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Ein Mann aus Muskeln und Zorn – Auf den Spuren von Shaft in New York
Regie Atmo 1 (8th Ave) startet. Wir hören Gehupe, dann
einen Krankenwagen.
Erzähler Der Film beginnt mit dem Blick aus der
Vogelperspektive auf eine New Yorker Straßenschlucht.
Die Musik setzt ein, ein lässig groovendes Funk-Stück
von Soul-Legende Isaac Hayes. Suchend fährt die
Kamera hinunter, nimmt Passanten ins Visier, bis sie
sich auf einen Mann fokussiert, der federnden Schrittes
die Treppen einer U-Bahn-Station herauf steigt. Er ist
groß und schwarz, mit krausen kurzen Haaren und
Schnauzer. Als ihn ein Taxifahrer beinahe anfährt, zeigt
er ihm den ausgestreckten Mittelfinger. Dieser Mann,
das wird schon in der Anfangssequenz klar, ist sein
eigener Herr, einer, der Regeln missachtet und sich
nichts gefallen lässt. "Wie heißt der schwarze
Privatschnüffler, diese Sexmaschine, die alle Mädchen
glücklich macht?", haucht Isaac Hayes in seinem
typischen Sprechgesang. "Shaft", antwortet der Chor,
was Hayes mit einem coolen "You're damn right"
bestätigt. New York 1971.
Regie Blende zu Musik 1 ("Theme from Shaft" von Isaac
Hayes). Reingehen bei 2:40min. Zwei Strophen
sollen frei stehen.
"Who's the black private dick,
that sex machine to all the chicks?
(Shaft)
You're damn right!
Runter blenden
Ansage Literarische Plätze
Ein Mann aus Muskeln und Zorn – auf den Spuren von
Shaft in New York von Tom Noga
Eine Reportage von Tom Noga
Regie Eventuell Musik 1 erneut hoch ziehen, sodass
zwei weitere Strophen frei stehen.
"Who's the cat that won't cop out
when there's danger all about?
(Shaft)
Right on!
You see, this Shaft is a bad mother ... ..
(Shut your mouth!)
But I'm talkin' about Shaft
(Then we can dig it)
Reißt ab. Atmo 2 (Garment) startet. Soll kurz frei
stehen. Wir tauchen wieder auf im New York des
Jahres 2010.
Erzähler New York 2010. Ein Mann und eine Frau entsteigen
dem U-Bahn-Schacht auf 8ten Avenue. Er ist schwarz
und hoch aufgeschossen, sie weiß und klein, trotz der
hochhackigen Schuhe, mit denen sie sich auf
geschätzte 1,60 hoch pumpt. Chafin Elliott und Karen
Brueckner sind gebürtige New Yorker, sie haben die
70er-Jahre miterlebt. Und sie sind die Führer auf
unserer Tour auf den Spuren von Shaft, dem
legendären schwarzen Privatdetektiv.
i
Regie Atmo 2 als Trenner kurz hoch ziehen.
Erzähler Chafin und Karen zwängen sich durch die
Fußgängermassen auf der 8.Avenue. Vorbei an Sex-
Shops, Internet-Cafés, Ramschläden und billigen
Hotels.
Sprecher 1 Zitator
"An der 39. Straße bog Shaft nach Osten ab, auf den
kurzen Häuserblock zu zwischen der 7. Avenue und
dem Broadway. Sein Schritt war locker und entspannt.
Es war ein langer Fußmarsch von ihrer Wohnung in den
West Twenties gewesen, lang und gut. So früh am
Morgen war die Stadt noch frisch. Die Ventilatoren der
Coffeeshops, an denen er vorbei kam, pusteten frische
Düfte in den grauen Frühlingsmorgen, es roch nach
gebratenen Eiern und knusprigen Bagels."
(Atmo 2 läuft weiter)
Erzähler 39 Jahre später Heute riecht es hier nur nach Abgasen.
Schon morgens staut sich der Verkehr in der engen
Straße, es wird gehupt, geflucht, gedrängelt.
Kaffeehäuser gibt es längst nicht mehr, aber
Schneidereien: Beckenstein Fashion, Fabrics Garden,
Chic Fabrics.
