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Streitgespräch Sollte JI abgeschafft werden? Vorreiter auf Abwegen Die Debatte um die EU-Klimapolitik AUSGABE 1 | 2014 FEBRUAR - APRIL CARBON MECHANISMS REVIEW

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Streitgespräch

Sollte JI abgeschafftwerden?

Vorreiter auf AbwegenDie Debatte um die

EU-Klimapolitik

AUSGABE 1 | 2014FEBRUAR - APRIL

CARBONMECHANISMSREVIEW

CARBON MECHANISMS REVIEW2

4 Vorreiter auf Abwegen? EU debattiert klima- und energiepolitischeZiele für 2030

Berücksichtigung nationaler Politikmaßnahmen im CDM

9 E+, E- oder beides?

Entwicklungspotential der CDM-Genehmigungsbehörden

14 Sind die DNAs fit für die Zukunft?

Streitgespräch: 17 Sollte Joint Implementation

abgeschafft werden?

US-Vorschlag zum zukünftigen Klimaabkommen

20 Wie sollte eine faire Lastenteilung aussehen?

Regionale Verteilung 24 PoAs erschließen das

afrikanische CDM-Potential

28 Berlinale im Zeichen des Klimawandels

InhaltF e b r u a r - A p r i l 2 0 1 4

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Liebe Leserinnen und Leser,

wo steht die internationale Klimapolitik? Was muss gesche-hen, welche Veränderungen braucht es, um wieder Dynamikin die Verhandlungen zu bekommen? Diesen viel diskutiertenFragen widmen wir uns in diesem Heft einmal aus einer ganzanderen Perspektive: unsere Autoren haben auf der diesjähri-gen Berlinale zwei Filme zum Thema Klimawandel gesehen.Einer davon portraitiert das Kongressgebäude im japanischenKyoto, das von einem Vertreter des Metabolismus erbautwurde. Wie die Strukturen des Kongresszentrums und der Pro-zess der Verhandlungen zusammenspielen und welche Erklä-rungskraft der Metabolismus für die heutige Klimapolitik ent-falten kann, erläutern die Autoren in ihrem Beitrag im hinte-ren Teil des Heftes.

Zuvor greifen wir aktuelle Entwicklungen der Klimapolitik undihren Bezug zu den Kohlenstoffmärkten auf: wir analysierendas EU-Klimapaket 2030, werfen einen Blick auf die Fallstrickebei der Berücksichtigung nationaler Politiken bei marktbasier-ten Instrumenten und interpretieren die jüngste Submissionder USA für das kommende internationale Klimaabkommen.

Ich wünsche Ihnen im Namen der Redaktion eine anregende Lektüre!

Christof Arens

Carbon Mechanisms Review (CMR) ist ein Fachmagazin für CDM/JI und neueMarktmechanismen. Das Magazin nimmt dabei auch verwandte Themen wie Nationally Appropriate Mitigation Actions (NAMAs) oder Emissionshandelssystemein den Blick. CMR erscheint vierteljährlich in elektronischer Form auf deutsch undenglisch. Alle Beiträge werden vom Herausgeber in einem Reviewverfahren qualitätsgesichert. Vorschläge für Themen oder Artikel nimmt die Redaktion gern entgegen.

Herausgeber: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH Projektteam „JIKO“ Döppersberg 19 42103 Wuppertal

Verantwortlich für den Inhalt: Christof Arens, Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH E-Mail: [email protected]

Redaktion: Christof Arens (Chefredakteur) Thomas ForthLukas HermwilleNicolas KreibichFlorian MersmannWolfgang SterkTimon Wehnert

Bezug: Carbon Mechanismus Review wird ausschließlich elektronisch versandt. Die Aufnahme in den Verteiler ist kostenlos, www.jiko-bmub.de

Layout: www.SelbachDesign.de

Fotos: Titelseite: UNFCCC/Danish Energy Agency Rückseite: obs/MPC Capital Gruppe

Dieses Magazin wird im Rahmen des Projektes„Joint Implementation & Clean Development Mechanism: JIKO“ am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH erstellt (http://wupperinst.org/projekte/details/wi/p/s/pd/429/).Die Redaktion arbeitet unabhängig von der JI-Koordinierungsstelle im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (JIKO).

ISSN 2198-0705

editorial

ANALYSE4

Carbon Mechanisms Review 01/2014

Die EU-Kommission hat am 22. Januar 2014 einenVorschlag für einen integrierten Politikrahmen fürKlima und Energie in der Periode 2020 bis 2030vorgelegt (Weißbuch). Das Selbstverständnis derVorschläge ist eindeutig: Auf dem Weg in eine Low-Carbon-Economy (Roadmap 2050; Dekarbon-isierung) braucht es ein wettbewerbsfähiges undsicheres Energiesystem zur Versorgung aller Kon-sumenten. Die Abhängigkeit von Importen sollzurückgeführt, Wachstum und Jobs gefördert wer-den. Die notwendigen Investitionen benötigeneinen verlässlichen, EU-weiten regulatorischen Rah-men. Ein koordinierter Ansatz zwischen den Mit-gliedstaaten soll dies ermöglichen. Im Mittelpunktstehen die klima- und energiepolitischen Hand-lungsfelder innerhalb der EU.

Am 21. März 2014 soll der EU-Rat über die europäi-schen Klima- und Energieziele für das Jahr 2030 bera-ten. Kommt es zu diesem Zeitpunkt zu einer Be-schlussfassung, wird damit nicht nur ein langfristi-ger Entwicklungspfad der europäischen Klimapolitikfestgelegt, sondern auch die Weichen für die interna-tionale Klimapolitik werden gestellt.

Die Entscheidung über die 2030er Ziele der EU stehtzu einem Zeitpunkt an, zu dem auf die EU noch 10,5%der weltweiten Emissionen entfallen. In 2030 wird,nach jetzigen Prognosen, der EU-Anteil auf 4,8% ge-fallen sein. Dies ist jedoch zunächst nur ein Effekt derweltweit steigenden Emissionen. Inwieweit das2030er Klimaziel der EU diese Tendenz noch verstär-ken kann, steht auf einem anderen Blatt. Trotzdemsollte unstrittig sein, dass die EU in der globalen Ver-antwortung steht - mit ihrem gegenwärtigen und

historischen Emissions-Anteil. Auch angesichts ihrererheblichen Wirtschaftskraft kann sie sich nicht mitdem Verweis auf einen zukünftig „unbedeutenden“eigenen Anteil aus der Verantwortung zurück zie-hen.

Für CMR sind weniger die Fragen der EU-internenklima- und energiepolitischen Ausrichtung von Be-lang (siehe Schaukasten), als vielmehr die internatio-nalen Folgen. Diese Aspekte werden jedoch von derKommission in ihren Vorschlägen weitestgehendausgeklammert.

Die globale DimensionDer Vorschlag der EU-Kommission enthält für 2030ein EU-internes Emissionsminderungsziel von 40%gegenüber 1990, dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls.Dies entspricht der oberen Marge des Zielfensters,dass der IPCC für Industrieländer wie die EU bereitsfür 2020 als angemessen postuliert hatte. Im Rah-men dieses 40%-Ziels sieht die Kommission die Nut-zung von internationalen Zertifikaten nicht vor. Diesist konsequent.

Erst die Vereinbarung ambitionierterer Emissions-minderungsziele in der EU, die deutlich über -40% hi-nausgehen, könnte einen positiven Impuls für dieNutzung von internationalen Zertifikaten hervorru-fen. Diese Grundentscheidung ist angemessen, daein 40%-Ziel

1.) angesichts des zugrundeliegenden Ambitionsni-veaus (s.u.) keine ausreichende wirtschaftliche

Vorreiter auf Abwegen?EU debattier t kl ima- und energiepolit ische Ziele für 2030

Silke Karcher, BMUB, und Thomas Forth

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

Nachfrage nach internationalen Zertifikaten zuerzeugen vermag und

2.) ein mindestens notwendiger Schritt auf demWeg zu einer EU-internen Minderung von 80 – 95% in 2050 ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Vorschläge der EU-Kommission die Nutzung von internationalen Zertifi-katen nicht enthalten und auch die Vorschläge derStrukturreform des EU-ETS nicht erkennen lassen,wie internationale Zertifikate zukünftig genutzt wer-den könnten. Die Option des Linkings von Emissions-handelssystemen, auf das die Kommission verweist,kann nicht die internationale Funktion der Koopera-tion zwischen Industrieländern und Entwicklungs-ländern übernehmen, die dem CDM zugrunde liegt.

Aus internationaler Sicht stellen sich bei den Vor-schlägen zunächst zwei Fragen:

1. Vorbild EU: Kann die EU mit einem 40% Ziel, dassdurch Emissionsminderungen innerhalb das EU-Territoriums erreicht wird, angemessen dazu bei-tragen, die Erderwärmung unterhalb von 2°C zuhalten?

2. Kooperationspartner EU: Bieten die 2030er Vor-schläge eine Basis für die Zusammenarbeit beiminternationalen Klimaschutz?

Vorbildfunktion durch eigene AnstrengungenPolitisch bremsende Argumentationen, die geringereKlimaziele – zuletzt 35% - in die Debatte werfen, ste-hen nicht im Einklang mit dem 2°C-Ziel. Dem gegen-über kann man hingegen weiterhin die Rechnungvon Nicholas Stern aufmachen, und auf die weitaushöheren Kosten der Klimaschäden infolge zu spätenHandelns verweisen. Plausibler als etwaige Erspar-

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Vorbild EU: Parabolrinnen-Technologie zur großtechnischen Solarstromerzeugung

ANALYSE6

Carbon Mechanisms Review 01/2014

Das EU Weißbuch zur Klima- und Energiepolitik 2030Die Vorschläge der Kommission zur Klima- und Energiepolitik der EU für die Periode 2020/30

n EU-intern sollen die THG-Emissionen um 40% gegenüber 1990 gemindert werden.

n Die Aufteilung der Minderungsbeiträge auf ETS und Non-ETS bleibt bestehen.

n Verbindliche nationale Ziele sollen für den Non-ETS-Bereich aufgestellt werden.

n Die Frage der Ambitionssteigerung für die internationale Klimapolitik wird nur angedeutet.

n Das EU-Ziel für den Ausbau Erneuerbarer Energien beträgt mindestens 27% bis 2030.

n Mit Verweis auf die Überprüfung des 2020er Energieeffizienzziels im Juni 2014 auf der Basis der Energieeffizienz-Richtlinie wird die Neubestimmung eines neuen EE-Ziels vertagt.

Auswahl offener Punkte aus deutscher Sicht:

n Ein Klimaschutzziel von mindestens 40% EU-intern ist erforderlich. Eine Ambitionssteigerung mit Blick auf die internationalen Klimaverhandlungen muss in den Beschlüssen zumindest offen gehalten werden.

n Zieltrias aus Klima, Erneuerbare, Effizienz ist nicht gesichert.

n Ein eigenständiges und aus BMUB-Sicht auch verbindliches Energieeffizienzziel ist erforderlich. Dies verbessert die Wettbewerbsfähigkeit und reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten.

n Bei den Erneuerbaren Energien fordert Deutschland ein verbindliches Ziel von 30%. Dabei muss auch die Governance so gestaltet sein, dass jeder Mitgliedstaat einen angemessenen Beitrag leistet. Die Frage der Governance ist im Kommissionsvorschlag noch sehr vage gehalten.

Die strukturelle Reform des EU-Emissionshandels

n Einführung einer Marktstabilitätsreserve ab dem 01.01.2021.

n Füllung der Reserve durch die Verringerung der Auktionsmengen bei einem Überschuss von mehr als 833 Millionen Zertifikaten.

n Erhöhung der Auktionsmenge, wenn der Überschuss unter 400 Mio. Zertifikate fällt.

n Streckung der Rückführung der Backloading-Menge von 600 Mio. Zertifikate auf die Jahre 2020 bis 2022.

Auswahl offener Punkte aus deutscher Sicht:

n Frühere Einführung der Stabilitätsreserve, um die Nachfrageschwankungen auszugleichen.

n Backloading-Menge sollte komplett in die Reserve verschoben werden. Dies trägt letztlich auch zur Ambitionssteigerung vor 2020 bei.

Die Vorschläge der Kommission finden sich in der Navigation unter „2030 framework“ auf http://ec.europa.eu/clima/policies/2030/documentation_en.htm

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

nisse durch „late actions“ sind exorbitant steigende Kostendurch dann notwendigerweise extrem schnelle Minderungen.

Dass schwache Klimaziele in der Zeit bis 2030 auch unnötigsind, zeigt der von der Kommission erwartete Reduktionstandder Emissionen im Jahr 2020, der bereits im Referenzszenario32% beträgt. Dieser Wert wirft einmal mehr Zweifel an der For-mulierung des konditionierten 20% Emissionsminderungs-ziels der EU für 2020 auf. Die EU hatte bekanntlich das 30%-Ziel nicht unkonditioniert beschließen wollen – dies hat diePosition der EU in den internationalen Verhandlungen nichtgerade gestärkt.

