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Betrachtungen zu Bertrand Russells Ansichten in „Lob des Müßiggangs“ und „Was für den Sozialismus spricht“ Hausarbeit zum Seminar: Bertrand Russell: Logiker, Philosoph, Mensch bei Prof. Dr. Rehkämper von Wolfgang Schwarz

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Betrachtungen zu Bertrand Russells Ansichten in „Lob des Müßiggangs“

und „Was für den Sozialismus spricht“Hausarbeit zum Seminar:

Bertrand Russell: Logiker, Philosoph, Menschbei Prof. Dr. Rehkämper

von Wolfgang Schwarz

1. EinleitungNach dem Besuch des Seminars über Betrand Russell, bei dem wir uns mit einigen seinerTexte auseinander gesetzt hatte, habe ich mich nun zu einer kritischen Betrachten seinerSchriften „Lob des Müßigganges“ und „Was für den Sozialismus spricht“ entschieden. Ichwill dabei in keinster Weise das philosophische Genie Bertrand Russell kritisieren, ichmöchte vielmehr darlegen, warum mir in diesem Fall seine Ansichten etwas „blauäugig“erscheinen.

Zugrundelegen möchte ich diesen Betrachtung hierbei, dass Russell in Verhältnissen lebteund aufwuchs, in denen der Erwerb des Lebensunterhaltes eine sekundäre Rolle spielte under von der in dem Werk „Lob des Müßiggangs“ erwähnten Muße ausreichend zurVerfügung hatte und auch mit dem nötigen Intellekt gesegnet war, um diese Muße zunutzen. Die Kenntnis der beiden angesprochenen Texte wird ebenfalls vorausgesetzt, da ichhier nur auf die Kernaussagen, bzw. auf Teile eingehe.

2. „Lob des Müßiggangs“Versucht man die Kernaussage dieses Textes in einem Satz zusammenzufassen, so würdedieser wahrscheinlich lauten: Wenn die Menschen nur noch 4 Stunden am Tag arbeitenwürden, dann wäre alles besser.

Russell war ein bekennender Vertreter des Sozialismus, allerdings nicht des realexistierenden, und die grundsätzlichen Theorien, die er in „Was für den Sozialismus spricht“und „Lob des Müßiggangs“ darlegt, halte ich für durchaus richtig. Aber bereits an dieserStelle will ich den Grund nennen, der meiner Meinung nach alle seine Theorien zumScheitern bestimmt: Das von ihm zugrundegelegte Menschenbild entspricht nicht denGegebenheiten. Was dies genau bedeutet, will ich später noch näher erläutern.

Russell definiert zunächst einmal seine zwei Arten der Arbeit: Es gibt einmal diekörperliche Arbeit („Verlagern der Materie auf oder nahe der Erdoberfläche im bezug aufandere derartige Materien“) und dann die instruktive Arbeit („andere Leute anzuweisen, dieszu tun“). Beide Arten von Arbeit sind für Russell aber Mittel zum Zweck, nämlich um dieGrundbedürfnisse der Existenz zu erfüllen.

In erster Linie widerspricht Russell der (zu seiner Zeit) vorherrschenden Ansicht, Arbeit ansich sei etwas Gutes, sei eine Tugend. Er gibt zu, dass er selbst getreu dem Motto„Müßiggang ist aller Laster Anfang“ erzogen worden sei. Diese Ansichten resultieren seinerMeinung nach aus der Entwicklung der Menschheit, die müßig lebende Oberschicht (Adel.Kirche, Soldaten) musste ja irgendwie begründen, warum die Menschen nicht für sichsondern für jemand anders arbeiten sollten. Dies geschah entweder durch Zwang, wie in derSklaverei, aber hauptsächlich dadurch, dass man den Menschen einredete, Arbeit seivortrefflich, ein gutes Beispiel ist wohl der „Held der Arbeit“, ein im real existerendenSozialismus verwendeter „Ehrentitel“.

Sein Vorschlag, dass jeder täglich nur 4 Stunden arbeiten solle, erläutert anhand desBeispiels Krieg: Im Krieg ist ein Großteil der Männer mit Kampfhandlungen beschäftigt,viele Männer, Frauen und Kinder sind mit der Produktion von Rüstungsgütern, Propagandaoder sonstigen kriegsförderlichen Dingen beschäftigt. Für die produktiven Tätigkeiten bleibtnur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung. Trotzdem werden noch Gebrauchsgüter inausreichender Menge produziert. Wenn nun der Krieg aus ist, und man die angepasste

Sozialstruktur beibehält und die Arbeitszeit aller auf 4 Stunden herabsetzt, dann hat maneine wesentlich geringe Beschäftigungsdauer bei gleichbleibender Versorgung erreicht.

