bericht über die vierte versammlung der deutschen otologischen gesellschaft am 1. und 2. juni 1895...

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IX, Berieht tiber die vierte Versammlung der Deutsehen otolo- gischen Gesellschaft am 1. und 2. Juni 1895 zu Jcna. Yon Prof. K. Btirkner. I. Sitzung. Sonnabend~ 1. Juni yormittags. Der stellvertretende Vorsitzendc, Herr Walb-Bonn, er~iffnct in Abwcsenheit des erkrankten Vorsitzenden, Herrn K u h n-Strass- burg, die Sitzung, indem er die zahlreich erschienenen Collegen begrtisst. Der Vorsitzende gedenkt zuniichst in warm empfundencn Worten der seit der letzten Zusammenkunft verstorbenen Mit- glieder der Gesellschaft: des Ehrenmitgliedes H. yon Helm- holtz, dcr Mitglicder Chr. Lemeke und Jac. Gottstein. Die Versammlung ehrt das Andenkcn der Verstorbencn darch Erheben yon den Sitzen. Sodann sprieht l~Ierr Walb den Dank der Versammlung gegen den Director des Chemischen Institutes, tterrn Prof. K n o rr aus, weil er die R~ume seines Institutes der Gescllschaft zur Ver- fiigung gestellt hat; zugleich begrtisst Walb die zahlreieh er- sehienenen Mitglieder der Jenenser Medicinisehen Facuttat. Der Secrettir verliest die l~lamen der in der vorausgegangenen Ausschuss-Sitzung neu aufgenommenen Mitglieder. Vortrage: I. Herr Arthur H a r t m a n n - Berlin : Ueber Dehiscenzen im Schl~fenbeine dutch flbrOse Membranen ausgefi~llt. H a rtm an n legt folgende Pr~iparate vor: 1. Ein Schliifenbein mit einer linsengrossen, durch eine feste, durehsichtige Membran verschlossenen KnochenlUeke. 2. Das Sehl~ifenbein eines an Sinusthrombose verstorbenen Patienten; die Eiterung hatte sich auf die hintere Fl~iche des Schlafenbeines erstreckt, in wclcher eine zehnpfennigstiickgrosse,

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Page 1: Bericht über die vierte Versammlung der Deutschen otologischen Gesellschaft am 1. und 2. Juni 1895 zu Jena

IX,

Berieht tiber die vierte Versammlung der Deutsehen otolo- gischen Gesellschaft am 1. und 2. Juni 1895 zu Jcna.

Yon

Prof. K. Btirkner.

I. Sitzung. Sonnabend~ 1. Juni yormittags.

Der stellvertretende Vorsitzendc, Herr Walb-Bonn, er~iffnct in Abwcsenheit des erkrankten Vorsitzenden, Herrn K u h n-Strass- burg, die Sitzung, indem er die zahlreich erschienenen Collegen begrtisst.

Der Vorsitzende gedenkt zuniichst in warm empfundencn Worten der seit der letzten Zusammenkunft verstorbenen Mit- glieder der Gesellschaft: des Ehrenmitgliedes H. yon H e l m - h o l t z , dcr Mitglicder Chr. L e m e k e und Jac . G o t t s t e i n . Die Versammlung ehrt das Andenkcn der Verstorbencn darch Erheben yon den Sitzen.

Sodann sprieht l~Ierr W a l b den Dank der Versammlung gegen den Director des Chemischen Institutes, tterrn Prof. K n o rr aus, weil er die R~ume seines Institutes der Gescllschaft zur Ver- fiigung gestellt hat; zugleich begrtisst W a l b die zahlreieh er- sehienenen Mitglieder der Jenenser Medicinisehen Facuttat.

Der Secrettir verliest die l~lamen der in der vorausgegangenen Ausschuss-Sitzung neu aufgenommenen Mitglieder.

V o r t r a g e :

I. Herr Arthur H a r t m a n n - Berlin : Ueber Dehiscenzen im Schl~fenbeine dutch flbrOse Membranen ausgefi~llt.

H a r tm an n legt folgende Pr~iparate vor: 1. Ein Schliifenbein mit einer linsengrossen, durch eine feste,

durehsichtige Membran verschlossenen KnochenlUeke. 2. Das Sehl~ifenbein eines an Sinusthrombose verstorbenen

Patienten; die Eiterung hatte sich auf die hintere Fl~iche des Schlafenbeines erstreckt, in wclcher eine zehnpfennigstiickgrosse,

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in ihrer Mitte sin freibewegliches, linsengrosses KnochenstUek enthaltende Membran ausgespannt war.

3. u. 4. Zwei Pr~iparate~ in welchen das Tegmen antri yon einer fasten Membran gebildet war. Verwaehsung der vorge- zeigten Membranen mit der Dura bestand in keinem der Falle. Ihr Zustandekommen erklart Verfasser dureh den yon Seiten des EntzUndungsprocesses auf dan Knochen ausgeUbten Reiz~ welcher dessen Umwandlung in fibr(Ises Gewebe veranlasst babe.

II. Herr K r e t s c h m a n n - M a g d e b u r g : Ueber eine Form yon P aukenhShleneiterung.

K r e t s e h m a n n beschreibt diejenjgen Falle yon chronischer Mittelohreiterung, welche ihren Sitz in dem untersten Absehnitte der Paukenhi/hle haben. Diesen meist tiefer als die untere Ge~ hiirgangswand liegenden Theil nennt der Vortragende R e c e s s u s h y p o t y m p a n i c u s . Er wird lateralwarts vom medialen Ende des Os tympanicum begrenzt, and diese Knoehenwand verlauft beim Erwachsenen nicht in der Richtung d ~ Trommelfellebene, sondern liegt in einem Winkel yon ihr ab, und die Hohlraume der unteren Wand reichen zum Theil unter die untere Gehiir- gangswand hinab, wie sic aueh unter das Promontorium krieehen. Die vordere Begrenzung bildet der unter dam Tubeneingange gelegene Theil der Paukenhiihle, die hintere der unterste Ab- schnitt der RUckwand des Cavum tympani. Auch an diesen beiden Wiinden herrscht bei Erwaehsenen der zellige Ban vor. Dutch abweichenden Verlauf der Grenzwande kommen mannieh- ~hehe Variationen in der Gestalt des Recessus zu Stande, welsher auch yon sehr verschiedener Gr(isse sein kann.

Dass bei exsudativen Processen in der Paukenhithle oder ihrer Adnexa die pars inferior das Reeeptaculum flit die entztind- lichen Producte abgeben wird, ist yon vornherein klar. Bei der Nahe des Bulbus venae jugularis and dcr Carotis ~nterna kann dieser Urn- stand leicht verhtingnissvoll werden. In Fallen, in welehen das Trommelfell ganz oder in seiner unteren Hiilfte fehlte, hat der Vor- tragende die Erkrankung des Recessus beobachten kiinnen, welehe sich besonders durch weit unten sitzende Granulationen bemerk- lich machte oder dadurch: zur Kenntniss kam, dass eingelegte Tampons gerade da Ubelriechenden Eiter enthielten, wo sic der unteren Pankenh~ihlenwand angelegen hatten. Der Sitz der Ent- ztindung land sich am hiiufigsten im hinteren Zwickel des Re- eessus, und as wurde in solehen Fallen mehrfach ein spannendes

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108 IX. B~RKINER

Gefiihl in der Mittelpartie des Sternocteidomastoideus angegeben, welches sich bei Beriihrung des Paukenh~hlenbodens mit der Sonde steigerte.

Die Behandlung bestand in Aussptilunge n mit der gebogenen Caniile~ Aetzuagen mit Milchsiiure oder Trichloressigsi~ure. In 2 Fallen, welche die Aufmeisselung des Proc. mastoideus and die Fortnabme der hinteren Geh~irgangswand erforderten, hat der Vortragende dutch Absehr~gung des medialen Absehnittes der unteren und hinteren untcren Geh~rgangswand den Recessus hypotympanicus freigelegt.

D i s c u s s i o n . Herr Oskar Wolf-Frankfurt a. M. halt die Bezeichnung Recessus hypotympanieus ftir sehr angemessen und ist der Ansicht, dass in den Fallen, in welehen nach aeuter eiteriger Otitis media die Eiterung nicht versiegen will und aus einer im vorderen unteren Quadranten liegenden Perfora- tions(iffnung erneut Granulationen hervorwachsen, die Ursaehe in einer in diesem Reeessus vorhandenen cariiisen Stelle zu suehen ist. Diese erreicht man mit dem yon ihm angegcbenen, naeh jeder Riehtung biegsamen scharfen Liiffet unsehweb und es tritt nach dem Curettement racist sehr bald Ausheilung ein. W e l f hat hie schadliche Folgen yon diesem Verfahren gesehen. Da- gegen verlor er eine Patientin, welehe nach dem mit der Sehlinge bewirkten Abschntiren einer aus der Gegcnd des genannten Re- cessas entspringenden pulsirenden Geschwulst (Angiom) schon nach 36 Stunden unter py~imisehen Erscheinungen verstarb.

Herr Edgar Meier-Magdeburg theilt zur Illustration der hypotympanisehen Eiterungen einen Fall yon jauehiger Throm- bose des Bulbus venae jugularls and der Jugularis interna mit bei Granulationen im genannten Reeessus. Es handelt sich um einen Fall yon chronischer Eiterung mit aeuter Exacerbation. Fluctuation hinter dem Ohre, Senkung tier hinteren oberen Ge- h(frgangswand, Fieber mit steilen Curven zwischen 36,3 und 40,2 ohne Sehtittelfriiste erheischten die Operation. Es fand sich eine grosse, mit Eiter und Granulationen erftillte HCihle des Warzen- fortsatzes und damit communieirend tin jauchiger extraduraler Abscess. Die breit freigelegtc Sinustransversuswand war schmutzig grau~riin verfiirbt, nicht fluetuirend; die Probepunction ergab reines Blut. Nach weiterem zweitagigem, steilcm'vigem Fieber Incision des Sinus, dabei starke ven~ise Blutung. Tamponade. Probeineision auf Kleinhirn, dessert Dura in kleiner Ausdehnung verFarbt, mit negativem Resultate. 2 Tage darauf Tod. S e e t i o n:

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Leichtes Piai~dem, kein Entztindungsherd im Gehirne; im Sinus frische Gerinnsel, im Bnlbus venae jugul, jauehiger adhaerenter Thrombus, 275 Cm. in die Jugut. interna sich fortsetzend. Am Boden der Paukenh(ihle Granulationen, doch keine Knoehenliicke. Unterbindung der Jngularvene wtirde zur Entdeckung des Throm- bus geftihrt haben; es ist deshalb bei Symptomen yon eitriger Sinusthrombose die Jugularisunterbindung principiell vorzunehmen.

Herr Rudolf P anse-Dresden glaubt~ dass die Reinfection der Operationsh~ihlen hauptslichlich yon der Tuba aus stattfindet und bestrebt sich, wenn Eiterung im Kuppelraume ausgesehlossen ist, dutch Darinlassen des Hammers und Trommelfellrestes, der sich dann an die innere Paukenwand anlegt, Absehluss der Tuba zu erreiehen.

Herr Leu te r t -Ha l l e a. S. glaubt wie der Vorredner, dass die Tuba die Hauptinfectionsgefahr ftir die Infection der Opera- tionswunde bilde; es wtirde daher in Halle bei der Naehbehand- lung die Obliteration des tympanalen Tubenostiums erstrebt.

Herr K r e t s e h m a n n bestreitet nieht, dass Infection yon der Tuba her eintrete, wollte abet auf die Infeetionsgefahr hinweisen, welche die Eiterung im Reeessus hypotympanicus in sich birgt.

Herr I-Iessler-l=Ialle a. S. betont die Gef'ahrliehkeit der operativen Behandlung der carRisen ZerstiJrungen an der unteren Paukenh~ihlenwand, die sehr ausgedehnt sein k~nnen, fUr den Facialis und sprieht sieh gegen die Anwendung des seharfen L~iffels yore Geh~irgange her aus, mit welehem man ohnehin die Gegend nicht gentigend erreichen k(inne.

Herr Oskar Wol f betont dagegen, dass er bereits 1874 diese Form der Eiternng besehrieben und aueh durch Abbildung illustl~rt habe. Sein Liiffel lasse sieh leicht so stellen, dass der Boden der Paukenh~ihle erreicht werde.

Herr K r e t s e h m a n n erwEhnt noeh~ dass sich ihm die In- tratympanalspiegel ftir die Diagnose der Erkrankung des Recessus bypotympanieus nieht bewahrt haben, well das Bild zu klein und undeutlich ist.

III. Herr Barth-Marburg: Ueber die sogenannte Laterali- sation bei der Knochenleitung.

B a r t h h~lt die bisher bekannten ErkBirungsversuehe fiir das Hintibertiinen einer Stimmgabel vom Seheitel auf das ver- stopfte Ohr fiir ungentigend. Er hat durch Controlversuehe mit zwei gleichlangen Htirschl~uehen die Ueberzeugu~g gewonnen~

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t10 IX. BURKNER

dass der objective Auseultationsbefund aussehliesslich abhangt v0n Verlinderungen, welche die Sehallleitung oder die Resonanz beeinflussen. In den meisten Fallen deeken sieh die Auscultations- ergebnisse mit den Angaben des Patienten tiber die sogenannte Lateralisation. Die Veriinderungen, welehe ftlr das Ohr die Schall- teitung beeinfiussen, sind Hyperiimie, Infiltration, Granulationen, Exsudate, und zwar wird die Leitung um so besser werden, je homogener der yon den Schallwellen zurtiekgetegte WeB sieh ge- staltet. Die Resonanz kann im Wescntliehen nut gfinstiger wet- den, wo die Hohlritume grosset werden oder kleinere sieh zu einem griisseren vereinigen (Trommelfellperforation, Offenstehen der Tuba). Die beiden Hauptfactoren, welche ein Hintiberklingen naeh einer Seite hervorrufen, stehen sieh demnach eigentlieh feindlieh gegentiber. Die Erkrankungen des inneren Ohres - - ab- gesehen etwa yon der Obliteration der Hohlriiume - - werden ftir die objective Beobaehtung kaum yon Einfluss auf das Hintiber- klingen des sehallleitenden Tones naeh einer Seite sein, wenn nieht zugleieh Veriinderungen im sehaltleitenden Apparate vorliegen.

Dis~cussion. Herr Lueae-Ber l in macht auf eine yon ihm sehon frtiher gemaehte Beobaehtung aufmerksam, wonaeh bei seitlichem Aufsatze yon Stimmgabeln die auf das andere Ohr diagonal verlegte Sehallempfindung zum Theil dadureh zu Stande kommt, dass bei dieser Schallrichtung die Schallwellen mehr senkreeht auf das Trommelfett fallen und dadureh der sehalt- leitende hpparat stiirker in Schwingungen versetzt wird. Redner nlmmt an, dass ahnliche EinflUsse sich aueh dann bemerkbar maehen, wenn die Gabel an versehiedenen Stellen des Warzen- theiles aufgesetzt wird, so zwar, dass die Tonwellen das Trommel- fell aueh hier in versehiedenen Riehtungen treffen.

Herr B e e k m a n n - Berlin m(ichte bezweifeln~ dass vom War- zenfortsatze aus Schallwellen senkreeht auf das naeh vorn~ innen und unten gerichtete Trommelfell fallen k~innen, sondern glaubt, dass das immer nur yon einem vor dem betreffenden Ohre ge- legenen Punkte aus stattfinden kann.

