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Aspekte der Hygienisierung im Kontext der Entwicklung eines neuen Sanit¨ ar-Ansatzes Ariane Krause, Sirkka Jacobsen Technische Universit¨ at Berlin, Januar 2011 We’ve put man on the moon, we transplant hearts, but we still don’t know how to sanitise human faeces“[1] Inhaltsverzeichnis 1 Grunds¨ atze der Handhabung von Toilettenabf¨ allen 2 1.1 Toilettenabf¨ alle sind Wertstoffe ...................................... 2 1.2 Toilettenabf¨ alle enthalten Krankheitserreger ............................... 3 2 Hygienisierung von F¨ akalien 5 2.1 Urin .................................................... 5 2.1.1 Medizinische Risiken ....................................... 5 2.1.2 Aufbereitungsm¨ oglichkeiten .................................... 7 2.1.3 Zusammenfassung ......................................... 8 2.2 azes .................................................... 10 2.2.1 Medizinische Risiken ....................................... 10 2.2.2 Aufbereitungsm¨ oglichkeiten .................................... 11 2.2.3 Zusammenfassung ......................................... 13 3 Sanit¨ are Versorgungssysteme 14 3.1 Herk¨ ommliche Ans¨ atze .......................................... 14 3.2 Innovative Ans¨ atze: Ecological Sanitation ................................ 15 3.2.1 Angewandte Sanit¨ arsysteme in EcoSan-Projekten ........................ 17 3.2.2 Urind¨ ungung und sozio-kulturelle Akzeptanz ........................... 21 3.3 Innovative Ans¨ atze: Terra Preta Sanitation ................................ 21 3.4 Zusammenfassung ............................................. 23 Literaturverzeichnis 24 1

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Aspekte der Hygienisierung

im Kontext der Entwicklung eines neuen Sanitar-Ansatzes

Ariane Krause, Sirkka Jacobsen

Technische Universitat Berlin, Januar 2011

”We’ve put man on the moon, we transplant hearts,

but we still don’t know how to sanitise human faeces“[1]

Inhaltsverzeichnis

1 Grundsatze der Handhabung von Toilettenabfallen 21.1 Toilettenabfalle sind Wertstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Toilettenabfalle enthalten Krankheitserreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Hygienisierung von Fakalien 52.1 Urin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.1.1 Medizinische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.2 Aufbereitungsmoglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.1.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.2 Fazes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.1 Medizinische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.2.2 Aufbereitungsmoglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Sanitare Versorgungssysteme 143.1 Herkommliche Ansatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.2 Innovative Ansatze: Ecological Sanitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.2.1 Angewandte Sanitarsysteme in EcoSan-Projekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.2.2 Urindungung und sozio-kulturelle Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

3.3 Innovative Ansatze: Terra Preta Sanitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Literaturverzeichnis 24

1

1 Grundsatze der Handhabung von Toilettenabfallen

1.1 Toilettenabfalle sind Wertstoffe

Unter Betrachtung des Nahrstoffgehalts und dem Anteil organischen Kohlenstoffs bieten sowohl Urin als auch Fazes1

eine interessante, weil nachhaltige und kostengunstige Moglichkeit der Dungung durch Nahrstoffruckfuhrung.

Die direkte Zufuhrung der fur Pflanzen notwendigen Nahrstoffe (Stickstoff, Phosphor und Kalium) und organischem

Kohlenstoff, die sowohl im Urin als auch in den Fazes enthalten sind (siehe Tabelle 1), gleicht damit den durch

die Ernte von Nutzpflanzen vorangegangen Entzug von Nahrstoffen aus dem Boden wieder aus (siehe Tabelle 2).

Das Einbringen aufbereiteter, z.B. kompostierter, Fazes verbessert zusatzlich die Bodenqualitat, u.a. durch Verbes-

serung der Humusversorgung und tragt somit zur Verbesserung der Bodenstruktur durch Steigerung der Wasser- und

Nahrstoffhaltekapazitat bei[1]. Die Massenangaben in Tabelle 1 beziehen sich auf durchschnittliche Mengen Urin

bzw. Fazes eines Erwachsenen pro Jahr2. In Abhangigkeit von der Ernahrungsweise konnen diese Mengen je Person

sehr unterschiedlich sein[2], [3]. Schwermetalle sind nur in sehr geringen Mengen in menschlichen Ausscheidungen

nachgewiesen[4].

Tabelle 1: Gehalt der wichtigsten Nahrelementen und organischem Kohlenstoff in Fazes und Urin [1]

kg / ppa N P K Corg Massefrisch Massetrocken

Urin 4 0,4 0,9 2,4 440 22

Fazes 0,6 0,2 0,4 7,8 25-50 12,8

Fakalien 4,6 0,6 1,3 10,2

Tabelle 2 zeigt den Dungebedarf beim Anbau verschiedener Grundnahrungsmittel. Die Angaben in g/a beziehen sich

dabei auf die erforderliche Nahrstoffmenge zum Anbau von 10 kg Ernteprodukt auf einer Flache von 1 Ar, resp.

100 m2.

Tabelle 2: Nahrstoffbedarf beim Anbau wichtiger Nahrungsmittel[5]

g/a N P K

Mais 62 11 29

Reis 124 30 23

Weizen 175 36 38

Weißkohl 22 3 7

Bohnen 29 4 24

Stickstoff wird von Pflanzen vor allem im Bezug auf Blatter- und Stielwachstum benotigt. Kalium und Phosphor

sind notwendig, um die Pflanzen gegen außere Einflusse zu starken. So macht Phosphor die Pflanzen harter und ist

wichtig im Bezug auf den Schutz vor Austrocknung. Da Phosphor außerdem das Wurzelwachstum begunstigt, sollte

eine P-Dungung daher in der fruhen Wachstumsphase angewendet werden, da wiederum gut ausgebildete Wurzeln in

der spateren Wachstumsphase eine hohere Leistungsfahigkeit zur Nahrstoffaufnahme besitzen[6]. Kalium ist fur die

Abwehrfahigkeit gegenuber Krankheiten und Parasiten verantwortlich. Wichtig zu beachten ist, dass eine Abhangikeit

dieser drei wichtigsten Nahrstoffe besteht und eine Ungleichgewicht der Nahrstoffversorgung oftmals einen verstarkten

Krankheits- und Insektenbefall nach sich zieht. So konnen Pflanzen z.B. nur bei ausreichendem Stickstoffgehalt

1Unter dem Begriff Fakalien werden Fazes und Urin subsummiert.2ppa: pro Person und Jahr/anno

2

im Boden auf Phosphor und Kalium zugreifen. Die Ruckfuhrung organischen Kohlenstoffs auf landwirtschaftliche

Flachen verbessert u.a. das Wasser- und Nahrstoffspeichervermogen der Boden[3]. Fazes, die im Vergleich zu Urin

einen geringeren Nahrstoffgehalt aufweisen, sind aufgrund des hohen Kohlenstoff- und Phosphorgehalts fur eine

landwirtschaftliche Ruckfuhrung interessant.

