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Georgi Stankov Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie Band IV STANKOV’S UNIVERSAL LAW PRESS

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Georgi Stankov

Das Universalgesetz

im Spiegelbild derPhilosophie

Band IV

STANKOV’S UNIVERSAL LAW PRESS

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Stankov, Georgi

Das Universalgesetzim Spiegelbild der PhilosophieBand IV

Copyright by Georgi Stankov, 1999

All rights reserved. No part of this publication may be reproduced,stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by anymeans, electronic, mechanical, photocopying, recording, or other-wise, without the prior permission of the author.This book is sold subject to the conditions that it shall not, by wayof trade or otherwise, be lent, re-sold, hired out, or otherwisecirculated without the author’s prior consent in any form ofbinding or cover other than that in which it is published andwithout a similar condition including this condition being imposedon the subsequent purchaser.

ISBN 3-00-004178-8

Stankov’s Universal Law PressPlovdiv, München

Printed in Germany

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Für Henry

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort 7

Kurze Einführung in die Grundaussagen derneuen Axiomatik des Universalgesetzes 9

Das Universalgesetz im Spiegelbild derPhilosophie 32

Die Anfänge abendländischen Denkens 32Thales 34Anaximander 35Parmenides und Heraklit - der Gegensatzzwischen Unveränderlichkeit und Werden 36Sokrates als ethischer Mittelpunkt philosophischenDenkens und Handelns 52Platon 57Aristoteles 61Die Philosophie des Mittelalters 69Das Schisma des abendländischen Denkens 71Die Philosophie der Neuzeit 72Descartes 72Spinoza 74Leibniz 76Der englische Empirismus 84Locke 84Berkeley 91Hume 93Kant, die Summe der Aufklärung 97Die Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts 108Bergson 109William James oder idealistischer Empirismus 114Dialektischer Materialismus 115Die bulgarische Schule 118Peter Beron (1798-1871) 119Georgi Schischkoff 128Stephan Popov 129

Schlußbetrachtung 135

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VORWORT

Persönlichkeit und Weltanschauung sind stets Variable des geogra-phischen Raums und der historischen Zeit - der Raumzeit gesell-schaftlicher Evolution. Diese wird durch gemeinschaftliche Ideen ge-formt, welche auch den Begriff der Philosophie hervorgebracht haben.Schicksal und Charakter des Einzelnen werden durch solche übergeord-nete Ideen geprägt, auch wenn der Mensch, kraft seiner Intention undseines Tatendrangs, die Möglichkeit hat, sie maßgeblich zu verändern.Von der wechselvollen Geschichte dieses Kontitents geprägt, galt dasphilosophische Streben des abendländischen Geistes der Erforschung derultimativen Wahrheit, von der er sich ein besseres und höheres Lebenversprach. Die Philosophie wurde schon immer als die Quelle westlicherZivilisation verstanden, auch wenn das philosophische Denken den gro-ßen asiatischen Kulturen keineswegs fremd ist. Der gegenwärtige Unter-gang dieser „Liebe zur Weisheit“ sagt alles über den Zustand europäischerund irdischer Zivilisation.

Ich habe das Universalgesetz in der Mathematik, Physik, in denBiowissenschaften und nicht zuletzt in der Wirtschaftswissenschaft bisins Detail nachvollzogen. Diese westlichen Wissenschaften haben, überdie kulturellen Unterschiede hinweg, eine erstaunliche Gültigkeit erlangt,wenn man bedenkt, mit welchen kognitiven Fehlern sie schon seit ihremEntstehen behaftet waren und immer noch sind. Möglicherweise ist diesdas Ergebnis ihrer geschichtlichen Entwicklung, die zur Geschichte desAbendlandes parallel verlaufen ist. Und diese ist, Gott weiß, alles andereals frei von Irrtümern.

Wenn ich in diesem Buch nur die abendländische Philosophie ab-handle, so tue ich es nicht nur, weil ich als Europäer in dieser Traditionverwurzelt bin, sondern weil ich mit den großen asiatischen Denkschulennicht vertraut bin, auch wenn ich inzwischen nachvollziehen kann, daßsie das Wesen des Universalgesetzes weitaus besser verinnerlicht haben

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8 Vorwort

als die abendländische Philosophie, sieht man von einigen bemerkens-werten Ausnahmen ab. Somit ist diese Abhandlung keineswegs das Er-gebnis eines kulturellen Chauvinismus, wie man meinen könnte, son-dern vielmehr das Eingeständnis eigener Ignoranz.

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KURZE EINFÜHRUNG IN DIE GRUND-AUSSAGEN DER NEUEN AXIOMATIK

DES UNIVERSALGESETZES

Die methodologische Analyse, die im Zusammenhang mit der Entdeckungdes Universalgesetzes durchgeführt wurde, zeigte, daß die Grundbegrif-fe aller Wissenschaften nicht geklärt sind. Die Physik weiß nicht, wasEnergie, Masse und Ladung ist, und die Mathematik kann ihre Grundbe-griffe wie Kontinuum, Zahl, Wahrscheinlichkeitsmenge, Punkt, Linie undFläche erkenntnistheoretisch nicht erläutern. Dies hat zur berühmtenGrundlagenkrise der Mathematik geführt: seit Gödels Theorem (1931)weiß man, daß diese Disziplin ihre Daseinsberechtigung und Validitätnicht mit ihren eigenen Mitteln begründen kann. Diese Erkenntnis stehtin einem eigentümlichen Widerspruch zur Tatsache, daß alle exaktenNaturwissenschaften wie Physik auf die Mathematik aufbauen. Ich er-kannte, daß alle Grundbegriffe der Wissenschaften aus einem Urbegriffaxiomatisch abgeleitet und erkenntnistheoretisch erklärt werden können.Daraus gelang es mir, eine vereinheitlichte Theorie der Wissenschaftenaufzubauen. Die Basis dieser Theorie ist die neue physikalisch-mathe-matische Axiomatik des Universalgesetzes. Sie besteht aus wenigenGrundaussagen (Axiomen), die ich hier kurz einführe.

Der Urbegriff

Alle Naturwissenschaften, einschließlich der Mathematik, sind Produk-te unseres Bewußtseins - sie sind Gedankendinge. Gedanken könnenaxiomatisiert werden. Der Urbegriff der neuen Axiomatik ist „Energie“oder „Raumzeit“. Das Primäraxiom besagt: „Energie ist gleich Raum-zeit“. Der Urbegriff ist das Sein. Alle weitere Namen und Symbole, dieman für den Urbegriff verwenden kann, sind äquivalent. Dies schließt

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10 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

das Bewußtsein ein. Das Primäraxiom wird das „Prinzip der letztenÄquivalenz“ genannt:

Energie = Raumzeit = Universum = Natur = das Ganze =

= das Sein = Bewußtsein =

= Kontinuum = Wahrscheinlichkeitsmenge = Symbole = usw.

Der Urbegriff ist eine U-Menge: sie ist die Menge aller Mengen, die sichals Element selbst enthalten. Alle physikalischen Begriffe und Konzep-te, welche die Phänomenologie des Seins adäquat erfassen, sind U-Men-gen. Sie sind Gedankendinge, die das Ganze als Element enthalten: dasBewußtsein ist die Menge aller Gedanken und ist selbst ein Gedanke.

Alle Mengen, die sich als Element selbst nicht enthalten, sind N-Mengen. Solche Mengen gehören nicht zum Sein. Alle Ideen, die N-Mengen sind, sind falsche wissenschaftliche Konzepte und müssen ausder Wissenschaft entfernt werden. Die Idee vom Vakuum ist eine solcheN-Menge. Nach gängiger Auffassung enthält das Vakuum die Teilchenund die Materie - das Nichts enthält das Etwas. Da Energie gleich Raum-zeit ist, ist die Ausdehnung ein energetisches Kontinuum - es gibt keineLücken dazwischen, die das Nichts sind. Somit wird das Vakuum alsKonzept eliminiert.

Der Urbegriff ist eine philosophisch-logische Kategorie, die eben-sogut mathematisch erfaßt werden kann. Die Mathematik ist bekanntlichdie Verlängerung der Logik unter Anwendung von mathematischen Sym-bolen wie Zahlen und Relationszeichen. Beide Disziplinen haben keinexternes Studienobjekt. Sie gelten als hermeneutische Disziplinen deskorrekten Denkens. Nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz (Bewußt-sein gleich Energie) ist ihr Studienobjekt: Energieo=oRaumzeit. Dies istder Existenzbeweis der Mathematik, mit dem ihre Daseinsberechtigungbegründet und ihre Grundlagenkrise als Artefakt eliminiert wird.

Eigenschaften der Raumzeit

Die Eigenschaften der Raumzeit sind: Geschlossenheit, Unendlichkeit,Kontinuierlichkeit, Inhomogenität und Konstanz. Sie sind verbundeneU-Mengen und somit dem Urbegriff äquivalent. U-Mengen können nicht

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik11

real getrennt werden, sondern nur auf eine abstrakte Weise im Bewußt-sein.

Die Eigenschaften der Raumzeit werden durch alle Phänomene un-eingeschränkt bestätigt, weil jedes Phänomen, das man beobachten kann,eine Teilmenge des Urbegriffs ist und sein Wesen als Element enthält.Die Energieerhaltung (1.oGesetz der Thermodynamik) beweist dieGeschlossenheit der Raumzeit, die man sich als ein perpetuum mobilevorstellen kann. Die Energieerhaltung kann nur durch eine Gleichheitzwischen zwei unterschiedlichen Energieformen ausgedrückt werden:eine solche Gleichung, auch Bilanz genannt, impliziert die Inhomogeni-tät und die Konstanz der Raumzeit. Die Erkenntnis, daß Photonen undMaterie in konstanten diskreten Mengen, genannt Quanten, auftreten,bildet die Grundlage der Quantenmechanik. Die Äquivalenz zwischenEnergie im Sinne von Kraft und Raumzeit im Sinne von Ausdehnungbeweist, daß die Raumzeit ein physikalisches Kontinuum ist. In der Ma-thematik wird das Kontinuum als unendlich aufgefaßt. Die Unendlichkeitder Raumzeit ist eine philosophische Ur-Kategorie, die nicht weiter de-finiert werden kann. Die einfachste Beschreibung der Unendlichkeit ausanthropozentrischer Sicht ist, daß die „Raumzeit kein Ende und keinenAnfang hat“. Alle mathematischen Definitionen der Unendlichkeit sindsomit sekundärer Natur und können auf diese erste philosophische Aus-sage zurückgeführt werden.

Die Raumzeit kann in unendlich viele Teilmengen unterteilt wer-den, die Gedankendinge sind. Da sie aber U-Mengen sind, haben siestets ein reales Korrelat in der externen physikalischen Welt. Die U-Mengeäquivalenter Elemente wird als Ebene definiert, die aus unendlichenSystemen besteht: die Protonenebene der Raumzeit besteht aus unend-lich vielen Systemen, genannt Protonen, welche die gleiche Energie ha-ben. Die Ebene und das System sind somit abstrakte mathematische Ka-tegorien unseres Bewußtseins: es gibt keine Möglichkeit, zwischen derUnendlichkeit der Raumzeit und der Unendlichkeit der Begriffsbildungzu unterscheiden.

Alle Ebenen und Systeme sind offen - sie tauschen Energie unter-einander. Wir sagen auch: „sie wechselwirken.“ Die Offenheit der Syste-me ist ein Aspekt der Unendlichkeit der Raumzeit. Nur die Raumzeit,der Urbegriff, ist in sich geschlossen.

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12 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

Symbolische Darstellung des Urbegriffs

Die Energieumwandlung, auch Energieaustausch genannt, ist nach demPrinzip der letzten Äquivalenz mit dem Urbegriff identisch. Die Raum-zeit befindet sich in einer ständigen Energieumwandlung. Wir könnenden Urbegriff symbolisch wie folgt ausdrücken:

Urbegriff = Raumzeit = Energieumwandlung = E

Das Symbol „E“ kann durch jedes andere Symbol ersetzt werden:

E = ∞ = 1 = E/E = 1/1 = ∞/∞ = 1/∞ = ∞/1 = etc.

Fundamentale U-Mengen der Energieumwandlung

Die Energieumwandlung zwischen den Ebenen wird arbiträr als „verti-kaler Energieaustausch“ bezeichnet und zwischen den Systemen - „ho-rizontaler Energieaustausch“. Die Energieumwandlung ist horizontal undvertikal zugleich (U-Mengen). Das Primärereignis der Energieumwand-lung wird „Aktionspotential“ genannt. Es ist ein konstanter Energie-betrag, der eine für jede Ebene oder jedes System spezifische Größe auf-weist. Das Aktionspotential wird mit dem Symbol „EA“ ausgedrückt. DieDefinition des Aktionspotentials ist wie diejenige der Systeme und Ebe-nen ein willkürlicher Akt unseres Bewußtseins. Wir bezeichnen dieseFähigkeit als den „mathematischen Freiheitsgrad des Bewußtseins“. Erverkörpert die Unendlichkeit der Raumzeit. Somit kann jedes Systemauch als Aktionspotential definiert werden und umgekehrt. Alle physika-lischen Ereignisse, die wir beobachten, sind Aktionspotentiale, d.h. kon-stante Energiepakete, die ausgetauscht werden.

Der Quotient aus umgewandelter Energie E und AktionspotentialEA wird als „absolute Zeit“ definiert und mit dem Symbol “fo“ ausge-drückt. Diese Größe ist eine U-Menge der Raumzeit, des Urbegriffs; siewird innerhalb der Mathematik gebildet (Gedankendinge). Sie ist einedimensionslose Zahl, die zum Kontinuum gehört. Diese Größe ist nichtidentisch mit der „konventionellen Zeit“ (t), die man aus dem Alltagkennt. Aus diesem Grund werden wir von nun an im Text die absoluteZeit einfach als „Zeit“ bezeichnen und den Zeitbegriff, den wir im Alltagverwenden, als „konventionelle Zeit“.

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik13

Alle physikalischen Größen, mit denen man die Natur beschreibt, sindabstrakte U-Mengen des Urbegriffs, die innerhalb der Mathematik defi-niert werden und durch die Meßmethode in die experimentelle Untersu-chung eingeführt werden. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, ihreDefinition von ihrer Meßmethode zu trennen. Solche Größen haben kei-ne reale Existenz außerhalb des menschlichen Bewußtseins. Dies gilt füralle Größen wie Masse, Ladung usw. Masse ist laut ihrer konventionel-len Definition ein Energieverhältnis (Quotient zweier Energiemengen).Ladung ist ein Synonym für geometrische Fläche. Dieser Pleonasmuskonnte erst im Rahmen der neuen Axiomatik aufgedeckt werden. DieRaumzeit selbst ist begrifflos - sie existiert ohne menschliche Begriffs-bildung. Da aber alle physikalischen Größen U-Mengen sind, findet sichstets ein reales Korrelat in der externen Welt. Dieser erkenntnistheoreti-sche Ansatz entspricht dem Kantschen Prinzip und ist dem Empirismus,der in der gegenwärtigen experimentellen Forschung vorherrschend ist,entgegengesetzt.

Das Universalgesetz ist eine mathematischeGleichung

Der Urbegriff kann nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz als einemathematische Gleichung ausgedrückt werden, wenn man von der á prioriDefinition der Zeit ausgeht:

E = EAof

Diese Gleichung wird die „Universalgleichung“ genannt. Sie erfaßt denUrbegriff mit mathematischen Mitteln. Alle konventionellen Gesetze derPhysik sind mathematische Gleichungen und somit U-Mengen der Raum-zeit. Sie enthalten die Universalgleichung als Element. Ich beweise, daßalle bekannten Gesetze und ihre Anwendungen aus der Universal-gleichung abgeleitet werden können. Aus diesem Grund wird dieUniversalgleichung auch das „Universalgesetz“ genannt. Solche Glei-chungen haben keine reale Existenz außerhalb der Mathematik, d.h. au-ßerhalb des Bewußtseins. Sie sind dennoch eine adäquate Widerspiege-lung der Raumzeit. Deswegen ist die Mathematik die einzige adäquate(objektive) Darstellung der Natur. Aus demselben Grund ist die Physikangewandte Mathematik für die anorganische Materie. Diese Erkenntnis

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14 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

führt zu einer bemerkenswerten Vereinfachung unseres physikalischenWeltbilds.

Jede mathematische Gleichung, möge sie noch so komplex sein, isteine Gleichung mit der Zahl „1“, die nach dem Prinzip der letztenÄquivalenz mit dem Urbegriff identisch ist, z.B. E/EAofo=o1. Somit ist dieRaumzeit der Ursprung der Mathematik: alle mathematischen Glei-chungen entspringen dem Universalgesetz. Die Zahl „1“ hat keine be-sondere Bedeutung: sie kann durch jede andere beliebige Zahl ersetztwerden. Da aber in der Physik alle Einheiten mit der Zahl „1“ angegebenwerden, hat sich diese Zahl als die Primärzahl eingebürgert, mit der alleanderen Größen verglichen werden. Wird die Gravitationsenergie einesReferenzsystems willkürlich als „1 Kilogramm“ definiert, so kann dieGravitationsenergie eines anderen Objektes nur im Vergleich dazu ge-messen werden und als eine Zahl angegeben werden, z.B. 5 kg. Die Mas-se ist somit keine immanente Eigenschaft der Natur, sondern eine ab-strakte mathematische Größe, ein Gedankending, eine mathematischeVorschrift. Masse ist ein Energieverhältnis und somit eine dimensions-lose Zahl. Das Attribut „Kilogramm“ ist lediglich ein Hinweis auf dasReferenzsystem und kann durch jedes andere Wort ersetzt oder muß über-haupt nicht erwähnt werden. Dies würde an die Richtigkeit des mathe-matischen Ergebnisses überhaupt nichts ändern. Dieser Hinweis ist inso-fern sehr wichtig, weil man alle SI-Einheiten in den traditionellen physi-kalischen Formeln eliminieren und diese direkt aus dem Urbegriff derRaumzeit darstellen kann. Diese neue raumzeitliche Symbolik führt zueiner ungeahnten Vereinfachung der Physik.

Definitions- und Meßmethode physikalischerGrößen

Alle physikalischen Größen sind abstrakte U-Untermengen der Raum-zeit. Ihre einzige Definition und Meßmethode ist die Mathematik. Siehaben keine reale Existenz außerhalb der Mathematik. Sie sind Gedanken-dinge. Man kann diese simple Tatsache nicht oft genug wiederholen.Alle physikalischen Größen werden nach dem Zirkelschlußprinzip de-finiert und in die Physik eingeführt (siehe die Definition der Zeit oben).Das Zirkelschlußprinzip ist das einzige operative und kognitive Prinzipder Mathematik und der Physik. Es besteht aus zwei dialektischen Aspek-ten: 1)oBildung von Äquivalenzen, zum Beispiel, von Meßeinheiten: alle

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik15

Metermaße sind gleich auf der ganzen Welt; 2)oBildung von Verhältnissen,z.B. das Messen mit Standardmeßeinheiten. Das Zirkelschlußprinzip isteine Anwendung des Prinzips der letzten Äquivalenz für die Teile (U-Untermengen) der Raumzeit. Es geht vom Ganzen aus, um die Teile zuerfassen. Das Zirkelschlußprinzip ist eine U-Untermenge des Prinzipsder letzten Äquivalenz und enthält das letztere als Element. Alle mathe-matischen Gleichungen, die physikalische Größen als U-Untermengender Raumzeit enthalten, werden nach dem Zirkelschlußprinzip gebildet.Sie enthalten den Urbegriff als Element. Da dieser mit der Universal-gleichung identisch ist, enthalten sie die Unversalgleichung als Element;genaugenommen, sind sie Ableitungen der Universalgleichung. Alle be-kannten physikalischen Gesetze, die Verhältnisse zwischen unter-schiedlichen Größen und Observablen darstellen, gehen vom Prinzip derletzten Äquivalenz aus und werden nach dem Zirkelschlußprinzip gebil-det. Das Zirkelschlußprinzip verkörpert die Wahrnehmung von der Ge-schlossenheit der Raumzeit als operativen Vorgang des Bewußtseins. Esoffenbart die fundamentale „Tautologie des Seins“.

Die kognitive Misere der bisherigen Physik lag in ihrem Unvermögen,diese Erkenntnis zu begreifen. Zur Zeit werden alle physikalischen Grö-ßen wie Masse, Ladung, Strom, Kraft, Beschleunigung usw. nicht nachdem Zirkelschlußprinzip als Anwendung des Prinzips der letztenÄquivalenz definiert, sondern nach dem circulus vitiosus. Der Unter-schied zwischen dem Zirkelschlußprinzip und dem circulus vitiosus liegtdarin, daß letzterer das Ganze nicht berücksichtigt. Man macht sich kei-ne Gedanken über das Wesen des Ganzen, des Urbegriffs, und nimmtseine Existenz als gegeben hin. Daraus entsteht der prinzipielle Agnosti-zismus der modernen auf Forschung getrimmten Wissenschaft. Sie hatihre Grundbegriffe nicht begründet, sondern sträflich vernachlässigt -z.B. weiß die Physik nicht, was Energie ist (Feynman).

Die erkenntnistheoretische Vorgehensweise der neuen Axiomatik desUniversalgesetzes ist dem bisherigen Ansatz entgegengesetzt. Sie gehtvom Wesen des Urbegriffs aus, klärt diesen vollständig und konsistentund beweist, daß alle physikalischen Begriffe aus dem Urbegriff nachdem Zirkelschlußprinzip axiomatisch abgeleitet werden können. Diesführt zu einer Vereinheitlichten Theorie der Physik und der Mathematik.Da aber die Physik die Grundlage aller Naturwissenschaften ist, führtdie Anwendung des Zirkelschlußprinzips letztendlich zum Aufbau einerAllgemeinen Theorie der Wissenschaften.

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16 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

Dimensionen und Einheiten der Raumzeit

Die Physik besteht aus einem theoretischen und einem empirischen Teil.Der theoretische Teil beinhaltet die Definition der physikalischen Grö-ßen. Der empirische Teil beinhaltet die Messung (Experimente) dieserGrößen durch Bildung von Verhältnissen mit den willkürlich gewähltenMeßeinheiten. Da diese Größen U-Untermengen der Raumzeit sind, wer-den real nur Energieverhältnisse gemessen. Diese Tatsache ist von derkonventionellen Physik übersehen worden, weil sie vom irrtümlichenGlauben ausgeht, die physikalischen Größen seien reale Eigenschaftendes Seins. In Wirklichkeit werden alle physikalischen Größen alsGedankendinge in der Mathematik gebildet und in die Experimente durchdie Mathematik vom Menschen selbst eingeführt. Beachte: alle verifi-zierbaren Ergebnisse eines Experiments sind mathematischer Natur. DieRaumzeit ist aber begrifflos. Aus diesem Grund erweist sich jedes Expe-riment und jedes empirische Ergebnis als eine Tautologie des Universal-gesetzes. Aus demselben Grund, gibt es kein Experiment, das gegen dasUniversalgesetz verstößt und es widerlegt. Diese Erkenntnis bildet denepistemologischen Hintergrund der neuen Axiomatik. Sie zeigt zugleichdie prinzipielle Unmöglichkeit, das Universalgesetz zu widerlegen. Diebisherige Physik hat es hingegen versäumt, eine erkenntnistheoretischeErklärung ihrer Terminologie vorzulegen.

Jede Größe wird in der Physik konventionell als eine Zahl mitMeßeinheiten ausgedrückt. Hinter jeder Einheit verbergen sich eine odermehrere Dimensionen. Die Definition jeder physikalischen Größe kannnicht von seiner Meßmethode getrennt werden. Definition undMeßmethode bilden eine dialektische Einheit. Wir überlassen es demLeser, diese Erkenntnis anhand ausgewählter Beispiele aus einem Physik-lehrbuch für sich selbst zu erarbeiten.

Jede Definition einer Einheit basiert auf der Energiemessung eineswillkürlich ausgewählten realen Systems der Raumzeit. Nehmen wir diebeiden Grundeinheiten, „Meter“ für die Dimension „Länge“ und „Se-kunde“ für die Dimension „konventionelle Zeit“. Sie werden zur Zeit aufder Basis eines willkürlichen Systems der Photonenraumzeit kreisförmigdefiniert. Die Einheit „Meter“ wird durch die Wellenlänge des Grund-photons mit der Energie Eo=oEAof (Universalgleichung) definiert, wobeidie (absolute) Zeit per definitionem fo=o1 gewählt wird. Das Aktions-potential wird in der neuen Axiomatik wie folgt ausgedrückt (siehe un-ten): EAo=oSP(A)[2d-Raum] ofo=oλ2fo=oλ2, weil fo=o1 ist. In diesem Fall be-

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik17

trägt die Wellenlänge des Grundphotons λo=o3×108om, weil die Licht-

geschwindigkeit co=oλfo=o3×108om/s gemessen wird. Die Meßeinheit „Me-

ter“ wird dann in einem circulus vitiosus als 1/3×108 der Wellenlängedes Grundphotons definiert (für weitere Einzelheiten siehe Lehrbücherzu Physik). Man erkennt sofort den kreisförmigen Charakter dieser Defi-nition - ohne die Surrogat-Meßeinheiten, Meter und Sekunde, gibt eskeine Messung der Lichtgeschwindigkeit, die eine mathematischeObservable der Photonenraumzeit ist (siehe unten). Ohne die Energiedes Grundphotons, das man als das elementare Aktionspotential derPhotonenraumzeit betrachten kann, gibt es keine genaue Definition undMessung der Einheiten „Meter“ und „Sekunde“.

Das gleiche gilt für die Definition und Meßmethode der konven-tionellen Zeit. Die Zeiteinheit „Sekunde“ wird durch die Frequenz fCeiner willkürlich gewählten Photonenstrahlung eines Caesium-Atoms mitder Energie Eo=ohfC und der Lichtgeschwindigkeit co=oλCfC definiert. DieDefinition der „Sekunde“ ist somit ohne die kreisförmige Einführungder Längeneinheit „Meter“ nicht möglich. Beide Einheiten werden kreis-förmig über die Energie/Raumzeit eines Photonensystems eingeführt.

Aus diesem Beispiel erkennen wir, daß das ursprüngliche Referenz-system für die Grunddimensionen, Raum (Länge) und konventionelle Zeitt (bzw. Frequenz, da fo=o1/t), die Photonenraumzeit ist. Diese simple Tat-sache von enormer kognitiver Relevanz ist den Physikern bisher verbor-gen geblieben, obwohl in der Relativitätstheorie von Einstein diePhotonenraumzeit als Lichtgeschwindigkeit zum Referenzsystem gewähltwird (in den Lorentz-Transformationen), um die relativistischen Ände-rungen von Raum und Zeit der Systeme zu messen. Aus diesem Grundwird in der neuen Axiomatik dieses Referenzsystem beibehalten. Sie kannaber durch jedes andere Referenzsystem ausgetauscht werden, da dieRaumzeit in sich geschlossen ist. Wir können jedes reale System alsReferenzsystem wählen und die anderen Systeme nach dem Zirkel-schlußprinzip mit ihr vergleichen. Diese prinzipielle Schlußfolgerung wirdmit der Tatsache illustriert, daß, bevor man die Photonenraumzeit alsReferenzsystem wählte, die Erde als Referenzsystem für Raum und Zeitgenommen hat: 1 Meter wurde als ein Bruchteil des Meridians durchParis gewählt und die Sekunde als ein Bruchteil der Umdrehungszeit derErde um ihre Achse definiert. Da dieses Referenzsystem nicht sehr ge-nau war, wurde sie durch die Photonenraumzeit ersetzt. Prinzipiell kannjedes Referenzsystem, z.B. das zur Zeit gültige SI-System, das ein Sur-rogat - ein antropozentrisches Epiphänomen - ist, mit jedem anderen

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18 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

System ausgetauscht werden.In der neuen Axiomatik wird bewiesen, daß die Raumzeit (das Sein)

nur aus zwei Dimensionen, wir sprechen von „Konstituenten“, besteht -Raum und Zeit. Sie sind dialektisch verbunden und bilden die Einheitder Raumzeit. Aus diesem Grund wird dem Wort „Raumzeit“ als Be-schreibung des Urbegriffs der Vorzug gegeben. Daraus folgt, daß sichalle anderen in der Physik verwendeten Einheiten des SI-Systems direktaus der Photonenraumzeit ableiten und somit im theoretischen Teil derPhysik eliminiert werden können. Sie erweitern unsere Erkenntnis vomWesen der Raumzeit keineswegs, sondern verschleiern es vielmehr. Dieskann anhand der Einheiten „Kilogramm“ kg für die Dimension „Masse“m und die Einheit „Coulomb“ C für die Dimension „Ladung“ Q illu-striert werden. Sie sind sekundäre Dimensionen und Einheiten, die manaus den beiden Dimensionen, Raum und Zeit, im Rahmen der Mathema-tik gebildet hat. Sie sind U-Untermengen der Raumzeit: die Masse ist einEnergieverhältnis: mo=oE1/E2o=odimensionslose Zahl (n) des Kontinuumsund Ladung ist ein Synonym für Fläche (Flächenverhältnis) Qo=oA1/A2 o=ono[m2].

Physik kann in der Tat sehr einfach sein, wenn man sie richtig an-geht. Daraus kann man schließen, daß alle realen Systeme der RaumzeitMasse und Ladung haben müssen. Ich konnte zwei neue Fundamental-konstanten, die Masse und Ladung des Grundphotons entdecken undbeweisen, daß sich alle bekannten Konstanten aus diesen beiden Kon-stanten ableiten lassen, wenn man die Universalgleichung anwendet. Indiesem Zusammenhang verweise ich auf die Tatsache, daß die konven-tionelle Physik die Photonen sowohl als „masselos“ als auch als „ladungs-frei“ betrachtet. Man erkennt sofort die kognitive Blindheit der gegen-wärtigen physikalischen Theorie.

Bewegung ist die einzige Manifestion der Raumzeit

Die Bewegung ist die universale und einzige Manifestation der Raum-zeit. Unser Bewußtsein nimmt die Energieumwandlung nur als Bewe-gung wahr. Die Bewegung ist eine immanente Eigenschaft der Raumzeitund nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz mit ihr identisch:Urbegriffo=oBewegung. Die universale physikalische Observable (Grö-ße) der Bewegung, welche die Physik im Rahmen der Mathematik ge-wählt hat, ist die Geschwindigkeit v. Aus diesem einzigen praktischen

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik19

Grund wird diese abstrakte mathematische Größe als die universaleObservable der Raumzeit in der neuen Axiomatik gewählt. Sie könnteim Prinzip durch jede andere mathematische Größe, die eine U-Unter-menge der Raumzeit wäre, ersetzt werden. Die Vorteile der Geschwin-digkeit liegen in ihrer einfachen symbolischen Präsentation, welche dasVerständnis der Physik erheblich erleichtert. Jedes symbolische Systemsollte sich vor allem nach didaktischen Gesichtspunkten richten.

Die Geschwindigkeit wird als Verhältnis (Quotient) der beiden Di-mensionen, Raum (Länge, s) und konventioneller Zeit (t) nach demZirkelschlußprinzip definiert: vo=os/t. Innerhalb des Euklidschen Raums,der zuerst von Newton in die klassische Mechanik eingeführt wurde undder als ein abstraktes mathematisches Referenzsystem verwendet wird,kann man den Raum wie folgt darstellen: Länge, so=o[1d-Raum], Fläche,Ao=o[2d-Raum], Volumen, Vo=o[3d-Raum], oder Raumo=o[n-d-Raum], wo-bei no=oKontinuum. Der Vorteil dieser symbolischen Darstellung liegtauf der Hand: sie gilt für jeden n-dimensionalen Raum, für mehrdimen-sionale Räume der String-Theorien und für Fraktalräume (Hausdorff-Dimensionen) der Topologie. Diese Räume finden zunehmend Eingangin die moderne Physik. Aber auch der vierdimensionale Minkowski Raumder Relativitätstheorie kann damit beschrieben werden (3d-EuklidscherRaum plus die Zeit-Dimension). Dies kann leicht bewiesen werden.

Die Geschwindigkeit besteht aus Raum und konventioneller Zeit.Der Raum ist als Ausdehnung gedacht. Die Ausdehnung ist eine funda-mentale Eigenschaft des Seins und nach dem Prinzip der letztenÄquivalenz mit der Raumzeit identisch. Die konventionelle Zeit wird inder Geschwindigkeit als reziproker Wert 1/t angegeben und kann eben-sogut als Frequenz fo=o1/t ausgedrückt werden: vo=os/to=osof. Diese Formelkennen wir bereits aus der Formel der Lichtgeschwindigkeit co=oλof, wo-bei so=oλo=o(Wellen)länge. Sie gilt für alle Wellen. Da aber die Materienach gängiger Auffassung der Physik (Quantenmechanik) Wellen-charakter hat, wie dies zuerst von de Broglie im Jahre 1924 erkannt wur-de, gibt es prinzipiell keinen Unterschied zwischen der Formel der klas-sischen Geschwindigkeit v o= os/t und derjenigen der Wellen-geschwindigkeit vo=oλof. Sie sind lediglich mathematische Variationen einund derselben Sache. Auch diese simple Tatsache ist von den Physikernbisher nicht richtig verstanden worden. Die Frequenz ist eine dimen-sionslose Zahl, mit der die Anzahl periodisch auftretender Ereignisse, indiesem Fall Wellen, im Vergleich zu einer Referenzperiodizität angege-ben wird. Wie wir gesehen haben, wird für die Definition und

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20 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

Meßmethode der konventionellen Zeit die Frequenz einer willkürlichenPhotonenstrahlung als Referenzsystem gewählt. Die konventionelle Zeitist dann der reziproke Wert dieser Frequenz. Im Rahmen der Mathematikkann jede Größe auch als ihr reziproker Wert konsequent angegebenwerden, ohne daß sich irgend etwas am Ergebnis oder an der Erkenntnisändern würde. Aus dieser einfachen Überlegung heraus kann (und soll)die konventionelle Zeit in der Physik konsequent durch die Frequenzersetzt werden. Der Vorteil liegt auf der Hand. Die Frequenz ist nämlicheine direkte Observable der absoluten Zeit fo=oE/EA, die wir direkt ausdem Urbegriff axiomatisch, d.h. á priori abgeleitet haben. Sie ist aller-dings nicht die einzige physikalische Observable der Zeit. Es kann be-wiesen werden, daß eine Reihe weiterer Größen wie Temperatur, ma-gnetisches Feld usw. sich als Synonyme der Zeit erweisen.

Die Frequenz erfaßt also die Zeit, die eine abstrakte U-Untermengeder Raumzeit ist. Die Äquivalenz der beiden Begriffe ist sehr leicht nach-vollziehbar. Jede Welle in einem Medium kann als Energiepaket mit ei-nem definierten konstanten Energiewert EA, der nur von der Wellen-amplitude (Raum) abhängt, betrachtet werden. Der Umfang der um-gesetzten Energie E innerhalb einer bestimmten Periode hängt also le-diglich von der Anzahl (Frequenz) der durchlaufenden Wellen ab: Eo=oEAof.Wir erhalten die Universalgleichung. Die notwendige Angabe derBeobachtungsperiode bestätigt erneut die ubiquitäre Validität des Zir-kelschlußprinzips im Rahmen der bewußtseinsmäßigen Wahrnehmungder Raumzeit. Gäbe es keine Menschen, welche die Beobachtungspe-riode bestimmen, änderte sich trotzdem nichts an die Gültigkeit derUniversalgleichung. Die Energieumwandlung E wird lediglich unend-lich, weil die Zeit f ebenfalls unendlich wird. Die Unendlichkeit ist abereine á priori Eigenschaft der Raumzeit. Da der Mensch und sein Be-wußtsein Systeme der Raumzeit sind, enthalten sie sein Wesen als Ele-ment. Diese kreisförmige Argumentation (Tautologie), welche die Gren-ze jeder menschlichen Erkenntnis für immer (in alle Ewigkeit) darstellt,trägt, wie man erkennen kann, unausweichlich die Eigenschaften desUrbegriffs1. Wenn wir nun die Geschwindigkeit in der neuen raum-zeitlichen Symbolik darstellen, erreichen wir eine sehr einfache mathe-

______________________________1 Diese abstrakte Argumentationsebene der neuen Axiomatik macht er-fahrungsgemäß den konventionell geschulten, philosophisch unbedarften Physi-ker die größten Schwierigkeiten. Die einzige Möglichkeit für sie umzudenken,

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik21

matische Schreibweise, die unmißverständlich zeigt, daß sie sich axio-matisch aus dem Urbegriff ableiten läßt:

v = [1d-Raum] × f = [1d-Raum] × [Zeit] = [1d-Raumzeit] = E =

= Urbegriff

Die neue Definition der Geschwindigkeit lautet: das Produkt aus eindi-mensionalem Raum und Zeit wird „eindimensionale Raumzeit“ genannt.Sie ist eine U-Untermenge der Raumzeit, die in Rahmen der Mathematikgebildet wird. Diese Größe hat keine reale Existenz, findet aber stets einreales Korrelat in der physikalischen Welt. Da wir nach dem Prinzip der

______________________________

d.h. anzufangen richtig zu denken, ist zunächst, alles was sie bisher gelernt ha-ben, zu vergessen. Sie müssen dann wie kleine Kinder beginnen, die neue Axio-matik auswendig zu lernen und zu verinnerlichen. Da die Theorie sehr einfachund knapp ist, dürfte es sich um einen sehr kurzen Lernprozeß handeln. Danachfügen sich die erworbenen Kenntnisse in der Physik und den Naturwissenschaf-ten nahtlos und widerspruchsfrei in die neue Axiomatik ein. Dieser Ansatz erfor-dert lediglich Selbstdisziplin im Denken und die psychologische Überwindungdes „inneren Schweinehunds“, d.h. man kommt nicht umhin, sich einzugestehen,daß man bisher in der Physik auf eine grundlegende Weise falsch gedacht hat.Die Vorteile eines solchen Eingeständnisses für die Beteiligten können mit ei-nem aktuellen Beispiel aus dem Zusammenbruch des Kommunismus illustriertwerden. Diejenigen Kommunisten unter der Parteinomenklatur, die sofort daskommunistische Dogma verworfen haben und die marktwirtschaftlichen Prinzi-pien übernommen haben, wurden ihm Nu zu den größten und erfolgreichstenKapitalisten, auch wenn sie etwas abwertend von der westlichen Konkurrenz als„Seilschaften“ abqualifiziert wurden. Dieses Phänomen ist ohne Ausnahme inallen ehemaligen sozialistischen Ländern zu beobachten. Aber auch die Um-wandlung der Deutschen von überzeugten Nazis zu eifrigen Demokraten hatdiesen nur Vorteile gebracht. Das gleiche wird für die Physiker gelten, wenn eseinmal nachvollzogen wird, daß die Physik lediglich angewandte Mathematikfür die unbelebte Natur ist. Die Erkenntnis, daß die Vertreter der angewandtenMathematik die besseren Physiker der Zukunft sein werden, wird für den not-wendigen Leidensdruck sorgen, welche die Physik als Wissenschaft gründlichverändern wird. Diese Beispiele illustrieren, daß jeder Mensch sein Schicksal indie Hand nehmen und sein Leben von Grund auf ändern kann. Diejenigen, denendieses Kunststück nicht gelingt, bleiben als „ewig Gestrige“ zwangsläufig aufder Strecke. Sie sind die Verlierer der raumzeitlichen Evolution auf der gesell-schaftlichen Ebene.

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22 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

letzten Äquivalent dem Urbegriff auch die Zahl „1“ zuordnen können,kann man innerhalb der Mathematik unendlich viele geometrische Dimen-sionen einführen, mit denen man die Raumzeit darstellen kann. Dieseunterschiedlichen dimensionalen Darstellungen der Raumzeit sind nachdiesem Prinzip äquivalent:

E = EAof = v = [1d-Raumzeit] = [3d-Raumzeit] (Minkowski Raum) =

= vn = [n-d-Raumzeit] = constant = 1

Reziprozität von Raum und Zeit

Die letzte Gleichung offenbart die fundamentale Eigenschaft der Raum-zeit, nämlich die Reziprozität ihrer Konstituenten, Raum und Zeit.Dies ist die grundlegend neue Erkenntnis der vorliegenden Axiomatik.Auch wenn diese Erkenntnis bereits der Relativitätstheorie zugrunde-liegt, so wurde sie weder von Einstein noch von irgend einem anderenPhysiker nach ihm richtig verstanden. Dies ist das schwerwiegendsteVersäumnis der modernen Physik2. Wir sagen:

Die beiden Konstituenten des Urbegriffs, Raum und Zeit,sind dialektisch verbundene, kanonisch-konjugierte rezipro-ke Größen. Sie können nicht voneinander getrennt werden(U-Mengen) und bilden die Einheit der Raumzeit3.

Nimmt der Raum zu, nimmt die Zeit ab und umgekehrt. Da aber nach derUniversalgleichung Eo=oEAof die Energieumwandlung E der Zeit f pro-

______________________________2 Hätte man die Reziprozität von Raum und Zeit vor etwa 100 Jahren verstan-den, dann hätte die Physik einen anderen Gang genommen und der Menschheitwäre höchstwahrscheinlich das atomare Holocaust von Horishima und Nagasa-ki, das Damokles Schwert des Kalten Kriegs, sowie Ereignisse wie Tschernobylerspart geblieben. Aber auch die zwei Weltkriege gehen auf das Konto des Nicht-erkennens vom Wesen der Raumzeit.3 Diese Erkenntnis ist an sich so simpel, daß ich bis heute nicht in der Lage bin,eine zufriedenstellende Erklärung zu finden, warum die Menschheit nicht schonfrüher darauf gekommen ist. Dieses Buch ist ein Versuch, eine partielle Antwortauf diese Frage zu geben.

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik23

portional ist, weil das Aktionspotential konstant ist: Eo≈of, weil EAo=oconst.,folgt, daß sich Energie und Raum ebenfalls reziprok verhalten:

E = EA f ≈ f = 1/ [Raum]

Die Reziprozität von Energie und Raum ist eine fundamentale Eigen-schaft der Raumzeit, die von allen physikalischen Phänomenen uneinge-schränkt bestätigt wird. Die größte Energie, die Kernenergie, finden wirim kleinsten Raum der Kerne, die schwächste Energie, die Gravitation,dagegen in den größten räumlichen Systemen wie Sonnen, Planeten,Sonnensystemen, Galaxien usw. Aber auch innerhalb der Gravitation giltdas umgekehrte Verhalten von Energie und Raum uneingeschränkt. Dieweißen Zwerge stellen die kleinste Raumkonfiguration eines Sterns dar,doch ist ihr Gravitationspotential unvergleichlich größer als das Potenti-al der großen Riesen, eine andere Sternkonfiguration mit großen Ausma-ßen. Die schwarzen Löcher stellen eine räumliche Singularität dar, ha-ben aber das größte Gravitationspotential, das auch das Licht so stark ansich zieht, daß sie unsichtbar sind - daher der Name. Die Liste der Bei-spiele kann unendlich fortgesetzt werden. Die Relativitätstheorie spie-gelt diese simple Tatsache wieder, allerdings, ohne sie erkenntnistheore-tisch richtig zu deuten.

Anwendungen der Erkenntnis von der Reziprozi-tät von Raum und Zeit

Raumzeit ist die einzige Realität. Aus diesem einzigen ausreichendenGrund muß gefolgert werden, daß man in der Physik nur Raum- undZeit- oder Raumzeitverhältnisse nach dem Zirkelschlußprinzip bildenkann. Alle Naturkonstanten, die man in der Physik bisher gefunden hat,sind solche konstanten Verhältnisse. Die Existenz von Naturkonstantenist der fundamentalste und allumfassendste Beweis, daß die Raumzeit insich geschlossen und konstant ist - diese Konstanz des Ganzen wird durchalle Teile als Element manifestiert, weil sie U-Untermengen der Raum-zeit sind. Diese Erkenntnis führt ebenfalls zu einer signifikanten Verein-fachung unseres physikalischen Weltbilds.

Die scheinbare (mathematische) Komplexität, die man heute in derPhysik vorfindet, ist somit keine Notwendigkeit der Natur, sondern istdurch die Wissenschaftler selbst, präziser gesagt, als Folge ihrer Denk-

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24 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

fehler, eingeführt worden. Sie ist entbehrlich - vielmehr sollte diese Kom-plexität ein für alle Male aus der Physik und den Naturwissenschaftenverbannt werden. Dies ist das primäre didaktische, pädagogische, oderwenn man will, kognitive Ziel der neuen physikalisch-mathematischenAxiomatik. Während die Naturwissenschaften ihr Heil bisher in der künst-lichen Komplexität der Gedankenbildung gesucht haben, blieb ihnen dasGeheimnis der Natur verborgen. Der Grund ist denkbar einfach: die Wis-senschaftler haben aus Furcht vor der vermeintlichen Subjektivitätmenschlichen Denkens die Rolle des Bewußtseins aus ihren Überlegungengänzlich ausgeklammert, und dies trotz der erdrückenden Evidenz, daßalle Wissenschaften Gedankengebäude, also Kategorialsysteme, sind. Ausdiesem Grund beginnt die neue Axiomatik mit dem Urbegriff des mensch-lichen Bewußtseins. Er ist die Grenze aller Erkenntnis - für immer!

