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Dokumente zur Weiterbildung und Internationalisierung an Hochschulen Heft 5 (2007) Christine Schwarzer: Lernen im Erwachsenenalter Übersicht über die vom IIK im Jahr 2007 geförderten internationalen Projekte

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Page 1: Christine Schwarzer: Lernen im Erwachsenenalter · Zum aktuellen Heft „Lebenslanges Lernen“ ist ein seit vielen Jahren propagiertes Schlagwort, das durch die demographischen Entwicklungen

Dokumente zur Weiterbildung und Internationalisierung an Hochschulen Heft 5 (2007)

Christine Schwarzer: Lernen im Erwachsenenalter Übersicht über die vom IIK im Jahr 2007 geförderten internationalen Projekte

IMPRESSUM Herausgeber: IIK Düsseldorf - Institut für Internationale Kommunikation

In Zusammenarbeit mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf e.V. Universitätsstraße 1/23.31, 40225 Düsseldorf

verantwortlich: Matthias Jung/Christine Schwarzer Redaktion: Matthias Jung Druck: Druckerei Diesfeld, Düsseldorf Gestaltung: Schröder,Tellmann Design-Agentur, Mönchengladbach Auflage: 200 Weitere Exemplare können als PdF-Version unter: www.iik-duesseldorf.de/publikationen heruntergeladen werden. Das Coypright für die einzelnen Beiträge liegt bei den jeweiligen Verfassern. Zitate bitte mit Quellenangabe. © IIK Düsseldorf 2007

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Zur Reihe

Es ist schlimm genug, [...] daß man jetzt nichts mehr für sein ganzes Leben lernen kann, unse-

re Vorfahren hielten sich an den Unterricht, den sie in ihrer Jugend empfangen; wir aber müs-

sen jetzt alle fünf Jahre umlernen, wenn wir nicht ganz aus der Mode kommen wollen. (J. W.

GOETHE, Wahlverwandtschaften, 1809)

Das Goethe-Zitat zeigt deutlich, dass die Zeiten der Wissens- und Bildungs-bevorratung für das gesamte Leben während der Kindheit und Jugend nicht erst im 20. Jahrhundert zu Ende gegangen sind. Wenn aber Wissensbestände Verfallsdaten unterliegen, wird es unumgänglich, in einem permanenten Pro-zess über die Lebensspanne „umzulernen“, wie Goethe es nannte, neue Er-kenntnisse mit alten zu verknüpfen, grundlegende Lern-Strategien zu entwi-ckeln, kurz, das zu praktizieren, was heute „life long learning“ genannt wird und was schon immer mit unterschiedlicher Zielsetzung im Zentrum von Erwachse-nenbildung gestanden hat.

Das IIK hat sich dieser Bildungsprozesse, die meistens an eine erste Bil-dungs- und Ausbildungsphase anschließen, verschrieben und bietet seit 1989 erfolgreich Kurse, Praktika und Seminare für ein internationales Publikum an. Dabei ist es durch die enge Zusammenarbeit zunächst mit der Philosophischen Fakultät, aber in den letzten Jahren auch verstärkt mit der gesamten Heinrich-Heine-Universität zu einem gelungenen Gleichgewicht von theoretischer und kritischer Reflexion, didaktisch gelungener Umsetzung und fundierter Evaluation gekommen, die wohl zu einem guten Teil auch den Erfolg des Instituts erklärt.

Um aber diese erfolgreichen Bemühungen kommunizierbar, und somit einer kritischen Reflexion zugänglich machen zu können, die die Grundlage für zu-künftige erfolgreiche Weiterbildungsarbeit darstellt, haben wir uns entschlossen, diese in einer neuen Reihe, den „Dokumenten zur Weiterbildung und Internati-onalisierung“ festzuhalten. In einer Phase, in der die Universitäten gefordert sind, neue gestufte Studiengänge zu entwickeln und internationaler zu werden, scheint uns dies besonders nützlich.

Wir wünschen der Reihe ein breites universitäres und außeruniversitäres Echo und freuen uns über Ihre Rückmeldungen. Düsseldorf, den 19.07.2003 Prof. Dr. Christine Schwarzer Lehrstuhl für Weiterbildung und Beratung Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Vorstandsvorsitzende des IIK Düsseldorf e.V.