O-Ton 1 Chafin Elliott
"What you see here now, it was as thick with trucks,
30th., 38th, 37th. I used to work on 37th pushing trucks
and it was vibrant. and the name of the place was with
a K, Klassy Kitty Garments. In the 70's it was sort of
the beginning of the end of the Garment District, sort
of that. Because you had all of the shops that made
coats, everything but the import stuff was beginning to
take it's toll. And now, today, it's nothing near like it
used to be.”
Länge: 0:42min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Früher war es hier genauso verstopft, nur mit LKWs,
auf der 39., 38. und 37. Straße. Auf der 37. habe ich
früher gearbeitet, LKWs abladen. Hier pulsierte das
Leben. Die Firma hieß Klassy Kitty Garment. Der
Niedergang des Garment District begann in den 70ern.
Die ganzen Läden gab's zwar noch, aber langsam
forderten die Importe ihren Tribut. Und heute ist es
nicht im Entferntesten wie es einmal war."
Regie Blende zu Atmo 3 (6th Ave)
Erzähler Auf der 39. Strasse spürt Shaft, das etwas nicht
stimmt. Der Kiosk, an dem er sich im Roman eine
Zeitung stibitzt, existiert nicht mehr, wo früher
Whelan's Coffeeshop war, hat sich ein Starbucks
ausgebreitet, einer von einem Dutzend auf und um den
Times Square. Verschwunden auch der
Schuhputzerladen, in dem Shaft erfährt, dass ihn sein
Gefühl nicht getrogen hat.
Sprecher 1 Zitator
"Es waren zwei", drang die Stimme zu ihm hinauf. Er
sah nicht von der Zeitung hoch, während der
grauhaarige Schwarze die erste Schicht auf seine
Schuhe rieb. Ausdruckslos starrte Shaft auf die Seite.
"Wollten einen Mann finden, der schwer zu finden ist.
Und zwar schnell."
"Kannten sie mich?"
"Scheint so."
"Die Bullen?"
"Nein."
"Also wer?"
"Uptown."
Uptown? Uptown war seiner Meinung nach nördlich der
110. Straße, am Rand des Central Park. Uptown, das
war Harlem, eine Schattenwelt, abgetrennt durch eine
Mauer aus Angst."
Erzähler Harlem. In den 70er-Jahren DAS Synonym für Gewalt.
Chafin Elliot holt tief Luft.
O-Ton 2 Chafin Elliott
"Harlem conceptionally is the largest black community
in the U.S. Actually, area-wise it may not be the largest
but for it's celebrity status it is the largest. At that time
it was the beginning of a lot of crime. Starting in the
late 50's/early 60's Harlem started to go downhill. And
when we hit the 70's we were really in the middle of it.
People really didn't go uptown, you really had to know
where you were going.”
Länge: 0:42min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Abstrakt betrachtet ist Harlem die größte schwarze
Gemeinde in den USA, nicht von der Fläche her,
sondern von seiner Bedeutung. Zu Shafts Zeit wurde
Harlem von immens hoher Kriminalität geplagt,
nachdem es bereits seit den späten 50ern/frühen 60ern
bergab gegangen war. Die 70er waren der negative
Höhepunkt. Die Leute trauten sich nicht mehr nach
Uptown, man musste echt aufpassen, wo man hinging."
Erzähler Karen Brueckner räuspert sich. Muss man heute doch
auch noch, wirft sie ein.
O-Ton 3 Karen Brueckner
"I don't go uptown now by myself. I mean, it depends
where, Certain streets and certain neighborhoods are
not good. Where I live, one or tow blocks from where
my apartment is, is not great. You don't know who's
going to hang around at 3 in the morning, so you avoid
these areas if you know there could be a questionable
situation.”
Länge: 0:28min
Sprecherin 3 Voice Over Karen Brueckner
"Ich fahre heute noch nicht alleine hoch. Kommt halt
drauf an, wohin genau. Manche Ecken sind gefährlich,
auch im East Village, wo ich wohne. Man weiß halt
nicht, wer nachts um drei auf der Straße rumhängt,
also meidet man Ecken, in denen es zu bedenklichen
Situationen kommen kann."
Erzähler Geschenkt, antwortet Chafin. Ein bisschen gesunder
Menschenverstand kann auch im New York des Jahres
2010 nicht schaden. Aber das Harlem der 70er-Jahre...
O-Ton 4 Chafin Elliott
"A lot of people moved out of Harlem, including me.