IV. Herr D e n n e r t- Berlin: Zur Pr~tfung des TongehOrs. D e n n e r t ~iussert sich zuniichst dahin, dass die meisten

Beobachtungen am gesunden and kranken Ohre beztiglich der ttSrfanction sich bis heute noeh am besten dureh die H e l m - hol tz ' sehe Theorie fiber das Hiiren erkt~ren lassen. Den dia- gnostisehen Werth der HOrpriifung schli~gt Redner nicht so gering

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an, wig es jetzt yon vielen Seiten geschieht: speciell yon der Prtifunff mit musikalisehen T~nen halt er viel, da sieh die Wellen- bewegungen naeh Qualitiit, Intensitiit und Quantiti~t beliebig variiren lassen. Intensiti~t und Quantitiit des Schalles mtissen abet streng auseinander gehalten werden. Far den Zweek der HSrprtifung brauehen wit ein m(igliehst conformes MatGrial zur Erzeugung yon TSnen und die genaue Fixirung des diesem Ma- teriale entspreehend.en normalen Durehsehnittsgeh(irs. Eine Haupt- sehwierigkeit bei der tt(irprtifung ist der Mangel an Objeetivittit derselben, denn der Arzt ist manniehfaehGn TiiusGhungen yon Seiten des Patienten ausgesetzt; denselben zu begegnen, ist eine wiehtige Aufgabe. Redner hiilt es gerade in dieser Beziehung fiir unzweekmi~ssig, zur Bestimmung tier H~rzeit die Stimmgabel vor dem Ohre continuirlieh ausklingen zu lassen, man soil den Ton vielmehr in UnterbreehungGn wirken lassen, wobei indessen das Sehallquantum zu bertieksiehtigen und in Bezug auf die Dauer dGr Einwirkung wie der Unterbreehung des Tones eine gewisse RegGlmiissigkeit zu beobaehten ist. Redner wi~hlt ftir die Zeit sowohl der Einwirkung als der Unterbreehung die Dauer yon einer Seeunde als Zeiteinheit, weil mit der Sehwingungs- zahl der Stimmgabel zugleieh das yon derselben in einer Seeunde erzeugte Sehallquantum gegeben ist. Ftir die beste Methode hiilt es der Vortragende, die Prtifunff in der Weise auszuftihren, dass man die t(inende Stimmgabel in einer bestimmten Bewegungs- breite, der doppelten Entfernung des Ohres yore i~usserGn Augen- winkel, einmal in der Seeunde vor dem 0hre vorbeiftihrt und damit so lange fortfi~hrt, bis der Ton nieht mehr geh~trt wird. Liisst man nun wieder Gin gr¢isseres Schallquantum der jetzt sehon sehwaeh t(inenden Stimmgabel auf das Geh(irorgan ein- wirken, so etwa, dass man wie bei dem vorher besehriebenen Modus alternirend wiedGr eine Seeunde lang den Ton Ginwirken liisst, dass man also diesen Modus mit dem vorhergehenden eom- binirt, so muss derselbe wieder yon bleuem vernommen werden. Die Zeit, wahrend weleher dieser Rest der Sehwingungen yon geringerer Intensitat der abklingenden Stimmgabel noeh ver- nommen wlrd, ist ftir hohe Stimmgabeln eine ktirzere als far tiefe, abet ftir jede Stimmgabel eine bestimmte.

Wenn noeh Zweifel bestehen, kann man die Stimmgabel in Gine solehe Entfernung yore 0hre bringen, dass der dutch sie hervorgerufene Schall eben noeh wahrgenommen, class also eben noch die H~irsehwelle erreicht wird.

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Beide Wege kSnnen wir mit einander vergleichen, denn as muss einer bestimmten Zeitdauer eine bestimmte Entfernung oder umgekehrt einer bestimmten Entfernnng eine bestimmte Zeitdauer entspreehen. Der Umstand, dass naeh H e n s e n das logarith- mische Decrement keine Constante ist, ist ftir die Zwecke der H(irprtifung ohne Belang; denn wenn man eine tiinende Stimm- gabel bis zu ihrem Ausklingen beobachtet~ so bemerkt ein nor- males Ohr wohl kaum eine Intensit~tsschwankung des Tones, ge- schwelg e denn ein zeitweiliges vollst~ndiges Erltischen desselben. Auch kommt es vorerst weniger auf einen mathematischen Aus- druck fiir die Hiirseh~rfe als darauf an~ dass wir uns auf die Richtigkeit der Ergebnisse verlassen k(innen.

D i scuss ion . Herr Barth-Marburg beschreibt einen Appa- rat, mit welchem cr hofft, geringere Grade yon Herabsetzung der Htirfiihigkeit fur Schallquantitaten nachweisen zu k~nnen, als es mit den bisherigen Methoden m(iglieh war.

Herr D e nn e r t bemerkt, dass die Idee, mit Oeffnungen ver- sehene Scheiben, wie sic B a r t h benutzt, zur quantitativen H~r- prtifung anznwenden, sehr nahe liege. Redner habe sehon vor vielen Jahren Untersuchungen damit naeh dieser Riehtung an- gestellt. Er habe aber die Versuehe aufgegeben wegen der st(i- renden :Nebengerausche. Die yon B a r t h gemaehten Beobaeh- tungen k(innten als Beleg dienen flit die schon vor 3 Jahren vom Redner in dieser Versammhng betonte Bedeutung der Bertiek- sichtigung des Schallquantums ftir praetisehe und physikalische Zweeke; doeh sind sic aus versehiedenen GrUnden zuniiehst noeh nieht beweisend far die Sehliisse, die er zieht.

V. Herr Lueae-Berlin: Weitere Mittheilungen i'lber die mlt der federnden Drueksonde gemachten Erfahrungen.

Redner hat in 46 solehen Fallen 7 in welehen der objective Befund es zweifelhaft liess~ ob eine perlphere oder Nervenerkran- kung vorlag, den Ausfall des Rinne 'schen Versuehes und die Perception der musikalisehen T(ine den mit der Drucksonde er- zielten Resultaten gegentiber gestellt und daraus gewisse hnhatts- punkte ftir die Diagnose und Prognose gewonnen.

Es ergab sich das iiberrasehende Resultat, dass dureh die federnde Drucksonde gerade die Ftille mit positivem Ausfalle des R inne 'sehen Versuches (20) mit Ausnahme eines FaUes dureh- weg gebessert warden. Hieraa sehliessen sieh solehe~ bei wel- ehen der Rinne 'sehe Versueh vor der Behandhng negativ und

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naeh derselben positiv au~fiel (8), wlihrend yon den tibrigen 18 mit constant negativ ausfallendem R i n n e'sehen Versuehe 12 ge- bessert, 6 gar nicht gebessert wurden. Besonders interessant war dieses Verhiiltniss zwisehen dem positiven und negativen Vet-= suehsergebniss in 3 Fallen, in welehen auf dem besseren, Ohre der Rinne'sche Versuch positiv, auf dem sebleehteren negativ ausfiet und sieh das Geh0r nur oder in h0herem Grade auf der Seite des positiven Ausfalles besserte.

Da mit einer einzigen Ausnahme in sammttiehen F~llen die h~chsten musikalisehen TOne noeh relativ gut geh0rt werden, so ist es nieht auffallend, dass sich bei einer eingehenden Prtifung der Perception der musikalischen T~ne zwei Hauptgruppen heraus- stellten: einmal Falle mit positiv ausfallendem R i n n e'scben Versuche und gleichmassiger noch verhliltnissmassig guter Per- ception sammtlicher musikalischer TOne und zweitens Falle mit negativ ausfallendem Rinne'sehen ¥ersuche und sehr herab- gesetzter Perception oder Taubheit far die tieferen und tiefsten T(ine.

Es fragt sich nun, ob es sich in der ersten Gruppe um Erkrankung des schallleitenden oder des nerviisen Apparates handelt? Werden yon einem Sehwerh~rigen sammtlicbe musi- kalische TOne noch verhaltnissmassig gut percipirt, so kann der Grund sowohl in einer peripheren als einer Labyrinthaffeetion oder in beiden zusammen gesucht werdcn. In den betreffenden F~llen kann man ex therapia wohl geneigter sein, zugleich mit Rticksieht auf das positive Ergebniss des R inn e'schen Versuches eine lcichtere Affection des SchalIleitungsapparates (Sklerose ?) anzunehmen, da bei Beweglichkcitssti3rungen im Leitungsapparate T~ine, resp. Klange leiehter als die aus unzahligen Kl~ingen und Ger~iuschen zusammengesetzte Spraehe auf das Labyrinth Ubertragen werden mlissen. Hierbei ist aber ein gleiehzeitiges Bestehen einer Laby- rinthaffection nicht ausgesehlossen. Mit Sicherheit war eine solehe anzunehmen in 2 Fallen, in deren einem ein Falschhliren und in deren anderem M~ni6re'sche Symptome bestanden.

Der Fall, in welchem die h0chsten musikalischen TOne nicht percipirt wurden, erfuhr eine Besserung, indem bei der Behandlung mit der federnden Drucksonde die Perception theil- weise wiederkehrte. Vielleieht lasst sich die gUnstige Einwir- kung der Drucksonde in solchen Fallen dutch die auf die Contenta des Labyrinthes ausgetibte, massirende Pendelbewegung erklaren.

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114 IX. BORKNER

VI. Herr Haug-Mtinehen: Beitriige zur infectiOsen Poly- myositis ex otitide.

H a u g besprieh~ diejenige Form der Polymyositis, welche sieh zuweilen rein, ohne allgemeine Infection, an eine acute Mittelohrcntziindung anschliesst. Er hat drei einsehliigige Fiille beobachtet:

1. 27j~ihriger Mann erkrankt naeh der Nasendouche an linksseitiger 0titis media purulenta mit kleiner Perforation. Da Sehmerzen bestanden~ wird eine Erweiterung des LGchelehens vorgenommen. Tags darauf Sehtittelfi'ost, gleichzeitig sehmerz- hafte Sehwellung am linken Deltamuskel. Aufmeisselung des Warzenfortsatzes mit negativem Resultate, abet folgender Bes- serung der Besehwerden; Verschwinden der Muskelschwellung nach drei Tagen. Nach einigen Tagen abermals Sehtittelfi'ost, benommenes Sensorium~ Schmerzhaftigkeit im oberen Drittel der linken Gastroenemiuspartie. Operative Eriiffnung eines apfelgrossen Knotens daselbst nach 6 Tagen mit Entleerung yon Strepto- kokkeneiter. Von da an Besserung, obwohl noch zeitweise An- deutungen yon Schmerzhaftigkeit verschiedener Muskeln vor- kamen. Vollstandige Heilung in der 6. Woehe.

2. 22jiihriges M~idchen kam am Tage nach der Erkrankung an Otitis media purulenta dextra in Behandtung. Tags darauf Paraeentese. Am 19. Tage der Erkrankung heftige Kopf- sehmerzen mit Schtittelfrost bei fast gesehlossener Perforation. Erneute Paracentese mit Entleerung yon Eiter. Am n~ehsten Tage wieder Sehiittelfrost und am folgenden Morgen vortiber- gehende Schwellung and Schmerzhaftigkeit des reehtcn Hand- gelenkes. Naeh 4 Tagen abermals Ohrensehmerzen, Vorbuehtung der Membrana flaceida. Incision derselben. In der darauffolgenden Naeht Schtittelfrost, Tags darauf apfelgrosse Stelle im vorderen Drittel des reehten Vorderarmes, welehe sehmerzbaft und ge- schwollen ist. Der in dieser Gegend entstehende Abscess musstc eriiffnet werden; aueh bier Streptokokkeneiter. Von da an rasehe Heilung.

3. 20jlihriges Miidehen war vor 4 Tagen naeh einer Ohr- feige unter Schmerzen im linken Ohre erkrankt. Streptokokken- eiterung mit grosset Perforation. Am Ende der 2. Woche Schmerzen, Riithung am Proc. mastoideus, am Ende der 3. Woehe Aufmeisselung mit gutem Erfolge. In der 7. Woche Tempera- tursteigerung mit Schmerzen in der linken Fossa supraspinata, in weleher sieh binnen wenigen Tagen elne nussgrosse Infiltration

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bildet, und gleiehzeitig eine Sehwellung in der linken Aehsel- grube und iiber dem linken Deltoideus. Die beiden ersteren Stellen mussten ineidirt werden, w~ihrend die Infiltration des Deltamuskels spontan sehwand. Definitive Heilung in der 11. Woehe.

Beilaufig bemerkt der Vortragend% dass, seit er eine striete, absolut trockene Behandlung der aeuten Mittelohrelterung durch- fUhrt~ der Verlauf der Erkrankung um die t:Ialhe abgektirzt wird und Complieationen yon Seiten des Warzenfortsatzes sehr viel seltener auftreten.

D i scus s ion . Herr Br ieger-Bres lau glaubt~ dass es sieh in den yore Vorredner gesehilderten Fallen um metastatisehe Muskelabseesse gehandelt habe, wie sic im Vcrlaufe der Pyi~mie nieht selten sind. Die Benennung, die H a u g dem yon ihm be- sehriebenen Krankheitsbilde giebt~ legt die Verweehselung mit der sogenannten Dermatomyositis septica nahe, einem atiologiseh mit der Pyamie identisehen Proeesse, bei dem es aber zu einer wirkliehen Abseessbildung der Muskel nicht zu I~ommen pflegt. Redner sah einer Excision der GehSrkntiehelehen eine solche Dermatomyositis folgen. Hier tocalisirte sieh der Process am Vorderarme, trotz l~ingeren Bestehens kam es nicht zur Absce- dirung.

VII. Herr H a u g- Mtinchcn: Ucber Bildung h~morrhagischen Exsudates in der PaukenhShle und Blutblasenentstehung ira 5usseren GehOrgange infolge yon Pulpitis eines Molarzahnes.

Der Vortragende sah bei einem 36jahrigen Mann% welcher Tags vorher yon Sehmerzen im linken oberen, vorletzten Molar- zahne befallen worden was eine Otitis externa haemorrhagica ent- stehen. Ausserdem war das Trommelfell abgeflacht, hinten vor- gebaucht, blaulichroth; es bestand bedeutende Herabsetzung der Hiirfahigkeit. Da als Veranlassung fiir die Ohraffeetion die Zahn- caries angesehen wurde, so wnrde tier sehr empfindliche Zahn extrahirt, worauf das Ohr qhne locale Behandlung innerhalb 16 Tagen vollstandig heilte.

VIII. Herr Kayser-Breslau: Ueber objective Ohrger~usche. Die objectiv wahrnehmbaren Ohrgerausehe sind Gef~ssge-

r~iusche oder Muskelgerausche; die letzteren sind entweder ento- tfsehen oder tubaren Ursprunges. Bei den entotisehen wird der durch die Muskelcontraction erzeugte Musketton als tiefe 5 dumpfer Ton ~thnlich dem Herztone gehifrt; bei" den tubaren Ger~tuschen

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116 IX. BUt~KNEI~

wird dureh den Tensor veli palatini Bedingung zur Entstehung oder Wahrnehmung eines Ger~tusehes gegeben. DiG tonisehe Con-

-traction des Tensor yell erzeugt die sogenannte Autophonie, welehe aueh durch Narbeneontraetion oder Inanitionsatrophie der Tuben- wi~nde entstehen kann. Es wird hierbei das im Nasenraehenraume bei der Athmung oder beim Spreehen entstehende Geri~usch dutch die offene Tube dem Ohre zugeleitet und subjeetiv und objeetiv als Brausen empfunden. Ein einfaehes symptomatisehes Mittel dagegen besteht darin, mittelst des Katheters die TubenSffnung dick mit Vaselin zu bestreiehen und dadureh far li~ngere Zeit zu versehliessen. Klonisehe Zuekungen des Tensor veli erzeugen ein eigenthtlmliehes Knaeken und Knipsen: Die Tubarerepitation, welehe dureh Auseinanderreissen der feuehten Tubenwi~nde her- vorgebraeht ( P o l i t z e r , L u sehka ) naeh dem 0hre fortgeleitet und seheinbar dort entstehend empfunden wird. Zuweilen sieht man zugleieh Bewegungen des Gaumensegels, tier Pharynxmuseu- latur, selten des Tensor tympani. Die Erkrankung geh(irt wie der Tie eonvulsif~ speeiell tier Blepharospasmus, in das Gebiet der localisirten Muskelkriimpfe mit nahen Beziehungen zur Chorea und zur Hysteria.

Therapeutiseh kommen die manniehfaltigsten bei diesen ner- vtisen Erkrankungen angewandten Mittel in Betraeht. Zuweilen erweist sieh Druek auf das Gaumensegel, auf den Proc. masto- ideus, auf den Vagus u. dergl, wirksam. Symptomatiseh, abet sieher wirkend erweist sich dig vom Vortragenden in 3 Fiillen angewandte meehanisehe Methode: dutch den Katheter in die Tube eine die Wiinde derselben auseinander haltende Sonde ein- zuftihren. Dieselbe muss dureh die gauze knorpelige Tube vor- geschoben werden~ weil sieh der Tensor veli liings des ganzen lateralen Tubenknorpels ansetzt. Die Tubarcrepitation sistirt dann sofort, aueh wenn der Muskel noeh weiter agirt. ManehmaI ist dieses gerfahren yon dauerndem Erfolge, manehmal ist es noeh wiehtig, (lass die Kranken ihre aueh willktirlieh zu unterdrticken- den Bewegungen des Gaumensegels im Spiegel sehen und sic zu unterdrUeken lernen.

