britische und deutsche einkommensteuer. ihre moral und ihre technikby franz meisel

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Britische und deutsche Einkommensteuer. Ihre Moral und ihre Technik by Franz Meisel Review by: Richard Büchner FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 43. Jahrg., H. 1 (1926), pp. 336-341 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40906619 . Accessed: 16/06/2014 08:01 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.77.28 on Mon, 16 Jun 2014 08:01:37 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Britische und deutsche Einkommensteuer. Ihre Moral und ihre Technik by Franz MeiselReview by: Richard BüchnerFinanzArchiv / Public Finance Analysis, 43. Jahrg., H. 1 (1926), pp. 336-341Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40906619 .

Accessed: 16/06/2014 08:01

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Finanzliteratur.

Dr. Eudolf Schranil, Professor an der Deutschen Universität in Prag, Besteuerungsrecht und Steueranspruch. Wiener staatswis- senschaftliche Studien, herausg. von Hans Kelsen, neue Folge, Bd. 8. Franz Deuticke, Wien und Leipzig 1925. 184 Seiten.

Der Kette seiner dankenswerten finanzpolitischen und steuerrechtlichen Ab- handlungen und Untersuchungen fügt Verfasser mit der vorliegenden gehaltvollen Arbeit ein neues wichtiges Glied ein. Ich erblicke ihren Hauptvorzug in dem Streben des Verfassers, der weit über das Gebiet des Steuerrechts hinausreichenden Bedeutung seiner Problemstellungen gerecht zu werden. Der auf den ersten Blick so spröd erscheinende Stoff erweist sich so als weiche und biegsame Masse, aus der unter des Verfassers gewandten Händen ein ungeahnt vielfarbiges Gebilde sich gestaltet, wie es der „reine" Steuerrechtler nie zeichnen kann, weshalb er zu poli- tischen Exkursen, Prognosen und Postulaten (man denke an Hensel!) seine Zu- flucht zu nehmen pflegt. Zu solchen billigen Notbehelfen ist hier kein Anlass. Verfasser kann sich ruhig an den gegebenen Rechtsstoff halten, den er unter der ihm eigenen vorwiegend Staats- und verwaltungsrechtlichen Grundeinstellung in den 5 Kapiteln: Begriff der Steuer; die Zuständigkeit im Steuerrecht; das Recht auf die Steuereinnahmen; das Besteuerungsrecht; der Steueranspruch unter aus- giebiger Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung uns vorführt. Hierbei werden nebeneinander das Recht des Reichs, Deutsch-Oesterreichs und der Tschechei berücksichtigt. Das Vorwort sagt dazu, dass Verfasser mit dieser Ver- bindung dem Gedanken eines künftigen einigen Mitteleuropa einen Dienst leisten will. Es gehört heute Mut zu solcher Grundeinstellung. Aber vielleicht entwickelt Verfasser auch insoweit mehr Wirklichkeitsinn, als sich mancher theoretische und praktische Staats- und Steuerkünstler von heute träumen lässt. Ich kann nur wünschen, dass das Buch bei uns die Beachtung erfährt, die es verdient.

L. Waldecker.

Franz Meise 1, Britische und deutsche Einkommensteuer. Ihre Moral und ihre Technik. Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Sie- beck), Tübingen 1925. VIII und 474 Seiten.

Die „Spezielle Steuerlehre" beschränkt sich nicht auf die Darstellung der Steuergeschichte der einzelnen Länder. Immer wieder muss der Versuch gemacht werden, die in ihrem historischen Verlauf dargestellten Massnahmen der Steuer- politik auf international-vergleichender Grundlage unter grossen einheitlichen Gesichtspunkten zusammenzufassen. Neben der Herausarbeitung der verschie- denen Steuersysteme verbleibt stets noch die vergleichende Darstellung der ein- zelnen Steuerformen als schwierige, aber reichen Ertrag versprechende Aufgabe. Bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung ist es ja kaum noch möglich, sich über die neueste Entwicklung der Steuersysteme auch nur in den wichtigsten Staaten der Erde ein Bild zu verschaffen. Da mag es geradezu als ein Wagestück erscheinen, auf diesem schwankenden Boden bereits Grundmauern aufzurichten,

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Finanzliteratur. 33 y

für ein Gedankengebäude, dessen Ausführung selbst - bei vergleichsweise viel einfacher gelagerten Verhältnissen - unseren grossen Vertretern der Finanzwissen- schaft am Ausgange des 19. Jahrhunderts nicht gelungen ist.