And by the fact that so many people moved out of
Harlem, it created a lot of vacant buildings, especially
brownstones. And so many buildings were boarded up.
Some were set on fire for the people to steal the
copper, anything they could get their hands on.”
Länge: 0:26min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Die Leute zogen reihenweise weg, ich auch. Und weil
so viele Leute wegzogen, standen viele Gebäude leer.
In ganzen Straßenzügen waren die Häuser mit Brettern
zugenagelt. Manche wurden von Dieben nieder
gebrannt, damit sie die Kupferrohre stehlen konnten
oder was immer ihnen in die Finger fiel."
(Atmo 3 läuft weiter)
Erzähler Doch bevor es nach Harlem geht, biegen Karen und
Chafin auf die 46. Straße ab, wie Shaft im Buch. Sie
gehen auf den Broadway zu, New Yorks Theatermeile.
Vor einem 20-stöckigen Gebäude mit Marmorfront
bleiben sie stehen. Actors Equity Building steht auf
einer Tafel, Gewerkschaftshaus der Bühnendarsteller.
O-Ton 5 Chafin Elliott
"Here were are here, this is the building I'm talking
about: 1560 Broadway.”
Länge: 0:08min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Das ist das Haus, 1560 Broadway."
(Atmo 3 läuft weiter)
Sprecher 1 Zitator
"Die Straße runter war einer der offiziellen Eingänge zu
seinem Bürohaus. Der andere war um die Ecke, am
Times Square. Er kannte drei weitere. Einer war hinten,
der Notausgang. Einer führte durch das Schuhgeschäft
an der Ecke, Und dann dieser hier, in einem Sexshop,
der ganz legal Pornos , aber auch zensierte Fotos unter
dem Ladentisch verkaufte. Eine Bücherei für Spanner
auf der 46. Straße."
Erzähler "Seine Detektei ist nicht schlecht gelaufen, wenn er
sich ein Büro in diesem Gebäude leisten konnte", wirft
Karen ein. "So gut auch wieder nicht", kontert Chafin,
"er hat ja nur im dritten Stock residiert." Dort lauern
ihm die beiden Schläger aus Uptown auf. Den einen
befördert Shaft durchs Fenster auf den Times Square,
vom anderen erfährt er, dass Bumpy Jonas ihn
sprechen will, ein Gangsterboss aus Harlem. Später
trifft er Bumpy hier und lässt sich von ihm anheuern.
Die Tochter des Ganoven ist entführt worden, Shaft soll
sie suchen.
Regie Atmo 3 als Trenner kurz hoch ziehen.
Erzähler Ein Blick auf die Namenschilder: Studios, Fotografen,
Agenten. Und im 8. Stock die Times Square Alliance,
die Organisation der Geschäftsleute des Times Square.
Regie Blende zu Atmo 4 (Büro)
Erzähler Bob Esposito empfängt in einem winzigen Büro mit
Blick auf eine Reklamewand, über die alle zehn
Sekunden ein anderer Werbefilm flackert. Zu Shafts
Zeiten ist Esposito Polizist gewesen, später hat er den
Sicherheitsdienst der Times Square Alliance aufgebaut.
O-Ton 6 Bob Esposito
"It was a difficult time, drugs were really rampant,
heroin was the drug of choice. Drug addicts committed
crimes to satisfy their habits, to get money to buy
drugs. It was a time, where I as a detective at that
time was very. Very busy, constantly busy. And these
were those annoying types of crimes, not somebody
walking into Tiffany's and robbing all their jewelries.
These were people walking up to somebody an
grabbing their gold chain off their necks or some
woman's pocket bock.”
Länge: 0:34min
Sprecher 4 Voice Over Bob Esposito
"Das waren harte Jahre, Drogen waren weit verbreitet,
vor allem Heroin. Und die Junkies begingen Straftaten,
um ihre Sucht zu finanzieren. Ich war damals Polizist
und ständig im Einsatz, ohne Pause. Dabei ging's um
nervige Straftaten, keinen Juwelenraub bei Tiffany's,
sondern um Leute, die anderen auf offener Straße
Halsketten entrissen und den Frauen die Handtaschen."
