingen des Lebens zu reden, sondern auch die Schattenseiten zu erwähnen. Um den schwierigen Themenübergang in der Kunden-beratung zu meistern, eignet sich ein Bild besser als jede
Zahlentabelle. Bei der Suche danach stand die Stimmt AG der CS und der Zurich zur Seite. «Wir haben die Kundensicht ein-genommen und nach einem Erklärungsmodell gesucht, das der Kunde auf Anhieb versteht», sagt Glenn Oberholzer von Stimmt. Das sei klassisches Design Thinking. «Das Wichtigste ist das Überwinden von festgefahrenen Denkmustern.» So entstand das Bild des Baumes, der die ganzheitliche Beziehung zum Kunden symbolisiert. Zum Bild gibt es eine Storyline: Zusam-men mit dem Bankberater wurde der Baum zur Blüte gebracht und trug Früchte. Aber was ist, wenn ein Sturm kommt, ein Gewitter losbricht oder der Gärtner das Wässern vergisst? Gar der Wurm am Ertrag nagt? So klappt im Kundengespräch die Überleitung zum Thema Lebensversicherung.
FAST WIE IM MÄRCHEN
Behilfl ich sind dem Berater die Abbildungen in einer professi-onell entwickelten Sales Story Mappe. Anhand eines verschieb-baren Kärtchens lässt sich anschaulich zeigen, wie sich die Alterseinkünfte zusammensetzen: Nur 20 Prozent deckt die AHV, weitere 40 Prozent bringt die zweite Säule ein. Und der Rest? Spätestens jetzt sehe der Kunde die Notwendigkeit einer Lösung, so die Überzeugung von Christoph Müller, bei der Credit Suisse Head Products & Sales Pension Planing – Private Clients Switzerland. Das Thema Lebensversicherung sei damit gesetzt. Der Kunde nimmt eine Dokumentation der Beratung mit nach Hause. Die Storyline endet fast wie im Märchen: Damit du in jedem Fall glücklich bis ans Ende deiner Tage leben kannst, musst du etwas tun. Dann bist du sicher.
GELERNT IN LUNCHLEARNING-TEAMS
Die Bankberater hatten ein technisches Drehbuch und haben in Teams bei Lunchlearnings trainiert. Dabei sei auch bewusst am Abbau des Vorurteils gearbeitet worden, dass Banker etwas Besseres seien als Versicherungsverkäufer, so Christoph Müller. «Inzwischen haben wir zwei Erfolgsgeschichten», sagt er. Es gebe ein schönes Erlebnis beim Kunden und einen Erfolg für die Credit Suisse. «In den ersten neun Monaten dieses Jahres hat die Hälfte der Berater ein Gespräch zum Thema Vorsorge durchgeführt.»
ERKENNTNISSE
Komplexe Produkte können durch einfache Geschichten und Metaphern leichter angesprochen und verkauft werden – auch ohne teure Technologie.
Die Methoden des Design Thinking helfen, für die Kunden einfache Lösungen zu finden, auf die man sonst kaum gekommen wäre.
Die Konzeption ist nur der erste Schritt: Die Umset-zung braucht viel Energie und Betreuung – lohnt sich aber.
ÜBER LEBENSVERSICHERUNGEN redet niemand gerne – nötig wäre es aber schon.
EIN BILD HILFT, um zunächst die Bankberater und dann die Kunden zu motivieren.
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AXAWINTERTHUR
Die Stimme des Kunden
«Zufriedene Kunden sind die besseren Kunden: Sie haben mehr Policen, höhere Profi tabilität, höheres Cross-Selling Potenzial und 60 Prozent geringere Stornoquoten.»
FALLSTUDIE: AXA WINTERTHUR
MICHAEL PFÄFFLI
AXA Winterthur hört auf ihre Kunden und agiert kun-denfokussiert: Voice of Customer und Voice of Sales sind Bestandteil der Produktentwicklung. Customer Centricity macht das Unternehmen nachweislich sympathischer und erfolgreicher. Doch wie misst man Kundenzufriedenheit? Wie kann das Unterneh-men mit den Resultaten arbeiten und vor allem: Was merkt der Kunde davon? Michael Pfäffl i, Head Market Research & Customer Satisfaction bei AXA, gestattet einen Blick hinter die Kulissen des Teams des Custo-mer Satisfaction Managements.
Muss ein Kunde auf die Leistungen einer Versicherung zurück-greifen, ist dies ein höchst emotionaler Moment of Truth. Wie einfach macht es mir meine Versicherung? In welcher Qualität und Geschwindigkeit wird mein Anliegen bearbeitet? Wie ist die Beziehung? Ist mir alles klar? Über fünf kundenrelevante Dimensionen misst die AXA jeweils ihre Prozesse und ergreift Massnahmen zur Optimierung. «Am Beispiel der Erwerbsun-fähigkeit konnten wir genau messen und darstellen, dass die kundenentscheidenden Massnahmen kaum etwas kosten, sich aber innerhalb von nur zwei Messperioden deutlich auf die Zufriedenheit auswirken», blickt Michael Pfäffl i zurück. Des-halb implementierte das Team einen sieben Schritte umfas-senden Quality-of-Service-Actionability-Prozess, der ein sys-tematisches Kundenzufriedenheitsmanagement sicherstellt.
KUNDENZUFRIEDENHEIT MESSEN UND HERAUSFOR-
DERUNGEN MEISTERN IN SIEBEN SCHRITTEN
Step 1: Kundenkontaktpunkte identifi zieren und priorisieren. Es gibt Prozesse mit Differenzierungspotenzial, die für den Kunden hoch emotional sind. Andere Prozesse können stan-dardisiert abgewickelt werden. Nachdem die AXA die wich-tigsten Kontaktpunkte in Bezug auf den Moment of Truth identifi ziert hatte, konnte sie auch bestimmen, welche der Kontaktpunkte gemessen und gemanagt werden sollen. Step 2: Aktive Messung der wichtigsten Moments of Truth. Gesamt evaluierte AXA 23 Prozesse und defi nierte eine prozessverantwortliche Person, die transversal die Aktivitäten managt. Neben Hygiene- und Performance-Prozessen waren es insbesondere die Differenzierungsprozesse, mit welchen sich das Team intensiv beschäftigte, denn «hier können wir unsere Kunden begeistern». Der Befragungszeitpunkt muss möglichst nah am Ereignis sein – was natürlich stark von der Leistung der IT-Kundendatenbank abhängt. Sobald ein effi -
zientes Befragungs-Setup steht und die Prozesse und Touch-points klar klassifi ziert sind, geht es weiter mit ... Step 3: Analyse und Interpretation der Kundenfeedbacks. Aus den Kundenbefragungen, Benchmark-Analysen, Beschwer-den und Inputs aus den einzelnen Fachbereichen erstellte das CSM-Team pro Prozess einmal jährlich einen konsolidierten Gesamtreport. Eine herausfordernde Aufgabe, schliesslich mussten die Quellen abgeglichen und die Essenzen daraus abgeleitet werden. Die Erkenntnisse helfen bei ... Step 4: Massnahmenplanung. Gegenseitiges Update zu den Verbesserungsmassnahmen aus Kundensicht und Aus-tausch zu Projekten mit Einfl uss auf die Kundenzufriedenheit stehen bei diesem Schritt im Zentrum. Hier werden in Work-shops auch kreative Verbesserungsmassnahmen erarbeitet und die einzelnen Ideen aus Kosten-Nutzen-Perspektive be-urteilt. Das Ergebnis: der Aktionsplan mit Kosten-, Nutzen- und Budgetübersicht. In Step 5 und 6 entscheidet jeweils ein transversales Board über Investitionen und stellt das Tracking der Massnah-menumsetzung sicher. «Das Board will natürlich sehr genau wissen, wie viel die einzelnen Massnahmen kosten und was sie dem Unternehmen tatsächlich bringen», so Michael Pfäffl i. Und das bedeutet, es kann weitergehen zu ... Step 7: Ziele festlegen mit den Prozessverantwortlichen: Hier unterscheidet das CSM-Team die AXA Group KPI und die AXA Schweiz KPI. Die Group KPI sind vorgegeben, wohingegen die schweizspezifi schen KPI gemeinsam mit den Prozessver-antwortlichen bestimmt werden und die Ziele abhängig vom Prozess variieren.