Die jetzt vorgeschlagene Reduktionsleistung der THG-Emissio-nen von 32% auf 40%, also von 8% Prozentpunkten in der kom-menden Dekade, ist, nüchtern betrachtet, ebenfalls wenig am-bitioniert. Der in den letzten Monaten immer wieder vorgetra-gene Vorschlag von 35% ist eine Groteske, zeigt aber leider dieSchwierigkeiten bei der Diskussion angemessener Minde-rungsziele. Resümee: auch EU-intern sind 40% letztlichschwach und nur im internationalen Vergleich der bisher vor-liegenden „pledges“ der Vertragsparteien verständlich. Diesführt jedoch umgekehrt auch nicht dazu, dass die EU forderndgegenüber anderen Staaten auftreten kann.

Kooperationspartner für MechanismenDie Vorschläge der EU enthalten zwar de facto keine klare Aus-sage zur Nutzung von internationalen Zertifikaten. Doch ei-nerseits erwartet die Kommission die Einigung auf das 40%-Ziel, andererseits werden internationale Zertifikate auch nachihrer Vorstellung erst bei stärkeren Emissionsminderungszie-len akzeptabel. Sollten die EU-Klimaziele über 40% hinausge-hen, würde sich ggf. im gleichen Maß ein Spielraum für Markt-mechanismen ergeben. Dies wird in den Vorschlägen der Kom-mission nicht weiter ausgeführt. Für die internationalen Kli-maverhandlungen ergeben sich mit der Vorlage des „EU PolicyFrameworks“ für Klima und Energie klare Indikationen für dieEntwicklungsländer: die EU wird nun voraussichtlich nichtmehr als Abnehmer zur Verfügung stehen wird, nachdem siesowohl am stärksten von den internationalen Zertifikaten pro-fitiert, als auch diese am meisten befördert hat.

Das Fehlen einer Nachfrage nach internationalen Zertifikatenwird kaum verstanden werden, da die EU gegenwärtig sowohl

bei den Neuen Marktmechanismen als auch bei den beidenKyoto-Mechanismen JI und CDM Nettoemissionsminderun-gen und Eigenbeiträge der Entwicklungsländer fordert. Hier-für bedarf es aber konzeptionell des Pendants einer Nachfrageaus den Industrieländern. Da die Nachfrage der EU und auchanderer Industriestaaten nicht sichtbar wird, wirkt die Kritikan der fehlenden Nachfrage nach internationalen Zertifikatenin den Klimaverhandlungen blockierend.

In beiden Fragen gehen vom Weißbuch keine starken Impulsefür die Verhandlungen aus. Es fällt schwer, das 40%-Ziel alsambitioniert zu bezeichnen. Hier könnte man noch die 2 Mrd.Überschüsse zitieren, deren Übertrag in die nächste Handels-periode das Ziel real auf 33 – 35% senken würde. Relativiertwird das Ziel zudem, wenn man die Betrachtung nicht nur aufdie Klimaverhandlungen lenkt, sondern auch schaut, was imjeweiligen nationalen Rahmen passiert. Das DIW hat dieseFrage in einem seiner Wochenberichte (Nr. 6, 2014, S. 91 - 108)aufgearbeitet, und warnt davor, dass die EU ihre klimapoliti-sche Vorreiterrolle schon bald verlieren könnte.

Strategisch wäre es gut, wenn die EU ihre Beiträge zum globa-len Klimaschutz im internationalen Vergleich einordnenwürde. Die EU wird die Frage international angemessenerZiele und Kooperationsmöglichkeiten in absehbarer Zeit nochan anderer Stelle diskutieren müssen. Im Vorfeld des Ban KiMoon-Gipfels im September 2014, bzw. bei der Vorlage derverbindlichen Minderungsziele im Vorfeld der Klimakonferenzin Paris, wird die europäische Vorreiterrolle ohne weitergehen-des Engagement nicht mehr zu behaupten sein.

Inwieweit die EU eine Führungsrolle ohne starkes internatio-nales Engagement bei den Marktmechanismen erreichenkann, ist fraglich. Zukunftsfähig werden die Marktmechanis-men klimapolitisch genau dann, wenn sie in der UNFCCC einen erfolgreichen Reformprozess durchlaufen haben. Aller-dings sollte zwei Aspekten Rechnung getragen werden, die inder Verantwortung der Käufer liegen:

1. Die EU sollte die Zulässigkeit von internationalen Zertifika-ten auf bestimmte Sektoren und Projekttypen begrenzen,in denen die Gefahr von „carbon leakage“ und Wettbe-werbsverzerrung nicht besteht. Die Einführung und Erwei-terung der so genannten „use restrictions“ für internatio-nale Zertifikate, die die EU bereits ab der 3.Handelsperiodedes EU-ETS mit dem Ausschluss von HFC- und Adipinsäu-reprojekten ausgedehnt hat, würde zu einem erheblichen

ANALYSE8

Carbon Mechanisms Review 01/2014

Unterschied zur Praxis der 1. Verpflichtungsperiode desKyoto-Protokolls führen.

2. Der Hauptaspekt bei der Nutzung internationaler Zertifi-kate liegt in der Realisierung der Ansprüche, die die EU beider Forderung nach neuen Marktmechanismen stellt. Zielist die klimapolitische Erwirtschaftung von Nettominde-rungseffekten. Die Überwindung des puren Offsettingsführt dazu, dass Entwicklungsländer entsprechend ihrerLeistungsfähigkeit einen eigenen Beitrag bei den zusätzli-chen Emissionsminderungen übernehmen sollen. DiesesGrundkonzept hat aber nur eine Chance, wenn man Nach-frage nach Zertifikaten aus diesem neuen Marktmechanis-mus (und ggf. den Kyoto-Mechanismen mit Nettominde-rungskomponente) schafft, und die EU sich als internatio-naler Kooperationspartner aufstellt.

Die Frage der Nettominderung wird mit der Einführung undNutzung reformierter und neuer Marktmechanismen trans-formiert. Gegenüber dem Verpflichtungssystem des Kyoto-Protokolls kommt es zu Minderungen, die nicht auf die Zieler-füllung der Industrieländer angerechnet werden können. Undgegenüber dem neuen Klimaabkommen führen diese Minde-

rungen zu Nettoeffekten, wenn Minderungen zusätzlich zuden eingegangenen Verpflichtungen beider Staaten erzieltwerden.

Die Bedeutung der europäischen Debatte um den Klima- undEnergierahmen 2030 beschränkt sich somit in ihren Folgen beiweitem nicht auf die EU. Derzeit werden die Weichen für diezukünftige europäische Klimapolitik gestellt. Damit setzt dieEU jedoch zugleich Standards oder zumindest eine Messlattefür die weltweite Ambition. Auch für die Nutzung von Markt-mechanismen ist das Ambitinsniveau der EU ebenso wie ihreBereitschaft, weiter auf diese zu setzen, entscheidend. WennEuropa ambitionierte Ziele vorlegt, besteht Anlass zur Hoff-nung, dass andere es nachtun. Wenn der alte Vorreiter EU sichjedoch aus der Verantwortung zieht, besteht leider wenigHoffnung, dass dies andere als gute Gelegenheit sehen, dieVorreiterrolle für sich zu beanspruchen. Europa sollte sichtrotz seiner kleiner gewordenen Bedeutung seiner Verantwor-tung bewusst bleiben und danach handeln.

Weichenstellung: Die EU setzt mit ihrer Klimapolitik eine Messlatte für weltweiten Klimaschutz

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

Die Frage der Berücksichtigung nationaler Politikmaßnah-men bei der Festlegung der Baseline und dem Nachweis derZusätzlichkeit wird seit den Anfangszeiten des CDM kontro-vers diskutiert. Mit der Weiterentwicklung des Klimaregimesdurch die Aufnahme zusätzlicher Kohlenstoffmarktmecha-nismen und Unterstützungsmaßnahmen für nationale Maß-nahmen wird diese Frage sowohl bedeutender als auch kom-plexer, da ein größeres Potential für Interaktionen zwischenverschiedenen Mechanismen und Politikinstrumentenentsteht. Zugleich könnten die schleppenden Verhandlungenüber neue Mechanismen die Möglichkeit eröffnen, die Gren-zen des CDM auszuweiten.

Bei jeder projektbasierten Klimaschutzmaßnahme unter demCDM besteht die Krux der Emissionsminderungsanalyse in derFestlegung, was unter Abwesenheit des Klimaschutzmecha-nismus oder Anreizes geschehen wäre. Dies beinhaltet die Er-mittlung des geeigneten Referenz-Szenarios (Baseline) für einbestimmtes Projekt sowie die damit verknüpfte Feststellung,ob die Projektaktivität „zusätzlich“ ist. In den Anfangszeitendes CDM stellten Experten fest, dass das Potential für die Ge-nerierung von Certified Emission Reductions (CERs) verringertwürde, wenn bei der Baseline-Erstellung und der Zusätzlich-keitsabschätzung Politikmaßnahmen berücksichtigt werden,die klimafreundliche Technologien fördern (so genannte E- po-licies). Damit wird wiederum ein perverser Anreiz für dieseLänder geschaffen, solche Politikmaßnahmen nicht zu imple-mentieren. Gleichermaßen würden durch die Einführung vonPolitikmaßnahmen, die die Förderung emissionsintensiverTechnologien zum Ziel haben (E+ policies), die Baseline-Emis-sionen und auch die Anzahl der CERs ansteigen. Damit wäreein Anreiz für Gastgeberländer geschaffen, Technologien zufördern, die ihre Treibhausgasemissionen ansteigen lassen.

Aufgrund der Bedenken hinsichtlich „perverser Anreize“ be-schloss das EB, dass weitere Leitlinien darüber, wie und wannPolitikmaßnahmen zu berücksichtigen sind, notwendig sind.Mit der Leitlinie EB22, Annex 3 legte das Board fest, dass „na-tionale und/oder sektorale Politikmaßnahmen und Bedingun-gen bei der Entwicklung des Baseline-Szenarios grundsätzlichzu berücksichtigen sind, ohne dass perverse Anreize geschaf-fen werden, mit denen die Beiträge der Gastgeberländer zurUmsetzung des obersten Ziels der Konvention beeinträchtigtwerden könnten.“ Dies bedeutete, dass neue E+ und E- policiesnicht in das Baseline-Szenario eingehen müssten. Der Stichtagzur Abgrenzung neuer E+ policies wurde auf den 11. Dezember1997 gelegt (dem Tag der Verabschiedung des Kyoto-Proto-kolls), während für neue E- policies der 11. November 2001 fest-

Ber ücksichtigung nationaler Polit i kmaßnahmen im CDM

E+, E- oder beides?Randall Spalding-Fecher, Carbon Limits AS

EB-Definitionen für E+/E- policies

E+ policy: Nationale und/oder sektorale Politikmaßnahmenoder Regelungen, die emissionsintensiveren Technologienoder Treibstoffen einen komparativen Vorteil gegenüber weniger emissionsintensiven Technologien oder Treibstoffenverschaffen.

E- policy: Nationale und/oder sektorale Politikmaßnahmenoder Regulierungen, die weniger emissionsintensiven Technologien oder Treibstoffen einen komparativen Vorteilgegenüber emissionsintensiveren Technologien oder Treib-stoffen verschaffen. (z.B. Staatliche Subventionen zur Förderung der Verbreitung Erneuerbarer Energien oder zurFinanzierung von Energieeffizienzprogrammen).

Quelle: EB22, Annex 3 “Clarification on the consideration of national and/or sectoral policies and circumstances in baseline scenarios (Version 2).”

AUS DER FORSCHUNG10

Carbon Mechanisms Review 01/2014

gelegt wurde (Verabschiedung der CDM Modalities and Proce-dures).

Die Auslegung dieser Leitlinie spielte eine zentrale Rolle beider Kontroverse um die Zusätzlichkeit von CDM-Windprojek-ten in China 2008-2009, in einem Umfeld, in dem sich Einspei-severgütung und andere Subventionen im zeitlichen Verlaufveränderten. Auf EB55 im Jahr 2010 erwog das EB eine Überar-beitung des Leitliniendokuments, beschloss dann jedoch dieFrage der Rolle nationaler Politikmaßnahmen beim Zusätzlich-keitsnachweis nicht weiter zu behandeln, mit Ausnahme derfallweisen Anwendung.

Im Jahr 2012 entschied das Board auf EB70 indes, dass bei derDurchführung von Investitionsanalysen beim Zusätzlichkeits-nachweis die Vorteile einer E- policy (z.B. Einspeisevergütung)nur für die ersten sieben Jahre nach Implementierung der Po-litikmaßnahme ausgenommen werden können. Seitdem hatdas EB auf zahlreichen Treffen kontrovers diskutiert, wie E- po-licies bei der Baseline-Festlegung konsistent berücksichtigtwerden können.