Einen Beitrag zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe stellt das neue Buch von Franz Meisel dar. Der Vergleich der britischen und deutschen Ein- kommensteuer hat dem Verfasser Anlass zur Erörterung eines Fragenkreises ge- geben, der weit über das hinausgeht, was man nach dem Titel des Buches ver- muten könnte. Meisel hat der deutschen Finanzwissenschaft ja schon eine Reihe von wertvollen Schriften geschenkt. Seine eigenartige Forschungsmethode, die bei der Untersuchung der Probleme des Steuerwesens immer den Stand der „Moral und Technik" bei der Veranlagung in den Vordergrund stellt, aber auch seine scharfe Kritik an dem „Stand und Wert der deutschen Finanzwissenschaft" in der Gegenwart sind ja hinlänglich bekannt. Was uns M e i s e 1 in seiner neuen Schrift auf Grund jahrelanger, umfassender Voruntersuchungen bietet, das möchte ich geradezu als eine „Bekenntnisschrift" bezeichnen, in der er unter Anknüpfung an die Tradition seines Lehrers AdolphWagner seine Gedanken ausspricht über die Art, wie künftighin Finanzwissenschaf t getrieben werden soll, und gleich- zeitig ein Probestück dieser „neuen Wissenschaft" selbst liefert. Eine „Bekenntnis- schrift" ist M e i s e 1 s Buch auch insofern, als es sich offen für die ethische Schule der Nationalökonomie ausspricht, die der Verfasser in Deutschland fast aussterben, in England aber lebendig und in Blüte sieht. Diese Gedankeneinstellung gibt der ganzen Schrift das Gepräge und weist damit auch zugleich der Kritik ihre Grenzen.

Ausgehend von der „grossen Hauptsache", den internationalen Finanz- problemen der Nachkriegszeit, schildert der Verfasser die Typen der britischen und der deutschen (besser: mitteleuropäischen) Einkommensteuer im Rahmen der Gesamtentwicklung des Staats- und Wirtschaftslebens dieser beiden Völker. Dabei geht Meisel in der Weise vor, dass er zunächst allgemein die beiden Steuertypen miteinander vergleicht auf Grund seiner - noch näher zu erörtern- den - quantitativen Analyse der Veranlagungsergebnisse nach dem Rohein- kommen der einzelnen Einkommensquellen (II. Abschnitt, S. 53 ff.). Darauf folgen - als eigentlicher Schwerpunkt der Arbeit - SpezialUntersuchungen über Moral und Technik bei der deutschen und britischen Steuer, die mitten hinein in die Einzelfragen führen und darum insbesondere die fünf Schedulen der englischen Income Tax von Grund auf neu durchforschen (III. bis V. Abschnitt. S. 116, 208 und 263 ff.). Hieran schliesst sich eine vergleichende Darstellung des Vorgangs, wie sich nach Massgabe der jeweiligen Steuergesetze die Umwandlung vom Roh- zum Reineinkommen bei der Veranlagung vollzieht (VI. Abschnitt, S. 359 ff.). Erst dann behandelt der Verfasser jene Frage, die er für das Verständnis aller eteuerpolitischen Massnahmen für letzten Endes ausschlaggebend hält: Die Steuer- veranlagung und die dort handelnden Menschen (VIL Abschnitt, S. 391 ff.). Im letzten Abschnitt (S. 454 ff.) spricht Meisel auf Grund eines abschliessenden Gesamturteils seine steuerpolitischen Forderungen für die Zukunft der deutschen Finanzpolitik aus.

Dies ist die äussere Anordnung des behandelten Stoffs. Hier und da aber sind bei der Erörterung von Spezialfragen ganz allgemeine Erwägungen einge- schaltet, wo sich gerade Gelegenheit dazu bietet. Es finden sich daher eine Reihe beachtenswerter Gedankengänge im Text verstreut, die den Leser immer wieder von den Einzelproblemen auf die grossen Zusammenhänge verweisen. Aus der Fülle des Dargebotenen will ich hier nur die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit herausgreifen und daran meine kritischen Betrachtungen schliessen.

