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N ein, hier geht es nicht um Technik! Es geht um neue Konzepte der Kommunikation, die mit neuen Medienanwendungen in Unterneh- men Einzug halten. Führungskräfte kennen das:Wenn Projekte in Schieflage geraten, dann oft nicht aufgrund falscher Analysen oder fehlerhafter Konzepte, sondern weil die Kommunikation nicht stimmt: Botschaften kommen nicht an, Vorschläge werden nicht angenommen und Konzepte nicht verstanden – das Vorhaben stößt auf scheinbar „unbegreifliche“ Widerstände. Zu den klassischen Kommunikationsfehlern wie mangelndem Verständnis der Zielgruppenerwartungen oder der schlichten Unfähigkeit „auf den Punkt zu kommen“, tritt heute oft noch ein anderer, häufig unentdeckter Grund hinzu, nämlich die mangelhafte Beherrschung und der unangemessene Einsatz der neuen digitalen Kommunikationswerkzeuge. In einer Welt, in der Menschen je nach Zeit und Zweck die verschiedensten elektronischen Kommunikationsmittel nutzen, ist Glaubwürdigkeit auch eine Frage der „Medienempathie“: Wer „Betroffene zu Beteiligten ma- chen“ will – wie es bei Restrukturierungen immer so schön heißt – muss tief in die Kommunikationswelt der verschiedenen Zielgruppen eintau- chen. Und nicht nur das. Wir behaupten: Er muss auch darin schwimmen können. Wer als Strategie- und Restrukturierungberater seinem Kunden Nutzen und Wettbewerbsvorsprung bringen will, sollte die aktuellen Entwicklun- gen also nicht nur auf dem „Radarschirm“ verfolgen, sondern muss auch die organisatorischen und kulturellen Implikationen für seinen Kunden bewerten und die neuen Werkzeuge angemessen einsetzen. Utopien sind im Alltag angekommen „Simsen“, „chatten“, „bloggen“, „twittern“ – wer hätte noch vor wenigen Jahren gedacht, welche „Kulturtechniken“ da auf die Menschheit zukom- Von Andrea Mollenhauer und Hans-Werner Klein Die „neuen Medien“ bieten neue Möglichkeiten, stellen aber auch neue Anforderungen. Wie reagieren Strategie- und Restrukturierungsberater darauf,und welchen Einfluss haben digitale Medien auf Kompetenzprofil und Glaubwürdigkeit von Führungspersönlichkeiten? Managementberatung Keine Angst vor Blogs und Wikis 56 KAPITEL II – AKTUELLE TRENDS: MANAGEMENTBERATUNG Hans-Werner Klein ist Partner der mmc AG in Wiesbaden. CONSULTING 2010 Andrea Mollenhauer ist Partnerin der mmc AG in Wiesbaden.

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Nein, hier geht es nicht um Technik! Es geht um neue Konzepte derKommunikation, die mit neuen Medienanwendungen in Unterneh-

men Einzug halten.

Führungskräfte kennen das:Wenn Projekte in Schieflage geraten, dann oftnicht aufgrund falscher Analysen oder fehlerhafter Konzepte, sondernweil die Kommunikation nicht stimmt: Botschaften kommen nicht an,Vorschläge werden nicht angenommen und Konzepte nicht verstanden –das Vorhaben stößt auf scheinbar „unbegreifliche“ Widerstände. Zu denklassischen Kommunikationsfehlern wie mangelndem Verständnis derZielgruppenerwartungen oder der schlichten Unfähigkeit „auf den Punktzu kommen“, tritt heute oft noch ein anderer, häufig unentdeckter Grundhinzu, nämlich die mangelhafte Beherrschung und der unangemesseneEinsatz der neuen digitalen Kommunikationswerkzeuge.