Die Erkenntnis von der Reziprozität zwischen Raum und Zeit, bzw.Raum und Energie führt zu drei weiteren Anwendungen, die ich als Grund-axiome zusammenfasse. Diese Axiome sind gedankliche Variationen derRaum-Zeit Reziprozität und haben lediglich die Aufgabe, bestimmtephysikalische Phänomene und ihre bisherige Interpretation treffender undfür die Physiker nachvollziehbarer als bisher zu beschreiben. Sie sindsomit U-Untermengen der Ur-Erkenntnis vom reziproken Verhalten derbeiden Konstituenten.

Das erste Axiom heißt das „Axiom der Erhaltung von Aktions-potentialen“. Es ist eine andere stringente Interpretation des ersten ther-modynamischen Gesetzes von der Erhaltung der Energie, wie es vonMayer ursprünglich formuliert wurde. Es besagt:

„Das Aktionspotential EA1 eines Systems oder einer Ebenewird vollständig in das Aktionspotential eines anderen Sy-stems oder einer anderen Ebene umgewandelt und umge-kehrt:

EA1 = EA2

Alle bekannten Erhaltungssätze der Physik wie die Erhaltung der Masse,der Impulse, der Ladung, der Baryonenzahl etc. werden in dieses Axiomzusammengefaßt. Die Begründung wurde mehrfach erwähnt: die Erhal-tung physikalischer Größen spiegelt die Erhaltung der Energie aufgrundihrer Geschlossenheit wider, weil diese Größen abstrakter mathemati-scher Natur und somit lediglich U-Untermengen der Raumzeit sind.

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik25

Das zweite Axiom ist eine Variation des ersten. Es wird eingeführt, umzu verdeutlichen, wie alle bekannten physikalischen Gesetze aus demBewußtsein heraus formuliert wurden. Dieses Axiom verkörpert sozusa-gen den „Archetyp“ aller intuitiven Gedanken in der Mathematik, vondenen es in der Literatur nicht wenige gibt; es macht diesen Archetypdes mathematischen Unterbewußtseins zum ersten Mal bewußt. Anhanddieses Axioms kann man die Physik und ihre Vertreter einer quasi„ Freudschen Tiefenanalyse“ unterziehen um nachzuvollziehen, an wel-cher Stelle sie das Bewußtsein ausgeschaltet und sich somit den Weg zurtieferen Erkenntnis von der Existenz des Universalgesetzes selbst ver-baut haben. Diese Übung ist sehr lehrreich und empfehlenswert, dennsie hilft, die falsche Denkweise aus der Vergangenheit peu á peu auszu-radieren. Lernen ist an erster Stelle Adaptation. Dieses Axiom wird „dasAxiom der Reduzibilität “ genannt. Es lautet:

Jede Energieumwandlung in der Raumzeit kann als eineWechselwirkung zwischen zwei Entitäten (Systemen) be-trachtet werden, weil alle Teile der Raumzeit U-Mengensind und sich als Element enthalten. Jede Wechselwirkungergibt eine neue Entität, deren Energie man im Rahmen derMathematik als das Produkt der Raumzeit/Energie der bei-den wechselwirkenden Entitäten darstellen kann:

EA = E1 × E1 = E1E2

Auch wenn dieses Axiom selbsterklärend erscheinen mag, verbergen sichdahinter weitreichende Erkenntnisse, die von den Physikern bisher nichtnachvollzogen wurden. Diese können anhand der Definition des Impul-ses po=omv in der klassischen Mechanik und der Energie in der berühm-ten Masse-Energie-Äquivalenzgleichung Einsteins Eo=omc2 verdeutlichtwerden. Wir beginnen mit dem Impuls. Nehmen wir ein Objekt mit derMasse m. Das Symbol „m“ ist ebenso willkürlich gewählt wie der Be-griff „Masse“. Man kann das Zeichen „m“ als Symbol für das ruhendeObjekt wählen. In diesem Fall entspricht dieses Symbol der Energie desObjektes in Ruhe mo=oE1. Wenn eine Wechselwirkung mit diesem Objektstattfindet, z.B. eine Gravitationsanziehung, dann bewegt sich das Ob-jekt. Diese Bewegung können wir als eine weitere Entität betrachten. Siewird in der Physik in aller Regel durch die Geschwindigkeit v erfaßt, dieeine eindimensionale Observable der Raumzeit ist. In diesem Fall kön-

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26 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

nen wir die Geschwindigkeit für die Energie dieser Entität setzen vo=oE2.Man sollte beachten, daß alle diese Zuordnungen von Symbolen inner-halb der Mathematik stattfinden und somit „Gedankendinge“ sind. Dasgleiche gilt, wie bereits gesagt, auch für jede physikalische Größe wieMasse oder Geschwindigkeit. Nach dem Axiom der Reduzibilität kannnun die Gesamtenergie des sich bewegenden Objektes als das Produktaus den Energien der beiden oben definierten Entitäten dargestellt wer-den:

E = E1E2 = mv = SP(A)[1d-Raumzeit] = Impuls = p

Wir erhalten die klassische Definition des Impulses po=omv, die man nunin der neuen Raumzeit-Symbolik sehr einfach darstellen kann:po=oSP(A)[1d-space-time]. In diesem Fall wird für m das äquivalenteSymbol SP(A)o=oWahrscheinlichkeitsmengeo=ono=oKontinuum gewählt.Dies ist eine Konvention der neuen Axiomatik. Nach dem Prinzip derletzten Äquivalenz sind sowohl die Wahrscheinlichkeitsmenge SP(A) alsauch das Kontinuum dem Urbegriff äquivalent. Da Masse per definitionemein Energieverhältnis ist, kann man sie als Wahrscheinlichkeit P derMenge SP(A) betrachten. In der Mathematik wird die Wahrscheinlich-keitsmenge als P(A) definiert. Wir verwenden zusätzlich das Zeichen„S“ für „Strukturkomplexität“, um zu verdeutlichen, daß unsere Wahr-scheinlichkeitsmenge sich auf die Strukturkomplexität der Raumzeit be-zieht, wohingegen die Menge P(A) ein abstrakter Begriff ohne realesKorrelat ist. Diese Kennzeichnung ist ausschließlich didaktischer Naturund kann ebensogut fallengelassen werden.

Das Axiom der Reduzibilität läßt sich für alle bekannten Gesetzeder Physik anwenden. Wir wählen die Einsteinsche Gleichung, weil sieeine universale Stellung unter den Gesetzen beansprucht - sie soll dieÄquivalenz zwischen Energie und Masse beweisen. Da aber die Masseals Energieverhältnis (Quotient) eine abstrakte dimensionslose Größe undsomit eine U-Untermenge der Raumzeit ist, erweist sich diese berühmteÄquivalenz bei näherer Betrachtung als ein Pleonasmus, der im allge-meinen als die größte Sünde in der Wissenschaft angesehen wird. In derklassischen Mechanik wird der Erhaltungssatz der Impulse für eine ela-stische Kollision abgeleitet. Eine solche Kollision gibt es natürlich nicht- sie ist eine Abstraktion des menschlichen Bewußtseins, mit der dieGeschlossenheit der Raumzeit als eine Art perpetuum mobile intuitiverfaßt und diese Eigenschaft auf die Teile übertragen wird. Hinter dem

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik27

Impulserhaltungssatz verbirgt sich das Axiom der Reduzibilität. Betrach-ten wir zwei Systeme mit den Energien E1 und E2 als ImpulseE1o=op1o=om1v1 und E2o=op2o=om2v2, die miteinander wechselwirken (ela-stische Kollision). In diesem Fall -kann die Energie E des darausresultierenden Systems anhand des Reduzibilitätsaxioms dargestellt wer-den:

E = E1 × E2 = p1 × p2 = m1v1 × m2v2 = mv2 = SP(A)[2d-Raumzeit],

wobei mo=om1m2 und v2o=ov1v2. Daraus ergeben sich die neue Raumzeit-

Darstellungen der Universalgleichung

E = EAof ===== mv2 ===== SP(A)[2d-Raumzeit]

und des Aktionspotentials

E ===== SP(A)[2d-Raum] f

Wenn wir den Impulserhaltungsatz, der, wie wir gesehen haben, eineAnwendung des Reduzibilitätsaxioms ist, auf zwei bewegliche Objekte,deren Wechselwirkung als elatische Kollision aufgefaßt wird, anwen-den, dann erhalten wir für die Energie des resultierenden Systems einezweidimensionale Darstellung, die das Quadrat der Geschwindigkeitenthält. Diese Präsentation der Universalgleichung wird unbewußt beivielen konventionellen Gesetzen gewählt. Dies wird deutlich, wenn mandie Gesetze in der neuen Raumzeit-Symbolik darstellt. Da die Mathema-tik und die neue Axiomatik kommutative (transitive) Systeme sind, d.h.sie sind äquivalente axiomatische Systeme, kann man die Gesetze so-wohl in der alten als auch in der neuen Schreibweise ausdrücken und mitihnen rechnen, ohne daß sich am Endergebnis etwas ändern würde. DerVorteil der neuen Schreibweise ist jedoch nicht zu verkennen. Anstelleder vielen konventionellen Größen, die zu einer erheblichen Verwirrungführen und das Erlernen der physikalischen Formeln verhindern, gibt esnunmehr nur zwei Größen (Dimensionen) - Raum und Zeit - die man alsZahlen des Kontinuums ausdrücken kann. Ihre Werte bilden konstanteVerhältnisse (Naturkonstanten).

Die zweidimensionale Präsentation der Energie in der Physik hatsomit keinen tiefen Sinn, sondern ergibt sich aus der vorherrschendengeometrischen Darstellung des Impulses bzw. der Geschwindigkeit als

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28 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

Linien (Vektoren). In der Regel wird der dreidimensionale EuklidscheRaum auf ein zweidimensionales Koordinatensystem reduziert, weil erdadurch viel einfacher auf einem Blatt Papier gezeichnet werden kann.Wir haben eingangs bewiesen, daß die Anzahl der Dimensionen, mit derdie Raumzeit im Rahmen des geometrischen Formalismus dargestelltwird, unerheblich ist, da nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz alle n-dimensionalen Präsentationen gleich sind. In der neuen Axiomatik wäh-len wir die zweidimensionale Darstellung der Raumzeit als eine der Uni-versalgleichung äquivalente Formel, weil dadurch die Ableitung der tradi-tionellen Formeln der Gesetze aus der Universalgleichung erheblich ver-einfacht wird. Auch bei dieser Entscheidung spielt die Didaktik eine zen-trale Rolle.

Wenn wir nun diese Darstellung der Universalgleichung auf diePhotonenraumzeit anwenden, müssen wir lediglich das Symbol der Ge-schwindigkeit v mit demjenigen der Lichtgeschwindigkeit c ersetzen:co=ov, und erhalten die vielgepriesene Einsteinsche Gleichung:

E = SP(A)[2d-Raumzeit] = mv2 = mc2,

von der man bis heute nicht weiß, wie er sie abgeleitet hat und diesedaher als Ergebnis seiner „genialen Intuition“ gepriesen wird. Den uni-versalen Charakter dieser Gleichung kann man aber sehr einfach mit derTatsache erklären, daß die Photonenraumzeit als Referenzsystem gewähltwird - wir haben gesehen, daß dies sowohl beim SI-System als auch beider Relativitätstheorie der Fall ist. Hier wird die Photonenraumzeit alsEnergie definiert, wohingegen die Energie der Materie als Masse, alsoals Energieverhältnis dargestellt wird. Die Aussage, daß Masse gleichEnergie ist, ist somit eine weitere pleonastische Umschreibung des Axi-oms zur Erhaltung von Aktionspotentialen.

Die Einsteinsche Gleichung erfaßt also den Energieaustausch zwi-schen der Materie und der Photonenraumzeit. Dieser vertikale Energie-austausch ist zentral für das Verständnis der Physik, allem voran für dieKlärung des Gravitationsmechanismus, der bis heute als unbekannt gilt.Dieser Energieaustausch kann in der neuen Axiomatik zum ersten Malbis ins Detail beschrieben werden, wobei eine Reihe neuer Fundamen-talkonstanten entdeckt wurden. Wenn man bedenkt, daß die Entdeckungder letzten Fundamentalkonstanten über 70 Jahre zurückliegt, so wird esersichtlich, welche Vorteile die neue Axiomatik mit sich bringt.

Das letzte Grundaxiom wurde ausschließlich eingeführt, um die

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik29

dynamische Betrachtungsweise der offenen Systeme der Raumzeit, diesich in ständiger Energieumwandlung befinden, zu erleichtern. Es mußin diesem Zusammenhang hervorgehoben werden, daß die bisherige Sichtder Natur in der Physik ausschließlich statisch ist. Die statische Sicht-weise der Dinge ist eine Konsequenz aus der Anwendung der Mathema-tik als einzige Definitions- und Meßmethode physikalischer Größen.Dieser Aspekt wird unten erläutert. Das dritte Axiom besagt:

„Jedes System, das sich in einem dynamischen Energie-austausch mit der Raumzeit befindet, kann auf zwei Ebe-nen (Entitäten) reduziert werden, deren Energiegradientensich reziprok zueinander verhalten. Diese Gradienten wer-den auch long-range Korrelationen genannt.

Mit diesem Axiom als Paradigma für das dynamische Verhalten alleroffenen Systeme (andere gibt es nicht - die geschlossenen Systeme, dieman in der Physik vorfindet, sind pure Abstraktionen) läßt sich sowohldie Regulation der Zelle und des menschlichen Organismus als auch dieRegulation der Wirtschaft auf der Mikro- und Makroebene zum erstenMal konsistent erklären und kinematisch beschreiben. Dies führt zu ei-ner Allgemeinen Theorie der biologischen und gesellschaftlichen Regu-lation. Einzelne Aspekte dieser Theorie werden in den anschließendenKapiteln zur Geschichte der Philosophie besprochen.

Der neue Begriff der „Strukturkomplexität, Ks“

Das moderne physikalische Weltbild beruht auf dem Konzept des Wel-len-Teilchen Dualismus. Irrtümlicherweise wird dieser Dualismus als eineEigenschaft der Raumzeit angesehen. In Wirklichkeit handelt es sich le-diglich um die dynamisch-statische Betrachtungsweise der Natur, wobeidie Wellen das dynamische Weltbild repräsentieren und die Teilchen -das statische. In Wirklichkeit befindet sich die Raumzeit in einer ständi-gen Umwandlung, so daß alle Systeme stets in Bewegung sind. DieUmwandlung dieser Dynamik in Statik erfolgt in unserem Bewußtseinunter Zuhilfenahme der Mathematik. Die mathematische Darstellung derNatur ist durch und durch statisch. Der Grund dafür ist, daß man Raum-oder Zeitmessung nur dann vornehmen kann, wenn einer der beidenKonstituenten künstlich, d.h. durch eine mathematische Vorschrift im

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30 Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik

Kopf arretiert wird. Da sich die beiden Konstituenten reziprok zueinan-der verhalten und eine Einheit bilden, wird der eine Konstituent stets alskonstant betrachtet, wenn der andere künstlich arretiert wird. Diesermathematische Trick basiert auf der Anwendung der Primärzahl „1“.

Wir werden dies anhand der Universalgleichung von oben illustrie-ren. Wird der Zeit f die Zahl „1“ zugeordnet, dann erhält man im Rahmendes mathematischen Formalismus aus dem Quadrat der Geschwindig-keit eine geometrische Fläche:

E = EAof = SP(A)[2d-Raumzeit] = SP(A)[2d-Raum] f 2,

wenn f = SP(A) = 1, dann

E = Ks = SP(A)[2d-Raum] = Fläche = Strukturkomplexität

Die letzte Gleichung zeigt, wie man aus der Universalgleichung der En-ergie, welche die Geschwindigkeit als die universale Größe der Bewe-gung beinhaltet, eine statische geometrische Größe, in diesem Fall eineFläche, erhält, wenn man die Zeit f arretiert, d.h. wenn man ihr die Zahl„1“ zuordnet. Der Begriff der Strukturkomplexität schließt alle geome-trischen Darstellungen ein, weil sie äquivalent sind. In der Regel ist Ksidentisch mit der Fläche, weil diese Größe am häufigsten in der Physikangewandt wird. Viele Größen erweisen sich als Plenasmen der Fläche,wie z.B. die Ladung, das magnetische Moment usw. Ihre Einheiten sinddann Synonyme für „1 Meter Quadrat“. Auch diese Erkenntnis führt zueiner bedeutenden Vereinfachung unseres physikalischen Weltbilds. Daviele Observablen in der Physik geometrische Größen sind, wird derBegriff der Strukturkomplexität als die Menge aller geometrischen Grö-ßen eingeführt. Er verkörpert das statische Weltbild in der Physik. JedeBeschreibung der äußeren Formen ist statisch. Hierzu gehören sämtlichedeskriptive Beschreibungen der Natur, die vor allem in der Medizin undden Biowissenschaften vorherrschend sind. Zu Ks müssen auch alle geo-metrischen Präsentationen wie Vektoren, Flächen, Volumina und Flächen-integrale hinzugerechnet werden. Der Urbegriff der Raumzeit E verkör-pert hingegen das dynamische Weltbild der Physik. Die Universalglei-chung Eo=oEAof steht für diese letzte Sicht der Dinge.

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Kurze Einführung in die Grundaussagen der neuen Axiomatik31

Das Evolutionsgesetz

Man kann nun von der Strukturkomplexität ausgehen und die Universal-gleichung für diese statische Größe ableiten: Eo=oKsofo

2, daher Kso=oE/fo2 .

Führt man anstelle der Zeit f die konventionelle Zeit t ein, dann erhältman das Evolutionsgesetz als eine Ableitung des Universalgesetzes:

Ks = Eoto2

Das Evolutionsgesetz lautet: Die Strukturkomplexität ist derumgesetzten Energie proportional und wächst mit dem Qua-drat der konventionellen Zeit, d.h. exponentiell.

Man sollte dieses Gesetz nicht überbewerten, sondern lediglich als eineandere, statische Darstellung der Dinge betrachten. Dennoch gilt es un-eingeschränkt für alle Phänomene, weil es eine Ableitung des Universal-gesetzes ist. Man kann mit Hilfe des Evolutionsgesetzes sehr genau diewirtschaftliche Entwicklung der Menschheit beschreiben, die man auchals Evolution bezeichnen kann.

Dies sind die Grundaussagen der neuen physikalischen Axiomatik,die durch die Phänomenologie des Seins uneingeschränkt bestätigt wer-den und zu einer Vereinheitlichung der Physik führen. Wir werden die-sen Grundgedanken immer wieder in den verschiedenen philosophischenSchulen des Abendlandes begegnen. Ziel dieser Abhandlung ist zu bele-gen, daß die Wahrnehmung des Universalgesetzes stets im Mittelpunktdes abstrakten menschlichen Denkens gestanden hat.

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DAS UNIVERSALGESETZ IM SPIEGEL-BILD DER PHILOSOPHIE

Die Anfänge abendländischen Denkens

Diese Abhandlung will keine Vollständigkeit oder akademische Ausge-wogenheit beanspruchen. Sie ist vielmehr eine selektive tour de forcedurch die Höhepunkte abendländischen Denkens und beginnt dort, wounsere Zivilisation ihren Ausgang genommen hat - im antiken Griechen-land und in meiner Heimat, Thrakien.

Die großen Errungenschaften antiker Dichter wie Thales und Hera-klit, die aus dem historischen Nichts kometenhaft emporschossen unddas kulturelle Firmament im 6. Jahrhundert v. Chr. erhellten, waren kei-ne Ausnahmeerscheinungen, sondern das logische Ergebnis einer kultur-trächtigen prähistorischen Entwicklung, die viele Jahrtausende zurück-reichte. Die ionische Küste, beispielsweise der Geburtsort von Thales,Milet, war sowohl von griechischen als auch von thrakischen Stämmenseit Urzeiten besiedelt. Die Kulturschichten großer thrakischer Siedlun-gen auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien, die erst vor kurzem freige-legt wurden (z.B. Karanowo), reichen bis ins fünfte vorchristliche Jahr-tausend zurück und bezeugen eine bereits hochentwickelte Zivilisation,die sich langsam nach Westeuropa ausbreitete. Etwa ebenso alt sind dieältesten Goldfunde der Menschheit, die bei den Ausgrabungen thraki-scher Siedlungen auf bulgarischem Terrain gefunden wurden.

Der Dionysos-Kult der Thraker war der transzendente Boden, aufdem sich die Rationalität der antiken Philosophie erst richtig entfaltenkonnte. Sowohl die Schönheit als auch die Primitivität dieses Kultes fin-det ihren Niederschlag in den “Bacchae” von Euripides. Der Pantheis-mus, die Vorstellung, daß Gott “Pan” allen Lebewesen und der unbeleb-ten Natur innewohnt und mit dem zyklischen Verlauf der Jahreszeitenimmer aufs neue stirbt und geboren wird, verkörperte die grundlegende

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Die Anfänge abendländischen Denkens 33

Weltanschauung der Thraker. Pantheistische Reminiszenzen finden sichin allen Strömungen der griechischen Philosophie. Pantheismus und zy-klischer Ablauf der Naturereignisse reflektieren die früheste primitiveErfahrung des Universalgesetzes. Historisch betrachtet, war der Panthe-ismus der Thraker die erste uns bekannte Religion auf dem europäischenKontinent, welche die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Natur als ihreimmanente Eigenschaft ansah und unter der Anwendung von heil-pflanzlichen, zellstimulierenden Mitteln diese schöpferische Fähigkeitder Natur in einer kultischen Ekstase zu erleben suchte. Der Erfolg desBacchus-Kultes in Griechenland ist somit nicht überraschend. Nicht min-der verbreitet war der Orphismus, die Lehre von Orpheus, jenem legen-dären Sänger aus dem mythenumwobenen Rhodopengebirge Thrakiens,das ich in meinem Jugend mit Begeisterung durchwandert habe.

Eine Zivilisation, die in der Lage ist, eine Philosophie, also eine „Liebezur Weisheit“ wie die griechische hervorzubringen, sollte sich mit den-selben Vorzügen auszeichnen wie jede andere, die zwar der Philosophieden Rücken gekehrt hat, doch als Ersatz dafür den Anspruch empirischerWissenschaft zum Maß alles Wahrhaften emporgehoben hat. Doch we-der die Philosophie noch die empirische Wissenschaft des Abendlandeswaren über 2500 Jahre hin imstande, das transzendente Wesen desUniversalgesetzes richtig zu erfassen. Dieser Umstand sollte uns nach-denklich stimmen. Die Gründe für diese Blindheit der Philosophie undder daraus entstandenen modernen Wissenschaft werden sich zum Teilaus dieser Diskussion des abendländischen Denkens ergeben. Die tiefeEinsicht in die Dialektik des Urgesetzes, des Logos, blieb zunächst nursolchen “dunklen” Denkern wie Heraklit vorbehalten.

Die moderne Wissenschaft schließt Emotionen und Leidenschaft aus,aber der Mensch kann ohne Gefühle, Kunst und Transzendenz nicht le-ben. Wissenschaft alleine macht nicht glücklich, und jeder wissenschaft-liche Erfolg kann erst über das Emotionale erfahren werden. HeraklitsLogos, der erfolgreichste Versuch der antiken Philosophie, eine kongru-ente Gesamterklärung der Naturphänomene zu geben, wurde in derDialektik von Hegel weiterentwickelt. Es ist kein Zufall, daß dieHegelsche Philosophie mit der Dialektik der Liebe und der Erwiderungder Liebe beginnt.

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34 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Thales

Das Wirken von Thales leitete die Geburtsstunde der abendländischenPhilosophie ein. So zumindest ist uns der Beginn dieser großartigen Dis-ziplin von den alten Griechen überliefert worden. Die eigentlichen An-fänge verlieren sich im Dunkel prähistorischer Zeiten. Von Thales wirdberichtet, er sei nicht nur ein echter Weiser gewesen, sondern auch mitallen Absonderlichkeiten des Lebens vertraut. Philosophie wurde in derAntike stets als eine Synthese aus wissenschaftlicher Neugierde undLebenserfahrung verstanden. Sehr früh entstand daraus die Ethik, dieLehre des richtigen Handelns. Den alten Griechen genügte es nicht, wiespäter den Christen, ein reines Herz zu haben, um tugendhaft zu leben. Inihren Augen konnte nur der Weise, derjenige, der die tiefe Einsicht hin-ter den Dingen erlangt hat, das Wahre erkennen und richtig entscheiden,also tugendhaft leben und handeln. Hellseher wie im Orakel von Delphiwaren Weise, die das Göttliche empfangen, um zukünftiges Unheil oderKatastrophen vorherzusehen. Der Begriff der “Katastrophe”, der Dissi-pation der Strukturformen, war zentral im antiken Denken.

Die realistische Möglichkeit, zum ersten Mal in der Geschichte derMenschheit auf der Basis des Universalgesetzes eine Katastrophentheoriezu entwickeln, wird die Intuition der Propheten über kurz oder lang durchein objektives mathematisches Verfahren ersetzen. Der graue arbiträreBereich der Ethik, die - wie wir noch zeigen werden - in Wirklichkeiteine Lehre der optimalen Überlebensstrategie auf der gesellschaftlichenEbene ist, bekommt nun klare Konturen. Ein anderer zentraler Begriff,die Katharsis, leitet sich ebenfalls von der Vorstellung ab, das Leben seivoll von Singularitäten. Führt eine Singularität zur Erneuerung, erlebtder Mensch eine Katharsis.

Überhaupt empfanden die Griechen den Prozeß des Werdens unddes Sterbens so innig wie kaum je andere vor oder nach ihnen. Thalesglaubte, daß das Wasser der Ursprung von allem sei, wobei er darunterwahrscheinlich die Urströme des mythisch Wirksamen verstand, die wiedas lebenserhaltende Wasser alles Wirkliche durchdringen und Lebenspenden. Wie das Wasser sich in viele Zustände umwandeln kann, soauch das göttliche Einheitsgesetz, das alle Dinge durchwaltet. Bald alsDampf, bald als Eis und Schnee, als Bach und Meer wandelt sich dasWasser - verstehe Energie, Raumzeit - in den verschiedenen Aggregatzu-ständen seines Erscheinens, und bleibt doch immer ein und dasselbe. Sosteht es auch mit dem Göttlichen: Es ist ewig und immer sich selbst gleich

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Anaximander 35

und doch stets im Wandel begriffen. Eben darum vermag es Ursprungdessen zu sein, das immerzu entsteht und vergeht: der wirklichen Welt.Sieht man im Wasser das Sinnbild der Energie, die sich in einem ständi-gen Prozeß der Umwandlung befindet, dann sind die Vorstellungen vonThales ungemein aktuell.

Anaximander

Diese Gedanken entwickelt Anaximander, der Schüler von Thales, wei-ter, indem er, wie alle griechischen Philosophen nach ihm, wissenschaft-liche Theorien mit ethischen Überlegungen vermengt. Er kommt zu ei-ner großartigen Deutung der Vergänglichkeit der Formen im Sinne desUniversalgesetzes. Der Untergang eines Dings, so meint Anaximander,sei kein zufälliges Geschehen. Es sei Buße und Sühne für ein Vergehen.Sterben heiße Abbüßen einer Schuld. Doch worin besteht diese Schuld?Darin, daß ein jegliches Ding den Drang hat, über ein ihm gesetztes Maßhinaus im Dasein zu verharren. Damit wird es aber schuldig an anderenDingen, denn es versperrt ihnen den Raum und hindert sie daran, insDasein zu treten. Es versündigt sich gegen das göttliche Gesetz der Schöp-fung. Anaximander nennt es das Grenzenlose oder das Unendliche undmeint wohl den Urbegriff der Raumzeit. Würden nun die Dinge im Da-sein verharren und andere Dinge daran hindern, ins Dasein zu treten,könnte das Unendliche nicht mehr sein, was es doch vom Wesen her ist:schöpferisch und immer neu und lebendig. Es würde selbst starr und tot.So ist das Vergängliche, der Untergang aller Dinge, das Befremdlichstedieser Welt, zuletzt vom Göttlichen her gerechtfertigt. Die Vergänglich-keit der materiellen Welt - das größte Rätsel der Philosophie und desmenschlichen Denkens überhaupt - erhält ihren Sinn aus der Unvergäng-lichkeit der schöpferischen Kraft der Natur. Das Unendliche, das Göttli-che versinnbildlicht das Universalgesetz der Raumzeit, das zugleich dieVergänglichkeit der Dinge, die endliche Lebenszeit der offenen Systemewie Organismen, Mensch und Gesellschaftsformen bedingt. Dies ist diegroßartige Idee Anaximanders, die in der griechischen Philosophie bisauf wenige Ausnahmen fortlebt:

“Ursprung der Dinge ist das Unendliche. Woraus aber den Dingen das Ent-stehen kommt, dahinein geschieht ihnen auch der Untergang nach der Not-wendigkeit. Denn sie zahlen einander Sühne und Buße für ihr Unrecht nachder Ordnung der Zeit”.

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36 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Die kommunistische Ordnung ging zugrunde, weil sie die freie Entfaltungder Bürger, ihren Freiheitsgrad, unterdrückte. Seit Breschnew verharrtedas System in einem Zustand der totalen Unbeweglichkeit. Nicht zufäl-lig wurde diese Epoche von Gorbatschow als die “Zeit der Stagnation”bezeichnet. Da aber die Energie eines Systems das Summenprodukt derEnergiebeiträge aller Elemente dieses Systems ist - alle Systeme enthal-ten sich als Element, und das Element ist Energie - neigt sich die gesell-schaftliche Energie unweigerlich dem Nullwert zu, wenn die kreativenKräfte der Bürger unterdrückt werden. Es kommt mitunter zur gesell-schaftlichen Dissipation, weil der übermäßige ideologische Druck diefreie wirtschaftliche Entwicklung verhindert, die nur von den einzelnenBürgern her geschehen kann. Ein überzeugenderes Plädoyer für die De-mokratie als dasjenige aus der Position des Universalgesetzes kann esmeines Erachtens nicht geben. Allerdings echte plebiszitäre Demokra-tie! Die gegenwärtige postkommunistische Ordnung der Ostblockstaatenentspricht eher dem Zustand einer gesellschaftlichen, ethischen und poli-tischen Anarchie, während im Westen die Demokratie zu einer delegier-ten Autokratie zusehends verkommt.

Der Zusammenbruch einer Weltordnung erfolgte - in historischenDimensionen betrachtet - blitzschnell und überraschte alle “Fachleute”und “weitsichtigen” Politiker, die nur in den linearen Dimensionen imGleichgewicht des Kalten Krieges zu denken gewohnt waren. Da diehistorische Lehre aus dem Untergang des Kommunismus bis heute nichtgezogen wurde, muß der rationale Urteil der sogenannten freienmarktwirtschaftlichen Welt ebenfalls angezweifelt werden.

Parmenides und Heraklit - der Gegensatz zwischenUnveränderlichkeit und Werden

Schon in den Anfängen der Philosophie bilden sich zwei Grund-strömungen, die bis in die Gegenwart hinein reichen und gegensätzlicheWeltanschauungen vertreten. Sie gehen auf Parmenides und Heraklitzurück. Parmenides, eigentlich ein Dichter, war stets auf der Suche nachder endgültigen Wahrheit. Für ihn kommt der Mensch aus der Nacht derUnwissenheit, er geht seinen Weg auf der Suche nach der Wahrheit, dienur aus göttlichem Munde zu erfahren ist. Dies ist die griechische Grund-erfahrung des Philosophierens. Was ist aber Wahrheit? Parmenides setztsie der gewöhnlichen “Meinung” gegenüber, der Art, wie Menschen in

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Parmenides und Heraklit 37

ihrem Alltag die Wahrheit sehen. In diesem gängigen Weltbild glaubendie Menschen, daß das einzelne Ding in seiner Besonderheit das wahr-haft Wirkliche sei und sie achten nicht auf das Ganze, in dem das Einzel-ne nur aus dem Wesen des Ganzen existieren kann.

Der Gegensatz zwischen lokalem und globalem Denken setzt sichmit unverminderter Vehemenz in der modernen Physik fort. Die Chaos-theorie ist beispielsweise die emotionelle Revolte desGlobalitätsgedankens gegen die reduktionistisch-empirische Auffassungder klassischen Physik, welche die Welt als statisch und unveränderlichbetrachtet und somit die Irreversibilität der Ereignisse leugnet.Bezeichnenderweise geht diese letzte Haltung auf Parmenides zurück.Es lohnt sich, seine Gedanken nachzuvollziehen.

Parmenides geht von drei Prämissen aus: Erstens, meint er, kann derMensch nur das Einzelne erfahren und verkennt in seinem alltäglichenLeben das Ganze, das Ewige. Folgerichtig leugnet er es und lebt in ei-nem Widerspruch. Zweitens besteht in der Welt ein Streit von Gegensät-zen, sagt Parmenides im Einklang mit Heraklit, aber der Mensch vergißtfür gewöhnlich, daß es in allem Streit eine Einheit gibt, auf deren Grun-de sich der Streit erst entfalten kann. Diese Gegensätzlichkeit führtParmenides in bester dichterischer Tradition auf den Zwiespalt von Feu-er und Nacht, von Licht und Finsternis zurück. Drittens hält die gewöhn-liche Meinung das Vergängliche, das, was wird und untergeht, für daseigentliche Seiende, ohne zu merken, daß darin ja das Nichtsein mit in-begriffen ist. Das Wirkliche ist eine Durchmischung von Sein und Nicht-sein, also verbirgt sich die Frage Hamlets hinter allen Dingen der Natur.Hier nimmt Parmenides die Russellsche Antinomie vorweg, die zurEschatologie des menschlichen Seins, besser des Bewußtseins, und desUniversums führt (siehe Band I). Ist das Universum “etwas” oder ist es“nichts”? Nach Parmenides ist es beides zugleich. Diese Frage scheintauch die prominentesten Kosmologen unserer Zeit zu beschäftigen, ohnedaß sie imstande sind, eine befriedigende und logische Antwort daraufzu geben: Dehnt sich das Universum ewig aus oder ist es endlich undschrumpft gar eines Tages? Whitehead hat darauf hingewiesen, daß alleGrundideen der Philosophie und der Wissenschaft auf die antike griechi-sche Philosophie zurückgeführt werden können. Dies treffe zweifelsohneauch für ihre Denkfehler zu.

Das Universalgesetz klärt unmißverständlich das Wesen des Uni-versums, das nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz mit dem Urbegriffidentisch ist. Demnach ist die Raumzeit unendlich, ewig, in sich geschlos-

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38 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

sen und zur inneren Evolution befähigt. Darüber hinaus ist sie konstant,inhomogen (diskret) und kontinuierlich, d.h. es gibt kein Vakuum. DasNichts gibt es nicht. Allerdings sind alle Systeme der Raumzeit, die offe-ne U-Mengen des Ganzen sind, vergänglich, d.h., sie gehen nach einer,für jedes System spezifischen, konstanten Lebenszeit zugrunde. DerUntergang von Systemen, den man als Dissipation in der Wissenschaft,Krach, Zusammenbruch oder Untergang auf der gesellschaftlichen Ebe-ne und als Tod auf der organischen Ebene bezeichnet, ist lediglich einevolkstümliche und somit unpräzise Umschreibung des Axioms zur Er-haltung der Aktionspotentiale (Systeme) während der Energieum-wandlung. Bei einer einseitigen Betrachtung dieser Energieumwandlungentsteht der irrtümliche Eindruck, daß das System (das Aktionspotential)zum „Nichts“ wird, wenn die Entstehung des neuen Systems (Aktions-potentials) aus der Betrachtung ausgeschlossen wird. Dies ist eine klareaxiomatische Aussage, die durch die Phänomenologie des Seins aus-nahmslos bestätigt wird und zur Entwicklung einer allumfassenden Axio-matik der Mathematik und der Physik geführt hat. Sie liegt z.B. den vierMaxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus zugrunden (sieheBand I und II). Diese Auffassung ist die einzige adäquate Widerspie-gelung der physikalischen Welt. Aber auch das haben bereits die altenGriechen gewußt - für Pythagoras bestand die Welt nur aus Zahlen.

Ausgehend von seinen Überlegungen befindet sich Parmenides amScheideweg. Es eröffnen sich ihm drei Wege. Er kann die Richtung zurzwiespältigen Wahrheit der Meinung einschlagen: es ist der Weg, aufdem “die nichtwissenden Sterblichen einherschwanken”. Der Philosophkann aber den Widerspruch zwischen Sein und Nichtsein nicht überse-hen. Er kann nicht zugeben, daß das, was zum Teil nichtseiend ist, daswahre Sein sei. Parmenides warnt deshalb vor diesem Weg. Wer dieseWarnung befolgt, der ist vom Zwiespalt des Seins und Nichtseins be-freit. Für ihn ist “Entstehen verloschen und Vergehen verschollen”. Derzweite Weg führt auf die Seite des Nichtseins, man behaupte also, dasNichtseiende sei. Parmenides hält diesen Weg für unmöglich, denn dasNichts ist unerkennbar, unaussprechbar und also nicht wahr. Er warntauch hier: “Halte deinen Geist von diesem Wege des Nachspürens fern”.Das Universalgesetz definiert das Sein (das Universum) als das “Etwas”und das Gegenteil als das “Nichts”. Da nach dem Prinzip der letztenÄquivalenz das Universum gleich Raumzeit, gleich Energie, gleich Be-wußtsein ist, ist es in der Tat unmöglich, sich das “Nichts” vorzustellen:“Nur das Seiende ist, das Nichtseiende ist nicht und kann nicht gedacht

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Parmenides und Heraklit 39

werden.”, sagt Parmenides. Nachdem er die beiden ersten Wege verwirft,bleibt ihm nur noch der dritte: “So bleibt nur noch Kunde von dem Wege,daß das Sein ist”. Die wesentliche philosophische Aussage vonParmenides ist: “Das Sein ist”. In der neuen Axiomatik entspricht dasSein dem Urbegriff.

Aus diesem formalen Schluß heraus macht sich Parmenides daran,die Merkmale des Seins zu erforschen. Das Sein ist nicht wie das endli-che Seiende zerspalten in lauter Einzelnes, sondern in ihm hängt allesmit allem zusammen. Dazu gehört weiter, daß es keine Gegensätze gibt,sondern daß ihm Ganzheit, Unteilbarkeit, Gleichartigkeit zukommen, undschließlich, daß ihm Unbewegtheit und Ewigkeit eigen sind. Das Sein istraumerfüllend. Parmenides leugnet die Möglichkeit eines leeren Rau-mes. Da jede Bewegung das Nichtseiende, den leeren Raum, voraus-setzt, in dem sich ein raumfüllendes Objekt erst bewegen kann, kommtParmenides zu dem bedeutenden Schluß, daß es in Wahrheit weder Wer-den noch Bewegung geben kann, sondern nur unveränderlich beharrendesSein.

In der neuen Axiomatik sind alle physikalischen Phänomene, diewir beobachten, Untermengen des Seins, welche das Wesen des Seinsals Element enthalten. Wir bezeichnen sie als U-Mengen. Das Sein istdie Menge aller Phänomene. Das gleiche gilt für das Bewußtsein. Es istdie Menge aller Gedanken und ist somit selbst ein Gedanke, also enthältes sich selbst als Element. Aus diesem Grund wird das Bewußtsein demSein, der physikalischen Welt, der Energie, der Raumzeit usw., gleich-gestellt. Diese Gleichheit der Begriffe, die das Ganze erfassen, nennenwir das Prinzip der letzten Äquivalenz. Die Darstellung dieses Urbe-griffs mit mathematischen Symbolen in Form einer Gleichung wird das„Universalgesetz“ genannt. Ausgehend von diesem primären Urbegriff,der viele Namen tragen kann, wird eine neue physikalisch-mathematischeAxiomatik aufgebaut, die sich durch innere Konsistenz und Widerspruchs-freiheit auszeichnet und darüber hinaus in der realen Welt verifizierbarist. Es gibt kein physikalisches Phänomen, das damit nicht erklärt wer-den kann. Die Mathematik alleine konnte ihre Validität bisher nicht be-gründen. Dies ist die Schlußfolgerung aus dem berühmten GödelschenTheorem aus dem Jahre 1931, welche die Mathematik in ihre „Grund-lagenkrise“ gestürzt hat, aus der sie sich erst durch die Entdeckung desUniversalgesetzes befreien konnte. Dieses Unvermögen stand in einemeigentümlichen Widerspruch zur Tatsache, daß alle physikalische Geset-ze, die bisher abgeleitet wurden, mathematische Gleichungen sind. War-

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40 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

um ist die Natur mathematisch, wenn die Mathematik selbst eine ab-strakte Erfindung des Geistes ist und kein reales Studienobjekt vorzu-weisen hat? Die Antwort gibt die neue Axiomatik - das Universalgesetzist der Ursprung der Mathematik, sie ist die einzige adäquate Wider-spiegelung des Seins, welche die Menschheit bisher entwickelt hat. DasSein ist axiomatisch konsistent.

Mit Parmenides bahnt sich eine für die Geschichte der Philosophieund der Wissenschaft folgenschwere Entwicklung an. Gibt es nur eineeinzige falsche Vorstellung zum Wesen des Urbegriffs, dann stürzt dasgesamte Gedankengebäude unweigerlich in sich zusammen. Es ist nichtmehr konsistent und widerspruchsfrei. Versuchte man in der Vergangen-heit, die alten Fehler zu bereinigen, dann wurden unweigerlich neue Fehlereingeführt. Dies war die Tragödie der abendländischen Denker undForscher der letzten zweitausendfünfhundert Jahre. Aus diesem undurch-sichtigen Geflecht aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und offensichtlichenFehlern gab es kein Entrinnen mehr. Die letzte Instanz - das Sein, welchedie ultimative Wahrheit hüllte, konnte bis zur Entdeckung des Universal-gesetzes nicht erobert werden.

Bis auf die Behauptung, daß das Sein unbewegt ist, sind alle Aussa-gen Parmenides richtig. Diese einzige Aussage reicht allerdings aus, umdie Bewegung und das Werden der Welt zu leugnen und damit in einentiefen Agnostizismus zu verfallen. Die Idee einer statischen Welt ist, trotzeiner erdrückenden Evidenz von Gegenteiligem, bis heute eine grund-legende Aberration der menschlichen Sichtweise geblieben und hat nichtnur das physikalische, sondern auch das alltägliche Denken maßgeblichverzerrt.

Die extreme Vorstellung Parmenides von einer absoluten unbeweg-ten Welt lebt in einer abgewandelten abstrakten Form in der Philosophiefort: wer danach fragt, was das wahrhaft Seiende ist, der darf sich nichtan der umgebenden Wirklichkeit und den vergänglichen Dingen orien-tieren, sondern nur das einzig Wahrhaftige, das Ewige suchen. Die Pla-tonische Welt der Ideen und die Aristotelische Lehre der Formen hinterden Erscheinungen sind ohne Parmenides nicht zu verstehen. Parmenideskönnte als der geistige Vater der kognitiven Blindheit in der modernenWissenschaft verantwortlich gemacht werden. Vieles, was seit seiner Zeitin der Wissenschaft “schiefgelaufen” ist, kann bei böswilliger Interpre-tation auf Parmenides zurückgeführt werden. Aber die Wirklichkeit istgewöhnlich vielschichtiger. Zunächst die negativen Aspekte, die sich ausden Parmenidischen Gedankengängen ergeben.

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Parmenides und Heraklit 41

In der Physik werden aufgestellte Gesetze bis heute als ewig und kon-stant angesehen, daher die Überbewertung physikalischer Konstanten.Der Prozeß des Werdens findet keinerlei Beachtung. Dort, wo er berück-sichtigt wird, wie in der Kosmologie, ist die Interpretation des Werdensgründlich in die Hose gegangen. Die Urknall-Hypothese, die von einerExplosion aus einem winzigen Klumpen vor ca. 15 Mrd. Jahren und an-schließenden Ausdehnung des Weltalls ausgeht, ist die größte Verirrungder modernen Wissenschaft seit der Verwerfung des Ptolomäischen Welt-bilds. Der Widerspruch zwischen dem statischen Weltbild der Physikund dem dynamischen Weltbild der Kosmologie ist mit den Händen zugreifen. Die Physik hat es bis zur Entdeckung des Universalgesetzes nichtverstanden, einen methodologischen Ansatz zu entwickeln, mit dem sieden Prozeß des Werdens konsistent und widerspruchsfrei erfassen könn-te, also negiert sie ihn einfach. Dem Bewußtsein, das auf so unerbittlicheWeise das Verrinnen der Zeit empfindet, wird die Objektivität diesesEmpfindens abgesprochen, statt dessen nimmt man das Zeitparadox inKauf. Da hilft auch die Revolte eines Bergsons herzlich wenig. Aberauch sein Begriff der “durée” ist ein spätes Echo auf das Unvergänglichebei Parmenides. Einstein verkörperte wie kein anderer in seinem Denkendas Parmenidische. Da nützt es auch wenig, die Wurzel dieses Denkensmit Einsteins Schicksal als Jude zu erklären, wie dies Prigogine neuer-dings tut. Auch wenn die moderne Wissenschaft die absolute Unbeweg-lichkeit der Welt nicht wortwörtlich nimmt, so führt die gängige Vorstel-lung von der “Substanz” ( o=oMaterie) auf Parmenides zurück. Die sub-stanzielle Auffassung von der Natur kommt aus dem Unvergänglichenbei Parmenides. Auch wenn die Materie in verschiedenen Zuständenauftreten kann, so bleibt sie erhalten. Die Erhaltung der Materie eiltedem Energieerhaltungsatz voraus. Dies konnte den Gegensatz zwischenMaterie und Energie oder Geist und Seele freilich nicht aufheben. Die-ses Konzept setzt sich bis in die Gegenwart fort und hat Philosophie,Physik, Psychologie und Theologie maßgeblich beeinflußt. Um den Blickfür die großartige Einseitigkeit Parmenides zu schärfen, bedarf es derEinführung seines großen geistigen Kontrahenten und Zeitgenossen,Heraklit. Erst im Gegenüberstellen ihrer Positionen als widersprüchlicheTeile einer Einheit, der Philosophie schlechthin, wird bewußt, wie engdas griechische philosophische Denken gerade in seinen Anfängen dieultimative Wahrheit von beiden Seiten eingegrenzt hatte.