(Atmo 4 läuft weiter)
Erzähler Bob Esposito lehnt sich zurück, ein kräftiger Mann mit
vollem, grauen Haar und kugelrundem Bauch. Vierzig,
fünfzig Raubüberfälle sind es damals allein in der
Gegend um den Times Square pro Tag gewesen. Und
ein Mord pro Woche, mindestens. In den Seitenstraßen
blühte die Prostitution, Messerstechereien waren an der
Tagesordnung. Er räuspert sich: Polizisten haben sich
nicht mehr allein auf Streife getraut – wie im Roman
beschrieben Heute dagegen gilt New York als eine der
sichersten Großstädte
Regie Atmo 4 als Trenner kurz hoch ziehen.
Erzähler Und er hat eine private Sicherheitstruppe aufgestellt,
die Tag und Nacht Präsenz zeigt. Damit ist der Times
Square Vorbild für viele andere Geschäftsstraßen in
New York. Kulturpessimisten allerdings beklagen die
Disneyfizierung von Amerikas bekanntestem Platz.
O-Ton 7 Bob Esposito
"I can relate to that, but they are wrong. Times Square
form the Vaudeville days was always a little bit boardy
and a little bit that and there were sections of ´8th
Avenue where ... you know, pornography is still
around, not to the degree that it was, there is less and
less of that, but the intent was never to put them out of
business. So these businesses is still here, so that
edginess is still there. When these people tell me that
they miss these days when they walked up the street
and they got robbed and they got beat up – I don't
think anybody is missing that.”
Länge: 0:32min
Sprecher 4 Voice Over Bob Esposito
"Ich kann das nachvollziehen, aber diese Leute haben
Unrecht. Der Times Square hatte immer etwas
Verrufenes, schon seit den Zeiten der ersten
Varietétheater. Drüben auf der 8. Avenue gibt es
immer noch Sex Shops, nicht mehr so viele, aber es
ging ja nie darum, sie loszuwerden. Dieses Halbseidene
ist also immer noch da. Aber mir kann niemand
erzählen, dass er sich nach den Zeiten sehnt, als Leute
auf offener Straße beraubt und zusammengeschlagen
wurden. Das kann man nicht wirklich vermissen."
Regie Blende zu Atmo 5 (Times Square). Soll als
Trenner kurz frei stehen.
Erzähler Zurück auf dem Broadway. Vor der Theaterkasse an
der 47. Straße hat sich eine Menschenschlange
gebildet, dirigiert vom Sicherheitspersonal der Times
Square Alliance. Heute ist Mittwoch, die meisten Shows
bieten Tickets zum halben Preis an.
Am Times Square winkt Shaft im Film ein Taxi heran,
doch der Fahrer braust an ihm vorbei. "Weißer
Affenarsch!", ruft Shaft ihm hinterher.
O-Ton 8 Karen Brueckner
"There were a lot of problems years ago but then again,
the population of the cab drivers has also changed. And
today it is very unlikely that you find a cab driver who
speaks English actually.”
Länge: 0:14min
Sprecherin 3 Voice Over Karen Brueckner
"Solche Probleme hat's früher gegeben, aber die
Taxifahrer heute sind anders, man findet ja kaum noch
einen, der vernünftig Englisch spricht."
Erzähler Chafin widerspricht.
O-Ton 9 Chafin Elliott
"70's, 80's, 90's, 2000 – it's still. There's a black actor,
Danny Glover, the point is right there: in the middle of
Broadway – not cab. Even though the majority of cabs
are Indian or Arab, the sort of unwritten transference of
prejudice is there. You come from another country and
you are immediately above the blacks. They are coming
here to make money in our country , but they won't
take a black man.”
Länge: 0:40min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"70er, 80er, 90er oder nach 2000 – es ist immer noch
so. Der schwarze Schauspieler Danny Glover hat kein
Taxi bekommen, vor ein paar Wochen war das, da
vorne, mitten auf dem Broadway. Auch wenn die
meisten Taxifahrer mittlerweile Inder oder Araber sind,
hat sich dieses ungeschriebene Vorurteil auf sie
übertragen. Sie kommen aus einem anderen Land,
stehen aber sofort über den Schwarzen. Sie wollen Geld
verdienen, aber sie nehmen keine Schwarzen mit."
Regie Blende zu Atmo 6 (Subway 1). Wir gehen runter
in die U-Bahn.