Weiters ist seine Hoffnung, dass die Menschen, die seiner Ansicht nach ihre Freizeit sehrpassiv verbringen (Kino, Fernsehen), in ihrer Freizeit wieder aktiver werden, dadurch dasssie im Beruf nicht „ausgepowert“ werden.

In Folge dieser Entwicklungen gäbe es für den Einzelnen mehr Möglichkeiten, sich zuentfalten und seine eigenen Ziele zu verwirklichen, außerdem wären Teile dessen, was indieser Mußezeit getan wird, wiederum von allgemeinem Interesse. Vor allem imkünstlerischen und wissenschaftlichen Bereich würde dadurch wieder mehr Freiheitengeschaffen, da zum Beispiel Schriftsteller nicht mehr darauf angewiesen wären, dass sichihre Bücher verkaufen und sie trotzdem Zeit hätte, ihre Werke zu schreiben.

Aber in der Praxis wird nach dem Ende des Krieges die Produktionsstruktur wieder auf denStand von vor dem Krieg umgestellt und die eine Hälfte der Menschen macht wiederÜberstunden, während die andere Hälfte arbeitslos ist.

3. „Was für den Sozialismus spricht“Das Erste, was man Russell zu Gute halten muss, ist, dass er keine proletarisch angeführtenKlassenkampf fordert wie die Marxisten, sondern einen - soweit möglich – friedlichenÜbergang in den Sozialismus möchte, den er als „eine Methode der Anpassung an diemaschinelle Produktion, wie sie der gesunde Menschenverstand fordert“ bezeichnet.

Was die Definition des Sozialismus angeht, so stimmt Russell in den wesentlichen Punktenmit Marx überein: Demokratie als wesentlicher politischen Bestandteil und den Staat alshöchste wirtschaftliche Macht, mit Kontrolle über alle Produktionsgüter.

Trotzdem vertritt Russell die Auffassung, dass Privateigentum erlaubt ist, solange derEinzelne aus seinem Privateigentum kein Kapital schlagen kann. Durch ein staatlichesVerbot privater Investitionen (also auch keine Zinsen mehr) würde privater Reichtum mitder Zeit dahinschwinden, laut Russell „bis auf ein vernünftiges Maß an persönlichemBesitz“. Insofern wäre es einer einzelnen Person nicht möglich, wirtschaftliche Macht überandere z erlangen.

Gleichzeitig ist Russell der Meinung, dass die Vorteile des Sozialismus nur in ganzemMasse Erfolg haben werden, wenn er nicht mit Gewalt durchgesetzt wird, sondern aufGrund der Einsicht und Überzeugung der Menschen eingeführt wird. Gleichwohl darfGewalt in vernünftigem Maße eingesetzt werden, um „zu verteidigen, was mit Hilfe derÜberzeugungskraft legal eingesetzt worden ist“.

Russell ist der Meinung, dass auf diesem Weg für alle Menschen (bis auf eine „winzigeMinderheit“) Vorteile entstünden, nicht nur für die arbeitende Klasse. Er führt folgendeneun Argumente an:

1. Das Versagen des Profitmotivs

Durch die wirtschaftliche Unsicherheit (keiner kann vorhersagen, wie sich der Marktentwickelt) ist es nicht mehr möglich effektiv zu produzieren.. Wenn man also in einUnternehmen investiert, das Pleite geht, so ist viel mehr kaputt, als nur das eingesetztKapital: Rohstoffe wurden verschwendet; Menschen werden arbeitslos, haben dahereine geringere Kaufkraft als vorher, dadurch entsteht in anderen Wirtschaftsbereichen

Überproduktion, usw.

Russell führt zur Lösung dieses Problems ein Zentrales Konsortium ein, dass alle„Daten“ kennt und daher jegliche Fehlkalkulationen ausschließen, bzw. auf einMinimum reduzieren kann. Diese „Daten“ wären zum Beispiel dieProduktionskapazitäten, den Verbrauch, Bevölkerungswachstum etc. Wenn neueProduktionstechniken etc. aufkommen, dann werden die Industriezweigeumstrukturiert, Arbeitszeit gegebenenfalls gekürzt, aber, und das ist ein sehrwichtiges Argument Russels', bei vollem Lohn, da jeder Mensch nicht mehr für diegeleistete Arbeit bezahlt würde, sondern für seine Arbeitsbereitschaft. EineWeigerung, sein Pensum an Arbeit zu leisten würde indes Strafrechtliche, keinewirtschaftlichen Folgen haben.