Meisel geht aus von dem ungeheuren Finanzbedarf, der im Zusammen- hang mit dem Weltkrieg Deutschland sowohl wie England vor ganz neue Pro- bleme der Steuerpolitik gestellt hat. Er setzt sich darum zunächst auseinander mit den verschiedenen Plänen und Gutachten, die im Sinne einer Neuordnung der Finanzwirtschaft diesseits und jenseits des Kanals in die Öffentlichkeit ge- langt sind. Neben den Schriften des Vereins für Sozialpolitik und den Verhand- lungen der Sozialisierungskommission wendet er insbesondere dem Bericht der Fabier „Wie bezahlen wir den Krieg?" seine Aufmerksamkeit zu. Dieses Gut- achten stellt eine wichtige Quelle dar, auf die Meisel immer wieder zurückgreift;

Finanzarchiv. XLIII. Jahrg. 337 22

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ggg Finanzliteratur.

denn hier findet er jene Fragen eingehend behandelt, die ihn an der Einkommen- steuer in erster Linie interessieren: Die Moral und Technik bei der Erhebung. Es ist nicht sein Ziel, die mannigfachen Wandlungen der Einkommensbesteuerung bis zur unmittelbaren Gegenwart zu verfolgen. Die Entwicklung in England stellt er im wesentlichen nur bis zum Jahre 1918 dar und die Neuordnung der Einkommenbesteuerung im Deutschen Reich nach der Stabilisierung findet auch keine Berücksichtigung. Dem Leser wird also keine vollständige Aufführung der einschlägigen Steuergesetze bis zur Gegenwart geboten, dafür findet er aber eine Darstellung, wie das Recht, das zunächst nur auf dem Papier steht, zur An- wendung gekommen ist. Vor allem ist es Dietzels Schrift „Englische und preussische Steuerveranlagung" gewesen, die Meisel zu seinen eingehenden Untersuchungen angeregt hat. Hier findet er die wichtigen Fragen der Steuer- technik erörtert, die schliesslich für das Wirksamwerden einer Steuerform den Ausschlag geben. Beim gegenwärtigen Stand der Steuerverwaltung hält Meisel die Durchführung einer allgemeinen Vermögensabgabe - die ja auch den Fabiern als letzte Notmassnahme vorschwebte - nicht für möglich. Der Einkommensteuer, dem „demokratischen Steuersymbol", gehört also die Zukunft. Doch wie steht es bei ihr um Moral und Technik? Ist wirklich das Prinzip der Besteuerung an der Quelle, wie Dietzel meint, der grosse Vorzug der englischen Einkommensteuer? Mit diesen Fragen steht Meisel schon mitten im Gebiet seiner eigentlichen Untersuchungen.

Man wird es nun bedauern müssen, dass M e i s e 1 die grosse (neunbändige) Untersuchung der Royal Commission on the Income Tax von 1919/20 nicht voll- ständig zur Verfügung gestanden hat. Die kontradiktorischen Verhandlungen (Cmd. 288) und der Schlussbericht (Cmd. 615) haben vieles zur englischen Steuer- moral zu sagen. Auch der Aufsatz von Gaston Jèze in der Revue de science et de législation financières (XXIIIe Année, p. 25 ff.) unter dem Titel „L'évasion fiscale en Angleterre en ce qui concerne Tincome-tax et le super-tax" erschien zu spät, als dass er vom Verfasser noch hätte verwendet werden können. In diesem Aufsatz sind die Hauptergebnisse der genannten Regierungskommission in den Angelegenheiten der Steuermoral zusammenfassend dargestellt worden. Nur einen Punkt will ich herausgreifen: Es ist die Tatsache, dass immer wieder in der deutschen Literatur die Bemerkung des Fabierberichts spukt, „dass nicht mehr als 1 % des steuerbaren Einkommens der englischen Einkommensteuer entgehe". Hierzu ist folgendes zu bemerken: Stamp hat in seinem Buch „British Incomes and Property" für das Jahr 1913/14 schätzungsweise angenommen, dass etwa 17 Millionen Pfund Sterling an steuerpflichtigem Einkommen sich der Besteuerung entziehen. Das ist in der Tat etwa 1 % des gesamten festgestellten Rohein- kommens, das amtliche Quellen für 1913/14 mit rund 1,2 Milliarden Pfund Sterling ausweisen. Aber gerade die kontradiktorischen Verhandlungen der genannten Königl. Kommission enthalten eine Reihe von Schätzungen, bei denen ganz andere zahlenmassige Angaben über das hinterzogene Einkommen gemacht werden. So schätzte Chiozza Money den Betrag des hinterzogenen Einkommens für 1920 auf nicht weniger als 100 Millionen Pfund Sterling. Wie lange sollen noch in der deutschen Literatur solche Zahlenspielereien mitgeschleppt werden? Die englische Steuerverwaltung hat selbst auf solche Schätzungen verzichtet und nur angeregt, die Verwaltung zu verbessern und strengere Strafen einzuführen. Ueber die Steuermoral in England sagen solche Schätzungen gar nichts aus.