D i s c u s s i o n . Herr Zaufa l -P rag m~ehte nur bemerken, dass tin iihnliehes Geriiuseh wie beim Abziehen der lateralen Tubenwand yon der medialen aueh dutch Abziehen der medialen yon der lateralen und dureh Ankleben der medialen Tubenplatte an die hintere Wand der Rosenmtiller'sehen Grube und ZurUek- sinken der medialen Tub'enplatte in dig Ruhelage mit dem Sinken

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Bericht tiber d. vierteVersammlg, d. Deutschen otolog. GeseIlschaft u. s.w. 117

des weichen Gaumens bei der Phonation und beim Sehlingen ent- stehen kann. Seit Jahren zieht er bei Autophonie und alien Er- seheinungen~ die auf kmnkhafte Zustaude der Tubengaumenmus- culatur zurlickzuftihren sind~ die Massage des iutrapharyngealen Tubentheiles, d.i. des Ostiums und der medialen Tubenplatte, in Verbindung mit der Dehnuug der Tabengaumenmuseulatur mit dem Finger mit Erfolg in Anwenduug. Der in die Rosenmtiller'sche Grube eiugefiihrte, mit eiuem Kautschukfingerling versehene Finger drUckt und streckt abwechselnd die mediale Tubenplatte, wird dann ins Tubenostium eingeftihrt und drtiekt den Boden desselben und seine laterale Wand nach unten und vorn; schliesslich wird der angrenzende Theil des weicheu Gaumens mit dem hakenf(irmig gebogenen Finger nach unten gezogen. Sollten alle Mittel erfolglos sein, so ware der von mir sehon frtiher gemaehte Vorschlag der Tenotomie des Muse. salpiugo-pharyngeus knapp an seiner Ansatz- stelle an der internen Ecke der Tubenplatte wiederaufzunehmen.

Herr B r i e g e r- Breslau findet es nicht wahrscheinlieh~ dass die entotisehen sogenannten Muskelgerausehe~ wenn sie dureh Con- traction des Tensor tympani ausgel~st werden~ wirklich mit dem Muskeltone etwas zu thun haben. Sehon die Intensitat dieser Ge- r'ausehe sprieht gegen eine soIehe Annahme. Ausserdem legt die Gleichartigkeit des Gerausehes in den bisher publicirten Fallen sehon den Gedanken an eine einheitliehe Ursaehe nahe, welehe Redner in der Eriiffnung der Tuba, der Abhebuug der Tubenwande yon einander zu finden glaubt. Diese kann dann, wenn das Ger~iUsch durch Contraction des Tensor tympani bedingt ist, so zu Stande kommen, wie B r i e g e r in einem Falle dureh Tenotomie des Tensor tympani festgestellt hat. Es ist ferner nicht riehtig, dass die tubaren Ger~iusche lediglieh auf den Tensor veli zu beziehen sind. Aueh die anderen an der Tuben~iffnuug betheiligten Mus- keln, z. B. in einem Falle B r i e g e r ' s der Muse. salpiugo-pha- ryngeus, siud dazu im Stande.

Herr K a y s e r bemerkt hierzu, dass therapeutiseh, wie er- wiihnt, jegliehe Nervenreizung, also aueh die direct auf die Tuben- ~ffnung wirkende, unter Umstanden mitwirkt. Ihm kam es darauf an, die Gerausche vom Tensor tympani and Tensor vali palatini zu trennen, da sie in ihrem acusfisehen Charakter ver- sehieden sind and nieht, wie Herr B r i e g e r es zu thun scheint, eonfundirt werden dttrfen. Richtig ist nur, dass beide Muskeln zugleieh agiren kiinnen, wie das bereits beobachtet worden ist und anatomisch leicht erkl~irt werden kann.

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118 IX.B~RKNER

Herr Barth-Marbm'g ist dcr Meinung, dass bei Contraction des Tensor tympani weniger diese als vielmehr die Bewegungen des durch die Contraction in Sehwingungen versetzten Trommel- felles gehiirt werden. - - Unter den Ursaehen des 0ffenstehens der Tuba und damit der Autophonie wiirde Redner die Katarrhe als hiiufigste anftihren. Fiir gewiihnlieh wird ja durch katarrha- lische Schwellung der Schleimhaut die Tuba verlegt. Wird abet nicht nur die Schleimhaut, sondern aueh das tiefere Gewebe der Tuba entztindlich infiltrirt, so kann dadureh naeh den physi- kalischen Gesetzen der Druekwirkung leicht aus dem Spalt ein Rohr mit zwar verengtem, aber offenstehendem Lumen entstehen. Es wiirde sich die Behandlung vor Allcm gegen die Katarrhe zu richten haben.

Herr B r i e g e r- Breslau ftigt seinen fi'tiheren Bemerkungen noch hinzu, dass man unzweifelhaft Muskelger~iusche hSren ktinne. Er racine nur, dass sic nie stark genuff werden, um objectiv wahrgenommen werden zu kiinnen.

Herr K a y s e r glaubt, dass der Fall, auf welchen Herr B r i e g e r hingewiesen habe~ sich doeh anders verhalte; es war ein dumpfes Gerausch objectiv und nur dureh den HSrsehlaueh oder dieht am Ohre h(irbar.

Herr K r e t s c h m a n n- Magdeburg erwlihnt, dass knackende Tubenger~iusche gleichsam cxperimentell bei Einfiihrung einer Bougie in die Tuba zu Stande kommen. Das Ger~tusch tritt auf, wenn die Bongie den Isthmus passirt sowohl beim Einfiihren wie beim Herausziehen. Es giebt also auch Ger~tusche, welehe ohne Muskelwirkung zu Stande kommen kBnnen und vielleicht bedingt sind dutch Sehwankungen in den Druckverhaltnissen der PaukenhShlenluft.

Herr B e e k m a n n- Berlin wendet sich gegen den yon Herrn Z a u f a l gemaehten Vorschlag~ den Muse. salpingo-pharyngeus zu durchschneiden. Dieser Muskel schliesse die Tuba, dcr Tensor veli ilffne nur den lateralen Theil der knorpeligen Tuba, an der Rachenmtindung sei die laterale Tubenplatte am Fliigelfortsatze fixirt. Die Rachenmtindung 5fine der Constrictor pharyngis su- perior in Verbindung mit dem Levator veli, die die Pliea sal- pingo-pharyngea zwischen sieh nehmen und nach innen und oben ziehen, wodureh die obere Tubenlippe yon der unteren abgezogen wird. Eine isolirte Contraction des Tensor veli iSffne die Tuba nicht, sondern erzeuge eine eben solche Einwi~rtsbewegung des Trommelfelles, wie die des Tensor tympani.

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II. Sitzang. Sonnabend~ 1. Juni Nachmittags.

IX. Iterr K r e t s c h m a n n- Magdeburg : Theilweise Plastik der Ohrmuschel.

Der Vortragende hat bei einem 18jiihrigen Manne mit Tuber- culose der Ohrmusehel folgendes plastische Verfahren angewandt: Der Schnitt begann am vordcren Rande des Lobulus, verlief auf der Kante der Anthelix und des Cras anterius helicis, tiberquerte den aufsteigenden Theil der Helix, um auf die Kopfhaat tiberzugehen und yon hier aus parallel dem Ansatze der Auricula in 2 Cm. Ab- stand in den Anfang des Schnittes zurfickzukehren. In diesem Um- kreise wurde dieHaut yore Knorpel bezw. Knochen abpr~iparirt. Zur Deckung des den grtisstcn Theil der Concavifiit und die ganze Con- vexit~tt der Musehel einnehmenden Defectes wurde ein ca. 4 Cm. brei- ter and 12 Cm. langer zungenf~irmiger Lappen yon dem hinteren Wundrande ausgehend aus der Gegend der hinteren Kante des Ster- noeleidomastoideus bis 2 Cm. oberhalb der Clavieula abw~h'ts ab- pr~iparir t, dessenWurzel in dcr Gegend des aufsteigenden Unterkiefer- astes lag. Nachdem dieser Lappen, wie ein Tueh fiber eine Sehale, tiber die Coneha gelegt und sorgfiiltig befestigt worden war, wurde die am Halse entstandene Wunde dureh Vereinigung ihrcr Rander geschlossen. Die Heilung erfolgte fast ganz per primam.

X. Herr A n t o n- Prag: Beitriige zur Kenntniss des Jacob- son'schen Organes beim Erwachsenen.

A n t o n hat in 7 Fallen Untersuchungen fiber das J a c o b - s o n'sche Organ angestellt. Es ergab sich zun~ichst, dass dasselbe in drei der Ffille fehlte, wahrscheinlich nieht, well es infolge yon Katarrhen der Nasenschleimhaut vertidet, sondern weil es nicht ausgebildet war. Wenigstens hat A n t o n das J a c o b s o n' sehe Organ schon bei einem 8 Tage alten Knaben gar nieht und bei einem 15 Tage alten Knaben nut auf einer Seite gefunden.

Die Form des J a c o bson 'schen Organes war die einer offenen Ilinne, die entweder breit, muldenartig war and sieh all- mahlich vertiefte, oder die schlitz- und spaltfSrmig erschien und sieh sehr bald schloss. Die Mtindungen der beiden Organe lagen selten in einer Frontalebene, ihr Verlauf war stets yon vorn-unten naeh hinten-oben allmiihlieh ansteigend.

Versuche, welche dcr Vortragende an Patienten angestell~ hat, bei welehen das vordere Sttiek des Septums, der Sitz des J a e o b s o n ' s c h e n Organes, zerstth't war, ffihrten zu dem Ergeb-

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nisse, dass Abnormiti~ten in Bezug auf den Geruchsinn dureh das Fehlen des Organes nicht bedingt waren.

XI. Herr Hessler-Halle a.S.: Die Behandlung der acuten Mittelohr- und Warzenfortsatz-Eiterungen.

Bei noch imperforirtem Trommclfelle legt H e s sl e r eine yore vorderen Rande der Membran im Bogen um den Hammergriff bis zur Mitte des hinteren Randes rciehende incision an. Dau Aus- spritzen wird bei allen acuten Eiterungen vermieden, daftir der Patient angewiesen~ den GehiSrgang so oft als miiglich mit Watte auszutupfen. Das 0hr darf nicht mit Watte versehlossen werden) weil dabei eine Eitcrretention eintritt, des ~achts soll es auf ein aus Watte gowickeltes Kranzkissen aufgelegt werden. Die Luft- douche ist im cntztindlichen Stadium contraindieirt, weil diese!be eine Infection yore ]Nasenraehenraume her erzeugen kann. Ucbri- gens hat der Vortragende gefunden, dass das Secret bei genUgend grosset Perforation dureh die Luftcinblasungen gar nieht aus der Pauke entfernt wird. Unstatthaft ist aneh das Einblasen yon Bor- siiurepulver, zumal ein Sehutz gegen eine Infection yore Gehtir- gange her beim Vermeiden des Ausspritzens gar nieht erforder- tieh ist.

Bei seeundarer Erkrankung des Warzenfortsatzes ist der Vor- tragende unbedingt fur die sofortige Aufmeisselung, welche in acuten Fallen in der typischen yon S c h w a r t z e angegebenen Weise ausgeftihrt werden soll. Er nimmt allen cariSs erweiehten Knochen aus dem Aditus und Antrum mit dem Meissel vollstiindig fort~ wobei eine Verletznng der Gchiirkn(ichelchen sorgsam ver- mieden werden muss; die 0effnung im Knoehen sehwankt zwisehen 5 und 8 Mm. Die Wunde wird nieht ausgespiilt, sondern lose mit Jodoibrmgazesttiekehen tamponirt) fester nut, wenn bei der Ope- ration eine parenchymatiise Blutung eingetreten war. Je nach der Durchfenchtnng wird der Verband naeh 11/2 bis 3 Tagen ge- weehselt) wobei das in der Tiefe sitzende copiiisere Secret mit 1114--4 Cm. langen Sttiekehen sterilisirter Gaze abgewischt wird. Den Gang selbst lltsst der Vortragende ganz frei. Da Jodoform- gaze die Granulationsbildung verlangsamt, so wird sic bei den spiiteren Verbiinden dureh einfache sterilisirte Gaze ersetzt. Die Knochenfistel schliesst sieh bei dieser Behandlung yon aussen) indem die Vernarbung, die yon den iiusseren WundVandern naeh innen fortschreitet, zuerst yon der Tiefe, abet doeh yon aussen her, den Versohluss bewirkt.

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D i s c u s s i o n . Herr Rudolf Pause -Dresden ist mit den Ausftihrungen des Herrn H e s s 1 e r i m Allgemeinen einverstanden, hiilt es aber entsehieden ftir unstatthaft, die Patienten Watte oder irgend ein Instrument selbst anwenden zu lassen, weil sic doeh hie aseptiseh zu arbeiten lernen. Er sehiebt Jodoformgazestreifen in den Geh~irgang und li~sst das Secret in einen Verband laufen~ den er wechselt so oft es niithig wird und so lange tragen l~isst~ als der Gazestreifen bis an die Oh~ffnung feucht ist.

Herr Bar th -Marburg wendet sieh gegen den Irrthum des Herrn H e s s I e r ~ als ob die Behandlungsweise, gegen die er in seinem Vortrage ank~mpft, eine allgemeine wiire. Die acute Mittel- ohrentztindung sei in der L u e a e'sehen Schule sehon seit 12 Jahren so behandelt worden, wie Herr H e s s l e r es empfiehlt.

Herr S t a e k e- Erfurt operirt seit 5 Jahren vollkommen asep- tisch und vermeidet bei acuten Eiterungen nicht nur das Spritzen m~iglichst, sondern auch das forcirte Austupfen und besonders das Austupfen yon Laienhand. Die Behandlung wird m(igliehst auf einen blossen Wechsel des Gazetampons, bezw. Verbandes, wel- chcr ausreicht, das in den Gehiirgang ergosseue Secret aufzu- saugen, besehriinkt. Naeh der Aufmeisselung legt Redner grossen Werth auf eine Tamponade~ welche es auch dem Secret in de r T i e f e ermiiglieht, nach aussen abgeleitet zu werden, wahrend bei der H e s s 1 e r 'sehen Methode leicht eine Verengung der Wunde nach aussen in dem Maasse eintretea kann, dass der Ueberbliek fiber den Zustand in der Tiefe sehr ersehwert wird.

Herr L e u t er t- Halle a. S. bemerkt, dass in der S c h w a r tz e- schen Klinik bei aeuten Mittelohreiterungen Durchsptilungen nieht gemacht werden. Den Geh~irgang unversehlossen zu batten, be- trachtet er als einen principiellen Fehler, da der Luftzutritt ver- mieden werden muss.

Herr B r ieg e r - Breslau ist gleichfalls der Meinung, dass Herr H e s s 1 e r gegen Behandlungsmethoden anki~mpft, welche allge- racine Anwendung kaum noeh finden. Man beschriinke sich jetzt ziemlich allgemein auf troekene Reinigung mit sterilen Watte- tupfen. Die Tamponade des Gehi~rganges k~nne niemals zu Eiter- retentionen fiihren ; wohl abet k(inne diese Gefahr in hohem Maasse herbeigeftihrt werden dutch die Methode der Nachbehandlung naeh der WarzenfortsatzerSffnung, welche Herr H e s s le r empfiehlt. Wenn man die Wunde aussen sich schliessen liisst, ohne der Heilung in tier Tiefe sieher zn sein, so werde die Gefahr einer Eiterretention nicht zu umgehen sein.

Archly f , Ohrenheilkunde, XXXIX. Bd. 9

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Herr H a r t m an n-Berlin fiihrt die Luftdouche bei aeuter Ent- ztindung nicht mehr aus; bei der Aufmeisselung Aussptilungen vorzuuehmen~ sei sehon in der Versammlung norddeutseher be- freundeter Ohreniirzte widerrathen worden. Der Verband diirfe nut bei aseptischer Wunde lange Zeit liegen bleiben, bei septischer Wunde sei m(iglichst often zu behandeln. Lange fortgesetzte Tam- ponade verziigere die Heilung.

Herr hToltenius-Bremen glaubt nieht, dass Tamponade des Gehlirganges mit hydrophiler Watte oder Gaze nach der Para- centese zu einer Eiterverhaltung fiihren k~nne und h~ilt es ftir wiehtig, naeh der Aufmeisseiung die Wunde yon innen nach aussen heilen zu lassen.

Herr R ei n h a r d- Duisburg bestatigt, dass in der S e h w a r t z e- schen Sehule bei a e u t e n Eiterungen Durchspiilungen nicht vor- genommen wurden.