2. Möglichkeiten für Freizeit und Muße

An dieser Stelle führt Russell wieder seinen 4-Stunden Tag an, wie er im Lob desMüßiggangs erklärt wird.

3. Wirtschaftliche Unsicherheit

Nach Russell ist der Wunsch, reich zu werden in den meisten auf den Wunsch nachwirtschaftlicher und damit sozialer Sicherheit zurückzuführen. Würde aber diesesoziale Sicherheit vom Staat garantiert, indem wie oben angeführt, der Mensch fürseine Arbeitsbereitschaft bezahlt würde, dann müssten die Menschen nicht um ihrenArbeitsplatz fürchten, sie müssten kein Geld anlegen, um für schlechte Zeiten zusparen, könnten ihre Freizeit besser genießen und würden alles in allem glücklicherleben.

4. Die unbeschäftigten Reichen

Dies ist sicherlich eines der weniger relevanten Argumente, die Russell anführt, da esihm an dieser Stelle eigentlich nur darum geht, das die unbeschäftigten Reichen sowirklichkeitsfremd sind, dass sie einen „beklagenswerten Einfluss auf die Kulturausüben“ und der Lebensunterhalt der Menschen, die für diese Reichen arbeiten, zumGroßteil auf „absoluter Nutzlosigkeit“ beruht.

5. Erziehung und Bildung

Hier führt Russell zunächst an, dass Bildung sehr von der Klasse abhängt, da anSchulen beständiges Klassenbewusstsein gepredigt wird. Er ist darüber hinaus derMeinung, dass es in einem gefestigten sozialistischen Regime nicht mehr nötig seinwird, „Gefährliche Gedanken“ zu unterdrücken, wie es zum Teil in manchen Länderngemacht wird, da sein Sozialismus so etwas nicht zu fürchten braucht.

6. Die Emanzipation der Frauen und die Wohlfahrt der Kleinkinder

Durch Russells System der Bezahlung für Arbeitsbereitschaft würden auch Frauenentprechend bezahlt, wodurch sie finanziell (und damit auch gesellschaftlich)unabhängiger von ihren Männern wären. Weiters erachtet er es für notwendig, dassdie Kinder vom Staat finanziert werden, und Mütter außerhalb der Schwangerschaftund Stillzeit einem Beruf nachgehen. Durch die Einrichtung von Kinderhorten, dieüber die Erziehung und Ernährung von Kindern besten bescheid wüssten würdezudem auch die Situation der Kleinkinder verbessert.

7. Kunst

Durch die finanzielle Unabhängigkeit der Künstler im Sozialismus könnte manendlich wieder Kunst nach dem Motto „Qualität statt Quantität“ schaffen, da zumBeispiel ein Schriftsteller nicht davon abhängig wäre, dass sich seine Bücher gutverkaufen. Russell erwähnt hier aber auch die Gefahr der Zensur durch densozialistischen Staat (der ja das Verlagsmonopol hat). Allerdings ist er auch hier derÜberzeugung, dass es nach Übergangsphase, in der es wohl nötig wäre,regimefeindliche Schriften zu zensieren, jedem auch Möglich sein sollte, Bücher zuveröffentlichen, die den Grundprinzipien des Sozialismus widersprechen, wobei er indiesem Fall mehr Arbeit mit der Veröffentlichung haben sollte, als ein regimetreuerAutor.

8. Gemeinnützige öffentlich Dienste

Hierunter versteht Russell Dinge wie Straßenbau, öffentliches Gesundheitswesen,Bildungswesen, etc. Er stellt fest, dass in diesem Bereich bereits sehr vielverstaatlicht ist oder zumindest vom Staat kontrolliert wird. Da seiner Meinung nachdurch den technischen Fortschritt die zu verwaltenden Einheiten immer größerwerden, bzw. Grenzen hinfällig, muss sich damit auch die staatliche Kontrollevermehren.