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Zum aktuellen Heft „Lebenslanges Lernen“ ist ein seit vielen Jahren propagiertes Schlagwort, das durch die demographischen Entwicklungen in den Industriestaaten noch zusätz-liche Brisanz erhält. Denn es geht nicht nur allgemein darum, dass Wissen im-mer schneller veraltet und man sich permanent weiterbilden muss, sondern auch, dass immer mehr ältere Arbeitnehmer damit konfrontiert sein werden, auch jenseits der 50 weiter Neues zu lernen. Angesichts dieser Notwendigkeiten rückt die Frage nach dem Zusammenhang von Lernfähigkeit und fortgeschritte-nem Alter in den Fokus der Forschung. Wir freuen uns deshalb besonders, dass Frau Prof. Dr. Christine Schwarzer hier die wesentlichen Erkenntnisse der Al-ternsforschung zu dieser Frage allgemeinverständlich zusammenfasst, daraus praktische Folgerungen ableitet und so ein differenziertes Bild von der Lernfä-higkeit älterer Menschen jenseits „Alter-Eisen-Klischees“ oder „Erfahrung reicht“ zeichnet. Besonders freut es uns auch, dass wir hiermit den Vortrag von Frau Prof. Dr. Schwarzer zu diesem Thema veröffentlichen, den sie im Rahmen der Düsseldorfer Sommeruniversität 2007 gehalten hat. Düsseldorf, den 28.12.2007 Dr. Matthias Jung Geschäftsführung IIK Düsseldorf e. V.

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INHALT C. Schwarzer:

Zur Reihe ................................................................................................... 1

M. Jung:

Zum aktuellen Heft...................................................................................... 3

C. Schwarzer:

Lernen im Erwachsenenalter ........................................................................ 7

Dokumentation

IIK-Fördermittel für internationale Projekte 2007 ......................................... 25

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Dokumente zur Weiterbildung und Internationalisierung an Hochschulen,

Heft 5, Düsseldorf: Institut für Internationale Kommunikation (IIK), 2007

Lernen im Erwachsenenalter

Christine Schwarzer

Heute sind wir es gewohnt, von „lebenslangem Lernen“ sogar von „lernenden

Organisationen“ im Zusammenhang mit Globalisierung, sich immer schneller

verändernden Lebensbedingungen und vor allem auch vor dem Hintergrund

einer rasanten Technisierung zu sprechen. Doch die Vorstellung, dass nicht nur

Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsenen ständig dazu lernen müs-

sen, ist nicht selbstverständlich. Deutlich wird das z. B. in Sprichwörtern wie

„Man kann einem alten Hund keine neuen Kunststücke beibringen“ oder

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Und die berühmten Le-

benstreppen, die sich in großer Vielfalt auch in der Kunst finden, spiegeln eine

Idee des Lebenszyklusses wieder, die davon ausgeht, dass bis zum 40gsten

Lebensjahr eine Aufwärtsentwicklung, eine Steigerung der körperlichen, geisti-

gen und seelischen Kräfte zu verzeichnen ist, danach ein gewisses Plateau er-

reicht wird und es dann zu einem Abbau aller Kräfte kommt, der mit dem Tod

endet.

Abb. 1: Lebenstreppe „Das Stufenalter der Frau“ von F. Leibner, um 1900

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Unter einer solchen Perspektive wäre es sinnlos, eine teuere Weiterbildungs-

branche zu etablieren. Deshalb möchte ich zunächst über die Frage sprechen:

Was ist ein Erwachsener und wie wird er heute von der modernen Entwick-

lungspsychologie gesehen, gehe dann zum Lernen über und verbinde in einem

dritten Schritt die Erwachsenen und das Lernen zum „Lernen im Erwachsenen-

alter“. Meine Ausführungen gliedern sich deshalb wie folgt:

1. Was zeichnet Erwachsene aus? 2. Was versteht man heute unter Lernen? 3. Was muss beim Lernen im Erwachsenenalter berücksichtigt werden? 4. Fazit und Ausblick

1. Was zeichnet Erwachsene aus?

Die Entwicklungspsychologie war lange Zeit nahezu identisch mit einer Psycho-

logie des Kindes- und Jugendalters. Erst in den 60ger Jahren des vergangenen

Jahrhunderts begann man sich aufgrund der sich ändernden Bevölkerungspy-

ramide und dem Vorhandensein einer immer größer werdenden Zahl von älte-

ren und alten Menschen auch mit dem Erwachsenenalter zu beschäftigen. Es

etablierte sich langsam eine Sichtweise der menschlichen Entwicklung heraus,

die über die gesamte Lebensspanne Entwicklungsprozesse annahm. Diese „Life

Span Developmental Psychology“ hat die Forschung, die intra- und interindivi-

duelle Unterschiede erklären will, stark vorangetrieben. Das chronologische Al-

ter tritt in diesen Forschungen als Erklärungsfaktor zurück zugunsten einer

Vielfalt miteinander interagierender, biologischer, sozialer und psychologischer

Bedingungsfaktoren. BALTES und Mitarbeiter haben diese 1980 in ein Einfluss-

System mit drei Komponenten geordnet:

Normativ-altersbezogene Einflüsse Normativ-historische Einflüsse Non-normative Einflüsse

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Beispiele für normativ-altersbezogene Prozesse, die zu einem bestimmten Zeit-

punkt alle Mitglieder einer Alterskohorte betreffen und deshalb als normativ,

besser als normiert, als sozial erwartet, angesehen werden, sind z. B. die Pu-

bertät, die Menopause, aber auch die Pensionierung.