ERFOLGE: KUNDENZUFRIEDENHEIT
ZAHLT SICH BUCHSTÄBLICH AUS
Michael Pfäffl i und seinem Team ist es gelungen, den Beweis anzutreten: Customer Satisfaction Management macht sich bezahlt! «Wir konnten den quantifi zierbaren Nutzen von CSM belegen und an einer höheren Anzahl Policen, höherer Profi ta-bilität, mehr Zusatzkäufen und 60 Prozent weniger Stornos festmachen. Das hat uns darin bestätigt, unser CSM weiter-zuentwickeln», kündigt Michael Pfäffl i an. Geplant hat das Team u. a. die gezielte Nutzung der Kundenzufriedenheitsinfos für das operative Marketing. Und es will sich vom Dissatisfac-tion Management hin zum proaktiven Satisfaction Manage-ment bewegen – eine neue Haltung, die weiterhin zwei offene Ohren für das Feedback der Kunden fordert.
ERKENNTNISSE
Performance-Prozesse sind wichtig, aber nur mit Diffe-renzierungsprozessen kann man Kunden begeistern.
Customer Centricity als Haupttreiber und Unter-nehmenskultur zahlt sich aus!
Kosten-Nutzen-basierte Massnahmenplanung sowie das Ausweisen des Ein-flusses auf den Unterneh-menserfolg sind dafür die beste Argumentations-grundlage.
CUSTOMER SATISFACTION MANAGEMENT macht sich buchstäblich bezahlt.
KUNDENZUFRIEDENHEIT lässt sich messen. AXA zeigt wie: in sieben Schritten!
MICHAEL PFÄFFLI vom Dis satisfaction Manage- ment zum proaktiven Satisfaction Management.
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BASLER VERSICHE - R UNGEN
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Der CEO ruft den «Change» aus und die Mitarbeiter folgen! So funktioniert Customer Experience Management bestimmt nicht. Die Angestellten der Basler Versiche-rungen durften erleben, wie sich das Markenversprechen ihres Arbeitgebers im Alltag anfühlt.
«Wir machen Sie sicherer», verspricht die Basler ihren Kunden. Die Versicherung positioniert sich mit Prä-ventionsprogrammen als Unternehmen, das aktiv wird, bevor der Schadensfall eintritt. Für die Kunden gibt es zum Beispiel Rauchmelder, nicht nur die Police, die einen Brandschaden abdecken würde. Was aber be-deutet das Markenversprechen für den Alltag der Mitarbeitenden?
Vor nicht einmal zwei Jahren wurde mit Touchpoint Manage-ment begonnen, die Kundensicht ins Unternehmen zu bringen. Geleitet wird die Abteilung von Katharina Büeler, die selbst 25 Jahre im Vertrieb gearbeitet hat und so manches Mal mit Kunden bei schlechten Erlebnissen mitgelitten hat. Sie hat im Sommer 2010 gemeinsam mit der Geschäftsleitung und 30 Mitarbeitern aus allen Stufen und allen Bereichen ein State-ment zum Kundenerlebnis bei der Basler erarbeitet. «Hierar-chien und Silodenken wollten wir bewusst aufbrechen», erzählt sie. In sechs Gruppen haben die Versicherer Antworten auf die Frage gesucht «Was sollen die Kunden über uns sagen?».
EIN LOGO WIRD ENTWICKELT
Sechs Bilder und Ideen entstanden und wurden zu einem Satz und schliesslich sogar zu einem einzigen Wort verdichtet. Die Mitarbeitenden hatten im Intranet über die Merkhilfe abge-stimmt. SAFE steht für simpel, aufmerksam, freundlich und enthusiastisch. Die Bilder, die in den ersten Arbeitsgruppen entstanden waren, wurden durch einen Künstler weiterbe-arbeitet. Sie stecken voller Symbole. Auf dem Plakat, das in-zwischen für SAFE wirbt, sieht man nicht nur die schwarz-gelbe Warnfarbe, die an das Präventionsprogramm erinnert, sondern auch einen Spiegel, in dem sich die Mitarbeitenden kontrollieren können. «Ist er auch wirklich SAFE, soll er sich fragen», so Katharina Büeler. Ausserdem erinnern Bildele mente auch an die geschäftliche Seite des Programms. «Wir wollen natürlich nicht nur zufriedenere Kunden, sondern auch Mehr-verkauf», sagt Büeler.
«BIST DU SAFE?» WURDE ZUM GEFLÜGELTEN WORT
Nun mussten die Werbemittel «nur» an die Belegschaft ge-langen und der Slogan mit Leben erfüllt werden. 35 Multipli-
katoren wurden als Client Experience Agents (CEA) ausge-bildet. Am Tag X begrüssten sie die Mitarbeitenden mit frisch gebackenen Brötchen. Einige agierten als Liftboys und er-klärten das SAFE-Plakat, das überall aufgehängt war. «Die Lächelquote lag bei 90 Prozent», erinnert sich Katharina Büeler. Mitarbeitende, die zum Teil schon 25 Jahre bei der Basler sind, bedankten sich. Noch nie habe sich jemand so um die Moti-vation der Angestellten gekümmert. Doch auch gute Vorsätze geraten in Vergessenheit, wenn man nicht daran erinnert wird. Deshalb lancierte das Touchpoint Management im Hoch-sommer eine Erinnerungskampagne. Die CEAs verteilten Eiscreme mit der Frage «War ich heute schon freundlich?». Spätestens nach dem Genuss waren es alle!
DIE REISE IST NOCH NICHT ZU ENDE
Neue Mitarbeitende bekommen nicht nur den Flyer zum State-ment an die Hand. Ihnen wird bereits am Willkommenstag die Bedeutung des Kundenerlebnisses nähergebracht. Dabei geht es auch um Dinge wie die Begrüssung am Telefon. Unkom-pliziert, aufmerksam, freundlich und enthusiastisch soll ein Gespräch sein – eben SAFE. Die Anzahl der CEAs wächst stetig. Derzeit gibt es 37 Agenten aus allen Geschäftsleitungsbereichen inklusive den Human Resources. Mit immer neuen Aktionen machen Katharina Büeler und ihr Team auf das Statement aufmerksam. Mit Un-terstützung des Touchpoints Managements und der CEAs dürfen sich zum Beispiel einzelne Mitarbeitende die Kunden-brille aufsetzen – sich also direkt in einen Kunden hineinver-setzen – und im Intranet dann von ihren Erlebnissen erzählen.