Erzähler Weiter geht's mit der U-Bahn nach Harlem. Früher sind
diese Schnellzüge Touristenfallen gewesen, erzählt
Karen. Wer etwa zur Upper Westside wollte und statt
der normalen Bahn versehentlich den express train
nahm, hat sich schnell in Harlem wieder gefunden.
Sprecher 1 Zitator
"Um zu gedeihen, braucht einer wie Bumpy Jonas eine
enge schwarze Gemeinschaft, inklusive käuflicher
weißer Cops und dem gegenseitigen Einverständnis,
dass es völlig in Ordnung ist, schwarzem Vergnügen
nachzugehen, im Getto zu saufen und Glückspiel zu
betreiben. So lange man es brav dort tut und
nirgendwo anders."
Regie Blende zu Atmo 7 (Subway 2). Wir sind jetzt im
Zug.
Erzähler Chafin nickt, während er sich in an einen Haltegurt in
der U-Bahn klammert. Glückspiel, Prostitution, nicht
zuletzt Drogen – das sind sie gewesen, die Geißeln
seines Heimatviertels.
O-Ton 10 Chafin Elliott
"It was largely contained in Harlem, it wasn't
widespread as it became in all communities throughout
the city. The whites had to come to Harlem, in this
case, to get what they wanted.”
Länge: 0:17min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Drogen gab es lange nur in Harlem, sie waren noch
nicht in der ganzen Stadt verbreitet wie später. Die
Weißen mussten hoch kommen, um zu kriegen, was sie
wollten."
(Atmo 7 läuft weiter)
Erzähler Und schließlich die Rassenunruhen, ausgelöst durch
den Mord an Malcolm X. Statt zum gewaltlosen
Widerstand aufzurufen, wie der Baptistenpfarrer Martin
Luther King, hat der radikale Moslem Hass gepredigt,
jedenfalls in den Augen der Weißen. "Aber anders als
King wurde Malcolm X von seinen eigenen
Glaubensbrüdern erschossen", wirft Karen Brueckner
ein. "Ja und nein", antwortet Chafin, "den die
Hintergründe der Tat wurden nie aufgeklärt." Und
überhaupt: Das ist nicht der springende Punkt.
O-Ton 11 Chafin Elliott
"He was like: Don't let people walk over you. He spoke
very hard against the whites, especially about U.S.
government as what they were doing to blacks. And he
was right, because the lie was so big: All men are
created equal... How can you have lynchings in a
country? How can you have blacks go off to war and
then coming back and still have to sit in the back of a
bus? The 60's were the worst decade in the U.S.
Malcolm X in 65, King in 68 – that knocked out
whatever that black leadership was.”
Länge: 0:45min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Er sagte: "Lass nicht zu, dass Leute auf dir
rumtrampeln." Er ging die Weißen hart an, besonders
die Regierung, weil sie nichts für die Schwarzen tat.
Und er hatte Recht, die Lüge war einfach zu groß. Alle
Menschen sind gleich... Wie kann es dann Lynchmorde
geben? Wie kann es sein das Schwarze in den Krieg
ziehen und wenn sie zurück kommen wieder hinten im
Bus sitzen müssen? Die 60er waren das schlimmste
Jahrzehnt für diese Land: 1965 der Mord an Malcolm X,
1968 an Martin Luther King – damit hatten die
Schwarzen keine Anführer mehr."
Regie Blende zu Atmo 8 (Harlem streets)
Erzähler In Harlems Zentrum sind die beiden schwarzen
Bürgerrechtler heute im Gedenken vereint. Hier
kreuzen sich Malcolm X und Martin Luther King
Boulevard. Hier sucht Shaft nach Ben Buford, dem
Anführer der Lumumbas, einer schwarze
Guerillatruppe.
Regie Atmo 8 als Trenner kurz hoch ziehen.
Sprecher 1 Zitator
"In etwa sechs Monaten sind alle bereit, die Muslims,
die Panther, die Militanten. Die ganze Bande wird dann
über eine zornige, organisierte und genügend
ausgebildete Streitkraft verfügen, um zumindest den
Versuch einer Revolution zu unternehmen."
Regie Blende zu Atmo 9 (Silvia's)
Erzähler Chafin und Karen steuern Sylvia's an, Harlems
berühmtestes Restaurrant. Malcolm X und Martin
Luther King haben hier gespeist.