Konzeptionelle und praktische Herausforderungen Die zentrale konzeptionelle Frage besteht darin, wie perverseAnreize für Gastgeberländer, klimafreundliche Politikmaßnah-men nicht durchzuführen, mit dem Risiko der übermäßigenZertifikatsausstattung von Projekten aufgrund großzügigerBaselines austariert werden können. Es ist relativ einfach, dasRisiko der übermäßigen Zertifikatsvergabe zu verstehen, oderzumindest die Veränderungen bei der Baseline-Berechnungund der Zusätzlichkeitsabschätzung zu quantifizieren, die sichdurch die Herausnahme bestimmter finanzieller Anreize ausder Analyse ergeben. Die Literatur zur Zusätzlichkeit im indi-schen und chinesischen Energiesektor greift diese Frage impli-zit auf, indem sie argumentiert, dass es zu erheblichen über-mäßigen Zertifikatsvergaben kam, als CDM-Projektentwick-lern gestattet wurde, vorteilhafte Einspeisevergütungen beider Erstellung der Baseline zu ignorieren (Erickson, Lazarus,and Spalding-Fecher under review; Bogner and Schneider2011). Diese Arbeiten unterscheiden allerdings nicht zwischenden Risiken, die sich durch die mangelnde Berücksichtigungnationaler Politikmaßnahmen und Anreizen ergeben, und an-

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Klimaschädliche Förderung: Die Subventionierung fossiler Energieerzeugung ist ein klassischer Fall einer E+ Policy.

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

deren Problemen der Investitionsanalyse, wie beispielsweisedie Wahl der Bewertungsmaßstäbe (Benchmarks).

Die Bewertung des Risikos perverser Anreize stellt sich weit-aus schwieriger dar. Hinter der Frage des Anreizes steht impli-zit die Annahme, dass beispielsweise die Politikgestaltung zurFörderung Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz in Ent-wicklungsländern unter einem starken Einfluss des Kohlen-stoffmarkts und der UN-Klimaverhandlungen steht. JüngsteStudien zur Politikgestaltung in großen CDM-Ländern deutenjedoch darauf hin, dass andere nationale politische und öko-nomische Fragen aber auch institutionelle Rahmenbedingun-gen einen weitaus größeren Einfluss auf die Förderungen vonMärkten für Erneuerbare Energien haben als der Kohlenstoff-markt (dies gilt allerdings nicht notwendigerweise für alle kli-mafreundlichen Technologien) (Phillips and Newell 2013; He2013; Newell and Bumpus 2012). Interviews mit indischen undmexikanischen Entscheidungsträgern, die im Rahmen der For-schung des CDM Policy Dialogue zu den Auswirkungen desCDM durchgeführt wurden, deuten ebenfalls darauf hin, dassder CDM zwar einen bedeutenden Beitrag leisten mag, jedochnicht der primäre Treiber hinter der Politikentwicklung unddem Wachstum der Erneuerbaren- und Energieeffizienzmärk-ten ist (Spalding-Fecher et al. 2012). In dieser Frage besteht al-lerdings kein allgemeiner Konsens.

Diese Einschätzung gilt allerdings vorbehaltlich der Tatsache,dass die Rolle des CDM bei der Beeinflussung nationaler Poli-tikmaßnahmen je nach Technologie beträchtlich variiert. Bei-spielsweise könnten die CDM-Regelungen bei jenen Technolo-gien mit geringem Zusatznutzen jenseits von Treibhausgasre-duktionen, darunter HFC- und N20- Projekte, eine entschei-dende Rolle bei der nationalen Politikgestaltung spielen. Indiesem Fall verfügt die Regierung nur über wenig andere na-tionale Anreize zur Implementierung der Politikmaßnahme,und sie könnte zögern, Maßnahmen einzuführen, die eine Ver-ringerung der Kohlenstofferlöse nach sich ziehen. Eine zweiteKategorie könnte jene Technologien beinhalten, die nur wenigZusatznutzen (co-benefits) liefern, aber mit höheren Grenzkos-ten einhergehen. Hierunter fielen bestimmte Technologien imBereich der Methanfreisetzung durch Kohleabbau und Müll-deponien, ebenso wie diffuse Emissionen aus der Öl- und Gas-verarbeitung, bei denen das Projekt nicht zu einer zusätzli-chen Energieerzeugung führt. Auch hier würde die Berück-sichtigung aller neuen Politikmaßnahmen bei der Baseline-Er-

stellung abschreckend auf die Durchführung nationaler Poli-tikmaßnahmen wirken, weswegen Ausnahmen für bestimmtePolitikmaßnahmen gerechtfertigt wären. Die dritte Kategoriewürde Technologien mit großen Zusatznutzen umfassen, beidenen eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie primärdurch Anreize außerhalb des CDM vorangetrieben werdenund/oder die reiferen Technologien und Märkte umfassen(Schneider and Morr 2010 p. 17). In dieser Kategorie enthaltenwären Energieerzeugung, Energieeffizienz, und Landwirt-schaftsprojekte. Würden die relevanten nationalen Politik-maßnahmen bei der Baseline-Erstellung ausgeschlossen, wärebei diesen Technologien das Risiko der übermäßigen Zertifi-katsvergabe potentiell weitaus höher als das Risiko eines per-versen Anreizes, klimafreundliche Politikmaßnahmen nicht zuimplementieren.

Eine weitere implizite Annahme der derzeitigen Behandlungvon E- policies ist, dass es methodologisch möglich ist, die Ef-fekte von E- policies zu beseitigen, wenn eine Baseline erstelltoder die Zusätzlichkeit bewertet wird. Dies mag zwar auf di-rekte finanzielle Anreize wie verpflichtende Einspeisevergü-tung zutreffen, im Falle indirekter sektoraler Anreize (bspw. Er-neuerbare Energien Portfolio Standards) wäre dies allerdingsextrem schwierig, für wirtschaftsweite Politikmaßnahmen(nationale Emissionshandelssysteme, Infrastrukturförderpro-gramme) wäre es nahezu unmöglich. Die Erstellung des kon-trafaktischen Baseline-Szenarios ist auch ohne die Bewertungder Effekte von multiplen, häufig kollidierenden Politikmaß-nahmen und Anreizen bereits problematisch genug.

Optionen und AnalyseWas die Möglichkeiten im Umgang mit E- policies anbelangt(siehe Tabelle 1), stellt sich nicht nur die Frage, ob diese bei derBaseline-Erstellung und dem Zusätzlichkeitsnachweis ausge-schlossen werden sollten, sondern auch die Frage nach demwann und wo des Ausschlusses. Die Begrenzung des Aus-schlusses auf direkte finanzielle Anreize (Einspeisevergütungfür Erneuerbare Energien) ist einfacher durchzuführen undbeinhaltet ein geringeres Risiko der übermäßigen Zertifikats-vergabe, da die engere Anwendung bedeutet, dass Länder mitPolitikmaßnahmen, die keine direkten finanziellen Anreizedarstellen, weiterhin perversen Anreizen ausgesetzt sind.Keine E- policy auszuschließen würde sowohl das Risiko derübermäßigen Zertifikatsvergabe als auch das Risiko der Dop-

pelzählung erheblich reduzieren und wäre zudem am ein-fachsten durchzuführen. Allerdings war dies der ursprüngli-che Anlass zur Besorgnis. Die Relevanz dieses Effekts ist natür-lich davon abhängig, wie real der Entscheidungsträger das Ri-siko perverser Anreize in der Praxis und in bestimmten Län-dern und Sektoren einschätzt.

Die jüngste Debatte seit EB70 hat die Option hervorgebracht,bestimmte E- policies für einen begrenzten Zeitraum auszu-schließen. Dies würde das Risiko der Doppelzählung verrin-gern, wenngleich Projektentwickler Bedenken geäußert ha-ben, dass Technologien zur Stromerzeugung durch Erneuer-bare Energien nur wirtschaftlich tragbar seien, wenn die Koh-lenstofferlöse über die gesamte Projektlaufzeit (d.h. 20-30Jahre) anfallen. Durch den Ausschluss von E- policies in be-stimmten Sektoren könnten jene Technologien erfasst wer-den, die nur geringe Zusatznutzen liefern und bei denen so-mit der CDM der primäre Treiber der Maßnahme ist. In Sekto-ren, wo Klimaschutzmaßnahmen hohe Zusatznutzen mit sichbringen, ist der CDM weniger wahrscheinlich der Haupttrei-ber, weswegen es auch unwahrscheinlich ist, dass er zu per-versen Anreizen führt. Das Gleiche lässt sich für den Aus-schluss von E-policies bei bestimmten Ländergruppen konsta-tieren. Hierfür gibt es durch die Regelung zum Zusätzlichkeits-nachweis für micro-scale-Projekte in Least Developed Countries(LDCs) und in Ländern mit weniger als 10 CDM-Projekten be-

reits einen Präzedenzfall. Dies würde allerdings unterstellen,dass das Risiko für perverse Anreize über verschiedene Sekto-ren hinweg in LDCs größer ist, womit der Ausschluss dieser Po-litikmaßnahmen gerechtfertigt wäre. Doch sogar in diesenLändern ist es unwahrscheinlich, dass die Politikgestaltung inSektoren mit großen Zusatznutzen in erster Linie vom CDMgeprägt wird.

Dies gilt in umgekehrter Weise für E+ policies. Da eine neue E+ policy (z.B. Steuererleichterungen zur Erkundung von Öl-oder Gasvorkommen) die Baselineemissionen ansteigen ließe,würde eine Ausnahme dieser Politikmaßnahme nicht nur zuperversen Anreizen führen, sondern auch das Risiko der über-mäßigen Zertifikatsausschüttung nach sich ziehen. Wenn-gleich gewisse praktische Herausforderungen mit der Identifi-zierung dieser Politikmaßnahmen und der Beurteilung ihrerAuswirkungen verbunden sind, könnte deren Herausnameaus der Baseline-Erstellung und dem Zusätzlichkeitsnachweisbedeutende Vorteile bringen.

Ein Blick in die Zukunft der neuenMechanismenWie die oben dargestellte Analyse zeigt, spricht viel dafür, alleE- policies sowohl bei der Baseline-Ermittlung als auch beim

AUS DER FORSCHUNG12

Carbon Mechanisms Review 01/2014

Optionen für den Umgang mit nationalen Polit i kmaßnahmen

Option

Verringerungdes Risikosperverser Anreize

Verringerung desRisikos der

übermäßigen Zerifikatsvergabe

Verringerungdes Risikos derDoppelzählung

Einfachheit derDurchführung

Ausschluss aller E- policiesAusschluss begrenzt auf E- policies mit direktem finanziellem Anreiz

Berücksichtigung aller E- policies

Ausschluss von E- policies: für einen begrenzten ZeitraumAusschluss von E- policies: für bestimmte Sektoren/TechnologienAusschluss von E- policies: bestimmten LändernAusschluss aller E- policies

Berücksichtigung aller E- policies

Zusätzlichkeitsnachweis zu berücksichtigen. Die gesichtete Li-teratur und die Experteninterviews, die ich geführt habe, zei-gen, dass das Risiko für perverse Anreize in zahlreichen Län-dern und Sektoren nicht so groß ist wie ursprünglich ange-nommen, während das Risiko der übermäßigen Zertifikatsaus-gabe beträchtlich ist. Des Weiteren ist mit der Einführungneuer Marktmechanismen und internationaler Unterstüt-zung für Nationally Appropriate Mitigation Actions (NAMAs)ein gesteigertes Potential für die Doppelzählungen von Klima-schutzanstrengungen gegeben, besonders wenn die CDM-Re-geln die Berücksichtigung dieser neuen Politikmaßnahmenausschließen. Es könnten Ausnahmen für spezifische Länder-gruppen oder Technologietypen gemacht werden, diese soll-ten jedoch zeitlich begrenzt sein und auf der Grundlage einerAnalyse beschlossen werden, die den Einfluss des CDM auf In-vestitionsentscheidungen aufzeigt.

Die Festlegung der Baselines für neue Mechanismen, die ge-samte Sektoren abdecken, wird notwendigerweise ein weitausdifferenzierteres Verständnis darüber erfordern, wie beste-hende (und möglicherweise antizipierte oder bald in Kraft tre-tende) Politikmaßnahmen Emissionen beeinflussen. Neue Po-litikmaßnahmen, die nach dem Beginn der crediting periodeingeführt werden, stellten hingegen ein bedeutendes Toolzur Erzielung sektoraler Emissionsreduktionen dar. Die Arbeitzu standardisierten Baselines im CDM sieht sich mit ähnli-chen Herausforderungen konfrontiert und sollte dazu genutztwerden, Tools und Verfahren für diese weitreichendere Base-line-Festlegung zu entwickeln. Zur Verringerung des Risikosder Doppelzählung muss jeder neue Mechanismus über einKorrekturverfahren für handelbare Emissionseinheiten wieCERs verfügen und der CDM sollte all diese Mechanismen beider Baseline-Erstellung und der Zusätzlichkeitsabschätzungberücksichtigen. Des Weiteren sollten die PoA-Regelungen ge-nutzt werden, um zu erforschen, wie die Baseline-Erstellung,der Nachweis der Zusätzlichkeit und MRV in einem gesamtenSektor angewandt werden können.

Weitere Infor mationen: Dieser Beitrag beruht auf einer Forschungsarbeit, die von der Schwedischen Energieagentur beauftragt wurde. Der Endbericht kann herunter geladen werden unter

http://www.energimyndigheten.se/Global/Internationellt/Carbon%20Limits%20-%20National%20Policies%20and%20CDM.pdf

LiteraturBogner, Manuel, and Lambert Schneider. 2011. “Is the CDMChanging Investment Trends in Developing Countries or Cre-diting Business-as-Usual? A Case Study on the Power Sector inChina.” In Improving the Clean Development Mechanism: Le-gal and Institutional Challenges, Michael Mehling, Amy Mer-rill, and Karl Upston-Hooper (Hrsg.). Berlin: Lexxion.