Bei einer vollstandigen Ruckfuhrung von Urin und Fazes (mit den darin enthaltenen Nahrstoffmengen aus Tabelle 1)

resultiert aus der genauen Deckung der Nahrstoffbedarfe der in Tabelle 2 aufgefuhrten Grundnahrungsmittel ein

Erntepotenzial wie in Tabelle 3 dargestellt.

Tabelle 3: Potentielle Ernteertrage wichtiger Grundnahrungsmittel pro Jahr durch Dungung mit Fakalien

kg/a N P K

Mais 740 545 450

Reis 370 200 570

Weizen 265 170 340

Weißkohl 2100 2000 1900

Bohnen 1600 1500 540

Zusammenfassend ergeben sich fur die Anwendung von Urin und Fazes als okologische Dungemittel die in Tabelle 4

dargestellten Dungeempfehlungen. Die Angaben der Flachen pro Jahr unterscheiden sich dabei hinsichtlich des be-

absichtigten Einsatzes der Substrate vorzugsweise als N- oder P-Dunger bzw. zum Kohlenstoffeintrag in den Boden.

Bei der Urindungung gilt die Faustregel:”Pro Person, pro Tag, ein Quadratmeter“[7].

Tabelle 4: Empfohlene zu dungende Flachen bei der Anwendung von Fazes und Urin[6]

in m2/a N P C

Urin 300-400 600

Fazes 200-300 (als Dunger in der

Wachstumsphase) bzw.

20-40 (zur Verbesserung

des Gehalts im Boden)

1,5-3

Die Verwertung von Fakalien als naturliche Dungemittel kann die Anwendung kunstlicher Dungemittel ersetzen, deren

Produktion und Anwendung mit erheblichen Belastungen fur Menschen und Umwelt einhergehen. Dazu gehoren z.B.

hohe Umweltzerstorungen durch Strahlen- und Schwermetallbelastungen im Boden verbunden mit dem Abbau von

Rohphosphaten, sehr hoher Energieaufwand bei der Bereitstellung der Grundelemente von Kunstdunger u.a. durch

das Haber-Bosch-Verfahren, Ausbeutung knapper Ressourcen, Eutrophierung und Verschmutzung des Grundwassers

bei der Anwendung, wirtschaftliche Abhangigkeit und soziale Folgen. Die naturliche Nahrstoffruckfuhrung bietet

somit sehr große Chancen zur langfristigen und nachhaltigen Sicherung der Nahrungsmittelversorgung durch die

Landwirtschaft. Demgegenuber stehen jedoch auch erhebliche Risiken, die mit den in Fakalien enthaltenen Pathogenen

verbunden sind.

1.2 Toilettenabfalle enthalten Krankheitserreger

Der menschliche Korper besitzt die Fahigkeit viele fur ihn schadliche Stoffe und Organismen auszuscheiden. Mit

80-100% wird der Großteil dabei uber die Fazes ausgeschieden[8]. Der Urin ist meist nur im akuten Krankheitsfall

oder durch Medikament- und Hormonruckstande belastet[2].

3

Abbildung 1: Moglichkeiten zur Unterbrechung der Infektionswege durch Fazes[1]

Abbildung 1 zeigt Moglichkeiten auf, durch die mit entsprechenden Maßnahmen an verschiedenen Stellen mogliche

Infektionswege unterbrochen werden konnen. Um bei der landwirtschaftlichen Dungung auf die in den menschli-

chen Ausscheidungen enthaltenen Wertstoffe zuruckgreifen zu konnen und gleichzeitig das Ausbringen und somit die

potentielle Verbreitung von Krankheitserregern3 zu vermeiden, werden verschiedene Hygienisierungsverfahren ange-

wendet. Diese sollen gewahrleisten, dass die in den Fakalien bzw. Klarschlamm befindlichen Pathogene inaktiviert

oder extrahiert werden und so keine direkte und indirekte Gefahr fur Mensch und Umwelt mehr darstellen konnen.

Ein wichtiger Effekt ist hierbei auch, dass durch das Abtoten von Bakterien nicht nur Infektionskreislaufe bakterieller

Krankheiten unterbrochen werden, sondern auch eine Verbreitung von Bakterienstammen, die im Menschen bereits

Antibiotikaresistenzen entwickelt haben, unterbunden wird[9].

Ein weiteres Problem aus soziologischer bzw. soziokultureller Sicht ist die weitverbreitete Tabuisierung des Themas.

Diese ist zwar unter hygienischen Aspekte, die nicht vernachlassigt werden durfen, begrundet, jedoch hat sie lange

Zeit auch dazu gefuhrt, dass wenige Fortschritte in diesem Bereich erzielt wurden. Die German Toilet Organisation

(GTO) stellt zur Recht die Frage in den Raum”Wenn das Thema so wichtig ist, warum gibt es dann so wenig Fort-

schritt?“[10]. Ein wichtiger Punkt, gerade im Hinblick auf die technische Entwicklung von Hygienisierungsverfahren,

ist das Infektionspotential, das mit der Handhabung der Exkremente verbunden ist.

Es ist daher wichtig, dass die Hygienisierung an die Bedingungen vor Ort angepasst ist und von Beginn an bei der

Planung und Konstruktion, alle Infektionsmoglichkeiten vermieden werden. Besonders in Schulen armerer Lander

bringen die gangigen Systeme mit Grubenlatrinen erhebliche Gesundheitsprobleme mit sich, da diese regelmaßig

entleert werden mussen (siehe Bild 2) bzw. sonst uberlaufen.

Auf neue Ansatze fur sanitare Einrichtungen soll im abschließenden Teil weiter eingegangen werden. Es folgt zunachste

eine erarbeitete Ubersicht der verschiedenen Hygienisierungsverfahren, deren Ansatze und Wirksamkeit um anschlie-

ßend das entwickeltet, neue Sanitarkonzept einordnen zu konnen.

3germs (engl.) =”Bakterien, Keime“

4

Abbildung 2: Entleerung einer Grubenlatrine in einer Schule in Burkina Faso[11]

2 Hygienisierung von Fakalien

Im Folgenden soll sowohl auf die medizinischen Risiken als auch auf mogliche Behandlungs- bzw. Aufbereitungsmoglich-

keiten, d.h. Hygienisierung von Urin und Fazes, naher eingegangen werden. Die Hygienisierung der Fakalien4 von

Schadstoffen und Organismen geschieht vor allem unter Berucksichtigung der in Tabelle 55 dargestellten physikoche-

mischen und biologischen Faktoren.