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42 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Im gleichen sechsten vorchristlichen Jahrhundert, das im antiken Hellasdie Fundamente der europäischen Zivilisation legte, schuf sich Heraklitden Ruf als tiefster Denker unter den Begründern griechischer Philoso-phie. Er empfand das Geheimnis von Zeit und ewigem Wandel des Uni-versums so tief wie kaum ein anderer. Von ihm stammt der Ausspruch:“Wir können nicht zweimal in denselben Fluß steigen.” Daß sich dieWelt in ständiger Umgestaltung befindet, spürten auch andere Philoso-phen vor und nach ihm, nur die klassische empirische Wissenschaft leug-net diesen Wandel hartnäckig bis heute. Aber nicht darin liegt die Größeseiner Erkenntnis. Hinter und in dem unaufhörlichen Fluß der Ereignisseerblickte Heraklit ein einheitliches Gesetz. Er erkannte die Einheit in derVielheit und die Vielheit in der Einheit. Er nahm eine Ursubstanz an - ernannte sie Urfeuer und meinte wohl Urenergie -, aus der nach ewigemGesetz, “nach Maßen”, indem sie aufbrennt und wieder verlischt, dieWelt mit ihren Gegensätzen hervortritt, und in der sie wieder verlöscht.Das große Gesetz, nach dem sich aus der einen Urenergie unablässig dieVielheit entfaltet, ist die Einheit der Gegensätze. Entwicklung geschiehtim polaren Spiel der Kräfte. Für das Weltgesetz verwendete Herakliterstmalig das Wort “Logos”, im Griechischen zunächst einfach als Be-griff für “Wort”, dann “vernünftige Rede”, dann “Vernunft” oder “Ein-sicht in den Logos”.

Aufgabe des Menschen ist es, den Logos, die alles durchwaltendeWeltvernunft, zu erkennen. Es ist weise, sich seinen Gesetzen zu beugen.Je mehr wir erkennen, daß unsere Seele nur ein Teil des allgegenwärti-gen Logos ist, in den sie mit dem Tod zurückfällt - “wie ein Licht, das inder Nacht verlischt” -, desto mehr werden wir lernen, ihm unseren Eigen-willen in freiwilliger Ergebung unterzuordnen, und jenen Seelenfriedenerlangen, in dem allein der Mensch Glück finden kann. Denn “für Gottsind alle Dinge schön und gut und gerecht; die Menschen halten das einefür gerecht, das andere für schlecht.”

Die Nachwirkung des Heraklitschen Weltgesetzes reicht bis in dieGegenwart. Der von ihm eingeführte Begriff des Logos wurde zum gött-lichen Wort, zum Heiligen Geist der christlichen Theologie. Der Logosals göttliches Gesetz, nach dem sich auch die irdische Ordnung zu rich-ten hatte, wurde vor allem zur Grundlage des spätrömischen Reichesund lebte nach dessen Zerfall im öströmischen Teil fort. Der byzantini-sche Zäsaropapismus hat dieses Prinzip verinnerlicht. Der Logos, ver-körpert im Zäsaropapismus, war das ordnende Prinzip des langlebigstenStaates auf dem europäischen Kontinent - Byzanz. Erst mit dem Beginn

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Parmenides und Heraklit 43

des Schisma im 11. Jahrhundert, das dann im 13. Jahrhundert endgültigvollzogen wurde, sank im Westen die Bedeutung des Logos als staatstra-gendem Gedanken, der die Einheit von weltlicher Macht und kosmischerGesetzgebung versinnbildlichte. Kirche und Staat wurden im Westensäkularisiert und die Zersplitterung des abendländischen Kontinents nahmihren unaufhaltsamen Gang.

Dennoch beziehen sich viele philosophische Strömungen West-europas in der Neuzeit gerade auf den Heraklitschen Logos: die Dialek-tik von Hegel, Nietzsche, Schopenhauer, der Darwinismus, dieEntwicklungslehre von Spencer, der dialektische Materialismus. Hegelbehauptet, “der tiefsinnige Heraklit” führe “den vollendeten Anfang derPhilosophie” herauf und Nietzsche meint zu Recht: “Heraklit wird nieveralten”.

Bemerkenswert an Heraklits Gedanken ist die Ethik, die er aus derErkenntnis des Logos ableitet. Das Gesetz zu erkennen, heißt, sich ihmfreiwillig zu unterwerfen. Diese Unterordnung bedeutet keineswegs ei-nen Seelenzwang, sondern sie ist der Weg zu Glück und Erlösung. BeiHeraklit gehen Ethik und inneres Glück Hand in Hand. In vieler Hinsichtist die Heraklitsche Philosophie ethischer als alle ethische und philoso-phische Strömungen, die vor und nach ihm entstanden sind.

In seiner Geringschätzung der „landläufigen Meinung” gegenübersteht Heraklit im Einklang mit Parmenides: “Zu den Götterbildern betensie, wie wenn einer mit Häusern redete; sie kennen Götter und Heroennicht nach ihrem eigentlichen Sein”. Überall mangelt es an Einsicht, amLogos. In Kenntnis des Univesalgesetzes fällt es einem schwer, dieservordergründig misanthropen Haltung Heraklits nicht zuzustimmen.

Nicht Kant, sondern Heraklit ist der eigentliche Begründer der Er-kenntnistheorie, auch wenn nach Kant alle Philosophie Erkenntnistheorieist. Mit dem Satz: “Der Seele ist ein Logos eigen” richtet sich erstmaligin der Philosophie der Blick auf die Innerlichkeit des Menschen. Hera-klit wurde der “dunkle” genannt, weil er wie kaum ein anderer die Tiefeder menschlichen Seele durchforscht hatte: “Mich selbst habe ich er-forscht.” Aus den wenigen Fragmenten seiner Werke und in Kenntnisdes Universalgesetzes erscheint Heraklit als der größte aller griechischerDenker, eine fast mythische Figur, die aus dem Dunkel der prähistori-schen Zeit kommend und ohne Vorbilder mit einer unvergleichlichen intel-lektuellen Leistung eine neue Epoche der Menschheit ankündigt. Nur inPlato und in Aristoteles erreicht die griechische Philosophie eine ihmvergleichbare Tiefe und alles umgreifende Weite. Beide wären ohne

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44 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Heraklit nicht denkbar. Aber mit Plato und Aristoteles pflanzt sich derKeim des Akademismus in die Philosophie ein und richtet unübersehba-re Schäden an. Die ursprüngliche Lebendigkeit und wissenschaftlicheNeugierde der philosophischen Gründerväter, die sich in denVorsokratikern und speziell den thrakischen Atomisten unbekümmertfortsetzen, sind nach Plato und Aristoteles dahin. Ob dies die Schuld dernachfolgenden Generationen von Philosophen ist, welche Plato und Ari-stoteles einseitig interpretiert haben - immerhin gibt es ernstzunehmen-de Hinweise, daß wesentliche Teile ihrer Philosophie nicht erhalten ge-blieben sind - bleibt, geschichtlich gesehen, von zweitrangiger Bedeu-tung. Man kommt nicht umhin, Russell zuzustimmen, wenn er behauptet:

“Democritus - such, at least, is my opinion - is the last of the Greekphilosophers to be free from a certain fault that vitiated all later ancient andmedieval thought. All the philosophers we have considered so far wereengaged in a disinterested effort to understand the world. They thought iteasier to understand than it is, but without this optimism they would not havehad the courage to make a beginning. Their attitude, in the main, was genuinelyscientific whenever it did not merely embody the prejudices of their age. Butit was not only scientific; it was imaginative and vigorous and filled with thedelight of adventure. They were interested in everything - meteors and eclip-ses, fishes and whirlwinds, religion and morality; with a penetrating intellectthey combined the zest of children. From this point onwards, there are first seeds of decay, in spite of previouslyunmatched achievements, and then a gradual decadence. What is amiss, evenin the best philosophy after Democritus, is an undue emphasis on man ascompared with the universe. First comes scepticism, with the Sophists, leadingto a study of how we know rather than to the attempt to acquire freshknowledge. Then comes, with Socrates, the emphasis on ethics; with Plato,the rejection of the world of sense in favour of the self-created world of purethought; with Aristotle, the belief in purpose as the fundamental concept inscience. In spite of the genius of Plato and Aristotle, their thought has viceswhich proved infinitely harmful. After their time, there was a decay of vigour,and a gradual recrudescence of popular superstition.“4

Wie lassen sich nun Heraklit und Parmenides miteinander vergleichen,wenn der eine das Universalgesetz vorausahnte und der andere für die

______________________________4 B. Russell, History of Western Philosophy, G. Allen & Unwin Ltd, London,1975, S. 89-90.

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Parmenides und Heraklit 45

Verfehlungen der modernen Wissenschaft geradestehen muß? Die Fragemuß eigentlich lauten: “An welcher Stelle ging die tiefe Einsicht für dieTranszendenz des universalen Geschehens bei Parmenides verloren?”Denn die logische Gedankenkette bei Parmenides ist bis zu dem Punkt insich konsistent, bis er das Sein und Nichtsein in den Dingen postuliert.Der logische Bruch entsteht, wenn er beschließt, das Nichtsein aus sei-nen Betrachtungen auszuschließen. Das grundlegende Mißverständnisliegt in der gleichzetigen Verwendung zweier unterschiedlicher Interpre-tationen für das “Nichtsein”: Einerseits ist das Nichtsein die Negationdes Seins, das “Etwas” im Gegensatz zum “Nichts”, so wie wir es auchim Rahmen des Universalgesetzes für das Universum postuliert haben.Das Nichtsein ist also die Negation der Raumzeit. Für Parmenides führtaber auch die sichtbare Dissipation der Formen, die wir tagtäglich erle-ben, etwa das Sterben organischer Materie, zum Nichtsein. Die sichtbareDissipation der Formen auf der makroskopischen Ebene bedeutet aberkeineswegs die Vernichtung von Strukturkomplexität, also der Raumzeitanderer darunterliegender, mikroskopischer Ebenen wie Moleküle undTeilchen. Darauf beruht der Hauptirrtum von Parmenides. Aus dieserfalschen Annahme heraus schließt er, daß das Sein „unveränderlich“ und„unbeweglich“ sein muß. Seine ursprüngliche Vorstellung, das Seiendebesitze Strukturkomplexität und sei somit raumzeitlich (raumerfüllend),ist jedoch richtig: die Raumzeit ist ein Kontinuum, sie ist lückenlos. DasVakuum gibt es nicht - es ist eine N-Menge, die Menge die sich nichtselbst als Element enthält. Nach gängiger Auffassung, enthält das Vaku-um die Teilchen, die Energie (Materie) sind. Das Nichts enthält das Et-was. In der Wissenschaft wird eine solche Aussage als „paradoxon“bezeichnet. Russell prägt den Ausdruck „Antinomie“, wenn es sich umein fundamentales paradoxon handelt, das weitere Irrtümer in den Na-turwissenschaften und der Mathematik nach sich zieht und ihre Verein-heitlichung zu einem logischen und widerspruchsfreien System verhin-dert.

Nach dem Universalgesetz befindet sich die Raumzeit in einer stän-digen Energieumwandlung. Die Manifestation dieser Umwandlung istdie Bewegung. Absolute Ruhe gibt es nicht. Dies ist auch die Grundideeder Relativitätstheorie. Die universelle Observable der Bewegung ist dieGeschwindigkeit, die eine abstrakte mathematische Größe ist, mit derdas Wesen der Raumzeit quantitativ erfaßt wird. Die Geschwindigkeitkann vom Urbegriff der Raumzeit nicht getrennt werden: vo=o[1d-Raum-zeit] ist eine mathematische U-Untermenge der Raumzeit, sie enthält den

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46 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Urbegriff als Element. Dies ist die Basis der neuen Theorie des Universal-gesetzes, die erst einmal verinnerlicht werden muß. Somit widersprichtsie der Idee von einer ewigen Unbewegtheit der Materie, wie sie vonParmenides entwickelt wird. Gerade dieser Gedanke liegt jedoch impli-zit dem Trägheitsgesetz zugrunde, auch wenn Newton im Gegensatz zuParmenides von einem leeren Raum ausgeht, in dem keine Kräfte wir-ken. Dieses Gesetz geht nämlich von einer absoluten Ruhe oder gleich-mäßigen Bewegung ohne Beschleunigung für alle Objekte aus, wenn dieresultierende Kraft null ist, wobei es zwischen diesen beiden Zuständennicht unterscheiden kann. Allerdings gibt es im Universum keinen Ort,an dem keine Kräfte wirken, die Beschleunigungen hervorrufen. Wärees nicht so, würden die zwei weiteren Gesetze Newtons und sein Gesetzder Gravitation, die ja Kraftgesetze sind und Beschleunigungen erfas-sen, nicht gelten. Das gleiche gilt für die Keplerschen Gesetze, welchedie Rotation der Planeten beschreiben. Bekanntlich löst jede Rotationeine Rotationsbeschleunigung aus. Man erkennt sofort die kognitiveBruchlinie in der klassischen Mechanik. Das Trägheitsgesetz wird in derneuen Axiomatik als der Grundfehler der Newtonschen Mechanik er-kannt und verworfen.

Im Gegensatz zu Heraklit entwickelt Parmenides an keiner Stelledie Idee eines Energiebegriffs. Dies ist meines Erachtens der grundsätz-liche Unterschied zwischen beiden Zeitgenossen. Dieser Unterschied istvon herausragender Bedeutung, denn er verkörpert ein grundlegendesProblem des europäischen Denkens, das sich konsequent in der Philoso-phie und der Wissenschaft fortsetzt. Es handelt sich um den Dualismuszwischen Energie und Materie, zwischen Dynamik und Statik, zwischenbelebter und unbelebter Natur. Dieser Gegensatz ist zum Beispiel in denasiatischen Denkschulen nicht so stark ausgeprägt. Der theoretische Hin-tergrund dieses Dualismus kann nur aus der mathematischen Darstel-lung der Raumzeit heraus erläutert werden. Das Universalgesetz, das dieRaumzeit erfaßt, wird im Rahmen des geometrischen Formalismus derPhysik als eine zweidimensionale Größe im Euklidschen Raum darge-stellt: Eo=oSP(A)[2d-Raumzeit]. Diese Darstellung ist identisch mit dermathematischen Präsentation des Universalgesetzes Eo=oEAof (mathema-tische Tautologie). Wenn wir nun das Universalgesetz aus konventionel-ler statischer Sicht darstellen, dann erhalten wir die Formel desEvolutionsgesetzes:

Geometrische Fläche = Energie × konventionelle Zeit2

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Parmenides und Heraklit 47

Diese Formel erfaßt die Strukturen, die wir in der Welt vorfinden, alsFläche, die eine Funktion der umgesetzten Energie E und dem Quadratder konventionellen Zeit (t2) ist. Die Fläche kann durch jede n-dimensio-nale Raumdarstellung ersetzt werden, ohne daß sich am Inhalt desUniversalgesetzes bzw. des Evolutionsgesetzes irgend etwas ändern wür-de. In Wirklichkeit hat die Raumzeit keine Dimensionen. Sie ist ebenAusdehnung. Die geometrische Dimensionen sind abstrakte Gedanken-dinge unseres Bewußtseins, die wir auf die reale Welt projizieren. Dieeinzige Methode, räumliche Strukturen objektiv zu erfassen, ist also dieGeometrie und im erweiterten Sinne die Mathematik, da die Geometrieein Teil der Mathematik ist. In der klassischen Mechanik ist die Geo-metrie die vorherrschende Methode, mit der physikalische Phänomenebeschrieben werden. Aufgrund dieser Methode, die zum ersten Mal imZusammenhang mit der Entdeckung des Universalgesetzeserkenntnistheoretisch interpretiert werden konnte, wurde bewiesen, daßalle physikalischen Größen, die in Unkenntnis ihrer wahren Natur in diePhysik eingeführt worden sind, in Wirklichkeit nur aus zwei Dimensio-nen bestehen - Raum und Zeit, wobei unter Zeit die reziproke konven-tionelle Zeit gemeint ist: fo=o1/t. Aus diesem Grund können Strukturenund Formen der Natur nur geometrisch als räumliche Gebilde dargestelltwerden. Die häufigste Größe, die gewählt wird, ist die Fläche, und zwaraus einem einzigen praktischen Grund: Ein geometrischer Raum, der aufeinem Blatt Papier dargestellt werden muß, kann am einfachsten als zwei-dimensionales Koordinatensystem präsentiert werden. Aus diesem Grunderfaßt die Fläche die räumliche Strukturkomplexität der sichtbaren For-men, die wissenschaftlich beschrieben werden. Diese schlichte Tatsacheist von allen Physikern bisher übersehen worden. Wir können dasEvolutionsgesetz auch so formulieren:

räumliche Strukturkomplexität (Fläche) =

Energie × konventionelle Zeit2

Wenn diese Gleichung, die das Prinzip der letzten Äquivalenz wider-spiegelt, in Symbolen darstellen, dann erhalten wir die mathematischeFormel des Evolutionsgesetzes:

Ks = E t 2

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48 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Das Evolutionsgesetz lautet: Die räumliche Strukturkomplexität (Ks) istproportional der umgesetzten Energie (E) und wächst mit dem Quadratder konventionellen Zeit (t2), d.h. exponentiell. Wie man leicht erkennenkann, ist es möglich, das Evolutionsgesetz sowohl in mathematischeSymbole als auch in logische Sätze (Axiome) zu fassen. Das gleiche giltfür das Universalgesetz. Alle fundamentalen mathematischen Aussagensind logische Axiome - also „Sätze des Logos, des Gesetzes“. Wir treffenerneut auf das Prinzip der letzten Äquivalenz. Aus diesem Grund ist esnicht notwendig, die Mathematik zu beherrschen, um das Gesetz zu verste-hen und anzuwenden. Es genügt, logisch konsequent zu denken. Denndie Mathematik ist lediglich eine Verlängerung der Logik mit abstraktenSymbolen. Allerdings lernt man erst durch die Mathematik, logisch kon-sistent zu denken.

Es kann eindeutig bewiesen werden, daß viele physikalische Grö-ßen, die bisher für unterschiedliche, eigenständige reale Eigenschaftender Materie betrachtet wurden, in Wirklichkeit abstrakte mathematischeSynonyme für geometrische Fläche sind. So ist zum Beispiel der funda-mentale Begriff „Ladung“ ein Synonym für Fläche. Die Einheit für La-dung „Coulomb“ erweist sich als ein Synonym für „ein Meter Quadrat“.Elektrischer Strom wird dann als „Bewegung von Fläche pro Zeit“ defi-niert und so weiter und sofort. In Kenntnis des Universalgesetzes kannman eine Reihe solcher Peinlichkeiten in der traditionellen Physik ent-decken, die den Physikern bisher verborgen geblieben sind. Diese pein-lichen Enthüllungen sind notwendig, denn sie vereinfachen unser Ver-ständnis für die Physik außerordentlich.

Das Evolutionsgesetz, das eine andere mathematische Darstellungdes Universalgesetzes ist, gilt für alle Phänomene, so auch für die indu-strielle und materielle Fortschritt der Menschheit. Während das Univer-salgesetz in seiner ursprünglichen Fassung Eo=oEAof ein Gesetz derEnergieumwandlung E ist, die in konstanten Energiepaketen EA auftritt,beschreibt das Evolutionsgesetz die Raumzeit statisch als geometrischeStruktur, als Ks. Beide Formeln verkörpern den fundamentalen dynamisch-statischen Dualismus der menschlichen Sichtweise. Während die For-mel Eo=oEAof für die dynamische Betrachtungsweise steht, erfaßt die For-mel des Evolutionsgesetzes Kso=oEto

2 die Raumzeit in statischer Hinsichtals geometrische Fläche, bzw. als Strukturkomplexität.

Diesen Dualismus findet man unter unterschiedlichen Namen: Kör-per-Geist (Seele) Dualismus in der Philosophie und der Theologie; Wel-len-Teilchen Dualismus oder Energie-Materie (Substanz) Dualismus in

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Parmenides und Heraklit 49

der Physik, belebte (organische) Natur versus unbelebter (anorganischer)Natur in den Naturwissenschaften. Dieser Dualismus ist aber keine realeEigenschaft der Natur, wie von den Physikern irrtümlicherweise geglaubtwird, sondern eine abstrakte Leistung des abendländischen wissenschaft-lichen Bewußtseins, das seinen Ursprung bei den Pythagoräern hat. Die-se Spaltung findet im Bereich des mathematischen Denkens statt. Siebenötigt die Grundzahl „1“. Die Denkweise, die diesem fundamentalenmathematischen Vorgang zugrundeliegt, wird unten erläutert. Wird diephysikalische Welt als Energie in Umwandlung erfaßt (Eo=oEAof), dannwird der Bewegung eine zentrale Bedeutung eingeräumt. Wird die Weltstatt dessen als feste Struktur erfaßt, dann wird der statische geometri-sche Raum eingeführt.

Die klassische Mechanik begann mit der Einführung des leerenEuklidschen Raums durch Newton. Der Grund für diese geistige Spal-tung der menschlichen Betrachtungsweise der Natur liegt im Wesen derRaumzeit (Energie). Sie besteht nur aus zwei Dimensionen, wir spre-chen auch von Konstituenten - Raum (z.B. Fläche oder Länge) und Zeit(z.B. Frequenz fo=o1/t) - die eine Einheit bilden, und nie in Wirklichkeitgetrennt werden können. Die beiden Komponenten der physikalischenWelt verhalten sich gegensinnig (reziprok) zueinander: nimmt der Raumzu, nimmt die Zeit ab und umgekehrt. Da Raum und Zeit sich in einerständigen Bewegung befinden, ändern sich ihre Werte ständig, so daß sienie eindeutig, d.h. deterministisch, bestimmt werden können. Auch wenndiese Tatsache erst durch die Entdeckung des Universalgesetzes voll ge-würdigt wird, so liegt sie allen bisherigen physikalischen Betrachtungenimplizit zugrunde. Praktisch wird das Problem gelöst, indem eine derbeiden Dimensionen auf eine abstrakte Weise im Rahmen der Mathema-tik als konstant betrachtet wird, damit die andere gemessen werden kann.Am häufigsten wird die Zeit f arretiert, indem ihr die Grundzahl „1“zugeordnet wird: fo=ofo

2o=ofo

no=o1. In diesem Fall kann die Raumzeit in der

Universalgleichung statisch als Fläche dargestellt werden:

E = SP(A)[2d-Raumzeit] = SP(A)[2d-Raum]×[Zeit] 2 =

= SP(A)[2d-Raum]ofo2 =

= SP(A)[2d-Raum] = Fläche = Strukturkomplexität (Ks)

Das Symbol (SP(A) symbolisiert das Kontinuum der Zahlen, die nur als

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50 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Relationen zu einer beliebigen Referenzzahl eingeführt werden können.Diesem mathematischen Trick verdanken wir die Entwicklung der Dif-ferential- und Integralrechnung, die bekanntlich zuerst von Newton undLeibniz entwickelt wurden, um die Geschwindigkeit als die universelleObservable der Bewegung, d.h. der Energieumwandlung, zu bestimmen.Wir können also sagen, daß der substantiell-energetische, bzw. Wellen-Teilchen Dualismus der Physik lediglich die zwei Komponenten der phy-sikalischen Welt, Raum und Zeit, widerspiegelt. Während die Konsti-tuente Raum für die statische, substantielle, materielle, oder körperlicheBetrachtungsweise steht, wird mit der Zeit der dynamische, wellenarti-ge, bewegliche, energetische oder geistige Charakter der Raumzeit, alsoder physikalischen Welt, erfaßt. Diese Erkenntnis vereinfacht unser physi-kalisches Weltbild außerordentlich.

Aus dem Universalgesetz folgt, daß die Energie proportional derZeit ist Eo=oEAofo≈of, da EAo=oconstant und umgekehrt proportional zumRaum Eo≈ofo=o1/[Raum]. Die Reziprozität von Raum und Zeit, bzw.von Energie und Raum ist das eigentliche dynamische Wesen der Raum-zeit, d.h. des Urbegriffs. Dieses Wesen läßt sich nur durch mathemati-sche Mittel objektiv korrekt erfassen. Die Reziprozität von Energie undRaum kennt keine Ausnahme - sie wird durch die Phänomenologie desSeins uneingeschränkt bestätigt. Dies ist eine Tautologie, die durch dieEmpirie ausnahmslos bestätigt wird: Die größte Energie, die Kernener-gie, finden wir im kleinsten Raum der Atomkerne, die schwächste Ener-gie, die Gravitationsenergie, dagegen in den größten räumlichen Struk-turen - in Sonnensystemen, Galaxien usw. Aber auch bei der Gravitationbleibt die Reziprozität von Raum und Energie erhalten. Diese funda-mentale Eigenschaft gilt nicht nur für die Gravitation und andere physi-kalische Kräfte, sondern ebensogut für die gesellschaftlichen Ebenen derRaumzeit. Die größte räumliche Ausdehnung von Imperien, wie beispiels-weise British Empire, K&K Monarchie und der Sowietunion markiertejeweils den Zustand geringster innerer Energie und endete stets mit ei-nem plötzlichen Kollaps (gesellschaftlicher Implosion) und räumlicherSchrumpfung.

Wir besprechen den erkenntnistheoretischen Hintergrund diesesDualismus ausführlich an dieser Stelle, denn er ist zentral im philoso-phischen Denken des Abendlandes. Dies ist nicht verwunderlich, schließ-lich verkörperte die Philosophie bis zum Beginn des 19. Jahrhundertsdas gesamte wissenschaftliche Denken des Abendlandes. Erst mit demAufstieg der Naturwissenschaften trennte sich die Philosophie von der

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Parmenides und Heraklit 51

Empirie und verlor an gesellschaftlicher Bedeutung.Wenn wir nun Parmenides und Heraklit anhand des Universalgesetzes

beurteilen, dann befaßt sich Parmenides ausschließlich mit der statischen,unbeweglichen Strukturkomplexität, wie das im Evolutionsgesetz dar-gestellt wird. Hingegen erkennt Heraklit die physikalische Welt als En-ergie in der Umwandlung, wie sie in der klassischen Formel des Uni-versalgesetzes zum Ausdruck kommt. Während die letzte Formel bewußtals die Grundformel des Gesetzes gewählt wurde, um die Umwandlung,die Bewegung der Energie, sichtbar zu machen, wurde die Formel derStrukturkomplexität lediglich aus didaktischen Gründen eingeführt, umden kognitiven Hintergrund des weltanschaulichen Dualismus in der euro-päischen Philosophie und Wissenschaft zu verdeutlichen. Es wurde auchdem Umstand Rechnung getragen, daß viele physikalische Größen, dieman im Laufe der Zeit eingeführt hat, der statischen Sicht entspringenund somit abstrakte geometrische Größen sind.

Das statische Weltbild bringt erhebliche Einschränkungen mit sich,die zu vielfältigen falschen Schlußfolgerungen in den Natur- und Gei-steswissenschaften geführt haben. Jede statische Betrachtung ist zwangs-läufig lokal und deterministisch. Sie vernachlässigt die Energieumwand-lung, die nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz mit der Raumzeit,d.h., mit dem Universum, identisch ist. Das gegenwärtige wissenschaft-liche Weltbild ist von diesem Lokaldeterminismus durchdrungen. DieErforschung der Strukturkomplexität, sei es in den Biowissenschaften,sei es in der Physik, erfolgt stets lokal, auch wenn das Prinzip derGlobalität in der Physik diskutiert wird - alle Versuchsanordnungen sindlokal-deterministisch konzipiert und ihre Ergebnisse ebenso erörtert. Aberauch die landläufige Meinung, der allerdings weder Parmenides nochHeraklit großes Vertrauen schenken, und vor allem die politische Mei-nung, sind lokal determiniert. Andererseits, kann die physikalische Welterst dann richtig verstanden werden, wenn die globale Dynamik und In-terdependenz der Raumzeit - alle Systeme sind offen und tauschen Ener-gie untereinander - verinnerlicht wird. Diese Quintessenz gilt an ersterStelle für die Steuerung der gesellschaftlichen Entwicklung, die dasmenschliche Bewußtsein maßgeblich prägt. Somit, steht der Menschheitnoch ein langer Weg bevor, bis sie das Universalgesetz allumfassendverinnerlicht hat. Bis sie soweit ist, muß sie nach Anaximanders Worten:„Sühne und Buße für das Unrecht nach der Ordnung der Zeit zahlen“. -das bedeutet, sie muß mit selbstverschuldeten Katastrophen leben undhoffen zu überleben.

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52 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Sokrates als ethischer Mittelpunkt philosophischenDenkens und Handelns

In der Blütezeit der griechischen Philosophie traten die Sophisten auf,allen voran Sokrates. Auch wenn Sokrates dank Plato zum Inbegriff desPhilosophen schlechthin erhoben wurde, hinterläßt er keine Lehre imstrengen Sinne des Wortes. Dennoch ist das Leben des Sokratesparadigmatisch für eine von der Wahrheit besessene Person, die einemhöheren Ethos folgt und folgerichtig mit der Gesellschaft in Konfliktgerät. Im modernen Sinne würden wir sagen, die Saga von Sokrates istein Attraktor, um den herum sich die ethischen Vorstellungen von einertranszendenten, ewigen Wahrhaftigkeit entfalten können. Sokrates wirdzum “Wendepunkt und Wirbel der sogenannten Weltgeschichte”, schreibtNietzsche. Als die Anklage gegen Sokrates erhoben wird, verzichtet erauf alle Versuche, seine Richter günstig zu stimmen, ja er reizt sie nochmehr. Er behauptet, er tue dies im Auftrage des Gottes Apollo, und meintdamit, er handle im Namen einer höheren Gerechtigkeit :

“Ich glaube, daß euch in eurer Stadt kein größeres Gut zuteil geworden istals mein Dienst an dem Gotte. Denn was ich tue, ist nichts anderes, als daßich umhergehe und die Jüngeren wie die Älteren unter euch ermahne, sichweder um den Leib noch um Geld eher zu sorgen als um die Seele, daß sienämlich so gut wie möglich werde... So, scheint mir, hat mich der Gott derStadt beigegeben, als einen, der nicht aufhört, jeden einzelnen unter euchaufzuwecken, zu überreden und zu schelten”.

Nach einer solchen Rede wundert es niemandem, daß Sokrates zum Todeverurteilt wird. Überhaupt haben die meisten griechischen Philosophenein ausgesprochen gefährliches Leben geführt, indem sie sich aus inne-rer Überzeugung heraus berufen fühlten, mit Worten gegen die Mächti-gen des Tages zu kämpfen, denn sie verstanden sich, im Gegensatz zumGros ihrer späteren akademisch angehauchten Kollegen, stets als dasSprachrohr einer höheren politischen Gerechtigkeit und riskierten dafürsogar ihr Leben. Im wahrsten Sinne des Wortes sind die griechischenPhilosophen die ersten Dissidenten des Abendlandes: zum Glück konn-ten sie sich gelegentlich des Asyls anderer Städte erfreuen. Hätten diegriechischen Städte von damals das heutige Asylrecht in Europa gehabt,wäre die abendländische Philosophie im Keim erstickt. Auf jeden Fallhätte Aristoteles, als er Athen verlassen konnte, um Zuflucht im Exil zusuchen, nicht die Gelegenheit gehabt, seinen berühmten Satz zu äußern,

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Sokrates 53

“er wolle die Athener daran hindern, sich ein zweites Mal, wie schon beiSokrates, an der Philosophie zu versündigen”.

Bezeichnenderweise waren die meisten Dissidenten in den ehemaligenkommunistischen Staaten ausgesprochen philosophisch orientiert. Sieberiefen sich auf eine höhere Gerechtigkeit und trotzten damit der gel-tenden Doktrin. Um die Dissidenten organisierte sich ein moralischerWiderstand, der zuletzt die ganze kommunistische Ordnung wegfegte.Nach dem Zusammenbruch waren sie erneut die Attraktoren derSelbstorganisation einer neuen, wenn auch vorläufigen Ordnung. Nur inder ehemaligen DDR blieb diese Entwicklung aus, weil die Veränderungvon außen importiert wurde und dieser aberwitzige Staat in Wirklichkeitkaum echte Dissidenten vorzuweisen hatte.

Was hat das aber alles mit dem Universalgesetz zu tun? Vieles! DieDissidenten als einzelne Personen sind die Antithese einer fehlgeleitetenEntwicklung in einem System, das dem Gesetz widerspricht. Als Pro-dukte eines wachsenden inneren Widerstandes in einem elastischen Sy-stem sammelt sich in ihnen potentielle Energie und löst das berühmteRückschwingen des Pendels aus. Auch die grüne Bewegung vertrat amAnfang nur die Meinung weniger Außenseiter. Heute überbieten sichalle Parteien, entsprechend ihrer Couleur, die Parteischattierung um mehroder weniger Grün zu erweitern. Diese innere Dynamik und Anpassungaller Systeme der Raumzeit ist auch die Quelle des Glaubens an einehöhere ausgleichende Gerechtigkeit in der Religion und erklärt den Glau-ben an die Richtigkeit eines mittleren Weges wie bei den Epikureern. Insolchem Verhalten spiegelt sich die intrinsische Eigenschaft jedes Sy-stems, sich aus innerer Kraft heraus zu verändern und anzupassen, jehöher der Druck von außen ist. Dieser Mechanismus wird in der neuenAxiomatik als das „Axiom zum reziproken Verhalten der Energie-gradienten zweier benachbarten Ebenen in einem System“ definiert. Eshandelt sich lediglich um ein Aspekt der Reziprozität von Raum undZeit. Dieses Axiom ermöglicht eine einfache Betrachtungsweise desdynamischen Anpassungsverhaltens der raumzeitlichen Systeme auf ver-änderten Bedingungen. Intuitiv wird dieser Zusammenhang auch im3. Newtonschen Axiom (actio et reactio) erfaßt.

Mit dem neuen Axiom läßt sich z.B. die historische Entwicklungjedes Landes sehr einfach deuten. Das Universalgesetz der gesellschaft-lichen Dynamik lautet: je höher der Außendruck auf den Staat (ersteEbene) und die einzelnen Personen (zweite Ebene, beide sind U-Men-

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54 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

gen, die sich als Element enthalten), um so schneller ändert sich dasLand (das System). Die Auswahl der Ebenen und Systeme ist willkür-lich - das Gesetz gilt für alle Systeme der Raumzeit. Der Druck von au-ßen F ist der externen Energie proportional Fexto≈oEext; er erzeugt einengleich großen inneren Druck Fino=o−Fext, bzw. eine gleich große innereEnergie Eino=o−Eext, die sich reziprok zueinander verhalten. Nimmt derDruck von außen zu, dann steigt der innere Druck im gleichen Maße undist dem Außendruck entgegengesetzt. Nach dem Universalgesetz Eo=oEAofbewirkt eine erhöhte Energieumwandlung E im System eine proportio-nale Zunahme der Zeit Eo≈ofo=o1/t, d.h. eine Abnahme der Dauer derStrukturumwandlung.

Große gesellschaftliche Umbrüche, die in langen Perioden relativerStabilität für unmöglich gehalten werden, finden innerhalb kurzer Zeitstatt, wenn der Druck von außen übermäßig zunimmt. Die Niederlagevon Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg führte zu einem enormenDruck auf den totalitären Staat und die einzelnen Bürger, die diesen Staatfreiwillig errichtet hatten. Der Druck wurde von außen, von den Alliier-ten, ausgeübt, um Deutschland zu einer raschen Demokratisierung (undNeutralisierung) zu zwingen. Dieser Druck wurde durch den stalinisti-schen Kommunismus und die Vertreibung aus dem Osten zusätzlich ver-stärkt. Dieser Druck wurde zuerst von den einzelnen Personen gespürtund erst dann an den Staat als eine übergeordnete Ebene weitergegeben.Es folgte eine rasche Demokratisierung des Staates von innen heraus(auf äußeren Druck folgt innere Einsicht), die unter normalen Umstän-den, d.h. aus freien Stücken, hätte nie stattfinden können. Dadurch sankaber der Druck auf die einzelnen Bürger (Aufhebung der Zonen, Stopder Entnazifizierung durch Prozesse, da nun alle zu Demokraten umge-tauft wurden, die gegen die kommunistische Gefahr im Kalten Kriegkämpften, Verbesserung der Lebensbedingungen durch rasche Geldreformusw.). Es handelt sich also, wie man sieht, um das reziproke Verhaltender Energiegradienten zweier benachbarten Ebenen, der einzelnen Bür-ger und des Staates eines offenen Systems, Deutschlands, das mit ande-ren Systemen (Ländern) wechselwirkt.

Die gleiche Dynamik kann man bei der gegenwärtigen Globalisierungder Güter- und Finanzmärkte beobachten. Sie übt einen zunehmendenkulturellen und Kostendruck auf jedes Land und zwingt es, überkommeneStrukturen rasch zu verändern. In diesem Zusammenhang stellt der Zu-sammenbruch von Strukturen, etwa der Rentenversicherung oder demGesundheitswesen, aufgrund fiskaler Illiquidität, die rascheste mögliche

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Sokrates 55

Umwandlung von Strukturen dar, wenn diese aus innerer Einsicht nichtrechtzeitig erfolgt. Der Zusammenbruch des kommunistischen Systems,das sich in diesem Jahrhundert anschickte, hegemoniale Macht über dieganze Welt auszuüben, innerhalb weniger Wochen dürfte als Paradigmafür das Universalgesetz der gesellschaftlichen Dynamik ausreichen. Die-ses beispiellose historische Ereignis ist leider nicht verstanden worden,obwohl solche Ereignisse mit ähnlich verheerender Wirkung jederzeitauch in der freien marktwirtschaftlichen Welt eintreten können.

Eine Analyse der Geschichte der Menschheit zeigt schnell, daß dasUniversalgesetz der gesellschaftlichen Umwandlung keine Ausnahmekennt. Sie beleuchtet zugleich die Rolle des Individuums in der gesell-schaftlichen Evolution. Die Bedeutung des Einzelnen für die gesell-schaftliche Umwandlung ist schon immer ein zentrales Thema der Ge-schichte gewesen, das bis heute kein abschließendes Urteil erlaubt, auchwenn es von Tolstoj auf genialer Weise in „Krieg und Frieden“ abgehan-delt wurde. Wen bewegen solche Fragen nicht, die in der sterilenGeschichtstheorie nach dem Motto Parmenides „Entstehen verloschenund Vergehen verschollen“ verpönt sind: „Was wäre, wenn Hitler nichtgeboren wäre? Was wäre, wenn das Attentat gegen Hitler gelungen wäre?Was wäre, wenn Stalin nicht an die Macht gekommen wäre? Was wäre,wenn Gorbatschow nicht an die Macht gekommen wäre, und die Auflö-sung des kommunistischen Systems nicht so umsichtig vollzogen hät-te?“ usw. Der Mensch hat den freien Willen, über sich selbst zu bestim-men. Auch wenn er die Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann,so lernt er mit solchen Fragen die gesellschaftlichen Alternativen ken-nen, um die im Sinne des Universalgesetzes optimalste zu wählen. Dadie Raumzeit nur eine ständige zukunftsorientierte Umwandlung kennt,die allerdings periodischer Natur ist, wird die Frage nach der optimalenEntscheidung eine fortwährende Herausforderung der Menschheit blei-ben, die letztendlich nur aus der Vergangenheit heraus richtig zu beantwor-ten ist.

Bei diesem ewigen „challenge and response“ bleibt eines indes si-cher: der platonische Idealstaat findet zuerst in den Köpfen der Men-schen statt. Kommt seine Umsetzung zu spät, dann rollen in aller Regeldie Köpfe. Jede Veränderung läuft zunächst nur in den Köpfen der Men-schen ab, und erst nachdem das kollektive Bewußtsein den Wandel ver-innerlicht hat, wird er auf der Gesellschaftsebene manifest. Denn dieGesellschaftsebene entspringt der Bewußtseinsebene, wie Athene ausdes Zeus Kopf, und unterliegt ihrer gestalterischen Kraft genauso, wie

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56 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

umgekehrt die Gesellschaft stets auf das Bewußtsein einwirkt. Beide sindU-Mengen, die sich als Element enthalten - das Element ist Energie,Raumzeit - und gegenseitig bedingen. Damit wird auch der ewige Disputder abendländischen Philosophie zwischen Idealismus und Materialis-mus - was an erster Stelle zu setzen sei, Geist oder Materie - ein für alleMale für überflüssig erklärt.

Welche Rolle spielt dabei die Ethik? Sie ist ein wichtiger Aspekt derinneren Bedingtheit, des inneren Zwanges, gegen die vorherrschendeStrömung zu handeln, um das System zu retten, auch wenn damit dieeigene Existenz als Teil dieses Systems auf Spiel gesetzt wird. Es ist dasHandeln im Namen einer höheren Gerechtigkeit, die Sokrates heraufbe-schwört. Es geht um die Aufrechterhaltung der übergeordneten Ebeneder Selbstorganisation. Täglich sterben Milliarden Zellen in unseremKörper, nur damit sich dieser erneuern kann und leistungsfähig bleibt.Von dem Augenblick an, in dem Zellen ihr eigenes Überleben in denVordergrund stellen, wie es bei Krebszellen der Fall ist, beginnt der Un-tergang des Organismus als Gesamtheit. Die gesellschaftliche Selbstor-ganisation kann sich also nur ein beschränktes Maß an individuellemEgoismus leisten. Angesicht gegenläufiger Tendenzen der postmodernenZeit wird hier eine neue Ethik, die auf dem Universalgesetz aufbaut,richtungsweisend werden.

Nur im Handeln kann die Ethik bestätigt werden. Mit der innerenDialektik der gesellschaftlichen Entwicklung zur höheren Komplexität,die sich aus dem Gesetz ergibt, läßt sich ein großer Teil der Ideen, Vor-stellungen und Mythen erklären, die wir in der Philosophie, der Theolo-gie, der Literatur und der Kunst seit der Antike vorfinden. Unsere Iden-tifikation mit einzelnen Dramen, die sich daraus entwickeln und nichtzufällig zuerst von den Griechen literarisch verarbeitet wurden, dienenletztendlich einer Stärkung der long-range-Korrelation (des Energie-gradienten) der Gesellschaft, ohne die sie auseinanderbricht. Patriotis-mus, Nationalismus, Chauvinismus oder das schlichte Gefühl der kultu-rellen Überlegenheit gegenüber den Barbaren, wie es von den Griechenin der Antike und den Amerikanern des ausgehenden 20. Jahrhunderts5

gepflegt wurde, dient als Identifikation und Stärkung des Energie-gradienten der selbstorganisierten gesellschaftlichen Einheit. Damit istauch einiges über die gegenwärtige Weltpolitik gesagt worden.

______________________________5 W. Pfaff, Die Gefühle der Barbaren, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1989.