Erickson, Peter, Michael Lazarus, and Randall Spalding-Fecher.im Erscheinen. “Net Mitigation of the Clean Development Me-chanism.” Energy Policy.

He, Gang. 2013. “Engaging Emerging Countries: Implications ofChina’s Major Shifts in Climate Policy.” In Governments’ Re-sponses to Climate Change: Selected Examples From Asia Paci-fic, Nur Azha Putra and Eulalia Han (Hrsg.). Vol. 10. SpringerBriefs in Environment, Security, Development and Peace. Berlin: Springer.

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Schneider, Lambert, and Lennart Morr. 2010. „2010 Rating ofDesignated Operational Entities (DOEs) Accredited under theClean Development Mechanism (CDM). Report for WWF”. Berlin: Oeko Institute. http://www.jiko-bmub.de/files/basisin-formationen/application/download/oekoinstitut_2010_ra-ting_of_doe.pdf

Spalding-Fecher, Randall, Amrita Narayan Achanta, Peter Erick-son, Erik Haites, Michael Lazarus, Neha Pahuja, Nimisha Pan-dey, Stephen Seres, and Ritika Tewari. 2012. “Assessing the Im-pact of the Clean Development Mechanism. Report Commis-sioned by the High Level Panel on the CDM Policy Dialogue”.Bonn: United Nations Framework Convention on ClimateChange. http://www.cdmpolicydialogue.org/research/1030_impact.pdf

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

REPORT14

Carbon Mechanisms Review 01/2014

In der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto Protokolls wur-den in den Entwicklungsländern mit Unterstützung des Kli-masekretariats und einiger Geberstaaten Behörden-Kapazitä-ten zur Implementierung von Clean Development Mecha-nism (CDM)- Projekten aufgebaut.

Das Tempo und der Erfolg des Strukturaufbaus waren in denCDM-Gastgeberländern allerdings sehr unterschiedlich: So ha-ben viele afrikanische Staaten u.a. wegen schwacher Gover-nance-Strukturen eine längere Lernphase gebraucht, um einfunktionierendes Zustimmungsverfahren in ihrem Land fürCDM-Projekte zu entwickeln. Dem gegenüber stehen wirt-schaftlich stärkere Länder, die dank klarerer Verwaltungsfor-men die nötigen Strukturen einer DNA aufbauen und so we-sentlich stärker vom CDM profitieren konnten. Ein gutes Bei-spiel dafür ist Thailand, deren nationale zuständige Behördefür CDM (Designated National Authority, DNA) auch als einClearinghouse für nationale Treibhausgase fungiert.

Clearinghouse Hier bietet die DNA – neben einem transparenten Zustim-mungsverfahren mit Nachhaltigkeitskriterien für die Prüfungvon CDM-Projekten – ein sehr umfangreiches Informationsan-gebot über den Kohlenstoffmarkt an. Beispielsweise fördertsie die CDM-Projektentwicklung, indem sie regelmäßig seit2009 den Emissionsfaktor für die Stromerzeugung in Thailandbestimmt und Unternehmen unterstützt, die die Anerken-nung als CDM-Sachverständiger (Designated Operational En-tity, DOE) erhalten wollen. Zudem informiert sie auch überweitere Finanzierungsmöglichkeiten für Klimaschutzprojekte

im Markt für freiwillige Kompensation und über Projektoptio-nen, die sich durch ein neues Klimaregime ergeben könnten.

Lernkurve droht AbbruchTrotz großer Unterschiede in den Ländergruppen ist allen ge-mein, dass durch den CDM ein Bewusstsein für Klimaschutz-maßnahmen sowie ein Lernprozess für die Implementierungvon Klimaschutzprojekten in Gang gesetzt wurde. Diese Lern-kurve in den Entwicklungsländern droht durch die aktuelleMarktlage und die ungewisse Zukunft des CDM abzuebben,und damit droht in diesen Ländern ein dramatischer Verlustan Know-how zum Klimaschutz.

Ob der CDM und andere Marktmechanismen in dem Klimaab-kommen nach 2020 den Entwicklungsländern zur Verfügungstehen werden, ist noch nicht im Detail vereinbart worden.Denkbar ist jedoch, dass in manchen Ländern neben demCDM noch weitere Marktmechanismen existieren werden, dienational definiert sind oder international vereinbart werden.Diese Länder müssen Know-how und personelle Kapazitätenvorhalten, um die Anforderungen der verschiedenen Stan-dards umzusetzen.

Aber welche konkreten Kompetenzen müssen die Gastgeber-länder in Zukunft aufweisen, wenn sie nationale Offsets, eineninternationalen Kreditierungs- oder Handelsmechanismusund womöglich auch NAMA-Projekte implementieren wollen?Wie kann eine umweltintegere Co-Existenz der verschiedenenMechanismen sichergestellt werden?

Entwicklungspotential der CDM-Genehmigungsbehörden

Sind die DNAs fit für dieZukunft?Malin Ahlberg, Umweltbundesamt / DEHSt

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Das sind relevante Fragen, die im Rahmen der Klimaverhand-lungen und im Rahmen der „Partnership for Market Readiness“(PMR) adressiert werden müssen. Beispielsweise wird bei einerVielzahl von Projekten und Projektdesigns ohne die Mithilfe ei-ner kompetenten nationalen Behörde das Vermeiden von Dop-pelzählung von Emissionsminderungen kaum sichergestelltwerden können. Die internationalen Regelungen müssen vorse-hen, dass die verschieden Projektaktivitäten klar voneinandergetrennt werden und zertifizierte und handelbare Emissions-minderungen nicht zugleich einem nationalen Minderungszielangerechnet werden. Die Gastgeberländer werden mit hoherWahrscheinlichkeit einen Teil der Verantwortung für das Imple-mentieren dieser Regelungen tragen müssen. Zugleich müssensie jedoch auch eine unabhängige Überprüfung zulassen, umdem Anspruch der Integrität gerecht zu werden.

Neue Herausforderungen Für nationale Projekte, die unter UNFCCC den eigenen Minde-rungszielen angerechnet werden sollen, müssen desweiterentransparente Regeln für die Erhebung und Berechnung derEmissionen vorhanden sein. Welche neuen Verantwortungsbe-reiche der zuständigen Behörde für Klimaschutzprojekte zuteil-werden, hängt davon ab, wie die Regelungen für das MRV undAnrechnungen (Accounting) im neuen Klimaabkommen ausge-handelt werden. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Anforde-rungen für die Behörden anspruchsvoller sein werden, als siebisher im CDM waren, da Nettoemissionsminderungen sektor-oder projektweise definiert werden müssen; das heißt, wenn sieein sektorspezifisches Minderungsziel haben und dieses mit einem Marktmechanismus erreichen wollen, müssen dieNettoemissionsminderungen auf die einzelne Klimaschutzakti-vität bezogen werden. Dies erfordert es in dem jeweiligen Land meist noch nicht vorliegende Daten zu erheben und aus-zuwerten.

Zudem ist zu bedenken, dass für die Gastgeberländer mit ei-nem eigenem Cap die Frage der Zusätzlichkeit von Klimaschutz-projekten relevant wird: Falls für nicht-zusätzliche Projekte Gut-schriften ausgestellt werden, ist die Projektaktivität kein Null-Summenspiel, sondern wirkt sich negativ auf das nationaleEmissionsbudget aus. Somit liegt das Sicherstellen der Zusätz-lichkeit im nationalen Interesse, und die Überprüfung wirdnicht nur einem internationalen Gremium wie z.B. dem CDMExekutivrat überlassen werden. Für die Bewältigung dieser Auf-

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Vorbild Thailand: Abwasserbehandlung und Biogasnutzung bei der Palmölerzeugung /CDM-Projekt 4491.

gaben müssen die Gastgeberländer fachliches Know-how aufbauen, wozu einige Zeit eingeplant werdenmuss, ehe sie die notwendigen Anforderungen erfül-len können.

In einem zukünftigem Regime werden die Entwick-lungsländer jedoch nicht nur für eine effiziente Im-plementierung der Klimaschutzprojekte mitverant-wortlich sein. Neben den oben beschriebenen fachli-chen Kompetenzen müssen diese Staaten auch stra-tegische Fragen beantworten können, um eine er-folgreiche Klimaschutzpolitik zu betreiben: WelcherMechanismus ist für welchen Sektor am besten ge-eignet, das Klimaziel zu erreichen? Welche Emissions-minderungen sind mit geringen Kosten zu erreichenund können mit einem unilateralen NAMA umge-setzt werden? Für welche Aktivitäten ist eine finan-zielle Unterstützung notwendig? Um für die Entwick-lung ihres Landes die verschieden Marktmechanis-men und Instrumente optimal einzusetzen, muss diezuständige Behörde vernetzt denken und in die na-tionale Klimapolitik eingebunden sein. Demzufolgewird die Behörde, die für die Anerkennung von Klima-schutzprojekten zuständig sein wird, einen wesent-lich breiteren politischen Verantwortungsbereich ab-zudecken haben, als es die DNAs mit dem CDM der-zeit tun.

Lernfeld CDMAus den Erfahrungen mit dem CDM kann sicherlichgesagt werden, dass nicht in jedem Land die bisherzuständigen Behörden ein solch breites Aufgaben-spektrum leicht umsetzen werden können. Daher istes wichtig, dass zum einem bei den Klimaverhand-lungen darauf geachtet wird, die Fähigkeiten einesLandes realistisch einzuschätzen, damit das neue Sys-tem effektiv und integer umgesetzt werden kann.Zum anderen sollte aber die Zeit bis 2020 genutztwerden, um das Kompetenzniveau der DNAs zu er-halten und weiter auszubauen. Mit dem Sammelnvon praktischen Erfahrungen von sektoralen Ansät-zen sollten sich die Entwicklungsländer auf die Zeitnach 2020 vorbereiten.

Ein Experimentierfeld würde beispielsweise die Ent-wicklung von sektoralen NAMAs bieten, die über dieKlimafinanzierung umgesetzt werden. Aber auch derCDM bietet mit den Konzepten „standardisierte Base-line“ und „Programme of Activity“ bereits Möglich-keiten für eine sektorale Umsetzung von Klima-schutzaktivitäten. Insbesondere bei der Implementie-rung von „standardisierten Baselines“ erfahren dieDNAs, wie ein MRV-System für einen Sektor oder ei-nen Teilsektor aufgebaut wird und was für die regel-mäßige Aktualisierung der Daten zu tun ist. SolcheMaßnahmen tragen dazu bei, dass die personellenKapazitäten in den Ländern aufrecht erhalten wer-den und fachliches Know-how vertieft wird.

Vernetzung erhaltenAbgesehen von den praktischen Erfahrungen solltedie Vorbereitungsphase für das Inkrafttreten desneuen Klimaabkommens auch dazu genutzt werden,in den Entwicklungsländer Denk- und Diskussions-prozesse anzustoßen, die sie darauf vorbereiten, ihreKlimapolitik mit den zur Verfügung stehendenneuen Mechanismen zu gestalten. Für den CDM istdas DNA-Forum ein wichtiges Gremium, in dem sichdie Ländervertreter austauschen und voneinanderlernen können. Dieser internationale Austauschsollte fortgesetzt und ausgeweitet werden auf Fra-gen zur Implementierung von verschiedenen markt-bezogenen Klimaschutzmaßnahmen.

Einige DNAs in den Entwicklungsländern haben be-reits das Potential, sich bis zum Inkrafttreten desneuen Klimaabkommens fit zu machen, um denneuen Anforderungen gerecht zu werden. Für dieLänder, bei denen abzusehen ist, dass dieses Ziel bisdahin nicht erreicht werden kann, müssen Kompro-misse gefunden werden, die deren Kompetenzen an-gemessen sind, aber dennoch einen ambitioniertenglobalen Klimaschutz ermöglichen.

Dieser Artikel ist ein persönlicher Beitrag von Malin Ahlberg.

Die hier wiedergegebene Meinung muss nicht zwingend mit der Meinung des

Umweltbundesamtes oder der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im

Umweltbundesamt übereinstimmen.

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StreitgesprächSollte Joint Implementation abgeschafft werden?Ein Streitgespräch zwischen Anja Kollmuss und Benoît Leguet

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Die Nachfrage nach Kohlenstoffzertifikaten ist gering und ihrePreise sind niedrig. Dennoch dauern die Diskussionen über diezukünftige Nachfrage nach CDM- und JI-Zertifikaten und dieReform beider Mechanismen an. Joint Implementation siehtsich dabei kritischen Fragen nach der Belastbarkeit des Zusätz-lichkeitsnachweises, der Baseline-Erstellung und der Transpa-renz der Methoden ausgesetzt. Zertifikate aus JI-Projekten, dienach 2013 registriert wurden, sind derzeit vom EU-ETS ausge-schlossen.

Welchen Platz könnte ein reformierter JI-Mechanismus nebender potentiellen Verknüpfung bestehender und entstehenderCap-and-Trade-Systeme nach 2020 einnehmen? Sollte JI auchdie Möglichkeit eröffnen, Projekte in einem größeren Maßstab

umzusetzen und größere Teile der Wirtschaft zu erschließen?Sollte die Erschließung ganzer Sektoren über ein upscalingprogrammatischer Ansätze erfolgen oder sollten diese direkterschlossen werden?

