beitrag zur kenntnis der chemischen vorgänge beim lagern von flaschenweinen

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64. Band. "] September 193-o.] F. Seiler, Chemische Vorg~nge beim Lagern yon Flaschenweinen. 283 Beitrag zur Kenntnis der chemischen Vorg~inge beim Lagern von Flaschenweinen. u Dr. F. Seiler. Mitteilung aus dem Nahrungsmittel-Untersuchungsamte der Stadt Trier. [Eingegangen am 25. Februar 1932.] In den Jahren 1910--1912 wurden im Versuchskeller des Nahrungsmittel-Unter- suchungsamtes Trier Versuche fiber Zuckerung und Si~urertickgang bei Moselweinen angestellt, fiber die in dieser Zeitschrift 1) berichtet worden ist. Beim AbschluI~ dieser Versuche, September 1913, wurden yon einzelnen Fudern ffir etwaige b~achprtifungen Flaschen abgeffillt und beiseite gelegt. Von dieSen Flaschen waren jetzt noch die- jenigen einiger u des Jahres 1912 vorhanden, undes erschien yon Interesse, festzustelIen, ob und inwiefern sich die jetzige chemische Zusammensetzung dieser Weine (Mittelmoselwein, Obermoselwein und Ruwerwein) gegenfiber dem Untersuehungs- befund vom September 1913, also nach rund 18 Jahren, gei~ndert hatte. Der Jahrgang 1912 war in einem gro~en Teile unseres Weinbaugebietes ein ausgesprochener Frost- jahrgang, und die seinerzeit beschafften Fuder Most besal~en alle einen mehr oder minder starken Frostgeschmack~ namentlich der Riveriser, der aus gi~nzlich erfrorenen Trauben gewonnen war. Beim 0ffnen der Flaschen wurden folgende Beobachtungen gemacht: Die 3 Trierer Weine waren alle fast Mar und zeigten nur einen ganz geringen Bodensatz. Der ~itteler Naturwein schi~umte stark und hatte starken Bodensatz. Die tibrigen Nitteler Weine und auch der Riveriser waren fast klar. Die Farbe aller Weine war etwas hochfarbig. Alle Weine, am sti~rksten der :Riveriser und die Nitteler, besal]en einen aufdringlichen, etwas widerlichen Geruch~ der offenbar auf erfrorene Trauben zurfickzuftihren war, und auch geschmacklich gab sich der Frost ohne weiteres zu erkennen: Durch die Korken war ein gewisser Teil des Weines verdunstet; die Flaschen waren urspranglich bis zum Korken gefallt, jetzt waren durchschnittlich etwa 8--10 ccm verdunstet. Bekanntlich setzt sich der Ausbau der Weine in der Flasche fort und mit dem Ausbau geht eine Verminderung des Extraktgehaltes Hand in Hand, die erst nach vOlligem Ausbau beendet ist, wobei eine geringe Extraktzunahme eintreten kann. Wenn der Wein auf die Flasche kommt, ehe der Si~ureabbau gi~nzlich durchgeffihrt ist, so kann man noch nach Jahren den weiteren Abbau beob~chten, wobei Kohlensi~ure entsteht, sodaI~ beim 0ffnen der Flasche lebhafte Schaumentwickelung auftritt. Letztere Er- scheinung trat, wie schon oben erwi~hnt wurde, bei dem Nitteler Naturwein auf. Die chemische Zasammensetzung der Weine im September 1913 und im Januar 1932 geht aus der Tabelle S. 284 hervor. Bei den Trierer Weinen ergibt sich ungefi~hr dieselbe Zusammensetzung wie 1913; die Si~uregehalte sind um geringe Mengen zurtickgegangen und ebenso, wie bei allen untersuchten Weinen, die Alkoholgehalte. Bei den Weinen M 5 und M 8 ist 1) Diese Zeitschrift 1920, 89, 1.