2.1 Urin

Mit durchschnittlich 500 Litern pro Person und Jahr macht Urin 90% des Volumens der menschlichen Ausschei-

dungen aus[4]. Frisch ist Urin geruchlos. Der Harnstoff wird jedoch nach wenigen Tagen in Ammonium/Ammoniak

umgesetzt[14], womit in der Folge die fur Urin typische Geruchsbelastigung einhergeht. 80% aller mineralischen Sub-

stanzen (N,P,K), die ein Mensch ausscheidet befinden sich im Urin, was ihn zu einem wertvollen Dunger macht[1],

[4].

2.1.1 Medizinische Risiken

Bei einer stofflichen Weiterverwendung des Urins als Dungemittel zur Ruckfuhrung der darin enthaltenen Nahrstoffe

ist hinsichtlich der medizinischen Risiken Folgendes zu beachten: Urin gilt in den meisten Fallen als unbedenklich und

bakteriologisch steril[15] und kann deshalb im Prinzip ohne weitere Aufbereitung nach einer kurzen Lagerungszeit,

die z.B. zur Umwandlung von Harnstoff zu Ammonium notwendig ist, als Dunger verwendet werden. Die Lagerung

sollte dabei unverdunnt erfolgen, da durch den hoheren pH-Wert mogliche Pathogene abgetotet werden konnen. Zur

Dungung kann der Urin dann je nach Nutzpflanze und Stickstoffgehalt des Urins direkt in den Boden eingearbei-

tet werden oder im Fall eines hohen Stickstoffgehaltes eine Verdunnung mit Wasser erstellt werden um eine lokale

Uberdungung und Eutrophisierung naheliegender Gewasser zu verhindern. Die Urindungung sollte spatestens einen

Monat vor der Ernte erfolgen.

4Fakalien = Fazes + Urin5Zu Pradation: Als Pradator wird ein Organismus bezeichnet, welcher sich von anderen Lebewesen ernahrt. Im Unterschied zum

Parasitismus wird der andere Organismug dabei sehr schnell getotet[12].

5

Tabelle 5: Physikochemische und biologische Faktoren[13]

Temperatur Die meisten Mikroorganismen weisen einen Toleranzbereich von unter 5 ◦C bis etwa

40-50 ◦C auf. Damit kann das Abtoten der meisten Pathogene, bis auf Bakteriensporen

und einige Viren sowie Wurmeier, bei Temperaturen von 55-70 ◦C in wenigen Stunden

gewahrleistet werden.

pH Da die meisten Mikroorganismen an einen neutralen Bereich angepasst sind, kann,

unter Berucksichtigung eines Toleranzbereichs, bei hohen pH-Werten von einer Inak-

tivierung der Organismen ausgegangen werden.

Ammoniak (NH3) Die Zugabe von Ammoniak (z.B. umgesetzter Harnstoff), das naturlich von Bakte-

rien produziert wird oder chemisch durch Hydrolyse entstehen kann, wirkt auf viele

Organismen schadlich.

Feuchtigkeit Bekannterweise favorisieren die meisten Mikroorganismen eine feuchte Umgebung.

Durch eine Feuchtereduzierung kann damit auch ein Wachstum der Mikroorganismen

verhindert oder deren Anzahl sogar reduziert werden.

Solarstrahlung / UV-

Licht

UV-Licht reduziert die Zahl an pathogenen Stoffen. Bei Vergroßerung der Oberflache

der gelagerten Fakalien kann von diesem Effekt profitiert werden.

Andere Mikroorganis-

men

Viele Organismen beeinflussen sich gegenseitig durch Pradation, Ausscheidung von

antagonistischen Substanzen und Konkurrenz. Daher ist eine sterile Umgebung, das

heißt eine Reduzierung anderen Mikroorganismen, vorzuziehen.

Nahrstoffe Viele Bakterien und Organismen der Darmflora, die an den Verdauungstrakt des

Korpers angepasst sind, konnen, im Bezug auf knappe Nahrstoffe, außerhalb des

Korpers oftmals nicht mit anderen sich dort befindlichen Organismen konkurrieren. Ih-

re Wachstumsfahigkeit und Uberlebensfahigkeit in der Umgebung kann dadurch stark

eingeschrankt oder unterbunden werden.

Weitere Sauerstoffverfugbarkeit, Partikelgroße, Durchlassigkeit, Chemikalien u.a.

6

Allgemein sind urinal-oral ubertragbare Krankheiten im Vergleich zu den fakal-oral ubertragbaren Krankheiten, zu

vernachlassigen. Somit wird durch eine Separation des Urins von den Fakalien dem Risiko einer Krankheitsubertragung

stark vorgebeugt[13]. Die in Abbildung 3 dargestellte Tabelle zeigt eine Ubersicht der potentiell in Urin enthaltenen

Krankheitserreger, sowie ihre Wichtigkeit im Bezug auf ein hohes Risiko der Ubertragung durch Urin.

Abbildung 3: Pathogene des Urins und mogliche Ubertragungswege[13]

Nach aktuellem Wissensstand ist nur bei akuten Erkrankungen wie Bilharziose, Typhus, Cholera, Hepatitis A und

B, Tuberkulose oder HIV/AIDS Vorsicht geboten und eine Aufbereitung bzw. Behandlung des Urins vor der Benut-

zung zwingend notwendig[8]. Im Fall einer bestimmten Gruppe des Bilharziose-Erregers (Schistosoma haematobium),

die hauptsachlich uber das Urin aus dem menschlichen Korper ausgeschieden wird, wird so zum Beispiel bei Um-

gebungstemperatur von etwa 20 ◦C eine Lagerungszeit des Urins von einigen Tagen benotigen um ein Risiko der

Erregerubertragung ausschließen zu konnen[13].

Urin kann jedoch auch Medikamentruckstande und Hormone beinhalten[2], [16]. Skeptiker der Urindungung sehen vor

allem im Bezug auf letzteres Wissensdefizite und sprechen sich daher gegen eine Verwendung von Urin zur Dungung

aus. Es muss dabei allerdings beachtet werden, dass das Problem der Medikament- und Hormonruckstande auch

oder vor allem in den industrialisierten Landern mit einer konventionellen Abwasserbehandlung ein großes Problem

im Bezug auf die Klarschlammausbringung, bzw. -entsorgung, darstellt[14]. Zwar sind fur viele dieser Inhaltsstoffe

Behandlungsverfahren theoretisch bekannt, allgemein ist hierbei jedoch zu sagen, dass eine Behandlung auf Medika-

mentruckstande allein durch die Vielzahl der Arzneimittel aufwendig und damit teuer ist[14]. Da diese Ruckstande

hauptsachlich im Urin zu finden sind, ist anzunehmen, dass durch eine Trennung von Fakalien und Urin, Verfahren

zur Reduktion dieser Inhaltsstoffe, wenn moglich, leichter anzuwenden waren.