Mit normativ-historischen Ereignissen sind etwa Kriege, wirtschaftliche Rezessi-

onen und Aufschwünge, Naturkatastrophen oder auch die deutsche Wiederver-

einigung gemeint, die die Mitglieder einer Alterskohorte in ähnlicher Weise be-

treffen, aber durchaus verschiedenartige Wirkungen auf die Angehörigen unter-

schiedlich alter Kohorten haben können.

Unter die „ Restkategorien“ non-normative Einflüsse fallen Bedingungen und

Einflüsse, die nicht den überwiegenden Teil einer Alterskohorte betreffen und

in der Regel auch nicht erwartbar sind, wie z. B. der Tod des Partners im Alter

von 35 Jahren.

Diese neue Sichtweise will deshalb auch nicht statische Altersgrenzen festlegen,

sondern interessiert sich eher für Entwicklungsprozesse, weshalb heute auch

lieber vom Altern und nicht von Alter in der Forschung gesprochen wird. Das

führt natürlich auch dazu, dass man immer unsicherer wird hinsichtlich der

chronologischen Einteilungen, die früher die Entwicklungspsychologie be-

herrscht haben, wenn man an die Lesealter u. ä. denkt.

Sucht man dennoch nach solchen Anhaltspunkten, so finden sich in einschlägi-

gen Werken Einteilungen wie die folgende:

Frühes Erwachsenenalter 20-40 Jahre Mittleres Erwachsenenalter 40-60 Jahre Spätes Erwachsenenalter über 60 Jahre

Schon die 40 Jahre, über die sich das Erwachsenenalter erstreckt, verbieten es,

von dem Erwachsenen zu sprechen, denn durch die aktive Gestaltung des eige-

nen Lebens und die Auseinandersetzung (Coping) mit den Anforderungen und

Möglichkeiten des individuellen Lebens, können wir nicht einmal mehr von den

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50 jährigen sprechen. Diese unterscheiden sich durch ihre Biographie, ihren

schulischen Werdegang, ihre ökonomische Situation und ihre Interessen so

stark, dass er heute Konsens ist, Erwachsenen und älteren Menschen (Senio-

ren) gleichen Alters eine größere Variabilität im Verhalten und Erleben zu at-

testieren als Kindern. Das heißt: Menschen im Alter von 2 Jahren sind sich im

Verhalten und Erleben ähnlicher als Menschen im Alter von 30, 40 oder 50 Jah-

ren.

Um diese Unterschiede erklären zu können, was Forscher auf der Grundlage

eines Alternsmodell i. s. vom ständigen Abbau im körperlichen, seelischen, sozi-

alen und kognitiven Bereich nicht konnten, waren Forschungsbefunde nötig. Da

es in unserem Kontext um Lernen im Erwachsenenalter geht, greife ich die For-

schungen zur intellektuellen Entwicklung heraus, denn diese stellt eine Grund-

voraussetzung des Lernens dar.

Die Intelligenzforschung stand schon immer im Zentrum des Interesses von

Psychologen und wir kennen z. B. die Vorstellungen von PIAGET zur phasenbe-

zogenen Entwicklung der Intelligenz sowie die verschiedenen Annahmen zur

Struktur der Intelligenz, die von der Idee, Intelligenz bestehe aus 2 Faktoren,

nämlich einem generellen und einem spezifischen bis hin zum GUILFORD- Mo-

dell mit über 120 Faktoren reichen. Solche Vorstellungen liegen auch Intelli-

genztests zugrunde, und Wissenschaftler haben solche Tests früher gerne ge-

nommen und sie großen Stichproben von unterschiedlich alten Personen (häu-

fig waren es Soldaten, weil man diese schon altersmäßig gruppiert in großer

Menge vorfand) vorgegeben. Die Resultate führten zu der heute noch häufig

die „subjektive Alltagtheorie“ von Menschen charakterisierende Vorstellung: die

Intelligenz steigt ungefähr bis zum 24gsten Lebensjahr, bleibt eine Weile auf

diesem Niveau und sinkt schon ab dem 30gsten Lebensjahr relativ kontinuier-

lich ab. Von diesem Hintergrund ist der Spruch „Trau keinem über 30“ der 68er

Studenten gut verständlich.

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Abb. 2: Abbau-Kurve der Intelligenz- altes Forschungsparadigma. Durchschnittsalter bei einem

amerikanischen Intelligenztest in Beziehung zum Lebensalter (Lehr, 2003)

Erst als man echte Längsschnitt-Studien durchführte und nicht nur die Befunde

verschiedener Alterskohorten, die zum selben Zeitpunkt erhoben worden sind,

nebeneinander hängte, fand man zu altersadäquaten Intelligenzvorstellungen.

Zu dieser Reformulierung der Hypothesen führten diverse Paradigmenwechsel.

