brunner, 1954. das problem einer europäischen sozialgeschichte
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Das Problem einer europäischen SozialgeschichteAuthor(s): Otto BrunnerSource: Historische Zeitschrift, Bd. 177, H. 3 (1954), pp. 469-494Published by: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH (and its subsidary Akademie Verlag GmbH)Stable URL: http://www.jstor.org/stable/27611015 .
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DAS PROBLEM EINER EUROP?ISCHEN SOZIALGESCHICHTE *)
VON
OTTO BRUNNER
ElN Versuch ?ber europ?ische Sozialgeschichte setzt voraus, da? kurz angegeben wird, in welchem Sinn die vieldeutigen W?rter
?Sozialgeschichte" und ?europ?isch" hier gebraucht werden sollen.
Ich verstehe unter Sozialgeschichte nicht ein bestimmtes Son
dergebiet, das Gegenstand eines ?Faches" sein kann, sondern eine
Betrachtungsweise, einen Aspekt, der Menschen und menschliche
Gruppen in ihrem Zusammenleben, in ihrer Vergesellschaftung sieht. Wir werden uns aber vor Augen halten m?ssen, da? es neben
diesem allgemeinen Begriff der Gesellschaft, von deren Geschichte hier die Rede sein soll, einen engeren Begriff der Gesellschaft, des
?Sozialen" gibt, der namentlich f?r die letzten beiden Jahrhun derte gilt2). An ihm sind der Begriff der Gesellschaft, die Wissen schaft der Soziologie und auch die Sozialgeschichte urspr?nglich entwickelt worden. Wir werden daher diese beiden Bedeutungen und ihre geschichtlichen Beziehungen st?ndig beachten m?ssen.
Ich fasse Sozialgeschichte also weiter als etwa Ephraim Lipson in seinem Buch ,?The Growth of English Society", der eine Ge schichte des englischen Volkes geben will, ?soweit es im Schwei?e seines Angesichtes sein Brot verdient"3), und, wie der Untertitel
sagt, eine kurze englische Wirtschaftsgeschichte bietet; aber enger als George M. Trevelyan, dem in seiner ?English Social History" Sozialgeschichte die ?Geschichte eines Volks unter Weglassung der
%) Vortrag, gehalten auf der 22. Versammlung deutscher Historiker in
Bremen. (September 1953.)
2) Vgl. H. Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, Leipzig 1930, 'S. 230 ff. F?r F. Braudel, La M?diterran?e et le monde m?diterran?en a
l'?poque de Philippe II, Paris 1949, S. 307, ist,,histoire sociale" die ,,histoire des groupes, des structures, des destins collectifs, en un mot des mouvements
d'ensemble". B. behandelt in diesem Teil seines Buches neben Wirtschaft,
Staat, geistiger Kultur und Kriegswesen auch die ,,Soci?t?s", im wesent
lichen B?rgertum und Adel. Zum Thema vgl. jetzt auch H. J. Perkins, What
is Social History?, Bulletin of the John Rylands Library Manchester 36
*(i953), S. 56 f?.
3) E. Lipson, The Growth of English Society. A Short Economic History, London 1949, S. VII.
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Politik" ist1). Die beiden englischen Autoren wollen eine ?history of a
people" geben. Von Volksgeschichte, Geschichte der Volksordnung hat man auch bei uns gesprochen und damit wohl auf dasselbe gezielt, was hier unter Sozialgeschichte verstanden wird, die Geschichte des inneren Gef?ges menschlicher Gruppen, nicht zuletzt von ?V?lkern".
Doch sind die Begriffe ?Volk" und ?Nation" nicht minder als die der
?Gesellschaft" oder des ?Sozialen" mit modernen Bedeutungsge schichten belastet, die erst gekl?rt werden m?ssen, bevor man sie auf
?ltere Jahrhunderte anwenden kann2). Zudem haben wir es ja, wenn
wir von Europa sprechen, mit einer Vielheit von V?lkern, Nationen, Staaten zu tun, so da? man hier nicht gut von Volksordnung sprechen kann. Wenn im folgenden vor allem nach ?bergreifenden, allgemein
europ?ischen Strukturen gefragt wird, so hei?t das nicht, da? ?ber die V?lker und Staaten hinweggegangen werden soll. Diese m?ssen viel
mehr in eine europ?ische Sozialgeschichte als eines ihrer wesentlich
sten Bauelemente mit einbezogen werden.
Die beiden Engl?nder heben auch das ?Soziale" vom ?Poli tischen" ab. Trevelyans ?Social History" deckt sich weitgehend
mit dem, was wir ?Kulturgeschichte" nennen. Sie verharrt auch
wie diese in einer bildhaft-anschaulichen Darstellungsweise ?
darin liegt der gro?e Reiz dieses Buches ?, ohne allzu tief auf die
geschichtlichen Triebkr?fte einzugehen. Man kennt ja auch in der deutschen Geschichtswissenschaft den immer wieder einmal auf
flackernden Streit zwischen ?politischer" und Kulturgeschichte3). Man wei?, da? dieses Abheben von Gesellschaft, Kultur, Zivilisa
tion vom Staat, vom Politischen einer bestimmten geschichtlichen Lage entsprang. Wie bekannt ist der deutschen Geschichtswissen schaft zudem der Vorwurf gemacht worden, da? sie in den letzten
Jahrzehnten einseitig einerseits ?Machtgeschichte", ?politische Geschichte", andererseits aber ?Geistesgeschichte" getrieben habe4).
Endlich hat Hans Proesler in seinen ?Hauptproblemen der Sozial
*) G. M. Trevelyan, English Social History, London 19^, S. VII.
2) W. E. M?hlmann, Was ist europ?ische Kultur ? Ein Vergleich mit au?er
europ?ischen Kulturen. K?lner Zeitschr. f. Soziologie 4 (1951/52), S. 267 ff.,
betrachtet, ?V?lker" und, ?Nationen" als spezifisch europ?ische Erscheinungen. Indien etwa habe eine Kastengesellschaft, nicht aber eine indische ,,Nation" besessen. Von diesem ?lteren Typus sind dann die vom Nationalismus des
19. Jahrhunderts bestimmten Begriffe von Volk und Nation zu unterscheiden,
die den in diesem Vortrag behandelten Strukturwandel voraussetzen (vgl.
R.Wittram, Der Nationalismus als Forschungsaufgabe, HZ 174 (1952), S. 1 ff.).
*) H. R. v. Srbik, Geist u. Geschichte v. deutschen Humanismus bis zur
Gegenwart 1 (M?nchen 1950), S. 315 ff., 2 (1951), S. 137 ff.
4) Dazu vgl. H. Heimpel in Geschichte in Wissenschaft u. Unterricht 1
(1950), S. 558.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 471
geschiente"1) seine ?soziale Geschichtsauffassung" einer, wie er
sagt, ?politisch-heroischen" entgegengestellt, die ihm verderblich erscheint. Ich bemerke dazu nur, da? sich ?Geschichtsauffassun
gen", namentlich wenn sie wie hier mit einem Monopolanspruch
auftreten, wenn sie das Ganze der gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit zu erfassen beanspruchen, als Derivate geschichts philosophischer Deutungen erweisen, die auf der Ebene einer empi rischen Wissenschaft nicht diskutiert werden k?nnen. Au?erdem l??t sich zeigen, da? alle diese Kritiker, die ausw?rtigen wie die
deutschen, mit dem j?ngeren, engeren Begriff der Gesellschaft
operieren. Es wird zu zeigen sein, da? dieser Begriff der Gesell schaft als der vom Staat abgehobenen Wirtschaftsgesellschaft ein Produkt der neueren europ?ischen Sozialgeschichte ist und auf ?ltere Jahrhunderte nicht ohne weiteres angewendet werden kann, erst recht nicht, wenn man ihm eine pseudometaphysische Dignit?t verleiht und in ihm eine hinter den Erscheinungen wirksame Trieb kraft sieht2).
Ich sehe in der Sozialgeschichte im Unterschied zur politischen Geschichte eine Betrachtungsweise, wobei das eine Mal der innere
Bau, die Struktur, der menschlichen Verb?nde, das andere Mal ihr politisches Handeln, ihre Selbstbehauptung im Vordergrund stehen. In beiden F?llen aber bleibt der Mensch der eigentliche
Gegenstand, geht es um ?Politik", wenn es erlaubt ist, das Wort
einmal nicht nur im neuzeitlichen Sinn als Machtkampf, sondern
in einer weiteren, etwa aristotelischen Bedeutung zu verwenden3). Keine der beiden Betrachtungsweisen kann ohne die andere aus
kommen. So wenig man das Handeln der Verb?nde ohne Kenntnis ihres inneren Baues zu verstehen vermag, so wenig k?nnen die
relativ dauerhaften Strukturen unabh?ngig vom politischen Ge schehen begriffen werden. Ich w??te nicht, wie man europ?ische Sozialgeschichte ohne Kenntnis der politischen Geschichte des Fr?nkischen Reichs, der hochmittelalterlichen Auseinandersetzung zwischen Kurie und weltlichen Gewalten, der ?berseeischen Aus
dehnung oder des europ?ischen Staatensystems schreiben k?nnte, um nur einige Beispiele zu nennen. Es scheint freilich auch un
m?glich, beide Sehweisen in einer in sich geschlossenen Darstellung zu vereinigen, da jede von ihnen von der anderen nur so viel auf-
?
nimmt, als sie f?r ihre eigenen Zwecke bedarf. ?berdies m?chte ich
annehmen, da? ?Geistesgeschichte" nicht f?r sich dargestellt wer den kann, sondern in die beiden anderen Seh weisen einzubauen ist.
x) Erlangen 1951.
2) Th. Litt, Wege und Irrwege d. geschichtlichen Denkens, M?nchen 1948.
*) Vgl. G. Ritter, Die D?monie d. Macht, 6. Aufl. M?nchen 1948, S. 166.
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Dies darum, weil die ?bliche Konfrontierung von ?Geist und Macht** von ?Geist und Gesellschaft", von ?Ideal- und Realfaktoren" mit
relativ jungen Begriffen von Geist, Macht und Gesellschaft arbei tet. Wenn wie so oft der ?Geist" der ?sozialen Realit?t", der ?ge
sellschaftlichen Wirklichkeit" etwa im Sinne der ?lteren Soziologie gegen?bergestellt wird, dann steht dahinter letztlich die neuere
Bewu?tseinphilosophie seit Descartes mit ihrer Scheidung von
?Idee" und ?Wirklichkeit", einer Idee, die Inhalt des Bewu?tseins ist und einer Wirklichkeit, die mit dem wissenschaftlich Erfa?baren
und nicht mit der empirischen Erscheinungswelt gleichgestellt wird. Daher stehen die sog. idealistische These, der die Wirk lichkeit ?Ausdruck" der Idee, des Geistes, einer Seele ist und die
sog. ?materialistische", bei der Idee, Geist, Bewu?tsein als ?Wi
derspiegelung" eines Seins, einer sozialen Realit?t erscheinen, auf derselben Ebene. Sie sind beide nicht brauchbar. Man hat die idealistische Position als ?Ideologie" abgewiesen; es l??t sich nicht
minder nachweisen, da? die ?soziale Realit?t", von der die Ideen oder Ideologien bestimmt scheinen, keineswegs mit der geschicht lich-gesellschaftlichen Wirklichkeit identisch ist, sondern bereits einen ?ideologisch" pr?parierten Ausschnitt aus dieser darstellt1).