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Platon 57

Platon

Platon gilt im allgemeinen als der größte Philosoph der abendländischenGeschichte. Diese Einschätzung ist im wesentlichen vom Standpunkt desBetrachters beeinflußt. Auf jeden Fall ist ein großer Teil seiner Philoso-phie der Überwindung der Sophistik gewidmet. In seinen Dialogen läßter immer wieder Sophisten auftreten, um ihre Ansichten, die seinerzeitsicherlich sehr populär waren, freimütig darzulegen, nur um sie danachzu widerlegen. Platon geht vom Grundsatz des Pythagoras aus, daß derMensch das Maß aller Dinge sei, und daß es keinen allgemeineren Maß-stab geben könne. Die Philosophie verkörpert die Geschichte der Mensch-heit auf der Suche nach dem universellen Kriterium, mit dem sich so-wohl die Welt als auch das eigene Handeln bewerten läßt. Für Descarteswar der Ausgangspunkt die menschliche Fähigkeit, über sich und dieWelt nachzusinnen: “cogito ergo sum”, für Kant war es der kategorischeImperativ und im erweiterten Sinne das ontologische Prinzip, das sichaus der Vernunft ableiten läßt. In seiner Ideenlehre geht Platon vomphilosophischen Trieb aus, der den Denker zur Erkenntnis der Ideen führt.Er nennt ihn “Eros”. Dieses Wort bedeutet ursprünglich Liebe, und Platogibt ihm nun einen höheren Sinn, doch wie viel an Emotionen und sinn-licher Ästhetik Platon selbst in diesem Begriff gesehen haben mag, wirduns für immer verborgen bleiben. Auf jeden Fall entspricht die moderneasketische Vorstellung vom besessenen Forscher, der nur nach der höhe-ren Wahrheit trachtet, nicht der platonischen. Denn jede intellektuelleund abstrakte Leistung ergibt sich aus dem gesamten emotionalen Spek-trum des Denkenden und schraubt die ästhetische Verzückung nach demerfolgreichen schöpferischen Akt zu neuen ungeahnten Höhen. Platonversteht den Eros als Spirale, die mit der körperlichen Lust beginnt undnach oben fortschreitet, ohne daß sie auf irgendein Element des Erosverzichten muß (U-Mengen). Was Platon mit dem Eros verbindet, istletztendlich die vollendete Harmonie von Seele und Körper.

Der Eros ist also eine “Idee” aus der Ideenlehre Platons. Was istaber eine Idee nach Platon? “Wir nehmen eine Idee an, wenn wir eineReihe von Einzeldingen mit demselben Namen bezeichnen“. Ideen, imGriechischen “eidos” oder “idea”, ursprünglich “Bild”, sind also For-men, Gattungen, Allgemeinheiten des Seins. Nach Platon sind jedochdie Ideen keine bloße Begriffe, sondern sie haben durchaus Realität, jasie haben sogar, wie er im Gleichnis mit dem Gefängnis zeigt, die einzigwahre metaphysische Realität. Die einzelnen Dinge vergehen, aber die

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58 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Ideen bestehen als deren unvergängliche Urbilder weiter. Daraus ergibtsich die grundsätzliche philosophische Frage, ob es zulässig sei, demAllgemeinen eine höhere Realität als dem Einzelnen zuzusprechen, oderob umgekehrt die Einzeldinge wirklich sind und die allgemeinen Ideennur in unserem Kopfe bestehen. Diese Frage wird in der neuen Axioma-tik des Universalgesetzes eindeutig zugunsten des Ganzen gelöst. DerUrbegriff, aus dem alle anderen wissenschaftlichen Begriffe logisch-mathematisch abgeleitet werden können, erfaßt das Ganze. Er ist diekognitive Grenze des menschlichen Bewußtseins. Für immer!

Die Platonische Ideenlehre ist also eine Erkenntnistheorie parexcellence. Zunächst gibt es ein semantisches Problem, das Platon nichterkennt. Auch die Ideen, die in unseren Köpfen entstehen, sind wie dieDinge der äußeren Welt vergänglich und im Laufe der Geschichte einemständigen semantischen Wandel mit neuer Sinngebung unterworfen. Darinliegt die größte Schwierigkeit, die Werke der antiken Philosophen rich-tig zu verstehen und zu interpretieren. Damit ist aber auch die platoni-sche Kritik an den Vorsokratikern, welche die Welt in einem ständigenProzeß des Werdens verstanden wissen wollten, nicht zu halten. Platonverwirft ihre Philosophie mit der Begründung, falls sich die Dinge stän-dig änderten, dann sei es auch unmöglich, bleibende Ideen zu bilden. InWirklichkeit ändern sich sowohl die Ideen als auch die reale Welt. Den-noch bleiben die Grundvorstellungen, die das Universalgesetz erfassen,immer die gleichen.

Die semantische Entwicklung der Begriffswerte wurde von der moder-nen Logik in ihrem vollen Ausmaß erkannt. Das Umsetzen der Logik inder Philosophie löste eine Reihe von Scheinproblemen, die sich seit derAntike angesammelt hatten. Die Begriffsbildung ist nichts anderes alseine adäquate Gruppierung von Ereignissen. Die zwei fundamentalenBegriffe der Philosophie - Geist und Materie - gehören dazu. Im Rahmender neuen Axiomatik konnte klar dargelegt werden, daß der Urbegriff“Energie” eine solche geeignete Gruppierung unzähliger Ebenen mitspezifischer Strukturkomplexität darstellt. Als der erste und letzte Be-griff zugleich (Raumzeit ist in sich geschlossen), schließt er den Geistund die Seele - daher die Äquivalenz zwischen Raumzeit und Bewußt-sein. Energie als eine homogene Entität gibt es nicht. Wenn man dieUntermengen der Raumzeit gesondert betrachtet, dann spricht man ge-wöhnlich nicht von Energie, sondern von deren Strukturen. In diesemFall werden eine Reihe zusätzlicher Begriffe wie Ladung, Masse, Elek-

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Platon 59

tromagnetismus, Wellen oder Teilchen verwendet, um die Teile einzelnzu beschreiben und voneinander zu trennen. Die Wortschöpfung in derWissenschaft und im alltäglichen Leben ist prinzipiell unbegrenzt. In derPhysik war sie die selbstgebastelte Falle der Physiker, in die sie fortlau-fend getappt sind und die Einfachheit der physikalischen Welt nicht er-kannt haben. Unser Bewußtsein verfügt über die unbegrenzte Fähigkeit,unendlich viele Begriffe und Vorstellungen zu entwickeln, um reelleGegebenheiten zu erfassen. Daher die vielen Variablen und Observablenin der Physik. Zu diesem Punkt stellt bereits Russell fest:

“While physics has been making matter less material, psychology has beenmaking mind less mental... I think that both mind and matter are merelyconvenient ways of grouping events. Some single events, I should admit,belong only to material groups, but others belong to both kinds of groups,and are therefore at once mental und material. This doctrine effects a greatsimplification in our picture of the structure of the world.”

Die Ideenbildung in unserem Bewußtsein ist also nicht nur das zentraleThema der neuen Axiomatik des Universalgesetzes, sondern auch derPhilosophie. Sie bewegt sowohl die Gemüter der antiken als auch dermodernen Philosophen, ohne daß sie imstande gewesen wären, eine be-friedigende wissenschaftliche Erklärung zu finden. Bis zur Entdeckungdes Universalgesetzes wußte man einfach nicht, wie unser Bewußtseinprinzipiell funktioniert. Weder die Psychologie noch die Psychiatrie, amallerwenigsten die Neurologie hat sich ernsthaft mit der Energieum-wandlung als Quelle der Psyche auseinandergesetzt, um sieerkenntnistheoretisch in die Wissenschaft einzubauen. Und dies, obwohldas EEG, das als Summenprodukt der elektrischen Umwandlungen (Ak-tionspoteniale der Neuronen) im Hirn zu betrachten ist, eine Standard-methode in der Medizin ist. Nicht einmal die neuere Version dieser Wis-senschaften, der Connectionismus, berücksichtigt diesen methodologi-schen Ansatz. Dies hat die Errichtung eines kongruenten wissenschaft-lichen Weltbilds verhindert. Man hat sich am platonischen Prinzip ver-sündigt.

Das Bewußtsein ist einerseits eine metaphysische Ebene, andererseitsist es eine reelle, energetisch gesteuerte Ebene, die das gesamte Univer-sum und sich selbst wahrnimmt. Alle Ideen erfassen stets das Gesetz,den Logos, weil das Bewußtsein ebenfalls eine Ebene des Universumsist, die wie alle anderen Ebenen dem gleichen Gesetz unterworfen ist.Das Bewußtsein findet das Universalgesetz sowohl in der introspektiven

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als auch in der extravertieren Betrachtung. In diesem Sinne wird PlatonsIdeenlehre insofern bestätigt, als er meint, die Ideen seien unvergäng-lich: Es wird immer und zu allen Zeiten stets das Universalgesetz erfaßtund dieses ist unvergänglich, diese Abhandlung der abendländischenPhilosophie ist der Beweis für diese Aussage. Allerdings ist die Vielfaltder Ideen in unserem Alltag so verwirrend, daß viele gewöhnlichen Ide-en, wie Parmenides und Heraklit bereits wußten, weder Bestand nochAllgemeingültigkeit im platonischen Sinne haben. Die Ideen der Politikgehören uneingeschränkt zu dieser Gruppe.

Die Ideenwelt unseres Bewußtseins spiegelt das Universum wider,und nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz ist es dem Universum gleich-gestellt. Damit ist die Platonische Welt identisch mit dem Universumund wie das letzte ist sie ewig, sie ist die einzige wahre metaphysischeRealität. Die platonische Ideenlehre führt direkt zur Erkenntnis des Ge-setzes. Im Vergleich zum Logos des Heraklit gibt sie allerdings keinenHinweis auf die treibende Kraft hinter den Ideen und dem Universum.

Die sichtbare Natur bezog Platon im Unterschied zu seinem LehrerSokrates in sein System mit ein. Da jedoch die einzig wirklichen Ideennur dem reinen Verstand zugänglich sind, kann einer Erforschung deskörperlichen Seins bestenfalls zweitrangige Bedeutung zukommen. Na-turwissenschaft mit diesem Ziel kann, nach Platon, niemals Gewißheit,sondern nur Wahrscheinlichkeit vermitteln. Allgemein pflegt die moder-ne Wissenschaft das Vorurteil, daß die Antike zwar Höhepunkte philoso-phischen Denkens erreichen konnte, der empirischen Wissenschaft abereher ablehnend gegenübergestanden sein soll. Daher konnte sie ihre glanz-vollen Leistungen in der Philosophie nicht in dem Maße in die Praxisumsetzen, wie es in der Neuzeit gelungen ist. Diese utilitaristische Kritikmag gerade für Platon berechtigt sein. Sie gilt aber in noch größeremMaße für die moderne Wissenschaft. Gerade mit der Vernachlässigungder Philosophie hat sich die moderne Wissenschaft am Ende des 20. Jahr-hunderts in die erkenntnistheoretische Sackgasse eines deterministischenEmpirismus hineinmanövriert, der sich ausschließlich mit konventionel-ler Strukturkomplexität befaßt und den Blick für das Transzendente, dasKinematische in der Natur verloren hat. Wissenschaft kann nur über denphilosophischen Weitblick vorankommen. Umgekehrt versinkt jede Phi-losophie in steriler Bedeutungslosigkeit, sobald sie den Bezug zu denexperimentellen Wissenschaften verliert.

Platon kann den Ursprung der Ideen nicht erklären, weil er den Be-zug zur realen Welt nicht herzustellen vermag. In Anlehnung an Demokrit

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Aristoteles 61

spricht er von einem (leeren) Raum und versteht darunter mehr die Formder Äußerlichkeit. Man vermutet, daß Platon dieses zweite Prinzip, wienach ihm Aristoteles, in einem allgemeinen Sinne als “Materie” bezeich-net hatte.

Die politische Philosophie Platons kann hier nicht weiter bespro-chen werden. Die Nachwirkung der platonischen Ideen ist aber nichthoch genug einzuschätzen. Der Neoplatonismus war mehrere Jahrhun-derte lang das herrschende System der Spätantike. Bis zum 9. Jahrhun-dert gab es eine platonische Akademie auf byzantinischem Boden. Dieaufkeimende christliche Theologie und Philosophie im Mittelalter zehrtvon der platonischen Ideenwelt. Der Platonismus erwacht zu neuer Blü-te in der italienischen Renaissance und in der Neuzeit. Leibniz, Newtonund Spinoza beschäftigen sich ausgiebig mit Platon. Später bezieht sichCantor explizit auf die platonische Ideenwelt, als er eine Begründungfür die Mengenlehre sucht. Wie Platon glaubt auch er, daß alle Ideeneine reale Abbildung in der physikalischen Welt haben.

Aristoteles

Platons größter Schüler und späterer Widersacher Aristoteles stammt,wie der Autor6, aus einer Arztfamilie aus Thrakien. Er war Lehrer undFreund Alexanders des Großen und ging nach Athen, nachdem sich seinVerhältnis zum mazedonischen König trübte. Hier eröffnete er ein Lyze-um, doch nach zwölf Jahren intensiver Lehrtätigkeit geriet er erneut inpolitische Bedrängnis, als sich der Haß gegen die mazedonische Parteientlud. Wie Sokrates wurde er der Gottlosigkeit angeklagt, entzog sichaber dem drohenden Todesurteil durch Flucht und starb vereinsamt imExil. Die Geschichte Griechenlands, die in die Geschichte Europas alsgrößere Ebene der politischen Selbstorganisation einmündet, ist durchdie Verfolgung und Verbannung der besten Köpfe, die dieser Kontinentjemals hervorgebracht hat, ausreichend gekennzeichnet.

Aristoteles war ein Universalgenie. Er begründete die Logik als ei-gene Richtung der Wissenschaft und verfaßte unzählige Schriften zuNaturwissenschaft, Metaphysik, Ethik, Literatur und Politik. Mit ihmwurde die universale Erziehung zum Ideal der abendländischen Zivili-______________________________6 Es ist ein interessanter Zufall, daß meine Familie aus Gianniza, ehemals Pela,der Hauptstadt Mazedoniens stammt.

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sation erhoben. Die Universitäten, die am Ende des Mittelalters überallin Europa emporsprossen, verkörperten den aristotelischen Geist. Die-ses Ideal wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, begleitet von kurz-fristigen Erfolgen, aber auch schwerwiegenden Folgen, auf dem Altardes Empirismus geopfert. Mit der Entdeckung des Universalgesetzes undder Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Wissenschaften, in derdas Bewußtsein zum Mittelpunkt der Erkenntnis wird, ist aber das Endeeiner Epoche verhängnisvoller Spezialisierung bereits eingeläutet.

Die Logik des Aristoteles entspringt dem Heraklitschen Logos, derEinsicht in das Universalgesetz, das unser Denken stets erfaßt. Die Lo-gik ist also eine Theorie des Denkens, sie leitet an, wie man denken muß,und nicht, was man denkt. Das zweite haben die empirischen Wissen-schaften zu einem späteren Zeitpunkt erledigt und sich den Weg zur Er-kenntnis verbaut. Wie die Mathematik, die nach Russell nur eine Verlän-gerung der deduktiven Logik mit anderen Mitteln ist, ist die Logik einehermeneutische Wissenschaft des korrekten Denkens. Beide Disziplinenstellen die adäquateste Widerspiegelung des Logos dar. Es ist daher keinZufall, daß sie ganz oben in der Werteskala antiker Erziehung standen.Die neue Theorie des Universalgesetzes ist eine logisch aufgebaute Axio-matik des korrekten Denkens, die vom Urbegriff ausgeht und die Mathe-matik als seine Widerspiegelung einschließt.

Die Aristotelische Logik ist eine Logik der Ausschließlichkeit. Sieist eine Entweder-Oder Logik. Ein Element kann entweder zur Menge Aoder zur Menge Nicht-A, aber nicht teilweise zu A und teilweise zu Nicht-A gehören. Diese Logik hat in der Antike zu vielen Paradoxa geführt, diedurch die Entwicklung der Mehrwertlogik, angefangen mit Boole, dannweiterentwickelt durch Russell und Whitehead in ihrem bahnbrechendenWerk “Principia mathematica”, bis hin zur fuzzy logic der Gegenwart,weitgehend gelöst wurden.

Es muß von vornherein klar gesagt werden, daß die AristotelischeLogik das Universalgesetz nur bedingt erfaßt. Die Energie, die zwischenden Systemen ausgetauscht wird, kann sowohl zu einer, als auch zu eineranderen Menge gehören. Energie als eine homogene Entität gibt es nicht.Sie tritt nur als Strukturkomplexität unzähliger Ebenen in Erscheinung,die sich gesondert ebenfalls als einzelne Mengen auffassen lassen. Des-wegen ist eine eindeutige Zuordnung in der physikalischen Welt streng-genommen nicht möglich. Dies ist das grundlegende Problem der Men-genlehre, aber auch der Wahrscheinlichkeitstheorie, selbst wenn das dortnoch nicht richtig erkannt ist. Die Wahrscheinlichkeitstheorie setzt bei-

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spielsweise unabhängige Wahrscheinlichkeiten voraus. In Wirklichkeitjedoch sind alle Wahrscheinlichkeiten miteinander korreliert. Da aberdie meisten Korrelationen auf der Ebene unserer Erfahrung nicht wahr-genommen werden, werden diese Abhängigkeiten aus praktischen Grün-den vernachlässigt.

Die chemischen Substanzen, welche die Zellen produzieren und inden interstitiellen (Zwischen-)Raum ausschütten, erfüllen die Aufgabender suprazellulären Regulation des Organismus. Im Rahmen des Dipol-modells betrachten wir sie als Träger der Dipolenergie oder einfach alselektrische Energie, obwohl sie durchaus sehr komplexe Strukturen auf-weisen. Sie können von derselben Zelle aufgenommen werden, die sieproduziert hat, oder auch von benachbarten oder entfernteren Zellen.Praktisch ist es nicht möglich, die Zugehörigkeit der biochemischenMoleküle zu den einzelnen Zellen oder zu den Zellverbänden zu verifi-zieren. Somit sind alle empirischen Erfahrungen relativistisch. Da in ei-nem Universum, das sich in einer ständigen Energieumwandlung befin-det, eine genaue Zuordnung nicht möglich ist, können auch die Anfangs-bedingungen, denen in der klassischen Mechanik eine übermäßige Be-deutung eingeräumt wird, nicht exakt bestimmt werden. Wir haben diesedeterministische Auffassung als ein Artefakt, der im metaphysischenBereich der Mathematik entstanden ist, erkannt und verworfen (Band II).

Die Raumzeit ist in sich geschlossen. Jede partikuläre Energie-umwandlung, die wir beobachten, manifestiert diese Eigenschaft als Ele-ment. Aus diesem Grund sind alle Bewegungen geschlossene Rotatio-nen. Aus demselben Grund gilt das Kausalitätsprinzip nicht. Diesem wirdin der Philosophie eine große Bedeutung beigemessen, und es hat zuunzähligen, zum Teil sehr verwirrenden Diskussionen geführt, auf diewir hier nicht eingehen können. Das Kausalitätsprinzip erfordert einegenaue Unterscheidung zwischen Ursache und Wirkung. In Wirklichkeitist jede Ursache zugleich eine Wirkung - sie ist Bewegendes und Beweg-tes zugleich (siehe unten). Beide sind Wechselwirkungen. Jede Ener-gieumwadlung läuft in beiden Richtungen und führt zur Energieerhaltung.Die Unterteilung in Ursache und Wirkung ist somit eine abstrakte undsubjektive Leistung des menschlichen Bewußtseins. In Kenntnis desUniversalgesetzes sind wir allerdings in der Lage, die Bedingungen fürdie Dissipation der Formen zu bestimmen. Diese Bedingungen der de-struktiven Interferenz dürfen jedoch nicht als Ursachen im Sinne einerdeterministischen kausalen Kette interpretiert werden. Alle Erklärungs-versuche in der Medizin, die Entstehung der Krankheiten zu ergründen,

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gehen von diesem Kausalitätsgedanken aus. Deswegen ist die Medizindaran gescheitert, eine allgemeine Theorie der Krankheitsentstehung zuentwickeln. Wir werden bei Hume noch einmal auf das Kausalitätsprinzipzurückkommen.

In seiner Philosophie führt Aristoteles verschiedene Grunddefi-nitionen ein, die bis heute gültig sind. Am Anfang steht die Definitiondes “Begriffs”. Unser Denken vollzieht sich in Begriffen. Was ist aberein Begriff? Die Definition eines Begriffes muß nach Aristoteles zweiAspekte erfassen. Sie muß einerseits das zu definierende Objekt in eineKlasse einordnen, andererseits muß diese Klasse allgemeine Kennzei-chen aufweisen, die mit den Kennzeichen des zu definierenden Gegen-standes übereinstimmen. Ähnliche Regeln finden sich sinngemäß bei derZermeloschen Wohlordnung, mit der er die Mengenlehre und damit dieMathematik zu begründen versucht. Das Bewußtsein bringt Begriffe her-vor, die einerseits der objektiven Existenz physikalischer Ebenen Rech-nung tragen. Andererseits ist es in der Lage, diese unterschiedlichen Be-griffe zu unendlich vielen Mengen weiterzugruppieren und entsprechendzu definieren. Die physikalischen Ebenen werden erst durch unser Be-wußtsein als solche definiert - diesen Ansatz wählte Kant später in sei-ner Kritik der reinen Vernunft. Sie beteiligen sich aber bereits an derBildung des Bewußtseins - z.B. die Photonen des sichtbaren Spektrums,die von der Retina aufgenommen werden, lösen Aktionspotentiale in denStäbchen und Zäpfchen aus, die dann als elektromagnetische Signale(Aktionsptentiale der Zellen) durch die Hirnnerven weitergeleitet wer-den, und führen zur Ausbildung von räumlichen Perzeptionen im Hirn.Das Sehvermögen, durch das wir die äußere Welt erst einmal erkennenkönnen, bevor wir sie in Kategorien aufteilen, setzt also einen konkretenEnergieaustausch mit ihr voraus, der dem Universalgesetz unterliegt.Beide - die bewußtseinsmäßige Wahrnehmung der physikalischen Au-ßenwelt und die neurologische, energetische Umwandlung im Hirn - bil-den einen geschlossenen Kreis. Das Bewußtsein nimmt innerhalb derEbenen nur deswegen eine Sonderstellung ein, weil es nach seiner eige-nen Auffassung (und bisheriger Erfahrung) die einzige Ebene ist, die dasUniversum und sich selbst wahrnimmt. Es sollte an dieser Stelle deutlichhervorgehoben werden, daß eine solche verbindende Analyse zwischenErkenntnistheorie und Neurophysiologie bisher nicht bekannt ist, wasum so mehr verwundert, wenn man bedenkt, daß alle Elemente und Er-kenntnisse einer solchen Analyse seit langem vorhanden sind.

Die Definition der verwendeten Grundbegriffe ist entscheidend in

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Aristoteles 65

der Wissenschaft. Hier hat die moderne Wissenschaft am meisten gesün-digt. Sie hat sich nicht an die aristotelischen Anweisungen gehalten. Wasist Energie, was ist Materie, was ist Kraft, was ist Masse, was ist Raum-zeit, ist in der Physik nicht klar und eindeutig definiert worden, daher dievielen Widersprüche, die immer wieder auftauchen, weil jeder Menschletztendlich eine andere Konnotation eines Begriffs wählen und zu ande-ren Schlußfolgerungen kommen kann. Das Universalgesetzes führt alleBegriffe unseres Bewußtseins auf einige wenige Grundbegriffe zurück,die nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz gleichwertig sind und nurverschiedene Aspekte des Ganzen darstellen. Sie sind U-Mengen undkönnen voneinander nicht getrennt werden. Sie verkörpern das Limit dermenschlichen Erkenntnis. Damit führt die Begriffsbildung zu den Wur-zeln unseres Denkens überhaupt - es wird gezeigt, daß dieses stets dieEnergieänderung des Universums erfaßt.

Aus dem Begriff leitet Aristoteles die Kategorie ab. Er definiert zehnKategorien: Substanz, Quantität (Menge), Qualität (Beschaffenheit),Relation (Beziehung), Wo, Wann, Lage, Haben, Wirken, Leiden. Es istunschwer zu erkennen, daß alle diese Kategorien eine spezielle Berück-sichtigung in der allgemeinen Theorie der Physik und Mathematik er-fahren haben. Substanz wurde gleich Materie gleich Energie(änderung)gesetzt. Die Quantität ist stets Energieumsatz Eo=oEAof und die Qualitätbeschreibt die spezifische räumliche Strukturkomplexität der Ebenen. Wo,Wann und Lage sind Dimensionen der Raumzeitänderung, die von derGeometrie erfaßt werden. Wirkeno=oLeiden entsprechen der Kraft, dieeine Observable der Energie ist. Haben ist Zuordnung (Wahrscheinlich-keit) zu den einzelnen Systemen, und Relation gibt die Grunderkenntniswider, daß alle physikalischen Größen nur als Relationen nach dem Zirkel-schlußprinzip bestimmt werden können. Also führen die zehn Kategori-en Aristoteles zum Universalgesetz. Die gesamte Wissenschaft einschließ-lich der Philosophie beruht auf Kategorien, und die Aristotelischen sinddie wichtigsten. Die “Kritik der reinen Vernunft” von Kant ist eineKategorialanalyse. Die neue Ontologie von Nicolai Hartmann, die Schich-tenlehre, ist ebenfalls ein Kategorialsystem. Man kann die Reihe derBeispiele aus der Philosophie unendlich fortsetzen. Es ist unschwer zuzeigen, daß alle Begriffe und Kategorien des philosophischen Denkensauf den Urbegiff der Raumzeit zurückgeführt werden können.

An diese Stelle müßte man eigentlich diese Beweisführung in derPhilosophie als erfolgreich abschließen, wären nicht weitere interessan-te Aspekte zu besprechen, denn die allgemeine Theorie der Wissenschaf-

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ten hat eine doppelte Aufgabe: sie hat die Vielheit auf die Einheit zu-rückzuführen und umgekehrt aus der Einheit heraus die Vielheit zu er-klären. Dies ist die innere Dialektik der allgemeinen Theorie desUniversalgesetzes.

Aristoteles führt weitere Definitionen ein wie Urteil, Schluß undBeweis. Urteile werden zu Schlüssen verbunden und die wiederum zuBeweisen verknüpft. Die neue Axiomatik befolgt genau diesen Weg. Inseiner Metaphysik setzt sich Aristoteles mit der Grundfrage auseinan-der: Was ist eigentlich wirklich, das Einzelne oder das Allgemeine? SeinLehrer Platon sagt: Wirklich sind nur die allgemeinen Ideen, die Einzel-dinge sind nur von ihnen abgeleitet und daher unvollkommene Nachbil-dungen. Aristoteles folgt ihm nicht ganz - dies ist die Bruchstelle zwi-schen den beiden: Wenn wir Allgemeines aussagen, so können wir dasim Grunde immer nur von den in Zeit und Raum existierenden Einzel-dingen tun. Auf sie beziehen sich alle unsere Urteile. Dennoch ist Aris-toteles mit Platon einig, daß wir im Allgemeinen etwas vom Wesen derEinzeldinge, des Seienden, erfahren.

In der neuen Axiomatik werden die platonische und die aristote-lische Betrachtungsweisen als dialektische Aspekte einer Einheit betrach-tet. Der Ursprung der Axiomatik ist platonisch - wir beginnen mit demUrbegriff als das Allgemeine und leiten alle weitere Urbegriffe und Re-lationen (Axiome) aus ihm logisch, also ideell, ab. Dann aber beginnenwir mit der empirischen Überprüfung im Einzelnen, zum Beispiel fürGravitation, Elektromagnetismus, Wellen, Teilchen usw. und beweisen,daß das Einzelne vom Wesen des Ganzen kündet. In den Einzeldingensteckt das Allgemeine und umgekehrt, weil das Universum in sich ge-schlossen ist und alles sich nach dem gleichen Gesetz organisiert. Wäh-rend das Einzelne das Ganze als Element enthält, zeichnet es sich durchspezifische Raum- und Zeitgrößen, die seine individuelle Form bestim-men. Andererseits ist es nicht möglich, von den Einzeldingen auszuge-hen, um das Ganze abschließend zu beschreiben, denn das Ganze istunendlich und die Anzahl der Einzeldinge ebenfalls. Gerade daran schei-tert die moderne empirische Wissenschaft, die sich die Sisyphus Aufga-be stellt, durch die Summe der Einzeldinge vom Wesen des Ganzen nähe-res zu erfahren. Dies ist die Crux des Empirismus, wie wir bei Berkeleysehen werden - er geht von der einzelnen Erfahrung aus, deren Anzahlunendlich ist, um das Ganze zu beschreiben, und nimmt somit einen ápriori Agnostizismus in Kauf. Die Kostenexplosion, die ein solcheswissenschaftliches Weltbild für den Fiskus verursacht, dürfte jedem

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Aristoteles 67

einleuchten.In seinen wissenschaftlichen Werken über die Pflanzen führt Ari-

stoteles den Begriff “Entelechie” ein. Das Lebende ist ausgezeichnet durchdie Fähigkeit, sich selbst zu bewegen. Bewegung, argumentiert Aristote-les in seiner Metaphysik, kann nur zustande kommen, wenn neben ei-nem Bewegten auch ein Bewegendes ist. Aus diesem Grund muß, wassich selbst bewegt, sowohl ein Bewegtes als auch ein Bewegendes in sichenthalten (U-Mengen). Dieses Argument dürfte ausreichen, um dasKausalitätsprinzip als eine einseitige Auffassung zu verwerfen. Trotzdieses richtigen Ansatzes unterläuft dann aber Aristoteles ein für die euro-päischen Weltanschauung folgenschwerer Fehler. Um die Bildung vonKategorien bemüht, ordnet er das Bewegte zum Leib und das Bewe-gende zur Seele. Leib und Seele sind wie Stoff und Form. Die den Leibbewegende und formende Seele nennt Aristoteles Entelechie. DieEntelechie ist für Aristoteles im erweiterten Sinne auch Evolution. Trotzdieses epistemologischen Irrtums sind seine nachfolgenden Gedankenvon seltener Brillanz. Ohne daß er konkrete Ergebnisse vorlegen konnte,nimmt dieser große Freund der Botanik die Grundaspekte der biologischenRegulation vorweg, deren eingehende Analyse zur Entdeckung des Uni-versalgesetzes geführt hat.

Zunächst lenkt Aristoteles das Augenmerk auf die Kinematik biolo-gischer Prozesse. Alle biologischen Abläufe sind entweder Bewegungeninnerhalb eines Organismus oder nach außen gerichtet. Da jede Bewe-gung nur durch eine Kraft (Energie) zustande kommt, hätte man in denBiowissenschaften vor allem nach dem Bewegenden suchen müssen. Dieshaben die Biowissenschaften allerdings bis heute versäumt, sie habendie Kinetik der Kräfte, die für die Physik von zentraler Bedeutung ist,nicht verstanden und diese aus ihren Überlegungen gänzlich ausgeklam-mert. Dies ist das kardinale Versäumnis dieser Wissenschaften.

Aristoteles sagt, alles, was sich bewege, enthalte sowohl ein Be-wegtes als auch ein Bewegendes in sich. Jede Ebene/jedes System hateinen Energiegradienten, der die Bewegungen steuert. Jedes Element,das bewegt wird, bildet einen lokalen Gradienten, der weitere Bewegungauslöst. Der Grund dafür ist, daß alle Systeme offen sind und untereinan-der Energie austauschen. Ein Membranprotein, wie z.B. ein Natrium-kanal, löst eine Depolarisation des Membranpotentials aus, wenn er ge-öffnet wird, und durch diese Veränderung löst er weitere Bewegungen inder Zelle aus, die aus dem Zellmetabolismus eine kinematische Einheitmachen. Während einer Depolarisation wandern viele membranständige

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68 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Proteine in den Zellkern oder in die Mitochondrien bzw. in andere intra-zelluläre Kompartimente ein. Alle Proteine weisen Signalsequenzen auf,die vorwiegend aus positiv geladenen Aminosäuren (Arg und Lys) be-stehen. Die Erklärung für die Proteinbewegung in der Zelle während ei-ner Stimulation ist denkbar einfach. Die Ladung auf der zytoplasma-tischen Seite der Plasmamembran ist in Ruhe negativ. Während einerDepolarisation wird sie positiver und kann, wie bei den Herzmuskelzellenzu beobachten ist, im Rahmen eines overshoots im Vergleich zur extra-zellulären Seite positiv werden. Während einer Depolarisation nehmenalso die Abstoßungskräfte zu, weil sich positive Ladungen abstoßen. Vieleregulierende Proteine, die sich gewöhnlich auf der Innenseite der Plas-mamembran befinden, werden durch die Zunahme der positiven Ladungauf dieser Seite abgestoßen und wandern beispielsweise in den Zellkern,wo sie den Transkriptionsvorgang der DNA-Stränge ebenfalls kinematischsteuern. Werden die Signalsequenzen experimentell abgetrennt, dannkommt es zu keiner Wanderung der Proteine in den Kern. Dort beteili-gen sie sich an der Bildung von Solitonen (stehende Quantenwellen) inder DNA, die auf delokalisierte Weise ebenfalls über die elek-tromagnetischen Wellen des Aktionspotentials ausgelöst werden. Wieman anhand dieser knappen Darstellung, die unsere Allgemeine Theorieder biologischen Regulation im Band III vorwegnimmt, erkennen kann,ist jeder energetische Prozeß in der Zelle mit dem gesamtenZellmetabolismus auf eine globale Weise verbunden und beeinflußt dasgesamte Verhalten der Zelle - er ist das Bewegende und das Bewegtezugleich (U-Menge).

Diese dynamische Betrachtungsweise der organischen Materie istden Biowissenschaften wie Biochemie und Genetik gänzlich fremd. Siesind außerstande, das Kinematische, welches das organische Leben kenn-zeichnet, zu begreifen. Dem ungläubigen Leser, der bisher hohe Ach-tung vor diesen Disziplinen empfunden hat, empfehle ich, sich mit ir-gend einem Gebiet der Biowissenschaften auseinanderzusetzen, umfestzustellen, daß sich diese Disziplinen gerade durch das Fehlen deskinematischen Konzepts Aristoteles auszeichnen. Daher ihre kognitiveMisere - bis heute ist es beispielsweise nicht gelungen, die Entstehungeiner einzigen chronischen Krankheit dynamisch, aber auch nicht-dyna-misch, logisch und zusammenhängend zu erklären. Paradebeispiel: AIDS.Es werden lediglich die Symptome beschrieben und Vermutungen ange-stellt.

Aristoteles nimmt intuitiv die Energieumwandlung zwischen den

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Die Philosophie des Mittelalters 69

Ebenen als eine äußerliche Bewegung - entspricht der Änderung derRaumzeit - vorweg. Die Aristotelische Entelechie erfaßt zugleich dieEvolution, die viele Jahre später von Darwin erst richtig als Konzepteingeführt wird, obwohl der Evolutionsgedanke bereits bei Kant vor-kommt. Die Entelechie ist nach Aristoteles eine Bewegung zur höherenKomplexität. Nach Aristoteles kann die jeweils höhere Ebene nicht ohnedie niedrigere bestehen. Die höchste Ebene ist der Mensch mit seinerFähigkeit zu denken. Einmal abgesehen von der Tatsache, daß es objek-tiv unmöglich ist festzustellen, was höher und was niedriger ist, erfaßtdie Entelechie die Raumzeit als eine Einheit - als eine Art prästabilierterHarmonie, so wie viele Jahrhunderte später Leibniz sagen wird. Dies istein fundamentaler Gedanke, den jeder von uns auch in Richtung Umweltbis zum bitteren Ende durchdenken sollte, damit man erkennt, daß mitdem Überleben der Menschheit nicht zum Besten bestellt ist. Nehmenwir nun unsere Ernährung als Beispiel, um die Aristotelische Entelechiezu veranschaulichen. Wir können nicht ohne die essentiellen Aminosäurenexistieren, diese spielen eine entscheidende Rolle in der Energieumwand-lung der menschlichen Zellen, die zum ersten Mal im Rahmen desUniversalgesetzes voll aufgeklärt wird. Die essentiellen Aminosäurenwerden jedoch nur von niederen Species wie Bakterien produziert undgelangen zu uns über die Nahrungskette. Wir können nur existieren, wenndie Bakterien existieren. Diesen wollen die Ärzte am liebsten gleich mitAntibiotika den Garaus machen. Sic transit gloria mundi.

Die Philosophie des Mittelalters

Nach Platon und Aristoteles kann die Philosophie der Spätantike keinevergleichbare Höhe vorweisen. Erst traten die Stoiker auf, die sich mitder Gefühlswelt der Menschen auseinandersetzten und dabei den frischenBlick für die Natur verloren, dann die Gegenbewegung der Epikureer,die Wahrhaftigkeit in der Mäßigung suchten, später die Skeptiker - undmit den Eklektikern wurde dann auch der Untergang des Römischen Rei-ches für alle sichtbar. Alle diese Bewegungen beschäftigen sich vorwie-gend mit ethischen Fragen und lassen die Ursprungskraft und Neugierdeder Präsokratiker und Philosophen der klassischen Antike vermissen.

Die Philosophie des Mittelalters versteht sich in Wirklichkeit alsTheosophie, auch wenn hier und da großartige Reminiszenzen an diealten griechischen Denkschulen zu erkennen sind. Die Philosophie der

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70 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Kirchenväter war ihrem Wesen nach transzendent. Diese religiöse Tran-szendenz sicherte den Erfolg der Kirche unter den Massen für lange Zeitgenauso, wie der Bacchus-Kult und der Orphismus dem inneren Bedürf-nis des antiken Menschen entgegenkamen, die Abgründe der Seele mitdem Streben des Geistes nach dem Kosmischen in einer spirituellen Ganz-heit zu vereinen. Die antike Welt war in hohem Maße orphisch und nurselten platonisch, und diese Erfahrungswelt setzte sich in der religiösenmystischen Tradition fort. Die religiöse Mystik vermittelt als eine emo-tionale Quelle des Glaubens eine ekstatische Erfahrung des Universal-gesetzes, die dann als Vereinigung mit Gott interpretiert wird. Das Ab-streifen alltäglicher Ablenkungen in der Stille der Meditationsstätten führtunweigerlich zur Wahrnehmung des Gesetzes. Denn was sonst kann un-ser Bewußtsein noch erfassen? Was letztendlich in der christlichen Reli-gion zählte, war weniger die im Mittelalter ohnehin sehr rare intellek-tuelle Erkenntnis, sondern vielmehr die Intensität des transzendentenErlebnisses. Bezeichnenderweise kommen fast alle religiösen Erneue-rungen aus diesem meditativen Bereich und nicht etwa aus dem weltli-chen Wirken der Kirche. Die Entdeckung des Universalgesetzes ist eineungewollte, jedoch überzeugende Bestätigung der mystischen Traditionin der christlichen Religion, die allerdings auf die antiken Kulte zurück-zuführen ist. Mit dem Universalgesetz wird die christliche Religionwissenschaftlicher und die Wissenschaft transzendenter.

In erweiterten Sinne erfassen alle Religionen, beispielsweise die indi-schen Religionen wie Upanischaden, Atman und Brahman, Buddhismus,Konfuzianismus, ferner Mithras-Kult, Bogomilen, Islam usw. und alleweltlichen philosophischen Schulen - von den Vorsokratikern bis zu dengroßen Philosophen der Neuzeit wie Descartes, Spinoza, Leibniz undKant - intuitiv die universelle Gültigkeit des Gesetzes. Sie erahnten, daßein allumfassendes Gesetz sowohl die Tätigkeit unseres Bewußtseins alsauch die Selbstorganisation der Materie im Universum bestimmt. DieseBewußtseinserfahrung ist in allen Kulturen und zu allen Zeiten anzutref-fen. Die Unterschiede der verschiedenen Religionen liegen lediglich inder übermäßigen Betonung oder Abtrennung einzelner Aspekte und Er-scheinungsformen des Universalgesetzes, die davon abgeleiteten ethi-schen Vorstellungen und Sittengesetze weichen noch stärker voneinanderab.

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Das Schisma des abendländischen Denkens 71

Das Schisma des abendländischen Denkens

Mit dem Kirchenschisma erfolgte die Trennung von Kirche und Staat inWesteuropa. Mit der Einnahme von Byzanz durch die Osmanen versankdie orthodoxe Kirche in die geschichtliche Bedeutungslosigkeit, siehtman einmal von der eher symbolhaften Fortsetzung des Zäsaropapismusin Rußland ab (drittes Rom). Nach dem Kirchenschisma verlor die ka-tholische Kirche den Bezug zum Logos als dem Universalgesetz, nachdem sich Staat, Kirche und Gesellschaft zu richten hatten. Der Logoswurde zum “Wort” (“Am Anfang war das Wort”) statt, wie ursprünglich,der “Einsicht” (Einsicht in das Gesetz). Der aus der Antike überlieferteGedanke Heraklits ging für die Kirche verloren. Langsam, aber stetigentfernte sich die christliche Religion von einem adäquaten Gespür fürdie Ideen des Universalgesetzes. Da ein solches Verständnis für dasAufrechterhalten der menschlichen Existenz und zum Vermeiden gesell-schaftlicher Instabilitäten teleologisch unabdingbar ist, wurde diese Auf-gabe in Europa von der aufkeimenden Wissenschaft der Neuzeit über-nommen. Die großen philosophischen Schulen von Descartes bis zumWiener Kreis beschäftigten sich intensivst mit dem Bewußtsein und mitden zugrundeliegenden Prinzipien menschlicher Wahrnehmung. Späte-stens seit Kant ist jede Philosophie mehr oder weniger Erkenntnistheo-rie.

Mit dem Aufbau der modernen Wissenschaft in der Neuzeit vollzogsich ein nicht mehr zu kittender Bruch im Weltbild des abendländi-schen Geistes, der bis heute anhält. Fortan wurde die Erkenntnis überdie Welt und über uns selbst durch getrennte theosophische und weltli-che - philosophische und rein wissenschaftliche - Denksysteme erfaßt.Der Dualismus einer solchen Weltanschauung wurde in der Philosophiewie in der modernen Physik aber als quälend empfunden, da in uns dasBedürfnis angelegt ist, die Welt als Ganzheit zu erfassen. Dieses Strebennach Universalität entspringt dem intuitiven menschlichen Empfindeneines einzigen ordnenden Prinzips, das sowohl unser Bewußtsein als auchdas Universum bestimmt. Die intellektuellen Leistungen der abend-ländischen Philosophen wurden stets vom erhabenen Ziel getragen, denGegensatz zwischen einer religiösen und einer weltlichen Erkenntnis zuüberwinden. Das Ergebnis war sowohl ein Rationalisieren des christli-chen Glaubens wie bei Leibniz und Descartes, als auch die Syntheseweltlicher und religiöser Vorstellungen zu einer neuen ethischen Reli-giosität wie bei Spinoza.

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72 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

In diesem Jahrhundert trennte sich dann die empirische Wissenschaftendgültig von der Philosophie und ein zweiter Bruch vollzog sich inunserem wissenschaftlichen Weltbild. Die Philosophie verlor den Zu-gang zur Empirie und spielte fortan nur noch eine unbedeutende Rolle.Dagegen leugnete die empirische Wissenschaft die Notwendigkeit einerallumfassenden Betrachtungsweise und ließ folgerichtig die Orientierungim Dickicht angesammelter Fakten vermissen. Die kognitive Misere derPhysik, der Medizin und der biologischen Wissenschaften in der heu-tigen Zeit ist nur äußerer Ausdruck des großen kulturellen Schisma imAbendland. Das gespaltene Bewußtsein führt am Ende unseres Jahrhun-derts zu einer philosophischen Verarmung im wissenschaftlichen Den-ken und zu stiller Resignation, die von Zweifeln an der erneuernden Kraftder Gesellschaft genährt wird. In der Vorstellung von einer “postmodernenZeit” findet diese seelenarme Periode in der Geschichte der Menschheitnicht einmal die Kraft, ihre Ratlosigkeit mit einem griffigeren Begriff zuformulieren.

Die Philosophie der Neuzeit

Die Philosophie der Neuzeit beginnt mit dem Barock, das die sprießen-den Kräfte einer zielstrebigen Epoche in üppigen Formen nach außenkehrt. In dieser Zeit schien es, als sei die Vernunft seit ihrer Wiederge-burt in der Renaissance mündig geworden. Ein enormer Entwicklungs-schub in der Mathematik durch Newton und Leibniz verlieh ihr den Rangeiner jenseits nationaler und individueller Besonderheiten stehenden undjedem zugänglichen Wissenschaft von höchster Allgemeingültigkeit, diedas Ideal aller Erkenntnis genauso verkörperte wie die Logik in der An-tike. Das Instrumentarium für große Leistungen war vorhanden, die nichtauf sich warten ließen.

Descartes

Descartes personifiziert den Glauben der Franzosen an die Ratio. Unddieser Glaube sitzt so tief, daß ihn nicht einmal die irrationalen Grau-samkeiten der französischen Revolution entwurzeln konnten. Aus radi-kalem Zweifel heraus, dem Ursprung jedes Denkens überhaupt, setztDescartes mit seinem berühmten Satz: “cogito ergo sum” - ich denke,

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Descartes 73

also bin ich - einen ersten unerschütterlichen Ausgangspunkt seinerphilosophischen Überlegungen:

“Mit dieser Gewißheit habe ich zugleich das Kriterium und Musterbeispielder Wahrheit in der Hand. Alles, was ich ebenso unmittelbar, ebenso klar unddeutlich erkenne wie diesen Satz, muß auch ebenso gewiß sein. Wenn esgelänge, noch etwas aufzufinden, was ebenso gewiß ist wie dieses, dann wäreder nächste Schritt zum Aufbau der richtigen Philosophie getan.”