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64. B a n d . "] September 193-o.] F. Sei ler , Chemische Vorg~nge beim Lagern yon Flaschenweinen. 283

Beitrag zur Kenntnis der chemischen Vorg~inge beim Lagern von Flaschenweinen.

u

Dr. F. Sei ler.

Mit te i lung aus dem N a h r u n g s m i t t e l - U n t e r s u c h u n g s a m t e der Stadt Trier.

[Eingegangen am 25. Februar 1932.]

In den Jahren 1910--1912 wurden im Versuchskeller des Nahrungsmittel-Unter- suchungsamtes Trier Versuche fiber Zuckerung und Si~urertickgang bei Moselweinen angestellt, fiber die in dieser Zeitschrift 1) berichtet worden ist. Beim AbschluI~ dieser Versuche, September 1913, wurden yon einzelnen Fudern ffir etwaige b~achprtifungen Flaschen abgeffillt und beiseite gelegt. Von dieSen Flaschen waren jetzt noch die- jenigen einiger u des Jahres 1912 vorhanden, undes erschien yon Interesse, festzustelIen, ob und inwiefern sich die jetzige chemische Zusammensetzung dieser Weine (Mittelmoselwein, Obermoselwein und Ruwerwein) gegenfiber dem Untersuehungs- befund vom September 1913, also nach rund 18 Jahren, gei~ndert hatte. Der Jahrgang 1912 war in einem gro~en Teile unseres Weinbaugebietes ein ausgesprochener Frost- jahrgang, und die seinerzeit beschafften Fuder Most besal~en alle einen mehr oder minder starken Frostgeschmack~ namentlich der Riveriser, der aus gi~nzlich erfrorenen Trauben gewonnen war.

Beim 0ffnen der Flaschen wurden folgende Beobachtungen gemacht: Die 3 Trierer Weine waren alle fast Mar und zeigten nur einen ganz geringen

Bodensatz. Der ~itteler Naturwein schi~umte stark und hatte starken Bodensatz. Die tibrigen Nitteler Weine und auch der Riveriser waren fast klar. Die Farbe aller Weine war etwas hochfarbig. Alle Weine, am sti~rksten der :Riveriser und die Nitteler, besal]en einen aufdringlichen, etwas widerlichen Geruch~ der offenbar auf erfrorene Trauben zurfickzuftihren war, und auch geschmacklich gab sich der Frost ohne weiteres zu erkennen:

Durch die Korken war ein gewisser Teil des Weines verdunstet; die Flaschen waren urspranglich bis zum Korken gefallt, jetzt waren durchschnittlich etwa 8 - -10 ccm verdunstet.

Bekanntlich setzt sich der Ausbau der Weine in der Flasche fort und mit dem Ausbau geht eine Verminderung des Extraktgehaltes Hand in Hand, die erst nach vOlligem Ausbau beendet ist, wobei eine geringe Extraktzunahme eintreten kann. Wenn der Wein auf die Flasche kommt, ehe der Si~ureabbau gi~nzlich durchgeffihrt ist, so kann man noch nach Jahren den weiteren Abbau beob~chten, wobei Kohlensi~ure entsteht, sodaI~ beim 0ffnen der Flasche lebhafte Schaumentwickelung auftritt. Letztere Er- scheinung trat, wie schon oben erwi~hnt wurde, bei dem Nitteler Naturwein auf.

Die chemische Zasammensetzung der Weine im September 1913 und im Januar 1932 geht aus der Tabelle S. 284 hervor.

Bei den T r i e r e r W e i n e n ergibt sich ungefi~hr dieselbe Zusammensetzung wie 1913; die Si~uregehalte sind um geringe Mengen zurtickgegangen und ebenso, wie bei allen untersuchten Weinen, die Alkoholgehalte. Bei den Weinen M 5 und M 8 ist

1) Diese Zeitschrift 1920, 89, 1.

284 F. S e l l e r , C h e m i s c h e Vorg /~nge b e i m L a g e r n y o n F l a s c h e n w e i n e n . [Zeitschr. f. Un~ersuchung , [ d e r Lebensmittel .