Die urspr?nglich franz?sische ?Idee" und der deutsche ?Geist" erweisen sich als Produkte eines europ?ischen, genauer noch konti
nentalen S?kularisationsprozesses2). Der am Leitfaden der Reli
gions- oder Philosophiegeschichte orientierte Typ der Ideen- oder
Geistesgeschichte ist eine letzte Gestalt geschichtstheologischer und
geschichtsphilosophischer Deutungen3). Fallen diese weg, so wird
Gfistesgeschichte zu einem leeren Sammelnamen f?r die F?lle
historischer Fachwissenschaften, von denen dieser Bereich ur
spr?nglich und ganz legitim bearbeitet wird, der Religions-, der
Philosophie-, der Literatur-, der Kunst-, der Musikgeschichte usL Sie erfordern zu ihrer Bearbeitung besondere Sachkenntnisse, die
1) So sagt P. Renouvin in seiner Auseinandersetzung mit Ch. Moraz?,. der die politische Geschichte, die sich auf die ,,faits" beschr?nke, ?une cr?ation artificielle de l'esprit" genannt hatte, ihm scheine gerade die Be
schr?nkung auf die ,,donn?es ?conomiques et sociales" eine,,cr?ation de l'es
prit, fort artificielle'' (IX? Congr?s des sciences historiques, Rapports S. 573 ff.)
Vgl. auch die prinzipiellen Ausf?hrungen P. Renouvins in der Einleitung zu der
von ihm herausgegebenen Histoire des relations internationales 1, Paris 1953
2) G. Kr?ger, Die Herkunft d. philosophischen Selbstbewu?tseins, Logos 22
(1933), S. 325 ff. W. Ziegenfu?, Bemerkungen ?ber,,Geist und Gesellschaft"? K?lner Zeitschr. f. Soziologie 2 (1949/50), S. 1 ff. Dazu H. Holborn, Der deut
sche Idealismus in sozialgeschichtlicher Beleuchtung, HZ 174 (1952), S. 359 ff
3) K. L?with, Weltgeschichte u. Heilsgeschehen. Die theologischen Voraus
setzungen d. Geschichtsph?bsophie, Stuttgart 1953.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 473
h?chstens f?r einige dieser Gebiete zu erwerben sind. Zudem hat Hans Freyer gezeigt1), da? diese Wissenschaften eine andere logi sche Struktur haben als die eigentliche Geschichte, da? sie auf das
Werk und seinen inneren ?Logos" ausgerichtet sind. Sie arbeiten, daher auch mit Querschnitten, Zeitaltern, Formgruppen, Stilen,. Stufen2), und jeder Versuch, diese Darstellungsweise in eine im
engeren Sinn geschichtliche ?berzuf?hren, endet bei den bekann
ten, h?chst problematischen Stufentheorien und Stilfolgen3). Ein Versuch der Zusammenfassung aller dieser Wissenschaften zu einer ?Geistesgeschichte" f?hrt denn auch nicht selten zu an sich. h?chst n?tzlichen antiquarischen Kulturkunden, die auch dann nicht Geschichte sind, wenn sie sich Kulturgeschichte nennen. Sehr wohl aber m?ssen die Ergebnisse dieser Wissenschaften in die politische und in die Sozialgeschichte mit hineingenommen werden4), freilich nur so weit, als dies in deren Zusammenhang n?tig und m?glich ist. Daher behalten die einzelnen historischen Fachwissenschaften durchaus ihr Eigenrecht und ihre besonderen
Aufgaben. Sie entspringen ja auch aus je einem spezifischen Inter esse an ihrem Gegenstand und sind nicht, wie Laien oft meinen, eine Folge der ?Spezialisierung". Dasselbe wie von der Ge schichte der Ideen gilt auch von der Geschichte der Institutionen.
Die an dem j?ngeren Begriff von Wirtschaft und Gesellschaft orientierte Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, im Kern Wirt
schaftsgeschichte, ist in ihren zentralen Fragestellungen eine
Sch?pfung der National?konomen5), die Rechts- und Verfassungs geschichte eine der Juristen6). Hier stehen Wirtschaftsformen und
x) H. Freyer, a. a. O. S. 21 ff.
2) E. Cassirer, Zur Logik d. Kulturwissenschaften, G?teborgs h?gskolas ?rsskrift 48 (1942), S. 64 ff. G. Ritter, Zum Problem d. Kulturgeschichte,
HZ,171 (1951)? S. 293 ff
8) Mit der Frage ,, Stile" oder ,, Stuf en" erscheint wieder der Gegensatz vodl
,,Geist" und ?Gesellschaft".
4) So ist das Buch von K. Muhs, Geschichte d. abendl?ndischen Geistes.
Grundz?ge einer Kultursynthese 1 (Berlin 1950) trotz der Weite seines.
Blickes auf eine Geschichte des politisch-sozialen Denkens ausgerichtet und
l??t, f?r seine Aufgaben durchaus zu Recht, weite Gebiete der ,, Geistesge schichte" beiseite. ?ber eine von ?sthetischen St?begriffen bestimmte
,,Histoire de la civilisation" vgl. M. P. Francastel, IXe Congr?s international
des sciences historiques I : Rapports, S. 341 ff. und dazu G. Ritter, a. a. (X
Zum Thema auch die S. 479, Anm. 2 genannte Literatur.
?) O. Brunner, Zum Problem d. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte, Zeitschr. f.
National?konomie 7 (1936), S. 672 ff. Ders., Die 1 Keurop?ische ?konomik,, ebenda 13 (1950), S. 114 ff.
) H. Mitteis, Vom Lebenswert d. Rechtsgeschichte, Weimar 1947.
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Rechtsinstitute jeweils im Mittelpunkt. F?r die Sozialgeschichte im weiteren Sinn sind diese beiden Wissenschaften eine unentbehr liche Grundlage. Aber es ist nicht so, da? ihre Ergebnisse unver
?ndert ?bernommen werden k?nnen, sie sind nach anderen Ge
sichtspunkten auszuwerten. Was dort am Rande bleibt, kann hier zentrale Bedeutung haben und umgekehrt. Das Eigenleben dieser
Wissenschaften wird aber durch die ver?nderte Fragestellung der
Sozialgeschichte nicht ber?hrt. K?rzer kann ich mich ?ber den hier verwendeten Begriff
?Europa" fassen. Ich verwende ihn als Bezeichnung der westlichen
Christenheit, des Abendlandes, also in einem historischen1), nicht im
geographischen Sinn2). Es liegt auf der Hand, da? dieses Gebilde un
geachtet seiner inneren Vielfalt im politischen und v?lkerrechtlichen Sinn lange eine Gesamtheit dargestellt hat. Man kennt die gro?en geistigen Bewegungen, die durch Europa hindurchgingen. Kann man nun in demselben Sinn von einer spezifisch europ?ischen Sozialstruktur sprechen, die im Innern einheitlich und nach au?en
abgrenzbar ist ? L??t die innere Vielgestaltigkeit Europas eine solche Einheitlichkeit zu ? Finden sich nicht auch au?erhalb des so ver standenen Europa gleiche oder doch ?hnliche Formen ? Wenn dem so ist, so k?nnte noch immer eine europ?ische Sozialgeschichte ge schrieben werden, aber eben nur als Beschreibung des tats?chlichen
Zustandes in seiner inneren Verschiedenheit und seiner Verwandt schaft mit anderen Kulturen ; aber unsere Frage nach einer eigen t?mlich europ?ischen Sozialstruktur w?re damit negativ beantwortet.
Jeder Versuch, die europ?ische Eigenart zu bestimmen, wird sich davor h?ten m?ssen, dar?ber die gr??eren oder geringeren
Gemeinsamkeiten mit anderen Kulturwelten zu ?bersehen. Es
hie?e die Dinge allzusehr vereinfachen, wollte man alles Nicht
europ?ische unter Schlagworten wie ?Osten", ?Orient" oder
?Asien" subsumieren. Alfred Weber hat den Versuch gemacht, an Stelle des blo?en Nebeneinanders der Kulturen, wie es bei Speng ler oder Toynbee erscheint, einen geschichtlichen Stammbaum von
Prim?r- und Sekund?rkulturen aufzustellen und diese wieder in solche erster und zweiter Stufe aufzugliedern. So erscheinen hier
Byzanz, Ru?land und der Islam ebenso wie das Abendland als auf der Antike auf ruhende Kulturen3). Aber diese und andere Gemein
*) H. Gollwitzer, Europabild und Europagedanke, M?nchen 1951.
2) Th. Kraus, Europa als geographischer Begriff. K?lner Zeitschr. f?r So
ziologie 4 (1951/52), S. 260 ff.
3) A. Weber, Kulturgeschichte als Kultursoziologie, 2. Aufl., M?nchen 1950, S. 192 ff. Vgl. C. H. Becker, Der Islam im Rahmen einer allgemeinen Kultur
geschichte, Islamstudien 1 (Leipzig 1924), S. 24 ff.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 475
samkeiten, namentlich der Anf?nge, lassen nicht dar?ber hin
wegsehen, da? sich auf europ?ischem Boden und nur hier Durchbr?che vollzogen, Formen sich ausgebildet haben, deren
Auswirkung schlie?lich die ganze Erde ergriff. So ist die Frage aufzuwerfen, ob die geschichtliche Leistung Europas eben auf seiner Eigenart, seiner Besonderheit beruht oder in dem begr?ndet ist, was es mit andern Kulturen gemeinsam hat, in allgemeinen
Grundtendenzen, die weithin vorhanden waren, aber doch nur in
Europa, so scheint es, voll zur Auswirkung kamen1). Was diese Frage so aktuell erscheinen l??t, zugleich aber auch
ihre Beantwortung erschwert, ist eben die weltgeschichtliche Lei
stung Europas in neuerer Zeit, sind die verschiedenen Schichten der
?Europ?isierung" und ?Verwestlichung", die ?berseeische Aus
breitung, die die Konturen Europas verschwimmen lassen, aber
auch so viel zum Ende seiner Weltgeltung beigetragen haben; ist aber auch der damit Hand in Hand gehende Durchbruch von der
alteurop?ischen, altst?ndischen Struktur zur modernen industriell
b?rokratischen Gesellschaft. Gibt es eine europ?ische Sozialstruk
tur, die zur Erkl?rung dieses Ph?nomens herangezogen werden
kann ? Dies sichtbar zu machen, wird uns durch unsere eigene wissenschaftliche Sprache nicht leicht gemacht. Denn die Termini, die wir hier verwenden, wenn wir von Bauer, B?rger und Adel, von Dorf und Stadt, von Feudalismus, Kapitalismus und B?ro
kratie, von Gilden und Z?nften, von St?nden und Klassen usf.
sprechen, sind von einer in Europa entstandenen Wissenschaft an
europ?ischen Modellen ausgebildet worden. Sie k?nnen aber auch, und zwar mit vollem Recht, zur Erfassung anderer Kulturen ver
!) So hat E. Salin, Hochkapitalismus. Eine Studie ?ber W. Sombart, die
deutsche Volkswirtschaftslehre und das Wirtschaftssystem der Gegenwart, Weltwirtschaftliches Archiv 1927, S. 343 f. die Frage aufgeworfen, ,,ob nicht
im Kern eine allgemeinhistorische Entwicklung zugrunde liegt, ob nicht das
Vordringen der neuen Geld-gegen?ber den alten Blutsm?chten und-bindungen charakteristisch ist f?r eine bestimmte Entwicklungsstufe aller V?lker und
Kulturen,- ob nicht der moderne Kapitalismus nur eine einmalige Auspr?
gung des alten ewigen Kampfes von ?Chrematistik" und ,,?konomik" dar
stellt". Die antike,,?konomik" (als umfassende Lehre vom Hause) hat im
Abendland bis ins 18. Jahrhundert, aber auch in Ru?land (M. E. Duchesne, Le Domostro?, Paris 1910) und im Islam (M. Plessner, Der Oikonomikos des
Neupythagor?ers Bryson und sein Einflu? auf die islamische Wissenschaft,
Heidelberg 1928) fortgelebt, nur in Europa aber ist seit dem 18. Jahrhundert dje National?konomie entstanden. Intensivierung der Marktwirtschaft hat es weithin gegeben, aber es scheint mir eben die Frage, ob man den Durch bruch zur industriellen Gesellschaft ?nur eine Auspr?gung" einer allge
meinen Grundtendenz war.