2.1.2 Aufbereitungsmoglichkeiten

Allgemein sind bei der Hygienisierung von Urin folgende, sich teilweise gegenseitig beeinflussende, Parameter aus-

schlaggebend:

• pH

• Temperatur

7

• Zeit

• Verdunnung

Der pH-Wert des Urins steigt im unverdunnten Fall als Folge der Umsetzung des im Urin gelagerten Stickstoffs

zu Ammonium auf etwa 9 an[3], [4], [13], [15]. Der Abbau des Harnstoffs in Ammonium erfolgt in weniger als 48

Stunden[14]. Im Temperaturbereich bis 20 ◦C tragt dieser Vorgang maßgeblich zu einem schnellen Abtoten gramne-

gativer6 Bakterien, wie E.coli, Salmonella und Vibrio cholerae, dem Verursacher der Cholera, bei. In vielen Fallen

konnen jedoch oftmals noch grampositive Bakterien nachgewiesen werden[13].

Abbildung 4: Inaktivierung von Mikroorganismen in Abhangigkeit von Temperatur und Zeit[13]

Die in Abbildung 4 dargestellt Tabelle zeigt, dass mit steigender Urintemperatur ab 20 ◦C die zur Hygienisierung notige

Lagerungszeit verkurzt wird. Bei grampositiven Bakterien ist eine Reduzierung um 90% schon nach 5 anstatt 30 Tagen

erreicht[13]. Bei fakalen Verunreinigungen, die jedoch vermieden werden sollten, wird eine Lagerung von 6 Monate

empfohlen. Sauberes Urin gilt allgemein bei 20 ◦C[13] nach spatestens einem Monat als hygienisch unbedenklich[3].

Da eine direkte Ansteckung durch Familienmitglieder, je nach Krankheit, uber Tropfcheninfektion, Zubereitung der

gemeinsamen Speisen oder direkten Kontakt, weit großer ist als die Krankheitsubertragung durch die gedungten Feld-

fruchte, kann im Fall der Dungung im eigenen Garten zur Selbstversorgung von einer Lagerung abgesehen werden[3],

[13].

2.1.3 Zusammenfassung

Allgemein lasst sich sagen, dass hohere Temperaturen und eine langere Lagerungszeit die Wahrscheinlichkeit einer

vollstandigen Vernichtung pathogener Substanzen erhohen. Tabelle 67 zeigt zusammenfassend mogliche im Urin

enthaltene Pathogene und ihre Resistenz gegenuber außeren Einflussen. Basierend auf dieses Wissen lassen sich

hiermit mogliche Hygiensierungsverfahren beurteilen bzw. entwickeln.

6Mit Hilfe des Verfahrens der Gram-Farbung (nach Hans Gram) lassen sich die meisten Bakterien in die Gruppe der gramnegativen

und der grampositiven Bakterien einteilen. Gramnegative Bakterien weisen eine dunnere Zellwand als grampositive Bakterien auf und

lassen sich zwar wie grampositive Bakterien im ersten Schritt des Verfahrens ebenfalls einfarben, geben diese Farbe aber unter Zugabe

von Alkohol wieder ab. Die Methode ist medizinisch und naturwissenschaftlich weit verbreitet, da sich die Bakterien der beiden Gruppe,

außer im Bezug auf ihrer Zellwandbeschaffenheit, auch in ihrer Antibiotikaempfindlichkeit und Virulenzeigenschaften unterscheiden. Die

Virulenz (lat.) =”Giftigkeit“ sagt an wie stark die krankheitserzeugenden Eigenschaften eines Pathogens ausgepragt sind[17].

7Ein Aerobier ist ein Lebewesen, welches elementaren Sauerstoff zwingend benotigt[17].

8

laila
Hervorheben

Tabelle 6: Zusammenfassung[13], [17], [18], [19], [20], [21], [22], [23], [24]

Art der Pathogene Bezeichnung Eigenschaften Behandlungsmoglichkeit

Grampostive Bak-

terien

Allgemein

(z.B.Streptokokken)

4 ◦C/30 d; 20 ◦C/5 d;

≥80 ◦C/10 min.

Sporenbildner (z.B. Bazillen,

Clostrididen)

Gegen mehrstundiges Kochen

resistent

≥ 120 ◦C/15-20 min.

Gramnegative

Bakterien

Allgemein (E.Coli, Leptospira

interrogans)

Bilden keine Sporen 4-20 ◦C/1 d;

≥60 ◦C/10 min.

Typhus (salmonella ty-

phi/paratyphi)

in Wasser lange uberle-

bensfahig

Kochen/Pasteurisierung

Vibrionen/Cholera (vibrio

cholerae)

hohe Saureempfindlichkeit Abkochen

Mykobakterien Tuberkulose (mycobacterium

tuberculosis)

Wachshaltige Zelllwand, hohe

Saure-/Basenbestandigkeit,

Aerobier

UV-Wellenlangen:

≥300 nm; ≥65 ◦C/≥30 min.

Schistosomen Bilharziose Sußwasser Voraussetzung fur

Entwicklung und Schlupfen

von Larven

Abkochen; Eier: Sonnen-

licht, Trockenheit

Viren Allgemein 20 ◦C/6 Monate;

≥80 ◦C/1 h

Rotavirus pH ≥12; 20 ◦C/35 d;

≥100 ◦C/20 min.

Hepatitis A-E HAV bei Normalbedingungen

bis zu 4 Wochen uberle-

bensfahig

≥100 ◦C/≥20 min.;

≥60 ◦C/10 h

HIV Außerhalb des Korpers nicht

uberlebensfahig

Nicht notwendig

Mikrosporiden ≥70 ◦C/≥5 min.

Kryptosporidien C. Parvum orale ubertragung 4 ◦C/ 29d; 20 ◦C/5 d;

≥65 ◦C/20 min.

9

2.2 Fazes

Mit 50 Litern pro Jahr und Person, was je nach Ernahrung durch z.B. sehr fetthaltige oder sehr ballaststoffreiche

Nahrung, 25 und 60 kg Trockenmasse entspricht[2], [4], betragt der volumenmaßige Anteil der Fazes ca. 10% der

Gesamtmenge. Nach etwa 30 Minuten ist die Oberflache getrocknet und die anfanglich oftmals stark riechende Aus-

scheidung geruchsfrei. Die Trocknungsrate ist abhangig von Ventilation und Raumtemperatur, sowie Luftfeuchtigkeit

am Lagerort[1].