Meisel berücksichtigt, wie gesagt, dieses amtliche Material nicht. Er geht bei seinen Untersuchungen ganz selbständig vor und wendet eine eigene Methode an, um die Fragen der Moral und Technik näher zu erforschen: seine quantitative Analyse der Veranlagungsergebnisse nach dem Roheinkommen unter Vergleichung der einzelnen Einkommensquellen. Auf diesen interessanten statistischen Versuch muss hier m t einigen Worten eingegangen werden. Wie der Verfasser selbst be- tont, glaubt er nicht einen absoluten Massstab gefunden zu haben. Es soll nur eine gewisse Gesetzmässigkeit festgestellt, aber nicht alles erklärt werden. Seine Untersuchungen erstrecken sich im wesentlichen auf das folgende: Es werden die statistischen Angaben über das Roheinkommen zerlegt nach den einzelnen Einkommensquellen und über eine möglichst grosse Anzahl von Steuerjahren

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verfolgt. Dann ist es denkbar, das Verhältnis der Roheinkommen aus den ein- zelnen Quellen zueinander in Relativzahlen zum Ausdruck zu bringen. M e i s e 1 versucht nun Aussagen über den Stand der Steuermoral und Technik zu machen. Vor allem vergleicht er die Wandlungen im Verhältnis der verschiedenen Ein- kommensquellen zueinander mit der tatsächlichen Gestaltung des Wirtschafts- lebens eines Landes in einem bestimmten Zeitraum. Ich wähle ein willkürliches Beispiel zur Erläuterung: Angenommen, die Anteile des Ertrags aus Grundver- mögen, Arbeit und Kapital sowie Handel und Gewerbe stehen in einem bestimmten Zeitraum im Verhältnis von 20, 20 und 60 % des Gesamteinkommens zueinander und in einem späteren Zeitraum wie 10, 20 und 70 %, so wäre zu untersuchen, ob dieser zahlenmässig hervortretende Rückgang der Bedeutung des Grund- besitzes gegenüber der wachsenden Industrialisierung auch den tatsächlich be- obachteten Entwicklungstendenzen der betreffenden Wirtschaft entspricht oder nicht. Je eingehender die Statistik ist und je bessere allgemeine Untersuchungen über das Wirtschaftsleben eines Landes zur Verfügung stehen, desto eher ist man - nach Meisel - - in der Lage, an Hand der gewonnenen Relativzahlen die Zuverlässigkeit der Steuerveranlagung nachzuprüfen. Dazu kommt nun noch ein Zweites : Man kann auch die Relativzahlen, die für verschiedene Länder errechnet wurden, wieder zueinander in Beziehung setzen, um das Verhältnis der Einkommensquellen zueinander zu ermitteln und um festzustellen, wo das Er- gebnis der Steuerveranlagung den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen sich am meisten nähert. In Verfolgung dieser Methode kommt Meisel für Deutschland und England zu folgendem Resultat: Aus der Gegenüberstellung der britischen und der preussischen Relativzahlen „ergibt sich die interessante Tat- sache, dass die Aehnlichkeit in den beiden Typen der Veranlagung bei den Reichtum bildenden Einkommensquellen Kapital und Handel, Gewerbe eine ziemlich grosse ist. Trotz der Mächtigkeit des englischen Kapitals, Handels und Gewerbes, trotz des britischen Prinzips des Abzuges an der Quelle, die beim beweglichen Kapital stark ins Gewicht fallen müsste, ist der Unterschied kein grosser. Er ist bedeutend beim Einkommen aus Arbeit, aus Grund und Boden; rein quantitativ zugunsten Preussens, rein qualitativ zu dessen Ungunsten beim ersteren, uneingeschränkt zugunsten Englands beim letzteren. Nach dem Massstab unserer Relativität ge- messen ist der grössere Erfolg auf der ganzen Linie auf Seite Englands. Was davon auf Rechnung der Einkommensteuer geht, wie sie liegt und in der Wirt- schaftsverfassung und in dem wirtschaftlichen Stande begründet ist, was davon auf das Konto der Veranlagung, der Moral und Technik zu setzen ist, hat meine Untersuchung festzustellen" (S. 115).