In einer Welt, in der Menschen je nach Zeit und Zweck die verschiedenstenelektronischen Kommunikationsmittel nutzen, ist Glaubwürdigkeit aucheine Frage der „Medienempathie“: Wer „Betroffene zu Beteiligten ma-chen“ will – wie es bei Restrukturierungen immer so schön heißt – musstief in die Kommunikationswelt der verschiedenen Zielgruppen eintau-chen. Und nicht nur das. Wir behaupten: Er muss auch darin schwimmenkönnen.

Wer als Strategie- und Restrukturierungberater seinem Kunden Nutzenund Wettbewerbsvorsprung bringen will, sollte die aktuellen Entwicklun-gen also nicht nur auf dem „Radarschirm“ verfolgen, sondern muss auchdie organisatorischen und kulturellen Implikationen für seinen Kundenbewerten und die neuen Werkzeuge angemessen einsetzen.

Utopien sind im Alltag angekommen

„Simsen“, „chatten“, „bloggen“, „twittern“ – wer hätte noch vor wenigenJahren gedacht, welche „Kulturtechniken“ da auf die Menschheit zukom-

Von Andrea Mollenhauer und Hans-Werner Klein

Die „neuen Medien“ bieten neue Möglichkeiten, stellen aber auch neue Anforderungen.Wie reagieren Strategie- und Restrukturierungsberater darauf, und welchen Einfluss habendigitale Medien auf Kompetenzprofil und Glaubwürdigkeit von Führungspersönlichkeiten?

ManagementberatungKeine Angst vor Blogs und Wikis

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KAPITEL II – AKTUELLE TRENDS: MANAGEMENTBERATUNG

Hans-Werner Klein istPartner der mmc AGin Wiesbaden.

CONSULTING 2010

Andrea Mollenhauer istPartnerin der mmc AG in Wiesbaden.

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men? Und zwar nicht nur auf den technikverliebten Teil: Verrichtungenwie die oben genannten sind in kürzester Zeit in den Arbeitsalltag einge-zogen. Wer jungen Profis über die Schulter schaut, mag erschrecken überdie Selbstverständlichkeit, mit der kaum handtellergroße Plastikscheibenauf offener Straße als Kommunikationszentrale fungieren, wie Internet-adressen bei jedweder Frage – auch „mitten in der Pampa“ – Auskunftüber das Wissen der Welt geben und wie Nachrichten serienweise buch-stäblich im Handumdrehen verschickt sind. Kein Zweifel: Die Kommunika-tion mit digitalen Mitteln breitet sich im Tagesablauf immer weiter aus.Dennoch werden diese Instrumente in den Unternehmen nur selten kon-sequent genutzt.

Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten! Die Tabelle auf Seite 58 zeigt eineReihe von Projektbeispielen, bei denen Unternehmen durch den Einsatzder neuen Medien zu neuen Wertschöpfungsansätzen und -strategienund damit Gewinnbeiträgen gelangen können – vorausgesetzt, man be-herrscht nicht nur die Werkzeuge, sondern – viel bedeutsamer – begreiftauch die organisatorischen und kulturellen Implikationen.

Effizienzschub durch neue Kommunikationstechnologien

Die Bedeutung der ehemals sogenannten „neuen Medien“ im Berufsle-ben ist in den letzten drei bis fünf Jahren explosionsartig gewachsen.Nicht nur, weil immer mehr Unternehmen und ihre Mitarbeiter dieseTechniken nutzen, sondern vor allem, weil elektronische Medien ganzneue Möglichkeiten eröffnen: Von virtuellen Projektplattformen bis zuwebgestützten Videokonferenzen, von Corporate Blogs bis zu Krisen-Wikis eröffnet sich eine ganze Welt von neuen Chancen und Lösungen –für den, der sie anzuwenden versteht.

Schon heute sind diese Konzepte und Technologien weit entfernt von mo-discher Vergänglichkeit, und bei aller Unterschiedlichkeit der Ansichtensind sich die Experten in einem Punkt weltweit einig: Es wird nicht langedauern, bis auch diese Kommunikationskonzepte so breit genutzt werdenwie E-Mail und Mobiltelefon. Es sind nur 15 Jahre, aber wer kann sich einLeben ohne Handy, E-Mail und Internet heute noch vorstellen?