2.2.1 Medizinische Risiken

Aus medizinischer Sicht gelten Fazes, vor allem im Vergleich zu Urin, als bedenklich. Neben Bakterien sind vor allem

resistente Wurmeier problematisch. Abbildung 5 zeigt in Fazes potentiell enthaltene Pathogene und ihre durchschnitt-

liche Uberlebensrate in Tagen bei Lagerung unter verschiedenen Umgebungsbedingungen.

Abbildung 5: Fakale Pathogene und ihre Uberlebensraten bei Lagerung zu Umgebungstemperatur[13]

Wurmeier werden uber Fazes ausgeschieden und konnen bei einer Lagerung unter normalen Umgebungsbedingungen

teils uber Jahre uberleben. Deshalb stellen sie bei der Hygienisierung der Fazes das großte Problem bzw. Herausforde-

rung dar. Weltweit ist davon auszugehen, dass etwa eine Milliarde Menschen von Spulwurmern befallen sind; die Zahl

der Menschen die sich mit Hakenwurmern infiziert haben wird auf etwa 700 Millionen geschatzt[10]. Da vor allem

Regionen betroffen sind, in denen die Menschen zusatzlich oft mit dem Problem der Mangel- oder Unterernahrung

zu kampfen haben, hat der Parasitenbefall oftmals todliche Folgen.

Abbildung 6 zeigt, dass besonders in Afrika, wo ein großer Mangel an sanitaren Versorgungen mit angemessener

hygienischer Bearbeitung der Fakalien herrscht, die Bedrohung durch Ubertragung von Wurmerkrankungen uber den

Boden, d.h. die Nahrungsproduktion, sehr groß ist.

Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissstand reicht eine normale Kompostierung nicht aus um die Eier zu

inaktivieren[25]. Durch naturliche Prozesse konnen bei einer Kompostierung zwar notwendige Inaktivierungstempera-

10

laila
Hervorheben
laila
Hervorheben
laila
Hervorheben

Abbildung 6: Globale Verteilung von Wurmerkrankungen, die uber den Boden ubertragen wurden[10]

turen von uber 50 ◦C erreicht werden, dieses Temperaturniveau muss aber uber einen langeren Zeitraum gewahrleistet

werden. Allgemein ist davon auszugehen, dass bei einer Temperatur von uber 50 ◦C wahrend einer Dauer von meh-

reren Stunden die Eier abgetotet werden. Bei Temperaturen von uber 80 ◦C ist davon auszugehen, dass selbst nach

unter einer Stunde keine lebensfahigen Organismen dieser Spezies vorhanden sind[26].

2.2.2 Aufbereitungsmoglichkeiten

Im Folgenden soll auf bekannte und angewandte Moglichkeiten der Aufbereitung von Fazes eingegangen werden.

Austrocknung durch Lagerung

Durch Austrocknung kann in trockenen und warmen Regionen in 4 Monaten eine Volumenreduzierung auf unter 20 %

der Ursprungsvolumens erreicht werden[10]. Im Bezug auf die Inaktivierung z.B. von Wurmeiern, einschließlich der

resistentesten im Kot befindlichen Ascaris Wurmeier, wird bei Umgebungstemperaturen von 20 ◦C, eine Lagerungszeit

von 1,5 bis 2 Jahren benotigt[3]. Wichtig ist, dass aus Hygienegrunden ein direkter Kontakt in dieser Zeit unbedingt

vermieden werden muss. Deshalb sollte z.B. beim Umschichten oder Umgraben des Substrats geeignetes Werkzeug

und Handschuhe verwendet werden.

Kompostieren

Beim Kompostieren erzeugen aerobe Rottebakterien Temperaturen von etwa 50 bis 55 ◦C, so dass davon auszugehen

ist, dass Krankheitserreger in wenigen Tagen abgetotet werden. Bei der aeroben Kompostierung ist darauf zu achten,

dass meist noch kohlenstoffhaltiges Material beigemischt werden muss, um ein optimales C/N-Verhaltnis von ca. 25/1

zu erreichen[27]. Außerdem muss die Population der fur den Kompostierungsprozess wichtigen Mikroorganismen eine

gewisse Mindestgroße haben. Um unerwunschte Faulungsprozesse zu vermeiden muss außerdem auf eine ausreichende

Luftzufuhr und eine Reduktion der Feuchte, z.B. durch Abfuhr der befeuchteten Luft, geachtet werden[9].

Spezielle Varianten der Kompostierung sind:

11

laila
Hervorheben
laila
Hervorheben

• Hot Composting

Aerobe/anerobe Kompostierung, die bei 45 bis 60 ◦C stattfindet und eine mesophile und thermophile Phase

hat. Die Zerstorung der Pathogene erfolgt dabei in der thermophilen Phase. Problem: manchmal Nachwuchs

der Erreger in der darauf folgenden mesophilen Phase.

• Vermicomposting = Kompostierung mit Regenwurmern

Vorteile sind: A) Regenwurmer ubernehmen die Durchmischung des Substrats, B) Regenwurmer tragen durch

Stoffwechselarbeit besonders effektiv zum biochemischen Abbau von Biomasse bei und C) bilden sich im Darm-

trakt von Regenwurmern Organo-Mineral-Komplexe, die eine sehr hohe Kationenaustauschkapazitat (KAK),

d.h. Nahrstoffspeicherfahigkeit besitzen[28]. Bedingungen fur eine gute Kompostierung: 25-35 ◦C, 65 bis 80 %

Feuchtigkeit im Substrat und ca. 2,2 kg/m2 Wurmer. Bisherige Erkenntnisse sind, dass durch Vermicompos-

ting kein Nachwachsen von Pathogenen erfolgt, jedoch wurde auch keine vollstandige Hygienisierung erwiesen.

Die Inaktivierung von Bakterien erfolgt beim Vermicomposting durch den niedrigen pH Wert, der durch die

Saureproduktion auf ca. 4 abfallt[29].

Basische Behandlung

Bei pH-Werten uber 9 werden die meisten pathogenen Stoffe uber eine Dauer von 6 Monaten eliminiert[3]. Hohere

pH-Werte konnen diese Mindestverweilzeit drastisch reduzieren. So ist bei pH-Werten uber 12,5 zusammen mit Tem-

peraturen von 55 bis 70 ◦C nur noch eine Verweildauer von 2 Stunden notig[9]. Als weiteren positiver Nebeneffekt ist

zu nennen, dass die Geruchsbildung im stark alkalischen Bereich reduziert wird. Die pH-Wert-Erhohung kann durch

Zugabe von Asche, Kalk oder Urin erzielt werden[4], [26].