Mit Absicht habe ich diese Sätze aus M e i s e 1 s Schrift wörtlich zitiert. Sie zeigen, dass dem Verfasser die statistische Analyse nicht das Letzte ist, was ge- boten werden kann. Sie ist vielmehr nur als erstes Orientierungsmittel für den Forscher anzusehen. Die Fehlerquellen eines solchen Hilfsmittels sind ja M e i s e 1 selbst nicht entgangen. Die grosse Schwierigkeit beruht eben darin, geeignetes, vergleichbares statistisches Material für möglichst lange Zeiträume herbeizu- bringen. Am weitesten kommt man mit M e i s e 1 s Analyse doch gerade auf dem Gebiet der sehr gut ausgebauten englischen Einkommensteuerstatistik. Die Finanzstatistik im Deutschen Reich wird hier noch sehr vieles nachholen müssen. Aber je eingehender anderseits die Zahlentabellen sind, umso mehr häufen sich die grossen und kleinen Tücken in der Statistik. Ein einziges Gesetz, das ζ. Β. eine Umgruppierung innerhalb einer Schedula vornimmt oder die steuerfreie Grenze verändert, kann die Vergleichbarkeit der einzelnen Zahlen ganz erheblich beein- trächtigen. Und das führt mich zu dem weiteren wichtigen Punkt: Mit der Ver- gleichung der Roheinkommen ist es ja noch nicht getan. Im Umwandlungsprozess von Roh- zum Reineinkommen ergibt sich eine Fülle von Möglichkeiten, die Er- träge der Einkommenbesteuerung zu schmälern. Mit Recht hat darum Meisel ein ganzes inhaltsreiches Kapitel der Frage „Vom steuerbaren Roh- zum Rein- einkommen" gewidmet. Hier zeigt uns der Verfasser, welche „grossen Abfälle" sich aus den verschiedenen abzugsfähigen Posten ergeben. Dazu kommen nun noch die Schwierigkeiten, die sich im Rahmen der einzelnen Schedulen bei der Veranlagung ergeben. Vor welchen Schwierigkeiten die Steuerzentralbehörden

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stehen, wenn sie die subjektiv Steuerpflichtigen ermitteln wollen, das legt unter anderem Meise 1 unter Hinweis auf den Fabierbericht dar: Zwei Drittel der gelben Formulare, die der Steuerkontrolleur auf gut Glück nach den Adressen- verzeichnissen der Postämter ( !) oder anderen Zusammenstellungen ausschickt, kommen an ihn nicht mehr zurück (S. 271/72). Es sollte auch nicht vergessen werden, welche Wirkung die Erhöhung der Steuertarife auf die Steuermoral der Bezieher von hohen Einkommen ausübt. Schliesslich möchte ich noch auf eine Schwierigkeit hinweisen: Zur Durchführung der statistischen Analyse sind gute allgemeine Untersuchungen über das Wirtschaftsleben eines Volkes als Ver- gleichsmassstab nötig. Meisel fügt seine* Darstellung darum selbst schöne Untersuchungen über den Wandel der Konjunktur in den einzelnen behandelten Zeiträumen ein. Aber greifen nicht gerade ζ. Β. unsere viel umstrittenen For- schungen über die Einkommensverteilung wieder zurück auf die Finanzstatistik? Jedenfalls soll nicht unerwähnt bleiben, dass hier die Gefahr besteht, dass die „eontrolle" an Hand derselben Zahlen durchgeführt wird, die den zu prüfenden Tabellen zugrunde gelegen haben.