Es fand z. B. eine Abkehr vom Konzept der „allgemeinen Intelligenz“ und eine

Hinwendung zu einer differenzierten Betrachtung der Intelligenzveränderungen

im Erwachsenenalter statt. Dabei wird Intelligenz „als funktionale Einheit von

voneinander relativ unabhängigen ‚Primärfunktionen‘ gesehen [..], die bei der

Lösung unterschiedlicher Problemstellungen in jeweils spezifischer Konstellation

zusammenwirken“ (LEHR, 2003, S. 79). So konnte sich das „Zwei-Faktoren-

Modell“ der Intelligenz nach HORN und CATELL (1966) durchsetzen, wonach die

Intelligenz zwei bestimmende Faktoren besitzt: Einerseits die „fluide“ und ande-

rerseits die „kristalline Intelligenz“. In zahlreichen wissenschaftlichen Untersu-

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chungen zeigten sich unterschiedliche Entwicklungsverläufe für beide Kompo-

nenten. (SCHAIE, 1983; SALTHOUSE, 1985; REISCHIES & LINDBERGER, 1999,

SMITH & BALTES, 1996). Die folgende Abbildung veranschaulicht graphisch

diese unterschiedliche Entwicklung der fluiden (= Mechanik) und der kristallinen

und kristallisierten Intelligenz (=Pragmatik).

Abb. 3: Entwicklungsverläufe der fluiden und kristallinen Intelligenz (Baltes, 1990)

Sie zeigt, dass im Bereich der fluiden Intelligenz, die die intellektuellen Fähigkei-

ten wie Umsetzungsvermögen, geistige Wendigkeit, Kombinations- und Reakti-

onsfähigkeit (=Mechanik) umfasst, bereits im mittleren Erwachsenenalter ein

Leistungsabfall zu erkennen ist. Die kristalline Intelligenz, die Fähigkeiten wie

Urteilsfähigkeit, Allgemeinwissen, Erfahrungswissen, Wortschatz und Sprachver-

ständnis (=Pragmatik) beinhaltet, zeigt hingegen mit zunehmendem Alter sogar

einen Leistungsanstieg. Diese Ergebnisse konnten in der „Berliner Altersstudie“

(Mayer & Baltes, 1999) bestätigt und ausgebaut werden.

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Jetzt war der Weg endgültig frei, sich den kognitiven und psychosozialen Reser-

ven der älteren Bevölkerung zuzuwenden, denn das Fazit über die Entwicklung

im Erwachsenenalter, wie es sich in empirischen Studien darstellte, lautet:

Mit zunehmendem Alter gibt es keinen physisch festgesetzten Abbaupro-zess. Vielmehr sind zu jeder Lebensphase Entwicklungsgewinne und Entwicklungsverluste zu verzeichnen.

Zwischen verschiedenen Personen bestehen große Unterschiede. Die Lernfähigkeit von Erwachsenen ist veränderbar und lernbar. (vgl.

Faulstich & Tymister, 2002).

„Alter beginnt da, wo der Abbau den Aufbau irreversibel überwiegt“ (Bürger,

1968).

2. Was versteht man unter Lernen? - Speziell bei Erwach-

senen?

Da der Lernvorgang nicht sichtbar ist und wir immer nur das Lernprodukt (die

Verhaltensveränderung, also eine gelöste Aufgabe) bewerten können, um auf

Lernprozesse rückzuschließen , existieren viele Meinungen zum Lernen:

Gelernt wird das, was gelehrt wird! Gelernt wird nicht das, was gelehrt wurde! Gelernt wird, was selbst erfahren wird! Gelernt wird das, was subjektiv wichtig ist!

Ganz allgemein ist zu sagen, dass Lernen ein allgegenwärtiger Prozess ist, der

manchmal bewusst und gezielt, oft aber auch beiläufig abläuft. Lernen bezieht

das gesamte Spektrum menschlicher Verhaltensweisen und Zustände mit ein

(Mietzel, 1998). So können Lernziele kognitiv, psychomotorisch und emotional

sein. Man kann Lernen unter dem Gesichtspunkt der Verhaltensänderung be-

trachten. Viele Situationen des Alltagslebens machen eine Verhaltensänderung

im Sinne einer optimalen Anpassung an spezifische Anforderungen der entspre-

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chenden (sozialen oder physikalischen) Umweltgegebenheiten notwendig. Eine

Definition von Lernen liefern z. B. Bower & Hilgard (1981, S. 31), die Lernen

als Verhaltensänderung beschreiben:

„Lernen bezieht sich auf die Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspo-

tential eines Organismus hinsichtlich einer bestimmten Situation, die auf wie-

derholte Erfahrung des Organismus in dieser Situation zurückgeht, vorausge-

setzt, dass diese Verhaltensveränderung nicht auf angeborene Reaktionsten-

denzen, Reifung oder vorübergehende Zustände (Müdigkeit, Trunkenheit,

Triebzustände) zurückgeführt werden kann“

In den 1960er und der 1970er Jahren beeinflussten Informationsverarbei-

tungsmodelle die Vorstellung vom Lernen. So wurde Lernen primär als Wis-

senserwerb verstanden und definiert als „der Aufbau und die fortlaufende Modi-

fikation von Wissenspräsentation“ (Steiner, 2001; Gruber, Prenzel & Schiefele,

2001, S. 126). Lernen wird dann betrachtet als das Konstruieren, Rekonstruie-

ren und Modifizieren von Wissensstrukturen verschiedener Art. Dabei handelt es

sich um einen bereichspezifischen, komplexen und mehrstufigen Prozess, der

die Teilprozesse des Verstehens, Sprechens und Abrufens umfasst und im güns-

tigen Fall zum Gebrauch (Transfer) führt (Steiner, 2001).

Es ist nützlich und wichtig, besonders unter der Perspektive des Erwachsenen-

lernens, zwischen formalem und nicht formalem (informellem) Lernen zu unter-

scheiden:

Formales Lernen

Strukturiert Eine individuelle Aktivität Das Ziel ist vom Gesichtspunkt des Lernenden nicht gut motiviert „Spaß“ ist kein relevanter Aspekt Es gibt selten „Flow“-Erfahrungen Die Aktivitäten sind örtlich festgelegt und vorbestimmt

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Die Themen, der Ort und die Zeit sind festgelegt Die Aktivitäten sind hauptsächlich auf die Altersstufe 6-20 Jahre einge-

schränkt und finden meist in Klassenzimmern statt Erzwungen

Nicht-formales Lernen

Unstrukturiert Eine Gruppenaktivität oder eine gemeinsame Aktivität Das Lernen ist vom Gesichtspunkt des Lernenden motiviert Die Aktivität Lernen macht Spaß Es gibt häufig „Flow“-Erfahrungen Die Aktivitäten sind selbstbestimmt Die Person hat die Wahl des Themas, der Zeit und des Ortes Die Aktivitäten können während des gesamten Lebens in vielen Umge-

bungen erfolgen Freiwillig

Die Lernfähigkeit Erwachsener ist also nicht eindimensional vom Alter abhängig,

sondern muss als Interaktionsgeflecht vieler sozialer und lernbiographischer

Faktoren gesehen werden.

Abb. 4: Die Lernfähigkeit des Erwachsenen (Döring & Ritter-Mamczek, 1997)

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Aus dem bisher Gesagten ergeben sich nach Hubermann (1991, 234ff) 5 Merk-

male, die einen erwachsenen Lerner prototypisch im Vergleich zum jüngeren

Lerner kennzeichnen:

1. Viele Erwachsene sind verantwortungsbewusster und reifer, weil sie ihr Lernen selbst steuern können. Sie bestimmen ihre Lernziele und hegen Fernziele. Darüber hinaus verfolgen sie einen Zeitplan, der die Teilnahme an Weiterbildungskursen zu einer Funktion von Zeit-, Geld- und Kraft-aufwand macht.

2. Als Individuen sind Erwachsene aufgrund ihrer Lebenserfahrung viel komplexer und stellen eine heterogene Gruppe dar.

3. Der Erwachsene kann neue Informationen abwägen, da er über ein komplexes Gefüge von Erfahrungen und Erwartungen verfügt.

4. Erwachsene interessieren sich vorwiegend für die kurzfristige Anwen-dung dessen, was sie gelernt haben.

5. Erwachsene interessiert es für gewöhnlich mehr, ob ein bestimmtes Lehrangebot ihnen dazu verholfen hat, ihre vorher selbst bestimmten Lernziele zu erreichen, als dass sie einen Leistungsvergleich innerhalb der Gruppe anstreben.

3. Was muß beim Lernen von Erwachsenen von Trainerin

oder Trainer berücksichtigt werden?

„Ältere brauchen als Allererstes einen „Sinn“, ein „Weiß-warum“. Sie sehen so

gar nicht ein, weshalb sie sich der Mühe unterziehen sollen, sich etwas Neues

anzueignen. - Für sie heißt es nicht einfach, etwas lernen.

Sie haben etwas aufzugeben!

Sie müssen zuerst Gründe wissen, weshalb ihre bisherigen Erkenntnisse und

das hergebrachte Wissen nicht mehr taugen, sie haben Gewohnheiten des Be-

trachtens, Urteilens, Schlussfolgerns wie auch des Tuns womöglich sogar der

Routine, die sie über Bord werfen sollen. Da steht etwas auf dem Spiel.

-D. h. es geht um Motivation. Es muss etwas sein, etwas wie eine Perspektive

mit ganz persönlichen Konsequenzen, das nur dann erreicht werden kann,

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wenn das Bisherige überwunden wird, und das es wert ist, das Neu-Lernen auf

sich zu nehmen.“ (Eva Hörwick.; „Lernen Ältere anders“).