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wendet werden1). Dabei aber werden sie st?rker generalisiert, typi
siert2), sie streifen das spezifisch Europ?ische ab. Diese Typisierung kann mehr oder minder weitgehend sein. Dasselbe Wort bezeichnet sehr oft eine ganze Stufenfolge mehr oder minder verallgemeinerter
Bedeutungen3). ?bersieht man die dadurch gegebene Mehrschich
tigkeit des Sinnes dieser W?rter, so entsteht die Gefahr, da? ent weder europ?ische Begriffe unkritisch auf andere Zust?nde ?ber
tragen werden oder aber da? das spezifisch Europ?ische verschwin
det. Dazu kommt noch die Vielzahl der europ?ischen Sprachen, die die Begriffe durch die besonderen Verh?ltnisse der einzelnen V?lker
mitbestimmt sein l??t. Das deutsche ?Bauer" hat bestimmte Be
deutungsnuancen, die sich weder durch Farmer noch durch Peasant
genau wiedergeben lassen, ?Klasse" ist im Deutschen nicht ganz
dasselbe wie im Franz?sischen oder Englischen. Wichtiger ist aber noch etwas anderes. Die hier in Betracht
kommenden Wissenschaften, die moderne Geschichtswissenschaft
wie die Sozialwissenschaften, sind in engstem Zusammenhang mit
dem Durchbruch zur modernen Welt ausgebildet worden. Sie
sprechen weithin deren Sprache, und diese l??t sich daher nicht ohne weiteres auf das ?ltere Europa anwenden. Auch hier m?ssen
die Bedeutungsschichten beachtet werden. Das damit ber?hrte
terminologische Problem steht aber in engster Beziehung zum
sachlichen. Ich verweise nur auf das Wort ?Gesellschaft"4). Es
kann im allgemeinen Sinn von Vergesellschaftetsein gebraucht
werden, aber auch, wie wir wissen, als spezifisch moderne, vom
Staat abgehobene Wirtschaftsgesellschaft. Diese ist aus einem ?lteren Zustand erwachsen, und es ist ja unsere Frage, ob sich eine
einheitliche alteurop?ische Sozialstruktur feststellen l??t, in der die Wurzeln des Durchbruchs zur modernen Welt zu finden sind.
x) Th. Litt, Das Allgemeine im Aufbau d. geisteswissenschaftlichen Erkenntnis, Ber.?. d.Verhndl. d. Sachs. Akad. d. Wissenschaf ten, phil.-hist. Kl. 93 (1941)/:!.
2) Vgl. Th. Schieder, Der Typus in d. Geschichtswissenschaft, Studium
Generale 5 (1952), S. 228 ff.
3) So sieht sich H. Mitteis, Der Staat d. Hohen Mittelalters, 2. Aufl. 1944, S. 16 u. 19. gezwungen, das fr?nkische Lehnswesen als Sonderfall des ?Feu dalismus" zu bezeichnen, der-eben von diesem Lehnswesen seinen Namen hat.
*) So spricht Th. Mayer, Rheinische Viertel Jahresbl?tter 17 (1952), S. 384 von ,,der Gesellschaft der Hochadeligen und Freien mit ihren Herrschaften, die in den Staat des K?nigs einzugliedern und zu einem Volk von Unter
tanen zu machen war." Eine,,Gesellschaft" aus ?Herren mit Herrschaften"
und eine aus ?Untertanen" sind aber ganz verschiedene Dinge. Es sei hier
auch darauf verwiesen, da? das englische ?Society", der inneren Geschichte dieses Landes entsprechend, nicht mit dem kontinentalen Gegensatz von
Staat und Gesellschaft belastet ist.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 477
Es liegt auf der Hand, da?, wenn wir schon hier und dort mit den selben W?rtern arbeiten, wir uns doch der Mannigfaltigkeit ihrer
Bedeutungen bewu?t sein m?ssen. Die deutsche Neigung einer seits zur Macht-, andererseits zur Geistesgeschichte mag eine ge
wisse Gefahr bedeuten. Diese kann aber keinesfalls durch die ?ber nahme eines unkritischen, in seiner Vieldeutigkeit nicht erkannten
Begriffs der ,,Gesellschaft" gebannt werden, der genau derselben
problematischen Situation an der Wende vom 18. zum 19. Jahr
hundert entstammt wie die isolierten Begriffe der ?Macht" und des ,, Geistes* *.
In der historischen Literatur, die diese Mehrschichtigkeit des
Begriffs ?Gesellschaft** nicht zu kennen scheint und die Einsichten der gegenw?rtigen Soziologie noch nicht rezipiert hat, wird unser Problem weithin als die Abl?sung des ?Feudalismus" durch den
?Kapitalismus** bzw. durch die ?Bourgeoisie** hingestellt1). Feuda
lismus und Kapitalismus erscheinen dabei als gesellschaftliche Zust?nde, als ?soziale Realit?ten** im vorhin gekennzeichneten Sinn. Wir wissen nun aus den Untersuchungen von Marc Bloch2), da? Feudalismus, F?odalit? erst um 1700 in Frankreich aus der
Bezeichnung eines Systems lehnrechtlicher Normen zu der eines sozialen Zustandes wurde, im Kampf mit dem aufkommenden ab
solutistischen Staat, von dem sich nun diese ?feudale Gesellschaft**
abhebt. Der Begriff ?Feudalismus** ist dadurch und durch das
Durchdringen einer staatsb?rgerlichen Gesellschaft in der Revolu tion sehr wesentlich bestimmt. Man hat ihn dann weiter typisiert, entweder wie in vorbildlicher Weise Otto Hintze auf bestimmte Er
scheinungen beschr?nkt3) oder ganz allgemein zur Bezeichnung
jeder ?ber Bauern sitzenden l?ndlichen Oberschicht oder der
Nachordnung von Lokalgewalten unter einen Oberherrscher ver
wendet, Erscheinungen, die wir am europ?ischen Feudalismus ken
nen, die aber doch nicht ausreichen, auch nicht miteinander ver
kn?pft, um ihn vollst?ndig zu kennzeichnen. In ?hnlich vielschich
tiger Weise l??t sich auch das Wort Kapitalismus verwenden4). *) Vgl. etwa A. R?stow, Ortsbestimmung d. Gegenwart, Bd. i, 2, Erlenbach,
Z?rich, 1950/52. A. Hauser, Sozialgeschichte d. Kunst u. Literatur, 2 Bde., M?nchen 1952. F. Sternberg, Kapitalismus u. Sozialismus vor dem Welt
gericht, K?ln 1951. Vgl. S. 476 Anm. 3. Zur Periodisierung des Feudalismus
u. Kapitalismus'in d. geschichtlichen Entwicklung d. UdSSR., Berlin 1952.
2) M. Bloch, La soci?t? f?odale 1 (Paris 1939), S. 1 f.
3) O. Hintze, Wesen und Ausbreitung d. Feudalismus. Staat u. Verfassung
(Gesammelte Abhandlungen 1), Leipzig 1941, S. 74 ff.
4) M. A. Knoll, Das Kapitalismus-Problem in d. modern. Soziologie, Wien 1952,
gibt etwa den Wissensstand von 1930 wieder. Vgl. A. v. Martin, Die b?rgerlich
kapitalistische Dynamik d. Neuzeit, HZ 172 (1951), S. 37 ff. und unten S. 491 f.
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478 Otto Brunner
Hier haben wir es aber mit einem Ph?nomen zu tun, das unmittel
bar bis in die Gegenwart reicht. Es geht nicht um irgendeinen, sondern um einen bestimmten Kapitalismus, den modernen, den
Hochkapitalismus, richtiger noch um die in kapitalistischen Formen
auftretende, aber an diese nicht unbedingt gebundene ?industrielle Gesellschaft", also um ein zentrales Problem Europas, aber auch
der ganzen Welt. Es ist ein und derselbe Industrialisierungsproze? auf der ganzen Erde, es sind nicht irgendwelche Kapitalismen von
vager ?hnlichkeit. Die Industrialisierung der Erde bestimmt zwar nicht allein, aber doch in erheblichem Ma?e das Schicksal Europas, auch den Zusammenbruch seiner Weltgeltung.
So ist es denn kein Zufall, da? die Frage nach einer spezifisch europ?ischen Sozialstruktur hier zuerst gesehen wurde. Vor etwa
50 Jahren wurde deutlich, da? sich die in "der ersten H?lfte und um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen ?Ideologien"
liberaler, konservativer und sozialistischer Pr?gung und die ihnen immanenten geschichtsphilosophischen Prognosen nicht bew?hrt
hatten. Es war weder gelungen, die ?Gesellschaft" in den Staat zu
integrieren, noch vermochte die Wirtschaftsgesellschaft aus dem freien Spiel der Kr?fte zu bestehen, noch bereitete sich der Um
schlag zur klassenlosen Gesellschaft vor. Ein m?chtiges Gro?unter
nehmertum und nicht minder m?chtige Arbeiterverb?nde standen einander gegen?ber. Wenig sp?ter sprach man von einem ?Sp?t
kapitalismus", wurden die R?ckwirkungen der fortschreitenden
Industrialisierung der Erde auf Europa immer f?hlbarer. Es wurde
sichtbar, da? man zwar auch in Zukunft mit der industriell-b?ro
kratischen Grundstruktur zu rechnen habe. Aber man sah den
?modernen Kapitalismus" nicht mehr als End- oder doch letzten
Durchgangspunkt der ?Geschichte", d. h. der ?blichen Weltge schichte, als selbstverst?ndliches, ja notwendiges Ergebnis der ge
schichtlichen ?Entwicklung", der gegen?ber alle anderen Kulturen
in Sackgassen1) geendet haben sollen, sondern als ein ?historisches
Individuum"2), als ein einmaliges Ph?nomen, dessen besondere
Vorbedingungen aufzuweisen waren. So wurde der ?moderne Ka
pitalismus" f?r Werner Somhart, vor allem aber f?r Max Weber zum zentralen Gegenstand der Forschung. Sie erweitert sich aber
bei diesem, und dies scheint mir au?erordentlich wichtig, zur Frage nach einer spezifisch europ?ischen Rationalit?t, und zwar nicht nur
x) K. A. Wittfogel, Die nat?rlichen Ursachen d. Wirtschaftsgeschichte, Archiv f. Sozialwissenschaft u. Sozialpolitik 67 (1933), S. 606 ff.