Zur Nutzenbewertung ist auch noch ein anderer Vergleich hilfreich: „Web2.0“-Anwendungen, auch „Social Software” genannt, werden nach Exper-tenmeinung einen mindestens ebenso großen organisatorischen Nutzenin Unternehmen und im Projektmanagement haben wie ihre großange-legte Vorgängergeneration, die in Techniken wie Enterprise Resource Plan-ning (ERP), Customer Relationship Management (CRM) oder Supply ChainManagement (SCM) ihre Umsetzung fand. Die „EDV“ der 90er Jahre war

Neue Möglichkeiten der Kommunikation etablieren sich in der Praxis

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zum großen Teil mit hohen Investitionen verbunden, musste aufwen-dig implementiert werden und setzte eine formal stringente Ausrich-tung der Geschäftsprozesse voraus. Es bedurfte glasharter Direktivenvom Topmanagement, um sie durchzusetzen (und außerdem viel Platzim Keller).

Verglichen damit sind die neuen „Web 2.0“-basierten Projektwerkzeu-ge lächerlich billig in der Anschaffung, einfach zu installieren undleicht zu bedienen. Technisch jedenfalls.

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Eine neueDiskussionskultur

entsteht

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Anwendungsbereich/Projektbeispiele Geeignete Web-2.0-Medien Beschreibung

Aufgaben mit breiter Kollaboration; Wikis, Shared Workspaces Ermöglicht die zeitlich ungebundene,z.B. Strategieentwicklung, Wettbewerber- dezentrale Erarbeitung von Inhaltenanalysen, Innovationsmanagement und innerhalb einer Organisation mitProduktentwicklung, Entwicklung mehreren Standorten und vielen gemeinsamer Leitlinien, Beteiligteninternationale Projekte, multidisziplinäre Projekte, Wissensmanagement

Breite Kommunikation; z. B. Vertriebsradio bei Blogs, Podcasts, Videocasts Ermöglicht individuelle, optimierteFlächenvertriebsorganisationen (Versicherung, Kommunikation mit vielen, teilweiseDirektvertrieb), Kommunikation von strategischen unterschiedlichen ZielgruppenNeuausrichtungen und Restrukturierungsvorhaben,Marketing- und Kundenkommunikation, Krisen-management, PR-Aufgaben, interne Mitarbeiter- kommunikation

Umfragen; z. B. Mitarbeiterzufriedenheit, Polling, Predictions Markets, Nutzt kollektives Wissen und die SWOT-Analysen auf breiter Front, Lead User Information Markets Einschätzung einer Community,Integration, Produktentwicklung, Innovations- entwickelt konsensorientierte management, Produkttests Lösungsansätze

Metadaten-Gewinnung; z. B. Geschäftsprozess- Tracking Ergänzt Themenfelder um zusätzlicheanalysen im Supply Chain Management, Käufer- Informationen mit dem Ziel, vorhandeneanalysen, Qualitätsmanagement Informationen zu priorisieren oder

belastbarer zu machen.

Filterung von Informationen; z. B. Wissens- Tagging, Klassifizierung, Verschlagwortung,management, Patentmanagement, Frühwarn- Social Bookmarking, zum effizienten systeme, Balanced ScoreCard RSS Filtering Informationsmanagement

Netzwerkgenerierung; z. B. Clubs, fachliche Network Mapping, Nutzt interpersonelle Verbindungen,Communities innerhalb von Unternehmen wie Social Software um neue Nutzen oder AnwendungenForschung und Entwicklung, Public Relations, zu erschließenProdukteinführung, Integration neuer Mitarbeiter

Projekte werden effektiver durch den Einsatz neuer Medien

Quelle: mmc

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Die organisatorische und kulturelle Managementleistung umfasst hin-gegen viele häufig unkonventionelle Aspekte und die Bereitschaft,