Herr W al b-Bonn halt Lufteinbiasungen durch Katheter oder nach P o l i t z e r bei aeuten Mittelohreiterungen nieht nur fur nutz- los, wie H e s s l e r angiebt, sondern aueh ftir schadlieh, da dureh dieselben der Eiter in bis dahin freie Theile des Mittelohres ge- sehieudert werden kann. Es sei erfreulieh, dass jetzt aueh yon Seiten H e s s l e r ' s mit solcher Entschiedenheit betont wird, was er (Redner) schon vet 6 Jahren in Heidelberg zur Discussion ge- stellt habe und dort zu der einstimmigen Verurtheilung der Ein- blasungen in diesen Fiillen geftlhrt habe.

XII. Herr J o e 1- Gotha: Leptomeningitis purulenta nach Otitis media purulenta acuta bei einem drei]~hrigen Kinde.

Der yon J o e l beobaehtete Fail butte folgenden Verlauf: Ein dreijahriger Knabe erkrankte im Anschluss an Masern an reehts- seitiger Ohreiterung mit Empyem des Proe. mastoideus bei wenig gest(irtem Allgemeinbefinden. Typisehe Aufmeisselung und Aus- riiumung massenhafter Granulationen bis ins Antrum. 5 Tage naeh der Operation Erbreehen und Fieber; Paracentese des bereits ver- narbten Trommelfelles fSrdert wenig Exsndat zu Tage. Anhaltend hohe Temperatur, Kopfsehmerz, Facialis- and Abdueenslahmung, Obstipation~ Delirien. Augenhintergrund kaum verandert. 19 Tage naeh der Operation Exitus.

Die Section ergab ausgedehnte Meningitis basilaris, tiber- gehend in den RUekenmarkskanal und an einigen Stellen auf die Convexit~t. Innenfl~che des Sehl~fenbeines zeigt nirgends cariiise Stellen~ hingegen ist der inhere Geh(irgang mit Eiter angefiillt.

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D i s c u s s i o n, Herr K U m m e 1- Breslau fragt den Vortragen- den, ob nicht die Eiterung dutch den Canalis facialis fortgepflanzt sei? In der Breslauer chirurgisehen Klinik sei ein Fall yon solcher Fortleitung ohne eine im Leben nachweisbare Faeialis- st(irung ktirzlich beobachtet worden.

Herr S e 1 i g m a n n- Frankfurt a. M. sah Leptomeningitis bei einem einjahrigcn Kinde infolge yon Vereiterung eines verkiisten Herdes am Scheitelbein auftreten. Derselbe brach naeh innen dureh, zugleieh erzeugte er eine Senkung auf den Warzenfortsatz, colossale Schwellung, dort eine Periostitis vortausehend. Das Mittelohr war frei.

Herr Joe l -Go tha erwidert Herrn K t i m m e l , dass die M(ig. lichkeit der Ueberleitung dcr Eiterung durch den Facialkanal auf das Sehadelinnere gewiss nieht sieher auszusehliessen war, da die Section des Felsenbeines sich anf die Eriiffnung der Pauken- hiihle yon oben besehri~nken musste. Doch spreche die Wahr- scheinliehkeit nicht daftlr, weil sich die ersten Erscheinungen seitens des Facialis erst einige Tage naeh dem Auftreten der me- ningealen Symptome gezeigt hatten.

Herr B r i e g e r- Breslau hat die Punetion des Cerebrospinal- raumes bereits auf der Wiener Naturforseherversammlung zur Ent- seheidung der Frage empfohlen, ob neben einem Hirnabseess noch eine complieirende Meningitis vorliegt. AlIerdings sei ein nega- tires Panctionsergebniss hier nieht beweisend. So hat er z. B. in einem Falle yon eitriger Meningitis naeh Stirnhiihlenempyem ein solches negatives Punetionsresaltat erhalten. Immerhin ist diese Untersuchungsmethode aueh dann noch nicht ohne Werth; man wird sieh in den verzweifetten Fallen, um welehe es sieh bier handelt, wenn die Punetion negativ ausfiillt, frtlher fUr die Operation ent- schliessen dtirfen.

XIIL Herr S t acke -Er fn r t : Ueber eine neue )/lethode der Plastik zur ])eckung der bel der operativen Fredegung der Mittet- ohrriiume entbli~ssten Knochenfliichen.

Der Vortragende sucht, dutch Spaltung der zur Deckung aus- ersehenen Weichtheile der Flliche noch annahernd doppelt so viel Deekmaterial zu gewinnen, als der umschnittene Hautlappen an sich bieten wtirde. Er liisst den ursprtingliehen Schuitt in der Insertionslinie der Muschel, die Spitze des Warzenfortsatzes nach hinten im Bogen umkreisen und nach oben zurtickkehren, pra- parirt die umschnittene Partie im subcutanen Gewebe bis tiber

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die Linen temporalis ab~ so dass sic nur aus Cutis besteht, und schliigt sic nach oben um. Dadurch bleiben auf dem Warzen- fortsatze die tieferen Weiehtheile, insbesondere das Periost, un- versehrt. Dieselben werden nun dureh einen Sehnitt getrennt, welcher, auf der Linea temporalis verlaufend und vorn und hinten in die beiden seitlichen Parallelschnitte des Hautlappens um- biegend, iiberall bis auf den Knochen dringt. Der Periostlappen wird nun naeh unten bis zur Insertion des Muse. sternoeleido- mastoideus mit dem Raspatorium abgel~st und nach unten um- gesehlagen. ~aeh Vollendung der Knoehenoperation wird der Hauflappen yon oben, der Periostlappen yon unten in die Knoehen- mulde hineintamponirt.

Wo tiber dem Proc. mastoideus selbst nieht genug Periost zur Verffigung steht, hat der Vortragende einen grossen ttautlappen mit der Basis naeh der Spitze des Warzenfortsatzes fiber dem Hinterhaupte dieht hinter dem Muse. temporalis bis nahe an den Seheitel hinauf angelegt and das Periost yore Knochen heraus- pr~iparirt, worauf der Hautlappen wieder an seine Stelte gebraeht wurde.

D i s c u s s i o n . Herr K r e t s e h m a n n - M a g d e b u r g wtirde es sehr erfreulich finden, wenn es sieh herausstellen sollte, dass die Periostlappen eine spatere Atrophic tier transplantirten Stticke verhindern wUrden. Sonst ware eine Transplantation, welche ein- zeitig ausgefUhrt wird, einer zweizeitigen vorzuziehen. Die Liinge der Lappen berge die Gefahr, dass die Enden auf das Epithet der Paukenh(ihle zu liegen kommen und nieht anwachsen.

Herr N o I t en i u s- Bremen ist daftir, die Lappenbildung m5g- lichst ganz zu vermeiden. Er glaubt, dass man persistente 0eff- nungen hinter dem Ohre nicht anlegen muss und empfiehlt warm die K o e r n e r ' s c h e Lappenbildung bei primarer Naht hinter dem Ohre.

Herr S t a e k e - E r f u r t erwidert Herrn K r e t s e h m a n n , dass zu lange Hautlappen allerdings die Heilung wesentlich beein- traehtigen; er hat auch nieht ftir besonders lange Lappen plaidirt, sondern nur betont, dass dieselben beliebig lung und breit ge- nommen werden kiinnen, wie es das jeweilige BedUrfniss erfordert, da die Haut im Ueberfluss vorhanden ist. Dass die Hautlappen am Tegmen und iiberhaupt in der Tiefe anheilen, hat Redner un- zweifelhaft beobachtet; den Atticus und Aditus kratzt er stets so rein aus, class kein Epithel mehr vorhanden ist; auch solle auf der Paukenh~ihle der Lappen gar nicht anheUen, und im Aditus und

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Atticus aueh nicht der Haut-, sondern der P e r i o s t l a p p e n . Die zweizeilige Operation kiJnne den Werth der Methode nicht be- eintr~iehtigen. Abkratzen yon Granulationen und Aufpflanzen yon T h i e r s c h ' s e h e n Liippchen erfordere in der Regel keine Nar- kose, sondern sei mittelst Coeainanwendung vSlliff sehmerzlos zu maehen, ebenso die Abtragung der Liippchen unter Einspritzungen einer schwaehen CocainlSsung unter die Haut.

Herrn N o l t e n i u s erwidert Redner~ dass er erstaunt sei, zu hi~ren, dass alle yon Herrn N o l t e n i u s operirten Fiille yon K o e r n e r ' seher Lappenbildung in 4 - 6 Wochen ausgeheilt seien. Der Lappen reiehe doch nieht sehr fief, k(inne also die tteilungs- verhNtnisse in der Tiefe kaum gUnstig beeinflussen. Redner hat die K o e r n e r ' s e h e Plastik noch nieht versucht. Von jeher hat er sich g e g e n die prineipielle Anlegung einer persistenten retro- auriculiiren Fistel ausgesproehen. K~nne man aber die tteilungs- dauer durch seine Methode der Periostiibertragung auf die ganze blossgelegte Knoehenflaehe, wie er auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen annehmen mtlsse, gegen frtiher, wo sie 3--4 Monate im Durchschnitt betrug, auf die Hiilfte der Zeit herabdrticken, so nehme er die retroaurieulare Oeffnung gern in den Kauf, da er dieselbe jederzeit osteoplastisch sehliessen k(inne. Die Haupt- saehe scheine ihm zu sein~ den Kuoehen mit einer Deeke zu versehen, welehe das physiologisehe Gewebe des kniiehernen Geh~irganges naehahme. Redner erkl~rt ausdrticklich, dass er be- ztigtieh der Erfolge noch niehts Sieheres sagen will, sondern nur die Anregung geben wollte, diese Methode der Plastik in geeig- neten Fallen anzuwenden. Er wolle hierbei bemerken, dass er dem Aussprache yon K o e r n e r, bei der Wahl der Methode milsse in jedem Falle individualisirt werden, vollkommen beistimme. Dies gestatte aber gerade auch seine Methode, denn dieselbe lasse sieh eben so guL naeh votlendeter Operation, wie vor derselben ausfiihren.

Die S ie b e n m a n n' sehe Plastik sei gar nieht mit der des Redners zu vergleiehen, da S i e b e n m a n n die Cholesteatomhaut stehen lasse, und das sei niemals eine Heilung, sondern nur eine persistente prophylaktisehe Blosslegung des Krankheitsherdes zur Vorbeugung spaterer Retentionen.

Herr Z a u f a t - P r a g wtirde in dem S t a e k e ' s e h e n Periost- lappen, falls es von ihm aus zur Knoehenbildung k~me, einen grossen Fortschritt sehen. Redner selbst operirt in letzter Zeit durehgehends mit dem K o e r n e r ' s c h e n Lappen, dessen wesent-

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lieher Vorzug insbesondere in der weiten Eingangs~iffnung des Geh~irganges liegt, yon der aus man die ganze KnoehenhShle be- quem tibersehen kann. Auch werden dadureh die hassliehen Retro- auriculariiffnungen vermieden. Er glaubt, dass es aueh m(iglieh sein wird, dutch die erweiterte Gehiirgangsiiffnung die T hie r s e h- sehe Transplantation naeh S i e b e n m an n vorzunehmen. Heilung hat Redner mit dem K o e r n e r ' s c h e n Lappen in einigen Fallen binnen 6--8 Wochen gesehen, in anderen zog sie sich jedoeh mehr in die Lange.

Herr L e u t e r t - H a l l e a. S. weist gegentiber der Stimmung, welche sieh gegen die persistenten Operationstiffnungen geltend maeht~ an der Hand eines vor einiger Zeit an der Hallenser Klinik beobachteten Fa l les (frtihzeitige Diagnose eines Cholesteatom- reeidivs) darauf bin, dass in manehen Fallen eine persistente Oeff- hung ein reeht wtinsehenswerther Erfolg sein ktinne.

Herr Koerne r -F rankfu r t a. M. sieht in der Ausarbeitung immer neuer Methoden den Beweis, dass keine far alle Falle aus- reicht. Man miisse daran denken, dass ftir die Wahl der plasti- sehen Methode erst der Operationsbefund maassgebend ist. Des- halb sei der erste Hautsehnitt stets so anzulegen, dass man yon ihm aus verschiedene Methoden einsehlagen kann. Er mtichte fi'agen, ob dies bei dem neuen S t a e k e ' sehen Verfahren miiglieh sei? Seine eigene Methode habe vor Allem den Vortheil der kurzen Heilungsdauer, im Durehsehnitte 70--80 Tage. Die Er- weiterunff des Gehiirganges vermindere sieh in einigen Monaten wieder; entstellend sei sie nie~ wie man aus einigen vorgezeigten Photographien sehen kSnne.

Herr H arts b e r g - Dortmund ist der Meinung~ man mUsse sieh bestreben~ die Heilung ehroniseher Eiterungen ohne Anlegung einer persistenten Oeffnung zu bewerkstelligen. Er habe in den letzten 4 Jahren, seitdem er mit der Aufmeisselung des Warzen- fortsatzes die Freilegung der Mittelohrraume verbinde, in weitaus der Mehrzahl yon ca. 50 Fallen eine Heilung erzielt~ indem er yon der nattirlichen Oeffnung aus behandelte. Die Wunde liess er 5 bis 6 Woehen naeh der naeh S t a c k e ausgeftihrten Operation zu- heilen. Die Ausheilung der Wunde erfotgte in vielen Fallen nur langsam.

Herr B r i e g e r- Breslau bemerkt, dass die Heilungsdauer bei der K o e r n e r ' s e h e n Plastik ebenso variabel ist~ wie bei allen anderen Methoden. Er verftigt neben F~llen, in welehen die Hei- lung sehon naeh 2 Monaten abgesehlossen war, tiber solehe, in

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welehen aueh naeh viel liingerer Behandtung noch immer nicht die Heilung vollendet war. Einmal kam bei primitrer Vereinigung der Operationswunde Perichondritls auriculae mit einer allerdings miissigen Knorpelnekrose vor. Auffallend gtinstig scheinen, im Verhaltniss zu Fallen mit pe~:sistenter retroauriculiirer Oeffnung, bei dem K o e rn e r 'sehen Verfahren die functionellen Resultate zu sein.

Herr Rudolf P a n s e - D r e s d e n betont, dass er bereits 1892 seine LappenbiIdung in einer Weise deutlieh beschrieben habe, dass sic aueh in franzSsischen Schriften, z.B. yon L ue, klar re- ferirt war. Diese Lappenbildung entspreehe genau der 1894, also 2 Jahre spliter, yon K o e r n e r beschriebenen. Redner besehrieb 13 Fiille davon. Er glaubt, sein Verfahren dadurch hanfiger an- wenden zu kSnnen, dass er bei Caries in der Spitze diese allein far einige Zeit yon aussen tamponirt und die Ubrige Wunde night.

HI. Sitzung'. Sonntag~ 2. Juni Yormittags. Vorsitzender: Herr Zaufal-Prag.

XIV. Referat fiber die Operationsmethoden bei den verscMe- denen otitischen GeMrncomplicationen.

a) Herr K o e r n c r- Rostock weist darauf hin, dass nicht jede intracranieIle Eiterung solche Hirnerscheinungen verursacht, aus denen man mit Wahrscheinlichkeit anf den Sitz des Leidens schliessen kann. In der ersten Zeit des Aufschwunges der Hirn- chirurgie konntc man nur gri~ssere, im Schl~fenlappen gelegene Hirnabseessc mit einiger Sieherheit erkennen und zwar vorzugs- weise aus dem Auftreten gekreuzter Liihmungen und - - bei links- seitiger E r k r a n k u n g - sensorischen Sprachst~rungen. Die fie- kreuzten Liihmungen entstehen bier dutch Fernwirkung auf die Capsula interna.

Dutch Sectionen ist es festgestellt worden, dass fast alle otitisehen Hirnabseesse sehr nahe dem Orte der primi~ren Eiterung im Ohre oder Sehllifenbeine sitzen und oft in nachweisbarer Verbindung mit demselben stehen. Da beim Sitze des Ab- scesses im Sehliifenlappen fast immer das Tegmen tympani und antri erkrankt ist und gerade an dieser Stelle der Abscess mit seinem tiefsten Theile tier Dura am naehsten liegt, so kann man, wie Referent selbst zucrst empfohlen hat, in geeigneten Fiillen die Entleerung des Hirnabseesses mit der Entfernung des kranken Knoehens verbinden. In dieser Weise hat auch spliter Mac E w e n operirt. Er legt die Basis des Sehlafen-

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lappens dureh Wegnahme der oberen Geh~rgangswand und des Tegmen bloss and erSffnet yon da aus den Abscess. Zur sicheren Entleerung nekrotiseher Hirnmassen legt er ausserdem eine Oeffnung in der Schuppe nahe ~iber dem hinteren Rande des Geh~rganges an.