2) O. Hintze, Der moderne Kapitalismus als historisches Individuum. Zur
Theorie d. Geschichte (Gesammelte Abhandlungen 2) Leipzig 1942, S. 71 ff.
und oben Anm. 23.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 47g
im Bereich der Wirtschaft, sondern auch von Staat und Recht. Zu dem hat Max Weber in seinen religionssoziologischen Untersuchun
gen1), aber auch in ?Wirtschaft und Gesellschaft** ein riesiges Ma terial aus au?ereurop?ischen Kulturen zusammengetragen, an dem
die europ?ische Eigenart sichtbar werden mu?te. Nicht minder
wichtig aber sind die Untersuchungen zur Religionssoziologie durch die Hinwendung zu ihrem Gegenstand, der Religion, die bis dahin kaum Gegenstand sozialgeschichtlicher Betrachtung gewesen war. Geht es Max Weber in der Hauptsache noch um die Einwirkung religi?ser Glaubenshaltungen auf die Sph?re von Wirtschaft und
Gesellschaft2), so war doch damit ein erster Schritt zur Aufhebung der Entgegensetzung von ?Geist** und ?Gesellschaft** getan.
Hier ist endlich der Name Otto Hintzes zu nennen3). Denn in seinem Werk vollzog sich ausgehend von der Verfassungs- und Ver
waltungsgeschichte, vor allem auch der Geschichte der Heeresver
fassung, und in Auseinandersetzung mit W. Sombart und Max Weber eine Synthese der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im
engern Sinn mit der Rechts- und Verfassungsgeschichte und der
politischen Geschichte zu einer umfassenden Sozialgeschichte im vollen Sinn des Wortes. Man m?chte hoffen, da? Hintzes Werk erst noch zu breiter Wirkung gelange, mag auch seine zeitbedingte
Terminologie da und dort nicht mehr ganz die unsere sein. Aber hier ist das Thema des Zusammenhangs von Krieg und Politik als
Machtkampf und der ?b?rgerlichen Gesellschaft** als Friedens
ordnung angeschlagen4). Max Weber hat von einem ?spezifisch gearteten Rationalismus
der okzidentalen Kultur** gesprochen5), Hans Freyer in seiner
?Weltgeschichte Europas** gesagt, da? ?Aufkl?rung nicht nur das beschr?nkte historische Ph?nomen ist, das wir gemeinhin mit diesem Worte bezeichnen, sondern eine der Grundtendenzen, bei
nahe der Trend der europ?ischen Geschichte ?berhaupt**6). Die
1) M. Weber, Gesamm. Aufs?tze z. Religionssoziologie, 3 Bde., T?bingen
1920/21.
") Zu der von hier ausgehenden ,,geistesgeschichtlichen" Soziologie vgl. A.
Denipf, Die Kultursoziologie d. Gegenwart, Wissenschaft u. Weltbild 1
(1948), S. 317 ff. A. M?ller-Armack, Genealogie d. Wirtschaftsstile, 3. Aufl.
Stuttgart 1944. Ders., Zur Metaphysik d. Kulturstile, Zeitschr. f. d. ges. Staatswissenschaft 105 (1948), S. 29 ff. Ders., Diagnose unserer Gegenwart, G?tersloh 1949, S. 13 f.
*) O. Hintze, Ges. Abhandlungen, 3. Bde. Leipzig 1941/43.
4) G. Ritter, D?monie d. Macht, S. 166.
6) Gesamm. Aufs?tze 1, S. 11. Vgl. H. Freyer, Gesellschaft u. Geschichte,
Leipzig 1937, S. 6 f.
6) H. Freyer, Weltgeschichte Europas 2 (Wiesbaden 1948), S. 866.
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48o Otto Brunner
beiden Gelehrten sehen den Ursprung dieser Tendenzen in der
Antike, bei den Griechen. So gewi? nun die europ?ische Rationa lit?t ohne ihre antiken Grundlagen nicht begriffen werden kann, so
bleibt doch die Tatsache bestehen, da? dieser Trend in der Antike
gewisse Grenzen nicht ?berschritten hat, diese ihrem eigent?m lichen Kosmosgedanken verhaftet bleibt1). Die antike Kosmosphilo sophie hat lange nachgewirkt, aber das neuzeitliche Denken hat sie schlie?lich gesprengt und ist in einem immer deutlicheren Ge
gensatz zu ihm getreten. So wichtig die immer wieder neu aufge nommene Auseinandersetzung mit dem antiken Erbe bleibt, so m?ssen in der europ?ischen Geschichte noch andere Antriebe wirk sam gewesen sein.
Es bedarf nach dem bisher Gesagten wohl keiner n?heren Begr?n dung, da? wir in der Grundtendenz der europ?ischen Geschichte zur Rationalit?t ? die wohlgemerkt eine, nicht die Grundtendenz schlechthin ist ? nicht einen hinter den empirisch fa?barenTatsachen
wirksamen Faktor, sondern zuerst einmal nur die Feststellung einer
Tatsache sehen, deren Konstanz sich durch die Jahrhunderte nach
weisen l??t. Man wird diese ?Ratio" als historisches Ph?nomen sehen
m?ssen, in ihren verschiedenen geschichtlichen Gestalten, als deren
vorl?ufig letzte die Rationalit?t der industriell-b?rokratischen Gesell schaft erscheint. Diese kann auch nicht zum Ma?stab schlechthin ge
macht werden, an dem gemessen alle anderen Kulturen als ?irratio
nal", ?starr", als ?Sackgassen" erscheinen. Es wird zu bedenken sein, da? ein allerdings sehr verschiedenes Ma? von Rationalit?t ?berall feststellbar ist, soweit unsere Kenntnis vom Menschen zur?ckreicht, da? aber diese auf bestimmte Ziele gerichtete Ratio zwar ein unent
behrliches Fundament der Vernunft ist, mit dieser aber nicht gleichge setzt werden kann3). Es darf daran erinnert werden, da? die hochge
steigerte Rationalit?t europ?ischen Ursprungs zur Entfesselung irrationaler M?chte gef?hrt, da? sie zudem einen ?Rationalismus" im schlechten Sinn des Wortes, einen ?Szientismus", einen Wissen
schaftsaberglauben hervorgebracht hat4). Wir sind uns heute der
1) E. Topitsch, Der Historismus u. seine ?berwindung. Wiener Zeitschr. f.
Philosophie, Psychologie, P?dagogik 4 (1952), S. 97 ff.
2) G. Kraft, Der Urmensch als Sch?pfer, Berlin 1942. Historia Mundi begr. v. F. Kern, 1 (M?nchen 1952). Das Problem ist vor allem an der These
Levy-Bruhls (die dieser aber schlie?lich fallen lie?) vom ,,pr?logischen" Charakter des primitiven Menschen entwickelt worden. Vgl. E. Cassirer, Vom Mythus d. Staates, Z?rich 1949.
3) K. Jaspers, Vernunft u. Widervernunft in unserer Zeit, M?nchen 1950 M. Horkheimer, Zum Begriff d. Vernunft, Frankfurt 1952.
4) F. H. Hayek, The Counterrevolution of Science. Studies in the Abuse of
Reason, Glencoe 1952. E. Voegelin, Wissenschaft als Aberglaube. Die Ur
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 481
Grenzen des Rationalen bewu?ter als fr?here Zeiten. Wir wissen, da? der Konflikt zwischen Religiosit?t und Rationalit?t einer ver
h?ltnism??ig sp?ten Situation entsprang, da? es auch in der Kirche, in ihrer Verfassung, ihrem Recht, ihrer scholastischen Philosophie1)
Europa eigent?mliche rationale Tendenzen gegeben hat, die ander
w?rts fehlen. Wir werden uns also h?ten, Trend zur Rationalit?t und Rationalismus einfach gleichzusetzen, letzteren als zwangs
l?ufiges und endg?ltiges Produkt der ersteren zu sehen.
Man hat den geschichtlichen Ort der europ?ischen Rationali
t?t, so etwa in den Arbeiten ?ber die Urspr?nge des modernen
Kapitalismus, in der Stadt und ihrem B?rgertum gesucht. Dies mit
guten Gr?nden. Auch wenn man darauf verzichtet, den alteuro
p?ischen Stadtb?rger mit dem antiken Polites oder Civis oder aber dem modernen B?rger (Citoyen und Bourgeois) einfach gleichzu setzen und in diesen recht verschiedenen Gestalten Tr?ger einer
einheitlichen Rationalit?t zu sehen, wenn man die fragw?rdige These von der Vorbildlichkeit der mittelalterlichen Stadt f?r den neuzeitlichen Staat beiseite l??t, bleibt noch immer genug, nament lich in der Sph?re der Verkehrs Wirtschaft, um diese Ansicht zu st?tzen. Nun ist aber diese europ?ische Stadt eine einmalige Er
scheinung2). Was uns hier seit etwa 1100 begegnet, der j?ngere
Kaufmannstyp, der freie Zunfthandwerker, die genossenschaftliche B?rgergemeinde gibt es nur in Europa3) und unterscheidet sich sehr wesentlich von den St?dten anderer Kulturen, auch von den
fr?hmittelalterlichen St?dten Europas selbst. Wir sehen das Auf kommen dieses Typs in bestimmten Kernr?umen, zwischen Rhein und Loire, in Ober- und Mittelitalien, und verfolgen seine Ausbrei
tung und Verdichtung in den folgenden Jahrhunderten. Man f?hrt dies wesentlich auf ein Wiederaufleben des Handels zur?ck ; das war sicherlich ein wichtiger Faktor, wenn sich auch schwer entscheiden
l??t, was dabei Ursache und was Folge war4). Aber eine Inten
sivierung der Verkehrs Wirtschaft findet sich auch in anderen Kul
Spr?nge d. Szientifismus, Wort u. Wahrheit 6 (1951), S. 341 ff. Vgl. auch M. . Horkheimer u. Th. W. Adorno, Dialektik d. Aufkl?rung, Amsterdam 1947.
x) H. Freyer, Weltgeschichte Europas 2, S. 725 spricht von Beginn des Reichs
der Vernunft im Reiche Gottes.
2) O. Brunner, B?rgertum u. Stadt in d. europ?ischen Geschichte, Geschichte
in Wissenschaft u. Unterricht 4 (1953), S. 525 ff.