Gibt es etwas, fragt sich Descartes, was dieser Forderung entspricht?-“Ja,” antwortet Descartes,

“... und zwar das Universalgesetz. Ich habe in mir die Idee des Univer-salgesetzes als eines unendlichen, allmächtigen und allwissenden Wesens.Diese Idee kann nicht aus der äußeren Wahrnehmung stammen, denn diesezeigt mir nur die endlichen Naturdinge. Ich kann sie mir auch nicht selbstgebildet haben, denn wie sollte es mir möglich sein, daß ich als endliches undunvollkommenes Wesen mir die Idee eines unendlichen und vollkommenenWesens aus mir selbst bilden könnte?”

Nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz habe ich in diesem Zitat dasWort “Gott” gegen das “Universalgesetz” ausgetauscht. In epis-temologischer Hinsicht ändert sich überhaupt nichts, welches Wort wirfür den Urbegriff wählen: Gott, Universum, Energie, Raumzeit, Bewußt-sein oder ihre mathematische Darstellung als Universalgesetz sind iden-tisch. Man hätte in der neuen Axiomatik der Wissenschaften das Wort„Universalgesetz“ konsequent durch den Begriff “Gott” ersetzen kön-nen und nichts am Inhalt der Aussagen hätte sich geändert.

Soll das heißen, daß mit dem Entdecken des Universalgesetzes Gottund Religion überflüssig geworden und durch die neue Theorie zu erset-zen sind? Die Frage ist berechtigt und erfordert eine differenzierte Be-trachtung. Als erstes ist das Universalgesetz im Gegensatz zur Religionwertneutral. Es ist eben existent. Zum zweiten ist das Gesetz empirischobjektivierbar. Zum dritten läßt es sich mathematisch formulieren. Zumvierten werden Krankheiten heilbar und das Leben verlängert, berück-sichtigt man seine Wirkungsweise. Auch Jesus hat die Menschen durchHeilerfolge für den Glauben gewonnen. Zum fünften: ausgehend vomUniversalgesetz lassen sich zukünftige gesellschaftliche, wirtschaftlicheund Umweltkatastrophen vermeiden. Ebenso bleibt aber auch die Ent-scheidungsfreiheit bestehen, vom Universalgesetz keine Notiz zu neh-

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74 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

men und den Untergang der Menschheit als die endgültige Singularitätin Kauf zu nehmen. Im kosmischen Maßstab gesehen wäre das “peanuts”,da nützt auch das ganze Pathos einer philosophischen Verklärung wenig.Und dennoch, steckt nicht in uns eine unerschütterliche Gewißheit, daßwir überleben werden - zwar nicht als Individuen, doch als Idee, die sichirgendwann in ferner Zukunft mit dem Universalgesetz vereinigt und dieAllmächtigkeit des Universums erlangt? Wer weiß es? Die Zukunft istoffen. Vielleicht ist aber die Zukunft bereits Gegenwart. Wer weiß es? Inunserer Unsicherheit über die ferne Zukunft ist jede Quelle des Trostesund der Erläuterung willkommen, so auch in Gestalt der Religion, solan-ge sie sich nicht dazu versteigt, praktische Empfehlungen für den Alltagabzugeben. Aber gerade hierin liegt ja das Problem.

Spinoza

“Nachdem mich die Erfahrung belehrt hat, daß alles, was das gewöhnlicheLeben häufig bietet, eitel und nichtig ist, und ich gesehen habe, daß alles,was ich fürchtete und was Angst vor mir hatte, Gutes und Böses nur soweitenthält, als es das Gemüt bewegt, so beschloß ich endlich zu erforschen, obes ein wahres Gut gibt, das seine Güte für sich allein, ohne Beimischunganderer Dinge, dem Geiste mitteilen kann: ja, ob es etwas gibt, durch dessenAuffindung und Erlangung stete und höchste Freude für immer gewonnenwerden kann...”

Baruch Despinoza oder, wie er sich später nannte, Benedictus de Spino-za, ein dreißigjähriger Jude aus Spanien, schrieb mit entsagungsvollemTon diese verklärten Worte. Woher kam diese Souveränität und uner-schütterliche Distanziertheit? Spinoza selbst glaubte, für sich jenes höch-ste Gut gefunden zu haben. In seiner an Intensität kaum zu überbieten-den “Ethik nach geometrischer Methode dargestellt” geht er vom Be-griff der “Substanz” aus. Darunter ist nicht die Materie zu verstehen,denn das lateinische Wort Substanz bedeutet wörtlich übersetzt das“Darunterstehende”. Mit Substanz meint Spinoza das Eine und Unend-liche, das hinter allen Dingen steht, das alles Seiende in sich vereinigt.Die Substanz ist ewig, unendlich, aus sich selbst existierend. Außerhalbvon ihr gibt es nichts. Der Substanzbegriff Spinozas ist gleichbedeutendmit dem Begriff der Energie und als Inbegriff alles Seienden auch gleich-bedeutend mit dem Begriff der Natur, des Universums. Spinoza zielt abermit dieser Gleichstellung auf den Begriff “Gott”. Somit steht am Anfang

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Spinoza 75

seiner Ethik das Prinzip der letzten Äquivalenz:

Substanz = Energie = Natur = Universum = Gott

Die Substanz wird dem Begriff “Modus” gegenübergestellt. Modusumfaßt alles, was nicht wie die Substanz aus sich selbst heraus zugleichfrei und selbständig besteht. Der Modus ist alles, was durch anderes be-dingt ist. Die Welt der seienden Dinge, der endlichen Erscheinungenentspricht dem Modus. Unschwer erkennbar ist Spinozas Modus iden-tisch mit den Begriffen “Ebene/ System” bzw. “Strukturkomplexität” -der Modus ist eine U-Menge des Urbegriffs. Bewußt stellt Spinoza denModus nicht der Substanz, dem Urbegriff, gleich. Um Mißverständnis-sen aus dem Weg zu gehen, verwendet er zwei Begriffe der Natur: Naturim Sinne der obengenannten Gleichung nennt er “schaffende Natur” (na-tura naturans), Natur als Inbegriff der endlichen Dinge, der konventio-nellen Strukturkomplexität, nennt er “geschaffene Natur” (naturanaturata). Da die Semantik menschlicher Sprache nicht die Ausschließ-lichkeit mathematischer Symbole besitzt - nur die “vernünftigen” (ratio-nalen, realen) Zahlen, die zur Russellschen N-Menge gehören, schließensich selbst als Element aus -, sondern aus historisch gewachsenen Be-griffen besteht, die sich selbst als Element enthalten (alle Gedanken sindU-Mengen), versteht Spinoza im weiteren Verlauf seiner Ethik unter“schaffender Natur” Gott und unter “geschaffener Natur” die Natur, sowie sie auch heute gewöhnlich aufgefaßt wird. Deswegen ist auch nichtverwunderlich, daß man Spinoza, dem vielleicht religiösesten aller Den-ker der Neuzeit, Gottlosigkeit vorwarf. In Wirklichkeit schuf Spinozaseinen eigenen Gott, indem er auf die spätere katholische Interpretationverzichtete. Spinozas Gott entspricht dem “Gott” als Logos, dem Einheits-gesetz, wie ihn die Kirche in Anlehnung an Heraklit ursprünglich begrif-fen hatte. Die Gleichung Spinozas läßt sich nun folgendermaßen ergän-zen:

Substanz = Energie = schaffende Natur = Universalgesetz = Gott

Also nimmt auch Spinoza nach Heraklit, dem tiefsten Denker in der Rei-he abendländischer Philosophen, das Prinzip der letzten Äquivalenz vor-weg. Alle philosophischen Gedanken führen zur tiefen Einsicht in dasUniversalgesetz.

Spinoza geht aber weiter. Für ihn hat die unendliche Substanz zwei

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76 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Eigenschaften: Denken und Ausdehnung. Beide sind unendlich. DieRaumzeit ist also unendlich. Das Kontinuum der Mathematik, mit dersie beschrieben wird und ein Gedankending ist (Dedekind) ist ebenfallsunendlich. Nach Spinoza ist Gott einerseits unendliche Ausdehnung,andererseits unendliches (mathematisches) Denken. Da die Substanz als“Darunterstehende” jedem Einzelwesen innewohnt, sind die Einzeldingeunter diesen beiden Gesichtspunkten zu betrachten: unter dem Gesichts-punkt des Denkens erscheint sie als Idee, unter dem Gesichtspunkt derAusdehnung (Geometrie) erscheint sie als Körper. Dieser weltanschau-licher Dualismus setzt sich fort in allen wissenschaftlichen und theore-tischen Betrachtungen der externen Welt.

Leibniz

Im allgemeinen gilt Leibniz als der letzte universale Geist der Neuzeit,der sich sowohl in der Wissenschaft als auch in der Philosophie und denKünsten zuhause fühlte; er gilt als Aristoteles der Neuzeit. Diese zwei-felsohne richtige Charakterisierung führt uns um so deutlicher den ver-hängnisvollen Weg vor Augen, den das denkende Abendland nach ihmeingeschlagen hat. Die Bedeutung von Leibniz für den Fortschritt derMathematik ist allseits bekannt. Wir haben in der neuen Theorie mehr-mals darauf hingewiesen. Das Hauptwerk der Leibnizschen Metaphysikist die Lehre der Monaden, die erst von Descartes Substanzbegriff herverständlich wird. Dieser Substanzbegriff wird von Leibniz verworfen.

Descartes meint, alle Naturerscheinungen ließen sich mit den Be-griffen Ausdehnung und Bewegung erklären, und formuliert ein Gesetzvon der “Erhaltung der Bewegung”. Wir zeigen in der neuen Axiomatik,daß die Bewegung die einzige Manifestation der Energieumwandlungist, die wir wahrnehmen können. Die mathematische Größe, welche dieBewegung erfaßt, wird konventionell „Geschwindigkeit“ (v) genannt.Sie läßt sich aus dem Urbegriff axiomatisch ableiten. Wir bezeichnen sieals „eindimensionale Raumzeit“ vo=o[1d-Raumzeit]. Sie ist eine abstrakteU-Menge des Urbegriffs, die im Rahmen des mathematischen Denkensgebildet wird und keine reale Existenz außerhalb der Mathematik hat.

Leibniz widerspricht Descartes: Betrachtet man die Körperwelt nurunter dem Gesichtspunkt der Ausdehnung, so beschreibt Bewegung nichtsweiter als eine Veränderung in den Nachbarschaftsverhältnissen derKörper, Verschiebung von Teilen des Raumes untereinander. Wie lassen

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Leibniz 77

sich dann überhaupt objektiv Bewegungen feststellen? Bewegung ist et-was rein Relatives. Welche Körper bewegt erscheinen und welche nicht,hängt allein vom Standpunkt des Betrachters ab. In seiner Kritik am carte-sianischen Begriff der Bewegung, die auch starke Züge der Diskussionmit Newton trägt, nimmt Leibniz die Grundgedanken der Relativitäts-theorie von Einstein vorweg. Die Newtonschen Axiome vor Augen fährtLeibniz fort, Bewegung sei nicht vom Begriff der Kraft zu trennen. DieKraft, die eine Observable der Energie ist, verkörpert für Leibniz daseinzige Wirkliche. Auch die Cartesianer sehen den steten Wechsel vonBewegung und Ruhe. Wo bleibt da die Bewegung, deren Summe dochnach Descartes immer gleich bleiben soll? Gleich bleibt nicht die Bewe-gung, sondern die Kraft. Wenn ein bewegter Körper in Ruhe übergeht,hört die Bewegung auf, nicht jedoch die Kraft. Der Körper hört nichtauf, Kraft zu sein oder Kraft darzustellen. Die Kraft bleibt erhalten undverwandelt sich in eine andere Form.

In Kenntnis der neuen Axiomatik erweist sich der berühmte Disputzwischen Leibniz und Descartes als überflüssig, da beide ein und dassel-be im Sinne haben. Im Rahmen des Universalgesetzes und seiner mathe-matischen Darstellung in der Physik wird bewiesen, daß die Kraft bzw.die Energie von der Bewegung nicht zu trennen ist. Sowohl die Geschwin-digkeit vo=o[1d-Raumzeit] als auch die Kraft Fo=oSP(A)[1d-Raumzeit]oflassen sich aus dem Urbegriff der Raumzeit innerhalb der Mathematikableiten und spiegeln die Erhaltung der Energie aufgrund ihrer Geschlos-senheit. Sie sind U-Mengen, die das Wesen des Urbegriffs manifestieren.In der Physik wird die Energie üblicherweise (im Rahmen der EuklidschenGeometrie) als zweidimensionale Raumzeit dargestellt Eo=oSP(A)[2d-Raumzeit]. Dies ist eine andere äquivalente Darstellung des Univer-salgesetzes Eo=oEAof.

Leibniz kritisiert die Auffassung Descartes’ von einer ausgedehntenSubstanz unter dem Gesichtspunkt der Differentialtheorie, die er mitNewton begründet hat. Es geht ihm um die Frage des Kontinuums undder Teilbarkeit der Substanz. Der mathematische Raum ist ein Kontinu-um und unendlich teilbar. Faßt man die Körperwelt rein geometrisch alsAusdehnung auf, dann ist die Materie unendlich teilbar.

Leibniz widerstrebt es, diese Ansicht zu teilen. Er erkennt, daß dieMaterie im Sinne der Physik etwas anders ist als der leere dreidimensio-nale Euklidsche Raum, der in der Geometrie und in der klassischen Me-chanik von Newton verwendet wird. Intuitiv erkennt er, daß dieser Raum,in dem die Ausdehnung und Bewegung physikalischer Objekte beschrie-

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78 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

ben wird, die innewohnende Eigenschaft der Körper, nämlich die Inho-mogenität (Diskretheit) der Raumzeit nicht richtig erfaßt. Diese Inho-mogenität der Raumzeit manifestiert sich durch quantitative Sprünge derEnergieumwandlung, die erst von den Sinnen als qualitative Sprüngebewertet werden, z.B. die verschiedenen Farben des sichtbaren Lichtes,die sich nur in der absoluten Zeit (Frequenz) unterscheiden Eo≈of.

Diese qualitativen Sprünge, so wie sie in der „Brechung der Wellen-funktion“ verkörpert werden, konnten bis zur Entdeckung des Universal-gesetzes nicht zufriedenstellend erklärt werden (siehe Diskussion um dieKopenhagener Deutung). Die wirklichen Einzeldinge, also die Systemeund Ebenen, aus denen das Kontinuum besteht, sind nach Leibniz nichtbeliebig teilbar. Man könnte meinen, er käme auf den Atomismus derVorsokratiker zurück, der sich im Standardmodell der Physik fortsetzt,doch genügt ihm deren Atombegriff offensichtlich nicht. Er kann sichnicht mit dem Gedanken anfreunden, daß die Welt aus einigen wenigenBausteinen nach dem „Lego-Prinzip“ aufgebaut wird, wie dies in dermodernen Physik behauptet wird. Leibniz verbindet den deterministischenAtombegriff von Demokrit und Leukipp mit der Transzendenz der Aris-totelischen Entelechie und gelangt zum Begriff der Monade. Bevor wirauf seine Monadenlehre eingehen und diese im Sinne der mathemati-schen Bedingungen für konstruktive und destruktive Interferenz derWellenlehre erläutern, müssen wir einige mathematische Begriffe imZusammenhang mit der Leibnizschen Interpretation des Kontinuumsvorab klären.

Zu Leibniz’ Zeit konnte man zwischen den reellen algebraischenZahlen des Kontinuums (A) und den reellen transzendenten Zahlen desKontinuums (T) noch nicht unterschieden. Gerade dieser Differenzie-rung greift aber der Mathematiker Leibniz für die physikalische Weltvor. Die Mathematik kann nur mit reellen algebraischen Zahlen operie-ren und ist außerstande, transzendente Zahlen für die physikalische Weltzu verwenden. Alle Naturkonstanten, die konstante Raum- und Zeit-Ver-hältnisse wiedergeben, werden beispielsweise als reelle algebraische Zah-len ausgedrückt und nicht als transzendente Zahlen. Die Raumzeit istaber zugleich transzendent und abzählbar. Das Kontinuum, das eine äqui-valente Widerspiegelung des Urbegriffs ist, beinhaltet diese Eigenschaf-ten der Raumzeit. Es wurde von Cantor als die Menge von A und Tdefiniert. Leibniz nimmt also die mathematischen Grundlagen des Uni-versalgesetzes vorweg. In diesem Sinne ist er der genialste Physiker undMathematiker der Neuzeit und erhält durch die Geschichte eine späte

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Leibniz 79

Rehabilitation in seinem berühmten Disput mit Newton, bei dem er schein-bar unterlegen war.

Wenn Leibniz meint, daß das Kontinuum der Materie, also das Kon-tinuum des Universums, nicht unendlich teilbar ist, bedeutet dies kei-neswegs, daß das Universum nicht unendlich, sondern, daß das Kontinu-um diskret ist und von einer zur anderen Ebene quantitative Sprüngeaufweist. Nach Leibniz ist jede Monade einmalig, auch wenn sie einSpiegelbild des Universums ist. Was Leibniz meint, ist nichts anderes,als daß das Universalgesetz nicht skaleninvariant ist, auch wenn es fürjede Untermenge der Raumzeit gilt. Durch die objektive Existenz derspezifischen Aktionspotentiale der einzelnen Ebenen, die einen weitge-hend konstanten Energiebetrag aufweisen, verändern sich die Raum-Zeit-Verhältnisse der Ebenen oder Systeme diskret, sobald eine Energieum-wandlung von einer Ebene zur anderen stattfindet. Die Brechung derWellenfunktion ist ein typisches Beispiel für dieses Phänomen. Leibnizmeint hierzu, daß keine zwei Monaden äußerlich gleich sind. Es gibtalso keine absolute Skala im Universum wie etwa der Euklidsche Raum,der von Newton in die Mechanik eingeführt wurde, sondern jede Ebeneoder System kann als Referenzsystem dienen. Der Grund dafür ist, daßdie Raumzeit in sich geschlossen ist, so daß jede Untermenge nur nachdem Zirkelschlußprinzip durch Bildung von Äquivalenz (Referenz-einheiten) und Verhältnis (Messung) ermittelt werden kann.

Wir kommen nun zur Monadenlehre von Leibniz, für die er sovielSpott von Voltaire in seiner Satire “Candide” erntete. Als historischeEinleitung zu den Grundaussagen des Universalgesetzes eignet sich die-se Lehre des größten deutschen Philosophen und Wissenschaftlers ingeradezu idealer Weise. In seiner berühmten metaphysischen Monaden-lehre vertritt Leibniz die Auffassung, daß das Universum aus mehrerenEinheiten, Monaden, gebildet ist, die unter vier Gesichtspunkten betrachtetwerden können:

1.ooDie Monaden sind Punkte. Der eigentliche Urgrund des Seienden sindpunktförmige Substanzen. Es gibt kein homogenes Kontinuum, sonderndie Materie ist diskret.

2.ooDie Monaden sind Kräfte, Kraftzentren. Ein Körper ist nach Leibniznichts anderes als ein Komplex punktueller Kraftzentren.

3.ooDie Monaden sind Seelen. Leibniz glaubte, daß die punktuellen

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80 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Ursubstanzen durchgängig “beseelt zu denken” sind, allerdings in ver-schiedenem Maße. Die niedersten Monaden sind gleichsam in einem träu-menden oder betäubten Zustand, sie haben nur dunkle, unbewußte Vor-stellungen. Die höheren Monaden wie die Menschenseele haben Bewußt-sein. Die höchste Monade hat ein unendliches Bewußtsein, Allwissen-heit.

4.ooDie Monaden sind Individuen. Es gibt nicht zwei gleiche Monaden.Die Monaden bilden eine lückenlose, kontinuierliche Reihe von der höch-sten göttlichen Monade bis zur einfachsten. Jede hat darin ihren unver-wechselbaren Platz, jede spiegelt das Universum auf ihre eigene, einma-lige Weise wider, und jede ist potentiell, der Möglichkeit nach, ein Spie-gel des gesamten Universums. Wenn man eine Monade erkennt, erkenntman das Urgesetz, nach dem das ganze Universum regiert wird. Alles,was mit und in der Monade geschieht, folgt aus ihr selbst und ihremWesen.

Leibniz nimmt also die Grundaussagen der neuen Axiomatik vorweg - ersagt die Existenz der Ebenen voraus, setzt die Kraft (o=oEnergie) an ersteStelle, zeigt die Diskretheit der Materie/ Energie aus mathematischerSicht und erkennt in der Umwandlung der Energie zwischen den Ebenendie formende Kraft. Wie Spinoza, kommt auch er zum Prinzip der letz-ten Äquivalenz.

Jedoch darf die Entdeckung des Universalgesetzes nicht auf dieMonadenlehre von Leibniz zurückgeführt werden. Als Einleitung zurneuen Theorie illustriert sie lediglich die fundamentale Tatsache, daß inden Anfängen der modernen Wissenschaft die Basis für eine andere Ent-wicklung als die heutige gelegt wurde, es dauerte allerdings fast drei-hundert Jahre, bis diese eingeleitet wurde. Dieses und unzählige andereBeispiele aus der Ideenwelt menschlichen Denkens belegen auf über-zeugende Weise, daß das menschliche Bewußtsein stets und zu allenZeiten das Universalgesetz in der Vielfalt der materiellen Formen undder Ideen intuitiv erkennt und zu formulieren sucht.

Leibniz’ Leistung endet aber nicht mit der Monadenlehre. Er führtden Begriff der “prästabilierten Harmonie” ein, indem er zu einemuralten Problem der Philosophie Stellung nimmt. Für Descartes gibt eszwei Substanzen: Denken und Ausdehnung; für die meisten Philosophenim erweiterten Sinne: das Geistige und das Seiende. Welches Prinzipregelt ihre Beziehung zueinander? Dieses Problem ist für den Mensch

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Leibniz 81

bis zur Entdeckung des Universalgesetzes nicht geklärt worden. Wasverbindet den Geist mit dem Körper? In der Monadenlehre geht Leibnizvon unendlich vielen Monaden aus. Hier stellt er sich einem noch größe-ren Problem. Nach Leibniz bilden die Monaden ein harmonisches Gan-zes. Dies ist nur möglich, wenn die Monaden, die ja jede für sich einzig-artig und unverwechselbar sind, miteinander in Beziehung stehen undsich in Übereinstimmung entwickeln. Diese Übereinstimmung zwischenden Monaden kann nur aus dem gemeinsamen Ursprung, aus der Gott-heit erklärt werden. Was Leibniz unter Gottheit versteht, ist unschwer zuerkennen - er meint damit das gemeinsame Naturgesetz der Schöpfung,aus dem die prästabilierte Harmonie des Universums hervorgeht.

Die prästabilierte Harmonie von Leibniz findet ihren Niederschlagin der Wellenlehre. Im Rahmen des Universalgesetzes wird bewiesen,daß alle Bewegungen Rotationen sind, d.h. sie sind geschlossene Abläu-fe. Der Grund dafür ist, daß die Raumzeit in sich geschlossen ist, undalle Teile ihr Wesen als U-Mengen manifestieren. Jede Rotation kann alsein System oder eine Ebene betrachtet werden. Jede Rotation ist die Aus-gang einer Welle, genaugenommen kann man eine Welle von einer Rota-tion unter reellen Bedingungen nicht unterscheiden. Die Unterscheidungfindet nur im Rahmen der Mathematik statt und ist somit abstrakter Na-tur. Wellen können sich überlagern und neue Formen (Strukturkomple-xität) bilden. Stehende Wellen, die man holographisch sichtbar machenkann, sind überzeugende Beispiele für diese Eigenschaft der Raumzeit.Die Überlagerung der Wellen/Rotationen folgt aus der Offenheit derSysteme - sie tauschen ständig Energie untereinander aus. Jeder Wellen-gang kann unter dem Gesichtspunkt der Energieübertragung betrachtetwerden. Wellen können sich löschen oder potenzieren. Das gleiche giltfür ihre Energie. Die Bedingungen der destruktiven oder konstruktivenInterferenz lassen sich mathematisch erfassen. Dies beweist, daß dieRaumzeit und das Kontinuum äquivalente Begriffe sind. Die Bedingun-gen der konstruktiven und destruktiven Interferenz erfassen die Bildungund Dissipation von Strukturkomplexität. Die Tatsache, daß alle physi-kalischen Formen wie Teilchen und Materie Wellencharakter haben, istin der Physik seit de Broglie bekannt, auch wenn sie nicht bis zum Endedurchdacht wurde. In der neuen Axiomatik wird die Raumzeit als einGebilde aus überlagerten Wellen unter der Bedingung der konstruk-tiven Interferenz betrachtet. Leibniz spricht in diesem Zusammenhangvon einer prästabilierten Harmonie. Diese Harmonie kann auch mit demberühmten KAM-Theorem mathematisch erfaßt werden.

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82 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

In diesem Sinne erweist sich das Universum als eine ungeheuer komple-xe Lösung der Ordnung, bei der die Entstehung jeder neuen Ebene inHarmonie mit den anderen abläuft. Dies setzt voraus, daß die Monaden(die Ebenen) miteinander korrelieren. Leibniz hat diese Korrelation mitdem berühmten Uhrengleichnis verdeutlicht. Es handelt sich um einGedankenexperiment. Auch hier war Leibniz Einstein voraus. Mandenke sich zwei Uhren, die fortlaufend ohne die geringste Abweichungübereinstimmen. Das kann auf drei denkbare Arten erfolgen: 1)osie sinddurch eine technische Vorrichtung so miteinander verbunden, daß einevon der anderen mechanisch abhängig ist und nicht abweichen kann;2)oes gibt einen beaufsichtigenden Mechaniker, der die beiden fortlaufendreguliert und 3)odie beiden Uhren sind mit solcher Kunstfertigkeit undPräzision gemacht, daß eine Abweichung ausgeschlossen ist. Die über-wiegende Meinung in der Wissenschaft und der Theosophie setzt be-wußt oder unbewußt auf die zweite Lösung: Gott in der Rolle desDemiurgen - ein unermüdlicher Leviathan, ein Deus ex machina, späterals der Maxwellsche Teufel oder die “unsichtbare Hand” eines AdamSmith, und in unserer Zeit in den Eigenschen Hyperzyklen der koopera-tiven Gene, also Gott als Schöpfer und Lenker der Natur zugleich. Inihrer Erklärungsnot läßt die moderne Wissenschaft an diesem entschei-denden Punkt unvermittelt die Teleologie, von der sie sich fortwährenddistanziert, durch die Hintertür in ihre eigenen Domäne, die objektiveempirische Erklärung von Naturabläufen, hineinschlüpfen. Für welcheMöglichkeit entscheidet sich Leibniz? Er wählt die dritte Möglichkeitund überläßt einem herkömmlichen Gott, so wie ihn die christliche Reli-gion und weite Bereiche der Wissenschaft im allgemeinen verstehen,keinen Platz im Universum. Er schreibt:

“daß nämlich Gott von Anbeginn an jede der beiden Substanzen so geschaffenhat, daß eine jede, indem sie nur ihre eigenen Gesetze befolgt, die sie zu-gleich mit ihrem Dasein empfangen hat, mit der anderen genau ebenso inÜbereinstimmung bleibt, als wenn ein gegenseitiger Einfluß stattfände oderals wenn Gott immer mit seiner Hand ergreife..”

Aber Gott tut es nicht, zumindest in Leibniz’ Augen, weil er sich einenGott, der außerhalb des Seienden steht, nicht vorstellen kann. Jede Mo-nade (o=oEbene), die neu entsteht, “empfängt”, um mit LeibnizschemVokabular zu sprechen, das Göttliche als Schöpfungsakt und entfaltetsich in Harmonie mit den darunter- und darüberliegenden Monaden. Dieprästabilierte Harmonie ist nach Leibniz eine im Voraus angelegte Har-

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Leibniz 83

monie, die als ein Perpetuum mobile - das Universum ist geschlossenund die Energie konserviert - sich aus sich heraus weiterentwickelt. DieFrage, wann der erste “göttliche” Schub gekommen sei, bleibt in diesemKontext sinnlos, denn nach unserer Definition ist die Raumzeit unend-lich, d.h. sie ist räumlich unendlich und zeitlich ewig. Vor der Entste-hung des Universums hat es keine Zeit gegeben. Das “Nichts” kenntkeine Zeit.

Nicht minder brillant ist der Leibnizsche Gedanke der Theodizee. DerGrundgedanke einer prästabilierten Harmonie führt unweigerlich zu ei-ner optimistischen Weltanschauung. Die irdische Erfahrung ist jedochalles andere als harmonisch und gibt selten Anlaß zum Optimismus. DieKirche zum Beispiel kann das ziellose Walten des Übels und des Bösenin dieser Welt aus der christlichen Ethik heraus nicht erklären. Das Übeltrifft die Gottesfürchtigsten auf der Erde mindestens genauso oft wie dieAntichristen, ja sogar noch häufiger. Denn die Geschichte der Kirche isteine Leidensgeschichte. Wenn Gott allmächtig ist, wieso läßt er dieseaus christlicher Sicht offenkundige Ungerechtigkeit zu? Dieses Problemder Theodizee löst Leibniz, indem er drei Übel definiert: das physische,das moralische und das metaphysische. Die beiden ersten sind durch dieUnvollkommenheit der Monaden unvermeidlich, die er in einem Prozeßdes Werdens betrachtet. Das metaphysische Übel besteht in der Endlich-keit dieser Welt. Eine vollkommene Welt wäre mit Gott gleich, denn nurGott ist vollkommen. Also sind alle Monaden, die sich im Prozeß desWerdens befinden, der Zukunft gegenüber unvollkommen, weil sie sichin einem Evolutionsprozeß zu höherer Komplexität befinden. Hier führtLeibniz den Evolutionsgedanken als selbstverständlich ein. Zumindestunter den Gelehrten seiner Zeit war diese Vorstellung tatsächlich weit-verbreitet.

Die dialektische Kehrseite der Entstehung von Formen ist also dieDissipation. In dieser Hinsicht befindet sich Leibniz in bester Gesell-schaft mit dem Gros der Philosophen in der Antike. Nach Leibniz fälltaber das dritte metaphysische Übel mit dem Erreichen der absolutenVollkommenheit zusammen. Eine absolute Vollkommenheit ist aber dieNegation der Evolution - sie kann also nur den Tod des Universums be-deuten. Umschreibt Leibniz mit seinem metaphysischen Übel den un-vermeidlichen Tod des Universums, den letzten aller “big bangs”, derauf uns wartet? Oder verhält es eher, wie der Poet sagt: “That’s the waythe world goes. Not with the bang, but with the whimper.”

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84 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Nach den Folgerungen aus dem Universalgesetz ist die Zukunft in ihremVerlauf offen und schließt auch “the worst case” ein. Die RussellscheAntinomie, „Sein“ vs. „Nicht-Sein“, gilt für das gesamte Universum. Dasmetaphysische Übel beschreibt also die Grenzbedingungen des Univer-sums, bei denen die Zeit und die Energie gegen Null streben und derRaum unendlich wird: wenn Eo≈of→0, dann [Raum]→∞. Die Raumzeitwird dann zu “Nichts”. Und das “Nichts” können wir uns nicht vorstel-len. Dies ist Metaphysik in Vollendung!

Der englische Empirismus

Die Aufklärung auf dem Kontinent findet in Leibniz ihren vorläufigenHöhepunkt. Zur gleichen Zeit keimt in England der Empirismus, der durchden Vormarsch der angelsächsischen Kultur und nicht zuletzt durch dieNachkriegspolitik bis heute weltweit vorherrschend ist. Mit der Entdek-kung des Universalgesetzes wird das Ende einer Epoche eingeleitet, dieman zu Recht empirisch nennen darf. Die empirische Wissenschaft hatdie Menschheit zu den bisher größten Errungenschaften geführt, sie hatihr aber auch die Abgründe des vermeintlichen Fortschritts gezeigt. Undnachdem der Empirismus in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zuneh-mend an Schwindsucht gelitten hat, muß er, wie alles in der Natur, miteiner Singularität - der Entdeckung des Universalgesetzes - enden, damiter, wie alles in der Natur, in einem neuen Gewandt erstehen kann. Dennnichts geht im Universum verloren, auch die vielen scheinbar abwegigenGedanken, welche die Menschheit in ihrer kurzen Geschichte immerwieder hervorgebracht hat.

Locke

Locke ist der erste der glorreichen Drei des Empirismus. Die anderenbeiden sind Berkeley und Hume. Alle drei sind Erkenntnistheoretiker,die mit dem Bewußtsein beginnen, um es am Ende vor dem Altar derEmpirie zu opfern. Das Denken ist eben eine schmale Gradwanderung.Russell, ein Landsmann Lockes in bester englischen Tradition, faßt denEmpirismus, die Lehre, die sich anschickt, das ganze Wissen aus derErfahrung heraus zu begründen, mit folgender Einschränkung zusam-men: “Locke may be regarded as the founder of empiricism, which is the

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Locke 85

doctrine that all our knowledge (with possible exception of logic andmathematics) is derived from experience”. Oder wie Locke selbst schreibt:

“Let us then suppose the mind to be, as we say, white paper, void of allcharacters, without any ideas; how comes it to be furnished? Whence comesit by that vast store, which the busy and boundless fancy of man has paintedon it with an almost endless variety? Whence has it all the materials of reasonand knowledge? To this I answer in one word, from experience: in that all ourknowledge is founded, and from that it ultimately derives itself”.

Bereits aus diesem Zitat wird ersichtlich, daß der Empirismus auf einerfalschen Prämisse aufbaut. Das Bewußtsein ist nicht leer, es ist nicht leerbei der Geburt, nicht einmal beim Fötus ist es leer. Es ist vielmehr “voll”mit der genetisch vererbten prästabilierten Harmonie der organischenMaterie, die auf eine fast vier Milliarden Jahre Evolutionsgeschichtezurückgreift. Das Bewußtsein operiert, wie der Organismus, von An-beginn an nach dem Universalgesetz. In ihm ist das ganze Universumlatent gespeichert. Damit dürfte das Wesentliche dessen, was man gegenden Empirismus vortragen könnte, bereits gesagt sein. Es genügt, KantsIdee von den á priori Vorstellungen als synthetische Gedanken anzufüh-ren. Aber der Empirismus ist vielschichtig und facettenreich. Und er warpolitisch ungemein erfolgreich. Es lohnt sich, dem Phänomen nachzu-gehen.

Der Empirismus als Erkenntnistheorie setzt die Existenz eines Ob-jektes und eines Subjektes voraus. Die Aufteilung der Welt in Subjekte,die wahrnehmen, und Objekte, die wahrgenommen werden, ist auch einKennzeichen der Erkenntnistheorie des späteren Materialismus und vorallem des dialektischen Materialismus, der als eine Weltdoktrin erst vorwenigen Jahren Abschied von dieser Welt nahm. Der Empirismus undseine spätere Neuauflage, der Materialismus, aber auch ihr Kontrahent,der Idealismus, können keine befriedigende Lösung der zentralen philo-sophischen Frage geben, nämlich wie das Wissen über die äußere Weltentsteht, wenn das Bewußtsein nach den Materialisten eine Angelegen-heit des menschlichen Körpers ist und nach den Idealisten die des mensch-lichen Geistes und somit nur die inneren Vorgänge erfahren kann. Manmuß sogleich sagen, daß dieses Problem von der abendländischen Philo-sophie bis heute nicht befriedigend geklärt worden ist.

Locke nimmt an, daß bestimmte mentale Vorgänge, die er “sensations”nennt, externe Ursachen haben, und daß diese Ursachen bis zu einemgewissen Grade den “sensations” (Wahrnehmungen) entsprechen. Unser

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Bewußtsein erfährt die “sensations”, nicht aber die Ursachen. UnsereErfahrung wird in diesem Fall die gleiche sein, wenn die “sensations”spontan, d.h. ohne äußere Ursachen entstehen. Damit ist aber dem Empi-rismus der Boden unter den Füßen entzogen. Denn wie sicher ist dieErfahrung selbst, wenn es keine Möglichkeit gibt, die Konsistenz zwi-schen äußeren Ursachen und “sensations” zu überprüfen?

Im Rahmen des Universalgesetzes wird aufgeklärt, daß erstens alleWahrnehmungen, die sensorischen und die somatischen, energetischerNatur sind. Zweitens, daß es im energetischen Sinne keinen Unterschiedzwischen einer Sinnes- und einer somatischen Wahrnehmung gibt. DasAuge nimmt das Licht wahr, das aus den äußeren Gegenständen als Pho-tonen emittiert wird. Es handelt sich um Photonen des sichtbaren Be-reichs, die von Rhodopsin, einem integralen sensorischen Protein undim speziellen von der prosthetischen Gruppe dieses Proteins, Retinal,absorbiert werden. Die Energie eines Photons im sichtbaren BereichEo=ohf, bzw. Eo=ohc/λ, hängt von der Wellenlänge ab, da h und c Konstan-ten sind. Die Wellenlänge der Photonen, die auf der Erde eintreffen, hängtwiederum nach dem Wienschen Verschiebungsgesetz nur von der Tem-peratur der Sonnenoberfläche ab (λo=oB/T, Bo=oconst.). Der sichtbare Be-reich des Lichtes entspricht der maximalen Strahlungsintensität der Son-ne. Unsere Sinneswahrnehmung hat sich im energetischen Sinne ent-sprechend der charakteristischen Wärmeeigenschaften der Sonne orien-tiert - sie folgt der Leibnizschen prästabilierten Harmonie. Wäre die Tem-peratur der Sonne nicht To=o6000oK, sondern höher oder niedriger, dannhätte Rhodopsin womöglich ein anderes Polyen als prosthetische Grup-pe anstelle von Retinal gehabt, um die intensivste Sonnenstrahlung wahr-nehmen zu können. Viele Species können Lichtwellen im infraroten oderultravioletten Bereich aufnehmen, je nachdem wie ihre Lebensge-wohnheiten sind. Wir erkennen den engen Zusammenhang zwischen demenergetischen Umfeld und dem biochemischen Aufbau der Organismen.

Ein weiterer Aspekt der Energieumwandlung, die zur Wahrnehmungführt, muß an dieser Stelle hervorgehoben werden. Die Sinnesorganeund die Wahrnehmungen haben eine energetisch begrenzte Sensitivität -das Auge kann das Licht beispielsweise nur innerhalb einer schmalenBandbreite wahrnehmen. Die Photonen, die jedoch von den Gegenständenemittiert werden, decken nach den Strahlungsgesetzen (Stefan-Boltz-mann-Gesetz und Wien-Verschiebungsgesetz) einen wesentlich breite-ren Frequenzbereich ab. Unsere Sinneswahrnehmung der äußeren Weltist also energetisch selektiv und eingeschränkt zugleich. Sie ist gewis-

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sermaßen abstrakt, weil sie nur einen Teil der Information erfaßt. Infor-mation ist nach Shannon die Erfassung von Ereigniswahrscheinlichkeiten.Diese Informationsformel erweist sich als eine probabilistische Darstel-lung des Universalgesetzes, das die Energieumwandlung zwischen denEbenen erfaßt. Die Ereignisse sind in diesem Fall die Aktionspotentiale.In der neuen Axiomatik wird eindeutig bewiesen, daß derWahrscheinlichkeitsmenge mit dem Kontinuum identisch ist, so daß derWahrscheinlichkeitsbegriff eine Umschreibung der Raumzeit ist - alleWahrscheinlichkeitswerte, die man aus einer reellen Stichmenge derRaumzeit erhalten kann, sind Raum- oder Zeitgrößen. Dies führt zu ei-ner bedeutenden Vereinfachung in unserem wissenschaftlichen Weltbild,das seit der Entwicklung der Quantenmechanik durchwegs probabilistischist.

Die Wahrnehmungen erscheinen uns in einem noch größeren Um-fang abstrakt, wenn man sich die weitere Verarbeitung von Signalen imHirn vergegenwärtigt. Die Absorption von Photonen durch Rhodopsinlöst eine Hyper-Repolarisation der Stäbchen der Retina aus. Im Band IIIliefere ich eine einfache Erklärung im Sinne des Universalgesetzes, wiediese Hyper-Repolarisation zustande kommt. Die Hyper-Repolarisationwird vom ersten Hirnnerv über Synapsen aufgenommen und über weite-re Verschaltungen zum Sehzentrum geleitet. Die weitere Verarbeitungbis zur Entstehung von visuellen Vorstellungen ist derart komplex, daßwir zur Zeit nicht in der Lage sind, diese nachzuvollziehen. Es ist frag-lich, ob es auch sinnvoll ist. Es ist auf jeden Fall wichtig, zu der Erkennt-nis zu gelangen, daß die optischen Wahrnehmungen durch die Auf-summierung unzähliger Elementarvorgänge, wie Repolarisation undDepolarisation an den Synapsen der Neuronen zustande kommen, dienichts anders sind als diskrete Energieumwandlungen und in derNeurophysiologie als Aktionspotentiale definiert werden. Diese diskre-ten Ereignisse kann man auch als Wahrscheinlichkeiten auffassen, oder,wenn man will, auch als Information betrachten. Denn Information istgleich Energieumwandlung. Auch die anderen Sinnesorgane wie Gehör,Geruch, Geschmack und Tastsinn operieren nach demselben Prinzip.Dabei ist es unerheblich, ob das Primärereignis eine Depolarisation (z.B.Gehör) oder eine Hyper-Repolarisation (Auge) ist. Die somatischenWahrnehmungen aus dem Inneren des Körpers erfolgen durch eine De-polarisation der peripheren Neuronen, die im weiteren Verlauf durchinhibitorische Synapsen zu (Hyper-)Repolarisationen umgewandelt wer-den. Der energetische Mechanismus der Erfassung der Primärinformation

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bleibt dennoch immer derselbe.Es gibt somit keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den äuße-

ren Wahrnehmungen, also zwischen den “sensations” im Sinne von Lok-ke und den inneren Wahrnehmungen, welche nach der empirischen Leh-re ohne Erfahrung auftreten. Der Empirismus als Erkenntnistheorie - dieausschließliche Hervorhebung der unmittelbaren äußeren Erfahrung - istsomit nicht zu halten. Der englische Empirismus hat die Rolle der Erfah-rung überbetont und in diesem Zuge die gestalterische Kraft des Be-wußtseins aus der á priori Wahrnehmung des Universalgesetzes herausgeleugnet. Die neue wissenschaftlich fundierte Erkenntnistheorie desUniversalgesetzes wird durch die neuesten Ergebnisse der biochemischenund biologischen Forschung uneingeschränkt bestätigt, wie eine prospek-tive und retrospektive Literaturrecherche von über 10000 Publikationenbestätigt. Diese werden in der Allgemeinen Theorie der BiologischenRegulation in Band III vorgestellt.

Alle Wahrnehmungen und Vorstellungen sind zudem im Sinne vonKant synthetisch - d.h. sie sind das Summenprodukt unzähliger Energie-umwandlungen unzähliger Neuronen und synaptischer Verschaltungenim Hirn. Bevor man vor dieser unfaßbaren Komplexität verzweifelt - derMensch hat schätzungsweise 1012 Neuronen, etwa genau soviel wie Sternein unserer Galaxis - sollte man sich stets vor Augen halten, daß alle un-sere Gedanken U-Mengen elementarer energetischer Ereignisse - derAktionspotentiale, sind, die aus einer De- und Repolarisationsphase be-stehen. Auch die Zelle ist extrem komplex - die Anzahl der Membran-proteine einer Zelle kann schätzungsweise bis zu 1 Million betragen,dennoch können wir das Aktionspotential als Summenprodukt dieserProteine energetisch bestimmen und zur Therapie von Krankheiten erfolg-reich modulieren. Dies gelingt nicht nur für die einzelne Zelle, sondernauch für den gesamten Organismus.

Selbstorganisation ist an erster Stelle Wachstum. Das Bewußtseinals metaphysische Ebene bedient sich vor allem des zentralen Nervensy-stems. Mittlerweile weiß man, daß die gezielte Stimulierung bestimmterLeitungsbahnen das Wachstum ihrer Neuronen und synaptischenVerschaltungen fördert. Diese Beobachtung liegt dem Connectionismuszugrunde, einer synthetischen Wissenschaft, die von derneurophysiologischen Forschung bis hin zur Computertechnologie reichtund darüber hinaus auch solche Disziplinen wie Semantik und Logikeinschließt. Das Grundphänomen des Connectionismus ist jedoch bisheute nicht geklärt worden: was reguliert das Wachstum und die

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Verschaltung der Nervenzellen, wenn sie stimuliert werden? Mit ande-ren Worten: welche Kraft verbirgt sich hinter der strukturellen und kine-matischen Organisation des Bewußtseins, die man experimentell beob-achten kann. Dies wäre nämlich der Schlüssel zur Entwicklung einerkünstlichen Intelligenz.

Im Rahmen des Universalgesetzes ist die Erklärung, wie üblich, ver-blüffend einfach. Das Wachstum und Vernetzung der neuronalenVerschaltungen ist energetisch gesteuert. Wenn bestimmte Leitungs-bahnen häufig stimuliert werden, d.h. wenn ihr Energieumsatz erhöhtwird, dann fördert diese Zunahme der Energieumwandlung das Zell-wachstum, einschließlich des Wachstums der Synapsen, die ja nichtsanderes sind als spezialisierte Zellfortsätze. Umgekehrt: wenn man dieSinneswahrnehmungen unterbindet, etwa das Sehen verhindert, beob-achtet man eine Atrophie der entsprechenden Leitungsbahnen, weil dieEnergiezufuhr der Photonenebene unterbleibt. Einen überzeugenderenBeweis dafür, daß alle Zellen erst durch Stimulation, d.h. durch die Auslö-sung von Aktionspotentialen, wachsen und gedeihen, kann es nicht ge-ben. Unsere biologische Regulation ist eine ununterbrochene energe-tische Stimulation. Dies betrifft vor allem das Denken. Die ständigeBeschäftigung mit unterschiedlichen Themen und Erfahrungsbereichenfördert das Bewußtsein und das Wissen, das man alleine aus der tägli-chen empirischen Erfahrung nicht sammeln kann.