In Harlem beginnt der schwarze Privatdetektiv zu
ahnen, dass Bumpy Jonas ihm nur die halbe Wahrheit
gesagt hat. In Wirklichkeit weiß der Gangsterboss
längst, dass die Mafia seine Tochter entführt hat, um
ihn aus dem Drogengeschäft zu drängen. Aber
zusammen mit Bill Bufords Guerilleros sieht er sich gut
gerüstet für die Auseinandersetzung. Dumm nur, dass
dabei Schwarz gegen Weiß kämpft – eine hochbrisante
Konstellation im New York des Jahres 1971.
O-Ton 12 Chafin Elliott
"It was the unrest that gave it a jump start. We speak
of demonstrations, of blacks not getting jobs as easily
as other people, the Civil Rights and sort an a general
unrest, not only in Harlem but throughout the major
black urban communities: Chicago, Phillie, Detroit. The
picture reflects fairly accurately what the mood and the
situation was at that time.”
Länge: 0:45min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Die Unruhen waren der Knackpunkt. Demonstrationen,
die Tatsache, dass Schwarze schwerer Jobs bekamen
als andere, die Bürgerrechte – es herrschte Aufruhr,
nicht nur in Harlem, sondern in allen urbanen
schwarzen Gemeinden, in Philadelphia, Chikago,
Detroit. Diese Stimmung bringt der Film ziemlich genau
rüber."
Erzähler Und das Buch zum Film? Chafin setzt eine schmerzhafte
Miene auf, während er seinen panierten Wels zerteilt.
Keine große Literatur, außerdem von einem Weißen
geschrieben. Die Handlung? Man hat schon
Glaubwürdiges gelesen. Aber der Film! In Szene gesetzt
von Gordon Parks, dem Fotografen der
Bürgerrechtsbewegung – das allein ist eine Referenz.
Und dann Richard Roundtree als Shaft – wer cooler ist,
hat bereits das Zeitliche gesegnet. Kein Wunder, dass
der Streifen die blaxploitation-Welle ausgelöst hat.
Unter diesem Oberbegriff sind in den 70er-Jahren Filme
zusammengefasst worden, meist Detektivgeschichten,
die auf den realen Lebensbedingungen von Schwarzen
basieren.
O-Ton 13 Chafin Elliott
"Personally I think, it was one of best movies. It really
put forth a credible reflection of a black actor
portraying a black detective, if you compare it to the
Hollywood stereotypes of a white counterpart. And the
fact that a significant part of the locations of Shaft were
not only in new York but in Harlem, brought a great
deal of more meaning to it. I personally like that
picture very much.”
Länge: 0:37min
Sprecher 2 Voice Over Chafin Elliott
"Für mich ist Shaft der beste dieser Filme, die erste
glaubwürdige Darstellung eines Detektivs durch einen
schwarzen Schauspieler, jedenfalls im Vergleich zu
seinen stereotypen weißen Pendants in Hollywood. Und
natürlich trägt es zur Bedeutung von Shaft bei, dass
große Teile des Films nicht nur in New York, sondern in
Harlem spielen. Ich mag diesen Film sehr."
Regie Atmo 9
Sprecher 1 Zitator
"Scheiße", murrte er leise und trat durch die Seitentür
in die No-Name-Bar ein. Ein Schwall von Wortfetzen
und Wärme kam ihm entgegen, getragen von einer
Welle der Jukebox-Musik und dem Geruch von Alkohol
und verschwitzten Körpern. Hoffentlich saßen ein paar
von ihnen an der Theke und beobachteten seine
Wohnung. Das würde es leichter machen, sie zu finden.
Alles klar, sie waren tatsächlich da. Zwei von ihnen.
Selbst Shafts schwarze Haut in einer Welt von Weißen
stach weniger hervor als ihre Bösartigkeit. Die sind
wirklich das Letzte, dachte er."
Regie Blende zu Atmo 10 (Hudson St)
Erzähler Zurück in Midtown Manhattan. Wo im Film die No Name
Bar ist, befindet sich heute ein italienisches Restaurant,
das Piccolo Angelo.
(Atmo 10 läuft weiter)
Erzähler In der No Name Bar spielt die beste Szene in Buch und
Film. Shaft schlüpft in die Rolle des Barkeepers. Er ruft
seine Freundin an, so, dass die beiden Ganoven es
mitkriegen, um ihr zu sagen, dass er später noch bei
ihr vorbei kommt. Dann wählt er die Nummer von Vic
Anderozzi, seines Freundes bei der New Yorker Polizei.