Aber diese Bedenken sollten hier nur kurz geäussert werden. Meisel hat sich selbst ja in geistvoller Weise dazu geäussert, wie viel uns noch dazu fehlt, bis wir - mit Max Webers Worten - durch Berechnen alles beherrschen.

Die statistische Analyse ist darum für Meisel nur der Anlass zu tieferen Spezialforschungen, deren reiches Ergebnis er uns in den Abschnitten III und IV über Moral und Technik im Bereiche der deutschen und englischen Steuertype vorlegt. Es würde weit über den Rahmen einer Besprechung hinaus- gehen, wenn ich hier auf die zahlreichen interessanten Einzelfragen eingehen wollte, die der Verfasser in diesen Abschnitten behandelt. Ich will nur verweisen auf die Darstellung der einzelnen Schedulen der englischen Einkommensteuer. Das überall in der Literatur vorgetragene Schedulensystem erhält durch M e i s e 1 s Untersuchungen ein ungeahntes Leben. Hier werden viele alte Vorurteile um- gestossen; insbesondere verlieren wir den Glauben an die Wunder des Prinzips, genannt Schöpfen an der Quelle (S. 247). „Der Abzug an der Quelle ist nach der Wirtschaftsordnung nicht anbringbar und dort auch nicht angebracht, wo die Steuersicherheit ihn am dringendsten brauchen würde, im grossen Geschäfts- verkehr der Schedula D. Sie blieb die berüchtigte und die gefürchtete." Die Durchführung der Progression in der englischen Einkommensteuer durch die verschiedenartigen Abzüge und durch die Super Tax zwingt immer mehr zur Abgabe einer Deklaration. „Regelrechte Veranlagung wird die Regel, der Abzug an der Quelle sinkt zur Hilfsfunktion herab, er soll Einpeitscher sein, der zum Amte führt" (S. 458). In der Quellenbesteuerung liegt also das „Geheimnis" der englischen Einkommensteuer nicht.

Wenn nach langem „Krankheitsprozess" die Income Tax dennoch eine wirk- same Steuer geworden ist, so liegt das in erster Linie an der „Verwaltung und den dort handelnden Menschen". Was Meisel zu diesem Thema zu sagen weiss, das gehört wohl zu dem schönsten, was in deutscher Sprache über englisches Staatsleben geschrieben worden ist. Hier greift die Schrift weit über das enge „Fachgebiet" hinaus, ohne aber auch nur einen Augenblick den Zusammenhang mit dem gestellten Thema zu verlieren. Aus dem Geist des englischen Staats- lebens, seiner Verwaltung und Rechtspflege bringt uns M e i s e 1 die Income Tax und den „englischen Steuermenschen" näher. „Das Rechtsgefühl als Protest der kräftigen sittlichen Natur gegen den Frevel am Recht lebt bei den Sozialethikern Englands stärker als in Mitteleuropa, die deutsche ethische Schule der Sozial- ökonomie ist fast ausgestorben." (S. 461/62.)

Aus dieser Erkenntnis heraus formuliert Meisel nun seine Forderungen für die deutsche Steuerpolitik. Im ganzen klingt da überall der Wunsch nach Verbesserung der Staatsgesinnung und der Erziehung eines neuen Beamtennach- wuchses durch. In diesem Punkte wird Meisel jeder zustimmen, der weiss, dass unsere deutschen Finanzprobleme nicht durch „papiernes Recht" gelöst werden können. Nur auf einige Spezialwünsche des „Umblicke" in der Meisel- schen Schrift will ich noch zu sprechen kommen, weil ich hier Bedenken äussern möchte. So sagt er unter anderem: „Wir brauchen eine besondere Super Tax.