Diesen Ansehauungen ist neuerdlngs aueh v. B er gm an n beigetreten. Er er~ffnet die mittlere Sch~idelgrube, naeh Um- sehneidung, Abl~sung and Hernnterklappen der oberen HNfte der Ohrmuschel, unmittelbar tiber dem kn~ehernen Geh~rgange, dr~ngt die Dara in die HShe and getangt so mit Leichtigkeit and schnell zum Tegmen, um yon der mittleren Seh~delgrube aus sowohl die Eiternng im Sehl~fenlappen, als auch q indem er yore Tegmen her nach unten meisselt - - den primiiren Knoehenherd im Sehl~fenbeine zu entleeren.

Naehdem man die alte Methode der Seh£deltrepanation ver- lassen hat and zur AufspUrung der intracraniellen Erkrankungen den Weg zu verfolgen suehte, welehen die Entztindung yore Ohre aus eingesehlagen hat, gelingt es bei der Ausr~umung des pri- m~iren Krankheitsherdes, die Uebergangsstelle der Entztindung yore Knoehen in die Seh~delh~hle aufzufinden and so intraeranielle EntzUndungen naehzuweisen and unsehiidlieh zu maehen zu einer Zeit, in der noeh gar keine cerebralen Erscheinungen das drohende Unheil ahnen lassen.

Wtihrend nun ~iber den Gang der Operation des otitischen ttirnabseesses im Princip volle Uebereinstimmung herrseht, gehen die Ansichten tiber die Nachbehandlung noch auseinander. Mac E wen hat ttlrnabseesse mit resorbirbaren R~hren drainirt and unter e in em Verbande heilen lassen. Andere stopfen die H~hle locker aus. E u l e n s t e i n hat die Erfahrung gemacht, dass za feste Tamponade wieder ttirnsymptome herbei~hren kann. Bei sehr buchtigen tt~hlen ist sorgf~ltige Ausspt~lnng unter kiinst- lieher Beleuehtung n~thlg, damlt Retentionen vermleden werden. Solehe Retentionen seheinen 5fters mit zwelten Abscessen ver- wechsett za werden; wenigstens ist bel den Sectionen operirter Verstorbener hliufig ein zweiter Abscess in unmittelbarer N~ihe des ersten gefunden worden, wfihrend die Leiehen der nieht Operirten fast stets nut e inen Abscess aufweisen.

Redner sehliesst sein Referat mit den Worten: , In dem eifrigen Bemilhen der Chirurgen and Ohrentirzte, die Behand- lungsmethode der otitischen ttirnabscesse zu f~rdern, ist das, was die Obrenheilkunde verlangen musste und yon vornherein

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gefordert hat, heute eine geslcherte Errungensehaft geworden: Das Aufsuehen und Entleeren der Abseesse auf dem gleiehen Wege, auf dam der Eiter aus dam kranken 0hre oder Sehlafen- beine in die ttirnsubstanz vorgedrungen ist."

b) Herr Jansen-Ber l in legt seinem Referate die an der Berliner Ohrenklinik gemaehten Erfahrungen zu Grnnde. Aus den letzten Jahren land Redner mit Aussebluss yon Meningitis unter 148 intraeraniellen Eiterungen, welehe noeh nieht publieirt sind, 108real extradurale Abseesse, 35real Sinustransversus- thrombose und 5mal Hirnabseess. Davon lagerten 16lmal die Eiterungen in der hinteren Sehadelgrube und 38 real in der mitt- leren, 14real waren beide Gruben betheiligt. In den Journalen der Ohrenklinik sind 58 F~tlle yon Siffusthrombose verzeiehnet und 16 otitisehe Hirnabseesse, 9 im Kleinhirn und 7 in Sehlafen- lappen.

Die Er~ffnung der Seh~delgrube erfolgt behufs Freilegung perisinu~ser Abseesse .stets im Ansebluss an die Aufmeisselung des Warzenfortsatzes, in seltenen Fallen naeh dem Vorsehlage yon v. B e r g m a n n yon der er~ffneten mittleren Sehadelgrnbe aus. In vielen Fallen, d.i. da~ wo der Abscess im Warzenfortsatze und der Eiterherd im Sinus einen einzigen Abscess darstellt, erfolgt die Er~ffnung ohne Weiteres; wo das nicht der Fall ist, hat sich folgendes Verfhhren am besten bewahrt: Naeh Er~ffnung des Warzenfortsatzes sammt dem Antrum wird die hintere Knoehenwand mit einem geraden Meissel stiiekweise, halb breehend~ abgetrennt, bis die vordere laterale Wand des Sinus erscheint. Die Freilegung des Sinus muss bis ins Gesunde ausgedehnt werden, so weit es die topographischen Verh~ltnisse gestatten. Tief im Sehadel- innern sitzenden Eiterungen kommt man erst bei~ naehdem man die hintere Wand des Warzentheiles in ihrer ganzen Ausdehnung fortgenommen hat, was am besten mit langarmigen Knochen- zangen und ganz sehmalen Meisseln geschieht. Erstreekt sieh der Abscess zum Foramen jugulare, so wird er unter Fort- meisselung des Suleus transversus und, wenn n~thig, eines Theiles des Bodens der hinteren Schadelgrube verfolgt.

Zeigt sieh der zuerst freigelegte Theil der Sinuswand frei, so muss die hintere Sehadelgrube unter allen Umstanden so welt ge~ffnet werden, dass man mit dem Raspatorium Sinus und Dura yon der hinteren Felsenbeinwand abheben kann. Ist aueh hier kein Eiter, so halt es Redner bei bestehenden Symptomen eines Herdes in der hinteren Seh~delgrube fur geboten~ alas obere Knie des Sinus

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sigmoideus und den anstosscndcn Theil des hintercn horizon- talen Verlaufes freizulegen. Quillt Eiter aus der mittleren Sch~del- grube naeh oder zeigt sieh bci Symptomen ciner intraeraniellen Eiterung die hintere Schi~delgrube frei, so muss die Eriiffnung der mitfleren Grube folgen, was am besten yon oberhalb der Linea temporalis vorgenommen wird. Beginnt man die Er(iffnung der mittleren Seh~idelgrube mit Fortnahme des unteren Thciles der Sehuppe~ so wird der Ueberblick fiber die gauze oberc Ftiiche der Pyramide wesentlich erleiehtert. Der Angriffspunkt ist dicht fiber dem hinteren Theile des Gehiirganges gegeben und reicht einigc Centimeter yon da nach hinten und so weit wie n(ithig naeh vorn. Die Knochenzange eignet sich auch hierzu am bcsten.

Die fief im Sch~tdelinnern liegenden extraduralcn Abscesse ~ welehe meist naeh Durchbruch dutch die Bogengiinge entstehen, vereinzelt aueh durch Fortleitung l~tngs des herr. facialis und petrosus superfic, major, haben ihr Centrum in der Regel dort, wo die hinteren Schenkel der vcrtiealen Bogcng~inge zusammen- stossen, und ziehen sieh l~ings der hinteren-oberen Kante bald mehr naeh innen, bald mehr naeh aussen hin. In fast allen vom Redner beobaehteten F~llcn dieser Art lag acute Mitt¢lohreiterung zu Grunde. Mit einer Knochenzange wird die obere Wand der Pyramidc bis an den oberen Bogengang, die hintere obere Kante ebensoweit and die anstossende hintere Wand cbenfalls his an den Labyrinthkern fortgekniffen; doch ist die Operation damit nicht beendet; Rcdner h~lt es vielmehr im Intcressc einer ungestifrten tteilung und zur Vermeidung einer Eiterfortpflanzung lungs des Aeusticus ftir geboten, der Frcilegung der tiefen labyfinth~rcn Abscessc am Schl~ifenbeine die ErSffnung des Vorhofes folgen zu lassen. Mit schmalen, geraden Mcisseln wird yon hinten oben her die hlntere Halfte oder zwei Drittel dee oberen Bogenganges, wenn niithig aueh der untere Bogengang mehr oder weniger vollsti~ndig fortgeschlagen und yon hinten her der Vorhof unter Fortnahme der hintercn H~ilfte des horizontalen Bogenganges fi'eigelegt.

Unter den vom Redner operirten Schliifcnlappenabscessen war kein einziges Mal sin Uebergang vom Sehl~fenbein auf das Him zu finden, obwohl die Lage des Abscesses stets dicht tiber dem Tegmen tympani war. Redner hat bei diescn Abscessen die hintere und obere Wand des Warzentheiles bis ans Labyrinth radical cntfernt, unter Intactlassung des Labyrinthes einen Theil der Schuppe und das Tegmen fortgenommen und ist medianw~rts bis ans Tubenostium und die Sehneckenwand vorgedrungen. Auf

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diesc Weise ist das Operationsterrain sehr frei, und die Operations- stelle trifft den tiefsten Punkt.

Die v. B e r g m a n n ' s c h e Methode der Eriiffnung der mitt- leren Sch~idelgrube ist mit Vortheil zur Freilegung des Sinus zu verwenden, wenn die Eiterung in der mittlercn Schadelgrube das klinische Bild beherrseht und sieh naehtriiglich die Ausbreitung auf den Sinus herausstellt. Im Allgemeinen wird die Freilegung des Sinus in der oben fiir die perisinuiisen Abseesse gesehilderten Weise geschehen kSnnen. Der thrombosirte Abschnitt wird nach vorn unten bis zum Auftreten eines unverf~rbten Thrombus er- (iffnet~ wenn niithig, bis in die Nahe des Foramen jugulare; nach hinten geht man zweekmassig einige Centimeter weiter, als der Thrombus reicht. Die Excision der ausseren Sinuswand garantirt stets freien Abflnss. Wenn es sich herausstellt, dass der septische Zerfall im Sinus transversus seinen Absehluss nicht dnreh soliden Thrombus gefunden hat, halt Redner die Untcrbindung der Jugu- larvene ftlr angezeigt, was vor weitcren Maassnahmen am Sinus crfolgt. Redner lasst die Unterbindung der Facialvcne folgen und sehlitzt mit gekn(Ipftem Messer die m~Iglichst hoeh zur Schadcl- basis frelgelegte Vene nach aussen auf.

Von den 25 F~llen yon Sinustransvcrsusthrombose aus der letzten Zeit sind 11 geheilt worden, I nach einfaeher Entleerung des perisinuifsen Abscesses, 8 nach Eriiffnung des thrombosirten Sinus und 2 mit gleiehzeitiger Unterbindung der Jugularis. In 5 F~llen yon Erifffnung des Sinus und 4 F~llen mit Unterbindung der Jugularis trat der Tod ein.

D i s c u s s i o n. Herr B r i e g e r - Breslau halt es fur unzweifel- haft riehtig, den Hirnabscess prineipiell yon den freigelegten Mittel- ohrr'~iumen her aufzusuchen. Bei zweifelhaften Symptomen besteht aber dann ein Bedenken, welches neuerdings auch S c h w a r t z e gewUrdigt hat: der Infection der Pia ist dureh die Communication mit dem Eiterherde im Ohre die Thtire geiiffnet, eine Gefahr~ die dann besonders zu Tage tritt, wenn man keinen Abscess findet. Um dieser Gefahr zu entgehen, ist Redner in einem Falle so vorgegangen, class er einige Zeit naeh der operativen Frei- legung der Mittelohrraume, trotzdem die Dura nach der mittleren Seh~idelgrube breit freilag, am Orte der Wahl in der Schuppe eine temporare Schadelresection vornahm, den Abscess yon hier aus in der Richtung der in der ersten Operationswunde frei liegen- den Dura durch wiederholte Einstiche suchte und, als ein solcher nicht zu finden war, den Hautknochenlappen reponirte. Dieser

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heitte nach kurzer Zeit anstandslos ein. Der Eingriff war voll- st~indig unschiidlich. Ftir gewisse Ausnahmsf~ille mtichte Redner deshalb das yon ihm angewandte Verfahren, welches sofortigen festen Verschluss des Schlidels siehert, empfehlen.

Herr Rudolf Panse-Dresden glaubt~ dass M a c E w e n stets am 0rte der Wahl operirt und nur, wenn Drainage nothwendig ist, nach dem Tegmen Gegeniiffnang anlegt.

Herr K r e t s c h m a n n-Magdeburg mSchte vet dem aas- giebigen Gebrauche des scharfen Lifffels bei Ausr~iumung zcr- fallener Thrombusmassen warncn, da bei eintretender Blutung eine erneute Infection sehr wahrseheinlich wird. Wenn eine ans- giebige Excision der Sinuswand in der ganzea Ausdehnang des Thrombus vorgenommen wird, so dtirfe man getrost die Spontan- entlcernng der erkrankten Massen abwarten.

Herr J o e I-Gotha betont, dass er unbedingt fUr die Ertiffnung" der Sch~idelhi~hle n a c h breiter Freilegung dot Warzenfortsatz- hiihle eintretenmtisse. Gerade bei der Freilegnng des prim~iren Knochenherdes werden sieh h~tafig erst Anhaltspunkte ftir die Weiterverbreitung des Abscesses nach dem Sch~idelinnern finden, die uns den weiteren Weg zu weisen im Stande sind.

Redner stellt die beiden yon ihm im vorigen Jahre in Bonn besprochenen Patienten vor, bei deren einem sich ein tlirnabseess, bei deren anderem nut ein hochgradiges HirnSdem (Meningitis serosa Quineke) gefnnden hat. Beide sind dauernd gesund ge- blieben. Der yon Meningitis geheilte Knabe tr~igt dauernd eine Petotte, bei dem anderen Operirten bedarf es trotz seiner schweren Arbeit als Zimmermann keines Sehutzes.

Herr Hansberg-Dor tmund fi'agt Herrn J a n s e n , ob er bei breiter Freilegung des Abscesses nieht einen Hirnprolaps erzeugt habe; er selbst babe dadurch einen Todesfall zu beklagen gehabt.

Ein 20jiihriges, seit der Kindheit mit reehtsseitiger Mittel- ohreiterung behaftetes Miidchen~ welches seit 2 Jahren an Kopf- schmerzen litt, wurde yon ibm operirt. Aufmeisselung, Kuppel- raum caries, Entfernung der Gehifrkn~icheteben. Naeh 21/2 Woehen pltitzlich naeh ausserordentlieher Vermehrung der Kopfsehmerzen unstillbares Erbrechen, Stauungspapille, Pulsverlangsamung. Aus- meisselung einer Oeffnung aus der Schuppe, Abtragung der Ge- hiirgangsdeeke bis zum Tegmen tympani, Punetion, breite Er- ~ffnung des Abscesses, der dicht tiber der Pyramide liegt. Reich- liche Eiterentleerung. Am 5. Tage Hirnprolaps~ nach 14 Tagen Meningitis, nach 3 Woehen Ted. S e c t i o n : Kleine Fistel im

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Tegmen tympani, darUber Verfarbung der Dura; Meningitis,~asi- laris, vom Prolaps ausgehend.

Herr K U m m e 1- Breslau mtiehte nachfragen, ob Erf~rungen vorliegen, nach denen tiber den zweckm~issigsten ~.,Ort ~ r Probe- incision, bezw. Punetion beim Hirnabseess etwas ausg~hgt werden k(inne, and ob Erfahrungen tiber schitdliehe Folg~"-'Csolcher Ein- griffe gemacht worden sind. Er habe bei S e c t i O n den Eindruck gewonnen, als bewirkten zahlreiche Punctionss'~t]lche dicht neben einander eventuell hamorrhagische Erweichungen.

Herr Bar th-Marburg stellt die Frage, in wie vielen Fallen in der Berliner Klinik naeh der Erkrankung des Gehirns und

-seiner Haute mit negativem Erfolge operativ gesueht worden ist und in wie vielen Fallen erst die Ertiffnung des Warzenfortsatzes und dann in einer sp~iteren Sitzung die der Schadelhtihle vor- genommen wurde.

Ein bei der Heilung nieht zurtickgehender Hirnprolaps ktinne, auch ohne Sehadigungen znr Folge zu haben, abgetragen werden.