MESSBARER ERFOLG
«Es gibt erste Erfolge», sagt Büeler. Die SAFE-Dimensionen werden systematisch bei den Kunden abgefragt. So wird bei neuen Massnahmen, die Kunden betreffen, überprüft, ob sich eine Verbesserung einstellt. Zudem kommt es immer häufi ger vor, dass sich Mitarbeitende einfach melden und eine Idee zur Verbesserung des Kundenerlebnisses vorbringen. «Die Men-schen sind aufmerksamer geworden.»
FALLSTUDIE: BASLER VERSICHERUNGEN
KATHARINA BÜELER
KATHARINA BÜELER hat «Bist du SAFE?» zum gefl ügelten Wort in der Basler gemacht.
VON DER IDEE zum künstlerischen Entwurf des Werbemotivs.
SAFE ist im Alltag der Mitarbeiter allgegenwärtig.
Motivierte Mitarbeiter für gute Kundenerlebnisse
ERKENNTNISSE
Wer Mitarbeitende als Kunden betrachtet, kann sie besser überzeugen.
Die CX-Champions müssen kontinuierlich am Thema bleiben.
Kundenorientierung kann man nicht anordnen, aber man kann motivieren und Freiwillige unterstützen.
Beim Frühstück werden erste Kontakte geknüpft.
Pause – eine erneute Stärkung für den Nachmittag.
Der Kreativworkshop verlangt den Teilnehmern nochmals alles ab.
Aber auch der Spass kommt nicht zu kurz.
Die Initianten und das CX-Forum Team verabschieden sich.
Beim Apéro wird gemeinsam auf
einen gelungenen Tag angestossen.
Begrüssung der Gäste.
Die ersten Gäste treffen im BrainGym ein.
Erste Teilnehmer schreiben sich für die Fallstudien ein.
Beim Referat zur Studie wird
aufmerksam gelauscht.
Die letzten Vorbereitungen laufen
auf Hochtouren.
CX-FORUM: EIN TAG IN BILDERN
pppppppppsssscccchhhhhüüüüüüüüüssssssssssseeeeee SSSSSScccchhhhhhhnnnnnnnnaaaaaaaappppppppppppppsssssccccchhhhhhhüüüüüsssssssseeeevvvvvvvoooooommmmmmm CCCCCCCXXXXXXX----FFFFFFooooorrrrruuuuummmmmmm
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Auch dieses Mal läuft das Forum unter
dem Motto «Share, Engage, Connect,
Experience».
Die Initianten begrüssen zum 5. CX-Forum.
Den Anfang machen Christina Taylor und Carsten Schloter mit der Podiumsdiskussion.
Die Pause wird genutzt, um sich auszutauschen.
Die Teilnehmer teilen sich auf drei spannende Fallstudien auf.
Die Studienresultate werden in einem druckfrischen Bericht verteilt.
Beim Mittagessen wird ordentlich zugelangt.
Bei den CX-Herausforderungen werden gemeinsam Lösungsansätze erarbeitet.
Parallel versammeln sich die Studien-teilnehmer um das Kaminfeuer.
Und es bleibt erneut Zeit
für spannende Gespräche.
MMS & BASLER VERSICHE-RUNGEN
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Kundenbeirat – ein strategisches Instrument zur Unternehmens-entwicklung
Wer kundenorientiert sein will, sollte seine Kunden fragen, was sie brauchen. Traditionell macht das mit grossem Aufwand die Marktforschung. Es geht aber auch anders – in einem partnerschaftlichen Dialog, und das sogar mit einer angenehmen Wir-kung auf die Reputation.
FALLSTUDIE: MUSIOL MUNZINGER SASSERATH & BASLER VERSICHERUNGEN
NINA REICKE & STEFAN SCHNEIDER
«Menschen machen gerne mit», sagt Nina Reicke. «Es macht Spass, aktiv zu sein. Es macht Freude, gefragt zu werden, und es gibt das gute Gefühl, sich gesell-schaftlich zu engagieren.» Sie hat im Rahmen einer Studie zum Kundenbeirat für die Markenberatung Musiol Munzinger Sasserath, die Postbank und das F.A.Z.-Institut sowohl Kunden als auch Unternehmen zum Thema befragt.
Die Kundenseite steht dem Beirat durchweg positiv gegenüber. 58 Prozent der Befragten befürworten die Einbindung von Kun-den ins Unternehmen. Allerdings mussten auch 75 Prozent zunächst darüber aufgeklärt werden, was ein Kundenbeirat überhaupt ist. Und bei Weitem nicht jeder Befürworter ist bereit, sich einzubringen. «Einige halten sich für zu wenig kompetent, andere haben dafür keine Zeit», sagt Nina Reicke. Aber nur zwei Prozent derjenigen, die eine Einladung zum Kundenbeirat aus-geschlagen haben, bemängeln, dass sie zu geringe Einfl uss-möglichkeiten hätten. Auf Unternehmensseite finden sich unterschiedlichste Motive, einen Kundenbeirat ins Leben zu rufen. Ehemalige Monopolisten nutzen das Veränderungspotenzial, das ein Kundenbeirat mit sich bringt. «Die Deutsche Bahn will zum Beispiel durch den Beirat kundenorientierter werden», so Reicke. Zeitungen oder Supermärkte bauten durch Leser- oder Kunden-beiräte Nähe zu den Endverbrauchern auf. Unternehmen, unter anderem aus dem B-to-B-Umfeld, nutzten die Kooperation mit Kunden, um Produkte zu entwickeln. «Kundenbeiräte haben diese internen, aber auch externe Aspekte», führt Reicke weiter aus. Die eingebundenen Kunden seien Markenbotschafter, der Beirat als Ganzes ein Signal für Kundenorientierung.
DIE PRAXIS BEI DER BASLER
«Bei der Einführung des Touchpoint Managements 2010 haben wir viele Kundengespräche geführt und gemerkt, wie wertvoll das sein kann», sagt Stefan Schneider von den Basler Ver-sicherungen. «In Kundenworkshops sind damals rund 700 Ideen generiert worden – eine davon war, einen Kundenbeirat
ins Leben zu rufen.» Inzwischen sind vierzig Privatkunden aus der Umgebung von Basel engagiert. Sie bekommen Incentives, sonst nichts. Kosten entstehen der Versicherung vor allem durch die Arbeitszeit des Kunden-Ansprechpartners. Rund dreissig Mal treffen sich die Mitglieder jedes Jahr für jeweils zwei Stunden. Dabei arbeiten sie Aufträge von einzelnen Ab-teilungen der Basler ab. «Es kommen sehr kreative Ideen», lobt Schneider. Das funktioniert mittlerweile so gut, dass dem-nächst auch Geschäftskunden ihren eigenen Beirat bilden sollen. Das dürfte auch eine Wirkung nach innen haben. «Der Aussendienst wird bei der Rekrutierung involviert», erzählt Schneider. Der Kunde sei dem Aussendienst quasi heilig. Neue Ideen, die von Kunden ausgehen, würden viel leichter akzep-tiert als eine Arbeitsanweisung vom Management. «Ich als Marktforscher stand dem Kundenbeirat eher skep-tisch gegenüber», so Stefan Schneider. «Aber die Erfolgsquote liegt jetzt deutlich über meinen Erwartungen.»