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Im Rahmen des Steuertarifs können und dürfen wir nicht daran denken, dem grossen Reichtum mehr als ein Drittel des Einkommens abzunehmen" (S. 469). Ist diese Besteuerung des Superadditums der geeignete Weg? Die jüngsten Er- fahrungen mit der amerikanischen Surtax und der englischen Super Tax zeigen doch gerade, dass die hohen Sätze dieser Zuschlagssteuer der Moral ausserordent- lich geschadet haben. In beiden Ländern baut man darum gerade in der Gegen- wart die hohen Zuschlagssteuersätze kräftig ab. Die Statistiken der Veranlagung der amerikanischen Surtax zeigen ein dunkles Bild vom Stande der Steuermoral bei Ueberspannung der Steuersätze! - Und nun noch ein Zweites: Meise 1 spricht von dem Finanzausgleich als dem „traurigen, in tiefstem Unglücke er- fundenen Schlagwort" (S. 465). Er sieht hier die alte Zanksucht und Unverträg- lichkeit zwischen Reichs-, Länder- und Gemeindeinteressen. Ich verstehe dies Urteil aus dem Munde eines Mannes, der eine kräftige Staatsgesinnung hier durch den uralten „Egoismus" der „Einzelinteressen" bedroht sieht. Aber dennoch: Wir werden um dieses Problem nicht herumkommen. Es sind dies Fragen, die im Bundesstaat mit innerster Wesensnotwendigkeit immer wieder entstehen müssen. Dass im übrigen der „Föderalismus" nicht immer ein Feind kräftigen Staatsbewusstseins zu sein braucht, das hat die beachtenswerte Studie Karl Loewensteins „Das Problem des Föderalismus in Grossbritannien" (Annalen des Deutschen Reiches, 1921/22, S. 1 ff.) dargetan.

Doch diese wenigen Bemerkungen sollen genügen. Ich sagte eingangs, dass M e i s e 1 s Schrift weit über den Rahmen des engeren Themas hinausgeht. Aber es bleibt auf der anderen Seite doch auch noch vieles zu diesem „engeren Thema" zu sagen. Es ist ein wahres Unglück, dass einem so tief interessierten Forscher nur so wenig literarische Hilfsmittel zur Verfügung gestanden haben. Das neuere amtliche Material aus England und viele Neuerscheinungen der britischen Steuer- literatur waren dem Verfasser leider nicht zugänglich. Die Entwicklung in Eng- land seit 1918 bleibt also noch zu erforschen. Das kommt auf das Schuldkonto derY„geistigen Blockade". Im ganzen aber bringt Me is eis eingehende und sachverständige Schrift unserer Wissenschaft einen grossen Ertrag. Dem Ver- ständnis der wichtigsten Probleme der Einkommenbesteuerung sind wir damit einen erheblichen Schritt näher gerückt. Seine neue Schrift gehört zu jenen Leißtungen, die weitere Arbeit und vertiefendes Forschen von jenen als Dank erheischen, denen sie eine wertvolle Bereicherung gebracht haben. So kann die Finanzwissenschaft Meiseis neuestes Werk als ein wertvolles Geschenk an- sehen, und ich möchte zum Schluss die Hoffnung aussprechen, dass der Ver- fasser aus diesen Gebieten, denen er sein halbes Leben gewidmet hat, uns noch manche reife Frucht bescheren möge. Richard Büchner.

Dr. HansEitschl, Theorie der Staatswirtschaft und Besteuerung. (Bonner Staatswissenschaftliche Untersuchungen, herausg. von H. Dietzel, E. Kaufmann, R. Smend, A. Spiethoff, Heft 11.) Kurt Schroeder, Bonn und Leipzig 1925.

So gut gefügt das System der Finanzwissenschaft erscheint, so ist doch an der Theorie derselben noch viel zu arbeiten. Wohl sind die Ergebnisse der finanz- wissenschaftlichen Forschungen gegenüber anderen Disziplinen immer einheitlicher geworden. Jedoch ist man von verschiedenen Ausgangspunkten dazu gelangt. Darum macht es sich der Verfasser zur Aufgabe, auf die einfachsten Grundlagen alles Wirtschaftens, die Bedürfnisse, zurückzugehen und die vorliegenden Er- gebnisse kritisch zu prüfen. Mit einer scharfen Logik geht er allen staatswirt- schaftlichen Gregebenheiten zu Leibe, und so gelingt es ihm, eine im grossen und ganzen einheitlich geschlossene Theorie von der Staatswirtschaft und weiterhin der Besteuerung aufzubauen.

Ausgehend von den Unterschieden zwischen Individual- und Kollektiv- bedürfnissen, kommt der Verfasser noch zu einer besonderen Kategorie, den Ge-

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