Welche Rolle sollte das Konzept der Zusätzlichkeit in Zukunftspielen? Durch die Verwendung von Zertifikaten aus nicht-zusätzlichen Projekten, die in Regionen mit unambitioniertenEmissionsobergrenzen durchgeführt werden, könnte heißeLuft in Regionen mit ambitionierter Klimapolitik gelangen.Damit würden die CO2-Preissignale in den ambitionierten Regionen untergraben. Diese Mitnahmeeffekte würden die gesamte Umsetzung des 2-Grad-Ziels erschweren.

Gemeinsame Umsetzung: Deponiegasnutzung in Polen / JI-Projekt PL 1000060

STREITGESPRÄCH18

Carbon Mechanisms Review 01/2014

Anja Kollmuss

Bei der Ausstellung von JI-Zertifikaten werdennationale Emissionsrechte (Assigned Amount Units,AAUs) stillgelegt. Damit soll die Doppelzählung vonEmissionsreduktionen in Ländern mit Kyoto-Zielenvermieden werden. AAUs sind die Währung desKyoto-Protokolls und besitzen außerhalb des Proto-kolls keinen immanenten Wert. Mit dem Auslaufendes Kyoto-Protokolls können JI-Zertifikate somitnicht mehr länger ausgestellt werden.

Es ist weiterhin unklar, ob wir unter einemneuen Klimaabkommen die umfassenden Regelnund die Accounting-Vorschriften erhalten werden,die wir für die Gewährleistung der Qualität der Zer-tifikate und für die Integrität des Accounting benö-tigen (keine Doppelzählung). Wie wir in einem balderscheinenden Beitrag zur Doppelzählung aufzei-gen, ist es ohne einen Budgetansatz und umfas-sende Accounting-Regeln sehr schwer, die Doppel-zählung von handelbaren Zertifikaten und Emissi-onsreduktionen zu vermeiden.

Track 1 unter Joint Implementation litt unter ei-nem Mangel an Transparenz, internationaler Auf-sicht und Qualität. Dennoch wurden bisher 97% al-ler JI-Zertifikate (Emission Reduction Units, ERUs)unter Track 1 ausgestellt. Über 90% der ERUs wur-den von Russland und der Ukraine ausgestellt.Beide Länder verfügen über sehr hohe AAU-Über-schüsse und haben somit nur einen geringen An-

reiz, konservative Baselines und die Zusätzlichkeitvon JI-Zertifikaten sicherzustellen. Die Bereitschaftzur Verbesserung der Regeln und Verfahren von JIwar bisher sehr gering.

Die Auffassung, dass der AAU-Überschuss beiden Verhandlungen in Doha beseitigt worden sei,ist leider nicht zutreffend. Obwohl in Doha bedeu-tende Fortschritte erzielt worden sind, wurden dieDetails der Regelungen noch nicht verabschiedetund Vertragsparteien mit großen Zertifikatsüber-schüssen haben jeglichen Fortschritt in dieser Frageseither blockiert. Es ist schlicht noch zu früh um zubehaupten, dass die Regelungen aus Doha die Inte-grität von JI verbessern.

Die Vertragsparteien haben sich darauf geei-nigt, einen einzigen Track für JI anzulegen. Aller-dings ähneln die vorgeschlagenen Regeln und Go-vernance-Strukturen für diesen einheitlichen Trackzu sehr jenen von Track 1 und es mangelt an dernotwendigen Stringenz, um die Qualität sicherzu-stellen. So sieht beispielsweise das vom JISC vorge-schlagene Verfahren zur Validierung und Registrie-rung vor, dass die Projektregistrierung ausschließ-lich in den Händen des Gastgeberlandes liegt. EinReview-Verfahren wird lediglich in der Phase derERU-Ausstellung vorgeschlagen. Darüber hinaussind die vorgeschlagenen Regeln, mit denen die Er-stellung konservativer Baselines sichergestellt wer-den soll sowie die Regelungen zur Zusätzlichkeit invielerlei Hinsicht schwach oder unzureichend. Es ist

Die größten Projektkategorien in Westeuropa, Industriegasprojekte, waren bei den früheren Potentialab-schätzungen für JI nicht anerkannt worden. Gibt es noch weitere Überraschungen, was das zukünftige Potential von JI betrifft? Ist es in der jetzigen Situation, die von niedrigen Preisen für Kohlenstoffzertifikategekennzeichnet ist, überhaupt sinnvoll, die zukünftige Rolle von JI zu diskutieren?

Carbon Mechanisms Review hat zwei renommierte Kenner des Mechanismus gebeten, zu diesen und weiteren Fragen Stellung zu nehmen. Anja Kollmuss, ist freiberufliche Wissenschaftlerin und berät dieNichtregierungsorganisation Carbon Market Watch mit Analysen der Kohlenstoffmärkte auf der UN- und EU-Ebene. Sie hat sich unter anderem ausführlich mit der Frage der „Hot Air“ beschäftigt, also überschüssi-ger Emissionsrechte aus osteuropäischen Ländern. Benoît Leguet, ist Leiter der Forschungsabteilung beiCDC Climat, einem Tochterunternehmen der französischen Bankengruppe Caisse des Dépôts, und seit2008 Mitglied des JI Supervisory Committee. Von 2008 bis 2012 war er maßgeblich an der Entwicklung von JI-Projekten in Frankreich beteiligt.

Anja Kollmuss, ist freiberufliche Wissen-schaftlerin, die die NGO Carbon Market Watch durchAnalysen zu Fragen der Kohlenstoffmärkte auf derUN- und EU-Ebene unter-stützt

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sehr unwahrscheinlich, dass die Vertragsparteiengewillt sein werden, JI grundlegend zu verändern,insbesondere angesichts der geringen Nachfragenach JI-Zertifikaten in den kommenden Jahren.

Die ökologische Integrität von JI wurde bishernoch keiner systematische Beurteilung unterzo-gen. Anders als beim CDM hat es bisher nur we-nige Studien gegeben, die die Leistungen und Inte-grität von JI umfassend betrachten. Obwohl zahl-reiche Einzelberichte auf einen Mangel an Integri-tät hindeuten, steht eine unabhängige Untersu-chung noch aus.

Aus all diesen Gründen scheint es wenig rat-sam, die Fortführung von JI nach dem Ende desKyoto-Protokolls zu unterstützen.

Benoît Leguet

Grundsätzlich ist JI ökologisch robuster als derCDM, da die Emissionszertifikate, die unter JI ausge-stellt werden, durch AAUs abgesichert sind. Die öko-logische Integrität des JI-Mechanismus hängt somitmaßgeblich von der sorgfältigen Zuteilung derEmissionsrechte sowie dem politischen Willen ab.

In der Tat, Ländern mit großen AAU-Überschüs-sen, insbesondere Russland und der Ukraine, man-gelt es an wirtschaftlichen Anreizen, die auf ihrTreibhausgasbudget wirken könnten, weswegendiese Länder zu weniger strengen Zusätzlichkeits-anforderungen neigen. Angesichts der Abwesenheitrobuster nationaler Klimapolitiken in diesen Län-dern hat sich JI dennoch als ein effektives Tool erwie-sen, mit dem der Privatsektor zur Beteiligung an Kli-maschutzanstrengungen bewegt werden konnte.Zudem verpflichtete die russische Regierung Pro-jektentwickler dazu, die Erlöse aus JI-Projekten inneue Emissionsreduktionen zu investieren. Damitwurde die ökologische Integrität des Mechanismusgestärkt, wie unsere umfassende Auswertung des JI-Mechanismus aus ökologischer und ökonomischerPerspektive aus 2012 zeigt (Shishlov, Bellassen andLeguet, 2012).

Umgekehrt verfügen Länder ohne komfortableAAU-Überschüsse über den eingebauten ökonomi-schen Anreiz, die richtige Balance zwischen Zusätz-

lichkeit und Transaktionskosten zu finden. Denn beimangelnder Zusätzlichkeit laufen diese Gefahr,mehr als ein AAU pro Tonne zu bezahlen, währendzu hohe Transaktionskosten möglicherweise tat-sächlich zusätzliche Projekte eliminieren könnten.

Um etwaige nicht-zusätzliche Projekte auszu-gleichen, behalten manche Länder einen Teil derökonomischen Rente ein, indem sie Klimaschutzpro-jekten schärfere Baselines vorgeben. Angewandtwurde dieses Verfahren beispielsweise auf Projekte,die die Reduktion von N2O-Emissionen in der chemi-schen Industrie Frankreichs zum Ziel hatten(Shishlov and Bellassen, 2012).

Obwohl die JI-Projektentwicklung in der EU begrenzt war, sind die Auswirkungen des Mechanis-mus weitreichend: JI ermöglichte es, neue Techno-logien zu testen, Vermeidungskosten abzuschät-zen, nationale THG-Inventare zu verbessern undBenchmarks für Emissionsreduktionen zu setzen.

Der Fall der N2O-Emissionen bei der Herstellungvon Salpetersäure zeigt, wie JI zur Festlegung ambi-tionierter Allokationsbenchmarks für die drittePhase des EU-ETS beigetragen hat. Angesichts derauf COP18 in Doha getroffenen Entscheidung, mitder die Möglichkeit der Nutzung von „heißer Luft“effektiv beseitigt wurde (Morel, 2013), scheint dieökologische Integrität von JI durch die Begrenzungdes AAU-Budgets weiter gestärkt worden zu sein.

Immer mehr Länder gehen verbindliche Emissi-onsreduktionsverpflichtungen ein und bereiten sichauf ein neues globales Abkommen im Jahr 2015 vor.Damit werden Instrumente nach dem Muster von JIgegenüber CDM-ähnlichen Instrumenten, die inLändern ohne Emissionsreduktionsverpflichtungenangewandt werden, zunehmend an Bedeutung ge-winnen.

Aus all diesen Gründen scheint es durchaus an-gebracht, die Fortführung von JI sowohl währendder zweiten Verpflichtungsperiode als auch in ei-nem neuen internationalen Abkommen zu unter-stützen.

Benoît LeguetBenoît Leguet ist Leiter derForschungsabteilung bei CDCClimat, einem Tochterunter-nehmen der französischenBankengruppe Caisse des Dépôts, und seit 2008 Mit-glied des JI Supervisory Committee. Von 2008 bis2012 trieb er zudem die Entwicklung von JI-Projektenin Frankreich voran.

Mitte Februar 2014 haben die USA bei der UNFCCCihren Vorschlag für Elemente eines neuen Klima -schutzabkommens eingereicht („Submission“). Auchwenn not wendigerweise viele Fragen offen bleiben,leistet die Submission einen wichtigen Beitrag zumklimapolitischen Agenda Setting bis zur Konferenzvon Paris in 2015. Dieser Artikel untersucht in allerKürze die Vorschläge zur Beteiligung der Ver-tragsstaaten, zur Bedeutung der Marktmechanis-men für das Abkommen sowie zum Einbezug desPrivatsektors in den Klimaschutz.

Das bereits auf der Umweltkonferenz in Stockholm1972 im Kern formulierte Prinzip der gemeinsamen,aber differenzierten Verantwortung entsprechendder Fähigkeiten wurde 1992 auch die tragende Säuleder Klimarahmenkonvention sowie 1997 auch desKyoto-Protokolls. Für die Erfordernisse einer nachhal-tigen, auf die Zukunft gerichteten Klimapolitik ist esderzeit nicht auf die Handlungsebene herunter ge-brochen. Solange in dieser Hinsicht keine Einigung inder Staatengemeinschaft erreicht wird, ist auchkaum damit zu rechnen, dass die grundsätzliche Zu-stimmung der internationalen Staatengemeinschaftzum 2°C Ziel zu angemessenen Maßnahmen führenwird. Wenn in Paris 2015 ein neues Klimaschutzab-kommen beschlossen werden soll, müssen sich allegroßen Emittenten rechtzeitig dem eigentlichen Ver-handlungsproblem stellen: der gerechten Aufteilungder Lasten. Eine zentrale Erfolgsbedingung des neuenKlimaschutzabkommens wird dabei nicht nur die

Rückführung der Emissionen sein. Der neue Vertragmuss zudem die Probleme der vom Klimawandel be-sonders betroffenen Staaten aufgreifen.

„However, we would not support a bifurcated approach …“Vor diesem Hintergrund gelesen, enthält dieUNFCCC-Submission der USA klare Worte zu den Ele-menten eines neuen Klimaschutzabkommens: DieMitteilung durchzieht der Grundgedanke, dass dasneue Klimaschutzabkommen nur funktionierenkann, wenn die internationale Lastenteilung für denglobalen Klimaschutz neu bestimmt wird. DieseGrundaussage entspricht zwar der bisherigen Linieder USA, die dann höflich formuliert im letzten Jahr-zehnt zu einer internationalen und nationalen klima-politischen Zurückhaltung geführt hatte – die klima-politischen Erwartungen an die Obama-Administra-tion waren entsprechend hoch, sind aber internatio-nal noch nicht erfüllt worden. Dennoch sollte mandie neue US-Submission anders lesen. Im weiterenVerlauf der Mitteilung wird deutlich, dass die Idee ei-ner Lastenteilung innerhalb der Staatengemein-schaft aus Sicht der USA in Bälde konkrete Formenannehmen könnte.