Herr K e s s e 1 - Jena sagt, dass die Erfahrungen, welche durch operative Eingriffe in das Labyrinth gemacht wurden, mit aller Evidenz erweisen, dass es ein sechstes Sinnesorgan nicht giebt, denn es sind in keinem Falle Gleichgewichtssttirungen entstanden. Die klinischen Erseheinungen sind auf die Ventrikel zurtickzu- ftihren, und daflir giebt es aueh anatomisehe Anhaltspunkte.

Herr K o e r n e r . Frankfart a. M. hat aus der Discussion er- sehen, dass in den w e s e n t l i c h en Fragen eine erfreuliehe Ueber- einstimmung bestehe. Was die yon Herrn K U m m e l angeregte Frage tiber die diagnostischen Punctionen betreffe, so komme es teider oft vor, dass der Abscess verfehlt wird. In einem Falle, dessert Autor dem Redner nicht gegenwartig ist, ftihrte erst die neunte Punetion zum Abseesse. Je mehr man sich die Lage der otitisehen Hirnabseesse naeh den Erfahrungen am Seetonstische vergegenwartige, um so seltener werde man den Abscess ver- fehlen. Wolle man durch die Dura hindurch punctiren, so diirfe man das nur bei gesunder Dura, weft sonst aus den tieferen Sehiehten der batten Hirnhaut Infeetionsstoffe in die Tiefe geimpft werden k~nnen, wie das Z a u f a l und Redner selbst erlebt haben.

Herr J a n s e n - B e r l i n erwidert: 1. tlerrn K r e t s c h m a n n , dass auch er den L~iffel am soliden Thrombus perhorrescirt und ihn nur in dem septiseh zerfallenen inneren Absehnitte anwendet, wo er den Gebraueh fur unsch~idlieh hiilt.

2. Herrn H an s b e r g, dass er Hirnvorfall in allen operirten

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Abscessen gesehen hat, auch da, wo die Incision klein war, hier sogar bedroblicher, da die vorgefallene Hirnsubstanz mebr zu Gangran zu neigen scheint infolge yon UmsehnUrung in der engen Dura- tiffnung. Bei den Hirnvorfallen nach sehr breiter Incision be- deekte sich das Him rasch mit gesunden Granulationen. Sodann k~nne ein Prolaps nut Meningitis erzeugen durch Eiterretention z. B. bei nicht vollstandig er~iffnetem extraduralem Abscess oder bei Gangritn des Vorfalles.

3. tterrn K ti m m e 1, dass er yon der Punctionsnadel (Troieart) keine :Nachtheile gesehen hat. Bei der Section fanden sieh enge Punctionskanale mit hamorrhagischen Wanden, nie Erweichungs- herde. Manehmal gelang es einige Zeit spater nicht mehr, die Punctionskanale aufzufinden.

4. Herrn B a r t h, dass in einer Reihe yon Fallen mit un- sicherer Diagnose vergeblich operirt wurde, in einem Falle so- wohl am Sehliifenlappen mit Incision und am Kleinhirn mit Troieart. Die Patientin lebt heute nocb. In einem anderen Falle wurde das Kleinhirn punctirt, wi~hrend der Abscess im Schliifenlappen sass. Aueh sei es (ifters erst dutch eine 5;achoperation gelungen, den cerebralen Eiterherd zu finden.

5. tterrn K e s s e l , dass seiner Betrachtung bier nut solche Falle zu Grnnde lagen, in welchen das physiologische Organ zu Grande gegangen und dutch Eiter and Granulation ersetzt war. In den meisten Fallen liess sich namentlich Schwindel and Uebel- keit naehweisen, and da, wo ein gesundes Labyrinth verletzt wurde, zeigte sich fast ausnahmslos Schwindel, Uebelkeit, Erbrechen, Nystagmus.

Herr Joe l -Gotha erwahnt, dass bei den oben angefUhrten, heute vorgestellten Patienten mit Meningitis ca. 12 tiefe concen- trisehe Sehnitte in das Gehirn gefUhrt warden. Es trat im Ver- laufe der l'~achbehandlung sensorische Aphasic auf, welche sieh aber naeh 4 Wochen zurtickbildete.

GegenUber Herrn Kit m m e 1 mtichte Redner ftir den Gebrauch des Messers zur explorativen Punction eintreten.

Herrn K ti m m e 1- Breslau seheint es sehr zweif~lhaft, ob die Probepunetionsnadel ganz verwerflich ist; wenigstens k~nnen Probeineisionen gelegentlieh dutch starke Blutung das Auffinden des Abscesses vereiteln. Bei verdachtiger Dura hat auch Redner stets vor der Probepunetion die Dura breit ertiffnet.

Herr H a n s b e r g- Dortmund maeht darauf aufmerksam, dass die aussere Wand des Unterhornes 2 t/2--3 Cm. nach aussen ge-

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legen sein kann und dass in demselben sich der Plexus ehorio- ideas befindet, dessert Verletzung jedenfalls nieht gleiehgiltig ist. Die Probepunetion seheint dem Redner vor dem Messer den Vor- zug zu verdienen, doeh mtisse man eine breite Spitze wahlen.

Herr Z a u f a l - P r a g m~iehte beztiglieh der Frage, ob bei der Punetlon durch die entztindete Dm'a Entztindungskeime in die Me- ningen und in die Gehirnsubstanz tibertragen werden kiinnen, daran erinnern, dass in seinem~ auf der Naturforscherversammlung in Ntirn- berg mitgetheilten Falle solehe in der That dureh die Punetions- nadel verschleppt worden sind und nieht nur zu Meningitis, sondern aueh zu linearen, der Dieke der Nadel entspreehenden Gehirnabseessehen geflihrt haben.

Beim Sinus bevorzugt Redner jetzt die Probeineision; bei so- genannter gutartiger Sinusthrombose sei der Quersehnitt des Sinus kleiner, als gew~ihnlich, wie er an Serienschnitten gesehen hat; es k~inne also sehr leieht bei schiefen Einstichen die Gehirnwand des Sinus und das Kleinhirn verletzt werden.

Herr J a n s e n - Berlin halt die Gefahr, dass bei Einstichen in den Sinus die Hirnsubstanz getroffen werden k(inne~ nicht ftir drohend.

Herr Z a u f a l -Prag land aueh bei der soffenannten gutartigen Sinusthrombose ohne septo-pyamisehe Erseheinungen bei Serien- sehnitten hier and da griissere and kleinere Herde eitrig zerfallener Thrombusparthien, so dass also auch in diesen Fallen bei Ver- letzunff des Gehirnes dutch die Punetionsnadel eine Infection nicht ausgesehlossen ist.

XV. Herr Oskar Wolf-Frankfurt a.M. .Eisen, Silber, Blei und Quecksilber in der Ohrenheilkunde.

Der Vortragende ftihrt aus~ dass E i s e n in der Ohrenheil- kunde vorzugsweise gegen diejenigen trophisehen StSrungen des HSrnervenapparates in Betracht kommt, welche auf Anamie and Chlorose zurtickzuftihren sind. In solehen Fallen, wie z. B. aueh bei dutch Puerperien bedingter Schwerh(irigkeit, wirkt besonders Ferrum reduetum sehr gut, indem es die darniederliegenden Organe anregt. Die St(irungen im HSrnervenapparate gehen bei hin- reichend lange fortgesetztem, regelmassigem Eisengebrauche haufig vollkommen zurtick.

Die bei der B 1 e i v e r g i f t u n g vorkommenden Erseheinungen yon Seiten des Ohres, wie Schwindel, Sausen, langsame aber stetige Abnahme des H(irverm~igens, kiinnen, wenn es sich nieht

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um solche Patienten handelt, deren Besehiiftigung eine Erkliirung an die Hand giebt, ftir die Diagnose recht schwierig sein. Der Vor- tragende theilt eine Reihe yon Fallen yon Bleiintoxieation mit, in welchen es sich, soweit sic acut waren, wahrscheinlich um ser(ise intratabyrinthi~re Exsudate handelte, welehe, bevor es zur Degeneration der Schneckenfasern kam, resorbirt werden konnten, w~hrend in den chronischen F~llen eine Degeneration des Acusticus eintrat, welche der Vortragende auf fortgesetzte, veto sympathi- schen •ervensystem ausgehende trophische St(irungen zurtickzu- ftihren geneigt ist.

Was die locale Anwendung des Plumbum aceticum in der Otiatrie betrifft, so erzeugt dieses Priiparat bei Perforation des Trommelfelles sehwer l~sliche ~iederseht~ge yon Bleialbuminaten und Bleisulfaten in der Paukenh(ihle und vermindert nicht dauernd die Secretion, wiihrend es bei Ekzemen des iiusseren Ohres und Geh(irganges mit Vortheil verwendet werden kann.

Auch das S i l b e r n i t r a t vermindert die Section auf die Dauer nicht. Als Haarfiirbemittel verwendet, erzeugt es zuweilen St~rungen im Oeh(irorgane, namentlich subjective Ger~usche.

Q u e c k s i l b e r i n t o x i e a t i o n maeht im schallpcrcipirenden Apparate ~thnliehe, den M6ni~re'sehen entsprechende Symptome wie die aetlte Form der Labyrintherkrankung durch Blei. Vor- tragender hat sic besonders bei Hasenhaarsehneidern beobaehtet und dutch energische Jodbehaudlung und Pilocarpininjectionen erfolgreieh behandelt.

Auf Quecksilbervergiftung war aueh wahrscheinlich ein Fall zurUekzuftihren, welehen der Vortragende eingehender beschreibt: Es handelt sieh um ein 14jtihriges M~idehen, welches an einem ser(isen Kniegelenksexsudate litt, fast blind und taub war. Dasselbe hatte in den tetzten fUnf Wochen vor der Aufnahme 50 Queek- silberinunetionen yon je 3 Grin. bekommen, wobei sieh sowohl das Gesieht als das Gehiir immer weiter vermindert hatte. Die in einer Augenklinik durchgefUhrte Behandlung durch den Vor- tragenden mit Jodiitherinjectionen per Tubas, Jodanstrichen auf Warzenfortsatz und Knie, Piloearpininjeetionen und innerlich verabreiehtem Jodkalium ftihrte zu einer allmithliehen Besserung des Hiirvermiigens. In Folge heimliehen reiehliehen Fleisehge- nusses trat dann eine colossale Entwiekelung des Panniculus adiposus ein und zugleieh wieder eine Versehlimmerung der Seh- und Hi~rf'~thigkeit. Naehdem dann die Kranke 8 Wochen tang in Wttrrishofen eine Kneippkur durehgemaeht hatte, wiihrend

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welcher Zeit die Menses eingetreten waren, kam sic in geradezu tiberraschend bltihendem Zustande und mit sehr erheblich ge-, besserten Augen und 0hren zuriiek.

Von den Iuunetionskuren bei syphilitischen 0hraffectionen hat der Vortragende hie erhebliehe Erfolge gesehen, hingegen empfiehlt er bei Ohreiterungen Sublimatalkohol (1 pro mille) zu Eintriiufelungen and Durchsptitungen der PaukenhShle.

D i s c u s s i o n . Hen-Szenes -Budapes t m(ichte beztigtieh des Bleies erwiihnen, dass bei acuten Ekzemen, besonders in der ersten Zeit, kalte Umschliige mit Bleiwasser oder Aqua Goulardi sehr gute Dienste leisten. Sind die ersten entztindliehen Er- scheinungen vortiber, so geht Redner zur Salbenbehandlung tiber. Was die vom Vorredner erwahnten gtinstigen Erfahrungen mit 1 pro mille S ublimatalkohol betrifft, so kann Herr S z en es dieselben ebenfalls bestlitigen; die nach dem Medicamente eintretende Schmerzempfindung dauere in der Hegel nur eine halbe Minute. Bci sehr empfindliehen Personen kiinne man vorher eine 50 proe. Cocainliisung eintriiufeln, worauf der Sublimatalkohol keine Sehmer~ zen erzeuge. Die Wirkung des letzteren sei nieht nur antisep- tiseh, sondern aueh austroeknend.

Herr S t immel -Le ipz ig hat den Sublimatalkohol dureh ttydrarg, oxydat cyanat, in absolutem Alkohol ersetzt und ist mit dieser L~isung bei acuten und ehronischen Eiterungen, bei ersteren~ naehdem die entztindlichen Erscheinungen zurtiekge- gangen sind, sehr zufrieden. 1Noeh gtinstiger wirkt das Mittel, wenn es mit einer 2 proc. ResorcinlSsung abwechselnd ange- wendet wird. Eine vorsichtige Application der Luftdouehe er- seheint dem Redner bei vielen Fallen eitriger Otitis media un- entbehrlieh, wenn er aueh die Bedenken des Herin Walb ftir wohlbegrtindet halt. Ganz im Widersprnche zu den schlechten Erfahrungen, welehe Herr W o l f mit der Inunctionskur bei Lues gemaeht hat, stehen die Resaltate des Herrn S t i m m e l . Er glaubt, dass an der Bessernng der yore Vortragenden erwiihnten Patientin K n e i p p noch viel weniger Sehuld sei, als Herr W o l f annehme; die Bessernng sowohl der Sehkraft als des H(irver- mtigens werde vielmehr hauptsachlich auf die energische Inunc- tionskur zurtiekzuftihren sein. Wiederholt habe er gesehen, d a s s diese Behandlnngsmethode bei Affeetionen des inneren Ohres erst sehr spat eingewirkt habe.

Herr lqo l ten ius -Bremen halt den vielfaoh gebrauehten Ausdruek Durchsptilung der Paukenhiihle nur dann ftir berechtigt,

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wenn die Fltissigkeit yon der Tuba her durchgetrieben wird. Eingiessungen van aussen her, auch bei gleichzeitiger Anwendung des P o 1 i tze r'schen Verfahrens, seien night als Durchsptihngen zu bezeiehnen.

Herr R e i n h a r d-Duisburg miiehte nieht auf die Quecksilber- einreibungen bei Lues des inneren Ohres verziehten; doeh ver- binder er dieselben stets mit Piloearpininjeetionen nnd hat yon dieser eombinirten Methode reeht gute Erfolge gesehen. Ferner macht Redner auf die essigsaure ThonerdeI~sang aufmerksam, welche reizlos und gut wirkt bei Otitis externa.

Herr Oskar W o l f-Frankfurt a. M. verwahrt sieh gegentiber Herrn S t i m m e l dagegen, als ob er mit der Erwahnung seines Falles eine Lobrede auf K n e i p p habe halten wollen. Er er- klare das verbltiffende Resultat des Aufenthaltes in W(irrishofen aus gleiehzeitiger besserer Entwickelung des Kiirpers des Mad- ehens mit Eintreten der Menstruation, ver~inderter Lebensweise und fi'iseher Lnft gegentiber dem Monate langen Aufenthalte in der Augenklinik. Gegen Herrn N o l t e n i u s bemerkt Redner~ dass mit Htilfe des Politzer'sehen Verfahrens sehr wohl bei gleich- zeitigem Eingiessen yon Sublimatalkohol in den Meatus eine DurchspUlung der Paukenhtihle vorgenommen werden kiinne.

Herr D e n n e r t - B e r l i n empfiehlt die Anwendung yon Eisen und tiberbaupt yon tonisirenden Mitteln in Fallen yon hartniiekigen Eiterungen, yon deren Verordnung er sehr haufig giinstige Er- folge gesehen hat. Aus humanitaren Rtieksichten, solle man die operative Behandlung durch Aufmeisselung nur auf Falle besehran- ken, in welchen eine direete Indication vorliege.

XVI. Herr S z e n e s- Budapest: Sollen wi t uns in acuten Fiillen gegeni~ber der Indication yon Warzenfortsatzoperationen conservativ oder radical verhalten ?

Mit Bezugnahme auf die yon W a l b bei der dritten Ver- sammlung der Deutschen otologisehen Gesellsehaft ge~iusserten hnsichten tiber die operative Behandlung der ehronischen Mittel- ohreiterungen wirft der Vortragende die Frage ,,conservativ oder radical?" aueh ftir die aeuten F~ille auf, und zwar nieht sowohl in Betreff des operativen Verfahrens selbst, sondern mit Riiek- sicht auf den Standpunkt, welcher ftir die Indication der uner- l~ssliehen Er(iffnung des Warzenfortsatzes in acuten Fallen maass- gebend sein soll. Der Vortragende glaubt, die operativen Eingriffe jedenfalls nut als ultimum refugium zulassen zu diirfen, da der

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Kraukheitsproeess doeh in vielen F~illen auch ohne Operation, also auf eonservativem Wege dauerud geheilt werden kanu. Wenn man die Krauken yon Anbeginn des Leideus an beobachtet und behandelt und besonders zu einer Zeit, da noeh keine Spur yon Betheiligung des Warzenfortsatzes vorhanden ist~ so wird man welt seltener zur Eriiffnung sehreiten mUssen, als dies bei jenen Patienten der Fall ist, welehe man mit bereits bestehender Complication zum ersten Male sieht.