Dass berufliche Weiterbildungsmaßnahmen dieses generelle Verdikt nicht immer

realisieren, zeigt die geringe Teilnahme der 50-64jährigen an Weiterbildungen.

Abb.5: Beteiligung der Altersgruppen an beruflicher Weiterbildung (BMBF- Berichtsystem Wei-

terbildung, 2001)

Teilnahme und Nichtteilnahme hängen vom Ausmaß der Befriedigung primärer und sekundärer Bedürfnisse und dem Einfluss positiver und ne-gativer Kräfte ab.

Die Teilnahmewahrscheinlichkeit wächst, wenn zwischen dem Selbstbild der Lernenden sowie Art und Umfeld des Weiterbildungsangebotes Kon-gruenz besteht („Kongruenz-These“)

Die Teilnahmemotivation ergibt sich aus der Interaktion von Erwartungen und der Summe der positiven und negativen Werte, die ein Individuum den Lernaktivitäten zuschreibt („Kraft-Feld-These“).

Die Entscheidung zur Teilnahme fällt häufig mit Wechseln in Lebenssitua-tionen zusammen („Lebensübergänge-These“).

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Das Teilnahmeverhalten ist abhängig davon, inwieweit es mit dem Ver-halten der jeweiligen sozialen und kulturellen Referenzgruppe überein-stimmt („Referenzgruppen-These“).

Teilnahme an Weiterbildung korrespondiert mit der Teilnahme am sozia-len Leben überhaupt („soziale Partizipation“).

Generell gilt: wenn es um explizites Lernen geht wie in Schule, Hochschule,

Volkshochschule, wo die Ziele vorgegeben sind, sind Jüngere im Vorteil. Wenn

es um implizites Lernen geht, wo Lernen sozusagen „nebenbei“ geschieht, lie-

gen jüngere und ältere Lerner gleich auf.

Für die Rolle des Lehrenden bedeutet dies, dass er es mit „Profi-Lernern“ zu tun

hat, weshalb er gut daran tut, sich als Prozessbegleiter zu verstehen und nicht

als Lehrer.

Methodisch tun wir in der Weiterbildung ebenso gut daran, Forschungen zur

Kenntnis zu nehmen, die sich mit den Behaltensleistungen im Zusammenhang

mit verschiedenen Informationsaufnahme-Möglichkeiten befasst haben: wird

nur gehört, bleiben 10% haften, vom Gesehenen werden ca. 20% behalten,

Hören plus Sehen liegt mit 50% Erinnerungsleistung schon besser, Dokumenta-

tion mit 70% noch besser und selbst erarbeiten hält mit fast 100% die Spitze.

Abb. 6: Behaltensleistung und Informationskanäle

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Gelernt wird das, was gelehrt wird! Gelernt wird nicht immer das, was gelehrt wurde! Gelernt wird auch, wenn nicht gelehrt wird! Gelernt wird, was subjektiv bedeutsam ist! Gelernt wird, was selbst erfahren wird!

Bezieht man das bisher Gesagte auf die eingangs zitierten subjektiven Vorstel-

lungen zum Lernen, so lässt sich festhalten:

• Gelernt wird immer - auch von Erwachsenen • Aber durch ihre langjährige subjektive Lebensbiographie und vielfältige

berufliche und persönliche Erfahrungen, lernen Erwachsene, wenn ihnen etwas subjektiv wichtig ist.

• Diese Lernerfahrungen sind besonders wirksam wenn ein „Learning by doing“ praktiziert wird.

Vergleicht man hier „Jugendlichen – und Kinderlernen“ mit „Erwachsenenler-

nen“, so wird erneut deutlich, dass ein „Transportmodell“ (Weidemann 2002),

in dem die Lehrererfahrung sich mit einer gewissen Automatik auf den Schüler

überträgt, nicht greift. Wie schon Johann Wolfgang von Goethe wusste:

„Auch in den Wissenschaften kann man eigentlich nichts wissen, es will immer

getan sein“ (aus Maximen und Reflexionen).

Aber das Alter ist ja nicht nur von Entwicklungsgewinnen wie z. B. der Zunahme

an sprachlicher Kompetenz, Lebenserfahrung und Weisheit gekennzeichnet,

sondern auch von Entwicklungsverlusten. Diese wollen ebenfalls berücksichtigt

werden, soll es in beruflicher und allgemeiner Weiterbildung, in Kursen und Se-

niorenstudienangeboten zu fruchtbarem Lernerfolg kommen. Ursula Lehr war

eine der ersten, die sich systematisch um die körperliche und psychologische

Lage älterer Lerner und deren Auswirkungen auf die Erwachsenendidaktik ge-

kümmert hat. So führt sie zur Lernfähigkeit älterer Erwachsener aus (2000,

213):

• eine Leichtigkeit im Umgang mit komplexen Sachverhalten und größeren Gesamtkonzepten: ältere Mitarbeiter können sowohl komplexe organisa-torische Modelle recht gut handhaben als auch weiterreichende Zeitpla-nungen durchführen;