Laktofermentation

Charakteristisch fur die Fakalienbehandlung per Laktofermentation (LF), d.h. einer Milchsaurevergarung ist die Zu-

gabe von sog.”Effektiven Mikroorganismen“ (EM). Dabei handelt es sich um

”dominante, positive Mikroorganismen,

die in Symbiose leben und wirken, Faulnis und ubermaßige Oxidation verhindern und zu einer positiven Mikrobiologie

fur Tier, Mensch und Pflanze beitragen“(Prof. Teruo Higa, Japan, [25]). Die durch EM angeregte LF fuhrt dazu,

dass statt einem ausschließlichen Abbau der Biomasse, wie bei der Kompostierung, auch ein Umbau der Biomasse

stattfindet, d.h. eine Humifizierung und Bildung von Huminstoffen. Wahrend der LF fallt der pH-Wert auf etwa 4.

Der Zusatz von EM zur Kompostierung resultiert in einer signifikanten Verringerung der Geruchsbelastigung. Die

Inaktivierung von Bakterien durch LF wurde an der Uni Magdeburg von Dr. Monika Kruger untersucht und bestatigt.

Allerdings konnte durch die LF kein Abtoten von Wurmeiern nachgewiesen werden.

Pasteurisierung

Allgemein wird unter der Pasteurisierung das kurzzeitige Erwarmen, meist in Temperaturbereichen von 60 bis 95 ◦C,

verstanden. Bei der Hygienisierung von Klarschlamm wird unter anderem die Schlammpasteurisierung angewandt.

Dabei wird der Schlamm wahrend einer Dauer von 1 Stunde auf mindestens 70 ◦C erhitzt und die meisten Pathogene

so zerstort[9].

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Thermische Konditionierung unter Ausnutzung hohere Drucke

Die Behandlungsdauer lasst sich bei thermischen Hygienisierungsprozessen durch hohere Temperaturen und auch

durch hohere Drucke reduzieren. Bei der Hygienisierung von Schlachtabfallen werden so bspw. Sterilisationsverfah-

ren verwendet, die bei 133 ◦C und 3 bar nach 20 min. beendet werden konnen, wobei anschließend hygienische

Unbedenklichkeit garantiert wird[9], [22].

Das Autoklavieren wird typischerweise in der Medizintechnik und Pharmazie zum Sterilisieren von medizinischen

Geraten eingesetzt. Vorzugsweise findet die Sterilisation dabei unter feuchten Bedingungen in einer Sattdampfatmo-

sphare statt. Ublicherweise wird in der Praxis eine Temperatur von 121 ◦C zum sterilisieren verwendet. Wichtig ist

dabei, dass die Zeit ausreichend lange gehalten wird, so dass an jeder Stelle innerhalb des Autoklaven, die Sterilisa-

tionstemperatur erreicht wird. Resistentere Viren sollten bei einer Temperatur von uber 130 ◦C und einer Dauer von

min. 1 Stunde behandelt werden.

Verbrennung

Eine weitere Moglichkeit der Hygienisierung stellt die Verbrennung dar. Sie erfordert jedoch die vorherige Trocknung

des zu verbrennenden Materials. Da bei diesem Verfahren Temperaturen von uber 600 bis 1200 ◦C erreicht werden,

ist von einer vollstandigen Hygienisierung auszugehen. Bei der Verbrennung reagiert der enthaltene Kohlenstoff mit

Sauerstoff, so dass am Ende des Prozesses in den Verbrennungsruckstanden hauptsachlich mineralische Substanzen

verbleiben. Innovative Verfahren zielen auf eine Ruckgewinnung der Nahrstoffe, insb. Phosphor, aus der Asche ab.

Diese befinden sich allerdings meist noch in der Forschung zur Anwendungsreife bzw. Demonstrationsphase. Eine

direkte Anwendung der Asche im Boden sollte nicht erfolgen, da diese auch Schwermetalle enthalten kann. Außerdem

liegen die Nahrelemente meist nicht in pflanzenverfugbarer Form in der Asche vor, sodass eine Ruckgewinnung weitere,

z.B. chemisch oder biochemisch, Aufbereitungsschritte erfordert. Ein weiterer Nachteil dieses Verfahren ist, dass es,

um effizient zu sein, den Einsatz trockener Substrate erfordert und somit die Fakalien oder der Klarschlamm zuvor

mechanisch entwassert und dann getrocknet werden mussen, was meist mit einem erheblichen Energieaufwand bzw.

bei Anwendung von solarer Trocknung mit einem hohen Flachenbedarf verbunden ist.

2.2.3 Zusammenfassung

Die meisten Pathogene, die in Fakalien zu finden sein konnen, wie Bakterien, Viren und Mikroorganismen, sowie

der Erreger der Bilharziose, werden uber die Fazes ausgeschieden. Als zusatzliche Problemgruppe sollte bei der

Hygienisierung der Fazes besonders auf Wurmeier geachtet werden. In Tabelle 2.2.3 sind abschließend die Behand-

lungsmoglichkeiten von Fazes anhand der wichtigsten Parameter Zeit und Temperatur sowie eine Abschatzung der

Wirksamkeit im Hinblick auf potentiell noch enthaltenen Pathogene dargestellt.

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Tabelle 7: Zusammenfassung der Behandlungsmoglichkeiten von Fazes

Verfahren Zeit Temperatur Weitere wichtige

Parameter

Mogliche verbleibende

Pathogene

Trocknung 1-2 Jahre Wassergehalt Wurmeier

Basische Be-

handlung

Stunden bzw. Monate 70 ◦C bzw. Umgebung-

stemperatur

pH>9 bis 12,5

Aerobe Kom-

postierung

Mehrere Tage 50-55 ◦C Wurmeier, Bakterien-

sporen

Pasteurisierung 10-30 min. 65-95 ◦C Bakteriensporen, Vi-

ren

Auskochen 15 min. 100 ◦C Bakteriensporen

Thermische

Konditionierung

45-60 min Hochtherm. 180-210 ◦C;

Niedertherm. 80-90 ◦C,

Autoklavieren 120-130 ◦C

2-20 bar keine

3 Sanitare Versorgungssysteme

3.1 Herkommliche Ansatze

Unter okologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet sind die meisten bestehenden sanitaren

Versorgungsstrukturen nicht nachhaltig. Dies gilt insbesondere fur angewandte Techniken in industrialisierten Landern,

die eine Fakalienbeseitigung durch Wassertoiletten, Kanalisation und Klarwerk, d.h. basierend auf dem sog.”Flush-

and-discharge“ Prinzip (siehe Abbildung 7) realisieren. In armeren Landern wird meist aus Mangel an Alternativen das

”Drop-and-store-Prinzip“ (siehe Abbildung 8) angewendet und die Fakalien in Lochern o.a. unter der Erde deponiert

werden.