*) F. Steinbach, Studien z. Geschichte d. B?rgertums I, Rheinische Viertel
jahrsbl?tter 13 (1948), S. 11. E. Ennen, Fr?hgeschichte d. europ?ischen
.Stadt, Bonn 1953.
4) Vgl. J. Lestocquoy, Aux origines de la bourgeoisie: Les villes de Flandre
et d'Italie sous le gouvernement des patriciens. Paris 1952. J. Latour-Gayet, Histoire du commerce 2 (1950), S. 227 ff.
Historische Zeitschrift 177. Ed. 31
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482 Otto Brunner
turen und zum Teil eine sehr viel st?rkere, als wir sie in Europa um iioo feststellen k?nnen, ohne da? St?dte dieses Typs entstan den w?ren. St?dte k?nnen nur entstehen in einer Agrarlandschaft, mit der sie in Austausch treten. Wir werden auf die europ?ische Agrarlandschaft einen Blick werfen m?ssen. Hier wirkt allerdings noch immer die schon ber?hrte, letztlich aus dem sp?ten 18. Jahr hundert stammende Ansicht nach, die in Feudalismus und Bour
geoisie einander prinzipiell feindliche M?chte erblickt, die in der
b?uerlich-adeligen Sph?re eine Welt von Herrschaft und Knecht
schaft, der Unfreiheit, des Urt?mlich-Traditionalen, eben des Nicht-Rationalen sah. Dies scheint uns nur sehr bedingt richtig, allzusehr von der Stadt, dem modernen Staat, der industriellen Gesellschaft her gesehen. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine sehr intensive Forschung der Siedlungs- und Agrargeschichte zu
gewendet. Dabei wurde der ?ltere engere Begriff der Wirtschafts
geschichte durchbrochen und eine allseitige Sozialgeschichte des flachen Landes entwickelt. Wie mir scheint, sind ihre h?chst wich
tigen Ergebnisse nicht ?berall in das allgemeine Geschichtsbewu?t sein voll aufgenommen worden. Wir kennen heute, und zwar als
eine allgemein europ?ische Erscheinung, die Geschichte der Rodun
gen und Wanderungen, die Gestaltung der europ?ischen Kultur
landschaft, die, soweit sie nicht durch Industrialisierung und Ver
st?dterung im 19. Jahrhundert ver?ndert wurde, noch so vor uns
steht, wie sie bis zum hohen Mittelalter geschaffen wurde. Die An
f?nge dieses Prozesses sind erheblich ?lter als Umwandlung und
Ausbreitung des St?dtewesens, mit dem er dann in Wechselwirkung tritt. Dieser Vorgang w?re offenbar ohne einen eigent?mlichen
Bauerntyp nicht m?glich gewesen. Tats?chlich wissen wir um das Aufkommen der Dreifelderwirtschaft seit der Mitte des 8. Jahr hunderts, die sich in Europa weithin ausbreitet, in der Hauptsache soweit, als dies die nat?rlichen Gegebenheiten gestatteten. Ge
messen an den ?lteren Anbauweisen haben wir es mit einer ratio
naleren Art zu tun, einer Verlagerung des Schwergewichts von der
Vieh Wirtschaft zum Getreidebau; eine ?Verge treidung", wie man
gesagt hat, setzte sich durch. So geht mit dem Ausbau der Kultur landschaft eine innere Intensivierung Hand in Hand. In engem
Zusammenhang damit erscheinen die Hufen Verfassung, gro?e D?rfer, rationellere Dorf- und Fluranlagen und breiten sich allm?hlich
aus1). In h?chst instruktiver Weise hat Werner Conze gezeigt2),
1) O. Brunner, Europ?isches Bauerntum, Geschichte in Wissenschaft u.
Unterricht 2 (1951), S. 400 ff.
2) W. Conze, Agrarverfassung u. Bev?lkerung in Litauen u. Wei?ru?land 1
(Leipzig 1940).
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 483
wie dieser ganze Komplex, der europ?ische Typ der Agrarver
fassung, in einer sp?ten Gestalt auf die anders strukturierten,
Europa nur politisch angegliederten Landschaften Litauen und Wei?
ru?land einwirkte. Hier tritt der Unterschied sehr deutlich zutage. Man wird aber auch nach dem Verh?ltnis der Bauern zur
Herrschaft, zu jener Herrschaft vor allem, die jeweils Obrigkeit war, fragen m?ssen. Hier bestehen, wie bekannt, au?erordentlich
vielf?ltige Verh?ltnisse, die sich zudem im Lauf der Jahrhunderte stark ?ndern. Immerhin wird man sagen d?rfen, da? der Bauer
auch in den ung?nstigsten F?llen Rechtsperson war1). Seine Be
ziehung zum Herrn ist ein gegenseitiges Rechtsverh?ltnis, das den Herrn ebenso verpflichtet wie den Untertan. Daher besitzt er ein
betr?chtliches Ma? wirtschaftlicher Selbstst?ndigkeit; es gibt eine Tendenz zu einem genossenschaftlich-gemeindlichen Leben, zur
Selbstregierung, zu einem Dorfrecht, in dem das herrschaftlich
genossenschaftliche Spannungsverh?ltnis in verschiedener Weise
wirksam war.
So meine ich denn, da? schon in der europ?ischen Agrargesell schaft ein gegen?ber anderen Bauernkulturen gesteigerter ratio
naler Faktor nachweisbar ist, m?gen diesem auch sachlich be
dingte Grenzen gesetzt sein, mag er den ?berkommenen religi?sen,
ja magischen Bindungen verhaftet bleiben. Franz Steinbach hat
dargelegt, da? in diesem Bauerntum ein christliches Arbeitsethos
zur Geltung kommt, das die christliche Sp?tantike zwar als Lehre, aber nicht als lebendige Gesinnung kannte2). Man wird fragen d?r
fen, wie weit die ganz andere Stellung des Bauern daf?r eine Vor
aussetzung war, wie weit dieses Arbeitsethos dann selbst wieder
den neuen Bauerntyp mitgeformt hat.
Auf diesem Hintergrund wird man auch Neugestaltung und
Ausbreitung des St?dtewesens sehen m?ssen. Es w?re zu erw?gen, ob nicht der neue Bauerntyp, aus dem ja ein erheblicher Teil der
Stadtbev?lkerung stammte, auf deren Haltung eingewirkt hat.
Entscheidend war jedenfalls, da? die dichte und intensive Agrar landschaft die Entfaltung der St?dte erm?glichte. Die herrschaft liche Struktur enthielt doch offenbar Voraussetzungen f?r das sehr
*) H. Mitteis hat seiner Besprechung von A. Gasser, Geschichte d. Volks
freiheit u. d. Demokratie, 2. Aufl. 1949, darauf hingewiesen, da? ,,beim ?ber
gang von der Sp?tantike zum Mittelalter nicht nur eine Milderung der Un
freiheit, sondern ein totaler Begriffswandel eingetreten" sei. ?Unfreiheit in
ihren verschiedenen Graden bedeutete Abh?ngigkeit von einer konkreten
Herrengewalt und endete mit deren Wegfall." HZ 172 (1951), S. 103 ff.
2) F. Steinbach, Studien z. Geschichte d. B?rgertums II, Rheinische Viertel
jahresbl?tter 14 (1949), S. 51 ff.
31*
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484 Otto Brunner
viel kr?ftigere genossenschaftliche Leben der B?rgergemeinden. Die Stadt ist eine Sonderform in der feudalen Welt des Mittelalters, als solche hebt sie sich rechtlich von dem andersartig organisierten Land scharf ab1). Aber gerade diese Scheidung zwischen grund herrlich-b?uerlicher und st?dtischer Sph?re ist etwas spezifisch Europ?isches, das andere Kulturen in dieser Art nicht kennen2), ist eines der wichtigsten Momente f?r die Mannigfaltigkeit, die innere Differenziertheit des ?lteren Europa3).
Mit dem Verh?ltnis von Grundherrn und Bauern, Stadtherrn und B?rgergemeinde sind bereits wesentliche Elemente des Kom
plexes genannt, die wir Feudalismus nennen. Dazu kommt der lehn
rechtliche Aufbau des hochmittelalterlichen Staates. Man darf darin den Versuch sehen, die vorhandenen oder aufkommenden Lokal
gewalten, deren Autonomie das Lehnrecht ja nicht erst geschaffen hat, st?rker an den Herrscher zu binden. Heinrich Mitteis hat ge
zeigt4), da? dem europ?ischen Lehnstaat eine Tendenz zur Zentra
lisierung innewohnt, die sich ja auch ?berall dort durchgesetzt hat, wo ein starkes Herrschertum vorhanden war. So enth?lt auch
dieser europ?ische ?Feudalismus" ein rationales Element in sich, das im Aufbau des Staates wirksam ist. Auch dieses Ph?nomen entsteht im fr?nkischen Kernraum und breitet sich von hier aus,
ohne vor allem im Norden und Osten sich voll durchzusetzen. In
Feudalismen anderer Art l??t sich eine ?hnliche Tendenz nicht nachweisen.
So sind denn diese ?feudalen" Jahrhunderte nicht blo? eine
andersartige Vorwelt, nur ?Mittelalter" von der Neuzeit her ge
sehen, nur als Negativ, als Gegenbild zur Moderne zu begreifen6). Auch die Stadt, das in die Zukunft weisende Ph?nomen, geh?rt ihnen in ihren Urspr?ngen an. Sicherlich aber w?re es falsch, nun zu meinen, da? sich diese Ans?tze nun sozusagen eigengesetzlich
weiterentwickelt h?tten. Davon kann keine Rede sein. Der Lehns
staat wurde durch andere staatliche Formen ersetzt, die hochmittel
alterliche Dynamik von Bev?lkerungsbewegung und Wirtschafts
aufstieg, die zur Gestaltung der b?uerlichen Kulturlandschaft und
!) Vgl. F. Steinbach, a. a. O. S. 37 ff.
2) Vgl. O. Brunner, Europ?isches u. russisches B?rgertum. Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte 40 (1952), S. 1 ff.
3) So schon F. Guizot, Allgemeine Geschichte d. europ?ischen Zivilisation, dt. Stuttgart 1844, S. 20. Vgl. etwa H. Heffter, Geschichte d. deutschen
Selbstverwaltung, Stuttgart 1950, S. 12.
*) H. Mitteis, Der Staat d. hohen Mittelalters, 2. Aufl. 1944, S. 171.
5) Typisch etwa A. R?stow, Ortsbestimmung der Gegenwart 2 (Erlenbach Z?rich 1952), der ?berall ?Mittelalter" sieht, wo ,,Feudalismus" und ?theo
logische Gebundenheit" herrscht.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 485
zur Ausbreitung des St?dtewesens gef?hrt hatte, kommt bal d nach
1300 zum Stillstand, ja es treten erhebliche R?ckschl?ge ein1). Auch das ist eine allgemeine europ?ische Erscheinung. Man spricht von einer ,,Krise des Feudalismus". Daran wird soviel richtig sein, da? die mit den damaligen Organisationsformen m?glichen Gren zen erreicht, zum Teil auch ?berschritten waren.