� Bottom-up-Beiträge zu fördern und so wirken zu lassen, dass damiteine Steigerung des Unternehmenswertes einhergeht;

� hierarchische Blockaden zu überwinden;

� halbfertiges Wissen und Vorschläge zu akzeptieren und diese weiterent-wickeln (zu lassen);

� Beiträge zuzulassen, die nicht organisatorisch „abgesegnet“ sind;

� sich als Management mit Führungs- und Fachkompetenz in den Kom-munikationsstrom einzubringen. („Walk the walk“ statt „Talk the talk“)

Wer das alles schafft, hat eigentlich sein Unternehmen schon auf neuenKurs gebracht. Aber Vorsicht ist auch geboten, denn die Risiken, die mitden neuen Anwendungen einhergehen, sind nicht gering: Welchen Ein-fluss haben zum Beispiel Blogs auf das Ansehen eines Unternehmensoder eines Projektes, wenn plötzlich kontraproduktive Diskussionsbeiträ-ge auftauchen? Was kann ein Unternehmen tun, um hier ebenso maß-wie wirkungsvoll zu agieren, ohne den für diese Medien so wichtigenGeist der Community zu zerstören? Welche Kommunikationsstrategien

Risiko für Unternehmer:kontroverse Diskussionen im Internet, Blogs können das Ansehen eines Unternehmensbeeinträchtigen

KAPITEL II – AKTUELLE TRENDS: MANAGEMENTBERATUNG

CONSULTING 2010

Nutzenbewertung von Web-2.0-Anwendungen

Quelle: mmc

Automatisierung von Transaktionen

ERP-, CRM-, SCM-Anwendungen� Nutzer durch Management autorisiert� Nutzer arbeiten nach festen Regeln� Häufig komplexere Technologieinvestitionen

Förderung von Zusammenarbeit und Mitwirkung

Häufig Web 2.0 Tools� Nutzergruppen entwickeln

sich ungeregelt� Nutzer bestimmen und

beeinflussen Inhalte� Technologieinvestitionen

häufig geringfügige Ergänzungen zu bestehen-den Infrastrukturen

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sind bei konfliktbehafteten Themen angesagt? Mit welchen unsichtbarenZielgruppen hat man es zu tun?

Auseinandersetzung mit neuen Medienanwendungen ist unabdingbar

Unter deutschen Managern hört man noch immer die Devise der Distan-zierten: „Wikis, Podcasts, Tagging – alles schön und gut. Aber reicht esnicht, wenn man das Ganze an Experten delegiert?“ Wir denken: nein!Und zwar vorrangig aus zwei Gründen:

Erstens: Moderne Kommunikation ist keine Sache für Technikfreaks. DieZeit ist absehbar, innerhalb derer Medienanwendungen wie Blogs, Video-casts und Wikis so selbstverständlich genutzt werden wie heute Handy,E-Mail und SMS (siehe oben). Die neuen Medienanwendungen werdenzumindest ähnlich große Effizienzschübe und insgesamt ähnlich weitrei-chende Veränderungen bewirken wie Mobiltelefonie und E-Mail.

Zweitens: Professionelle Kommunikation in Projekten ist in erster Linie ei-ne Organisations- und Kulturleistung. Technik – weil immer unaufwendi-ger und simpler – spielt nur noch eine sekundäre Rolle. Viel entscheiden-der ist das Verständnis des Paradigmenwechsels, der mit mit dem Begriff„Web 2.0“ einhergeht:

Den Wandel verstehen oder: 1 Prozent Technik plus 99 Prozent Verhalten

Die konsequente Nutzung der Kommunikationsmedien beeinflusst Or-ganisation, Verhalten und Unternehmenskultur in erheblichem Maße.Das Gefühl von Nähe zum Beispiel, das selbst weitverstreut operieren-de Projektgruppen erfahren, wenn sie im ständigen Messenger-Chatmiteinander stehen (eine Art formloser Dauer-Mini-E-Mail-Kontaktam Bildschirmrand), ist nur noch von der räumlichen Nähe innerhalbeines Zimmers zu überbieten. Twitter und Blogs definieren den Rahmen der persönlichen Sphäre auch in den Unternehmen neu.Die neuen Webwerkzeuge haben – im Gegensatz zu den Ansätzen aus den 90er Jahren – ein starkes „Bottom-up“-Element und ermögli-chen so eine viel breitere Basis an nutzbaren Beiträgen aus den Reihender Mitarbeiter.