HERAUSFORDERUNGEN
Mit dem neuen Instrument umzugehen, muss man erst lernen. «Ein einfaches Nein reicht nicht, wenn ein Vorschlag des Kundenbeirats abgelehnt wird,» sagt Stefan Schneider. Das Gremium wolle ernst genommen werden und müsse wenigs-tens eine Begründung bekommen. Dann gebe es eine ge wisse Frustrationstoleranz. Die Begegnungen müssten auf jeden Fall auf Augenhöhe stattfinden, betont auch Nina Reicke. Das ernsthafte Engagement der Kunden hat noch ein weitere Kehrseite: Sie brauchen einen festen, erreichbaren Ansprech-partner. Bei einigen Firmen haben die Kunden sogar die Handynummer ihres Betreuers, sodass sie sich immer melden können, wenn ihnen etwas auf- oder einfällt. Bei der Vermark-tung der Instanz ist Fingerspitzengefühl notwendig. Auch wenn die Existenz des Gremiums zum Renommee des Unter-nehmens beiträgt, darf bei der Kommunikation nicht zu dick aufgetragen werden. «Viele Firmen veröffentlichen kaum etwas über ihren Kundenbeirat. In dem Augenblick, in dem der Bei-rat wie ein PR-Instrument wirkt, ist er unglaubwürdig», betont Reicke.
ERKENNTNISSE
Kundenbeiräte bringen die Kundensicht unmittelbar ins Unternehmen und können so zu einer Veränderung hin zu mehr Kundenorientierung beitragen.
Kundenbeiräte können die Marktforscher zwar nicht ersetzen, aber sinnvoll und sogar kostengünstig er-gänzen.
Wer im Kundenbeirat sitzt, ist auch ein Botschafter des Unternehmens.
STEFAN SCHNEIDER Marktforschung einmal anders: mit dem Kundenbeirat.
NINA REICKE Menschen machen gerne mit, es macht Freude, gefragt zu werden.
BEVOR DER KUNDENBEIRAT das erste Mal tagen kann, sind viele Fragen zu klären.
UNSER VERSTÄNDNIS VON ...EINEM KUNDENBEIRAT
Der Kundenbeirat ist ein Gremium ausgewähl-ter Kunden, das dem Unternehmen Feedback gibt und es aus Kundensicht berät. Ein Kunden-beirat kann die bestehende Marktforschung und das Beschwerdemanagement ergänzen und erweitern. Ein Kundenbeirat kann konkrete Pro-dukt- und Serviceverbesserungen anregen oder auch Wandlungsprozesse im Unternehmen be-gleiten und kann die Kundenorientierung eines Unternehmens massgeblich positiv beeinfl ussen.
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ERKENNTNISSE
Mit emotionalen Kampagnen kann man sowohl Mitarbei-ter als auch Kunden vom neuen Leitbild überzeugen.
Der Mittelpunkt der Strate-gie gehört dem Menschen. Aus seiner Perspektive kann das Soll-Erlebnis definiert werden.
Aus dem Soll-Erlebnis lässt sich die Erfolgskontrolle ab leiten. Die Datenbasis hilft, den Kundenfokus weiter auszubauen und zu ent-wickeln.
ERGOVersichern heisst verstehen
Klartext statt Kleingedrucktes, Menschen statt Zahlen, Lebensverläufe statt Vorgänge, Vertrauen statt Verträge, offene Worte statt offener Fragen: ERGO ist auf dem Weg zu Deutschlands bester Versicherung. Und meint es ernst damit.
FALLSTUDIE: ERGO VERSICHERUNGSGRUPPE
THOMAS BISCHOF
Befragt man die Menschen nach ihrer Meinung zum Thema Versicherung, so bekommt man nicht viel Löb-liches zu hören: Vom Kleingedruckten über Eigenin-teressen bis hin zu Komplexität und Intransparenz fi nden sich kundenseitig wenig positive Assoziationen. Bei den Top 10 der unbeliebtesten Berufe Deutschlands rangiert der Versicherungsvertreter noch vor Politi-kern und Bankern auf Platz 1. ERGO hatte die Vision, das zu ändern.
Das Unternehmen erarbeitete eine Strategie und ein Leitbild, in dessen Mittelpunkt die Kunden stehen. «Auf dem Weg zu Deutschlands bester Versicherung» machte sich ERGO Gedan-ken darüber, wie dieses Leitbild am besten umzusetzen ist. «Was müssen wir tun, um Emotionen bei uns und dann bei unseren Kunden zu erzeugen?», lautete eine der zentralen Fra-gen. Mit Vertriebs- und Umsatzzielen weckt man keine posi-tiven Gefühle, geschweige denn Motivation. Mit dem Ziel, die Mitarbeiter zu begeistern, ohne sie zu überfordern, wurde ein Change-Prozess eingeleitet. Die Umsetzung der Veränderung begann gleichzeitig auf allen Ebenen.
LEUCHTTURMPROJEKTE: KUNDEN VERSTEHEN
«Damit die Mitarbeiter und Kunden schnell merken, dass wir es wirklich ernst meinen, haben wir sofort mit erlebbaren Massnahmen losgelegt», verrät Thomas Bischof, Leiter Kon-zernentwicklung und Projektleiter Neue ERGO. Als eines der ersten Leuchtturmprojekte wurden Kundenbriefe – immerhin 20 Millionen Stück in diesem Jahr – in einer präzisen, leben-digen, ehrlichen und leicht verständlichen Sprache verfasst. «Was ärgert euch am meisten an eurer Versicherung?», wurden die Kunden gefragt. «Das Kleingedruckte in Juristensprache!», waren sich die Kunden einig. Bei der privaten Haftpfl ichtver-sicherung traten nun anstelle von 40 Seiten Kleingedrucktem einige Seiten «Klartextbedingungen». Gestrichen wurden mehr als 36 Seiten Paragraphen, u. a. Regelungen zu in der Praxis nie eingetretenen Fällen oder für die juristisch einwandfreie Klärung sehr seltener Fälle. Im Zweifelsfall will ERGO für den Kunden entscheiden.
KUNDENANWALT: IN DUBIO PRO CLIENTEM
Dafür sorgen auch der Kundenanwalt Ralf Königs und sein Team. «Der Kundenanwalt bringt konsequent die Kunden-perspektive in die ERGO. Mit dem ERGO-Kundenanwalt haben wir eine Instanz geschaffen, die den Kunden bei der Klärung strittiger Fragen im Unternehmen vertritt und unterstützt», erklärt Thomas Bischof. Wenn sich Kunden unfair behandelt fühlen, sind sie von der ERGO eingeladen, sich an den Kun-denanwalt zu wenden. Ein Team aus sechs Kolleginnen und Kollegen prüft den Fall und kümmert sich dann um eine neu-trale und objektive Lösung. Zudem koordiniert der Kunden-anwalt mit dem Kundenbeirat ein Gremium, das Impulsgeber und kritische Instanz gleichzeitig ist. Dieser Kundenbeirat ist Impulsgeber für Verbesserungen im Service, für veränderte Schreiben oder auch für neue Produkte.
INTUITIVE PRODUKTE: BRENNENDE HÄUSER KANN
MAN NICHT VERSICHERN … ODER VIELLEICHT DOCH
Positive Emotionen sollen bei ERGO aber auch mit dem Kern-geschäft Versicherungen geweckt werden. Dazu wurden inno-vative Produkte entwickelt, die intuitiver und einfacher ver-ständlich sind und teilweise mit Branchenregeln brechen. Mit «Zahnersatz sofort» bietet ERGO eine Zahnzusatzversicherung an, die man auch noch abschliessen kann, wenn die Behand-lung schon begonnen wurde. Andere Produkte sind bereits via App zu haben.