Aber um diese Zeit waren schon ganz andere Faktoren wirk
sam. Man kennt die mittelalterliche Anschauung vom Recht, das ?ber Herrscher und Volk steht, ?alt" und daher gut ist, auf Gott
bezogen, Ausdruck einer sakralen Fundierung der ganzen Daseins
ordnung2). Sie ist in Europa ?lteres Erbe, aber auch sonst univer
sell verbreitet. Sie hat in Gro?staaten zu einem sakral begr?ndeten Despotismus,
zu einem ?Gottkaisertum", auf christlichem Boden
zu einem C?saropapismus gef?hrt. Dadurch wird weithin eine Ver
festigung der bestehenden Zust?nde erm?glicht, eine imVergleich mit Europa relative Starrheit der Verh?ltnisse. Nichts davon aber findet sich auf europ?ischem Boden, auch nicht im durchgebildeten
Absolutismus. Hier lebt die ?ltere, wenn man will, primitivere An
schauung vom Recht lange fort und wirkt auch nach ihrer Um
bildung noch nach. Sie bedingt den eigent?mlichen Dualismus von
,,Gottesgnadentum und Widerstandsrecht", von Obrigkeit und
Volk in herrschaftlichen und genossenschaftlichen Verb?nden, von souver?ner Staatsgewalt und modernem Naturrecht, von
souver?ner Nation und den Grundrechten des Einzelnen. So man
nigfach und verschieden die geschichtlichen Vorbedingungen f?r diese Erscheinungen sein m?gen, der hier zutage tretende Dualis
mus l??t sich auf eine fr?he, im wesentlichen germanische Wurzel zur?ckf?hren. Aber damit ist noch nicht erkl?rt, warum diese
Anschauung so lange fortwirkt, auch unter ganz andersartigen Ver
h?ltnissen, warum es hier nicht zu einem C?saropapismus kam, obwohl in dieser Richtung zielende Tendenzen nachweisbar sind.
Hief?r reicht die Berufung auf das germanische Erbe nicht aus, so als ob in ihm schon keimhaft alles Folgende enthalten gewesen
w?re3). Es mu? vielmehr in einer bestimmten Situation umgeformt und in einer bestimmten Richtung aktiviert worden sein. Hier
1) W. Abel, Agrarkrisen u. Agrarkonjunkturen in Mitteleuropa, Berlin 1935 .
Ders., Die W?stungen d. ausgehenden Mittelalters, Jena 1943.
2) Der grundlegende Aufsatz von F. Kern, Recht u. Verfassung im Mittel
alter, HZ 120, liegt jetzt in Buchform, T?bingen 1952, vor.
3)-So wie das christliche Arbeitsethos erst im fr?hen Mittelalter aktiv wird
(vgl. oben S. 483), so wird hier ein germanisches Erbe in einer Weise wirk
sam, f?r die in germanischer Zeit noch nicht die Voraussetzungen gegeben waren. Man wird auch daran erinnern d?rfen, da? das antike Erbe in den
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486 Otto Brunner
scheint mir die europ?ische Gegebenheit der einen Kirche und der Vielheit der Staaten und ihre Auseinandersetzung im hohen Mittel alter entscheidend zu sein, die schlie?lich mit Kompromissen endet.
Dadurch wurde die in jeder christlichen Welt vorhandene, aber in der r?mischen Kirche schon fr?h st?rker betonte Differenzierung von
geistlicher und weltlicher Sph?re vorw?rts getrieben und versch?rft sich dann immer mehr. Wohl leben auch im weltlichen Bereich sakrale Elemente noch sehr lange fort, wohl gibt es dann Staats -
kirchliche Tendenzen. Aber all das ist doch etwas anderes als die sakrale Fundierung der ganzen Lebensordnung. Gewi?, man will
christlich sein und bleiben. Aber hier liegt doch der Quellpunkt jener keineswegs bewu?t gewollten Vorg?nge, die wir in ihrem
Fazit S?kularisierung nennen. Eine Bewegung zur Laisierung wird
sp?rbar, der ein Zug zur Spiritualisierung in der religi?s-kirchlichen Sph?re parallel geht. Darin wurzelt ja letztlich auch die moderne
Gegen?berstellung einer s?kularisierten ?Gesellschaft" und eines
spiritualistischen ?Geistes", gedeutet etwas als Gegensatz von Sein
und Bewu?tsein. Diese Kategorien erweisen sich als Kontrafak
turen von Kirche und Welt. Hier handelt es sich um einen Vorgang, der f?r die europ?ische Sozialgeschichte seit dem hohen Mittelalter von grundlegender Bedeutung ist. Wir m?ssen uns freilich darauf
beschr?nken, einige Punkte beispielsweise herauszuheben.
Vom Fortleben der ?lteren Anschauung des ?ber Herrscher
und Volk stehenden Rechts war bereits die Rede. Dieses setzt das
eigent?mlich labile Verh?ltnis zwischen Kurie und weltlichen Ge
walten voraus. Es gibt keine oberste Instanz, die unbestritten
geistliche und weltliche Gewalt in sich vereinigen w?rde. Es geh?rt zur Eigenart der europ?ischen ?Nation", des ?Staates" und seines
spezifischen Souver?nit?tsbegriffs, da? sie sich von der geistlichen Sph?re abheben. Das Recht aber behauptet hier seine Eigenst?n digkeit. Auch der souver?ne, ja der absolute Herrscher ist an das ?berkommene Recht gebunden, mag er es auch in seinem Sinne
auslegen, vor allem sein Herrscherrecht auszuweiten suchen. Diese
Rechtsauffassung sichert daher im Prinzip das Eigenrecht der
europ?ischen Rezeptionen und Renaissancen eine ganz andere Funktion
erh?lt als im byzantinisch-ostslawischen und islamischen Bereich. So wichtig die Herausarbeitung der drei, ?Wurzeln" der europ?ischen Geschichte, Antike,
Christentum und die neuen, in der Hauptsache germanischen Wanderungs
v?lker, immer bleibt, so l??t sich aus ihnen nicht alles Folgende herleiten.
Indem sie zusammentreten, entsteht etwas Neues (dazu H. Aubin, Die Frage nach der Scheide zw. Antike u. Mittelalter, HZ 172 [1952], S. 261). ?ber die von der Romantik herkommende ?bersch?tzung der ?Urspr?nge" vgl. H.
Freyer, Weltgeschichte Europas 1, S. 71.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 487
Lokalgewalten, der herrschaftlichen und genossenschaftlichenVer
b?nde, der Immunit?ten und Freiungen. Aus den Herren der Herr schaften und den Vertretern der genossenschaftlichen Kommunal
verb?nde (St?dte, Grafschaften, Komitate usf.) baut sich der ?St?n destaat" auf, diese erscheinen auf den st?ndischen Reichs- und
Landtagen, Generalst?nden und Parlamenten. Spricht man hier
vom ?st?ndischen" Wesen, von der ?altst?ndischen Gesellschaft", so wird man stets das den jeweiligen ?Status" bestimmende r?um
liche Moment der Freiungen, der herrschaftlichen und genossen
schaftlichen Lokalgewalten mit ber?cksichtigen m?ssen. Diese
?St?nde" oder auch, wenn man das Wort in einem sehr largen Sinn verwenden will, ?Klassen" sind eben nicht, wie noch zu zeigen sein wird, Gliederungen einer einheitlichen staatsb?rgerlichen ?Gesellschaft" im sp?teren Sinn. Die st?ndischen Vertretungs
k?rper bedeuten eine Auseinandersetzung und Zusammenarbeit
zwischen Herrscher und Lokalgewalten. Sie besitzen eine erstaun
liche Dauerhaftigkeit. Der absolute Staat des Kontinents vermochte sie zwar zeitweise lahmzulegen, praktisch auszuschalten oder auf
ein Minimum zu beschr?nken, nicht aber sie im Prinzip aufzuhe
ben1). Sie sind zudem die Voraussetzung des modernen Repr?sen
tativsystems, das sich unter den besonderen Bedingungen Englands ausgebildet hat, das auf dem Kontinent allerdings erst nach einem revolution?ren Bruch ?bernommen worden ist.
Dieser revolution?re Bruch setzt die Umbildung der euro
p?ischen Sozialstruktur voraus. Sie ist das Werk des zweiten Fak
tors, der neben den Vertretungsk?rpern den europ?ischen Staat
kennzeichnet, der B?rokratie, die sich aus ?Fachleuten"2), vor
allem juristisch und kameralistisch geschulten Fachleuten zusam
mensetzt. Man hat lange wie von einem Gegensatz von Feudalis
mus und Bourgeoisie auch von dem zwischen Feudalstaat und b?ro
kratischem Staat gesprochen. Wie der Feudalismus erscheint auch
die B?rokratie als eine universell verbreitete Erscheinung, das
Lehnswesen wird als ?Verwaltungsrecht" des mittelalterlichen
Staates begriffen3). In neuerer Zeit hat man sich angew?hnt, nach
dem Vorgang Theodor Mayers von ?PersonenVerbandsstaat" und
?institutionellem Fl?chenstaat" zu sprechen4). ?PersonenVerbands
x) W. N?f, Die Epochen der neueren Geschichte i (Aarau 1945), S. 411 ff.
2) M. Weber, Wirtschaft u. Gesellschaft, 2. Aufl. T?bingen 1925, S. 650 ff.
3) H. Mitteis, Der Staat d. hohen Mittelalters, S. 16.
4) Th. Mayer, Die Entstehung d. ?modernen" Staates im Mittelalter u. die
freien Bauern, Zeitschr. d. Savignystiftung f. Rechtsgeschichte, germ. Abt.57
(1937), S. 210 ff. Auf den Beisatz ?institutionell" ist Gewicht zu legen, da
?Fl?chenstaat" allein zu vieldeutig ist.