Abbildung 7: Die Toilettenabfallhandhabung nach dem flush-and-discharge bzw. end-of-pipe Ansatz[1]

Beide Varianten sind als nachteilig zu bewerten, da sie A) in großen Mengen Trinkwasser verschmutzen und B) die in

Fakalien enthaltenen Nahrstoffe nicht nutzen. In Industrielandern werden durch”Flush-and-discharge-Systeme“ ca.

15.000 Liter Trinkwasser pro Person und Jahr verunreinigt um die Toilettenabfalle abzutransportieren. Die Aufberei-

tung der am Ende der Rohrleitungen anfallenden Mengen mit Fakalien verschmutzten Trinkwassers (”End-of-pipe“)

ist sehr energieaufwendig und teuer. In Deutschland wird zur Ruckfuhrung der Nahrstoffe auf landwirtschaftliche

Flachen zwar eine Hygienisierung des Klarschlamms angestrebt, jedoch”aufgrund der geringen Auswahl geeigne-

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ter Hygienisierungsverfahren fur Klaranlagen“ noch nicht vorgeschrieben[9]. Außerdem stellt das Umweltbundesamt

fest:”Aus Kostengrunden wird derzeit eine Klarschlammhygienisierung praktisch nicht eingesetzt, auch dort nicht,

wo Aggregate bereits installiert sind. Im Hinblick auf eine Gleichbehandlung von Dungemitteln sollte jedoch der

Klarschlamm vor einer landbaulichen Verwertung grundsatzlich einer hygienisierenden Behandlung unterworfen wer-

den“[9]. Hierfur sei es jedoch notwendig,”neue Methoden der Klarschlammhygienisierung, insbesondere fur kleinere

Anlagen“ zu erforschen. Auch die Nahrstoffruckgewinnung aus Klarschlamm durch eine entsprechende Aufbereitung,

so dass die darin enthaltenen Nahrstoffe wieder in pflanzenverfugbarer Form vorliegen, ist immer noch im Bereich

der Forschung und wird praktisch noch nicht umgesetzt.

Bei den meist in armeren Landern angewandten”Drop-and-store-Systemen“ findet eine Verunreinigung des Grund-

wassers durch Sickerwasser aus den Gruben statt; uber das Grundwasser konnen die Verunreinigungen anschließend

in Wasserquellen bzw. Fließgewasser gelangen und werden dort zu Infektionsrisiken.

Abbildung 8: Das drop-and-store-Prinzip und seine Probleme am Beispiel ein sog. Grubenlatrine bzw. Pit-latrine[10]

Ein Beispiel fur herkommliche”Drop-and-store-Systeme“ sind septische Tanks. Hier werden die Fakalien nicht direkt

in der Erde sondern in einem Behalter gesammelt und dort meist biochemisch aufbereitet und die festen Partikel setzen

sich ab. Damit die Tanks nicht zu schnell voll sind, wird die flussige Phase anschließend weitergeleitet und im Boden

versickert. Der Boden soll dabei die Aufgabe eines Filters ubernehmen. Im Effekt wird ein Großteil der wertvollen

Nahrstoffe in der Erde deponiert, so dass sie fur Pflanzen nicht weiter zuganglich sind und durch Auswaschungen von

Stickstoff und Krankheitserregern kommt es zu erheblichen Verschmutzungen von Grund- bzw. Trinkwasser.

Wahrend sich die herkommlichen Ansatze weiter verbreiten nimmt weltweit die Degradation der Boden zu und deren

Humusversorgung ab. Außerdem steigen gleichzeitig die Preise fur die Grundelemente von kunstlichem Mineraldunger

(NPK) aufgrund deren Knappheit stetig und rasant an. Ziel ist es deshalb, zu den vorherrschenden linearen Strategi-

en neue Alternativen zu finden, die Wasserressourcen schonen und eine Kreislauffuhrung der in Fakalien enthaltenen

Wertstoffe ermoglichen. Toilettenabfalle sollten zu”Human Manure“ bzw.

”anthropogenem Wirtschaftdunger“ um-

definiert werden.

Im Folgenden sollen zwei innovative Konzepte aus dem Bereich der Abfall- und Abwasserentsorgung bzw. -verwertung

vorgestellt werden.

3.2 Innovative Ansatze: Ecological Sanitation

”Ecosan provides human health and environmental protection using affordable and appropriate technologies to match

the needs of the entire world. (. . . ) Ecological sanitation provides alternative solutions with or without water, while

15

providing containment, treatment and recycling of excreta. (. . . ) With ecosan the use of sanitized human excreta as

a fertilizer enhances crop growth and, as a result, increases nutrition for those who depend on subsistence farming,

or helps to generate income for those who sell the products they grow“[30].

Grundlegender Ansatz von Ecological Sanitation (EcoSan) ist eine ganzheitliche Betrachtung und Losung der Abwasser-

und Abfallproblematik, indem Stoffkreislaufe geschlossen werden und Abfalle als Wertstoffe betrachtet werden. Ab-

bildung 9 zeigt das Prinzip der okologischen, kreislauforientierten Abwasser- Abfallwirtschaft.

Abbildung 9: Das EcoSan-Konzept[10]

In EcoSan-Ansatzen werden bisher als Abfall bezeichnete und behandelte Stoffe zu Wertstoffen umdefiniert, d.h.

ihnen wird anstatt ausschließlich Entsorgungskosten auch ein Wert zugeschrieben. Dies gilt vor allem fur Wasser,

organische Stoffe und mineralische Nahr- und Spurenelemente. Wertstoffe sollen prinzipiell bedacht und sparsam

verwendet und anschließend wieder- bzw. weiterverwendet werden. Durch die Wiedergewinnung und Ruckgefuhrung

der Wertstoffe sollen negative Umwelteinflusse vermieden bzw. reduziert werden und die Notwendigkeit des Ressour-

censchutzes Beachtung finden[16].

Damit die Vorteile dieser Kreislaufwirtschaft nicht mit einer moglichen Verbreitung von Infekten einhergehen, wird

auch die Thematik der Hygienisierung bedacht. So werden Gefahren der Krankheitsubertragung durch Fakalien oder

durch fakal verunreinigtes Wasser innerhalb des Systems beseitigt bzw. reduziert. Durch die Nahrstoffruckfuhrung

kann somit im Vergleich zur kommerziellen Dungung ein kostengunstiger und nachhaltiger Beitrag zur Sicherung der

Nahrungsproduktion geleistet werden.

Abbildung 10 zeigt vermeidbare Umweltschaden bei der Anwendung von okologischen Abfall- und Abwassermanage-

mentmethoden im Vergleich zu herkommlichen”End-of-pipe-Systemen“.

16

Abbildung 10: Umweltschaden, die durch EcoSan vermieden werden[10]

EcoSan-Projekte beinhalten neben sanitaren Einrichtungen im Sinne von einfachen, Low-Tech8-Toilettenlosungen,

die eine Nutzung der Nahrstoffe integrieren auch Techniken zur Abwasseraufbereitung wie z.B. Pflanzenklaranlagen.