„Bottom-up“ ist eigentlich ein zu simpler Ausdruck für die wirkliche Be-deutung dieser Umwälzung: Die Nutzergruppen (die „Communities“)kommunizieren ungeregelt, quasi basisdemokratisch, oft sogar anar-chisch. Das gerade treibt sie an, entfesselt Kreativität und hält die Begeisterung wach. Aber wie geht man als Manager mit diesem Phä-nomen um? Gibt es dafür organisatorische Prinzipien?

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Manager und Strategie-berater müssen sich heute

schon aktiv mit den Kommunikationsmöglichkeitender Zukunft auseinandersetzen

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Mehr als je zuvor müssen Führungskräfte präzisieren, welche Botschaftenfür eine Neuausrichtung einer Strategie oder im Falle einer Unternehmens-restrukturierung zu vermitteln sind, welche besonderen Infor-mationsbedürfnisse die verschiedenen Ziel- und Interessengruppen haben,was ihre wahre Sprache ist und was sie wirklich umtreibt,beängstigt und be-geistert. Manager müssen verstehen, welche Kommunikationsmedien und -kanäle von wem, wann und in welcher Weise präferiert genutzt werden.

Man mache sich dabei auf Überraschungen gefasst: Es prallen möglicherweise Welten aufeinander. Einerseits eine explosionsartige,durch die neuen Möglichkeiten verstärkte, ungeregelte, basisdemokra-tische, „Bottom-up“-Kommunikation – andererseits die vom Manage-mentwillen geprägte, strategische „Top-down“-Botschaft. Wie bringt man diesen Widerspruch sinnvoll in Einklang? Vielleicht ist erauch ein Ausdruck von Friktionen in der Unternehmenskultur? – Das Zulassen von Spannungen sowie Strategien der Transparenz und Beteiligung – es ist ein anstrengender Paradigmenwechsel,mit dem die meisten Unternehmen heute noch erst umzugehen ler-nen müssen.

Was aber sind die neuen Regeln, die „Dos“ und „Don’ts“ der Wikis,Blogs und Tweets? Führungskräfte müssen diese Fragen beantwortenkönnen, wenn die gewollte Wirkung gesichert sein soll. Sie werden keine Lehrgänge dafür vorfinden, und nur wenige Beratungsunterneh-men befassen sich damit. Es bleibt nur der eigene Weg des Lernens,was aber nicht schlimm ist, denn es kommt hier nicht darauf an,etwas „richtig” zu machen. Viel wichtiger ist es, die Qualitäten und Widersprüche dieser neuen Sphäre zu erleben und im Wesen zu verstehen.

Gute Berater sind auch technologisch vorn

Berater sind zuallererst verpflichtet, ihren Kunden Vorsprünge zu ver-schaffen. Das gilt auch für die neuen Werkzeuge der digitalen Kommu-nikation. Begründungen dafür gibt es auf vielen Ebenen.

Nehmen wir zuerst die naheliegendste: Vertrauen und Glaubwürdig-keit eines Beraters gehen mit Kompetenz einher. Wer „weniger kann“ als seine Mandanten, wird es schwer haben, immer auf Augenhöhe zu stehen. Nicht technische Fertigkeiten sind hier gemeint,sondern der souveräne Überblick über Chancen und Risiken, die durch die erhöhte Erreichbarkeit moderner Informationstechnik und deren breite Einsatzmöglichkeiten in der Unternehmensweltentstehen.