DAS SOLL-ERLEBNIS AUS KUNDENSICHT
Die Begeisterung der Mitarbeiter und Kunden ist nur halb so schön, wenn man sie nicht messen und via Erfolgskontrolle auswerten kann. So hat ERGO seine Versprechen auf mess bare Kennzahlen heruntergebrochen. «Diese Datenbasis hilft Zahlen, Daten und Fakten zu liefern, die wir für die kontinuierliche Verbesserung brauchen», schildert Thomas Bischof. Schliess-lich muss das Team belegen können, dass ERGO mit ihren menschenzentrierten Aktivitäten ihrem Ziel ein paar grosse Schritte nähergekommen ist – auf dem Weg zu Deutschlands bester Versicherung.
DAS NEUE ERGO-LEITBILD stellt den Kunden in den Mittel-punkt.
DAS NEUE LEITBILD muss intern auf allen Ebenen umge-setzt werden.
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WORKATION WEEK
Arbeiten wie im Urlaub
Simon Blake lädt seine Kunden nicht zum Ver-gnügen in die schönsten Schlösser und Weinberge Brandenburgs, sondern zum Arbeiten. Die Um-gebung befl ügelt, das Kundenerlebnis wird kreativ, produktiv und genussvoll in einem. Die Kombi-nation von Work und Vacation befruchtet.
FALLSTUDIE: WORKATION WEEK
SIMON BLAKE
«Workation Week – einmal arbeiten, wo andere Urlaub machen» – auf diese Idee muss man erst einmal kom-men. Simon Blake als kreativer Unternehmensberater und Design Thinking Trainer ist allerdings professio-neller Querdenker. Deshalb hat er aus der Idee schnell einen Living Prototype entwickelt.
Blake lebt in Berlin und arbeitet in Potsdam. Und er fährt gerne Rad. Dies tat er während der vergangenen vier Jahre ausgiebig in der wunderschönen Umgebung. Er entdeckte dabei Orte, die nicht nur zum Verweilen, sondern auch zum Arbeiten geeignet sind: zum Beispiel Schloss Babelsberg im gleich-namigen Park der brandenburgischen Hauptstadt oder die Villa Lepsius in deren Nauener Vorstadt. Fünf Orte insgesamt hat sich Blake für sein Projekt ausgesucht. Alle sind in 30 Minuten von Berlin erreichbar, in der gleichen Reichweite also wie ein konventioneller Arbeitsplatz. Gleich weit, aber viel schöner: In den Parks und Weinbergen, umgeben von Wasser und Wald, beginne für Berliner das Paradies, sagt Blake. Arbeiten in einer schönen Umgebung sei für seine Kunden nicht nur ein kreatives, sondern vor allem ein produktives Erlebnis, ist der Designer überzeugt. «Und dicke Bretter lassen sich leichter am Wasser bohren.»
WAS ES BRAUCHT
Was brauchte es noch, um aus dem Nichts arbeitswillige Kunden – Freiberufl er, Projektteams, Doktoranden oder Grün-der – hierher zu locken? Es braucht eine Website, um das Angebot publik zu machen (www.workationweek.de). Es braucht einen Arbeits-platz mit Strom, WiFi-Internet und Farbdruck, Softdrinks, Kaffee, Mittagstisch, Obst oder Kuchen. 49 Euro pro Tag soll ein Teilnehmer dafür bezahlen. Die Planung ist ganz einfach. Erst als sich die ersten Interessenten melden, beginnt es kom-plizierter zu werden. Einer erkundigt sich nach veganem Essen. Blake muss einen Wagen mieten, um alles Nötige heranzu-schaffen. Doch dann wird der Prototyp zum Leben erweckt. Es kommen ein Schriftsteller, eine Bloggerin, ein Architekt, TV-Produzenten, ein Rückversicherer, Software-Entwickler, eine Agentur für Nachhaltigkeit. Blake war positiv überrascht, wie wenig die grüne Umgebung vom Arbeiten abhielt. «Ganz im
Gegenteil: Grün hilft einfach.» Und der Gruppendruck führe zu Disziplin. Die Arbeitspausen wurden zum Networking genutzt, obwohl das nicht im Projektfokus lag. «Es war ein purer Working Event, auch wenn am Abend der Fuchs vorbeischaute», erzählt Blake anhand romantischer Bilder.
DAS PERSÖNLICHE NETZWERK HALF
So gut der Event ablief, so wenig funktionierte die Kommuni-kationsplanung. Blake wollte eigentlich mithilfe von Werbe-postkarten oder Facebook-Einträgen bekannt werden, doch niemand postete, niemand versandte die Karten. Die Vermark-tung von Workation lief schliesslich nicht wie gedacht über das Internet, sondern durch Mundpropaganda. Es war Blakes per-sönliches Netzwerk, das dem Projekt auf die Beine half. Dann wurde Workation auch von den Medien aufgegriffen, zum Beispiel vom Bordmagazin der Finnair. «Dass alles zunächst anders lief als geplant, war ein wenig frustrierend, weil ich schliesslich Kommunikationsspezialist bin», sagt Blake. Aber gefreut hat ihn die Publikation dann doch. Und Simon Blake hat eine wichtige Erfahrung gemacht: Man kann ein Projekt als Living Prototype mit minimalen Mitteln auf die Beine stellen. Dabei hat er viel gelernt: Wie man aus dem Nichts eine Website erstellt, dass Carsharing bei der Logistik hilft, die Deutsche Post Internetbriefmarken anbietet oder wie Facebook (www.facebook.com/workationweek) nicht funktioniert. «Genau das war der Sinn der Sache: Ausprobieren, um schnell zu lernen. Und für mich hatte die Sache noch einen zusätzlichen Wert: Entspannung vom Geldverdienen. Ich habe einfach das kleine Luxusprojekt gemacht, viele Anfragen bekommen und kann jetzt überlegen, wie es weitergehen soll.» DER HAKEN UND DESSEN LÖSUNG
Simon Blake ist sich im Klaren: «Man kann kein Geld verdienen mit so einem Projekt.» Trotzdem will er weitermachen und 2012 zusätzlich zum Sommerevent eine Winter Workation Week anbieten. Aber er weiss auch: «Eine profi table Wertschöpfung kann man nur durch zusätzliche Facilitation wie Gruppen-coachings oder Seminare erreichen.» Aber das ist schon die Idee für seinen nächsten Living Prototype.
ERKENNTNISSE
Arbeiten in einer schönen Umgebung beflügelt Kreati-vität und Output.
Arbeitsdisziplin lässt sich durch die Gruppenatmos-phäre herstellen.
Das Kundenerlebnis in einem Satz: Dicke Bretter lassen sich leichter am Wasser bohren.
KREATIVRAUM WEINBERG: Inspirierende Arbeitsumge-bungen ermöglichen neue Per-spektiven.
NUR DREISSIG MINUTEN VOM BERLINER HAUPT-BAHNHOF: Entschleunigung pur im Grünen.
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REFERAT ZUR STUDIE
Effi zient sein alleine reicht nicht mehr – denn die Mit-bewerber sind es auch. Klassisches 4-P-Marketing reicht ebenfalls nicht mehr. Die Kunden sind anspruchsvoller geworden und wollen mit Unternehmen in einen echten Dialog treten. Deshalb wächst das Interesse an Custo-mer Experience Management und Design Thinking. Mit guten Kundenerlebnissen kann man sich differenzieren. Doch wie eignen sich Unternehmen Design Thinking an? Das war die Frage, die Prof. Claudia Acklin im Auf-trag des CX-Forums klären sollte.