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• ein herabgesetztes Erleben von Eigenbetroffenheit in potenziell belasten-den Situationen; dies äußert sich vor allem, wenn Konkurrenz etwa bei Beförderungen oder bei Teilung von Betriebsmitteln auftaucht („Man selbst hat alles erreicht; man steht über der Sache“);

• eine erhöhte Toleranz in Bezug auf alternative Handlungsstile; • eine Nutzung von Strategien der Energieeinsparung im Sinne einer Ent-

scheidungs- und Handlungsökonomie; man erreicht etwas „mit weniger Aufwand“;

• eine bessere Einschätzung eigener Fähigkeiten und deren Grenzen; • Entscheidungen und Schlussfolgerungen werden von Älteren mit mehr

Bedacht, mit größerer Vorsicht und nüchternem Realismus getroffen; • Ältere sind eher in der Lage, gleichzeitig Möglichkeiten und Grenzen zu

sehen und beide zu berücksichtigen; sie haben mehr „Sinn für das Mach-bare“;

• Ältere haben im Allgemeinen eine geringere Belastung durch Probleme im privaten Bereich, weniger familiäre Sorgen um die Kinder, weniger Partnerschaftsprobleme (vgl. Singleton, 1981).

Und Autoren, die Praxiserfahrungen in diesem Feld haben, fassen ihre Beobach-

tungen und die Konsequenzen für didaktisches Handeln wie folgt zusammen:

Beobachtung: Konsequenz:

Ältere lernen besser bei Einsichtigwer-

den des Sinnzusammenhangs

Bezug zum Thema, zum Alltags-wissen, zu den Erfahrungen her-stellen

Verständliche und nachvollziehba-re Darbietung des Inhalts

Fallbeispiele zur Vermittlung zwi-schen abstrakten Lerninhalten und konkreten Erfahrungen ver-wenden

Missverständnisse können dadurch

entstehen, dass Begriffe und Situatio-

nen aufgrund unterschiedlicher Erfah-

rungen anders verstanden werden

Begriffe erklären Angemessene Sprachweise des Trainers

Bei Unsicherheit nachfragen Trainer sollte sein eigenes Ver-ständnis reflektieren

Älteren fehlt es oft an einer gewissen

Lerntechnik

Lernen in kleinen Schritten, mit zunehmendem Schwierigkeits-grad, mit geringem Komplexitäts-

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grad Kontrolle, dass das bisher gelern-te „sitzt“

Ausgiebiges Einüben und den Be-zug zum Ganzen herstellen

Zu schnell und einseitig gebotener

Lernstoff behindert Ältere

Langsam und deutlich sprechen Ausreichend Wiederholungen ein-bauen

Die TN sollten ihr Arbeitstempo selbst festlegen

Visualisierung ausreichend groß Auf den „Letzten“ warten Methodenwechsel

Lernprobleme oft durch Unsicherheit

und mangelndes Selbstvertrauen

Schriftliches Lernmaterial ver-wenden

Übungsaufgaben nicht zu früh verwenden (Frust, wenn es noch nicht klappt)

Lernfortschritte und Aktivitätsgrad der

TN hängen zusammen

Erwartungsgespräche zu Beginn der Veranstaltung und zwischen-durch

Abstimmung zwischen Kurszielen und Fähigkeiten der TN

Nicht jeder TN lernt über den gleichen

Wahrnehmungskanal

Inhalte über verschiedene Wahr-nehmungskanäle anbieten

Medienwechsel

Falls Sie eine Anregung für interessante Methoden in diesem Bereich suchen,

empfehle ich Ihnen die Methodensammlung, die von Mitarbeitern und ehemali-

gen Studierenden von mir zusammengestellt und vielfach getestet wurde.

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4. Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen:

„Hans kann doch noch lernen, was er als Hänschen versäumt hat“, allerdings

müssen Erwachsenenbildner die große Streubreite der Erfahrungen, Vorkennt-

nisse und Bedürfnisse ihres Klientels berücksichtigen und

• den Erfahrungshorizont der Teilnehmer einbeziehen • den Bezug zur Praxis herstellen, • kein vorgefertigtes Manuskript vorlesen • Blickkontakt zu Teilnehmern halten.

Wenn aber Lernen nicht mehr nur für Kinder und Jugendliche reserviert ist,

müssen sich auch die Strukturen, in denen es stattfindet, verändern.

Im heutigen Berufsleben gelten schon Menschen ab 35 Jahren als alt. Das führt

dazu, dass wir es auf absehbare Zeit mit dem Problem zu tun haben, dass leis-

tungsfähige Menschen und inhaltleere Rollenstrukturen miteinander koexistie-

ren. Dabei wäre es im Sinne einer „Spezialisierung mit Optimierung und Kom-

pensation“, die von der Berliner Forschergruppe um Paul Baltes als eine Vor-

aussetzung für ein positives Altern angesehen wird und die besagt, dass Men-

schen sich über die Lebensspanne hinweg immer stärker spezialisieren. Spezia-

lisierung in diesen Bereichen immer besser werden (Optimierung) und somit in

die Lage versetzt werden, altersbedingte Mängel auszugleichen (Kompensati-

on), nützlich und wichtig, altersheterogene Gruppierungen zu schaffen.