Führungskräfte müssen lernen,das Spannungsfeld zwischen der„Bottom-up“-Kommunikationder Mitarbeiter und den eigenenstrategischen „Top-down“-Botschaften zu verstehen

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Ein anderer Grund sind die wachsende Geschwindigkeit und Reichwei-te von Nachrichten aller Art. Zumindest sollte man als Berater wissen,was in Tweets und Blogs so publiziert wird. Noch besser wäre es, denKampf gegen Gerüchte und „unkontrollierbare Informationen“ aktivam Ort der Geschehens aufzunehmen, wobei es einer gewissen Medienerfahrung bedarf, um die Relevanz von Kommentaren und Ver-linkungen richtig einzuschätzen. Nur wer mit diesen Medien lebt, ent-wickelt ein Gefühl dafür, was und welche Quelle ernst zu nehmen ist,wo eine Reaktion erforderlich ist und wo besser nicht.

Noch klarer wird die Forderung nach erweiterter Medienkenntnis beimProjektmanagement. Hier muss die Beraterkompetenz auf jeden Falldie optimierte Einbindung von Onlinemedien umfassen, schon alleine,um Wirtschaftlichkeit zu sichern. Aber auch viele neue Arbeitsmöglich-keiten eröffnen sich.

Ein neues Beraterprofil oder: Das Ende des „Powerpoint-Consulting“

Das klassische Beraterprofil umfasst bekanntermaßen Kategorien wieBranchenkenntnis und Methoden-Know-how, konzeptionelle Fähigkei-ten, Management der Kundenbeziehungen, Team- und Projektmanage-ment und natürlich auch professionelle Kommunikationsfähigkeit. Un-ter „Kommunikationsfähigkeit“ verstehen viele Unternehmensbera-tungsgesellschaften aber noch immer in erster Linie die Fähigkeit zuKunden-, Mitarbeiter- und Teamgesprächen, Eloquenz in Text und Prä-sentation sowie soziale Fähigkeiten wie Selbstwahrnehmung, Empa-thie oder Durchsetzungskraft.

Die Nutzung elektronischer Kommunikationswerkzeuge beschränktsich dagegen vielfach noch auf das bewährte Feld von MS-Office-An-wendungen („Consulting by Powerpoint“). Daneben reicht noch immer– wie Beobachtungen in der Praxis zeigen – die durchschnittliche Web-kompetenz der meisten Unternehmensberater über „unfallfreies Goo-geln“ kaum hinaus.

Das neue Profil des Strategie- und Restrukturierungberaters, wie wir essehen, ist deutlich anspruchsvoller: Auch für Berater wird es unerläss-lich sein, eine SMS von einer MMS unterscheiden zu können, den Ein-satz von Foren und Wikis richtig einzuschätzen, die zeitsparende Funk-tion von RSS-Feeds in Prozesse einzubauen oder den strategisch richti-gen Moment für einen „Chef-Blog“ wahrzunehmen. Akademische Be-trachtungen genügen dabei nicht. Berater müssen selbst mit diesenMedien leben und sich auf die neue Kommunikationskultur einlassen.

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Das Methodenrepertoire der Berater muss künftig

auch die neuen Medienanwendungen

beinhalten

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Nur so werden sie ein Gefühl dafür bekommen, was sie für die Men-schen bedeutet, die täglich aus den jungen Generationen in die Unter-nehmen nachwachsen. Kommunikation ist nicht alles, aber mehr als jezuvor ist alles nichts ohne Kommunikation. Die Auftraggeber könnenund werden verlangen, dass Strategie- und Restrukturierungsberaterihre Kommunikationskompetenz neu definieren und ihre Führungsrolleauch in Kommunikationsfragen unter Beweis stellen. �

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Quelle: Jahrbuch „Consulting 2010“ des F.A.Z.-Instituts für Management-, Markt- und Medieninforma-tionen GmbH, Herausgeber: F.A.Z.-Institut und Dr. Claudia Weise (rubicondo), ISBN 978-3-89981-736-2.Weitere Informationen und Bezug unter www.branchendienste.de