Neun Firmen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich haben an der Studie teilgenommen. In keinem der Unterneh-men haben Mitarbeiter eine grundlegende Ausbildung in Design Thinking, trotzdem gibt es in ihren Organisationen mittlerweile eine verstärkte Ausrichtung auf Kundenbedürf-nisse – in unterschiedlichem Ausmass. «Nach Impulsen von aussen, von CEOs oder von engagierten Einzelpersonen wur-den Pilotprojekte teilweise auch aus dem Bauch heraus um-gesetzt», sagt Claudia Acklin. «Top Management-Support war entweder bereits vorhanden oder wurde durch die frühzeitige Sensibilisierung der Vorgesetzten aufgebaut.» Gelegentlich nutzen die Unternehmen Elemente sowohl aus dem Design Thinking als auch aus dem Customer Expe-rience Management. Die beiden Konzepte haben unterschied-liche Wurzeln, überlappen sich aber. Einige Firmen gestalten Produkt- und Service-Entwicklungsprozesse eher mit Design Thinking-Methoden. Andere nutzen bei der Strategiebildung CX-Management. Mitunter werden die Prinzipien der Philoso-phien auch genutzt, ohne dass die Begriffe fallen. Um die Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu erhöhen, vermeiden manche CX-Experten Fachtermini wie Design oder Change und ent-wickeln stattdessen eigene Umschreibungen.
ALLER ANFANG IST LEICHT
Das notwendige Know-how für die ersten Schritte kam oft von spezialisierten Unternehmensberatungen. Sie unterstützten die Firmen bei der Bildung von «Keimzellen» und Pilotprojekten und brachten den Stein ins Rollen. Doch nun stehen die Unter-nehmen alle vor ähnlichen Herausforderungen. Nachdem die Initiativen für Design Thinking mit professioneller Hilfe in das Marketing oder in das Innovation Management eingebettet wurden, müssen sie sich verbreiten. Idealerweise stösst ein einzelnes Projekt einen Kulturwandel an, denn was nützt ein
brillantes Kundenerlebnis in der einen Abteilung, wenn die nächste Abteilung den Kunden nach wie vor als ein notwen-diges Übel erachtet? Das Aufgleisen von Pilotprojekten ist relativ harmlos verglichen mit der Aufgabe, Design Thinking als ganzheitliches Konzept im gesamten Unternehmen zu implementieren. Wichtig ist der Pilot trotzdem. Ohne seine Erfolgsgeschichte gibt es langfristig keine strategische Legi-timation. Die Studie zeigt das System: Auf die Akquisition von Wissen durch ein Kernteam folgt seine Assimilation, also zum Beispiel die Umsetzung in einem Pilotprojekt. Nun muss die Sozialisation folgen, die Verbreitung des Wissens im Unterneh-men. Es wird dort in praktisches Handeln im Alltag transfor-miert, damit alle schliesslich die Exploitation erleben können, die Erfolge, die durch besseres Wissen ermöglicht wurden (siehe Abbildung).
AUF DEM WEG ZUM KULTURWANDEL
Dennoch bleibt an den Mitarbeitern mit Kundenkontakt die Hauptverantwortung für gute oder schlechte Customer Ex-perience hängen. «Bei der Einführung von Vivo Casa haben wir gezielt die Mitarbeiter als unsere ersten Kunden betrachtet», berichtet Jürg Pauli, der Leiter Customer Experience Design KMU der Swisscom. «Das hatte grossen Erfolg.» Es braucht also nicht nur eine Customer, sondern auch eine Mitarbeiter-Journey, um voranzukommen. Wer nur einen Preisplan ent-wickelt, webbasierte Schulungen anordnet und Ziele setzt, kann nicht erwarten, seine Mitstreiter für ein Neuprodukt zu begeistern. «Ich habe schon viele Produkte eingeführt», erklärt Jürg Pauli. «Aber noch nie ist eine Einführung so glatt gelaufen, noch nie gab es so wenig Beschwerden und negative Rückmel-dungen von Kunden.» So rechnet sich gutes CX-Design schnell.
AUF DEM WEG ZUM KULTURWANDEL
Die neun Studienteilnehmer haben inzwischen Pilotprojekte abgeschlossen und können auf erste Erfolge verweisen. Trotz-dem mahnt Prof. Acklin zur Geduld: «Die drei Jahre, die die Swisscom schon am Thema arbeitet, sind nicht viel.» Die Motoren hinter dieser Entwicklung müssten unermüdlich, fantasievoll, klug und hartnäckig sein, um das weit verbreitete Silodenken zu überwinden. Bis zur Metamorphose von kun-denorientierten zu kundenzentrierten Organisationen mit gelebter Empathie für Kundenbedürfnisse wird es bei allen Studienteilnehmern noch ein bisschen dauern.
REFERAT ZUR STUDIE: MASSIVE CHANGE
CLAUDIA ACKLIN, HOCHSCHULE LUZERN – DESIGN & KUNST
TIZIANA MELETTA, SWISSCOM
DIE ABFOLGE DER SCHRITTE BEIM WISSENSAUFBAU in den Unternehmen kann auch chaotischer verlaufen.
CLAUDIA ACKLIN stellt die Resultate der Studie vor.
Massive Change
DOWNLOAD:Lade den vollständigen Studien-bericht «Massive Change» auf unserer Webseite herunter: www.cx-forum.ch
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HERAUS-FORDERUNGEN
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HERAUSFORDERUNGEN
Die Studie auf Seite 16 wirft – wie jede wissenschaftliche Arbeit – neue Fragen auf. Vertreter der neun Unternehmen, die daran teilgenommen hatten, konzentrierten sich bei einem nachmittäglichen Kamingespräch auf ihre Motivation, Design Thinking in die Unternehmen zu bringen. Üblicherweise trei-ben einzelne Champions den Kulturwandel voran. Diese Vor-reiter müssen mit Druck umgehen können und an ihrem Ziel festhalten. Doch wo holen diese Pioniere die nötige Kraft her? Es hilft, ein Management hinter sich zu wissen, das Frei-räume für CX schafft. Ausserdem kann man oft auf bestehen-dem, kundenorientiertem Denken, zum Beispiel dem des Kundendiensts, aufbauen. Ohne Freiwilligkeit und Eigenver-antwortung können Design Thinking und CX nicht funktio-
nieren. Also gilt es, Ideen anzuregen und dann die Verantwor-tung abzugeben, denn CX bedeutet in unterschiedlichen Abteilungen Unterschiedliches. In der ersten Phase der Über-zeugungsarbeit wirken eigene gute oder schlechte Kundener-fahrungen von Management und Mitarbeitern am besten. Schön wären auch belastbare Zahlen als Argumentationshilfe, doch das Messen fi nanzieller Folgen ist eine Herausforderung für sich. Auch die Plenums-Teilnehmer stellten sich am Nachmittag vier Herausforderungen, die aus der Studie resultierten. Sie zeigen auf, mit welchen Fragen sich die CX-Community in ihren Unternehmen konfrontiert sehen.
Eine Studie, vier Heraus-forderungen und vier Gruppen, die sich ihnen stellen
Eine Gruppe diskutierte über die Vermittlung des CX-Mehrwerts. Die Bereitschaft von Führungsebene und Mit-arbeitern sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, lässt sich ihrer Meinung nach fördern, indem man aktuelle Pro-bleme anspricht: seien es Umsatzverlust, Mitarbeiter- Abgänge oder schrumpfende Marktanteile. Gleichzeitig motivieren gute Beispiele aus der eigenen oder aus einer fremden Organisation. Sie zeigen Wettbewerbsvorteile durch CX. Schickt man dann noch einen Manager als Kun-den in das eigene Unternehmen, sollte die Notwendigkeit von CX deutlich werden. Dann braucht man «nur» noch alle Mitarbeiter anzustecken ...