Erfahrung ist zweifellos wichtig, sie ist jedoch nur eine Seite der Me-daille. Allein aus der Erfahrung heraus kann man die tiefste Erkenntnis,diejenige von der Existenz des Universalgesetzes, nicht erlangen. Diesekann zwar durch eine empirische Erfahrung ausgelöst, jedoch nur durchwissenschaftliche Kontemplation in ihrer Gesamtheit verinnerlicht wer-den. Das auslösende Moment für die Entdeckung des Universalgesetzeswar die zufällige Entdeckung, daß zwei Medikamente, Nystatin undAmphotericin B, die bisher nur gegen Pilzerkrankungen eingesetzt wur-den, bei einer Reihe von Krankheiten wirksam sind (siehe Band III).Diese empirische Erfahrung alleine hätte nicht ausgereicht, das Univer-salgesetz zu entdecken. Die entscheidenden Impulse kamen aus der in-tuitiven Wahrnehmung innerer Bewußtseinsvorgänge, intuitiver Gedan-ken und scheinbar abwegiger emotionaler und intellektueller Empfin-dungen, die vordergründig nichts mit der empirischen Entdeckung zutun hatten, aber im Unterbewußtsein die Vernetzung offensichtlich mäch-tig gefördert haben müssen. Erst wenn sich die einzelnen Gedankenstücke

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zu einem vollständigen, jedoch schemenhaften Mosaikbild zusammen-fügen, dann beginnt die mühselige Arbeit, die Umrisse dieses Bildes inklaren wissenschaftlichen Begriffen zu fassen. Dies kann nur unter Zuhil-fenahme aller möglichen Denkmodelle der Wissenschaft erfolgen, mitdenen man sich konsequent auseinandersetzen muß. Um diese letzteAufgabe zu bewältigen, benötigt man freilich umfangreiche Kenntnisseund Erfahrung in der Methodologie der Wissenschaften - eine, wie mirscheint, zur Zeit zu Unrecht stiefmütterlich behandelte Disziplin.

Zurück zum Begründer des englischen Empirismus. Lockes größterEinfluß war in der Politik spürbar. Sein “social contract” und die Ideevon “checks and balances” sind bis heute die Grundlage der modernenDemokratie, auch wenn sie von den gegenwärtigen delegierten Autokra-tien, die aus sporadischen Wahlen entstehen, gerne vergessen werden.Sein Einfluß in England und Frankreich erfolgte über das Prestige vonNewton. Der größte geistige Kontrahent Lockes war Leibniz. Beide ver-körpern die zwei dialektischen Aspekte der Allgemeinen Theorie derWissenschaften, die sich aus dem Universalgesetz ergeben. Locke kommtaus der Vielfalt der empirischen Erfahrung heraus zu bescheidenenSchlußfolgerungen, Leibniz hingegen baut ein grandioses Gebäude auseinem inneren Prinzip heraus. Russell faßt diese grundverschiedenenDenkschulen deutscher und englischer Philosophie so zusammen:

“The difference of method, here, may be characterized as follows: In Lockeor Hume, a comparatively modest conclusion is drawn from a broad surveyof many facts, whereas in Leibniz a vast edifice of deduction is pyramidedupon a pin-point of logical principle. In Leibniz, if the principle is completelytrue and the deductions are entirely valid, all is well;....This difference ofmethod survived Kant’s attempt to incorporate something of the empiricalphilosophy: from Descartes to Hegel on the one side, and from Locke toJohn Stuart Mill on the other it remains unvarying.”

Mit der Entdeckung des Universalgesetzes ist die Synthese der beidenMethoden vollzogen. Die vorliegende Tetralogie ist das Paradebeispiel,daß sich ein allumfassendes Prinzip hinter der Vielfalt der Erscheinun-gen verbirgt, das die bereits bekannten empirischen Fakten auf eine bis-her für unmöglich gehaltene fundamentale und umfangreiche Weise be-stätigt und zugleich erweitert. Die Erklärung der Krankheitsätiologie vonKrebs, AIDS, Atherosklerose und anderen Krankheiten und die Einfüh-rung konkreter erfolgversprechender Therapien aus dem Universalge-setz heraus versöhnt endgültig die Empirie mit der Deduktion. Von jetzt

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Berkeley 91

ab kann es nur noch eine Methode geben: die empirische Anwendungdes Universalgesetzes als Quelle des schöpferischen Akts in Wissenschaft,Politik und Kultur.

Berkeley

Berkeley ist ein reiner Erkenntnistheoretiker. Er beseitigt teilweise dieWidersprüche in Lockes Theorie, indem er vom Grundsatz ausgeht, daßalles, was wir wahrnehmen und erkennen, ob durch äußere oder innereWahrnehmung, ob als primäre oder sekundäre Eigenschaft, ob als einfa-che oder synthetische Idee, uns nur als Phänomen unseres Bewußtseinsgegeben ist. Dies wurde bereits bestätigt. Wie leicht man aber aus einersolchen richtigen Feststellung heraus ins Extreme geraten kann, führtuns Schopenhauer vor Augen, dessen spätere Philosophie in dem Satzkulminiert: “Die Welt ist meine Vorstellung”. Für die Engländer gilt hin-gegen, den festen Boden des “common sense” nicht zu verlassen. Ausdieser Grundeinstellung heraus landet Berkeley folgerichtig nicht in ei-nem extremen Subjektivismus, sondern über eine “logische Krücke” di-rekt beim Empirismus. Er führt eine für seine Erfahrungstheorie sehrverhängnisvolle Prämisse ein, die bis heute die Hauptstütze der angel-sächsischen Weltanschauung ist. Ohne sie wäre diese Anschauung längstkollabiert. Es lohnt sich, diese in höchstem Maße metaphysische Prä-misse des englischen Empirismus näher unter die Lupe zu nehmen, dennsie bestimmt bis heute das Denken und Handeln zahlreicher Forscher.

Wenn nun alles nur im denkenden Geiste existiert, folgert Berkeley,welcher Unterschied ist dann zwischen den äußeren Sachen, die ich seheund den Träumen von diesen. Da man zwischen einer wirklichen undeiner “virtuellen” Vorstellung nicht unterscheiden kann, kommen alsoalle Vorstellungen von Gott selbst. Da Gott unveränderlich ist, gibt er sieallen immer wieder in gleicher Weise. Mit der Konstanz und Gesetz-mäßigkeit unserer Vorstellungen, die ihren Ursprung eben in Gottes Ord-nung und Unveränderlichkeit haben, gibt es auch den Anschein von“Naturgesetzen”. Unsere den Naturgesetzen zugrunde liegende Erwar-tung, daß die gleichen Vorstellungen auch in Zukunft in der gleichengesetzmäßigen Folge und Verknüpfung auftreten werden, gründet sichauf unsere Überzeugung von der Unveränderlichkeit des göttlichen Wil-lens. Diese Auffassung erinnert an die Parmenidische Philosophie vonder Unveränderlichkeit des Seins. Berkeleys Empirismus liefert uns auch

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den Schlüssel zum Verständnis des Linearitätsgedankens und derReversibilität der Zeit in der Wissenschaft und speziell in der Physik.Alle englischen Philosophen nach Newton können nicht über seinenSchatten hinweg springen.

Wie löst nun Berkeley das Problem der Erkenntnis? Er macht andieser Stelle eine sehr verhängnisvolle Behauptung: da Gott hoch überuns steht, da sein Denken für uns Menschen nicht einsichtig ist, könnenwir diese Gesetze nicht im voraus wissen oder durch logische Ableitungfinden. Die Möglichkeit eines á priori Wissens wird also negiert. Wirmüssen es durch Beobachtung, durch Erfahrung peu á peu kennenler-nen, wobei das Erreichen der endgültigen Erkenntnis implizit für un-möglich gehalten wird, denn dann gibt es auch keinen Sinn mehr, weite-re Erfahrungen zu sammeln. Mehr als Gott kann man ja nicht wissen!Und er ist allmächtig und unerreichbar.

Also geht Berkeleys Empirismus und damit stellvertretend auch dergesamte moderne wissenschaftliche Empirismus von der Grundannahmeeines á priori Agnostizismus aus. Die Vorstellung von der “invisiblehand” eines Adam Smith, welche die freie Wirtschaft regulieren soll,und sich dem menschlichen Geist und Handeln entzieht, ist im angel-sächsischen Wirtschaftsdenken bis heute tief verankert und von einemfast religiösen Mythos umwoben. Sie leitet sich unmittelbar aus dempostulierten Agnostizismus jeder empirischen Erfahrung ab. Der Staatdarf sich nicht in den freien Markt einmischen, weil er kraft eines höhe-ren und weiseren Willen reguliert wird, und da an allen Interventionendes Staates der Makel der Unvollkommenheit haftet, glaubt man zu wis-sen, daß jede staatliche Einmischung mehr Schaden anrichtet, als daß siehilft. Man sollte Gott, dem obersten Experten, nicht ins Handwerk pfu-schen. Mit anderen Worten, man kann und darf nicht nach der letztenErkenntnis trachten. Der Konformitätsdruck, der sich aus einer solchendem “Faustschen Geist” gegenüber extrem feindseligen Weltanschauungergibt, hat die kreativen Kräfte von Generationen junger Wissenschaft-ler des ausgehenden 20. Jahrhunderts erdrückt.

Vordergründig steht diese Auffassung im Widerspruch zur an-maßenden Einstellung des deterministischen Empirismus der Natur ge-genüber, beispielsweise in der Genetik, die vorgibt zu glauben, durchManipulationen des genetischen Codes das Werk von vier MilliardenJahren Evolution zu verbessern. Aber beide geistigen Einstellungen ha-ben dieselbe Quelle. Die “do it yourself”-Mentalität schließt die Annah-me einer Unerkennbarkeit des göttlichen Willens nicht aus. Gerade aus

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Hume 93

dieser Annahme heraus gewährt sie allen die gleichen Chancen - demIgnoranten und dem Experten zugleich. Wen wundert es dann, daß dievirtuelle Welt der Leinwand auch durchaus sehr real-existierende Politi-ker produzieren kann (Reagan) und umgekehrt - aus der realen Welt derPolitik eine virtuelle Comedy-Sexserie wie bei Clinton entstehen läßt.Egal was man tut und denkt, die “invisible hand” Gottes wird es amEnde doch richten. Wozu dann noch Ethik?

Hume

Von den drei Hauptvertretern des Empirismus ist Hume der wichtigste,weil er aus eigener Kraft heraus und ohne Vorbilder das Kausalitäts-prinzip in Frage stellt. Zur Zeit wird das Kausalitätsprinzip uneinge-schränkt als ein fundamentales erkenntnis-theoretisches Prinzip in derBiologie und der Medizin angesehen. Nur in der Physik hat man sichteilweise von dem Kausalitätsgedanken distanziert. Man hat allerdingsbis heute nicht bewiesen, daß ein solches Prinzip existiert. Die Trennungvon empirischer Wissenschaft und Philosophie hat diese Tatsache weit-gehend vernebelt. Ein Leitmotiv dieses Buches ist die Kritik an diesemgeistigen Zustand.

Die Kausalität, Ursächlichkeit, also der Zusammenhang von Ursa-che und Wirkung wurde zuerst von Demokrit erwähnt. Ursache und Wir-kung bilden eine aus der Vergangenheit (proton kinun) kommende, durchdie Gegenwart hindurchlaufende und in der Zukunft verschwindendeKette (kausal nexus). In der heutigen deterministischen Wissenschaftnimmt man an, daß jedes Geschehen eine Ursache hat (entsteht durchWirkung) und zugleich die Ursache eines anderen Geschehens ist. OhneUrsache geschieht nichts. Der first-messenger überbringt seine Botschaftan die Zelle und der second-messenger in der Zelle leitet sie weiter, bissie die einzelnen Zellsysteme erreicht und eine spezifische Zellantworthervorruft. Die Biowissenschaften haben die biologische Regulation biszur Entdeckung des Universalgesetzes als eine spezifische Kausalketteinterpretiert.

Die bedeutende Kritik der Kausalität finden wir bei Hume. DerKausalitätsbegriff ergibt sich aus der Verallgemeinerung der Erfahrung,daß irgend etwas, die “Wirkung”, immer nur dann geschieht, wenn etwasanderes, die “Ursache” geschehen ist oder gleichzeitig geschieht. Aus-gehend von Berkeleys Erkenntnistheorie stellt Hume die absolute Ob-

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jektivität unserer Wahrnehmungen in Frage. Unsere Wahrnehmungen,die zuerst als Photonen- oder Elektronentransfer auf der Zellebene ent-stehen, werden als Potentialschwankungen weitergeleitet und stellen so-mit eine neue Qualität der Energieumwandlung dar. Unsere Wahrneh-mungen sind abstrakt und nur bedingt wahr.

Nach Hume entsteht der Substanzbegriff unserer Impressionen nichtaus der äußeren Wahrnehmung, der “sensation” - diese gibt nur Qualitä-ten und deren Verbindungen wieder -, sondern aus der inneren, der selbst-beobachtenden Tätigkeit unseres Bewußtseins. Aus dieser Interpretationheraus leugnet er die Existenz einer Kausalität. Außer den Qualitätender Substanz nimmt unser Bewußtsein das Gleichzeitigsein (Koexistenz)und das Nacheinander (Sukzession) bestimmter Empfindungen wahr. DieVerknüpfung der beiden erfolgt aus dem Irrtum heraus, daß ein “posthoc”, d.h. ein zeitliches “Danach” stets als ein “propter hoc”, d.h. alsursächliches “Dadurch” aufgefaßt wird.

Unsere Vorstellung von einer Kausalität beruht auf der Verall-gemeinerung unserer lokalen Erfahrung. Experimentelle neurophy-siologische Tests bestätigen, daß Reize, die nacheinander an der Peri-pherie ausgelöst werden, je nach Intensität und Qualität des Reizes, inumgekehrter zeitlicher Abfolge als Wahrnehmungen erfahren werdenkönnen. Stärkere Reize zum späteren Zeitpunkt können zuerst wahrge-nommen werden. Auf der Ebene unseres Bewußtseins kann also einezeitliche Umkehr in der Reihenfolge der Ereignisse stattfinden. Alleinaus diesem Grund darf man nicht generell von einer kausalen Verknüpfungsprechen. Die Kausalität ist keine objektive Notwendigkeit, sie ist einebloße Gewöhnung. In seiner Kritik an der Kausalität befindet sich Humein guter Gesellschaft mit Heraklit und Parmenides.

Das Problem der Kausalität setzt sich in der Wissenschaft bis in dieGegenwart fort. Kant hält das Kausalitätsprinzip für apriorisch, das abernur im Bereich der Erfahrung seine Gültigkeit hat. Aus der Erfahrungallein durch Induktion gewonnen, suchen Mill und Spencer dasKausalitätsprinzip zu verstehen und zu erklären. Die Positivisten (Comte,Avenarius und Mach) ersetzen den Begriff der Kausalität durch den derfunktionellen Abhängigkeit, den “Ursache”-Begriff durch den Begriffder “Bedingung”. Die Physiker unserer Zeit lassen es wegen der empiri-schen Nichtnachprüfbarkeit offen, ob die uneingeschränkte Anwendbar-keit des Kausalitätsprinzips im Bereich der kleinsten Massen und Wirkun-gen gilt. Statt dessen spricht man von Wahrscheinlichkeitsregeln (QED)und Unschärferelation (Heisenberg). Beide Auffassungen erweisen sich

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Hume 95

als intuitive Erfassungen des Universalgesetzes.Unbemerkt von der Naturwissenschaft hat man in der Wirtschafts-

theorie die Nichtnachprüfbarkeit des Kausalitätsprinzips schon längstakzeptiert. Man spricht von Korrelationen zwischen den Faktoren, dieeine gewisse gegenseitige Abhängigkeit zeigen, wenn alle andere Pro-zesse “gleich bleiben” (ceteris paribus). Diese Bedingung (Anfangs-bedingung) ist eine mathematische Abstraktion, denn nichts bleibt imwirklichen Leben stillstehend. Sie ist eine Anwendung des Zirkelschluß-prinzips - Bildung von gleichen Bedingungen, damit eine Messung vor-genommen werden kann. Dieses Prinzip ist eine Anwendung des Prin-zips der letzten Äquivalenz für die Teile - es ist das einzige operative undkognitive Prinzip der Mathematik und der Naturwissenschaften wie z.B.der Physik. Da fast alle wirtschaftlichen Modelle “zeitlos” (linear) sind,ist eine zeitliche Erfassung des Kausalitätsprinzips in der Wirtschaft,ähnlich wie in der Physik, die durch Arretierung der Zeit lediglich geo-metrische Größe wie Ladung und magnetische Momente erfassen kann,nicht möglich. Die Mathematik und damit alle exakten Wissenschaftensind nicht in der Lage, die dynamische rekursive Energieumwandlungder Raumzeit adäquat zu erfassen.

Das Kausalitätsprinzip kann weder erkenntnistheoretisch begründetnoch experimentell überprüft werden. Im Sinne des Universalgesetzeswird das Kausalitätsprinzip sowohl theoretisch als auch empirisch wi-derlegt. Dies geschieht durch die Einführung der zwei Grundaxiome:das Axiom der Erhaltung der Aktionspotentiale und das Axiom über dasreziproke Verhalten von Energiegradienten benachbarter Ebenen einesSystems. Beide Axiome erfassen die Geschlossenheit der Raumzeit, diesich durch die Teile manifestiert (U-Mengen) und die Reziprozität vonRaum und Zeit bedingt. Das erste Axiom besagt, daß jeder Energieaus-tausch in beiden Richtungen abläuft, so daß es keine bevorzugte Rich-tung geben kann. Aus subjektiver anthropozentrischer Sicht kann maneine Richtung bevorzugt betrachten und in diesem Sinne von Kausalitätsprechen. Das Aktionspotential, das sich umwandelt, wird willkürlichals Ursache bezeichnet, und das Aktionspotential, in das es umgewan-delt wird, als Wirkung. Das gleiche gilt für das zweite Axiom.

Die Offenheit der Systeme verbietet die Existenz eines Kausalitäts-prinzips. In diesem Zusammenhang wird es klar, warum seine Anwen-dung bei komplexen Systemen wie beispielsweise der Zelle oder demOrganismus das Verständnis für die biologische Regulation verhinderthat. Das Kausalitätsprinzip ist stets ein Produkt der lokalen Betrachtungs-

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weise - man beobachtet nur einen Ausschnitt aus der geschlossenen Ereig-niskette der Raumzeit. Die Verallgemeinerung dieser Erfahrung führt dannzu Trugschlüssen. Humes Einwand kommt hier voll zur Geltung. Diegesamte Betrachtungsweise der Medizin und der Biowissenschaften istlokal-determiniert und baut irrtümlicherweise auf dem Kausalitätsprinzipauf. Dies erklärt die Unfähigkeit dieser Disziplinen, die beobachtetenPhänomene richtig zu deuten. Bis zur Entdeckung des Universalgesetzesgab es keine Theorie zur Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten,weil es auch keine allgemeine Theorie der biologischen Regulation gab.Die Trennung von Philosophie und reiner Empirie der Naturwissenschafthat sich bitter gerächt.

In der Pharmakologie unterstellt man zum Beispiel ganz einfach, daßdie meisten Medikamente eine „spezifische“ Wirkung bei ganz bestimm-ten Erkrankungen haben. Antirheumatische Mittel (NSAIDs) sollen se-lektiv das Enzym „Cyclooxygenase“ und die Produktion derProstaglandine hemmen und auf diese Weise spezifisch bei rheumatoiderArthritis und Osteoarthritis wirken, indem sie die Lokalentzündung ge-zielt auf der Zellebene hemmen. Bei vielen Herzmitteln wird ein spezifi-scher Effekt auf ganz bestimmte Herzfunktionen suggeriert usw. Es wirdstets den Eindruck erweckt, als gäbe es eine volle Arzneimittelwirkungfür eine volle Krankheitsursache. Im krassen Widerspruch zur Annahmedes Kausalitätsprinzips in der Pharmakologie steht die tägliche klinischeErfahrung, daß diese Medikamente vielfältige Nebenwirkungen haben,wie man auch aus den Beipackzetteln entnehmen kann, so daß sie alleineaus diesem Grund nicht spezifisch wirken können. Wobei eine objektiveUnterscheidung zwischen erwünschter Wirkung und unerwünschter Ne-benwirkung nicht möglich ist. Über diesen Widerspruch scheint sich aberniemand Gedanken zu machen. Es gibt kein einziges Mittel, das vonsolchen Widersprüchen frei ist, genauso wie es keine erfolgreiche medi-kamentöse Therapie bei irgend einer chronischen Erkrankung gibt. Diesist im wesentlichen der Stand der Arzneimitteltherapie am Ende diesesMilleniums. Es ist eine Konsequenz des Kausalitätsgedanken. Somit giltdas Kausalitätsprinzip nur im Bereich der wissenschaftlichen Irrtümer,und dort nur innerhalb der lokalen menschlichen Erfahrung, die durch-wegs negativ ist.

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Kant, die Summe der Aufklärung 97

Kant, die Summe der Aufklärung

Die Aufklärung in Frankreich bringt einige gesellschaftsorientierte Den-ker hervor, die man nicht als Philosophen im engen Sinne des Wortes,sondern eher als gesellschaftskritische Schriftsteller betrachten kann.Montesquieu, Voltaire und Rousseau sind zwar das Gewissen einer Epo-che, sie können jedoch keinen Anschluß an die Transzendenz antikerDenker knüpfen. Somit bleibt es Kant alleine überlassen, die Früchte derAufklärung zu sammeln.

Kant gilt als der größte Denker der Neuzeit, zumindest ist diese Mei-nung im deutschsprachigen Raum weitverbreitet. Die unermeßliche Ver-klärung der Kantschen Leistung durch unzählige Neo-Kantianer habenden kritischen Blick für seine tatsächliche Leistung vernebelt. Wenn manKant von der Aura der Bewunderung befreit, dann bleibt er zusammenmit Leibniz, der Philosoph der Neuzeit, der am nächsten und am umfas-sendsten an das Universalgesetz herangekommen ist. Allerdings hatte erLeibniz als Vorbild. Hegel versuchte es auch auf seine irrationale undintuitive Art, aber seine Dialektik ist eine blasse Kopie des Heraklit-schen Logos. Nur Leibniz und Kant kommen über die intuitive Erfas-sung des Universalgesetzes hinaus und erkennen die methodologischenImplikationen dieser tiefen Einsicht für die Weiterentwicklung der Wis-senschaften. Dennoch kommt es mit Kant zu einem endgültigen Bruchzwischen Philosophie und Wissenschaft. Nach ihm verkommt die deut-sche Philosophie in Gestalt des Neo-Kantianismus zur akademischenApologetik. Es wäre ungerecht, Kant für diese Entwicklung verantwort-lich zu machen. Wir können nur die wichtigsten Aspekte aus Kantsumfangreichem Werk im Hinblick auf das Gesetz kurz zusammenfassen.

Raum und Zeit

Kant betrachtet sowohl den Raum als auch die Zeit als á priori gegeben.Alle unsere Vorstellungen sind nach Kant letztendlich raumzeitlich. Un-ser Denkapparat kann die Dinge nur im Raum und in der Zeit erfassen.Damit nimmt er eine zentrale Aussage der neuen Axiomatik vorweg: diephysikalische Welt, d.h. die Raumzeit, hat nur zwei Konstituenten oderDimensionen - Raum und Zeit; der Raum ist Ausdehnung und die Zeit isteine Zahl des Kontinuums. Darauf, daß Raum und Zeit á priori Eigen-schaften der Dinge sind, beruht nach Kant die Möglichkeit der Mathe-matik. Die Geometrie erfaßt den Raum und die Arithmetik rechnet. Da

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aber alles Rechnen im Grunde genommen Zählen ist, beruht die Arith-metik auf einer Aufeinanderfolge in der Zeit. Da die Zeit nach Kant einereine Form der Sinnlichkeit ist, kommt die Mathematik ohne Zuhilfe-nahme der Erfahrung aus.

Kants Deutung der ontologischen Grundlage der Mathematik ist inder Tat großartig. Die Mathematik ist hermeneutisch und erfaßt stets dasUniversalgesetz in unserem Bewußtsein und in der äußeren physikali-schen Welt. Sie ist das universale Instrumentarium der Wissenschaft. Dadas Universalgesetz auf allen Ebenen mathematisch erfaßbar ist, sindauch alle Gesetze mathematisch beschreibbar. Daher die Gültigkeit derMathematik. Das reine Denken ist Mathematik. Die reine empirischeWissenschaft ist Mathematik. Die Physik ist zum Beispiel angewandteMathematik für die unbelebte Natur - alle physikalischen Gesetze sindmathematische Gleichungen. Mit der Entdeckung des Universalgesetzeskönnen auch die Biowissenschaften und die Medizin mathematisch dar-gestellt werden. Damit wird auch die Kantsche Frage, wie reine Mathe-matik möglich sei, endgültig beantwortet - sie ist die einzige adäquateErfassung des Urbegriffs.

Bemerkenswert ist die Kantsche Feststellung, daß die Arithmetik -wir würden sie heute nach Frege als Zahlentheorie nennen - auf einerAufeinanderfolge der Zeit beruht. In der neuen Axiomatik wird die abso-lute Zeit fo=oE/EA als eine Zahl definiert, die zum Kontinuum gehört undebensogut als Wahrscheinlichkeit der Wahrscheinlichkeitsmenge darge-stellt werden kann. Die Energieumwandlung ist zur absoluten Zeit pro-portional. Also erfaßt die Mathematik, die aus Geometrie und Zahlen-theorie besteht, nach Kant den Urbegriff und ist nach dem Prinzip derletzten Äquivalenz mit der Energie bzw. der Raumzeit identisch.

Der Ursprung der Erkenntnis

Das zweite Grundproblem, an das Kant in seiner Kritik der reinen Ver-nunft herangeht, ist das Zustandekommen der Erkenntnis. “Der Verstandist á priori leer”, sagt Locke, “und alles kommt durch die Sinne”. -“Falsch”, sagt Leibniz: “der Verstand enthält sich selbst” (die Menge,die sich selbst als Element enthält). Diese Argumentationslinie entwik-kelt Kant auf eine umständliche Weise in seiner transzendentalen Logikweiter. Die Kategorialanalyse der Begriffsbildung und der Urteilsformenist ein etwas künstliches Verfahren, das von der Aristotelischen Logikseinen Ursprung nimmt. Kant stimmt mit Hume überein, daß das

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Kant, die Summe der Aufklärung 99

Kausalitätsprinzip nicht aus der Wahrnehmung abzuleiten ist, er behaup-tet jedoch, daß es aus dem Verstand stammt, ohne daß er freilich schlüs-sige Beweise für diese Annahme vorlegen kann. Dies ist eine schwacheStelle seiner transzendentalen Logik. Aus den apriorischen Formen derKategorien entsteht die Urteilskraft, die Fähigkeit unseres Bewußtseins,die richtige Entscheidung zu treffen. Wenn man die Erfassung der aprio-rischen Kategorien mit der Erfassung des Universalgesetzes gleichsetzt,was angesichts der Kantschen Vorstellungen von Raum und Zeit nahe-liegend erscheint, dann liegt Kant sicherlich richtig.

Begründung der Naturwissenschaft

Eine weitere Grundfrage der Kantschen Kritik ist: wie ist reine Natur-wissenschaft möglich? Sie ist nach Kant aus denselben Gründen wie dieMathematik möglich. Die gesetzmäßige Ordnung der Natur, die wir inNaturgesetzen zusammenfassen, liegt daran, daß unser Verstand die Na-turerscheinungen nach den in ihm liegenden apriorischen Kategorien undNormen verknüpft. Da es unser Bewußtsein ist, das die Natur im wissen-schaftlichen Sinne “schafft”, richtet sich unsere Erkenntnis nicht nachder äußeren Welt, sondern umgekehrt richtet sich die Natur nach unse-rer Erkenntnis. Dieses Ergebnis der Kantschen Untersuchung bedeutetdie größte Revolution in der Philosophie, nicht minder als diejenige vonKopernikus in der Wissenschaft. Kant selbst gebraucht diesen Vergleich:

“Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegen-ständen richten; aber alle Versuche, über sie á priori etwas durch Begriffeauszumachen, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche esdaher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besserfortkommen, daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unsererErkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeiteines Erkenntnis derselben á priori zusammenstimmt... Es ist hiermit ebensowie mit dem ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem, es mitder Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fortwollte, wenn er an-nahm, das ganze Sternheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob esnicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen und dage-gen die Sterne in Ruhe ließ.”

Der revolutionäre Ansatz der neuen Axiomatik liegt gerade darin, ausge-hend vom Universalgesetz, das Bewußtsein in den Mittelpunkt unsererwissenschaftlich-methodologischen Betrachtung zu stellen und alle Ge-

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setze der Natur mit den Grundsätzen des Denkens zu erklären. Bisherwar das Bewußtsein aus allen wissenschaftlichen Grundaussagen, Axio-men und Gesetzen ausgeschaltet. Nirgendwo findet man in der Physikeinen Hinweis auf die menschliche Denkweise bei der Formulierung vonGesetzen und Observablen. Das gleiche gilt auch für alle andere Wissen-schaften, ausgenommen der Psychologie, und diese Disziplin wiederumnimmt so gut wie keine Notiz von der Methodologie der anderen Wis-senschaften.

Der Verstand (das Bewußtsein) ist eine Ebene der Raumzeit, die nachdemselben Gesetz funktioniert, wie auch alle anderen Ebenen des Uni-versums. Indem sich das Bewußtsein wahrnimmt, d.h. indem es dasUrgesetz der Energieumwandlung wahrnimmt, kann es auch die äußereWelt wahrnehmen und begrifflich erfassen. Das Erkennen der Welt nimmtseinen Ursprung vom Urbegriff des Bewußtseins - er ist mit dem Be-wußtsein identisch. Diese fundamentale Tautologie, die wir vornehm alsdas Prinzip der letzten Äquivalenz umschreiben, beweist auf eine grund-legende und eindeutige Weise die Geschlossenheit der Raumzeit. Da dasWesen des Urbegriffs als Universalgesetz mathematisch erfaßbar ist -aus diesem Grund ist die Mathematik möglich -, sind alle anderen empi-rischen Wissenschaften ebenfalls möglich. Sie alle können nach demPrinzip der letzten Äquivalenz auf den Urbegriff zurückgeführt werden.Daraus entsteht die Allgemeine Theorie der Wissenschaften. Somit nimmtKant mit seiner großartigen Deutung der Ontologie des wissenschaftli-chen Denkens die Existenz des Universalgesetzes und die Möglichkeiteine Allgemeine Theorie der Wissenschaften zu entwickeln vorweg, sowie sie in der vorliegenden Tetralogie dargestellt wird. Ein Leitmotivder neuen Theorie ist die Kritik an der modernen empirischen Wissen-schaft, die den Kantschen Ansatz, die Erkenntnis über die Welt vomBewußtsein her zu erlangen, mißachtet hat. Die kopernikanische Revo-lution findet nun mit Verspätung in den Köpfen statt.

Die Allgemeine Theorie der Wissenschaften erreicht aber nicht nurdie globale Axiomatisierung unseres Denkens, sie führt zugleich zuden fundamentalen Fragen unseres Denkens, also zur Transzendenzund Eschatologie unseres Daseins, ohne daß sie freilich abschließendeAntworten liefern kann. Aber sie begründet die Notwendigkeit, dieseFragen mit Nachdruck zu stellen. Zur Zeit schließt die moderneWissenschaft diese Fragen aus ihren Überlegungen aus und versperrtsich auf diese Weise selbst den Weg zu tieferen Erkenntnissen. Kantwar sich der schöpferischen Kraft transzendenter Fragen wohl bewußt,

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Kant, die Summe der Aufklärung 101

indem er schrieb:

“Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal...: daß sie durchFragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durchdie Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantwor-ten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.”

Nach der Entdeckung des Universalgesetzes bleiben gerade diese unbe-antworteten Fragen die größte Herausforderung der Wissenschaft undunseres Denkens überhaupt. Es stellt sich lediglich die Frage, ob wir denMut haben, uns uneingeschränkt diesen Fragen zu stellen.

Ethik

Aus der Kritik der reinen Vernunft kommt Kant logischerweise zur Ethik .Denn was nutzt auch die reinste Erkenntnis, wenn sie nicht als Maßstabunseres Handelns dienen kann? Warum ist überhaupt Ethik entstanden?Nachdem wir mit Kant die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Wis-senschaften geklärt haben, müssen wir dies auch für die Ethik tun. DieAntwort ist verblüffend einfach und meines Erachtens bisher von kei-nem Philosophen, nicht einmal von Kant, konsequent bis zum Ende durch-dacht worden.

Die Gesellschaftsebene, auch als Zivilisation bekannt, entstammtunserem Bewußtsein. Sie ist, mit allen ihren geistigen und materiellenKomponenten, einerseits die metaphysische Ebene des Bewußtseins,andererseits ersetzt sie mit zunehmender Entwicklung die ursprünglicheNatur. Die Zivilisation ist die Verselbständigung des Bewußtseins ge-genüber der Natur. In dieser neuen Metaebene spielt der Mensch alsbewußtseintragendes Wesen die Rolle des Schöpfers und des Objektszugleich. Er unterwirft sich freiwillig dem gesellschaftlichen Energie-gradienten, den er selbst aufbaut. Dies ist der äußere Ausdruck der Ge-schlossenheit der Raumzeit. Die Dialektik zwischen dem freien Willendes Einzelnen und der gesellschaftlichen Unterordnung ist ein funda-mentales Thema jeder Ethik. Die Zivilisation kann sich nur nach demUniversalgesetz erfolgreich gestalten und weiterentwickeln. Dies setztvoraus, daß wir die individuellen Freiräume im richtigen Verhältnis zuden gesellschaftlichen Bedürfnissen gestalten müssen und umgekehrt.Es ist unschwer zu erkennen, daß die Ethik eine metaphysische Disziplinzur Erfassung der optimalen Bedingungen der gesellschaftlichen Selbst-organisation ist. Unbewußt hat sich die Menschheit in der Vergangen-

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heit mehr oder weniger erfolgreich nach dem Universalgesetz gerichtet,sonst hätte sie nicht überlebt. Die wirtschaftlichen Grundlagen unsererZivilisation sind zum Beispiel eine klare Vorwegnahme des Universal-gesetzes. Wir werden sie kurz erläutern.

Eine richtige Wirtschaftsordnung war erst möglich, nachdem das Geldals universales Tauschmittel erfunden wurde. Die Entstehung eines me-taphysischen Energiegradienten, der Geldmenge im Umlauf, welche dasSummenprodukt der Wirtschaftsbeiträge aller Menschen darstellt, ermög-lichte die Vereinigung der Menschheit zu einer wirtschaftlichen Einheit,die in Wechselwirkung mit sich selbst und der Natur tritt und diese nachihren Facon verändert. Gerade in den letzten Jahren läuft diese Ent-wicklung mit atemberaubender Geschwindigkeit ab. Die Abschaffungdes Goldstandards durch Nixon in den 70er Jahren leitete die Entste-hung eines globalen Weltgeldmarktes ein, der eines Tages zu einer neuenpolitischen Weltordnung führen wird. Die Einführung der Eurowährungist eine Notwendigkeit, die aus dieser Entwicklung zwangsläufig folgt.Die Devisenschwankungen auf dem Devisenweltmarkt, die als dieAktionspotentiale des monetaristischen Energiegradienten auf der Finanz-ebene aufzufassen sind, bestimmen immer nachhaltiger die Politik derStaaten, z.B. das Ausscheren von England und Italien aus dem europäi-schen Währungssystem.

Diese Politik wird darüber hinaus in einem hohen Maße von ethi-schen Grundsätzen geleitet. Die Ethik verkörpert seit der Antike bis indie Gegenwart stets die Vorstellung von einer idealen Politik, einschließ-lich eines idealen Verhaltens der einzelnen Bürger gegenüber dem Staat(siehe Platon’s Staat). In der heutigen Zeit werden Beschäftigungspolitik,Sozialpolitik, Einwanderungspolitik usw. sowohl von ethischen als auchvon wirtschaftlichen Überlegungen geleitet - oder besser mit diesen ver-brämt -, wobei diese scheinbar unterschiedlichen und zum Teil gegen-sätzlichen Überlegungen in Wirklichkeit nur Teilaspekte ein und dersel-ben Sache sind. Sie alle hängen letztendlich vom gesellschaftlichen Ener-giegradienten, also von der Geldmenge, ab.

Wir haben aus didaktischen Gründen zunächst die Geldmenge mitdem Energiegradienten einer Gesellschaft gleichgesetzt. Dies ist natür-lich eine grobe Vereinfachung. Die wirtschaftliche Effizienz einer Ge-sellschaft, die auch als Grad der gesellschaftlichen Komplexität aufge-faßt werden kann, wird in der Tat an erster Stelle durch die Geldmengeerfaßt. Die Geldmenge ist die Hauptkomponente des gesellschaftlichenGradienten, aber bei weitem nicht die einzige. Die Summenenergie einer

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Gesellschaft ist in Wirklichkeit ein komplexer Algorithmus, der auchvon kulturellen, politischen, historischen und einer Reihe weiterer Va-riablen abhängig ist. Sie sind U-Mengen, die sich voneinander nicht tren-nen lassen. Diese Variablen sind allerdings quantitativ schwer zu erfas-sen und hängen ihrerseits stark von der wirtschaftlichen Leistung ab. Esgenügt darauf hinzuweisen, daß in einer Krise zuerst Kunst und Kulturunter den Sparmaßnahmen zu leiden haben, um diese enge Abhängigkeitzu illustrieren. Kultur und Ethik sind letztendlich immer zweckgebun-den. Sie sichern bloß das Überleben. Was passieren kann, wenn eineGesellschaft die Kultur abstreift, haben die Nationalsozialisten inDeutschland vorgeführt. Kultur ist eben ein wichtiges Element einer har-monischen gesellschaftlichen Selbstorganisation. Nicht nur die Geld-menge soll also ständig reguliert werden, sondern auch alle andere ge-sellschaftlichen Faktoren müssen fein abgestimmt werden. Denn auchgeringe Abweichungen von den optimalen Bedingungen können zu ei-ner gesellschaftlichen Dissipation führen. Wenn man den ArbeitslosenSozialhilfe gewährt, wird das üblicherweise zuerst als eine ethische Ver-pflichtung der Gemeinschaft gegenüber den sozial Schwachen empfun-den. In Wirklichkeit handelt es sich um reine Überlebensstrategie. Auchein nur geringfügiges Anwachsen der Armut kann den mühselig erkämpf-ten Sozialkonsensus schnell zerstören und damit die Voraussetzungenfür eine optimale gesamtwirtschaftliche Leistung gefährden. Eine Ver-nachlässigung der Allgemeinbildung, die zunächst keinen unmittelbarenEffekt auf die Wirtschaftsleistung, also auf den monetären Gradientenhat, und diese sogar vorübergehend verbessern kann, erweist sich lang-fristig für Gesellschaft und Wirtschaft verheerend, wie man aus den Er-fahrungen der USA und anderer Staaten weiß. Diese Beispiele könnenunendlich fortgesetzt werden. Die Zeitungen sind voll davon. Man mußsie nur im Sinne des Universalgesetzes richtig deuten.

Es wird immer deutlicher, daß die Ethik nicht aus wohlmeinendenGrundsätzen mit ewiger Allgemeingültigkeit bestehen kann - sie ist keinGeschöpf, das in einem leeren Raum entstehen und gedeihen kann, son-dern Ethik ist stets eine Funktion des Organisationsgrads der Zivilisati-on. Sie unterliegt somit der Gesetzmäßigkeit dieser Selbstorganisation,also dem Universalgesetz. Die Ethik ist eine Lehre zur Aufrechterhaltungdes gesellschaftlichen Gradienten, der das soziale Gefüge zusammen-hält. Da bisher die Bedeutung der Energiegradienten auf der Gesellschafts-ebene nicht erkannt wurde, verbreitete sich in den letzten Jahren zuneh-mend das Gefühl, daß sich die Ethik in einer Krise befindet. In Wirklich-

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keit hat nur der Grad der gesellschaftlichen Komplexität in den letztenJahren spürbar zugenommen, und daraus erwächst auch der Druck aufdie Menschheit, ethischer zu handeln, denn jede Ethik ist eine Über-lebensethik. Es gilt, die Zivilisation als eine Ebene der Raumzeit auf-rechtzuerhalten. Ob Umwelt, Vermeidung von Konflikten oderGesundheitspolitik in der Dritten Welt: eine wirklich erfolgreiche, d.h.optimale Überlebensethik muß in ihren Überlegungen zunächst die gan-ze Menschheit und später das ganze Universum einschließen. Der Energie-gradient eines Systems ist die Summe der Energiebeiträge aller Elemen-te dieses Systems. Die neue Ethik, die sich aus dem Universalgesetz ab-leitet, verpflichtet zu globaler Benevolenz und Verantwortung. Eine sol-che Ethik setzt globales Denken voraus. Somit wird Ethik, wie auch alleandere Wissenschaften, direkt mit dem Universalgesetz begründet. Han-delt man im Einklang mit den Gesetz, so lebt man ethisch.

Alle Handlungsweisen, die zu Zusammenbrüchen führen, sind ethischfragwürdig. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Nicht die Zusammen-brüche sind unethisch, sondern das Handeln, das zu diesen Singularitätengeführt hat. Zusammenbrüche sind in ihrer dialektischen Art stets derAusgangspunkt einer neuen positiven Entwicklung. Sie sind die teleolo-gisch notwendigen Schritte der Evolution zur höheren Komplexität. Siesind die Katharsis der Gesellschaft. Der Zusammenbruch der kommuni-stischen Welt war das Ergebnis der Vernachlässigung des Universal-gesetzes auf der gesellschaftlichen Ebene. Die kommunistische Doktrinwurde allgemein als eine unethische Gesellschaftsordnung empfunden.Der Zusammenbruch des Systems war selbst hochethisch. Die Ent-wicklung von zellhemmenden Medikamenten durch die Pharmaindustrieaus den falschen wissenschaftlichen Paradigmen heraus muß man alsunethisch definieren, schon alleine deswegen, weil dadurch gegen dasUniversalgesetz der biologischen Regulation verstoßen wird. Das Er-gebnis ist eine Erhöhung der Morbidität und der Mortalität bei chroni-scher Therapie, wie dies in vielen großen, placebo-kontrollierten, doppel-blind randomisierten Studien der letzten Jahren bewiesen wird (sieheBand III). Der unvermeidliche Zusammenbruch von Teilbereichen derPharmaindustrie nach Veröffentlichung der Allgemeinen Theorie der Wis-senschaften wird sich als Katharsis für diesen Industriezweig erweisen,welche die Entwicklung erfolgreicher Mittel zur Therapie bisher unheil-barer Krankheiten rasch vorantreiben wird.

Eine wahrhafte Ethik ist nur in Kenntnis des Universalgesetzesmöglich. Die ethische Situation vor der Entdeckung des Universalgesetzes

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Kant, die Summe der Aufklärung 105

illustriert die berühmte Überlieferung des alten Testaments. In der Gene-sis des Alten Testaments liest man:

“Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daßer ihn bebaue und erhalte. Gott der Herr gebot dem Menschen: “Von allenBäumen des Garten darfst du essen, nur vom Baum der Erkenntnis von Gutund Böse darfst du nicht essen; denn am Tage, da du davon issest, mußt dusterben.”

Das Argument der Schlange konnte das eines nach der Wahrheit suchen-den Philosophen sein:

“Die Schlange sprach zum Weibe: “O nein, auf keinen Fall werdet ihr ster-ben, sondern es verhält sich so, daß Gott wohl weiß: Sobald ihr davon esset,werden euch die Augen aufgehen, und ihr werdet wie Gott sein, wissendGutes und Böses.”