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488 Otto Brunner
Staat" meint hier alle ?lteren Verfassungsformen einschlie?lich des
Lehnstaates, ?institutioneller Fl?chenstaat" aber nicht etwa einen
gro?r?umigen Staat im Gegensatz etwa zum Stamm oder Stadt
staat, sondern einen Staat, der ?ber einen zu fl?chenhafter Ge
schlossenheit tendierenden Lokal Verwaltungsapparat verf?gt. Hier haben wir tats?chlich eine spezifisch europ?ische Erscheinung vor uns, die f?r die Umbildung der Sozialstruktur von grundlegen der Bedeutung wurde. Gro?staaten anderer Kulturwelten ver
f?gen gewi? auch ?ber einen Verwaltungsapparat, nicht nur in
der Zentrale, sondern auch in den ?Provinzen". Aber er ist wesent
lich Milit?r- und Steuererhebungsorganisation, ziemlich weitma
schig und ber?hrt zumeist die unteren Organisationsformen,
St?mme, V?lker, Stadtstaaten nicht allzu tief. Anders in Europa. Hier kennen wir seit dem hohen Mittelalter die lokalen ?mter, Pfleggerichte, Pr?v?t?s, Bailliages oder, wie sie immer hei?en, die durch ihre friedewirkende Kraft, ihre Gerichtsbarkeit, vor allem durch ihre ?Polizei", das Wort sowohl im ?lteren Sinn als auf Ord
nung ausgerichtete innere Verwaltung genommen wie im j?ngeren Sinn als eines staatlichen Zwangsapparats1), die in ihrem Bereich
liegenden Grundherrschaften, St?dte, Immunit?ten, Lokalgewal
ten, ohne ihr Existenzrecht prinzipiell zu bestreiten, doch in ihren Funktionen einschr?nken, sie innerlich aush?hlen, so da? schlie?
lich ein seiner urspr?nglichen Aufgabe des Schutzes beraubter und daher als sinnlos empfundener Komplex von ?Feudalrechten" oder
eine ?versteinerte" Grundherrschaft ?berbleibt. Ein ?hnlicher Proze? vollzieht sich in den St?dten, deren Selbstregierung de facto zur untersten Instanz der staatlichen Verwaltung wird. Diese
?fl?chenstaatliche" ?mterorganisation w?re ohne die Verdichtung der b?uerlich-st?dtischen Kulturlandschaft im hohen Mittelalter nicht m?glich gewesen. Die Wirkung aber dieses langsamen, vom
12. bis zum 18. Jahrhundert dauernden Prozesses, bei dem es an
R?ckschl?gen nicht fehlte, war au?erordentlich. Er nagt die alt
st?ndische, auf den Immunit?ten beruhende Sozialstruktur von
innen her an. Das klassische Beispiel daf?r ist die Geschichte des franz?sischen Tiers ?tat. Urspr?nglich wie anderw?rts der Stand
der k?niglichen Stadtgemeinden, wandelt er sich durch die Ein
schr?nkung der st?dtischen Autonomie und die Auflockerung der
Seigneurien, die eine immer gr??ere Zahl von Bauern unmittelbar
unter die k?niglichen Amtsbezirke bringt. So bildet nun die Masse der B?rger und Bauern den dritten Stand, und sie w?hlen im gr??e ren Teil Frankreichs seit dem ausgehenden Mittelalter ihre Ver
treter in die Generalst?nde nach Bailliages. Dasselbe Prinzip *) K. Wolzendorff, Der PoHzeigedanke d. modernen Staates, Breslau 1918.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 48c
wurde dann auch f?r Adel und Klerus durchgef?hrt1). So ver?n dert sich das Wesen der ?St?nde" grunds?tzlich, aus den alten
?Herrschaftsst?nden" werden ?soziale" St?nde oder Klassen.
Frankreich war der Prototyp des kontinentalen absoluten Staates, es bringt auch am deutlichsten die moderne, vom Staat
abgehobene ?Gesellschaft" hervor. Ist sie vorerst noch in die drei
,,?tats" gegliedert, so ist doch die Tendenz zum einheitlichen
Staatsb?rgertum sp?rbar. Die Revolution f?hrt dann zu Ende, was
das K?nigtum begonnen hatte. Der dritte Stand wird zur Nation. Das Gesetz vom 4. August 1789 hat die Seigneurien, aber auch die Kommunen und alle korporativen Verb?nde aufgehoben2). Dies erscheint als der Sieg des Tiers ?tat ?ber die ?Privilegierten", deren sinnlos gewordene Sonderrechte sie aus der ?Nation" herausge hoben hatten. Eine Welt der Arbeit l?st nach den Formulierungen Saint-Simons eine ?ltere ab, die auf dem Recht der Geburt und der
Eroberung beruht habe3). Hier erscheint auch der durch die Revo lution ?berwundene Zustand als eine ?Gesellschaft", wenn auch
in St?nde gegliedert. So wird denn diese sp?te vorrevolution?re Sozialstruktur zum allgemeinen sozialgeschichtlichen Modell, mit
dessen Hilfe, mit den Formeln Staat und Gesellschaft, Feudalismus und Bourgeoisie bzw. B?rokratie nicht nur das ?ltere Europa, son
dern auch die au?ereurop?ischen Kulturen in ihrem inneren Auf
bau dargestellt wurden und auch heute noch werden.
Hier wird man darauf hinweisen, da? die vorrevolution?re
Gesellschaft Frankreichs doch ein recht vielschichtiges Gebilde war, das durch die Gliederung in die drei ?St?nde" nicht ausreichend gekennzeichnet werden kann. Zeigt doch ein Blick in Philippe Sagnacs Buch ?La Formation de la Soci?t? fran?aise moderne"4) h?chst komplizierte Verh?ltnisse. Da gibt es neben dem alten Adel und dem Klerus, die selbst wieder in verschiedene Gruppen zerfallen, die ?Noblesse de robe" der hohen Gerichtsh?fe und die der hohen Staats?mter, da gibt es die Financiers und Gro?unter
nehmer, eine ?Bourgeoisie" der mittleren und kleinen Beamten, die Intellektuellen, das mittlere und kleine B?rgertum und die ver schiedenen Gruppen der Bauern. Das alles aber sind soziale Grup pen, die in ihrer Stellung irgendwie durch den modernen Staat
mitbestimmt sind. F?r Deutschland hat Percy E. Schramm auf die im 18. Jahrhundert hochkommende Schicht der ?B?rgerlichen"
*) J. Cadart, Le r?gime ?lectoral des ?tats g?n?raux de 1789 et ses origines (1302?1614), Paris 1952.
a) M. G?hring, Geschichte d. gro?en Revolution 1 (T?bingen 1950), S. 378. 3) M. Leroy, Les pr?curseurs fran?ais du socialisme, Paris 1948, S. 191 f.
4) 2 Bde., Paris 1945/46.
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490 Otto Brunner
hingewiesen, auf die Pastoren, Professoren, Advokaten, ?rzte,
Offiziere, Beamten und Leiter von Manufakturen, und sie deutlich vom alten Stadtb?rgertum abgehoben1). In einem ?sterreichischen
Verwaltungshandbuch des Vorm?rz erscheinen sechs ?St?nde", drei erbliche, Adel, B?rger und Bauern, und drei pers?nliche, Geist
lichkeit, Beamte und Offiziere, diese letzteren alle drei nach dama
liger Ansicht ?Staatsdiener"2). So verschieden die Dinge in den einzelnen Staaten gelagert waren, so erscheint doch ?berall die
vom Staat abgehobene ?Gesellschaft". Dieser Staat hat die ?ffent
liche Gewalt f?r sich monopolisiert, er hat die Lokalgewalten aus
geh?hlt oder abgeschafft, er hat selbst die alte hausv?terliche Ge walt so weit eingeschr?nkt, da? sich zumindest in den St?dten das ?alte Haus" in die moderne Familie verwandelt3). So erscheint
ein einheitlicher Begriff des ?Staatsb?rgers" denn auch schon in den Kodifikationen des aufgekl?rten Absolutismus, m?gen sie wie im Preu?ischen Landrecht die st?ndischen Rechte behandeln oder
wie im ?sterreichischen Allgemeinen b?rgerlichen Gesetzbuch den noch bestehenden ?Landesverfassungen" ?berlassen. Dement
sprechend zielt das romantisch-restaurative Denken auf eine st?n
disch gegliederte Gesellschaft von Staatsb?rgern, so etwa bei Fried rich Ludwig von der Marwitz, oder es versucht, wie bei Karl Lud
wig von Haller, f?r das Mittelalter die Existenz eines Staates, den es sich nur nach dem Modell des neuzeitlichen vorstellen kann,
?berhaupt zu leugnen und die Herrschaftsrechte als ?privat" zu erkl?ren. Dabei setzt sie aber einen Begriff des Privatrechts voraus,
der in dieser Gestalt erst seit der Scheidung von Staat und Gesell schaft m?glich ist.
Die vom Staat abgehobene Gesellschaft zeigt in ihrer Schichtung einen erheblichen b?rokratischen Einschlag. Diese Beamten lassen
sich in zwei Schichten gliedern, die einen, die in den lokalen ?mtern
t?tig sind, dann aber auch h?her steigen und namentlich in den Intendanturen und Kommissariatsbeh?rden bestimmend werden4), kann man mit einem sp?ten Wort die ?Kameralisten" nennen. Die
andern sind die vor allem in den Zentralbeh?rden t?tigen Legisten, die gelehrten Juristen. Diese sind die ma?gebenden Tr?ger einer
x) P. E. Schramm, Hamburg, Deutschland u. d. Welt, M?nchen 1943, S.35ff.
2) L. Gr. Barth-Barthenheim, Das Ganze d. ?sterreichischen politischen Administration 1 (Wien 1838), S. 170.
3) O. Brunner, Die alteurop?ische ,,?konomik". Zeitschr. f. National?kono
mie 13 (1950), S. 114 ff.
4) O. Hintze, Der Commissarius u. seine Bedeutung in d. allgemeinen Ver
waltungsgeschichte, Ges. Abhandlungen 1, S. 232 ff.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 4Qi
spezifisch ?europ?ischen Rechtskultur"1). Auch hier mu? man
wieder bis ins 12. Jahrhundert zur?ckgehen, auf die Entstehung eines selbst?ndigen Kirchenrechts, auf die Rechtsb?cher des
13. Jahrhunderts, auf die Geschichte des r?mischen Rechts in Italien und die verschiedenen Schichten seiner Rezeption, auf das
moderne Naturrecht und die Kodifikationen des aufgekl?rten Absolutismus. Auch hier zeigt sich eine Tendenz zur Rationali
sierung und trotz aller z?hen Widerst?nde zur Vereinheitlichung des Rechts2). In den Kodifikationen des 18. Jahrhunderts tritt dann als ein nicht immer voll erreichtes Ziel (denn noch wirkt das
?alte Recht" der st?ndischen Lokalgewalten nach) ein einheit liches Straf- und vor allem Zivilrecht einer einheitlichen Gesell schaft von Staatsb?rgern auf. Dieser Bereich des judiziellen
Rechts geh?rt zur modernen Gesellschaft und hat sie mitge formt, wie das Verwaltungsrecht zum Staat geh?rt. Die Juristen dienen beiden, aber die Sph?re der Gerichtsh?fe hebt sich deut lich von der des Staates und seiner Verwaltung ab. Man denke
nur an den Widerstand, den die franz?sischen Parlamente ihren absoluten K?nigen entgegensetzten, auch an die Tendenz des absoluten Staates, Rechtssprechung und Verwaltung zu tren
nen und sich in den Kommissariatsbeh?rden vom Rechtsden
ken der Juristen unbehinderte Instrumente der Verwaltung zu
schaffen.
Dies mag nun alles recht wichtig sein. Aber wird damit nicht
doch die Rolle des B?rgertums, der wirtschaftlichen Entwicklung, des ?Kapitalismus" untersch?tzt ? Hat denn nicht schlie?lich eine immer zahlreicher und wirtschaftlich m?chtiger werdende Bour
geoisie die Reste des Feudalismus ?berw?ltigt ? Ein Blick auf die
europ?ische Bev?lkerungsbewegung zeigt vom 14. bis ins 18. Jahr hundert ein wellenartiges Schwanken, aber noch keine grunds?tz liche Steigerung der Bev?lkerungszahlen, die sich mit den Vor
g?ngen im hohen Mittelalter und dann seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert vergleichen lie?e3). Eine sehr gro?e Zahl von
St?dten ist in allen diesen Jahrhunderten mit dem Raum ausge kommen, der im 13. oder 14. Jahrhundert ummauert worden war.