Die Verbreitung des CX-Gedankens in grossen Unterneh-men scheitert nicht selten am Silodenken. Dabei wäre es ja gerade für CX essenziell, bereichsübergreifend zu arbeiten, um eine breite Wirkung zu erzielen. Deshalb arbeitete eine zweite Gruppe an der Frage, wie man dem Konkurrenz-denken zwischen verschiedenen Abteilungen begegnen und interdisziplinärer arbeiten kann. Die Experten für die-se Herausforderung gehen davon aus, dass die Geschäfts-leitung ein übergreifendes Ziel defi nieren muss. Wenn das übergeordnete Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann, sind die Silos zur Zusammenarbeit gezwungen. Es muss eine Strategie und eine Roadmap geben. Jeder soll verste-hen, welchen Beitrag seine Einheit, aber auch er selbst zum Erreichen des gemeinsamen Ziels leisten muss. denn Ein-sicht und Verständnis fördern die Akzeptanz.
Design Thinking oder Customer Experience sind Haltun-gen, die in den Unternehmen kreative Freiräume, Toleranz gegenüber Fehlern und physische wie psychische Ressour-cen erfordern. Doch wie schafft man die entsprechenden Rahmenbedingungen? Ohne die Vorbildfunktion der Füh-rungsebene haben sie es schwer, davon waren die Teilneh-mer dieser Diskussionsrunde überzeugt. Idealerweise werden Kreativtechniken in den Arbeitsalltag einbezogen. Einsetzen liessen sich Warm-ups, Visualisierungen in Meetings, Arbeitseinheiten im Stehen oder unrealistische Zeitangaben, die den Fokus auf das Wesentliche lenken, indem sie dazu zwingen, unfertig zu bleiben. Daneben könnte es auch neue Raumkonzepte geben, wie das Shared-Desk-Prinzip mit persönlichem Gestaltungsspielraum, zum Beispiel mit einer individuell gestalteten Trennwand. Hauptsache, die Mitarbeiter merken, dass sich Probleme auf kreative Weise leichter, mit mehr Spass und mit bes-seren Ergebnissen lösen lassen!
Bei dieser Arbeit treffen zwangsläufi g die Spezialisten des Unternehmens (Ingenieure, Informatiker, Hedge Fund Ex-perten oder Versicherungsfachleute) auf Generalisten, die die Alltagswelt der Kunden zu verstehen versuchen. Die Tiefe des Expertenwissens und die Breite des Wissens der Generalisten sind beide notwendig. Leider verstehen sich die beiden Gruppen nicht immer automatisch. «Aufklärung tut not», sagen die Teilnehmer dieser Herausforderungs-runde. Im Alltag sei jeder sowohl Spezialist als auch Gene-ralist. Die Rolle hängt stärker vom Zusammenhang und den Aufgaben ab als von der eigenen Sichtweise. Ideal wäre eine gemeinsame Phase des freiwilligen Teambuildings, in der Rollen in Eigenverantwortung festgelegt werden. Dabei gibt es keinen Zwang zur Harmonie. Eine engagierte Diskus sion unterschiedlicher Standpunkte ist nützlich. Wichtig sind nur der gegenseitige Respekt und die Ziel-orientierung.
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KREATIV-WORKSHOPDie Boom-wow-Wow-
WOW-BOOM-ah-Kurve
KREATIVWORKSHOP: DIE BOOM-WOW-WOW-WOW-BOOM-AH-KURVE
MARKUS EDGAR HORMESS & ADAM LAWRENCE, WORK·PLAY·EXPERIENCE
Die ganze Welt ist eine Bühne. Das stellt man fest, wenn man an einem Workshop von Markus Edgar Hormeß und Adam Lawrence teilnimmt. Die beiden Service Designer haben sich zusammengetan, um Er-kenntnisse aus dem Theater in die Wirtschaftswelt zu übertragen.
Es geht laut zu bei einem Workshop von Work∙Play∙Experience. Niemand kann auf seinem Stuhl hocken bleiben und sich be-rieseln lassen, wenn Profi schauspieler Adam in der Raum mitte steht und CX-Spezialisten zu Schauspielschülern macht. Alle lassen sich bereitwillig auf die Regeln der Probe ein:
3. Nehmen, was da ist – wir verlieren uns nicht in technischer Ausstattung.
2. Ernsthaft spielen – wir lassen zwar Fehler zu, bleiben aber fokussiert.
1. Tun, nicht reden – fürs Herumreden haben wir weder Zeit noch Geld.
Nach Gehirnhälften aktivierenden Aufwärmübungen (die gleichzeitig Hemmschwellen von würdigen Wirtschaftswis-senschaftlern niederreissen) erzählen wir eine «One Word Story»: Alle stehen im Kreis. Einer beginnt eine Geschichte mit einem einzigen Wort, der nächste fügt das zweite an. Beim ersten Versuch ist unser Märchen noch nicht ganz logisch und selbstverständlich nicht überall grammatikalisch korrekt, aber beim zweiten Versuch und der Aufgabenstel lung, vom schlimmsten Kundenerlebnis zu erzählen, erfahren wir doch von einem Busfahrer, der überhaupt nicht verständnisvoll re-agiert hat, bloss weil der Fahrgast seinen Personalausweis nicht dabei hatte. Das ist nicht nur amüsant, sondern auch lehrreich. «Die Kunden einer Hotline hätten gemeinsam eine andere Geschichte erzählt», sagt Adam. «Diese Technik führt zu sehr ehrlichen Aussagen, denn niemand ist allein verant-wortlich für die Kritik.»
VON «ROLLENSPIELEN» UND SUBTEXTKETTEN
Schritt für Schritt werden die Teilnehmenden aktiviert. «Eine Rolle zu spielen, das sind wir aus dem Alltag gewohnt», so Adam. «Aber jeder hat anfangs Angst vor dem öffentlichen Auftritt.» Doch schliesslich ist die Gruppe so weit. Es gibt eine investigative Probe und ganz explizit kein Rollenspiel. «‹Rollenspiel› ist ein Unwort», sagt der Work∙Play-Experte. «So-
bald man es erwähnt, macht sich Unlust breit, weil es so viele schlechte Erfahrungen gibt.» Wir dagegen nutzen das Theater als produktiven Spielplatz, auf dem man risikolos Verhaltensweisen ausprobieren darf. Und so entdecken wir hinter dem Dialog zwischen Kunde und Verkäufer eine ganze Reihe von Motiven und Ursachen – auch Subtexte oder Sub-textketten genannt. «In diesen Subtexten – einer Art ‹Kopf -kino› – sind oft die Lösungen für Probleme versteckt», sagt Adam. Aus einem Kunden, der sich über ein nicht funktio-nierendes Gerät beschwert, wird so ein Mensch, der sich für zu blöd hält, die Gebrauchsanweisung zu verstehen. Eine Kundengeschichte, die als Theaterprobe erzählt wird, offenbart diverse Points of Pain, die zu Points of Gain umgewandelt werden können, wenn Prozess-Designer sich ihrer angenom-men haben oder Mitarbeiter im Training lernen, wie man mit ihnen umgeht.