Regie Atmo 10 endet.
Sprecher 1 Zitator
"Ich bin's Baby, Jelly Roll. Ich musste an dich denken."
Wann würde Anderozzi endlich seine Stimme erkennen?
"Ich musste auch an dich denken, Shaft, aber im
Moment liege ich im Bett. Was zum Teufel willst du?"
"Hättest Du nicht Lust, den alten Jim zu besuchen? Ich
hab' genau, was du brauchst."
Die beiden Männer waren fasziniert, sie vergaßen
sogar, aus dem Fenster zu gucken. Wie der mit den
Weibern umsprang! Mit einem Schlag war Anderozzi
wach.
"Okay, wo bist du?"
"In der No Name Bar, Schatz. Aber die macht
irgendwann auch zu. Willst du nicht herkommen?"
"Wie viele von denen sind da?"
"Inzwischen schon zwei"
"Wo?"
"Von vorne. Das magst du doch, oder?"
Regie Atmo 10 startet wieder.
Erzähler Karen Brueckner lacht. Eine typische Männerfantasie.
Eine weiße, ergänzt Chafin Elliott: der schwarze Mann,
groß, stark und viril. Im Film zieht Shaft einem der
beiden Ganoven eine Schnapsflasche über den Kopf,
bevor die Polizei die Beiden einbuchtet. Dann macht
sich der Detektiv auf in seine Wohnung drüber auf der
Jane Street. Mit einer Frau, einer weißen. Das
Liebespiel unter der Dusche als Entspannungsübung vor
dem Showdown.
Regie Atmo 11 (honk) einspielen. Wir hören wild
hupendes Auto.
Erzähler Greenwich Village, an der Kreuzung von Bleecker und
McDougal Street. Wütend hupt ein Autofahrer einen
Fußgänger von der Strasse.
In Greenwich Village nimmt Shaft Kontakt mit der Mafia
auf. Im Café Reggio gleich hinter der Minetta Tavern,
einem der vielen Kaffeehäuser, die an die italienischen
Ursprünge des Viertels erinnern.
Regie Blende zu Atmo 12 (Reggio). Soll kurz frei stehen.
Erzähler Drinnen ist es schummrig. Bistrotische stehen dicht an
dicht. Auf einer verzierten Holzbank nehmen Karen und
Chafin Platz, direkt unter einem kitschigen
Renaissancebild – wie Shaft im Film. Hier trifft er den
Mafiamann, der ihn zu Bumpys Tochter führt. Der erste
Befreiungsversuch misslingt, die Gangster können
fliehen. Gemeinsam mit Ben Bufords Leuten spürt Shaft
sie in einem Hotel auf der Washington Street auf. "Es
existiert nicht mehr", weiß Karen, "heute steht dort ein
Apartmentkomplex mit Fitnesscenter. Am Ende
bekommt Bumpy seine Tochter wieder, der drohende
Rassenkrieg ist abgewendet und Shaft lässt sich seine
Dienste mit 20.000 Dollar entlohnen.
Karen nippt an ihrem Espresso.
O-Ton 20 Karen Brueckner
"I think the city has become more friendly and less
dangerous. However, we have different dangers now.
Obviously, since 9.-11 our dangers are not so much
from within, they are coming from all over. When you
have to have your handbag searched when you ware
going to the opera for instance, this is a new thing, this
was never a problem. So I feel, that our spontaneous
New Yorkers have sacrificed a lot because of the feeling
of having to constantly on guard.”
Länge: 0:36min
Sprecherin 3 Voice Over Karen Brueckner
"Heute ist die Stadt freundlicher und weniger gefährlich
als zu seiner Zeit. Andererseits haben wir mit neuen
Risiken zu tun. Seit 9-11 kommt die Gefahr weniger
von innen als von außen. Selbst wenn du in die Oper
gehst, wird deine Handtasche durchsucht. Weil wir
ständig auf der Hut sein müssen, haben wir New Yorker
viel von unserer Spontaneität geopfert,"
Erzähler Sie lässt die Worte im Raum stehen. Gegen diese
Gefahr hilft kein typisch amerikanischer Held wie Shaft.
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Literarische Plätze