ANALYSE 20

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US-Vorschlag zum zukünftigen Klimaabkommen

Wie sollte eine faire Lastenteilung aussehen?Thomas Forth

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Die USA setzen darauf, dass bis zur Klimakonferenz inParis ein neues, gemeinsames Verständnis erzieltwird: nämlich dass die Aufteilung der Welt in diezwei Lager, das der entwickelten Länder und das derEntwicklungsländer, als ungeeignet angesehen wird,um die Probleme des globalen Klimaschutzes in denGriff zu bekommen. Diese Zweiteilung möge, so derTenor der Submission, zur Zeit der Klimarahmenkon-vention 1992 Sinn gemacht haben, aber sie sei für dieZeit nach 2020 nicht denkbar. Angesichts dramati-scher und weiter fortschreitender Veränderungender Verteilung der nationalen Treibhausgasemissio-nen und einer deutlich erhöhten Wirtschaftskraft un-ter den Entwicklungsländern, ist nach Ansicht derUSA diese Position völlig unhaltbar.

Gleichzeitig bestätigen die USA aber die Gültigkeitdes Prinzips der „common but differentiated respon-sibilities and respective capabilities“ (CBDR/RC) undsprechen sich aufgrund der veränderten Weltlage da-für aus, dass alle Länder Verpflichtungen in unter-schiedlichem Maß übernehmen sollen. Die Beiträgeder einzelnen Vertragsstaaten dürfen aus Sicht derUSA aufgrund verschiedener Faktoren in ihrer Tiefe

abweichen. Solche Faktoren könnten gemäß der Sub-mission etwa die nationalen Umstände, der Grad derEntwicklung, die Minderungsmöglichkeiten und dieLeistungsfähigkeit sein.

Die einzelnen Vertragsstaaten bestimmen ihren Bei-trag anhand der von ihnen selbst bestimmten Rele-vanz der Indikatoren. Die Beiträge sollen jedoch deut-lich über das Maß der allgemeinen Festlegungen inder Konvention hinausgehen, quantifiziert sein undeinem gemeinsamen Zeitplan folgen. Länder, diedazu noch nicht fähig sind, sollen ihre Beiträge quali-tativ festlegen, wie zum Beispiel Politiken im Energie-sektor oder dem Bereich der Landnutzung.

Insgesamt könne dies zu unterschiedlich starken Ver-pflichtungen in den verschiedenen Sektoren und Be-reichen führen. In diesem Zusammenhang sprechendie USA von „external financing“ für die Entwick-lungsländer, das nach 2020 weitergehen wird, soferndiese Länder gute Rahmenbedingungen („enablingenvironments“) setzten und ambitionierte Aktivitä-ten ergriffen.

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Kohlekraftwerk in Russland: Wie können die Klimaschutzan-strengungen fair verteilt werden?

Die Vertragsstaaten sollten, wenn sie dem neuen Ab-kommen beitreten, ihren Aufgabenkatalog (die Sub-mission spricht vom „schedule“) darlegen, der auchdie internationalen Beiträge zum Klimaschutz („con-tributions“) enthalten soll. Der Aufgabenkatalog un-terscheidet sich für einige Länder aber im Verständ-nis der Submission noch von der Festlegung von Bei-trägen eines Landes zum globalen Klimaschutz. „Ex-ternal support“ (Klimafinanzierung) sollen auch Län-der erhalten können, die noch keine Festlegung glo-baler Beiträge zum Klimaschutz vorgenommen ha-ben.

Mit diesen Aussagen wird die grundsätzliche Struk-tur eines Abkommens angesprochen, in denen alleStaaten sich mit Beiträgen zum globalen Klima-schutz einbringen. Diese Beschreibung entsprichtletztlich der Linie fast aller klassischen Industriestaa-ten und stellt so etwas wie eine gemeinsame Grund-überzeugung dieser Staatengruppe dar. Aber ob aufdieser Linie eine Einigung in Paris 2015 erreicht wer-den kann, wird davon abhängen, ob substantielle Bei-träge dieser Staatengruppe zur Emissionsminderungund in den anderen Kooperationsfeldern (vor allem

in der Klimafinanzierung) geleistet und im Vorfeldvon Paris mit ausreichender Verbindlichkeit den an-deren Staatengruppen signalisiert werden. Die USAhaben hier bekanntlich ein Nachholproblem. Aberauch die Europäische Union tut sich derzeit schwermit der Vereinbarungen eines angemessenen EU-in-ternen Klimaziels.

„If a party intends to usemarket mechanisms …“Das Thema Marktmechanismen wird in der Submis-sion lediglich indirekt behandelt. Folglich werdenauch keine Aussagen zur Reform der Kyoto-Mecha-nismen oder zur Entwicklung neuer Marktmechanis-men an dieser Stelle getroffen. Die Funktion, die denMarktmechanismen in der Submission zugeschrie-ben wird, liegt im Beitrag zur Erreichung des Emissi-onsminderungsziels eines Landes. Im Weiteren wirdnicht zwischen verschiedenen Ländergruppen unter-schieden. Die Nutzung von Marktmechanismen liegtin der Entscheidung des Landes, soll aber bereits vor-her im Rahmen der Meldung der Beiträge zum globa-len Klimaschutz spezifiziert werden, einschließlichder Vorkehrungen zur Vermeidung von Doppelzäh-lungen.

In ihrer Submission unterscheiden die USA, unabhän-gig von der Zugehörigkeit zu einer Ländergruppe,auch nicht zwischen Käufer- und Verkäuferstaaten.Ebenso wenig werden Fragen wie Zusätzlichkeit derMinderungsmaßnahmen, Nettoemissionsminde-rungseffekte und Eigenbeiträge der Gastländer ange-sprochen. Im extremsten Fall könnten solche Mecha-nismen inventarbasiert den Charakter eines AAU-Handels annehmen. In einem solchen Fall wärenauch Regeln für Mechanismen im Rahmen derUNFCCC bzw. unter dem neuen Klimaschutzabkom-men überflüssig. Sollten in ein bis zwei Jahrzehntenweltweit die Inventare, die Registrierungssysteme,verlässliche Anrechnungsregeln und die Berichter-stattung aufgebaut und eine solide Qualität aufwei-sen, wäre dies tatsächlich ein gangbarer Weg.

ANALYSE22

Carbon Mechanisms Review 01/2014

Marktbasierte Instrumente können die nachhaltige

Entwicklung unterstützen: Solar Home System in Bangladesh

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Das Hauptproblem der Nutzung von Marktmecha-nismen liegt in einer genaueren Bestimmung derVerknüpfung mit den globalen Klimaschutzbeiträ-gen der einzelnen Länder und die Frage, wie verbind-lich Regelungen der Marktmechanismen auf derUNFCCC-Ebene vereinbart werden können. Zu dieserFrage wird auch von den USA dann noch an andererStelle Input erwartet.

“The Copenhagen goal ack-nowledges the role of privatesector finance by calling formobilization, rather than provision, of funds.”Mit den Kyoto-Mechanismen CDM und JI wurden inbeachtlichem Maße die Fähigkeiten des Privatsektorsmobilisiert. Ein zumindest im CDM deutlich verbes-sertes Überprüfungssystem stellt die Zusätzlichkeitder Emissionsminderungsmaßnahmen weitgehendsicher und bildet einen Maßstab für neue Mechanis-men, ob Marktmechanismen oder im Bereich der Klimafinanzierung. Derzeit scheint die Zusätzlichkeitdieser Maßnahmen aber nicht wirklich gesichert.

Wenn man die oben zitierte Formulierung der USAzu Kopenhagen aufgreift, stellt sich die Frage, wie dieGelder vom Privatsektor aufgebracht werden und wiesie zu zusätzlichem globalen Klimaschutz führen.Hier nennen die USA die klassischen Instrumente in-ternationaler Finanzierung wie Entwicklungshilfe,Exportkredite, Einrichtungen der bilateralen Hilfe,multilaterale Entwicklungsbanken und multilateraleKlimafonds. Aus den öffentlichen Finanzen der Kli-mafinanzierung soll ein Gutteil zur Mobilisierungprivater Mittel eingesetzt werden. Die USA sehen diesals Trend, der fortgesetzt werden soll: Die Hebelungvon privaten Mitteln durch öffentliche Mittel; dieHerstellung von Transparenz als MRV der Klimafinan-zierung. Die wichtigen Fragen seien von wem, wie-viel, in welchem Zeitraum und zu wem die Mittel fließen würden.

Qualitativ wird zudem auf Seiten der Empfängerlän-der ein „enabling environment“ geschaffen werdenmüssen. Die Aufnahme der Mittel an der richtigenStelle sei zentral, um die Klimafinanzierungsmittelplatzieren zu können. Dies ist sicherlich „commonsense“ auch aus den Erfahrungen der klassischenEntwicklungspolitik: Was fehlt, ist leider die Frage derZusätzlichkeit der Mittel und die Frage, wie denn dieVerwendung der Mittel tatsächlich zu zusätzlichemKlimaschutz führt. Für den Minderungsbereich wä-ren hier Anleihen aus der Verbesserung der CDM-Me-thoden, der Lernkurve des „additionality tools“, demNutzen von benchmarks sowie der Suche nach geeig-neten Indikatoren für ein result-based finance hilf-reich.

Die Rede von Anleihen aus dem Bereich bestehenderMechanismen meint dies auch tatsächlich. Es kannaber nicht darum gehen, die verschiedenen Toolsetwa des CDM eins zu eins zu übernehmen. Auch dieStrukturen und Institutionen müssen überdacht wer-den. Fatal wäre, nur alles einfach über Bord zu werfenoder gar parallele Strukturen aufzubauen. Die ent-scheidende Herausforderung für den Einbezug derPrivatwirtschaft ist aber die Frage, wie denn die Ei-gendynamik der Marktwirtschaft und das wirtschaft-liche Verhalten von Unternehmen für Klimaschutz-maßnahmen mobilisiert werden kann. Dies ist einegänzlich andere Herausforderung als Unternehmenüber staatliche oder multilateral geprägte Ausschrei-bungen zu beteiligen.

Die US-Submission zu den Elementen des 2015er Abkommens sollte nicht nur mit Interesse aufge-nommen werden, sondern es sollten ihre inhärentenKonsenspotenziale auch außerhalb der regulärenVerhandlungsrunden ausgelotet werden.

Weitere Informationen:

Die US-Submission kann herunter geladen werdenunter http://unfccc.int/files/documentation/submis-sions_from_parties/adp/application/pdf/u.s._sub-mission_on_elements_of_the_2105_agreement.pdf

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In der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls hatder CDM den afrikanischen Markt weitgehend ignoriert.Lediglich Südafrika und einige nordafrikanische Staatenwaren darin erfolgreich, CDM-Investitionen in größerem Um-fang anzuziehen. Insgesamt lag der Anteil afrikanischer Pro-jekte an allen registrierten CDM Projekten unter drei Prozent.Dieser Wert hat sich seit den Anfängen des Mechanismus niewesentlich verändert.

Einer der Gründe, warum die durchaus vorhandenen CDM-Potentiale in Afrika durch den CDM nicht erschlossen werdenkonnten, ist, dass ein Großteil dieses Potentials in Form voneher kleinteiligen Klimaschutzmaßnahmen besteht. Es hatsich gezeigt, dass der konventionelle CDM diese Art von Poten-tial nur unzureichend adressieren kann. Dies liegt vor allenDingen an den aufwändigen administrativen Anforderungenan die Erstellung der Projektdesigndokumente, die Validierungdes Projektes bis hin zur Registrierung.

Dieser Prozess erzeugt für die Projektentwickler hohe Kostenund ist im Wesentlichen unabhängig von der Größe des Pro-jektes. Je kleinteiliger die Projekte sind, desto verhältnismäßighöher sind die Transaktionskosten. Bis dato überwiegen des-halb auch auf dem afrikanischen CDM-Markt die großmaß-stäblichen CDM-Projekte: Zwei Drittel aller CDM-Projekte wen-den large-scale Methoden an und nur ein Drittel verwendetsmall-scale Methoden. Überhaupt nur zwei Projekte greifenauf micro-scale Potenziale zurück (alle Daten: Stand Dezember2013).

Bewegung in der PoA-PipelineDas Instrument der CDM-Programme, der so genannten Pro-grammes of Activities (PoAs), erlaubt es, eine Reihe von Maß-nahmen in Programmen zu bündeln. So lassen sich die Trans-aktionskosten für jede einzelne Reduktionsmaßnahme deut-lich senken, denn nur das übergeordnete Programm, nichtaber jede einzelne Projektkomponente muss den vollständi-gen Validierungs- und Registrierungsprozess durchlaufen.

Die Regelung des EU-Emissionshandels, dass nach 2012 nurnoch Zertifikate von neuen Projekten zugelassen werden, diein Least Developed Countries (LDCs) angesiedelt sind, hat sicher zu dem deutlichen Anstieg registrierter Projekte beige-tragen, der bis Ende 2012 zu bemerken war. In 2012 wurdenauch die ersten PoAs in afrikanischen LDCs registriert.