Zm" Illustration des Verlaufes yon Warzenfortsatzempyem bei der conservativen Behandluug beschreibt der Vortragende einen Fall yon acuter Otitis media suppurativa, in welchem drei Woehen lang heftige Erseheinuugen yon Seiten des Proe. mastoi- deus (sieher auf Empyem zurtiekzuftihren) bestanden, welehe abet bei antiphlogistischer, jedenfalls nicht operativer Behand- lung vollst~indig zurtickgingen. Aueh die Eiterung in der Pauken- h(ihle heilte, allerdings nach zw(ilfwiiehenflicher Dauer~ dauernd und mit Versehluss des Trommelfelles.

Der Vortragende will indessen keineswegs gegen das ope- rative Einsehreiten tiberhaupt Stellung nehmen, sondern haupt- saehlieh dureh den mitgetheilten Fall darthun~ wie sehwer es werden kann, die vollkommen unbedingte Nothwendigkeit eines operativen Eingriffes vor sich selbst zu verantworteu. Jedenfalls sei die Frage, ob die conservative oder die radicale Behand- lung bei aeuten Mittelohr- und Warzenfortsatzerkrankungen in- dieirt sei, ebensowenig principiell zu liisen, wie fUr die ehro- nischen F~ille.

IV. Sitzung. Sonntag~ 2. Juni :Nachmittags. Vorsitzender: Herr Zaufal-Prag.

XVII. Herr Szenes-Budapest : Ueber einen seltenen Fall yon Otitis ex terna e x infectione.

Der Vortragende hatte Gelegenheit eine 26 Jahre alte Amine zu behandeln, welche sich mit Impfstoff aus dem Oberarme ihres vaccinirten S~iuglings am Ohre infieirt hatte. Der Gehiirgang war mit foetidem Eiter angeftillt, diffus verschwollen~ gestattete aber den Einblick auf das normale Trommelfell. Nach der binnen drei Wochen eingetretenen Heilung der Otitis externa blieb am Eingang in den iiasseren Geh~rgang in der unteren Wand eine narbige Entartung der Haut zurtick, welche genau wie die rib- lichen Impfnarben am Oberarm aussah.

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140 IX. BURKNER

XVIII. Herr K a t z- Berlin : ])emonstration a) yon Diapos,- riven stereoskopiseher Ansiehten durehsichtiger makroskopischer _Pr~parate and b) yon mikroskopischen Pr~paraten.

Von den yon Herrn Katz vorgezeigten Pr~tparaten erscheint besonders instructiv ein Diapositiv, welches die Ausbreitung des N. cochleae in der Sehneeke, den Saceulus und Utriculus und die Maculae acustieae darstellt. An einem anderen Diapositiv sind die Ampnllen mit den h$utigen halbzirkelftirmigen Kan~ilen be- sonders deutlich zn sehen.

Bei den mikroskopisehen Pr~iparaten handelt es sieh haupt- siiehlieh um das C o r t i 'sche Organ eines Kaninchens, in welchem die fiicherartige Ausstrahlung der ~usseren radii~ren bTervenfasern gegen die innere Kante der De i t e r s ' s chen Zellen sehr deutlieh zn sehen ist. In seiner frUheren Ansicht, dass ein Umbiegen der Susseren radi~tren Nervenfasern in die ~tusseren spiralen dreireihigen Fasern stattfindet, ist Redner wankend geworden; cr miiehte vielmehr jetzt die spiralen Fasern ftir einen Sttitz- apparat, theils ftir die D e i t e r s ' s e h e n Zellen, theils ftir die iiusseren radiiiren Nervenfasern halten. Dieso letzteren tauehcn in dem Pr~tparate in eine dunkle granulirte Masse, welche mantel- ftirmig das yore Redner friiher besehriebene zangen-beeherf6rmige Gebilde nmgiebt.

XIX. Herr W al b-Bonn: Ueber Prophylaxe and Behandlung der Mittelohreilerung bei Siiuglingen. (Vorliiufige Mittheilnng.)

DerVortragende, weleher an dem Material der Bonner Kinder- klinik Untersuchnngen tiber die Mittelohreiterung bei Sauglingen angestellt hat, war bestrebt, ein Behandlungsverfahren zu finden, welches in jedem Falle sofort angewandt werden ktinnte. Er em- pfiehlt, nm den Eiterabfluss aus dem Ohre zu untersttitzen, die Luftdouche und hat mit dieser gate Erfolge erzielt.

Was die Prophylaxe betrifft, so h~tlt der Vortragende mit Rticksieht auf die dem Ohre yon der lffase her drohende In- feetionsgefahr eine Reinigung der Nase sobald wie mtiglich nach der Geburt ftir besonders wichtig. Hierzu soll ebenfalls die Luft- douche and zwar mit Htilfe tines kleinen Ballons, zuniiehst bei offenem zweitem Nasenloche, angewandt werden. Besteht Verdacht auf bereits eingetretene Infection des Ohres, so soll die Luft- douche bei geschlossener anderer Seite vorgenommen werden.

D i s c u s s i o n : Herr Rudolf Pause -Dresden fragt an, ob Collegen tiber Untersuchungen verfUgen, welche die sehreiende

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Differenz zwisehen der hngabe yon H a u g , dass sin grosser Procsntsatz der Stiuglingseiterungen yon Gonokokken herrtlhre, and den Ergebnissen yon H a r t m a n n und Kossel~ welehe nie- mals Mittelohrgonorrhoe nachweisen konnten, zu iiberbrtieken verm~gen.

Herr Br isger-Bres lau hat auch dort, wo Blenorrhoe der Nase und Conjunetiva bestand, in zahlrsiehen Untersuehungen Gonokokken niemaIs finden kiinnen. Herrn W a t b erwidert Redner, dass die Arbeiten yon K o s s e l und H a r t m a n n bereits insofern praetische Folgen gehabt haben, als der Unterrichts- minister die Bezirksregierungen angewiesen hat, ftir die Beachtung tier sieh aus jenen Untsrsuchungen ergebenden Conseqnenzen dureh Unterweisung der Hebammen u. s. w. Sorge zu tragen.

Herr H a r t m a n n- Berlin beriehtet, dass im Berliner Institute ftir ]nfeetionskrankheiten Gonokokken selbst nieht bei Kindern gefunden worden sind, bei welehen an anderen Organen oder bei deren Mtittern speeifisehe Blenorrhoe bestand. Beztiglieh tier Reinigung empfiehlt Redner in erster Linie die trockene Ent- fsrnung der Massen: Loekerung mit dsr Sonde und Entfernung mit der Zange. Gelingt dies nieht, so erweist sieh am besten die Reinigung mit Wasserstoffsuperoxyd.

Herr Beckmann-Ber l in glaubt, dass das Versehlueken so- wohl wie dis Ohrenentztindung yon der vergr~isserten odsr ent- zUndeten Raehenmandel veranlasst werde. Er aussert sich ferner entsehieden gegen sine derartige Anwendung der Luftdouehe, wie Herr Walb sie empfiehlt, and bezeiehnet als einzige rationelle Therapie die Entfernung der Raehenmandel.

Herr Z aufa l -Prag betraehtet, da die Untersuehungen des Herrn W alb noeh nieht abgesehlossen sind, die angeregte Frage noch nieht als spruehreif, mSehte sich aber gleiehwohl einige allge- msine Bemerkungen erlanbsn: Da der Uebertritt des Kindes aus dem Intranterin- in das Luftleben ein physiologiseher Vorganff sei, so dUrfe man annehmen, dass die hTatur aueh solehe Einriehtungen werde getroffen haben, dass der Uebergang ohne Schaden ftir das Kind stattfinde. Wenn nun auch grifssere Mengen yon Sehleim u. s.w. in der Nase vorkommen, so wtirde der natiirliche Weg der sein, dass diese bei Einleitung der Respiration und der Sehleim- und Saugbewegungen entfernt werden, ohne einer ktinstlishen hTaehhiilfe zu bedtirfen. Wir wtirden also keine Ursaehe haben, unter normalen Verhiiltnissen Lufteinblasungen vorzunehmen. Zu- dem seien solche Lufteinblasungen, auch wenn sie bsi Offenhalten

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einer Nasenhi~lfte und mlt einem kleinen Ballon vorgenommen werden~ nicht gefahrlos, da gerade die betr~tchtliche Weite der kindlichen Tuba das Eindrlngen dleser vermeintlichen Massen in das Mittelohr unter Umst~tnden nur begiinstigen und das erst erzeugen wUrde, was verhindert werden sell. Jedenfalls miisse Redder sieh gegen eine allgemeine Anwendnng soleher Luftein- blasungen gleleh naeh der Gebnrt und besonders dureh Laien aussprechen. Diseutirbar bleibe hingegen die Frage, ob unter patho- logisehen Verhiiltnissen des Geb~irorganes yon faehkundiger Seite die Luftdouehe in Verwendung kommen solle.

XX. Herr K u h n- Strassburg i. E.: Ueber syphilltische Tumoren der Arase.

Herr Kuhn hatte Gelegenheit, 3 FAlle yon i'~asentumoren zu beobaehten, in welehen der Ursprung nieht yon vornherein klar war. Die mikroskopisehe Untersuehung eines in dem einen dieser F~lle abgetragenen Sttiekehens der Gesehwulst zeigte eine grosse Zahl yon Rundzellen mit sp~rlieher bomogener Grund- substanz. Die anseheinend sarkomat~se Masse wurde abgetragen, die Oeffnung des Septums, welehe vorhanden war, galvanokaustiseh geatzt. Die nun vorgenommene genaue Untersuchung des Tumors ergab, dass es sieh um ein Syphilom handelte. Die Kranke nahm nun Jodkalium in grossen Dosen, und der Erfolg zeigte, dass die sehon wenige Tage naeh der Operation wieder auf- sehiessenden Granulationen an den Septumr~ndern zurtiekgingen und der grosse Substanzverhst sieh vollst~ndig sehloss. Die beiden anderen Fi~lle waren ganz iihnlieh.

XXI. Herr L u e a e- Berlin: Demonstration eines neuen tn- strumentes zur Hervorziehung des Hammergriffes bei starker Ein- w5rtsziehung resp. Verwachsung des Trommelfelles.

Redner braueht zur Hervorziebung des stark retrahirten tIam- mergriffes ein handliches Instrument~ bei welehem die Zug- wirkung dureh Sehraubendrehung bewirkt wird. Die meehani- sehe Vorriehtung an dem ganz aus Stahl angefertigten Apparate ist eine sehr einfacbe: Der Sehaft des Hakens befindet sich in einem Cylinder, in welehem er durch eine Feder festgehalten wird. Dreht man eine am Griffende angebrachte Sehraube, so gleitet der Haken in dem Cylinder langsam nach aussen unter allm~ihlich gesteigertem Zuge. Das Hakchen wird mit der rechten Hand eingeftihrt, hinter oder vor den kurzen Fortsatz geschoben und durch sanften Zug festgestellt. Darauf wird der Cylinder in

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die linke Hand genommen~ worauf bei gleiehbleibender Lage des- sctben die reehte Hand die Sehraubendrehungen ausftihrt, deren Zahl an einem Millimetermaass eontrolirt wcrden kann.

XXII. Herr H a n s b e r g- Dortmund: Demonstration anatomi- scher Gehirnapparate.

Herr H a n s b e r g demonstrirt mehrere anatomische Pr~iparate, welehe das topographische Verhaltniss des Sehliifenbeines zu den einzelnen Hirntheilen, besonders zum Schl•fenlappcn und Klein- hirn, illustriren. Die natUrliehen Formen des Gehirns wurden dureh Einlegen in Mtiller'sehe Fltissigkeit erhalten, die Hirncentren sind dutch farbigen Anstrieh veransehaulieht. Es zeigt sieh dabei, dass yon cinem Schlafenlappenabseess die Centren dcr Centralwindungen, das motorisehe Spraeheentram und das Centrum ftir amnestisehe Aphasic nicht getroffen werden kiinnen. Bcwirkt ein SehIiifenlappen- abscess Hcrderseheinungen, so gcschicht dies haupts~ichlieh dureh Fernwirkung auf die hinteren Sehenkcl dcr inncren Kapscl. Das Unterhorn ist nach aussen yon der inneren Kapsel gclegen ge- wissermaassen zwisehen letzterer und Tegmcn tympani. Ein yon letzterem ausgehender Schl~ifenlappcnabseess wird daher beim Wachsen naeh innen zuerst anf die innere Wand des Unterhorns stossen and in dieses durchbrechen, e h e e r Herderscheinungen erzeugt.

D i s c u s s i o n : Herr Rudolf Panse-Dresden hat in Halle einen Fall gesehen, in welehem die eine ganze Hemisphere in einen Beutel roll Eiter verwandcl~ war, ohnc dass ein Dureh- brueh oder irgend ein Symptom den Abscess verrathen h~itte.

Herr J a n s e n - Berlin Weist darauf hin, dass er mehrfaeh fie- sehen, wie der ganzc Schliifenlappen in einen grossen Abscess verwandelt war, ohne dass Herderseheinungen bestanden; er glaubt nicht, class die Abseesse eher in die Ventrikel durehbreehen, bevor sic Herderscheinunffen verursachen; aueh stellc sich beim Ent- stchen yon Hemianopsie der Ventrikel nicht st~rend in den Weg.

Herr J oel-Gotha bemerkt~ dass die Griisse dcr Hirndruek- erscheinungen nicht yon der Gr~isse des Abscesses abhitnge, sondern vielmchr Yon der des Hirntidems. Dieses letztere wiederum ist mehr yon dem Sitze als der Ausdehnung des Abscesses abhangig. Nut das gesammte klinisehe Bild werde uns deshalb zur Operation bewegen mtissen; keinesfalls dtirfe man immer so lange warten, bis Herderseheinungen auftreten.

Herr Hans berg-Dortmund hat nieht behauptet, dasses in

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allen Fallen zum Dnrehbruehe des Abscesses in den Ventrikel kommen muss, sondern nut betont, dass die grosse Oefahr vet- liege, dass bei einem Abscesse im Sehliifenlappen der Durchbruch in's Unterhorn erfolge, bevor Herderscheinungen aufgetreten sind. Auch in zwei vom Redner beobaehteten Fallen yon Sehliifenlappen- abscess, die zur Operation gelangten, fehlten Herderseheinungen. Die Diagnose konnte aus den vorliegenden Zeiehen des erh(ihten intracraniellen Druckes abgeleitet werden.

XXIII. Herr R e i n h a r d- Duisburg: Demonstrationen.

a. Eine leinene Kopfhaube mit grossem Ohraussehnitt, wie Redner sic bei seinen Aufmeisselungen zur ZurUckhaltung der nieht abrasirten Haare benutzt.

b. Ein Holzblock ftir Operationen in hlarkose: eine sehiefe Ebene yon 5- -7- - t0 Cm. FIiihe und 15 C m. im Quadrat Grundflaehe.

e. Eine intra vitam exfoliirte Sehneeke einer vom Redner wegen ehroniseher Eiterung operirten 37jahrigen Patientin, welehe vor der Operation an sehr starkem Sehwindel gelitten hatte. 1/2 Jahr nach der Aufmeisselung trat plStzlieh Faeialparese ein, weshalb Redner den Prec. mastoideus noehmals eriiffnete. Die mediale Paukenhiihlenwand fand sieh in gr(isserer Ausdehnung als bei tier ersten Operation eariiis, naeh einigen Woehen lag beim Verbandweehsel in tier Tiefe der Operationswunde ein Sequester, weleher It/2 Windungen der Sehneeke und einen Theil der inneren Paukenwand enthielt. Innerhalb der naehsten Monate heilte die Eiterung fast vollstandig.

D i s c u s s i o n . Herr Rudolf Panse-Dresden zeigt Ttieher, ~velebe aus einem halbert Tasehentuehe bestehen, in dessen un- teren Drittel ein Loeb yon etwa Ohrtriehtergr(isse umsaumt ist. Dieselben werden in Schimmelbuseh's Einsatzen sterilisirt bereit gehalten und den Patienten fiber Ohr und Kopf gelegt, so dass dutch das Loch der Trichter gesehoben wird. Bei Paraeentese, Entfernung der Geh~irkniichelchen und blaehbehandlung naeh Redner's Methode braueht die Ohrmusehel und Umgebung nieht jedesmal desinfieirt zu werden, und Verunreinigungen der Patien- ten dureh Blut, Hiillenstein u .s .w, werden vermieden.