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Abb. 7: Zwei Typen gesellschaftlicher Lebensstruktur (Baltes & Montada, 1996)

Parteien, Gewerkschaften und Verbände diskutieren diese Möglichkeiten auf

Kongressen und Workshops momentan verstärkt und von den daraus resultie-

renden Lösungsvorschlägen wird es abhängen, wie sinnvoll Hans in Zukunft

noch lernen kann und ob es Hänschen noch möglich sein wird, als Hans noch

weiterlernen zu dürfen.

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Ausgeschüttete IIK-Fördermittel 2007 Hinter dem Institut für Internationale Kommunikation in Zusammenarbeit mit

der Heinrich-Heine-Universität (IIK Düsseldorf e.V.) steht ein gemeinnütziger

Verein, der über diverse Verträge mit der Heinrich-Heine-Universität verbunden

ist. Satzungszweck sind der internationale Austausch und die akademische Wei-

terbildung. Diese Ziele erreicht der Verein u.a. mit kostenpflichtigen Sprachkur-

sen und Weiterbildungsangeboten. Überschüsse werden jährlich für Zwecke im

Sinne der Vereinssatzung und nach Beschluss der Mitgliederversammlung zur

Verfügung gestellt.

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Geförderte Projekte an der Heinrich-Heine-Unversität

Insgesamt gingen 12 Förderanträge mit einem Gesamtvolumen von EUR 19.790

ein. Davon konnten 9 mit Entscheidung der IIK-Mitgliederversammlung vom

21.01.2008 aus Fördermitteln 2007 teilweise oder voll finanziert werden. Bei

einer Fördersumme von insgesamt 11.540 Euro inkl. Restmittel entfielen somit

auf einen Antrag durchschnittlich 1282 Euro.

Weiterhin wurden verschiedene kleinere Projekte (Volumen bis 500 Euro) sowie

die Examensfeier der Philosophischen Fakultät im Juli 2007 noch im Laufe des

Jahres nachträglich gefördert. Insgesamt hat das IIK 2007 knapp 30.000 Euro

als Fördermittel im Sinne der Vereinszwecke ausgeschüttet.

• Hilfskraftsstelle für Auslandskommission der Philosphischen Fakultät mit 5 SWS

• Studiengebühren für ausländische Examenskandidaten (2 Semester) • 1 Sprachkursstipendium für Austauschstudentin der Universität Bunkyo,

Japan • Personalkosten Anpassung Blended Learning-Kurs, Bildungsmarketing • Studierendenaustausch mit Prag • Unterstützung Aktivitäten Auslandsbeauftragte der Medizinischen Fakul-

tät • Unterstützung C.Jessup-Moot Court (internationale Gerichtssimulation) • Studierendenaustausch mit Italien

• Unterstützung C. Vis-Moot Court (internationale Gerichtssimulation)

Darüber hinaus wird das Projekt "Düsseldorfer Sommeruniversität"

(www.sommeruni-duesseldorf.de) mit Personalmitteln und Stipendien geför-

dert. Genauere Infos zu den Vergabebedingungen und zu Fördermöglichkei-

ten (Stipendien) für externe Bewerber gibt es im Bereich „Über uns“ auf den

Internetseiten des IIK Düsseldorf (www.iik-duesseldorf.de). Außerdem un-

terstützt der IIK e.V. die beiden kostenlosen Internetportale zur Förderung

des Deutschlernens www.deutsch-als-fremdsprache.de und

www.wirtschaftsdeutsch.de.

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Dokumente zur Weiterbildung und Internationalisierung an Hochschulen Heft 5 (2007)

Christine Schwarzer: Lernen im Erwachsenenalter Übersicht über die vom IIK im Jahr 2007 geförderten internationalen Projekte

IMPRESSUM Herausgeber: IIK Düsseldorf - Institut für Internationale Kommunikation

In Zusammenarbeit mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf e.V. Universitätsstraße 1/23.31, 40225 Düsseldorf

verantwortlich: Matthias Jung/Christine Schwarzer Redaktion: Matthias Jung Druck: Druckerei Diesfeld, Düsseldorf Gestaltung: Schröder,Tellmann Design-Agentur, Mönchengladbach Auflage: 200 Weitere Exemplare können als PdF-Version unter: www.iik-duesseldorf.de/publikationen heruntergeladen werden. Das Coypright für die einzelnen Beiträge liegt bei den jeweiligen Verfassern. Zitate bitte mit Quellenangabe. © IIK Düsseldorf 2007