Diese uralte Überlieferung über den Anfang menschlicher Schöpfunghat ein Ur-Thema, das seit eh und je den menschlichen Geist beschäftigt.Indem man vom Baum der Erkenntnis kostet, erkennt man das Gute unddas Böse, man verliert aber zugleich das Paradies der schuldlosen Un-kenntnis. Denn solange der Mensch zwischen gut und böse nicht unter-scheiden kann, kann er auch für seine Unmündigkeit nicht zur Rechen-schaft gezogen werden. In die Gegenwart übertragen und profanisiert:man kann nicht die pharmazeutische Forschung und die Ärzte für dieAnwendung zellhemmender Medikamente, die für unsere Gesundheitschädlich sind, belangen, solange sie nicht vom Universalgesetz gewußthaben (ich habe selbst lange Zeit an die Wirksamkeit dieser Mittel ge-glaubt, weil es mir so gelehrt wurde). Sobald dieses Gesetz mit allenseinen Konsequenzen bekannt wird, machen sie sich schuldig, weil siejetzt zwischen dem Guten und dem Bösen unterscheiden können undmüssen. Ähnlich verhielt es sich Anfang der 80er Jahre, als die Ärztedurch teilweise unnötige Blutübertragungen mehrere Patienten unwis-sentlich mit HI-Viren infiziert hatten. Wenn solche Fälle ab und zu auchnoch heute vorkommen, können sich die Ärzte und die verantwortlichenPolitiker nicht mehr auf ihre Unschuld berufen, weil sie über die GefahrBescheid wissen. Dies trifft auf den zur Zeit (März 1999) laufendenProzess gegen führende französische Politiker und Ärzte in Paris zu, de-nen vorgeworfen wird, die Infizierung von Patienten mit HIV-dekon-taminierten Blutkonserven verschuldet zu haben. Das neue Gesetz zur

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106 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Entschädigung von HIV-Infizierten, das die Bundesregierung vor kur-zem verabschiedet hat, illustriert die partielle Lernfähigkeit der Politi-ker, - wenn auch mit großer Verspätung - aus dem schlechten Gewissenheraus, d.h. nach ethischen Gesichtspunkten zu handeln. Dies ist die Ethikdes Überlebens, zunächst des politischen Überlebens und ist daher keineverbindliche Ethik in Sinne des Gesetzes, sondern reiner Machiavelismus.

Das Paradies existiert somit nur in unseren Vorstellungen. Die Natursanktioniert unser Handeln stets durch Zusammenbrüche. In der Demo-kratie übernehmen die Wähler diese Sanktion, indem sie die erfolglosenRegierungsparteien in die Opposition schicken. Diese innere dialekti-sche Logik des Universalgesetzes hat auch zur universalen Vorstellungeiner höheren Gerechtigkeit geführt. Der christliche Glaube von Para-dies und Hölle ist lediglich die Vulgarisierung dieser tiefen Erkenntnisin die innere Dialektik des Universalgesetzes.

Ein zentrales Motiv unserer abendländischen Kultur war daher dasStreben nach Vollkommenheit und nach universalem Wissen. Man ver-band damit die Hoffnung, die weltlichen “Prozesse des Werdens” zu be-herrschen. Auch dieses Verlangen ist in der objektiven Existenz desUniversalgesetzes, das in uns innewohnt, begründet. Alle Religionen,philosophischen Strömungen, erkenntnistheoretischen und ethischenVorstellungen spiegeln mehr oder weniger adäquat das Gesetz wider.

Bei Kant ist der kategorische Imperativ der Ausgangspunkt einer objek-tiven Ethik. Nach Kant lautet der Grundsatz der praktischen Vernunft:“Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prin-zip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.” Das Verhalten allerElemente eines Systems wird durch den übergeordneten Energie-gradienten, den sie selbst bilden (die Raumzeit ist geschlossen), gleich-sinnig bestimmt. Im energetischen Sinne entspricht der gesellschaftlicheGradient dem Kantschen kategorischen Imperativ in der Ethik. UnserBewußtsein erfaßt nur das Universalgesetz in seinen vielfältigen Ausprä-gungen. Ein zentrales Motiv bei Kant ist der freie Wille. Dem kategori-schen Imperativ kann man folgen, muß es aber nicht. Dies bleibt unse-rem freien Willen vorbehalten, d.h. wir sind frei ihn zu folgen. Der Sinndes sittlichen Gesetzes lautet also: Du kannst, denn Du sollst. Die prak-tische Vernunft zwingt uns also, die Freiheit des Willens des einzelnenals gegeben anzunehmen - der einzelne kann sich nur aus sich herausdem allgemeinen Sittengesetz, dem kategorischen Imperativ, unterord-nen. Dies ist die bloße Form eines allgemeinen Gesetzes. Die gleiche

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Kant, die Summe der Aufklärung 107

Auffassung haben wir bereits bei Heraklit gesehen. Da der Freiheitsgrad(Spiel-Raum) aller Elemente nur von der Größe des übergeordneten Gra-dienten abhängt, der wiederum das Summenprodukt dieser Freiheitsgra-de zu jedem Zeitpunkt ist, besteht ein direktes rückgekoppeltes rezipro-kes Verhältnis zwischen Freiheitsgrad (Raum) und Energiegradienten.Ins Ethische übersetzt, man braucht keinen Vermittler zwischen derWillensfreiheit des Einzelnen und dem Sittengesetz. Sie sind uns á priorigegeben. Gerade die Ablehnung des Vermittlers löste die LutherischeReformation aus.

Bevor wir mit Kant abschließen, sollten wir seine Vorstellung vonder Kraft behandeln, die er in der “Physischen Monadologie” in Anleh-nung an Leibniz entwickelt. Er versucht, die kleinsten Teilchen, dieMonaden, durch deren Bewegung das Weltgebäude entsteht, ihrem We-sen nach zu bestimmen. Er definiert ihr Wesen als “raumerfüllende Kraft”.Das, was das Wesen der Materie ausmacht, ihre Körperlichkeit oderscheinbare Undurchdringlichkeit, ist eine Kraft. Nach Kant gibt es kei-nen “Stoff” im Sinne von stofflicher Materie, wie man sie seit Parmenidesversteht, sondern nur Kraft in Sinne von Energie. Die Materie ist alsonach Kant raumerfüllende Energie.

In der neuen Axiomatik machen wir keinen Unterschied zwischenMaterie, Energie und Raumzeit. Materie ist eine Ebene der Raumzeit/Energie, genauso wie die Photonenebene eine Ebene der Raumzeit ist.Beide wechselwirken miteinander und tauschen Energie aus. Wir kön-nen beispielsweise die Masse eines jeden Objektes, die laut Definitionein Energieverhältnis ist, direkt aus der Masse des Grundphotons mitHilfe der Universalgleichung berechnen. In die biblische Sprache über-setzt, wissen wir von nun an, aus wieviel Licht jedes Objekt besteht:„Am Anfang ward das Licht“ (Genesis). Materie ist demnach gebundeneForm der Energie, die sich in der Strukturkomplexität der substanziellenObjekte manifestiert. Diese Erkenntnis schafft eine ungeheure Verein-fachung in unserem Weltbild und löst die vielen Paradoxe und Prob-leme, mit der sich die Philosophie und die Physik seit Anbeginn plagen.Auch in diesem Punkt hat Kant richtig gedacht.

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108 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

Die Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts

Nach Leibniz und Kant entfernt sich die Philosophie zunehmend vomPfad der Tugend. Dieses Abdriften liegt weniger in der Denkweise derPhilosophen, die nach ihnen kommen, sondern vielmehr an ihrer Ent-fremdung von der empirischen Wissenschaft. Die Dialektik von Hegelist in dieser Zeit eine bedeutende Ausnahme. Als eigenständige Philoso-phie bleibt sie dennoch eine blasse Kopie des Heraklitschen Logos. Ihrehistorische Bedeutung liegt viel mehr in ihrer weiteren Entwicklung durchden dialektischen Materialismus. Dialektische Gedanken findet man auchbei Fichte, Schelling und einer Reihe weiterer Philosophen und Denker.

In der Dialektik folgt auf jede These eine Antithese, die sich in derSynthese wiederfinden und zu einer Einheit, einer Art “Dreifaltigkeit”,zusammenfließen. Die Eigentümlichkeit der Hegelschen Dialektik ist,daß sie nicht nur logisch als eine Form unseres Denkens, sondern auchontologisch als die Fortbewegung der Wirklichkeit verstanden wird.Darüber hinaus unternimmt sie den Versuch zu beweisen, daß die Selbst-bewegung unseres Denkens und die Selbstbewegung der Wirklichkeit imGrunde genommen der gleiche Prozeß ist. Keine andere moderne Philo-sophie erfaßt so genau und so treffend das Universalgesetz, das sowohlfür die physikalischen Ebenen als auch für Bewußtsein und Gesellschaftgilt. Der Welterfolg dieser Weltanschauung in seiner Fortsetzung imMarxismus-Leninismus kann nur aus der Tatsache heraus erklärt wer-den, daß die Hegelsche Dialektik das Universalgesetz, das jedem Men-schen innewohnt, intuitiv richtig erfaßt hat.

Die These und Antithese können als Raum und Zeit verstanden wer-den, die sich reziprok verhalten und zu einer Einheit (Synthese), derRaumzeit, zusammenfügen. Dies ist die Grunderkenntnis aus demUniversalgesetz. Wenn der Raum expandiert, nimmt die absolute Zeit(fo=ot−1) ab und umgekehrt, aber sie können sich nicht ausschließen. Bei-de Größen sind über die Geschwindigkeit verknüpft: v o= o[1d-Raumzeit]o=o[Raum]×[Zeit]o=okonstanto=o1, die eine eindimensionaleObservable der Raumzeit ist. Sie ist eine abstrakte mathematische U-Menge der Raumzeit. Also befinden sich These und Antithese in einemständigen Prozeß der Bewegung, der Änderung, weil die Geschwindigkeitv eine Observable der Bewegung ist, und die Bewegung wiederum dieuniversale Manifestation der Energieumwandlung ist, die wir wahrneh-men können. In diesem Sinne ist der Begriff „Dialektik“ eine Umschrei-bung für die Reziprozität von Raum und Zeit. Aus diesem Grund spre-

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Bergson 109

chen wir in der neuen Axiomatik von den zwei Konstituenten der Raum-zeit als dialektisch verbundene, kanonisch-konjugierte Größen, welchedie Einheit der Raumzeit bilden.

In der Dialektik spielt die Vorstellung von der Polarität eine wichti-ge Rolle. Die Dialektik entsteht in einer Zeit, in der man tiefere Einblik-ke in die Elektrodynamik gewinnt. Der Elektromagnetismus entwickeltsich zeitweise zu einem allumfassenden Versuch, die Welt durch diePolarität der Kräfte zu erklären. Mesmerismus und die slawische Philo-sophie von P. Beron (siehe unten) sind zwei Paradebeispiele. Auch Schel-ling räumt in seiner Naturphilosophie dem Begriff der Polarität eine wich-tige Rolle ein. Der Polaritätsgedanke spiegelt das reziproke Verhaltender Energiegradienten zweier Ebenen eines Systems wider. Dieses Grund-axiom der neuen Axiomatik ermöglicht zum ersten Mal die dynamischeBeschreibung der Systeme, die offen sind und ständig Energie austau-schen. Da die meisten Systeme wie die Zelle, von denen wir unmittelba-re Erfahrung haben, aufgrund von elektromagnetischen Gradientenentstanden sind7, verwundert es nachträglich nicht, warum die elektro-magnetische Erklärung biologischer Prozesse, wie im Fall des Mesme-rismus, im 19. Jahrhundert zeitweise sehr populär war. Dieser Ansatzwurde von manchen Vertretern der Freudschen Analyse auch auf dasGeistige übertragen, indem sie eine eigentümliche bioelektrische Kraft,eine Art “vis vitalis” postulierten, mit der sie die Dynamik des Unbe-wußten und der Libido zu erklären versuchten.

Bergson

Der letzte wirklich einflußreiche Philosoph des ausgehenden 19. undheranbrechenden 20. Jahrhunderts war, vor allem unter den Vertretern

______________________________7 Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daß der Mensch nur die Gravitation und denElektromagnetismus unmittelbar wahrnehmen kann, wenn man von den vierGrundkräften des Standardmodells in der traditionellen Physik ausgeht. Die an-deren zwei Kräfte, die Kernkräfte und die schwachen Kräfte, sind theoretischerNatur. In Wirklichkeit gibt es unendlich viele Ebenen (Kräfte) und Systeme, wiezum Beispiel die thermodynamischen Kräfte (Wärme), die zwar im Stan-dardmodell, das eine reductio ad absurdum ist, nicht berücksichtigt werden, dochin Kraftmaschinen des alltäglichen Lebens, z.B., in Verbrennungsmotoren, einezentrale Rolle spielen.

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110 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

der Kunst und Literatur, Bergson. Er kritisierte die wissenschaftlicheAuffassung von Raum und Zeit. Seine Vorstellung von einer anderenzeitlichen Dimension neben der mathematischen Zeit, die er “durée”nannte, versinnbildlichte das Metaphysische, entsprach aber dem schöp-ferischen Empfinden seiner Zeitgenossen. Alle avantgarde-Bewegungendes 20. Jahrhunderts wie Kubismus, Futurismus, Supprematismus, Ex-pressionismus und Dadaismus wurden von Bergson inspiriert und führ-ten zum Schlagwort des “élan vital”. Sie verkörperten den weltanschau-lichen und wirtschaftlichen Umbruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts,der auch alle Wissenschaften, allem voran die Physik, umkrempelte. Einweiteres Schlagwort dieser Zeit ist der Begriff der “Simultanität”, des-sen künstlerische Verarbeitung Inspiration in der modernen Physik undvor allem in der Relativitätstheorie und Minkowskis vierdimensionalemRaum (die Kubisten) und in der aufkommenden Nachrichten- undLuftfahrttechnik (Marinetti, Delaunay) findet.

Bergson macht in seiner Philosophie geltend, daß der physikalischeRaum als homogen aufgefaßt wird. Man kann beliebig von einem Punktzum anderen übergehen. Die Naturwissenschaft betrachtet in Wirklich-keit nur diesen Raum. Dies wird deutlich aus den Beispielen, die in derPhysik zu dieser Zeit vorgeführt werden, um die praktischen Kon-sequenzen der Relativitätstheorie zu erklären. Man stellt sich vor, daßsich ein makroskopisches Gravitationssystem der Lichtgeschwindigkeitnähert, um dann die Unmöglichkeit dieses Vorhabens durch die unendli-che Zunahme der Masse zu erklären. Diese Gedankenexperimente, diedurch Einstein eine große Beliebtheit erlangt haben, gehen stets von derHomogenität des Raums aus.

Die Vorstellung von einem homogenen Raum folgt zwangsläufig ausder Einführung des leeren Euklidschen Raums durch Newton in die klas-sische Mechanik. Nur ein leerer Raum kann homogen sein. In Wirklich-keit ist die Raumzeit quantisiert - sie manifestiert sich in konstanten Ener-giepaketen, die wir als Aktionspotentiale bezeichnen. Dies ist auch dieGrunderkenntnis der Quantenmechanik und zum Teil der Relativitäts-theorie. Man hätte eigentlich erwarten müssen, daß durch die Einfüh-rung dieser Disziplinen, der leere Euklidsche Raum verworfen werdenmußte. Dies ist jedoch nicht geschehen, wie man aus der Tatsache ent-nehmen kann, daß die klassische Mechanik nach wie vor als selbständi-ge Disziplin fungiert. Diese Diskrepanz zwischen den physikalischenDisziplinen hat zu schwerwiegenden kognitiven Problemen und Parado-xen geführt und die Vereinheitlichung der Physik verhindert. In der neu-

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Bergson 111

en Axiomatik wird der leere Euklidsche Raum verworfen und durch denBegriff der Raumzeit ersetzt. Sie ist in sich geschlossen, inhomogen/diskret, konstant, kontinuierlich und unendlich. Diese Eigenschaften sindU-Mengen und können nur semantisch, nicht jedoch real getrennt wer-den. Nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz sind sie mit dem Urbegriffidentisch. Das Wesen der Raumzeit läßt zu, daß man sie mathematischbeschreiben kann. Aus diesem Grund kann man in einem sekundärenSchritt die Geometrie und Mathematik einführen, wohlwissend, daß alleBegriffe dieser Disziplinen, wie Punkt, Linie, Gerade, Koordinatensy-stem, Zahl, Vektor, Skalar, etc. abstrakte Ideen sind und keine Korrelatein der realen physikalischen Welt haben. Auf diese Weise werden alleWidersprüche und Paradoxe der Physik beseitigt. Die obenerwähntenphysikalischen Disziplinen werden somit als eigenständige Domänenabgeschafft und ihre Ergebnisse in die neue Axiomatik integriert.

In der neuen Axiomatik wird klar und unmißverständlich festgestellt,daß jeder Energieaustausch sowohl vertikal als auch horizontal abläuft,weil alle Systeme oder Ebenen der Raumzeit offene U-Mengen sind undsich als Element enthalten. Während dieser Energieumwandlung findetein Übergang von einer Ebene (System) zur einer anderen statt, der sichstets durch eine quantitative (und qualitative) Veränderung der Struktur-komplexität auszeichnet. Die Materie, als Masse verstanden, erlangt Licht-eigenschaften, nicht indem sie in unveränderter Form auf die Licht-geschwindigkeit c beschleunigt wird, sondern indem sie durch Quanten-sprünge Photonen ausstrahlt (Bohr-Modell). Eine andere Möglichkeitgibt es nicht: die Vorstellung, daß eine Strukturkomplexität unverändertin eine andere übergeht, ist eine Absurdität: Da die Lichtgeschwindigkeitco=oλof lediglich eine Observable der Raumzeit der Photonenebene ist,kann sie auch nur von den Photonen erreicht werden und nicht, weil dieMasse des makroskopisches Gravitationsobjektes unendlich groß wür-de, wenn es sich der Lichtgeschwindigkeit nähert. Außerdem haben diePhotonen ebenfalls eine geringe Masse. In Wirklichkeit gibt es keineMasse. Sie ist eine abstrakte Größe, die innerhalb der Mathematik gebil-det wird, und lediglich das Verhältnis der konstanten Energiebeträge derSysteme ausdrückt.

In diesem Sinne setzt die Kritik Bergsons an der richtigen Stelle an.Allerdings läßt er als Nichtphysiker unbekümmert die Homogenität desRaums gelten und stellt ihm die inhomogene Zeit gegenüber. Jeder Mo-ment ist nach Bergson etwas Neues, Einmaliges, Unwiederholbares. DieZeit ist ein einziges unteilbares Fließen, ein Werden, und somit von der

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reversiblen Zeit der Physik von Grund aus verschieden. Dann verliertsich seine Philosophie ins Metaphysische, weil er in seiner Revolte ge-gen die Wissenschaft nicht konsequent genug vorgeht. Anstelle die offi-zielle wissenschaftliche Auffassung von der physikalischen Welt en bloczu verwerfen, läßt Bergson sie weiterhin gelten. Er stellt ihr bloß dieintuitive Vorstellung des Künstlers gegenüber und nimmt damit eineBewußtseinsspaltung in Kauf. Diese Bewußtseinsspaltung auf der kol-lektiven Ebene ist seitdem ein gesellschaftlicher Topos geworden. Mankann eben nur Wissenschaftler oder Künstler sein, aber beides zugleichführt zu keinem Erfolg. Die Kluft zwischen dem Künstlerischen und demWissenschaftlichen, die sich aus diesem Vorurteil ergibt, kann erst mitdie Entdeckung des Universalgesetzes peu á peu überwunden werden.

Nach Bergson entsprechen dem Raum und der Zeit im Menschenzwei verschiedenartige Erkenntnisvermögen. Dem Raum zugeordnet istder Verstand, es versteht sich der wissenschaftliche Verstand. Sein Ge-genstand ist das Feste, Räumliche, die Materie schlechthin. Diese Vor-stellung von Bergson zielt auf die konventionelle StrukturkomplexitätKs, die als übergeordnete physikalisch-geometrische Größe in die neueAxiomatik eingeführt wird. Sie ist ein Synonym für geometrische Flä-che. Intuitiv hat Bergson das erkannt, was alle Physiker bis zur Entdek-kung des Universalgesetzes nicht einmal im Traum vermutet haben - näm-lich, daß viele physikalische Größen wie Ladung, magnetisches Momentusw., an deren realen Existenz sie nie gezweifelt haben, in Wirklichkeitverborgene Definitionen, ja noch schlimmer, Pleonasmen für geometri-sche Fläche sind. Spätestens an dieser Stelle sollte der Vorurteil über dasrationale wissenschaftliche Denken und das irrationale künstlerischeDenken fallengelassen werden. Denn das Beispiel mit Bergson beweistunwiderruflich, daß die Intuition des Denkers und Künstlers durchausrichtiger liegen kann als das gesamte wissenschaftliche Denken, das sichmit dem Attribut „rational“ genau so gerne schmückt wie der Hochstap-ler mit seiner Abstammung.

Die Physik speziell und die Naturwissenschaft im allgemeinen ha-ben sich bisher ausschließlich mit der konventionellen Struktur-komplexität in statischer Hinsicht beschäftigt. Die Methode der Beschrei-bung ist die Geometrie (Topologie), die erst durch die Arretierung derZeit, welche die Inhomogenität der Raumzeit wiedergibt, möglich wird:wenn fo=o1, dann erhält man aus der Universalgleichung die Fläche:Eo=oSP(A)[2d-Raum]ofo

2o=oSP(A)[2d-Raum]o=oKso=oFläche. Beachte: die

absolute Zeit f gibt die Anzahl der Aktionspotentiale an, die für die Inho-

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mogenität der Raumzeit verantwortlich sind: Eo=oEAof. Es ist wichtig andieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die zweidimensionale Darstellungdes Raums, die man in der Physik extrem häufig vorfindet, ausschließ-lich darauf zurückzuführen ist, daß diese Art der Raumdarstellung ameinfachsten auf ein Blatt Papier gezeichnet werden kann. Diese Erkennt-nis ist insofern peinlich, weil sie bis heute von den Physikern nicht be-griffen wurde. Nach der neuen Axiomatik kann die häufige 2d-Darstel-lung des Raums durch jede n-dimensionale Darstellung ersetzt werden,da diese nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz identisch sind.

Bergsons durée, die neben der physikalischen Zeit existieren sollund nur durch die Intuition zu erfassen ist, hat aber ein zweites Gesicht.Bei näherer Betrachtung entpuppt sie sich als eine intuitive Erfassungder Evolution der Raumzeit zur höheren Komplexität. Dieser Vorgangist zukunftsorientiert und vermittelt den Eindruck, daß er zielgerichtetist. Auch wenn wir im Rahmen der neuen Axiomatik ein Evolutions-gesetz aus dem Universalgesetz ableiten, so entzieht sich diese zielge-richtete Evolution letztendlich einer stringenten mathematischen Erfas-sung. Das Evolutionsgesetz Kso=oEto

2, das eine Ableitung des Universalge-setzes ist, besagt daß die Strukturkomplexität proportional der Energieum-wandlung ist und mit den Quadrat der konventionellen Zeit wächst. Dadieses Gesetz eine andere formalistische Darstellung des Universal-gesetzes ist, beansprucht es eine universelle Validität. Man kann zumBeispiel den technologischen Fortschritt mit diesem Gesetz treffend be-schreiben. In Kenntnis des Universalgesetzes fällt es uns nicht schwer,Bergsons durée, die als bloße künstlerische Revolte gegen die vermeint-liche Rationalität der Wissenschaft verstanden wurde, als eine Antizipa-tion des Evolutionsgesetzes zu interpretieren. Da die ganze gesellschaft-liche Entwicklung der Evolution zur höheren Komplexität unterworfenist, verwundert es nicht, daß die Philosophie von Bergson die avantgarde-Künstler zu einer ungemein starken Kreativität anspornte. Die avantgarde-Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts geben uns eine vage Vor-stellung von der schöpferischen Kreativität, welche zu erwarten ist, wenndie Gedanken des Universalgesetzes von Kunst und Literatur erfaßt undumgesetzt werden.

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William James oder idealistischer Empirismus

Die moderne Philosophie des 20. Jahrhunderts führt direkt zur modernenPsychologie. Einer der Wegbereiter dieser Entwicklung war WilliamJames. James’ radikaler Empirismus geht von Berkeleys Vorstellungenaus. In seinem im Jahre 1904 publizierten Essay “Does “consciousness”exist?” verwirft er das im Empirismus fundamentale Subjekt-Objekt-Verhältnis. Das Bewußtsein, sagt er:

“... is the name of a nonentity, and has no right to a place among first principles.Those who still cling to it are clinging to a mere echo, the faint rumour leftbehind by the disappearing “soul” upon the air of philosophy.”

James glaubt nicht an der Existenz eines Urstoffes (oder einer anderenQualität), aus dem unsere Gedanken entstehen, und der sich radikal vonder Materie der Gegenstände unterscheidet. Er verwirft nicht die Exi-stenz des Bewußtseins, sondern die Vorstellung, daß sie eine faßbareEntität ist. James nimmt an, daß es so etwas wie einen Urstoff (Urmaterie)gibt, aus dem alles in dieser Welt besteht. In dieser Hinsicht nähert ersich Heraklit an. Allerdings sieht er diesen Stoff nicht als Energie an,sondern als “pure experience”. Dies ist der Ausgangspunkt des Monis-mus von James. Damit verkennt er aber den energetischen Ursprung al-les Geschehens, den der antike Geist so tief verinnerlicht hatte. Offen-sichtlich wird die Bedeutung der Energie in den philosophischen Über-legungen um so geringer eingeschätzt, je entwickelter eine Gesellschaftund je großzügiger der Umgang mit Energie, d.h. je weniger beschwer-lich der Alltagsaufwand zur Beschaffung von Energie ist. Sie wird alseine Art “free lunch” betrachtet.

Dem monistischen Idealismus eines William James als Sinnbild deramerikanischen Denkweise (Dewey, Pierce, Whitehead) steht die Philo-sophie des dialektischen Materialismus gegenüber. Spätestens seit demAusbruch des Kalten Krieges beherrscht der Antagonismus dieser bei-den Weltanschauungen - idealistischer Empirismus hier, materialistischerIdealismus dort - das politische Weltgeschehen. Auch nach dem Endedes Kalten Kriegs und nach dem vordergründigen Sieg des ersten ist esverfrüht, sich ein abschließendes Urteil über den endgültigen Ausgangdieses Disputs zu bilden. Auch wenn der dialektische Materialismus alsgesellschaftliche Lehre bereits abgedankt hat, so wird der Ausgang derphilosophischen Auseinandersetzung mit Sicherheit nicht so eindeutig

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Dialektischer Materialismus 115

ausfallen. In dieser Hinsicht steht dem amerikanischen Idealismus näm-lich ein grundlegendes Umdenken bevor.

Dialektischer Materialismus

Zwei Grundströmungen sind in der marxistischen Philosophie sehr ge-nau voneinander zu unterscheiden: der dialektische Materialismus alsabstrakte philosophische Strömung und der historische Materialismusals Gesellschaftslehre (Leninismus, Stalinismus etc.), die sich nach ei-nem kurzen, aber furiosen Intermezzo von dieser Welt bereits verabschie-det hat. Als gesellschaftliche Ordnung hat der historische Materialismusein schwerwiegendes Erbe hinterlassen, mit dem unsere moderne, post-kommunistische Welt immer noch nicht umzugehen weiß.

Während die Geschichte über diese zweite Strömung ihr Urteil be-reits gefällt hat, ist der dialektische Materialismus noch immer in denKöpfen vieler Menschen lebendig, und es ist nicht ganz auszuschließen,ob er nach der Entdeckung des Universalgesetzes nicht in einem neuenGewand eine zweite Renaissance erleben wird. Hier verbirgt sich einenicht zu übersehende Ironie. Als Dissident habe ich Zeit meines Lebensgegen die menschenverachtende Ideologie des Marxismus gekämpft, umnur fünf Jahre nach ihrem Untergang den geistigen Ursprung dieser ab-wegigen Soziallehre durch die Entdeckung des Universalgesetzes teil-weise zu bestätigen. So verhält es sich mit der inneren Logik des Geset-zes.

Grundthema des dialektischen Materialismus ist der Materiebegriff . Diemarxistische Literatur kennt unzählige Werke zu diesem Thema, vondenen nur die wenigsten dem westlichen Leser bekannt sind. Der Materie-begriff wurde ursprünglich von Marx und Engels eingeführt und mehroder weniger im Sinne der Atomisten verstanden. Mit der Entwicklungder Quantenmechanik und der modernen Physik änderte sich diese Auf-fassung jedoch grundlegend. Viele marxistische Philosophen, die aus derPhysik, der Mathematik und anderen Wissenschaften kamen und auf demerstarrten ideologischen Feld des historischen Materialismus schon ausExistenzängsten keine Betätigung für sinnvoll erachteten, stürzten sichin die wissenschaftlich-philosophische Erfassung des Materiebegriffs.Unter der Schirmherrschaft des ehrgeizigen nuklearen Entwicklungspro-gramms der Sowjetunion nach dem 2. Weltkrieg konnten diese marxisti-

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schen Denker weniger gefährlich und ihren westlichen Kollegen ver-gleichbar freimütig über grundlegende physikalisch-philosophische Fra-gen sinnieren. Das Ergebnis war eine Vorwegnahme des Universal-gesetzes, die ihnen, bei allen Vorbehalten gegen diese Ideologie, zur Ehregereicht.

Schon bald erkannte der dialektische Materialismus, daß es keinenprinzipiellen Unterschied zwischen Materie und Energie gibt. Wer nochin seiner Kritik auf den Vulgärmaterialismus des 19. Jahrhunderts pocht,der verkennt die spätere Entwicklung. Bereits Lenin verwirft in seinerAuseinandersetzung mit den “Empiriokritizisten” Ernst Mach und Ri-chard Avenarius den alten, zu eng gewordenen Begriff der Materie. Fürihn und für den Marxismus nach ihm ist Materie “eine philosophischeKategorie zur Bezeichnung der objektiven Realität”. Zum Wesen derMaterie gehört für den dialektischen Materialismus die Bewegung: kei-ne Materie ohne Bewegung - keine Bewegung ohne Materie. Diese Auf-fassung führt direkt zum Universalgesetz, das besagt, daß sichRaumzeito=oEnergieo=oUniversum ständig in einer Änderung (o=oBewe-gung) befinden, die zukunftsorientiert ist. Der dialektische Materialismusist ebenfalls zukunftsorientiert. Alle physikalischen, physiologischen undsozialen Prozesse befinden sich demnach in einem Evolutionsprozeß,daher die Lehre des historischen Materialismus von der Notwendigkeitder Revolution und dem Sieg der Arbeiterklasse. Gerade die Unfähigkeitdes historischen Materialismus, diesen sozialen Prozeß nach der Revo-lution theoretisch weiterzuentwickeln, führte zu seiner Erstarrung undzum anschließenden Untergang.

Zum Wesen der Materie gehört nach dieser Lehre ferner die Unend-lichkeit der Materie/Energie. Nach dem Universalgesetz ist die Energie/Raumzeit ebenfalls unendlich, weil sie sich in einem ständigen Prozeßdes Werdens befindet, der sich in seiner Gesamtheit nicht erfassen läßt.Dies ist sowohl im räumlichen als auch im zeitlichen Sinne zu verstehen.Die Welt hat nach dem dialektischen Materialismus kein Ende und kei-nen Anfang. Eine fundamentale Aussage der neuen Axiomatik ist, daßdie Raumzeit in sich geschlossen ist. Die Argumentation ist freilich eineandere. Während sich der dialektische Materialismus mit dieser Auffas-sung gegen die Religion wendet, die einen göttlichen Anfang präjudi-ziert (siehe auch „big bang“ in der Kosmologie), ergibt sich der zykli-sche, zukunftsorientierte Verlauf der Selbstorganisation der Energie ausder objektiven Existenz der Aktionspotentiale auf jeder Ebene. Im Ge-gensatz zum dialektischen Materialismus kann der Beweis sowohl empi-

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Dialektischer Materialismus 117

risch als auch mathematisch erbracht werden, indem alle physikalischenGesetze auf die universale Gleichung Eo=oEAof zurückgeführt und zugleichneue Gesetze abgeleitet werden, mit deren Hilfe eine Integration der or-ganischen und anorganischen Welt möglich wird. Auch wenn der dialek-tische Materialismus fieberhaft nach einer ähnlich umfangreichen Be-weisführung gesucht hat, ist ihm der Durchbruch nicht gelungen.

Die Raumzeit wird vom Marxismus als objektives und reales Seins-wesen der Materie/Energie aufgefaßt. Da Raum und Zeit der Inbegriffdes Seins sind, ist die Vorstellung eines außerweltlichen, d.h. außerhalbvon Raum und Zeit existierenden Gottes für den Marxismus widersin-nig. Die Gründe für die Ablehnung eines Schöpfers außerhalb der Mate-rie sind freilich uralt und stellen keine eigene Leistung des Marxismusdar. Diese Ablehnung kann bereits aus dem Pantheismus der alten Thra-ker heraus erfolgen. Daß damit aber die Existenz eines Gottes, einer ápriori Intention innerhalb der Raumzeit, weder vom marxistischemStandpunkt noch aus dem Universalgesetz heraus widerlegt werden kann,ist offensichtlich. Nach dem Prinzip der letzten Äquivalenz ist es aller-dings gleichgültig, ob wir anstelle des Urbegriffs der Raumzeito=oEnergieden Begriff “Gott” (o=oHeiliger Geisto=oLogoso=oEinsicht in den Logos etc.)einführen würden oder nicht. Die langanhaltende Diskussion zwischenReligion und dialektischem Materialismus, was zuerst kommt, der Geistoder die Materie, wurde in diesem Jahrhundert mit großer Vehemenzgeführt und hat die moderne Gesellschaft wie kaum eine andere Diskus-sion gespalten. Im Sinne des Universalgesetzes entpuppt sie sich wievieles auf dieser Erde als Scheindiskussion, die nicht zu gewinnen war.

Der dialektische Materialismus hat mit der neuen Ontologie des Neo-Kantianisten, Nikolai Hartmann, einiges gemeinsam. Da das Seiende(o=oMaterie) eine objektive, also vom erkennenden Bewußtsein unabhän-gige Realität ist, ergibt sich aus diesem “erkenntnistheoretischen Realis-mus” heraus, daß die Materie ontologisch gesehen das Primäre und der“Geist” nur die Widerspiegelung im Bewußtsein der Menschen ist. Die-se Theorie wurde ausgiebig von dem bulgarischen Marxisten undErkenntnistheoretiker Pavlov besprochen. Sie setzt ein Subjekt-Objekt-Verhältnis voraus und ist der Kantschen Auffassung somit entgegenge-setzt. Hier berühren sich die beiden großen Strömungen des englischenEmpirismus und des dialektischen Materialismus und lassen den gemein-samen geistigen Ursprung erkennen. Hier endet aber die er-kenntnistheoretische Diskussion des dialektischen Materialismus in ei-

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118 Das Universalgesetz im Spiegelbild der Philosophie

ner Sackgasse, aus der er sich, ebenso wie der Empirismus und dessenspätere Version, der idealistische Empirismus, bis heute nicht zu befrei-en weiß. Indem der marxistische Materialismus dem Bewußtsein etwasImmaterielles zuordnet, das aus dem primären Bereich der Materie her-vorgeht, muß der Marxismus den metaphysischen Begriff der “Wider-spiegelung” einführen. Damit aber steht der dialektische Materialismusvor der schier unlösbaren Aufgabe zu erklären, wie etwas Immateriellesaus der Materie hervorgeht und zu ihr gleichzeitig im Verhältnis einesProdukts, einer Funktion oder einer Eigenschaft stehen soll. Wäre manim dialektischen Materialismus konsequent beim Äquivalenzprinzip“Materie gleich Energie” geblieben, bei dem das Bewußtsein, wie dasUniversalgesetz besagt, ebenfalls eine Ebene der Energie ist, dann hätteer sich nicht in seinem selbstverschuldeten kognitiven Dilemma verstrickt.

Dies freilich hätte den Untergang des Systems nicht verhindern kön-nen, da die politisch praktizierte Lehre des Kommunismus die freie Selbst-organisation der Gesellschaft aus ganz anderen ideologischen Gründennegierte und sich somit unaufhaltsam der Dissipation näherte. Das kom-munistische Experiment endete, wie alle Systeme, bekanntlich mit einerSingularität, die schneller und unerwarteter auftrat, als es die meistenMenschen im Westen in ihrem linearen Denken für möglich gehaltenhaben. Die Lehre aus diesem menschheitsgeschichtlich einmaligen Vor-gang ist bisher nicht verstanden worden. Die Gründe sind zweierlei: er-stens wähnt man sich im Westen als Sieger; zweitens verdrängt man dieeigenen Schwächen, wohl in der vagen Hoffnung, daß ein ähnlicher Zu-sammenbruch der westlichen, demokratisch-orientierten Gesellschafts-ordnung erspart bleiben wird. Die Hoffnung ist illusorisch, solange mandas Universalgesetz nicht verinnerlicht hat, denn eine ähnliche Singula-rität liegt in der “Natur der Sache” und kann auf jeder Ebene, etwa beider Umweltverschmutzung, schneller und mit verheerenderen Folgenauftreten, als dies beim Untergang des Kommunismus der Fall war. Diessollte der Ausgangspunkt einer neuen Ethik des Überlebens sein, welchedas kommende Jahrhundert bestimmen wird.

Die bulgarische Schule

Keine Denkleistung kann in einem kulturellen Vakuum entstehen - denndas Vakuum gibt es nicht. Dies liegt in der Natur des Universalgesetzes.Die christliche Religion entwickelte sich auf diesem Kontinent auf dem

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Peter Beron 119

fruchtbaren Boden der antiken Philosophie und wurde von ihr lange Zeitals impertinenter Emporkömmling betrachtet, bis sie die Staatsräson ei-nes Thrakers, Konstantin, der Große, salonfähig machte. Das Europavon heute hat seine Wurzeln im antiken Griechenland, und Amerika isthistorisch gesehen ein Ableger Europas. Jede Ebene trägt die Keime neuerEbenen in sich.

Die Entdeckung des Universalgesetzes war das Endprodukt einesrastlosen “Raubzuges” durch die Wissenschaften. Die treibende Kraftmeines inneren geistigen Werdens war stets das Streben nach universa-ler Erkenntnis, wohl in der intuitiven Hoffnung, auf diese Weise an dieendgültige Wahrheit zu gelangen. Bei diesem Vorhaben konnte ich michan Vorbildern aus der antiken und neueren Geschichte des kulturellenRaums orientieren, in dem ich aufgewachsen bin. Die Einsicht in dasGesetz wurde indirekt durch die Werke einiger bulgarischer Denker sti-muliert, deren Schicksal sich entweder mit meinem kreuzte oder ver-blüffende Parallelen aufweist. Jeder kulturelle Raum trägt seinen Geistund sein Schicksal wie ein Kreuz durch die Geschichte.

Da diese Werke unberechtigterweise den westlich orientierten Le-sern und Wissenschaftlern weitgehend unbekannt sind, obwohl dieseDenker ihre Gedanken in Deutsch oder Französisch verfaßt haben, seheich es als meine Pflicht an, ihre Leistungen in diesem Zusammenhangkurz vorzustellen. Sie alle haben das Universalgesetz in hohem Maßevorausgeahnt und weltanschaulich in ihre Philosophie eingebaut. Ohneihre Vorstellung wäre der kulturell-historische Werdegang dieser Ent-deckung unvollständig geblieben. Sie alle haben wie der Verfasser einenwichtigen Teil ihres Lebens außerhalb Bulgariens verbracht. Für sie giltdie gleiche Bezeichnung, die man häufig Aristoteles zuspricht: “als Den-ker waren sie Männer von Welt.” In einem Land, von dessen Bewohnernman eher das Gegenteil behaupten kann, bedeutet dies freilich keine Aus-zeichnung, sondern verweist vielmehr auf ein Schicksal, das eher einemgeistigen Martyrium gleicht. Aber gerade darin liegt die innige Verbun-denheit dieser bulgarischen Denker mit ihren antiken Vorläufern.

Peter Beron (1798-1871)

Peter Beron gilt als der größte Bulgare überhaupt und ausnahmsweiseteile ich diese populäre Meinung uneingeschränkt. Er unterstützte tat-kräftig die revolutionäre Bewegung Bulgariens, die zur Befreiung vom

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Osmanischen Reich im 19. Jahrhundert führte und die Gründung einesnationalen bulgarischen Staates ermöglichte. Mit der berühmten “ Fisch-Fibel“ schrieb er das erste naturwissenschaftliche Lehrbuch in bulgari-scher Sprache; später ging er nach Deutschland und studierte Medizinund Philosophie in Heidelberg und München. Als praktizierender Arztund Geschäftsmann wurde er vermögend und zog sich in der zweitenHälfte seines Lebens nach Paris zurück. Hier schrieb er eines der bemer-kenswertesten Werke des Abendlandes, das erst in den kommenden Jah-ren im Lichte des Universalgesetzes richtig analysiert und bewertet wer-den kann: “Die slawische Philosophie”, eine Naturphilosophie. Es istder Verdienst des verstorbenen Philosophen und meines Freundes GeorgiSchischkoff, dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu ha-ben. In seiner Monographie aus dem Jahre 1971 “Peter Beron - Forscher-drang aus dem Glauben an die geschichtliche Sendung der Slawen” lie-fert er uns die erste wissenschaftliche Analyse dieser einmaligen Natur-philosophie. Ich werde mich weitgehend an seine Darstellung halten.

Beron geht von der griechischen Philosophie aus, die er sehr gut imOriginal kennt, und verknüpft diese mit den neuesten wissenschaftlichenEntdeckungen seiner Zeit, daher die vielen griechischen Termini in sei-nem Werk. In seiner Theorie nimmt er die Existenz zweier bzw. dreierElemente an, mit deren Hilfe er funktionell alle Eigenschaften der orga-nischen und anorganischen Materie zu erklären versucht. Es handelt sichum die beiden ursprünglichen “Fluiden”, Elektern genannt, von denenjedem die Eigenschaft der Ausdehnung (Exongese) zukomme, die zu-gleich der Orgasmus jedes Elekters sei: “... dieser Orgasmus reicht hin,alle Kräfte, die physischen gleichermaßen wie die organischen und alleEigenschaften der lebenden und leblosen Körper zu erklären”, schreibtBeron. Mit Orgasmus meint er offensichtlich die Energie der Systeme,die sich als Ladungsströme (Fläche in Bewegung) in allen Systemen wieSäuren, Licht und Elektrizität beschreiben läßt. Beron unterscheidet einOxyelektron und ein Hydroelektron und bezieht sich explizit auf dieRedoxprozesse in der Chemie, die er anscheinend für seine Zeit ausge-zeichnet beherrscht. Ein Oxyelektron entspricht somit einem Elektronbzw. einer negativ geladenen Gruppe (−), und ein Hydroelektron einemProton bzw. einer positiv geladenen Gruppe (+). Beron definiert die bei-den Fluida als “eine von Orgasmus beseelte homoide Masse”, die stetseine größere Ausdehnung zu erlangen strebt. Durch das Abstoßen derbenachbarten Fluidumschichten L (positiv geladen) und N (negativ gela-den) von der dazwischenliegenden Schicht M (Membran) entsteht ein

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Zustand des Fließgleichgewichts, einer Isophorie, weil beide Schichtendie Stöße von M erwidern. Die Abkürzungen stammen von Beron selbst.Er betrachtet aber dieses Potential auch als einen ubiquitären Energie-gradienten, indem er diese Darstellung auf das ganze Universum aus-dehnt. Schischkoff schreibt hierzu:

“Da dieser Prozeß jedoch von einem Zentrum ausgeht und die äußersteSchicht der konzentrischen Kreise nur einen Gegenstoß (von der vorherge-henden Schicht) erfährt, befindet sie sich im Zustand der Anisophorie, dieauch auf die inneren Schichten bis zum Zentrum übertragen, wodurch dieoben erwähnte partielle Isophorie aufgehoben wird. Dadurch werde die Ent-stehung von Wellen aus den elektrischen Massen gebildet, daraus entstündenauch die Ideen von Zeit und Raum.”

Wir werden die weitere Darstellung der Beronschen Theorie durchSchischkoff in vollem Umfang wiedergeben:

“Dieser plötzliche Sprung zur Erklärung solcher Ideen, die rein aus den phy-sikalischen Vorgängen am Anfang des Weltprozesses hervorgegangen seinsollen, spielt sich für Beron als eine notwendige Folge aus dem physikali-schen Denken ab. Da es unmöglich sei, das Sein des Elekters ohne den Or-gasmus in seiner obersten Schicht zu denken, die zur unaufhörlichenAnisophorie führt, ergebe sich daraus für das Denken der Begriff der Zeitund zugleich deren Unendlichkeit. Der Raum wird aus der Masse des Elektersabgeleitet, die wegen ihrer Dichte einen physikalischen Punkt einnimmt, da-her zum Denken der Räumlichkeit zwingt. Bei noch so groß gedachter Dich-te dieser Masse kann der Punkt niemals zu einem mathematischen, dimensions-losen Punkt werden8. Daraus ergebe sich die Möglichkeit, sich den Raumunendlich verkleinert zu denken; dagegen ergebe die unaufhörlich wachsen-de Entfernung der äußeren Schicht A die Grenzenlosigkeit des Raumbegriffes.Gäbe es in der Welt nur ein Fluidum, so würden daraus nur der Raum und dieZeit folgen, aber kein Universum im physikalischen Sinne. Erst die Begeg-nung der äußeren Schichten der beiden Fluida, A und A’, des Oxyelektersund des Hydroelekters, deren Wellen (Epikymen) sich in bezug auf ein jeeigenes Zentrum konzentrisch ausbreiten, sei ein physischer Akt, der denAnfang der Schöpfung darstelle. Aus dieser Berührung und Überschneidungder Wellenbereiche entsteht eine Verbindung von beiden Elektern, die alsZeugma bezeichnet wird und ihre besondere Potenz in der Verschiedenheitder Orgasmen in den sich treffenden Elekterabschnitten hat.“

______________________________8 Diese Aussage dürfte genügen, um den gegenwärtigen geometrischen Ansatzder Physik epistemologisch zu verwerfen.