Es sind nur bestimmte St?dte, nicht zuletzt die Hauptst?dte der
Gro?m?chte, die ein die bisherigen Dimensionen sprengendes
*) F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte d. Neuzeit, G?ttingen 1952.
2) F. Wieacker, Ratio scripta. Das r?mische Recht und die abendl?ndische
Rechtswissenschaft. Vom r?mischen Recht, Wirklichkeit u. ?berlieferung.
'Leipzig 1944, S. 195 ff.
3) Vgl. die S. 485, Anm. 1 genannte Literatur u. M. Reinhard, Histoire de
la population mondiale de 1700?1948, Paris 1948.
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49 2 Otto Brunner
Wachstum zeigen1). Schon hier wird die Bedeutung des kontinen talen Milit?r- und VerwaltungsStaates wie der englischen Seeherr
schaft f?r diese Umschichtungen sp?rbar. Zudem ist uns die Behandlung des europ?ischen ?Kapitalis
mus" als eines einheitlichen Prozesses, seine Gliederung in Fr?h-, Hoch- und Sp?tkapitalismus h?chst fraglich geworden. Das setzt eine wirtschaftsgeschichtliche Betrachtungsweise voraus, die Wirt
schaft vom Markt, vom Handel her deutet, die vom neuzeitlichen Staat und seiner merkantilistischen Politik geschaffene ?Volkswirt schaft" als eines Geflechts von Marktbeziehungen im Staatsraum zum eigentlichen Gegenstand hat. Wirtschaftsgeschichte im enge ren Sinn wird dann in erheblichem Ma?e Vorgeschichte der Volks
wirtschaft. So berechtigt eine solche Betrachtungsweise im Rah men der Wirtschaftswissenschaften ist2), so reicht sie doch f?r eine volle Erfassung der sozialgeschichtlichen Vorg?nge nicht hin. Wir unterscheiden heute zwischen dem ?lteren ?Handels- und Finanz
kapitalismus3), und dem modernen ?Industriekapitalismus", der
?industriellen Gesellschaft", die in England seit der zweiten H?lfte des 18. Jahrhunderts entstanden, sich erst im 19. st?rker ausge breitet hat. Der ?ltere Finanz- und Handelskapitalismus zeigt, wie vor allem Raimond de Roover in seinen Arbeiten ?ber das mittelalterliche Bankwesen nachgewiesen hat4), vom 12. bis zum
18. Jahrhundert recht einheitliche Formen. In ihm sind allm?hlich rationellere Organisationsformen, die doppelte Buchhaltung und
Bilanzaufstellung, eine Rentabilit?ts- und Kapitalrechnung aus
gebildet worden. So wichtig die hier durchgebildete wirtschaft liche Rationalit?t, der Sinn f?r ?Rechenhaftigkeit" f?r den Durch
bruch zur modernen Welt wurde, so sind wir doch heute nicht mehr
geneigt, in dem Typus des ?Bourgeois", wie ihn Werner Sombart vor vierzig Jahren gezeichnet hat, mehr als einen durch bestimmte
geschichtliche Voraussetzungen bedingte, vor?bergehende Erschei
nung zu sehen5). Der ?ltere Finanz- und Handelskapitalismus ist aber gerade in seinen f?hrenden Leistungen bedingt durch seine
Beziehungen zum Finanzsystem der Kurie und zu denen der welt
lichen M?chte. Er w?re in seinen Anf?ngen, in seiner spezifisch
x) Das Hauptstadtproblem in d. Geschichte. Festgabe z. 90. Geburtstag Fr.
Meineckes (Jahrb. f. Geschichte d. deutschen Ostens 1), T?bingen 1952.
2) Vgl. etwa E. Salin, Der Gestaltwandel d. europ?ischen Unternehmers.
Offener Horizont. Festschrift f. K. Jaspers, M?nchen 1953, S. 328 ff.
3) H. See, Die Urspr?nge d. modernen Kapitalismus, dt. Bern 1948.
4) R. de Roover, The Medici Bank, New York 1948, S. 40.
5) A. v. Martin, Die b?rgerlich-kapitalistische Dynamik d. Neuzeit, HZ. 172
(1951), S. 37 ff.
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Das Problem einer europ?ischen Sozialgeschichte 4g3
europ?ischen Struktur ohne das eigent?mliche Verh?ltnis von
geistlicher und weltlicher Gewalt nicht denkbar gewesen. Urspr?ng lich vom alten Stadtb?rgertum getragen, wird er dann zur Sache
der ?Bourgeoisie" als einer ?Klasse" in der ?Gesellschaft" des
neuzeitlichen Staates. So zeigt auch dieser Hinweis, da? auch in diesem Bereich die vorhin er?rterten Zusammenh?nge in Betracht
gezogen werden m?ssen.
Ich breche hier ab. Denn mehr als Bruchst?cke konnte ich nicht geben. Ich hoffe gezeigt zu haben, da? ?Gesellschaft" im
engeren Sinn, als ?Societas civilis sine imperio", wie Ludwig
August von Schl?zer, einer der ersten Beobachter dieses Ph?no
mens, gesagt hat, ein Produkt der neueren europ?ischen Geschichte
ist. Sie kann nicht als Modell der Sozialgeschichte ?berhaupt ver wendet werden. Die Klassen- oder St?ndegesellschaft des 19. Jahr hunderts hat ?brigens noch lange Z?ge der vorrevolution?ren
Zeit, des Ancien r?gime, ?berhaupt ein ?lteres Erbe be
wahrt1). Diese sind erst in den letzten Jahrzehnten st?rker zur?ckge treten. Die Sozialstruktur eines Zeitraums, dessen ?bergangscharak ter immer deutlicher wird, wurde durchT ypisierungder an diesen kon kreten Verh?ltnissen entwickelten Begriffe zumModell der Sozialge schichte ?berhaupt. Es liegt kein Grund vor, dieses geschichtlich
genau umschreibbare Stadium als allgemeing?ltig hinzunehmen.
Geht man aber von dem weiteren Begriff der Gesellschaft aus und
fa?t menschliche Gruppen in ihrem Vergesellschaftetsein ins Auge, dann m?ssen zur Darstellung ihrer inneren Struktur alle in Be
tracht kommenden Faktoren, auch die geistesgeschichtlichen und
die politischen, staatlichen mit in Betracht gezogen werden.
Zugleich glaube ich, wenn auch nur in einigen Umrissen, ge
zeigt zu haben, da? es eine spezifisch europ?ische Sozialstruktur
gegeben hat. Diese war allerdings nicht von Anbeginn vorhanden,
sondern sie hat sich in bestimmten Kernr?umen ausgebildet und von hier aus in nicht ?berall gleichf?rmiger Weise verbreitet. Da
mit ist auch das wichtige Problem der inneren Gliederung, der
Verschiedenartigkeit der einzelnen europ?ischen Gebiete ber?hrt. Es w?re zu fragen, wie weit wir es mit die Grenzen der V?lker und
Staaten ?bergreifenden, wie weit und zu welchen Zeiten wir es mit
nationalen und in diesen wieder mit landschaftlichen, ?stammes
m??igen"2) Typenr?umen zu tun haben. Fruchtbare Arbeit an
diesem Problem ist nicht zuletzt von der landeskundlichen For
*) D. Gerhard, Regionalismus u. st?ndisches Wesen als ein Grundthema d.
europ?ischen Geschichte, HZ 174 (1952), S. 307 ff.
2) O. Brunner, Europ?ische Strukturen, Wissenschaft u. Weltbild 3 (1950), S.200 ff.
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494 Otto Brunner
schung geleistet worden1). Zusammenfassende Darstellungen legen
dagegen meist den Raum der Staaten und V?lker zugrunde, auch
f?r Zeiten, in denen es jene noch gar nicht gab oder die Grenzen doch anders gezogen waren als in der Gegenwart. Ist dies schon
an und f?r sich keine befriedigende L?sung, so werden dadurch die ?bergreifenden geschichtlichen Zusammenh?nge nicht gen? gend sichtbar gemacht. Eine europ?ische Sozialgeschichte, die die Nationen als ein wesentliches Moment der europ?ischen Geschichte
miteinbezieht, dabei aber auch die ?ber sie hinweggreifenden Zu
sammenh?nge sieht, scheint mir daher eine sachlich berechtigte Forderung, ja eine Notwendigkeit.
Die Sozialgeschichte wird die in ihr auftretenden sachlichen Probleme stets nur in enger Zusammenarbeit mit den Sozialwissen
schaften, insbesondere der Soziologie bew?ltigen k?nnen. Diese Wissenschaften sind auf den jeweiligen gegenw?rtigen Zustand aus
gerichtet, auch ihre Allgemeinbegriffe sind durch Typisierung davon
abgeleitet und enthalten oft noch einer bestimmten geschichtlichen Lage entsprechende Elemente. Diese k?nnen nicht unbesehen,wie wir
sahen, in die Sozialgeschichte ?bernommen werden. War Soziologie ihrem Ursprung nach ?die Wissenschaft von der hochkapitalisti schen Klassengesellschaft"2), so spricht sie heute von der ?Klassen
gesellschaft im Schmelztiegel"3), fordert eine mehrdimensionale
Soziologie sich durchdringender Strukturen und Niveaus4), sieht in der ?Klasse" eine spezifische Erscheinung der westlichen Welt in
moderner Zeit5), spricht von der ?industriell-b?rokratischen" Gesell
schaft der Gegenwart6), die nur durch st?ndigen R?ckgriff auf die
empirische Erscheinungswelt in ihren Wandlungen erfa?t werden kann. Dementsprechend kann die Sozialgeschichte nicht ihre Begriffe fertig aus irgendeinem Stadium der Soziologie, auch nicht aus dem
gegenw?rtigen beziehen, sondern mu? ihre Begrifflichkeit am Ur
material, an den Quellen selbst erarbeiten. Das ist freilich wie in
jeder historischen Arbeit, die nicht blo?e Materialsammlung sein will, ohne Bezug auf die Gegenwart, eine von den Sozialwissenschaften
in unserem Bereich wissenschaftlich erfa?te Gegenwart, nicht durch
f?hrbar. Es scheint dann auch kaum mehr m?glich, einen Unterschied
zwischen historischer Soziologie und Sozialgeschichte zu machen.
*) Vgl. auch den S. 469 Anm. 2 genannten Aufsatz von Perkins.
2) H. Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, S. 8.
3) Th. Geiger, Die Klassengesellschaft im Schmelztiegel, K?ln 1949.
4) G. Gurvitch, La vocation actuelle de la sociologie, Paris 1950.
6) P. A. Sorokin, Society, Culture and Personality, New York 1947, S. 261 ff.
) H. Schelsky, Die Jugend in d. industriellen Gesellschaft. SA. aus Arbeits
losigkeit und Berufsnot d. Jugend, K?ln 1952, S. 273 ff.
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