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t;4. Band. ] Septenaber 1932.] F. Seller , Weins/~urebestimmung in Mos~ und Wein. 285

auch eine Verringerung der Mineralstoffe eingetreten. Bei dem Naturwein M 1 dagegen ist eine geringe Erhtihung des Mineralstoffgehaltes festzustellen. Ob der Umstand, dab dieser /qaturwein wi~hrend der u in den Jahren 1912--1913 bei kalter Lagerung behandelt wurde, im Gegensatz zu M 5 und M 8, die warm lagerten, hierbei yon Einflul] war, oder ob andere Grande vorliegen, kann nicht gesagt werden. Die biologische Entwickelung der Trierer Weine scheint also im Herbst 1913 im wesent- lichen beendet gewesen zu sein.

Der N i t t e l e r N a t u r w e i n 0M 1 dagegen hat bestimmt noch eine Menge Apfel- si~ure enthalten, als er 1913 abgeftillt wurde, da auf der Flasche die Si~ure yon 16,3~ auf 9,4%o zurtickging unter gleichzeitiger bedeutender Zunahme der Milchsi~ure, whhrend der Weinsi~uregehalt fast derselbe geblieben ist. Bei den beiden verbesserten Nitteler Weinen OM 2 und OM 4 ist die biologische Entwickelung im September 1913 beendet gewesen, da ein weiterer Si~urerackgang nicht eingetreten ist, sondern eine ganz geringe Erh6hung der Si~uremenge festgestellt wurde. Auffallenderweise ist bei dem Weine OM 2, der wie tier Trierer :Naturwein wi~hrend der Versuche 1912--1913 kalt gelagert hatte, eine geringe Erhtihung des Mineralstoffgehaltes festzustellen, im Gegensatz zu den tibrigen 5Titteler Weinen, die warm gelagert hatten.

Der R i v e r i s e r Wein besitzt, abgesehen yon dem geringen Rtlckgang des Mineral- stoffgehaltes, fast dieselbe Zusammensetzung wie 1913.

Aus den Untersuchungen geht hervor, dal] bei Weinen, bei denen der biologische Si~ureabbau bei der Ftillung der Weine auf Flaschen bereits beendet war, eine wesent- licbe Verhnderung in der chemischen Zusammensetzung wi~brend der Flascbenlagerung nicht mehr eintritt, dal] aber ein zur Zeit der 1Tlaschenftillung noch nieht beendeter S~ureabbau sich auf der Flasche bei LuftabschluI~ weiter fortsetzt.

Nachpriifung des Verfahrens der Weins~urebestimmung in Most und Wein.

V o n

Dr. F. Seiler.

Mit te i lung aus dem N a h r u n g s m i t t e l - U n t e r s u c h u n g s a m t der Stadt Trier .

[Eingega~gen am 25. Februar 1932.]

In der Annahme, dal] frische Moste gewissermal~en mit Weinstein und etwa'~ Wein- si~ure gesi~ttigte L6sungen darstellen, schien die Heranziehung yon frischen, angegorenen oder eben vergorenen Mosten zu den Versuchen tiber die Nachprtifung des Verfahrens zur Weinshurebestimmung empfehlenswert. Die Versuche wurden an 1930-er Mosten und Weinen angestellt. Die Bestimmungen wurden bei den Mosten in der Weise ausgeftthrt, dal] der Zusatz yon Essigsi~ure, Kaliumacetatl~sung, Kaliumchlorid und schliel]lich yon Alkohol unmittelbar zu 100 ccm Most erfolgte. Es wurde die Fi~llung der Weinsi~ure zweimal vorgenommen, wie es die amtliche Anweisung bei Mosten und Jungweinen vorschreibt und das Ergebnis der zweiten Titration verwertet. Bei den Weinen erfolgte die Fi~llung der Weinsi~ure nach Entfernen des Alkohols.

Die Weinsi~ure, die bei den. einzelnen Versuchen zugesetzt wurde, war vorher untersucht; sie war 99,92%-ig.