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Im Lichte des Universalgesetzes ist es wirklich atemberaubend, Beronsnaturwissenschaftliche Ideen zu verfolgen. Er entwirft vor über 150 Jah-ren die Idee eines elektrischen Membranpotentials, das sich stets an bio-logischen Membranen bildet. Darüber hinaus erkennt er die Rolle derpositiv und negativ geladenen Gruppen, die für die Bildung derSolitonentriplets in den Proteinstrukturen und in den DNA-Strängen vonfundamentaler Bedeutung sind. Er nimmt auch die Grunderkenntnis vor-weg, daß die Endprodukte des metabolischen Abbaus in der Zelle Elek-tronen und Protonen sind (oxydative Phosphorylierung in denMitochondrien; chemiosmotische Theorie von Mitchell). Darauf beruhtdie neue Allgemeine Theorie der Biologischen Regulation dargestellt imBand III.

Berons Grundidee einer ubiquitären Polarität ist somit richtig. Diesefindet ihren Niederschlag im Axiom zum reziproken Verhalten der Gra-dienten zweier benachbarter Ebenen eines Systems. In der neuen Axio-matik kann zum Beispiel bewiesen werden, daß die räumliche Ausdeh-nung des sichtbaren Universums nur von den Gradienten der Gravitations-ebene und der Photonenebene, die sich reziprok zueinander verhalten,abhängt. Während das Gravitationspotential für das Zusammenziehendes Raums verantwortlich ist, führt das Potential der Photonenebene zueiner Ausdehnung des Raums (siehe Band II). Die Polarität der Kräfte istals intuitive Idee des Universalgesetzes in allen Kulturen, Religionenund philosophischen Systemen anzutreffen und wird sowohl für die physi-kalische Welt als auch für Gesellschaft, Ethik und Gefühle angewandt.In diesem Zusammenhang wird der Sinn der positiven und negativenLadungen im Elektromagnetismus ein für alle Mal richtig gedeutet. Po-sitive und negative Ladungen sind mathematische Umschreibungen fürdie Bedingungen der konstruktiven und destruktiven Interferenz. Da alleSysteme überlagerte Rotationen sind, die man sich als stehende Wellenveranschaulichen kann - die de Broglie’s Interpretation des BohrschenModells des Elektrons geht z.B. von einer stehenden Kreiswelle aus -kann man die Anziehung gegensinniger Ladungen und Abstoßung gleich-sinniger Ladungen sehr einfach erklären. Gleichsinnige Ladungen, alsTeilchen verstanden, sind stehende Wellen, z.B., Kreiswellen, die sich inPhase befinden: wenn sie sich überlagern, addieren sich ihre Berge undTäler und die Amplitude wächst. Dies wird aus anthropozentrischer Sichtals Ausdehnung des Raums bzw. als „Abstoßung“ der Teilchen inter-pretiert. Gegensinnige Ladungen sind Wellen, die außer Phase sind, sodaß das Tal der ersten Welle mit dem Berg der zweiten Welle zusammen-

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fällt und umgekehrt; sie löschen sich gegenseitig und die Amplitude derresultierenden Welle nimmt ab oder wird Null. Wir haben die Bedingungder destruktiven Interferenz. In diesem Fall schrumpft der Raum. In derElektrizitätslehre wird dieser Vorgang etwas volkstümlich als „Anzie-hung“ umschrieben.

Diese einfache Erklärung eliminiert den semantischen Unterschiedzwischen Elektromagnetismus und Gravitation, die als reine Anziehungs-kraft beschrieben wird. Die Vorstellung von der Anziehungskraft giltfreilich nur für den freien Fall in der Nähe der Erdoberfläche und stellteine reduktionistische, lokal-deterministische Betrachtungsweise derNaturphänome dar. Betrachtet man hingegen die Orbite der Himmels-körper, die nach den Keplersche Gesetzen stets elliptisch sind, dann kanndiese Art der Rotation aus der Sicht des Beobachters zugleich als Anzie-hung und Abstoßung beschrieben werden. Das einfachste Beispiel istein Komet, der sich der Erde nähert und entfernt. Auch die Erde nähertsich (im Perihelium) und entfernt sich (im Aphelium) der Sonne wäh-rend ihrer ellyptischen Rotation um diesen Stern.

Diese simple Erklärung der „Anziehungs- und Abstoßungskräfte“der Natur, die erst durch die Entdeckung des Universalgesetzes möglichwurde, eliminiert zugleich den Unterschied zwischen dem NewtonschenGravitationsgesetz, das konventionell nur Anziehungskräfte beschreibt,und dem Columbschen Gesetz der Elektrizitätslehre, das sowohlAnziehungs- als auch Abstoßungskräfte erfaßt. Es ist seit lange bekannt,daß die beiden Gesetze dieselbe mathematische Schreibweise aufwei-sen, ohne daß man in der Lage gewesen wäre, den obengenannten Unter-schied zu erklären. In der neuen Axiomatik wird bewiesen, daß sich diebeiden Grundgesetze der klassischen Mechanik und der Elektrizitätslehreaus dem Universalgesetz ableiten und somit lediglich Anwendungen die-ses Gesetzes für verschiedene Ebenen der Raumzeit sind (siehe Band Iund II).

Nach Beron beginnt der Aufbau des Kosmos mit der Entstehung vonZeugmen (Teilchen, bzw. stehende Kreiswellen9), deren Wellen durchÜberlagerung mit den Wellen der heteronymen Elektern weitere Zeugmen

______________________________9 Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß die Vorstellung von „stehenden“ Wel-len eine mathematische Abstraktion ist, die lediglich die relative Konstanz die-ser Art der Strukturkomplexität aus subjektiver anthropozentrischer Sicht wie-dergibt. In Wirklichkeit ist jede stehende Welle ein System der Raumzeit undbefindet sich somit in Bewegung.

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erzeugen, die von den vorher entstandenen jeweils verschieden sind; dieseführen ihrerseits zum Auftreten weiterer Zeugmen usw., so daß “auf die-se Weise der Kosmos mit imponderablen (z.B., destruktive Interferenzzwischen Teilchen und Antiteilchen als Fermione) und ponderablen Zeug-men (z.B. konstruktive Interferenz zwischen Bosonen) bevölkert” wird.In diesem Sinne sind die Zeugmen überlagerte Wellen bzw. Rotationen,die man als Ebenen oder Systeme der Raumzeit betrachten kann. Zu die-sen kosmischen Zeugmen gehöre nach Beron auch der Mensch, in demdie in seinem Gehirn und Nervensystem angehäuften Elekter sich mitden Elekterwellen treffen, die von den Objekten ausgehen, woraus dieIdeen als Elemente der Seele hervorgehen und dadurch den Mikrokos-mos als der eigentliche Kern menschlichen Seins (als abgespiegeltes Bilddes Makrokosmos) entsteht. Während die Physik und die Naturwissen-schaften den Kosmos der Körper und der verschiedenartigen Zeugmenwie Licht, Wärme, Elektrizitäten und Aether zum Gegenstand haben,sind es Philosophie, Politik, Moralwissenschaften und Ästhetik, die sichmit der Schöpfung und den Geschehnissen des Mikrokosmos befassen.

Welche eine großartige Deutung der Selbstorganisation des Uni-versums! Welche untrügliche Intuition, die zum ersten gelungenen, wennauch bisher unerkannten Versuch einer Synthese der Wissenschaften führt!Wenn irgendwann einmal die Geschichte der Wissenschaft als eine Ket-te vergessener Theorien neu geschrieben werden muß, und über die Not-wendigkeit eines solchen Versuches sollte spätestens seit dieser Darstel-lung kein Zweifel mehr bestehen, dann muß man mit der “SlawischenPhilosophie” von Peter Beron beginnen.

Beron geht in seiner Theorie aber weiter, indem er die verschiedenenphysikalischen Ebenen ausführlich beschreibt und eine Reihe metaphy-sischer Begriffe griechischen Ursprungs einführt. Eine weitere genialeInterpretation der Raumzeit, die durch die moderne Physik und ihre Inte-gration in die neue Axiomatik unbedingt bestätigt wird, ist das Verwer-fen der atomistischen Auffassung. Hierzu schreibt Beron:

“Was die Chemiker unter Atomen von Wasserstoff und Sauerstoff verstehen,sind nichts anderes als Halb-Wellen des Wassers...”,

womit er den 1/2-Spin der Fermione (Pauli-Verbot) in der Quantenchemievorwegnimmt. In der neuen Axiomatik wird anhand des Elektrons be-wiesen, daß der Spin ein Synonym für ein halbe Umdrehung ist, die manauch als eine halbe Welle (Halbkugel) bezeichnen kann. Dies gilt im

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Prinzip auch für alle weitere Quantenzahlen (siehe Band I und II).Aber auch bei der Erklärung des Metabolismus der organischen

Materie gelingt Peter Beron ein Volltreffer. Wenn die Tiere aus den Pflan-zen, die sie als Nahrung aufnehmen, verschiedene Oxyde und Salze er-zeugen, so seien:

“diese Wirkungen, welche man der Lebenskraft zuzuschreiben pflegt, ...weiter nichts als Zersetzungen oder Umtausche der somatischen Wellen ge-gen homonyme elektrische Wellen und umgekehrt. ”

Die Allgemeine Theorie der Biologischen Regulation, die im Band IIIausführlich dargelegt wird, bestätigt diese Auffassung uneingeschränkt.Beron beschreibt sehr detailliert das Nervensystem, das Licht, die Wär-me, den Ton usw. als Elektrizitätswellen, die von den Objekten ausgehenund über die Sinnesorgane empfangen und weiterverarbeitet werden:

“Alle Nerven kommunizieren mit dem Gehirn, dessen Masse dazu bestimmtist, die Elektrizitäten in großen Mengen aufzubewahren. Die Wurzeln derNerven der Sinnesorgane entspringen aus einigen Wölbungen derKorzyphomen. Diese Nerven endigen in den Sinnesorganen, wo sie sich aus-breiten oder verzweigen und ihr eigenes Neuroplegma bilden.”

Was für eine Vision! Mehr als ein Jahrhundert vor der Entstehung derMolekularbiologie, der Elektrophysiologie und der modernen Bioche-mie entwickelt ein unerkanntes Universalgenie aus dem Stand herauseine komplette Theorie der biologischen Regulation, deren großartigerAufbau erst mit der Entdeckung des Universalgesetzes sichtbar wird undunser gesamtes Wissen am Ende dieses Milleniums vorwegnimmt. Mei-nes Erachtens kennt die Geschichte der Wissenschaft eine derartige Lei-stung weder bei Leibniz noch bei Kant, noch bei irgend einem anderenWissenschaftler vergangener Zeiten. Die ”Slawische Philosophie” vonBeron muß noch einmal im Original im Hinblick auf das Universalgesetzesgenaustens analysiert werden. Es ist sicherlich kein Zufall, daß das Uni-versalgesetz ausgerechnet von einem Landsmann Berons entdeckt wur-de, genauso wie es kein Zufall ist, daß beide in Heidelberg Medizin stu-diert und in München gewohnt haben. Peter Beron ist der erste Forscher,der die Thraker für die Geschichte wiederentdeckt hat. Wie der Autor,fühlt auch er eine innere Verbundenheit zu ihrer hochentwickelten Zivi-lisation und zu ihrem Pantheismus und träumt von der Wiedergeburt derthrakischen Kultur, die solche Denker wie Demokrit, Leukipp und Ari-

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stoteles hervorgebracht hat.Beron geht aber konsequent weiter, indem er die Entstehung der Him-

melskörper durch die sogenannte apochoristische Genese zu erklärenversucht und dabei eine durchgehende Universaltheorie entwickelt. Zu-nächst handelt es sich um eine weitere Entwicklung der Kant-Laplaceschen Hypothese, in der er die Veränderungen der Wärmever-hältnisse, das Zusammenspiel von Welleneigenschaften und anderenphysischen Elementen berücksichtigt. Da er die Genese des Makrokos-mos mit den Elektrizitätswellen des Mikrokosmos erklärt, nimmt Berondie Erkenntnisse der modernen Kosmologie, allem voran die Erkennt-nisse aus der Chandrasekhar-Grenze vorweg, nämlich, daß das Grund-photon, das Plancksche Wirkungsquatum h, das eine Welle ist, für dieStabilität der Sterne von entscheidender Bedeutung ist. Damit verbindeter als erster Wissenschaftler die Kosmologie, die den Makrokosmos er-faßt, mit der Theorie des Mikrokosmos, und nimmt somit die Quanten-kosmologie vorweg, die noch heute in den Kinderschuhen steckt.

In der neuen Axiomatik wird zum ersten Mal der allumfassende Be-weis geliefert, daß die Raumzeit eine geschlossene Entität ist, so daß derMakrokosmos im Mikrokosmos innewohnt und umgekehrt. Beide be-dingen sich gegenseitig. Unter anderem wird geklärt, daß die zwei fun-damentalen Konstanten des Elektromagnetismus, die elektrische undmagnetische Feldkonstante wichtige Information enthalten, die den Phy-sikern bisher verborgen geblieben ist. Beide Konstanten werden zur Zeitals „Materialkonstanten des Vakuums“ aufgefaßt, was ein Unsinn per seist. Das Vakuum ist eine N-Menge, die sich als Element nicht enthält - esenthält die Teilchen, die Energie sind, also das Nichts enthält das Etwas.Alle N-Mengen erweisen sich im Sinne des Universalgesetzes als fal-sche wissenschaftliche Ideen und werden deshalb für immer aus derNaturwissenschaft eliminiert. Die beiden Konstanten erfassen in Wirk-lichkeit die Raumzeit der Photonenebene. Die elektrische Feldkonstanteist elektrisches Feld und hat die Dimensionalität einer Beschleunigung.Zusätzlich beinhaltet sie eine neue Konstante, die absolute Zeit (Fre-quenz) ist. Die magnetische Feldkonstante ist reziproke Länge. Da aberdie Raumzeit in sich geschlossen ist, werden diese Zeit- und Raumgrößender Photonenraumzeit von den Eigenschaften der Materie bedingt, mitder sie in Wechselwirkung tritt. Es konnte bewiesen werden, daß diebeiden neuen Zeit- und Raumkonstanten die durchschnittliche Raumzeitder Sterne im Universum wiedergeben. Konkret konnte bewiesen wer-den, daß die konstante Zeit, die sich aus der elektrischen Feldstärke er-

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gibt, sehr genau mit der durchschnittlichen Drehfrequenz der Pulsare(Neutronensterne) übereinstimmt. Die konstante Länge, die sich aus dermagnetischen Feldstärke ergibt, stimmt wiederum exakt mit dem mittle-ren Durchmesser der Pulsare überein. Dies ist der endgültige Beweis,daß die Raumzeit eine geschlossene Entität ist und, daß ihre Systemeund Ebenen überlagerte Rotationen sind, die sich gegenseitig bedingenund in perfekter Harmonie, d.h., in konstruktiver Interferenz co-existie-ren. Der Beweis ist mathematisch und sprengt den Rahmen dieser Ab-handlung (siehe Band II). Die Erkenntnis ist jedoch von bahnbrechenderBedeutung, denn sie krempelt die gängige Auffassung der Kosmologieum. An erster Stelle wird die Urknall-Hypothese, die von einer Ausdeh-nung des Universums ausgeht, verworfen. Das gleiche Schicksal ereiltauch eine Reihe sekundärer Ansichten, die im Band I und II widerlegtwerden. Der Aufbau einer neuen Kosmologie aus dem Universalgesetzheraus schließt nahtlos an den Aufbau einer Allgemeinen Theorie derBiologischen Regulation im Band III an, die nicht nur die abstraktemathematische Leistung des Bewußtseins, sondern auch seine neurophy-siologische Wirkungsweise beinhaltet.

Den gleichen Weg geht auch Beron in seiner „Slavischen Philo-sophie“. Er widmet ebenso große Aufmerksamkeit der Entstehung des“zweiten Mikrokosmos”, wobei er damit die Entstehung des Bewußt-seins meint. Für wie universal seine Theorie Beron selbst hält, geht ausseiner Überzeugung hervor, daß sowohl die Himmelskörper als auch alleLebewesen, einschließlich des Menschen, nach demselben Prinzip ent-stehen. Damit nimmt er nicht nur die Allgemeine Theorie der Wissen-schaften, die auf dem Universalgesetz aufbaut, vorweg, sondern liefertauch die erste wissenschaftlich detaillierte Beschreibung dieses Prinzipsin der Vielfalt der physikalischen Phänomene. Auf der Basis seiner Elek-trizitätslehre entwickelt er eine großartige Theorie der neurophysio-logischen Vorgänge in unserem Hirn, die von der modernen Forschungauf verblüffende Weise bestätigt werden. Er macht keinen prinzipiellenUnterschied zwischen sensorischen und somatischen Wahrnehmungen,die er allesamt als Ergebnis von Wellenumwandlungen ansieht. Beronbetrachtet das Bewußtsein und den Körper als eine energetische (elektri-sche) Einheit.

In den letzten beiden Kapiteln seiner “Slawischen Theorie” entwik-kelt er eine anthropologische Theorie der Völkerwanderung. Er nimmtan, daß die Völkerwanderung nach einem mathematischen Gesetz er-folgt ist, und zwar vom Äquator zu höheren Breitengraden hin. Auch

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dies steht im Einklang mit der derzeit gängigen Hypothese, die den Ur-menschen in Afrika ansiedeln.

Man kann in dieser kurzen Einführung nicht alle Aspekte derBeronschen Naturphilosophie vorstellen. Dies muß einer eingehendenwissenschaftlichen Analyse aus der Sicht des Universalgesetzes vorbe-halten bleiben. Bedauerlicherweise kennen nicht einmal die Bulgarendie wissenschaftliche Leistung ihres Landsmanns. Bis zu diesem Zeit-punkt ist Schischkoffs Monographie nicht ins Bulgarische übersetzt wor-den, und es liegt auch keine Übersetzung der Beronschen “SlawischenPhilosophie” aus dem Französischen ins Bulgarische vor.

Georgi Schischkoff

Das gleiche Schicksal erfahren auch Schischkoffs andere Werke. DerHerausgeber von zwei der wichtigsten philosophischen Zeitschriften inDeutschland nach dem 2. Weltkrieg, der “Zeitschrift für philosophischeForschung” und des “Philosophischen Literaturanzeigers”, sowie desdeutschen “Philosophischen Wörterbuchs”, kommt ins nationalsoziali-stische Deutschland als Doktorand zu Professor Huber in München undwird Komplize und kritischer Zeuge des etwas laienhaften Heroismusder Widerstandsgruppe “Weiße Rose”, eines der wenigen nennenswer-ten Versuche deutschen Widerstands gegen Hitler. Verhaftet durch dieGestapo, dann nach Intervention der bulgarischen Regierung für kurzeZeit freigelassen, taucht Schischkoff unter und versteckt sich bis zumKriegsende in der Nähe des Kochelsees. Nach dem Krieg organisiert erden ersten deutschen philosophischen Kongreß und leistet wertvolleBeiträge für das Wiederauferstehen der deutschen Philosophie. Als un-freiwilliger Emigrant bekämpft er die marxistische Ideologie, die auchseine Heimat versklavte, allerdings aus der souveränen Höhe der Welt-philosophie, und war sich ihres Untergangs stets bewußt. Er starb in derEmigration gerade, als die Wende im Ostblock anfing. Schischkoff warkein akademischer Philosoph, sondern er verkörperte den Sokrates derStraße. Für ihn war die Primäraufgabe eines jeden Philosophen, Lehrerund Pädagoge zu sein. Dieses Ideal verkörperte er in seinen Vorlesungenan der Volkshochschule. Wenige Philosophen der Neuzeit haben ihreAufgaben so umfangreich wie Schischkoff verstanden und gründlich er-füllt.

Von Haus aus Mathematiker, fordert Schischkoff in seiner Disser-

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Stephan Popov 129

tation aus dem Jahre 1944 mit dem Titel “Gegenwärtige philosophischeProbleme der Mathematik” die philosophische Begründung primärermathematischer Sätze. Schischkoff geht auf Leibniz zurück und zeigt,wie intensiv sich dieser Mathematiker mit dem Problem befaßt hat. Erführt die Grenzen des Hilbertschen Formalismus vor und plädiert für einneues philosophisches Verständnis der Mathematik. Auch wenn er letzt-endlich keine endgültige Lösung dieses Problems vorlegen kann - wiewir gezeigt haben, kann dies nur in der physikalischen Welt erfolgen - sowar Schischkoffs Werk für meine Überlegungen zur Begründung derMathematik und für den Aufbau der neuen physikalisch-mathematischenAxiomatik von entscheidender Bedeutung.

Schischkoff war ein geistiger Rebell mit unendlicher Toleranz gegen-über Andersdenkenden, und in dieser seltenen Verfassung erforschte erdie Grenzbereiche des menschlichen Individualismus. In seiner gesell-schaftlichen Analyse “Die gesteuerte Vermassung” erkennt er die Machtder Massenmedien und des Konsums der Nachkriegszeit als die eigentli-che geistige Komponente des Energiegradienten der aufkeimendenWohlfahrtsgesellschaft. Er erkennt aber auch den verhängnisvollen Ein-fluß der Mittelmäßigkeit und die Gefahren für den Freigeist, die sich ausdieser gesteuerten Vermassung ergeben. In dieser Hinsicht ist er in derehrwürdigen Tradition des Moralisten Ortega y Gasset und des Massen-psychologen Le Bon. Schischkoff erforscht die sozialen Nischen, in de-nen der freie Willen des modernen Individuums noch verweilen darf,und mahnt eindringlich gegen deren konsequenten Abbau in der moder-nen Konsumgesellschaft. Wie auch Popov schreibt er gegen den Stromder Zeit, mit dem Blick auf zeitlose Werte gerichtet.

Stephan Popov

Popov ist der dritte einer ungewöhnlichen Anhäufung philosophisch den-kender Bulgaren, deren Schicksal sich in München kreuzt. In seinen bei-den kulturphilosophischen Studien zur abendländischen Zivilisation derNeuzeit “ Der Wille zur Gestalt” und “ Am Ende aller Illusionen” ent-wirft er ein Panoptikum des abendländischen philosophischen Denkensals die treibende, gestalterische Kraft hinter der Entstehung der Natio-nen. Anhand der vier großen Nationen, England, Frankreich, Deutsch-land und Rußland, entwickelt er seine großartige gesellschaftliche Theo-rie der Selbstorganisationen des Nationalen, die ihresgleichen sucht.

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Diese beiden Werke sind meines Erachtens mit Abstand die bedeutendstenkulturphilosophischen Studien im Europa der Nachkriegszeit. Mit seinerprophetischen Gabe - seine Bücher wurden in den 50er Jahren geschrie-ben und erst in den 70er und 80er Jahren publiziert - nimmt Popov dieaktuelle und zukünftige Diskussion zur Vereinigung Europas vorweg.Vor allen sprühen seine Werke von einem solchen unbändigen Geist undschonungslosen Mut, sich mit den Höhenflügen, aber auch mit denAbgründen europäischer Vergangenheit von einem klar proeuropäischenStandpunkt aus auseinandersetzen, zu dem kaum ein westeuropäischerIntellektueller der Nachkriegszeit in der Lage gewesen war. Deswegenverwundert es auch nicht, daß gerade die “Kulturphilosophen der Nach-kriegsanpassung” in Deutschland kaum Notiz von seinen Werken neh-men wollten. Er nahm die heutige zaghaft aufflammende Diskussion überdas Wiederfinden des nationalen Selbstverständnisses der Deutschenvorweg, und zwar mit einer Brillanz und Tiefe zugleich, die, geht manvon der gegenwärtigen, mediokren geistigen Situation Deutschlands aus,auch in den nächsten Jahrzehnten kaum zu erwarten sind.

Popov war in erster Linie ein Politiker der dritten bulgarischen Ge-neration - diesen Begriff prägte er selbst als Journalist bereits in den20er Jahren - und fieberte mit dem wechselvollen Schicksal unseresKontinents seit Anfang dieses Jahrhunderts. Im hohen Alter entrückte erzunehmend der Welt und seiner Heimat, über die Eitelkeit des Alltags,aber auch über die Großartigkeit dieses Kontinents nachsinnend. PopovsKulturtheorie ist insofern ungemein wichtig und aktuell, als sie die Ge-staltung der Nationen nach dem Universalgesetz mit einer solchen Ein-dringlichkeit vor Augen führt, daß seine Werke, angesichts der Neuauf-lage des europäischen Nationalismus nach dem Ende des Kalten Krie-ges, als Vademecum jedem Politiker mit Nachdruck zu empfehlen sind.In der Schlußbetrachtung seines Buches “Am Ende aller Illusionen” faßtPopov seinen kulturphilosophischen Ansatz zur Selbstorganisation derNationen so zusammen:

“Vier verschiedene Variationen ein und desselben Themas? - Nicht genauund nicht nur. Hinter diesen vier Ausgriffen - oder Auftritten, wenn man will- des europäischen Geistes steckt das selbstverschuldete Schicksal, wenn mansich entscheidet, die Geschichte nicht allein als “challenge and response”,sondern auch als menschliches Vorhaben und seine Ergebnisse, als Absichtund Abrechnung zu verstehen. Was die Geschichte Europas von jener deranderen Völker unterscheidet, ...ist nicht nur ihr räumlicher Ausdehnungs-drang, ihr Hinausgehen über den eigenen Lebensraum zu weltweiten Tat-

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räumen, sondern ihre innere Dynamik und vor allen Dingen ihre Intentiona-lität: der Wille, die Welt nach eigenen Wunschvorstellungen und Vernunft-einsichten “zum Besseren”, höheren Ansprüchen genügend, umzugestalten.Wie alle anderen haben auch die Menschen Europas die Herausforderungder Natur angenommen und ihr die entsprechende Antwort erteilt, aber dar-über hinaus haben sie der ihnen verfügbaren Welt den Stempel eines aktivenSo-Wollens aufgedrückt. Sie haben eben die Welt nicht allein als gegeben,sondern stets als aufgegeben begriffen, sie haben - mal in Gottes, mal ineigenen Namen - sich die Rolle eines Weltdemiurgen, eines Weltformers ge-steigert, mit welchem Erfolg auch immer...

Philosophisch gesehen begann die Selbstermächtigung der Europäerdamit, daß in ihrem Denken das menschliche Bewußtsein sich als Subjektgegenüber der äußeren Welt als Objekt verselbständigte. Das so entstandeneVerhältnis barg in sich nicht nur kognitive, sondern auch kreative Perspekti-ven. Hatte das Bewußtsein die ihr gegenüberstehende sichtbare Welt nur zuerkennen, so wie sie ihm erscheint, oder durfte es sich Vorstellungen darübermachen, wie diese Welt aussehen könnte und sollte? In diesem “oder”, dasvon den Europäern affirmativ beantwortet wurde, steckte die eigentliche Hebe-kraft unserer Kultur. Der Mensch hatte nicht nur zu reagieren, er durfte auchagieren. Der Freibrief für die Experimente war ausgestellt. Experimente, nichtExperiment. Welt und Bewußtsein sind nur in der Theorie als Begriffe neu-traler Konstanten, in der Lebenswirklichkeit sind sie zeit- und ortsgebunde-ne Variablen....Wie die “bessere Welt” aussehen sollte, darüber gingen dieAuffassungen und Vorstellungen der einzelnen Nationen doch auseinander,und diese Verschiedenheit macht bei den vier von uns befragten Nationen dieeigentliche Variation des Grundthemas aus...

Der Engländer sah die Welt der sichtbaren Natur vorwiegend als Raummenschlicher Betätigung, über die zwar Gott waltete, es aber den Menschenüberlassen war, an sie erkennend heranzutreten, ihr ihre Geheimnisse zu ent-locken und diese dann als Gesetze zu konzipieren, nach denen auch diemenschliche Welt aufgebaut werden sollte. Naturwissen war das eigentlicheintellektuelle Pathos dieser Menschen, weshalb sie auch bei unbedingt empi-rischem Denken blieben. Man könnte sich darüber streiten, ob und wie dieErkenntnis der äußeren Welt zustande kommt - das war das Problem Lockesund Humes -, aber an Bacons Kulturideal, die Macht des menschlichen Natur-wissens auszuspielen, änderte auch die früheste Skepsis wenig. Der Englän-der postulierte damit den bescheidensten Kulturanspruch: das Nachahmender erkannten Natur, das Walten ihrer Gesetze der Harmonie auch in dermenschlichen Gesellschaft, wo alles (sogar die Wirtschaft) sich bei freiemLauf von selbst erledigt, soweit der gesunde Menschenverstand am Werkeist. Mit anderen Worten, das Vorbild der Natur wurde zum Kulturideal um-gedeutet, wobei man von vornherein immanente Unvollkommenheiten in Kaufzu nehmen bereit war...

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In Frankreich treten wir in eine beträchtlich unterschiedene Kulturland-schaft ein. Die “Welt” hatte etwas engere Horizonte, dafür trat die menschli-che Gesellschaft profilierter hervor. Natürlich geschichtlich bedingt, als Auf-gabe des aufkommenden Bürgertums. So steigerte sich das verselbständigtemenschliche Bewußtsein zu der Annahme, es könne auch ohne Gott auskom-men. An seiner Stelle wurde “la déesse raison” ausgerufen, und Laplaces“esprit supérieur” gab sich mit erkennenden und imitierenden Kompetenzenallein nicht zufrieden. Die menschliche Vernunft wollte sich aus Eigenemschöpferisch betätigen und ihre Welt nach eigener Facon gestalten...Lautetedie englische Weltformel “Der Mensch und die Natur”, so politisierte sie derFranzose zu “Der Bürger und die Mitwelt”, wobei nicht mehr das Wissenallein ihren Weltanspruch legitimierte, sondern darüber hinaus der Wille zurNeuschöpfung geweckt wurde...Nun wurde im Namen neu aufgestellter Idealeeine Revolution entfacht, die alten Götzen gestürzt und neue Lebensformenund -normen gesetzt. Lehrmeister der Welt wollten diese Rationalisten seinkraft eigenmächtig proklamierter Grundsätze. “Souverän” nannten sie dasVolk deshalb, weil sie ihm den Boden für Experimente bereitet hatten... Bloßüberforderte das neue Ideal etwas die Vernunft, aus dem einfachen Grunde,weil die Wirklichkeit niemals ganz der erdachten Vollkommenheit der selbst-geordneten Welt entsprechen konnte,... Nachdem die Vernunft ausgedient zuhaben scheint, erblicken die Franzosen keine neuen Aufgaben mehr vor sich.Die Vernunft übernimmt nun die letzte Aufgabe, die ihr noch Montaignezugewiesen hatte: zu trösten darüber, daß es unter Menschen doch allzu-menschlich zugeht...

Und nun zu den Deutschen. Allein der Begriff “Deutschland” läßt nach-denklich werden. “Deutschland, wo finde ich es?” - auf diese Frage Kleistsfehlt heute noch die gültige Antwort. Nicht erst seit Goethe wurde in diesenLanden der “faustische Mensch” angesiedelt, der auf seine Weise den Göt-tern das Feuer entwenden wollte. Zu Kompromissen war er dabei selten be-reit. Luther war nicht davon abzubringen, mit seinem Gott persönlich insreine zu kommen, Kant - mit seinem Gewissen: immer wieder Imperative,die an ihren eigenen Geltungsgrenzen vorbeidachten. Im Mittelpunkt desdeutschen Weltverstehens stand nämlich der Mensch als sittliche und geisti-ge Größe, d.h. als Persönlichkeit, die in ihrer profanen Selbstverwirklichunges dem objektiven Geist recht machen wollte. Das Problem der Deutschenwurde demnach das Bewußtwerden des “Ich” an und für sich, in der ganzenProblematik seiner weltlichen Erscheinung... Es leuchtet ein, weshalb derunüberwindliche Gegensatz von Geist und Empirie, von “höherem” und “nied-rigerem” Sein es dem Intellekt unmöglich machte, sich in politische Zielset-zungen zu investieren; andererseits ließen sich die geistigen Energien durchdie Unterbewertung des Nationalen nicht an die Lebensempirie binden... DieEinseitigkeit ihres Kulturideals rief von selbst die Einseitigkeit seines Wider-sachers: Nietzsche fragte noch, wie menschliche Größe möglich sei, und lehrte

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das Evangelium des “Übermenschen”. Marx dagegen erinnerte an die vielen“Nur-Menschen”, und wenn er auch von einem Abstraktum der “Gesellschaft”ausging, versprach er doch eine materialistische Sinngebung in ihr, die ihrer-seits die Kultur desavouierte. Es gab in Deutschland kein einheitliches Welt-ideal mehr, und bei den unterschiedlichen Zielsetzungen wurde auch die ein-heitliche Lebensgestaltung unmöglich... man redete und schrieb viel vom“deutschen Sozialismus”, der durch die Synthese von Geist und Arbeit dieschmerzlich vermißte nationale Lösung hätte bringen sollen. Doch niemandvermochte zu zeigen, wie dieser deutsche Sozialismus genau aussehen sollte,weder Spengler noch Sombart, weder Möller van den Bruck noch Jünger.Diejenigen, die vorgaben, in seinem Namen die nationale Revolution zu voll-ziehen, errichteten nur eine bittere Karikatur dieser Version. Nachdem auchdie Ansprüche des “Dritten Reiches” ideologisch zu Asche geworden waren,kam die Zeit der noch grausameren Illusion, man könnte mit verlogenen Idea-len oder überhaupt ohne Ideale leben: in kraftloser Imitation des Westens, inverlegener Subordination dem Osten gegenüber. Welche große Macht kannes aber allein bei der wirtschaftlichen Macht bewenden lassen? Der deutscheKulturpessimismus ist demnach die direkte Konsequenz des Fehlens eineseinheitlichen Kulturideals und damit der nationalen Gestalt, die geistigeÄquivalenz des geschichtlichen “umsonst”, des vergeblichen Strebens nacheinem Superideal, der Vergeistigung des menschlichen Seins, derMonumentalisierung des “Ichs” entsprechend der deutschen Kulturformel“Ich und die Welt”...

Entsprach Rußland dieser Forderung besser? Sein Volk trat zunächstmit einem Kulturideal auf, das nicht mehr Steigerung oder gar Übertreibungder vorausgegangenen genannt werden konnte, sondern sich direkt als An-maßung ausnahm: Nicht mehr und nicht weniger als das Himmlische aufErden, und zwar für alle Menschen, wahr zu machen. Wie einst die bürgerli-chen Parvenus in Frankreich die adlige Rangordnung mit einer neuen gesell-schaftlichen Geltung - der Bildung - zu überbieten trachteten, so wollten dieRussen, die geschichtlichen Parvenus par excellence, den Westen mit ihrer“Weltsendung” übertrumpfen. Präziser gesagt, das geschichtlich unmündigste,ungestaltetste, unerfahrenste Volk stellte sich die höchste, vernünftig nichtmehr zu vertretende Aufgabe. Was blieb übrig als vor Gott oder vor Lenin zuknien?... Die Russen haben die drei Grundideen der Abendlandes mißver-standen bzw. mißachtet, daß der freie Mensch aus eigenem Denken, ohne“Autoritäten” und Dogmen der Natur ebenbürtig entgegentreten kann, daßauch die verfassungskonform gesicherte menschliche Gesellschaft mancheKontrollinstanzen gegen menschliche Fehlbarkeit braucht und daß schließ-lich keine menschliche Größe, mithin auch keine echte Kultur möglich ist,wenn der Geist nicht wehen darf, wohin er will.”

Bedenkt man die Vielschichtigkeit der Gestaltung des Nationalen als die

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Summe aller geistigen und intellektuellen Kräfte, als die metaphysischenGradienten des nationalen Bewußtseins, die sich als historisch bedingterEvolutionsprozeß ausnimmt, der um so höhere Ziele anpeilt, je später eranfängt, dann ist der europäische Kulturpessimismus, den Popov dia-gnostiziert, auch für die anvisierte Vereinigung Europas mehr als ange-bracht. Würde eine Abhandlung dieses Themas den Rahmen dieses Es-says nicht sprengen, es wäre anhand des Universalgesetzes eines Leich-tes gewesen zu belegen, daß die meisten Prämissen, auf denen der Eini-gungsgedanke Europas zur Zeit aufbaut, dem Universalgesetz zuwider-laufen und folgerichtig über kurz oder lang fallengelassen werden müs-sen. Das Projekt “vereinigtes Europa” ist bereits eingemottet, bevor esaus der Taufe gehoben wurde. Das europäische Bewußtsein läuft somiterneut Gefahr, seine gestalterische Kraft selbst aufzugeben und die an-gestrebte Mündigkeit gründlich zu verfehlen.

Die Gründe sind ausschließlich geistiger Natur: der fehlende nationaleWille, sich auf einer neuen Ebene politisch zu vereinigen; die Uneinig-keit und Unfähigkeit der europäischen Länder, einen lokalen Konflikt(Bosnien und Kosovo) von nicht mehr vertretbarer Grausamkeit mittenin Europa zu lösen; der um sich greifende Nationalegoismus, der zurfaktischen Abschaffung des Asylrechtes und zur Errichtung der“Schengener Zitadelle” geführt hat, die an sich bereits explizit Verrat amVereinigungsgedanken begeht, um nur einige der vielen Symptome desum sich greifenden europäischen Nationalegoismus am Ende dieses Jahr-hunderts vor Augen zu führen; das krampfhafte Festhalten an der Ideeeiner europäischen Zentralbank im Zeitalter der Globalisierung der Geld-märkte und schwindender Einflußsphäre der Nationalbanken, und soweiter und so fort... Alle diese politischen Phänomene, die unserem kol-lektiven Bewußtsein entspringen, verhindern die Errichtung eines kultu-rellen und wirtschaftlichen Gradienten auf dem europäischen Kontinent.Sie sind keine notwendigen Bedingtheiten, sie lassen sich überwinden,wenn der europäische “Wille zur Gestalt” gewollt ist. Die Möglichkeitenunseres Bewußtseins sind kraft des Universalgesetzes unerschöpflich.Wenn dieser Kontinent die ihm nach dem friedlichen Zusammenbruchdes Kommunismus von der Geschichte großzügig überlassene Chancenicht bald wahrnimmt und einen wagemutigen Plan zur Vereinigung vonganz Europa erstellt, verliert er zum letzten Mal die Möglichkeit, sich andie Spitze einer neuen aufregenden Epoche des globalen Denkens zusetzen.

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SCHLUSSBETRACHTUNG

Unsere abendländische Zivilisation hat eine lange Reise hinter sich, bissie wieder zu ihren Anfängen zurückgekehrt ist. Zwischen Heraklit, derdem Kosmos das Urgeheimnis abtrotzte und die tiefe Einsicht in denLogos an die nächsten Generationen denkender Europäer vermachte, undder theoretischen Ausformulierung des Universalgesetzes aus einer zu-fälligen klinischen Erfahrung heraus liegen über 2500 Jahre zeitlicherDistanz - in geschichtlichen Dimensionen eine Ewigkeit, ein flüchtigerAugenblick in kosmischen Maßstäben. Da alle Ereignisse im Universum- die Aktionspotentiale der Ebenen einschließlich der Aktionspotentialeder kollektiven Bewußtseinsebene - zyklische Ereignisse sind, kehrenwir immer wieder in “denselben Fluß” zurück, doch das vorbeirauschendeWasser ist nicht mehr dasselbe, da die Evolution unaufhaltsam voran-schreitet. In diesen 2500 Jahren hat die abendländische Wissenschaftenorme Leistungen erbracht, hat sich aber auch auf vielen Irrwegen ver-loren und mehrmals in einen Abgrund geblickt. Letztendlich besann siesich stets auf das Universalgesetz, meistens intuitiv und selten einmalmit der inneren wissenschaftlichen Gewißheit eines Beron. Aber wersagt uns, daß das, was im Augenblick als gesicherte wissenschaftlicheWahrheit gilt, sich bei einer zukünftigen Betrachtung als pure Intuitionerweist?

In jedem Menschen steckt der Mythos von Odysseus, der nach lan-ger Irrfahrt nach Ithaka zurückkehrt, doch seinen Hof nicht mehr als den-selben vorfindet und den ersehnten häuslichen Frieden aufs Neue er-kämpfen muß. So verhält es sich auch mit der Aufrechterhaltung derOrdnung im Universum. Sie ist eine ungeheuer komplexe Optimierungs-aufgabe, die wir immer wieder von neuem in Angriff nehmen müssenund die jedesmal eine andere Lösung als die vorhergegangene erfordert.Die innere Logik des Universalgesetzes verbietet das “Sich-davon-Steh-len”, weil es einfach kein Entrinnen gibt - das Universum ist in sich

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136 Schlußbetrachtung

geschlossen und wir sind ein Teil des Ganzen, so daß in uns das Wesendes Ganzen als Element innewohnt. Wir müssen “unseren Willen zurGestalt” ständig neu beweisen, wenn wir überleben wollen. Dies ist dieLehre des Universalgesetzes - der Sinn dieser Sisyphusarbeit ist dasÜberleben der Menschheit. Alles andere wäre purer Selbstbetrug. Mankann z.B. der Gesellschaft nicht als meditierender Mönch dienen, jedochsollte die Meditation über unsere Aktivitäten ein Teil unseres Daseinswerden.

Das Hauptverschulden der neuzeitlichen Wissenschaft war, das Bewußt-sein rigoros aus ihren Überlegungen auszuklammern. Hier zeigte sichdie ambivalente Haltung der Wissenschaft ihrem Schöpfer gegenüber,dem Bewußtsein. Einerseits stammen alle fundamentalen Sätze und Axio-me der Wissenschaft aus dem Bewußtsein, andererseits spricht man demBewußtsein die Objektivität ab und schließt es aus wissenschaftlichenKonzepten, Hypothesen und Modellen aus. Ein externer Beobachter solldie universellen und ewigen Gesetze der Natur lediglich registrieren. Mitder Vorstellung, das Bewußtsein sei demselben physikalischen Gesetzunterworfen und dadurch Teil dieses Gesetzes, konnte sich die Wissen-schaft bisher nicht richtig anfreunden. Dieser Standpunkt wurde in rein-ster Form von Einstein vertreten. Aus diesem Grund blieb ihm die Ent-deckung der universellen Feldgleichung, die des Universalgesetzes, ver-wehrt, nach der er Zeit seines Lebens gesucht hatte.

Letztendlich konnte die Entdeckung des Universalgesetzes nicht al-leine mit den Mitteln der Physik erfolgen. Ein Physiker, möge er noch sogenial sein, hätte dessen Gültigkeit in der organischen Welt nie beweisenkönnen. Darüber hinaus kümmern sich die Physiker herzlich wenig umdie philosophishen Grundlagen der Mathematik. Eine vereinheitlichteTheorie der Wissenschaft kann aber nur von einem einzigen Naturgesetzausgehen, das auf der Mathematik aufbaut und sowohl die anorganischeals auch die organische Materie einschließt und hinreichend erklärt. Dieorganische Materie galt bisher als ungeheuer komplex, und man hattedie Hoffnung aufgegeben, diese Komplexität mit physikalischen Geset-zen in absehbarer Zeit zu ergründen. Diese Annahme erwies sich alsIrrtum. Die Wissenschaft lebt von unerwarteten Entdeckungen, doch auchdas Überraschungsmoment in der Wissenschaft ist im Universalgesetztief verankert.

Aus diesen Gründen ist es nachvollziehbar, warum ich erst den umge-kehrten Weg einschlagen mußte. Ich ging von der Biologie und der Me-

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Schlußbetrachtung 137

dizin aus und begründete das Universalgesetz zuerst dort. Erst nachdemich die Gültigkeit des Gesetzes an Hand der Vielzahl experimentellerDaten beweisen konnte, weitete ich peu á peu meine Erkenntnisse aufdie physikalische Welt aus. Auf diese Weise gelang mir eine konsistenteund widerspruchsfreie Axiomatik der gesamten Wissenschaft, dielogischerweise nur von einem einzelnen und nie von einem kollektivenBewußtsein in dieser konsequenten Weise hätte vollzogen werden kön-nen. Dennoch wäre diese Leistung nicht ohne die vielen Einzelleistun-gen der modernen Wissenschaft möglich. In meinem Bemühen, das Ge-heimnis der Natur zu entschlüsseln, baute ich stets auf den Erkenntnissenauf, welche die Menschheit in den unterschiedlichsten Erfahrungs- undGeschichtsbereichen gesammelt hatte. Insofern ist die Allgemeine Theorieder Wissenschaft die kollektive Leistung der Menschheit. Aber auch hierinerkennen wir nur den Beweis, daß alle Menschen eine einheitliche Ebe-ne und in dieser Eigenschaft ein Spiegelbild des Universums sind.