Ein Instrument für den afrikanischen KohlenstoffmarktErfreulich ist, dass auch nach dieser durch die EU gesetztenDeadline eine positive Entwicklung bei den PoAs zu beobach-ten ist: In afrikanischen LDCs sind seither noch zehn weiterePoAs registriert worden, im restlichen Afrika noch zehn wei-tere. Mit 71 von weltweit insgesamt 239 PoAs ist der Anteil afri-kanischer PoAs mehr als zehn Mal so groß wie beim konventio-nellen CDM (29,7 %). In der Tabelle auf Seite 26 sind die afrika-nischen Länder aufgelistet, in denen PoAs registriert sind.

Dieser positive Trend spiegelt sich auch im Anteil der kleintei-ligen Projekttypen wieder. Von den 167 unter afrikanischen

PRAXISBERICHT 24

Regionale Ver tei lung

PoAs erschließen das afrikanische CDM-PotentialLukas Hermwille, Miriam Faulwetter, Beraterin des BMUB, Martin Burian, GFA Consulting Group

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PoAs registrierten Projektkomponenten (CPAs) sind mehr als84 Prozent small-scale Aktivitäten und insgesamt 22 Prozenterschließen micro-scale Potentiale.

Neu ist auch, dass eine Reihe von PoAs länderübergreifend an-gelegt sind. Insgesamt sind 15 PoAs für mehr als ein Gastge-berland gültig. Vielfach ist aber noch nicht in allen Ländernein CPA registriert. Länder, die zwar an einem länderübergrei-fenden PoA teilhaben, aber in denen bisher noch keine eige-nen CPAs registriert sind, sind Angola, Botswana, Guinea-Bis-sau, Kamerun, Kongo, Lesotho, Liberia, Namibia, Niger, SierraLeone, Sudan, Swasiland und Zimbabwe.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau undReaktorsicherheit (BMUB) fördert durch verschiedene Maß-nahmen die Verbreitung des programmatischen Ansatzes - alsZwischenschritt zu breiter angelegten sektoralen oder natio-nalen Minderungsmaßnahmen. Zentral ist hier unter ande-rem das durch die KfW umgesetzte PoA Support Centre, dasseit 2008 durch Finanzierungsbeiträge ausgewählte PoAs inder Entwicklung und Vermarktung unterstützt. Bis heute wur-den 49 PoAs finanziell unterstützt. Seit 2011 fördert zudem diedurch das BMUB ins Leben gerufene Stiftung „Zukunft desKohlenstoffmarktes“ mit insgesamt 10 Millionen Euro durchgrößervolumige Anschubfinanzierung innovative und in dieKlimapolitik der Gastländer eingebettete PoAs.

Aufgrund des spezifischen Emissionsprofils der am wenigstenentwickelten Länder des afrikanischen Kontinents wurde einegroße Anzahl von CDM-Programmen im Bereich der energieef-fizienten Kochherde entwickelt. Haushaltsenergie spielt einezentrale Rolle sowohl für die Emissionsreduzierung als auchfür die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerungin diesen Ländern. Doch werden vor dem Hintergrund derAusdehnung des PoA-Gedankens zunehmend auch Pro-gramme in anderen Bereichen entwickelt und umgesetzt.

Energieeffizienz in der StromübertragungEines dieser ungewöhnlichen PoAs entwickelt Energy and In-formation Logistics (EiL) Ltd. mit Sitz in Uganda und Sim-babwe: Ziel ist die Etablierung eines neuartigen Geschäftsmo-dells zur Reduktion der Stromverluste im südlichen Afrika.

Die Stromverluste sollen durch die Installation von Anlagenzur so genannten Blindleistungskompensation reduziert wer-den. Dies adressiert ein weit verbreitetes Problem im südli-chen Afrika: Das Verteilungsnetz basiert auf Wechselstrom, industrielle Stromverbraucher nutzen aber häufig Endgeräte,die auf Gleichstrom basieren (z.B. Elektromotoren oder Re-chenzentren). Werden die Frequenzen des Verteilungsnetzes

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

Anteil Afrikas an der weltweiten Pipeline konventioneller CDM-Projekte (links) und an der PoA-Pipeline. Quelle: UNEP RISOE

nicht mit den Frequenzen der Endgeräte harmonisiert, so pro-duziert eine industrielle Anlage mit einem niedrigen Leis-tungsfaktor, es entsteht die so genannte Blindleistung. Anla-gen zur Blindleistungskompensation harmonisieren die un-terschiedlichen Spannungen, reduzieren Verluste und stellendaher eine effiziente Stromversorgung sicher.

Blindleistungskompensation ist eine erprobte Technologie,eine Anwendung im südlichen Afrika sieht sich jedoch mit er-heblichen Barrieren konfrontiert: Industrielle Anlagen operie-ren weitgehend nach produktionsgebundenen Leistungszah-len und Energieeffizienz hat einen niedrigen Stellenwert. Zudem werden Investitionen in Energieeffizienz mit langer

Lebensdauer durch hohe Kapitalkosten und zweistellige Darle-henszinsen erschwert.

Um diese Energieeffizienzpotenziale zu erschließen, sieht dasGeschäftsmodell vor, dass EIL in Anlagen zur Blindleistungs-kompensation investiert und diese bei industriellen Stromab-nehmern installiert. So werden durch Stromeinsparung nichtnur Emissionen gemindert, sondern auch Kosten reduziert.

Jedoch ist dieses Geschäftsmodell finanziell nur durch zusätz-liche Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten(CER) tragbar. Mit Unterstützung des KfW PoA Support Cen-tres und beraten durch die GFA Consulting Group wird EiL im Laufe des Jahres 2014 ein CDM PoA mit je einem CPA inUganda und in Simbabwe entwickeln. Die Stromersparnis derCPAs wird auf 25.29 GWh pro Jahr geschätzt. Die Entwicklungder Baseline wird u.a. auf der ersten vom CDM Exekutivrat anerkannten standardisierten Baseline für das Stromnetz im südlichen Afrika basieren.

Das Gesamtpotential für die Stromersparnis ist erheblich undwird alleine für Uganda auf 306 GWh pro Jahr geschätzt. Die Implementierung erster Pilotanlagen ist für Ende 2014 geplant.Ziel ist es, neben der Emissionsminderung einen Beitrag zur Ver-sorgungssicherheit, zur ökonomischen Entwicklung der Regionsowie zu einer umweltverträglichen Entwicklung zu leisten.

Für das PoA existiert eine ausgereife Project Idea Note. Derzeitläuft eine Anfrage an das Klimasekretariat, um Fragen hinsicht-lich der Anwendung einer Methode zu klären. Mitte 2014 sollder erste Entwurf für das Project Design Document vorliegen.

Sauberes Wasser in Haushaltenund SchulenImpact Carbon entwickelt dagegen ein ganz anderes PoA inUganda und Ruanda, mit dem durch effiziente Wasserfilte-rungsansätze Emissionen gegenüber der Baseline eingespartwerden.

Weltweit haben 1,1 Mrd. Menschen keinen Zugang zu saube-rem Trinkwasser, auf dem afrikanischen Kontinent sind es 40 Prozent der Bevölkerung. Üblicherweise wird Trinkwasserdurch Abkochen generiert. Da hierfür in den meisten FällenBiomasse genutzt wird, hat dies eklatante Auswirkungennicht nur auf Luftqualität und Gesundheit, sondern auch auf

REPORT26

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Übersicht der PoAs und zugehörigen CPAs in AfrikaCountries PoAs CPAs

Ägypten 2 4Äthiopien 2 5Burkina Faso 1 0Elfenbeinküste 1 2Ghana 4 6Kenia 13 24Madagaskar 1 23Malawi 2 3Marokko 3 3Mozambik 0 2Nigeria 3 9Ruanda 3 5Sambia 2 5Senegal 2 2Südafrika 29 51Tansania 1 1Togo 0 1Tunesien 1 8Uganda 3 13

Multinationale PoAs werden nur in dem Land gezählt, dass feder-führend die Unterlagen eingereicht hat. CPAs in multinationalenPoAs werden dem jeweiligen Gastgeberland zugerechnet. Quelle: Wuppertal Institut auf Basis von UNEP Risø.

Waldbestände und den Klimaschutz. Entsprechend habenauch die ugandischen und ruandischen Regierungen ein poli-tisches Interesse, sich dieses Themas anzunehmen.

Die Hauptbarrieren für die Einführung moderner Filtertech-nologien bestehen in mangelnden Finanzierungsmöglichkei-ten und fehlendem Bewusstsein bzw. fehlenden Kenntnissenin der Zielgruppe. Dies ist der Ausgangspunkt für Impact Car-bon, Haushalte und Schulen im Rahmen des PoA „Safe WaterAccess“ durch zinsfreie Darlehen sowie Ausbildungsmaßnah-men zu den Vorzügen der Filtersysteme zu unterstützen. Lang-fristiges Ziel ist die Schaffung eines eigenständigen Marktesfür diese Technologien. Entsprechend werden auch für die Filter Marktpreise erhoben, anstatt diese kostenlos in der Bevölkerung zu verteilen.

Diese Einnahmen tragen bereits zu einem Teil der Programm-finanzierung bei. Einkünfte aus dem Verkauf von Kohlenstoff-marktzertifikaten sollen Finanzierung, Schulungen und Mar-keting subventionieren und so die Ausbreitung der Aktivitä-ten verstärken und Märkte etablieren helfen. In dem geplan-ten PoA werden unterschiedliche Wasserfiltersysteme fürHaushalte und Schulen vertrieben, die je nach lokalem Kon-text und Bedürfnissen (z.B. Schulgrößen, Elektrizitätszugang,Wasserqualität etc.) ausgewählt werden können.

Pilotprogramme in Haushalten und Schulen wurden inUganda und Ruanda bereits seit 2012 umgesetzt. Die institu-tionelle Komponente - in Schulen - wurde dabei als Option mitdem größten unmittelbaren Potenzial identifiziert. Gemein-sam mit Kiva, einer Mikrofinanzierungsinstitution, wird dieserArbeitsstrang derzeit ausgedehnt, während die Haushalts-komponente parallel weiter vorbereitet wird. Weitere Finan-zierung ist jedoch notwendig, um die Aktivitäten in beidenKomponenten auszuweiten.

Bis heute wurden 30 Filtersysteme in Schulen installiert. Mo-nitoringergebnisse zeigen eine hundertprozentige Zufrieden-heit dieser Schulen, weitere 70 Schulen haben bereits ihr Inte-resse angemeldet. Allein in der auf Schulen fokussierten Kom-ponente betragen die geschätzten Emissionsminderungenüber einen Zeitraum von sieben Jahren bis zu 609.000 tCO2e.Bis zu 3 Millionen Personen könnten dadurch erreicht werden.Das PoA wurde mit Unterstützung des KfW PoA Support Cen-ters entwickelt und befindet sich derzeit in Validierung, eineRegistrierung bis Mai 2014 wird angestrebt.

Das Programm zeichnet sich unter anderem durch die beson-dere politische Komponente sowie die starken Nachhaltig-keitseffekte aus. Die derzeitigen niedrigen Preise auf dem Koh-lenstoffmarkt sind natürlich ein erschwerender Faktor für dasGeschäftsmodell, mit dem Kredite, Schulungen und Marketingfinanziert werden sollen. Diese sind notwendig um sicherzu-stellen, dass das Programm durch die Schaffung lokalerMärkte langfristig auch ohne Einkünfte aus dem Kohlenstoff-markt funktionieren kann. Doch hat das Projekt aufgrund sei-ner hohen Nachhaltigkeitseffekte und der Gold Standard-Zer-tifizierung gute Chancen, Abnehmer auf dem freiwilligenMarkt oder im Rahmen von Ankaufprogrammen verschiede-ner internationaler Geber zu finden.

Ausblick Der Blick auf die CDM-Pipeline zeigt, dass PoAs gut geeignetsind, die Klimaschutzpotentiale auf dem afrikanischen Konti-nent zu erschließen – und dass sie dem konventionellem CDMin Afrika überlegen sind. Es hat lange gedauert, bis die institu-tionellen Strukturen so weit gediehen und ausreichende Er-fahrungen gesammelt waren, damit PoAs in größerem Um-fang marktfähig wurden. Dieser Punkt ist nun überschritten.

Auch wenn der Blick auf die beiden portraitierten PoAs Grundzum Optimismus bietet, bleibt die Frage offen, wie es für vieleandere der registrierten und geplanten PoAs angesichts derniedrigen weltweiten Kohlenstoffpreise weitergeht. Trotz derschwierigen Marktlage wurden auch im vergangenen Jahrnoch neue PoAs registriert. Allerdings wurden zumindest aufdem afrikanischen Markt noch keine CERs ausgeschüttet. Obdie geplanten Emissionsreduktionen in allen Fällen realisiertwerden können, bleibt somit fraglich.

Links:

Stiftung Zukunft des Kohlenstoffmarktes www.carbonmarket-foundation.org

PoA Support Center https://www.kfw-entwicklungsbank.de/Internationale-Finanzierung/KfW-Entwicklungsbank/Umwelt-und-Klima/Klima%C2%ADschutzfonds/PoA-Förderzentrum-Deutschland/

Impact Carbon www.impactcarbon.org

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Carbon Mechanisms Review 01/2014

Auch auf der diesjährigen Berlinale gab es Anschau-ung zu Klimawandel und Klimapolitik. Zwei Filmehaben sich die Autoren für CMR angesehen. Ein viet-

namesischer Film [Nuoc] handelt von steigendemMeeresspiegel, ein deutscher Kurzbeitrag

[Beyond Metabolism] erinnert aneinen früheren Erfolg der Klimaver-

handlungen.