9. Krieg

Dieses Argument bezeichnet Russell selbst als das stärkste Argument. Es geht ihmum die Notwendigkeit, Kriege zu verhindern. Er ist der Meinung, dass derKapitalismus die treibende Kraft hinter vielen Kriegen ist. Da die Produktion großerMengen z.B. Stahls billiger ist, als die Produktion kleiner Mengen, wird jedeWirtschaft daran Interesse haben, viel zu produzieren und ihre Produkte natürlichauch umzusetzen. Ein Krieg bringt einen riesigen Markt mit sich, zusammen mit derMöglichkeit bei diesem Krieg auch noch die ausländische Konkurrenz auszuschaltenund damit seinen Umsatzmarkt zu vergrößern.

Einige dieser Argumente haben im Laufe der Zeit, die vergangen ist, seit Russell diesesEssay schrieb sicherlich an Relevanz verloren. Insbesonders hat sich die Situation derFrauen in der Gesellschaft verbessert und in den meisten modernen Industrieländern (um diees ja hier geht) ist auch das Klassendenken und Klassenbewusstsein nicht mehr so stark wiefrüher.

4. Russells Menschenbild vs. dem realen MenschGrundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein Staat, wie Russell ihn sich vorstellt, denLebensstandard der Menschen verbessern würde und alle glücklicher wären. Aber wie ichbereits anführte würde sein Traumstaat heute wie damals zum Scheitern verurteilt sein.Warum, will ich im Folgenden erläutern.

Russell räumt zu jeder Zeit ein, dass es eine Übergangsphase auf dem Weg in denSozialismus geben muss. Für den Marxisten wäre das der gewaltsame Aufstand desProletariats. Aber für Russell, der sich im Grunde gegen Gewalt ausspricht, wäre dieserÜbergang ein Wechsel, der sich im Denken der Menschen vollziehen müsste. In dieserÜbergangsphase, in der zunächst ein nur kleinerer Teil der Menschen den wahren Wert derangestrebten Ordnung erkennen würde, wäre auch nach Russell eine Zensur der Presse,gewaltsame Unterdrückung der oppositionellen Gruppen, Handelsembargos undEnteignungen notwendig. Sobald sich jedoch diese Ordnung gefestigt habe, könne man denMenschen das freie Denken erlauben und jeder würde den Wert der neuen Ordnungerkennen.

Betrachten wir einmal die DDR als Beispiel für einen sozialistischen Staat, in demzumindest einige von Russells Ideen umgesetzt wurden. Er scheiterte. Warum? Russellwürde vielleicht sagen, dass in Einführungsphase zu viele Fehler gemacht wurden, da zumBeispiel die Führungspersonen des Staates in wesentlich anderen Verhältnissen lebten, alsdie Bürger. Ich bin hingegen der Meinung, dass etwas ganz anderes ist Schuld am Scheiternder DDR. Und zwar ein Grundprinzip der menschlichen Natur: Der Neid. Es ist seit jeher so,dass der der Mensch immer das will, was er nicht hat. In diesem Fall gab es ein Ost/WestGefälle bezüglich des Lebensstandards. Die Leute im Osten sahen/erfuhren/hörten vonDingen, die es im Westen für jeden ganz selbstverständlich gab. Man konnte – gesetzt denFall man war wie auch immer zu Geld gekommen – sich ein Auto kaufen, ohne darauf 8Jahre warten zu müssen. Es gab Obstsorten, die man hier nicht kannte; Musik, bei derniemanden vorgeschrieben wurde, was er nicht singen durfte.

Nun würde Russell hier wahrscheinlich entgegnen, dass es ja das Ziel sei, den Sozialismusauf der ganzen Welt einzuführen, und sobald dies gelungen sei, gäbe es keine solche Grenzemehr. Das mag richtig sein, aber der Neid würde sich in diesem Fall nur ein anderes Objektaussuchen.

Das wäre auch in Russells Sozialismus immer noch der Fall. Er erlaubt Privateigentum,solange man daraus kein Kapital schlagen kann, weder materieller Art noch in Form vonwirtschaftlicher Abhängigkeit. Nun ist es sicherlich so, dass wenn man wie Russell privateInvestitionen verbietet, sich das Vermögen nicht erhält oder vermehrt. Aber diewirtschaftliche Macht über einen anderen kann man immer noch erlangen, eben dadurch,dass man etwas hat, was jemand anderes will.