XXIV. Herr Kuhn-Strassburg i. E.: Ueber Careinom des ~usseren Ohms.

1. Epitheliom bei einem 61jahrigen Manne, bei welehem sieh $ Monate vor der Aufnahme ein kleiner Knoten im knorpeligen Geh~irgange gebildet hatte; 2--3 Monate naeh dem ersten Beginn

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eitriger Ausfluss, seit 2 Monarch Ergriffensein der Ohrmusehel und der dahinter gelegenen Theile; bei der Aufnahme zeigte sich die ganze Ohrmuschel yon einem faustgrossen~ leicht verschiebbaren~ zerklUfteten Tumor eingenommen, der den Ohrkanal vollstitndig ausfiillte. Ablifsung des Tumors mit Musehel und knorpeligem und h~utigem Geh(frgange. Nach der Operation war Faeialpara- lyse eingetreten, welehe aber unter Faradisation zurtickging. 3 Monate sp~iter zeigte sieh in dem noch zuriickgebliebenen De- recto ein carcinomat~fses Geschwtir, welches sich vergri~sserte. 10 Monate nach der Operation trat der Ted ein.

2. Endotheliom, das sich bei einem 58jlihrigen Manne seit 2 Jahren gebildet hatte. An der linken Stirnhi~lfte zerkltifteter Tumor, der an den Seitenfi~ichen exuleerirt ist; unterhalb der Ohrmuschel eine mehrere Centimeter grosse, unregelmiisslge~ mit fiitidem Eiter bedeckte Gesehwulst, welehe in den Lobulus und die hintere Musehelflliche tlbergeht. Abtragung des Tragus, tiefe Umsehneidang der erkmnkten Hautpartien, Auskratzung der hinteren Muschelfiliehe und des Warzenfortsatzes, Abli~sung des Stirntumors. Naeh 14 Tagen Transplantation yon Haut aus dem Oberarme. 3 Monate naehher glatte Vernarbung.

XXV. Herr Brieger-Breslan: Ueber Carclnom des ~usse- ten Ohres.

Redner zeigt ein Pr~tparat, in welchcm ein seharf begrenzter, dem nekrotisehen Schliifenbeine angehiirender Bezirk breit in die mittlere und hintere Seh~tdelgrube durchgebrochen ist; der late- ralste Abschnitt der Pyramide und das Tcgmen tympani and antri mit dem entsprechenden Theil der Sehuppe fehlen. Hinter der latcralen Attieuswand liegen der exfoliirte Hammer und Amboss. Das Antrum mastoideum ist nach vorn nut durch eine schmale, nekrotisehe Knochenspange abgegrenzt~ die Dura ist im ganzen Umfange des nekrotisehen Bezirks knotig verdickt, zum Theil ad- hiirent, der Sinus transversus vollst~ndig obliterirt, die Jugularis thrombosirt.

Die Krankheit, beginnend mit einer kleinen Pustel in der Schl~ifengegend, bestand seit 21 Jahren, das Ohr war seit 10 Jahren ergriffen. Wahrend die Diagnose anf Careinom frtihzeitig dureh mikroskopische Untersuchung gesteUt worden war, licssen sich beider Section charakteristische Elemente im Bereiche der Ge- sehwtlrsfi~tche nicht mehr naehweisen.

Ein weiteres Prliparat yon einem prim~iren Gehtirgangscan-

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croid zeigt reichliche Krebszellennester und besonders zahlreiche zwiebelsehalenarfig angeordnete Epithelperlen.

D i scuss ion . Herr Kre tschmann-Magdeburg giebt zu, dass die Diagnose yon Carcinomen, welehe yore Mittelohre aus- gehen, nieht lediglieh aus dem mikroskopisehen Befunde gestellt werden soll, sondern dass die Bertieksichtigung der klinisehen Symptome mit hinzukommen muss, wenn nicht Irrthtimer unter- laufen sollen.

XXVI. Herr Beckmann-Bcr l in : Demonstration eines In- strumentes zur Entfernung der Raehenmandel.

Das vom Redner demonstrirte Ringmesser ist kriiftiger gebaut als das yon G o t t s t e i n , hat keine Stielkrtimmung, der Winkel, den der das Messer tragende Rahmcn mit dem Stiele bildet, ist gr(isser, der Rahmeu selbst quadratisch start dreieekig.

Zur Operation drUckt man mit dem Pflasterspatel die Zunge hinunter, fiihrt das Messer an die hintere Raehenwand und hinter das Gaumensegel bis zum Rachendache. Hier wird es mit kriif- tigcm Zuge naeh hinten und abwiirts geftihrt und, racist mit der Mandel, aus dem Munde entfernt. Das Kind wird mit der Weisung, viel feste Saehen zu essen und sich in guter Luft aufzuhalten, nach 2 Tagen wiederbestellt.

Da die Mittelohraffectionen der Kinder fast ausschliesslleh durch die Rachenmandel bedingt sind, so behandelt der Vor- tragende dieselben fast nur mit der Entfernung der Tonsilla pha- ryngea. Die Luftdouche wird nur gclegentlich angewendet. •ur bei Seharlaeh- und Masern-Otitis und i~hnliehen zu Caries ftihren- den oder sonstwie complieirten Eiterungen h~ilt der Vortragende eine locale Behandlung des Ohres fiir n(ithig.

D i scus s ion . Herr Nol ten ius -Bremen befiirwortet die Narkose ftir die Rachenmandeloperation, weil man dann sofort sich mit dem Finger Uberzeugen kann, ob alles Krankhafte entfernt ist.

Herr Hoffmann-Dresden hiilt die Narkose, welehe die an sich ungefi~hrliehe Operation unniithig complieirt, ftir nieht em- pfehlenswerth.

Herr Joe l -Gotha empfiehlt die Narkose aus dem Grunde, weil ein Theil der Patienten doeh noch einer weiteren Behand- lung des Ohres bedarf. Die Bromi~thylnarkose sei vorzuziehen, weil sie die Refiexerregbarkeit nieht viillig aufhebt, asphyktisehe StSrungen nieht vorkommen.

Herr Br ieger-Bres lau hiilt es fiir einen gliicklichen Zufall,

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wenn Herr B e c k m a n n niemals Reeidive beobaehtet hat, da solche bei allen Operationsmethoden hier nnd da workommen, zuweilen so sehnell, dass es nahe liegt, darin eine Bestatigung der hnsehauung zu erblicken, wonach Hyperplasie der Rachen- tonsille mit Tuberculose identisch ist. Wenn es auch nicht plau- sibel erscheine, dass eine so haufig auch bei sonst normalen Kindern vorkommende Krankheit, welche sieh racist daucrnd be- seitigen lasse, als locale Tubereulose aufzufassen sei, so mtisse man doch zugebenj dass Tubereulose der Raehentonsille nnter dem Bilde einer einfaehen Hyperplasie verlaufen k(inne. Um hiertiber Aufsehluss zu erlangen, habe Redner mikroskopisehe und Impfversuche angestellt, deren Ergebnisse er sieh ftir eine spatere :Mittheihng vorbehalten will.

Herr W a l b - B o n n betont, dass in der Nase der Kinder sehr haufig separate Processe vorkommen~ welehe wohl mit der Hy- pertrophic der Rachentonsille zusammenhangen kiinnen, die abet nicht ohne Weiteres schwinden, wenn die Tonsille entfernt ist. Das Instrument des Vortragenden seheine fiir einfache Hyper- plasie sehr gut zu sein, ob es auch bei Zottenentartung Alles fortnehme, sei abet doeh zweifelhaft.

Herr S t a e k e - Erfurt, welcher frUher mit Narkose operirt hat, halt dieselbe fur tiberfitissig, seit er sieh zur Entfernung der Raehenmandel des S ch tit z 'schen Instrumentes bedient.

Herr W a l b - B o n n empfiehlt ebenfalls das Seht i tz ' sche In- strument.

Herr v. Wi l d-Frankfurt a. l~I. maeht darauf aufmerksam, dass das S eht i tz ' sche Instrument die Mandel nut abschneidet, abet nicht ganzlieh mit der fibrifsen Unterlage entfernt.

Herr K a y s e r - B r e s l a u halt die Narkose nur bei ganz un- geberdigen Kindern ftir nothwendig. Recidive seien ziemlieh haufig, auch wenn anscheinend Alles entfernt war. In Bezug auf die TuberGulose sei zu beaGhten~ dass nach neueren Unter- suGhnngen auch im Secret normaler Nasen sigh Tuberkelbacillen finden kSnnen.

Herr S e l i g m a n n - F r a n k f u r t a. M. halt es ftir gut, wenn man nieht sigher sei~ alle Partikel der Rachenmandel zn ent- fernen, nicht zu narkotisiren, weil die Gefahr der Schluckpneu- monie besteht.

Herr H a r t m a n n - B e r l i n findet bei alteren Kindern die Schlingenoperation am schonendsten, mittels welcher die Ton- sille~ allerdings ohne fibroGartilagin~ise Grundlage, vollstlindig

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fortgenommen werden k~inne. Die Narkose sei bei iingstlichen Kindern anzuwenden, jedoch so, dass diesdben noeh reagiren.

Herr B e ckmann-Berlin hat die I~arkose niemals nothwendig gefunden. Die Nasenleiden der Kinder seien fast immer dureh die Raehenmandel-Erkrankung bedingt; we Eiterungen naeh Ent- fernung der Tonsille nicht verschwinden, sei fast stets unge- nUgend operirt. Die Entfernung aller Formen yon Hypertrophic gelinge mit dem vorgezeigten Instrumente; die meisten anderen seien nicht im Stande, die fibrSse Basis mit abzutragen.

Herr Z a a fa l -Prag wendet bei kleineren Kindern stets mit Erfolg den Finger zur Entfernung der Raehenmandel an; bei iilteren Kindern zieht er G o t t s t e i n ' s Ringmesser vor.

Herr B r i e g e r- Breslau mSchte noch hervorheben, dass seine Versuche mit allen Cautelen angestellt sind; die bisher ge- wonnenen Resultate seien iibrigens sowohl beztiglich des histo- logisehen Befundes als bezUglieh der Impfung durehweg negativ. Wolle man zugeben, dass die Tuberculose der Raehentonsille unter dem Bitde einfaeher Hyperplasie auftreten k~nne, so mUsse man demjenigen operativen Verfahren den Vorzug geben, welches das hyperplastische Gewebe am grtlndliehsten entfernt, und dies sei der T r a u t m a n n ' s e h e Ltiffel.

XXVII. Herr Leu te r t -Ha l l e a. S.: Demonstration yon Cholesteatom-Pr5paraten.

Der ¥ortragende demonstrirt zwei Pr~iparat% bei welehen es sieh um vollstiindig abgesehlossene, innen mit Plattenepithel Uberkleidet% aussen yon einer schmalen Bindegewebsschieht Uber- zogene S~icke - - Retentionsgeschwulst - - handelt. Das erste Pr~iparat entstammt dem veto Redner gestern in der Discussion zum Vortrage des Herrn S t a c k e erw~ihnten Falle, in welehem Dank der persistenten Oeffnung zeitig das Cholesteatom.Reeidiv erkannt wurde; das zweite wnrde bei der blaehbehandlung eines anderen Cholesteatomfalles aus Granulationen~ zwischen denen es als weisse Perle hervorleuchtete, herausgesehiflt.

Im Anschlusse an die Demonstration besprieht Redner kurz die M~gliehkeiten der Entstehung soleher Retentionstumoren.

D i s c u s s i o n . Herr Rudolf Panse-Dresden entsinnt sieh des veto Vorredner erwahnten Fanes. Derselbe wurde 3 Jahre vet seiner (des Redners) Assistentenzeit in Halle wegen acuten Em- pyems des Prec. mastoideus operirt ohne Spur yon Cholesteatom, 1893 wurde wegen Cholesteatoms, dessert Epidermis zum Bleinagel-

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Bericht fiber d. vierteVersammlg, d. Deutschen otolog, Gesellschaft u. s.w. 14:9

kanal eingewachsen sehien, opel~rt, nun wegen einen Reeidivs. Die yon Z aufa l vorgesehlagene artificielle Cholesteatombildung ist somit ohne Absieht v(illig gelungen.

XXVIII. Herr K a y s e r- Breslau: Demonstration eines Appa- rates zur exacten Bestlrnmung der Zufidurchg?lngigkelt der Nase.

Der Apparat besteht aus einem Blasebalg, weleher eine bestimmte Mange Luft mit stets gleieher Kraft ansaugt; bringt man seine Oeffnung durch einen Schlaueh und ein Glasrohr in dan Mund, so strtimt beim Aufgehen des Blasebalges die Luft durch die Nase in denselben ein, und durch die Bestimmung der Zeit- dauer ftir diese Luftstrtimnng, wetehe an einem geeigneten Me- ehanismus regulirt und abgelesen werden kann~ ist das Maass gegeben, um die Luftdurchgiingigkeit der Nase anzugeben.

XXIX. Herr Z a u f a 1- Prag: Demonstration yon Instrumenten zur Freilegung der Mittelohrriiurne.

Redner demonstrirt Hohlmeissel yon versehiedener Breite mit Buxbaumholzgriffen~ welehe das Auskoehen in Sodaltisung vertragen ; ferner die yon ihm gebrauehte Knoehenzange mit leicht gebogenen schneidenden Branehen; ein kleines Raspatorium ftir die AbtSsung der membranitsen Gehiirgangswand; ausserdem herzftirmige Ltiffel zum Ausriiumen der Paukenhtihle und des Antrums und die rechtwinkelig gebogene, ganz aus Stahl an- gefertigte Sonde.

Naehdem hiermit die Tagesordnung ersehi~pft ist, sehliesst der Vorsitzende~ Herr Z a u f a l , die Versammlung.

P r ~ s e n z l i s t e . 1) BUrkner-GSttingen; 2) Zau fa l -P rag ; 3)Walb-Bonn;

4) Hess le r -Hal le a.S. ; 5) Sonnenka lb-Chemni tz ; 6) Oskar W o 1 f- Frankfurt a. M. ; 7) S z e n e s- Budapest; 8) B r a n d t- Strass- burg i .E. ; 9) Kayser-Bres lau; 10) Rudolf Panse-Dresden; 11) Edgar Meier-Magdeburg; 12) Lucae-Berl in; 13) Kes se l - Jena; 14) Se l igmann-Frankfa r t a. M.; 15) Pfe i f fer -Leipzig; 16) Schuber t -Nt l rnberg; I7) Ktimmel-Breslau; 18) K a r u t z - Liibeck; 19) B r i e g e r - B r e s l a u ; 20) F r i e k e - S t e t t i n ; 21) v. Wild-Frankfurt a. M.; 22) Koerner-Rostoek; 23) K r e t s e h - mann-Magdeburg; 24) Rohden-Halberstadt ; 25) B e e k m a n n -

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150 IX. B~RKbtER, Bericht tiber die vierte Versamlung u. s. w.

Berlin; 26) Bar th-Marburg; 27) Noltenius-Bremen; 28) Heine- Berlin; 29) Dennert-Berlin; 30) Anton-Prag; 31) Bieder- mann-Jena; 32)Ziehen-Jena; 33) Stern.Metz; 34) Ulriehs- Halle a.S.; 35) Mtiller-Altenburg; 36) Rol le r -Tr ie r ; 37) Friedrich-Leipzig; 38) Haeekel-Jena; 39) Staeke-Erfurt; 40) Richter-Graz; 41)Leutert-Halle a. S.; 42) Joseph- Stettin; 43)HUbner-Stettin; 44)Hansberg-Dortmund; 45) Binswanger-Jena; 46) Riedel-Jena; 47) Krehl-Jena; 48) Stintzing-Jena; 49) Jens-Hannover; 50) B r a u c k m a n n - Jena; 51) Obermtiller-Jena; 52) Katz-Berlin; 53) T h i e s - Leipzig; 54) Brockhoff-Bonn; 55) Behrendt -Ber l in ; 56) Joel-Gotha i 57) Breitung-Coburg; 58) Stimmel-Leipzig; 59) Koch-Jena; 60)Reinhard-Duisburg; 61) HaugTMtinehen; 62) Hecke-Breslau; 63) Hoffmann-Dresden; 64)Molden- bauer-Leipzig; 65)Skutseh-Jena; 66)Hartmann-Berlin; 67) Jansen-Berlin.