Mit Nuoc, vietnamesisch „Wasser“,eröffnete das Forum mit einem Film, der die

Folgen des Klimawandels sichtbar und spürbarmachte. Der Film von Nguyen-Vo Nghiem-

Minh zeigt ein Vietnam im Jahr 2030, Was-serlandschaften, tiefhängende Wolken,

schemenhaft die Skyline einer futuris-tisch wirkenden Stadt. Eindrucksvoll

schöne Bilder. Teile des Landes sind in Fluten einessteigenden Meeresspiegels versunken. Grenzmarkie-

rungen stehen mitten im Meer. Menschen, wennauch nicht viele, versuchen noch auf dem Territoriumihres ehemaligen bäuerlichen Landbesitzes zu leben.Ihre Erträge, Fischfang und Gemüse, sind bescheiden.Das Leben ist ärmlich. Das Wasser hat ihre Lebens-weise verändert und verändert sie weiter. Natürlichwerden sie am Ende nicht bleiben können.

Der Film erlaubt hierüber keine Spekulation. Die Dra-matik des Klimawandels wird erlebbar in der der Be-ziehung dreier Menschen. Alltäglichkeiten stehen imVordergrund der Erzählung, die Perspektive ihrerwirtschaftlichen Existenzsicherung ist durch die ver-änderte Umwelt zunehmend bedroht. Konzerninte-ressen kommen ins Spiel, die Dreiecksgeschichte ent-spinnt sich zu einem Plot, vor allem aber liefert derFilm Bilder von Wasser, Wellen, Regen... Gesellschaftli-che Überbaustrukturen scheinen in Nuoc unbedeu-tend. Ja, sie sind ohne Bedeutung, weil sie den Klima-

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Berlinale im Zeichen desKlimawandelsSilke Karcher, BMUB und Thomas Forth

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Leben mit real existieren-den Klimaveränderungen:

der vietnamesische Film"Nuoc".

wandel nicht adressieren können. Die Zeit, ihm ent-schieden zu begegnen, liegt für diesen Film definitivin der Vergangenheit. Der Film, kein Katastrophen-film, spart sich auch eine Politstory oder explizite po-litische Aussage. Danach gefragt, antwortet der Re-gisseur nach der Vorführung fast ein wenig verwun-dert, dies sei doch nicht nötig: Die Herausforderungsei doch klar.

In Beyond Metabolism, ein mid-length video im Fo-rum Expanded bringen Stefanie Gaus und VolkerSattel die Architektur der Metabolisten und dasKyoto-Protokoll zusammen. Auf den ersten Blick fragtman sich, was die Vorstellungen der japanischen Ar-chitektengruppe, die sich 1959 zusammenfand, mitdem Kyoto-Protokoll zu tun haben könnte. Ist es nurdas Kongressgebäude von Sachio Otani aus den1960er Jahren, das 1997 die Kulisse für die Annahmedes Kyoto-Protokolls hergab? Oder folgt auch dasKyoto-Protokoll einer metabolischen Logik? BeyondMetabolism führt zu Beyond Kyoto, der Frage nachden Veränderungen des Metabolismus.

In der Berlinale Ankündigung heißt es: „Erst Dreiecke,dann Sechsecke – das Hexagon als geometrische DNAeiner erratischen Architektur von gespenstischerMaßstablosigkeit. Langsam erschließt sich in der Ab-folge von Gängen, Durchblicken, Ausblicken und Räu-men ein gewaltiger Bau. Wir befinden uns im Inne-ren …“. Aus der Sicht einer Dolmetscherin, die ein-zelne Abläufe von ihrer Dolmetscherkabine aus ge-filmt hat, wird der Ablauf der Klimakonferenz erin-nert. Man sieht Raúl Estrada, den Leiter der Klimaver-handlungen in Kyoto, Al Gore und andere Politiker.Wichtige Entscheidungsträger der damaligen Konfe-renz in einem Moment unmittelbar vor dem Startdes High Level Segments.

Die Bilder vermitteln eine Würdigkeit des Moments,wirken nicht inszeniert. Der politische Stoffwechselscheint zu funktionieren - vielleicht nur in der Retro-spektive. Während der Film Strukturen des Kongress-zentrums und Prozesse der Verhandlungen zeigt,folgt wie vor einer Stummfilmszene eine Beschrei-bung, die fast nur als Wertung gelesen werden kann:„Die Konferenz endete mit dem Beschluss des ersten

und bis heute einzigen Abkommens zum Klima-schutz von völkerrechtlicher Bedeutung, dem so ge-nannten Kyoto-Protokoll.“

Gaus und Sattel nennen ihren Beitrag jedoch „Bey-ond Metabolism“. Das Konzept der Metabolisten willeine flexible, erweiterbare Architektur. Die Herausfor-derungen, dem Wachstum der Städte oder der Treib-hausgasemissionen gerecht zu werden, mögen in ih-rer Vielschichtigkeit reichliche Parallelen aufweisen.

Wenn wir die Erklärungskraft des Metabolismus auf-greifen, was sagt sie uns dann über den Zustand derinternationalen Klimapolitik? Ein Versuch: Spätestensseit der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 ist dasKyoto-Protokoll in Unordnung geraten, in eine post-metabolische Phase eingetreten. Die Verantwortungfür den globalen Klimaschutz ist keine mehr, die diealten Industrienationen alleine tragen könnten. DieEU trägt gegenwärtig mit gut 10% der globalen Emis-sionen mit sinkender Tendenz zur Erderwärmung bei,auch wenn die historische Verantwortung unbenom-men bleibt. Sie droht auch deshalb als Schuld zu blei-ben, da nicht erkennbar ist, dass die gegenwärtig vonden Industrienationen genannten Klimaziele für dasangestrebte, neue Klimaschutzabkommen in Über-einstimmung mit einem Emissionsminderungspfadzur Einhaltung des 2°C Ziels stehen.

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Ausblick ins Innere einer Konferenz: Filmstill aus „Beyond Metabolism“

Dies belastet die Klimaverhandlungen in einer Phase,in der auch die industriellen Schwellenländer in dra-matischer Weise wachsend für die Zunahme derTreibhausgasemissionen und den Klimawandel ver-antwortlich sind. Sie tun sich aber nicht wenigerschwer als die Industriestaaten, ihrer neuen Rolledurch die Übernahme politischer Verantwortung ge-recht zu werden. Wechselseitige Appelle, Verantwor-tung und Handlungsbereitschaft zu zeigen, fruchte-ten bislang wenig. Eine typische Blockadesituation.Eine substantielle Formel für eine gemeinsame Las-tenteilung, die dem in der Klimarahmenkonventionvon 1992 verankerten Prinzip der „Common but diffe-rentiated responsibilities and respective capabilities“(CBDR) entspricht, wurde bislang nicht gefunden. Diepost-metabolische Phase dauert an.

Ein Erfolg bei den Klimaverhandlungen wird zur Auf-lösung der Blockade beitragen müssen. Die bipolareWelt des Kyoto-Protokolls gibt es nicht mehr. Die Dy-namik des Klimawandels hat sich verändert, die Ord-nung des alten Protokolls ist gestört. Die Multipolari-tät der Welt ist auch für den Klimaschutz eine Tatsa-che, jedoch ohne dass die Unterscheidung zwischenIndustrie- und Entwicklungsländern an Wert verloren

hätte. Die Voraussetzungen zukünftiger metaboli-scher Strukturen sind noch nicht geschaffen.

Aber nach den Vorstellungen der Metabolisten solltedie Stadt der zukünftigen Massengesellschaften ineinem dynamischen Prozess durch flexible, erweiter-bare Großstrukturen gestaltet werden. Eine Idee, diesich gegenwärtig auch in den internationalen Klima-verhandlungen entdecken lässt: Statt verbindlicherKlimaziele könnten die Staaten freiwillig in einem„pledge and review“-Verfahren immer mehr zum glo-balen Klimaschutz beitragen. Ist das die neue Ord-nung: Auf freiwilliger Ebene in Zukunft und Schrittfür Schritt wechselseitiger Betrachtung und Ver-gleichbarkeit mehr zu erreichen, als man heute bereitist verbindlich auszuhandeln? Die Frage, die bleibt, istdie Frage nach den Treibern eines solchen Prozesses,die zur Herstellung einer neuen metabolischen Ord-nung beitragen.

Die Auffassung der Metabolisten zum notwenigenWandel und zur Dynamik war die Erkenntnis, dassdie bisher gültigen Gesetze von Form und Funktionbei der Gestaltung der Städte nicht mehr trugen. Dieheutigen, unfreiwilligen Metabolisten der internatio-nalen Klimapolitik haben den Weg noch nicht gefun-

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Architektur als Sinnbild fürWandel und Dynamik:

Filmstill aus „Beyond Metabolism“

den, der über die Zweiteilung der Welt in Industrie-und Entwicklungsländer hinausführt.

Die historischen Metabolisten sprachen davon, dassdie neuen, zukünftigen Anforderungen der Kulturund der Gesellschaft die Einbeziehung der Gesetzedes Raumes und des stetigen Funktionswandels er-fordern würden. An keiner Stelle vergaßen sie aber,dass es darauf ankommt, die Gebäude zu errichtenund in die Räume, in die Umwelt und in die Gesell-schaft einzupassen. Das Konferenzgebäude vonKyoto, aus heutiger Sicht vielleicht hässlich wie diemeisten Bauten dieser Periode, passt sich aber har-monisch in die Landschaft ein und ermöglicht dieseaus dem Gebäude heraus wahrzunehmen.

Gesellschaftlichkeit schafft das Gebäude in seinemInnern mit einfachen Mitteln: es gelingt die Tren-nung von Teilnehmern in verschieden einflussreicheGruppen und die formalen Positionen einzelner Indi-viduen durch räumliche Nähe und größere Inklusionals zuvor aufzuheben, zumindest tendenziell. EinBild, eine Wunschvorstellung, die sicherlich in denentscheidenden Sequenzen der Verhandlungen alsRaúl Estrada die einzelnen Artikel des Kyoto-Proto-kolls zum Beschluss brachte, Realität wurde. Realitätgerade dadurch, dass nicht immer noch vorliegendeInterventionen von Parteien gesehen wurden. Dieletztlich zustande gekommene Zustimmung zumKyoto-Protokoll beruhte auf dem Willen aller, dass das Protokoll zustande kommen möge. Wenn man, so will, ein intakter metabolischer Zustand.

Die Karte, die Option, ein um das andere Mal die poli-tischen Interventionen einzelner Staaten in derSchlussabstimmung der alljährlichen Klimakonfe-renz zu übersehen, wurde immer wieder gespielt.Empörte Reaktionen und obstruktives Verhalten ein-zelner Delegationen waren schließlich die Folge. Eineklarere Indikation, dass die Voraussetzung einesneuen globalen Klimaabkommens in der Kommuni-kation der Staaten sich zuvor abzeichnen sollte, alsaufkommender Konsens fühlbar werden sollte, gibtes nicht.

Wenn man die Frage der Metabolisten nach demWandel des aus den Fugen Geratenen aufwirft, blei-ben verschiedene Wege. Definitionsgemäß findensich zwei extreme Entwicklungsformen des Metabo-lismus:

Eine eher zerstörerische Form, die den Zusammen-halt der globalen Klimapolitik (Kyoto-Protokoll) ver-liert und den erreichten Handlungsrahmen in einfa-che Formen unzusammenhängender Fragmentie-rung auflöst. Die Chancen der Menschheit, dem Kli-mawandel noch rechtzeitig zu begegnen, würdenverspielt.

Und eine konstruktive Form des Metabolismus, indem das neue Abkommen die globalen Klimaschutz-aktivitäten zu einer Synthese von einfachen zu kom-plexen Formen bündelt. Das neue Protokoll könnteüber unterschiedliche Verpflichtungsformen und Ko-operationsmöglichkeiten den Staaten einen flexiblenEinstieg in den internationalen Klimaschutz ermögli-chen.

Der Film von Gaus und Sattel ist inspirierend. DasKyoto-Protokoll scheint aus sich heraus der Vergan-genheit anzugehören. In Beyond Metabolism findetaber weniger das Kyoto-Protokoll selbst als vielmehrdie damaligen Verhandlungen, der Geist des Eini-gungswillens, eine ungewohnte Würdigung.

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Protagonisten der Kyoto-Konfe-renz: Michael Zammit Cutajarund Raúl Estrada.

CARBON MECHANISMS REVIEW

Technologietransfer und CDM / JIPolicy Brief zum UNFCCC-Technolo-giemechanismus und möglichen Synergien mit den Kohlenstoffmärk-ten. Download unter www.jiko-bmub.de/1393

Neue CDM/JI GastlandprofileDieser Bereich der JIKO Websitebietet nun Informationen zu über 50 potentiellen CDM/JI-Gastge-berländern, mit kurzen Landerprofi-len, relevanten Beschlüssen undEntscheidungen sowie weiterfüh-renden Links. Siehe www.jiko-bmub.de/1258

Glossar Alle CDM/JI-spezifischen Fachbe-griffe und Abkürzungen werden imGlossar des JIKO-Internetportalsausführlich erläutert. Sie finden es online unterwww.jiko-bmub.de/75