Ein Beispiel: Eine Familie besitzt ein Ferienhaus am Meer. Die Kinder, vorbildlichuntergebracht in den sozialistischen Kinderhorten, reden über ihre Ferien. Ein Kind, dessenEltern kein Haus am Meer haben, wird das Kind beneiden, dass in den Ferien (oder, falls esso etwas auf Grund der ausreichenden Freizeit nicht mehr gibt, in der Freizeit) am Strandspielen kann. Nun wird Russell sagen, dass das leitende „Zentralkomitee“ ja den Bedarf anFerienhäusern am Meer kennt und entsprechende Einrichtungen bauen kann, so dass jederseine Freizeit am Meer verbringen kann (Etwas Ähnliches gab es ja in der DDR auch).

Das mag wahr sein, aber es lässt sich immer weiter treiben. Selbst wenn jeder ein Ferienhausam Meer hat, wird es jemanden geben, der ein Ferienhaus hat, bei dem man denSonnenuntergang besonders schön beobachten kann. Und es wird jemanden geben, derbereit ist, etwas dafür zu tun/zu geben, dass er dieses Ferienhaus bekommt. Wieder erwächstallein aus dem Besitz ein wirtschaftlicher Vorteil. Diese Beispiel läst sich beliebig weitreiben. Irgendwann erreicht man immer den Punkt, wo es nicht mehr möglich ist, jedem dieselben Möglichkeiten/Dinge zu bieten. Beispiel Kunst: Wenn ein Maler ein Bild geschaffenhat, dann findet sich immer jemand, der bereit ist, dafür zu bezahlen. Das Bild aber isteinzigartig, nur einer kann es besitzen. Man könnte das Bild zwar „verstaatlichen“ und in einMuseum hängen, sobald mehr als ein Interessent da ist, aber es ist sicher nicht im SinneRussells, Künstler zu enteignen, denn das wäre der Kunst sicher nicht förderlich

Ein weiterer wesentlicher Punkt seiner Sozialphilosophie ist die Bezahlung nicht für dieArbeit sondern für die Arbeitsbereitschaft. In seinem Staat müsste jeder seine 4 Stundentäglich Arbeiten, solange es Arbeit zu tun gäbe (für die er qualifiziert ist oder für die es sichlohnt, ihn umzuschulen). Gibt es keine Arbeit für ihn, so wird er trotzdem bezahlt. Auchdies ist wieder ein Punkt, wo Neid aufkeimen würde. Diejenigen, die arbeiten müsste, würdediejenigen beneiden, die es nicht müssten. Erneut ist ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden,denn der, der nicht arbeiten muss, kann seine Arbeitskraft einem anderen anbieten, damitdieser nicht zu arbeiten braucht.

Gleichwohl Russell schreibt, dass er glaube, dass das streben nach Reichtum in Wirklichkeitmeist ein Streben nach wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit sei, so ist es eben doch nichtnur von der Angst vor dem Verhungern (bzw. der Verlust gewohnter Privilegien) getragen,sondern auch von dem Verlangen, eben Dinge zu haben, die man noch nicht hat.

Zudem unterliegt Russell dem Irrtum, Das eine zentrale Verwaltungsinstitution diewirtschaftlichen Vorgänge wesentlich besser kontrollieren könne, als es in der freienMarktwirtschaft der Fall sei. Eben dadurch will er die Verschwendung von Arbeitskraft undRohstoffen verhindern. Selbst wenn es möglich wäre, von allen produzierten Gütern allestatistischen Daten zu haben (was in der Praxis nie möglich sein wird) ist damit nicht das„Problem“ des Fortschritts gelöst. Russell sagt zwar, dass er im Falle einer technischenNeuerung die Industrien schrittweise langsam anpassen will, aber es nun so, dass dieNeuerungen so zahlreich und einschneidend sind, dass er unablässig am anpassen sein wird.Er wird den Punkt, an der er sagen kann: „Ich kenne den Bedarf und ich kann genau dasproduzieren“ nie erreichen. Schon allein das Phänomen Mode würde ohne jeden technischenFortschritt eine sicher Planung unmöglich machen, da immer neue Modetrends auftauchen,und wenn plötzlich alle lila Sandalen tragen wollen, dann bleiben die nach sorgfältigenBedarfsanalysen gefertigten gelben Halbschuhe alle liegen, es wurden Arbeitskraft undMaterialien verschwendet.

Die Ideen, die Russells Sozialphilosophie prägen, sind zweifelsohne vernünftiger unddurchdachter als die der meisten Sozialrevolutionäre, aber die Menschen, die wir bräuchten,um all das Wirklichkeit werden zu lassen, würden wir wohl nur in Thomas Morus' Utopiafinden.