NICHTS GEHT OHNE SPANNUNGSBOGEN
Schon Aristoteles wusste, wie wichtig die Sequenz der Ereig-nisse für die Wirkung auf den Zuschauer ist. Angenommen, James Bond müsste im Unternehmen einen Vortrag halten, wie würde er ihn wohl präsentieren? «Wir bekämen eine Action-Szene am Anfang, dann viele kleinere Highlights im Mittelteil und den grossen Showdown am Schluss», so der Schauspieler. «Und um die Leute mit einem Lächeln nach Hause zu schicken, gäbe es dann noch eine witzige Schluss-szene.» Das ergibt eine «boom-wow-Wow-WOW-BOOM-ah»-Kurve. Jede gute Geschichte folgt einer Dramaturgie – es muss nicht immer diese sein. Ein Epos wie «Herr der Ringe» lebt von einer exponenziell ansteigenden Spannungskurve. Eine Seifen-oper hat pro Folge einen kleinen Spannungs-Peak, um dann einmal in einem grossen Finale zu münden. «Das ist wie bei der katholischen Kirche», so Adam. «Da gibt es auch Sonntag, Sonntag, Sonntag und Sonntag – und dann Ostern.» Die Customer Journey folgt ebenfalls einer Spannungskurve. Die Designer bestimmen, wie sie abläuft. Wer Kollegen von CX überzeugen will, beginnt vielleicht mit einer tollen Marketing-kampagne (Boom), stellt ein gutes Konzept vor (wow), bietet einen Workshop an (WOW), erlebt eine erste Success-Story (BOOM) und organisiert schliesslich eine Party (ah).
Der Workshop endet mit Klatschen so laut, wie er begonnen hat. Klar – die beiden Profi s werden doch ihre eigenen Lehren befolgen: Boom-wow-Wow-WOW-BOOM-ah!
«TUN, NICHT REDEN» war das Motto des Kreativwork-shops mit Adam und Markus von Work·Play·Experience.
«Boom, wow, Wow, WOW, BOOM, ahhh!». Nach ein paar Einblicken in die Theaterwelt am cxf05 fiel es einem noch leichter, sich in verschiedene Per-spektiven zu versetzen. Egal welche Perspektive ich auch einnehme, das cxf05 hat den Span-nungsbogen geschafft und mich begeistert!
MARKUS HUG
Neue Zürcher
Zeitung / NZZ-Lab
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INITIANTENAuf einem CX-Forum treffen sich alte Bekannte und neue Interessenten. Der informelle Austausch zwi-schen den CX-Spezialisten ist neben den Fallstudien oder Workshops einer der wichtigsten Tagesordnungs-punkte. Natürlich kann man nicht wirklich jeden der Teilnehmer kennenlernen, aber an zwei Personen geht kein Weg vorbei: Es sind die «Gastgeber» des Forums, Miriam Bleuler von Swisscom und Helmut Kazmaier von Stimmt. Sie und ihre Teams von Swisscom und Stimmt haben mit viel Know-how und Herzblut das Forum zu einer wichtigen Austauschplattform unter CX-Experten im deutschsprachigen Raum gemacht. Stimmt berät seit 1998 Unternehmen in Bezug auf Kun-denbedürfnisse und hilft ihnen, durch gezielt optimierte Erlebnisse für ihre Kunden einzigartig zu werden. Wer die In-teraktionen zwischen seiner Firma und den Kunden verbessern will, wendet sich gerne an die Spezialisten aus Zürich. Insofern ist das Engagement von Stimmt für das CX-Forum nur folge-richtig. «Wir sind überzeugt, dass sich Wissen vermehrt, wenn man es teilt», sagt Helmut. Die Experten lernen von der CX-Community, wo aktuell der Schuh drückt, und bieten im Gegenzug einen offenen Erfahrungsaustausch an. Die Swisscom hat sich für das Thema Customer Expe-rience als idealer Partner positioniert. Das Unternehmen hat
das erklärte Ziel, als Begleiter in der digitalen Welt eine Lieb-lingsmarke der Schweizer zu sein. «Wir haben das beste Netz und den besten Service», sagt Miriam Bleuler, «aber um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir auch das beste Erlebnis bieten.» Was bedeutet dies für Swisscom? Das Unternehmen hat sich seit 2008 der Denkhaltung und Arbeitsweise des Human Centered Design verschrieben. Ging es früher primär um die Technik, stehen heute der Kunde und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. An diese Perspektive und Unternehmenskultur müssen sich Swisscom Mitarbeiter erst gewöhnen. Ein wichtiger Ort für diesen Perspektivenwechsel ist für Swisscom das BrainGym. Die ehemalige Schalterhalle der Post wurde vor drei Jahren als Weiterbildungsort, Treffpunkt, Café und Bibliothek umfunk-tioniert – ein Ort, an dem menschenzentriertes Gestalten Form annimmt: Aus Sitzungszimmern wurden bunte Kreativräume mit mobiler Inneneinrichtung. Dazu gehören Tische, auf deren Platten man schreiben kann, und Wände, die sich zum Visua-lisieren von Ökosystemen und Kundenerlebnisketten eignen. Das Swisscom BrainGym öffnet während des Forums auch externen CX-Fachleuten die Tore und heisst alle herzlich will-kommen!
Für alle, die uns noch nicht kennen: Wer, warum, wo?
INITIANTEN
DIE TREIBKRÄFTE HINTER DEM CX-FORUM: Miriam Bleuler aus dem Best Experience Team von Swisscom ...
… UND HELMUT KAZMAIER, Mitinhaber der Unternehmens-beratung Stimmt.
DAS CX-FORUM TEAM sorgt im Hintergrund für den reibungs-losen Ablauf des Tages.
Fünf Mal nacheinander hat das CX- Forum bei Swisscom im
BrainGym Lab stattgefunden. Mit dem CX-Forum 5 haben die
Initianten einen Wechsel angekündigt: «Das Forum geht auf
Tour!», so Helmut Kazmaier von Stimmt. Miriam Bleuler von
Swisscom ergänzt: «Nach wie vor wird das CX-Forum im Früh-
jahr und im Spätherbst stattfi nden, letzteres immer bei Swiss-
com. Wir Initianten wünschen uns aber, dass das Forum im
Frühling in Zukunft wandert: Jedes Unternehmen der CX-
Community ist herzlich eingeladen, ein Forum bei sich in der
Schweiz, Deutschland oder Österreich durchzuführen.»
TEILNEHMER
Die nächsten zwei Daten stehen bereits fest:
DAS CX-FORUM 6 FINDET AM 20. / 21. JUNI 2012 IN WIEN STATT.
DAS NÄCHSTE FORUM BEI SWISSCOM, DAS CX- FORUM 7, IST
AM 15. NOVEMBER 2012 IM SWISSCOM BRAINGYM IN BERN. *
Interesse an einer Teilnahme?
Wir freuen uns auf die Kontaktaufnahme:
MIRIAM BLEULER
+41 79 541 87 21
HELMUT KAZMAIER
+41 79 830 15 97
* Teilnahmebedingungen CX-Forum 7 für Swisscom Mitarbeiter:
Die Teilnehmer werden durch die jeweilige Bereichsleitung nominiert.
IMPRESSUM
HERAUSGEBERCX-Forum www.cx-forum.ch
KONZEPT UND REDAKTIONMiriam Bleuler und Tiziana Meletta,Swisscom www.swisscom.ch
Helmut Kazmaier, Stimmt www.stimmt.ch
Inka Grabowsky
TEXTClaudia Gabler, Inka Grabowsky, Brigitta Hochuli
FOTOGRAFIEBeat Schweizer www.beatschweizer.com
CX-Forum Team
GESTALTUNG UND REALISATIONEclat, Erlenbach / ZH www.eclat.ch