Hier soll sich jedoch weiter auf den Toilettenaspekt konzentriert werden.

3.2.1 Angewandte Sanitarsysteme in EcoSan-Projekten

In EcoSan-Projekten kommen bisher sowohl Komposttoiletten als auch Trenntoiletten zum Einsatz. Die meisten

Projekte haben zu einer deutlichen Verbesserung der hygienischen Situation vor Ort gefuhrt. Es besteht jedoch weiter

die Problematik, dass sehr resistente Pathogene, wie Wurmeier oft nicht eliminiert werden konnen.

Im Folgenden soll zwischen einfachen Losungen und komfortablen Toiletten unterschieden werden.

Einfache Toiletten

Die in EcoSan-Projekten verwendeten Toilettenkonstruktionen, die vorrangig in sudlichen Landern (z.B. Lateinamerika

und Afrika) eingesetzt werden, sind in Tabelle 7 charakterisiert.

Bei den ersten beiden Varianten, Arbaloo (Abbildung 11) und Fossa Alterna (Abbildung 12) handelt es sich um

Komposttoiletten; bei der drittem um eine Variante einer einfachen Trenntoilette (UDDT9, siehe Abbildung 14).

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”Low-Tech ist eine Technologie, die auf leichtverstandlicher und einfach aufgebauter Technik basiert. Ihre Produkte sind unter der

Expertise lokaler Gemeinschaften herstell-, bedien- und reparierbar. Sie verursachen uber ihren gesamten Lebenszyklus kleinstmoglichen

okologischen Schaden; sie sind langlebig, aus weitestgehend lokal verfugbaren, nachwachsenden oder recycelten und kostengunstigen

Materialien hergestellt. Das Konzept basiert auf sozialer und kultureller Akzeptanz und freier Verfugbarkeit des Wissens“.

Erabeitet von der Projektwerkstatt”Bauraum - LowTech“ an der TU Berlin, Januar 2011.

9Urin Diverting Dry Toilette (engl.) =”Urinseparationstoilette“ oder

”Trenntrockentoilette“

17

Abbildung 11: Die Arborloo-Toilette[31]

Abbildung 12: Das Fossa Alterna-Prinzip[32]

Tabelle 8: Einfach Toilettenvarianten fur EcoSan-Projekte

Arborloo Fossa Alterna UDDT

Bauweise einfache Grube (1m tief), daruber

einfach Toilette

zwei Gruben (1,5 m tief), daruber

einfache Toilette

Sammelbehalter (ca. 20 l) in

uberirdischer Kammer un Toilette

mit einfacher Trennvorrichtung

Funktion einmal verwenden, dann Baum

pflanzen

Gruben werden alternierend ver-

wendet; in der anderen wird kom-

postiert

Vorkompostierung im Sammel-

behalter; externe Kompostierung

nach Entleerung

Inhalt Fakalien plus Erde, Asche, Blatter Fakalien plus Erde, Asche, Blatter Fazes plus Asche, Blatter; Urin-

sammlung getrennt

Turnus 6-12 Monate 12 Monate 2-6 Monate

Nachteil neue Gruben graben, Toilette

muss wandern

erfordert gute Konstruktion fur

langlebige Funktion, erfordert

Entleerung der Kompostgrube

komplexere Bauweise und teurer

Vorteil gunstig, keine Kontakt mit Faka-

lien da keine Handhabung erfor-

derlich

gunstig geringere Geruchsbelastigung

durch Trennung, hoherer Ar-

beitsaufwand fur regelmaßiges

Entleeren

18

Abbildung 13: Aufbau einer einfachen Urin-Trenntrockentoilette (UDDT)[10]

19

Komfortable Toiletten

Auch im Bereich der komfortablen Toiletten, die hauptsachlich in Europa (z.B. Schweden) und Nordamerika (z.B.

Kanada) verwendet werden, gibt es sowohl das Prinzip der Trenn- als auch der Komposttoiletten.

Abbildung 14: Verschiedene Modelle von Urinseperationstoiletten - UDDTs[10]

Die komfortable Urinseparationstoilette hat den Vorteil, dass sie kein bis nur wenig Wasser (max. 5-8 Liter, im

Vergleich zu 25 bis 40 Litern bei herkommlichen Toiletten mit Wasserspulung)[25], benotigt. Die Trennung der

Fraktionen vereinfacht die anschließende Handhabung im Sinne der Aufbereitung und somit auch die Verwendung als

Dunger. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die Trennung die Geruchsbelastigung reduziert werden kann. Nachteilig

ist, dass das Konzept erst recht neu ist und noch nicht wirklich bekannt. Somit fehlt es an Erfahrungsberichten und

die soziokulturelle Akzeptanz ist noch eher gering. Die Trennung der Fraktionen erfolgt meist mechanisch, d.h. durch

eine physische Trennung schon in der Kloschussel. Wie in Abbildung 14 dargestellt unterscheiden sich die verfugbaren

Modelle dabei in der Komplexitat der Trenneinrichtung und somit auch in den Herstellungskosten (hier: von links

nach rechts aufsteigend).

Eine außerlich ahnlich Variante stellen die komfortable Komposttoiletten dar. Dabei werden jedoch Fazes und Urin

nicht getrennt, sondern gemeinsam in einem Behalter aufgefangen und anschließend kompostiert. Die Kompostierung

erfolgt meist in einem Teil der Toilette, was durch die daraus resultierende relativ umfangreiche Baugroße einen Nach-

teil dieser Bauweise mit sich bringt. Es gibt allerdings auch Varianten, die einen Abtransport per Fallrohre realisieren

und die Kompostierung in einem großeren Sammelbehalter bspw. im Keller erfolgt. Vorteil der Komposttoiletten

ist, dass sie kein Wasser erfordern, bzw. dies sogar erforderlich fur eine erfolgreiche Kompostierung ist, damit das

Substrat nicht zu feucht wird und schimmelt. Meist werden bei der Benutzung von Komposttoiletten zur Reduktion

der Feuchte zusatzlich Sagespane nach jedem Toilettengang hinzugefugt.

Weitere entwickelte Konzepte, wie z.B. die Vakuumtoilette, zeichnen sich ebenfalls durch einen geringen Wasserbedarf

aus. Allerdings ist die technische Realisierung eher im High-Tech-Bereich anzusiedeln und der Betrieb erfordert ver-

gleichsweise viel Energie. Somit ist dieses Modell nur fur Sonderanwendung, wie z.B. auf Schiffen oder in Flugzeugen,

geeignet.

20

Abbildung 15: Verschiedene Modelle der Komposttoilette[10]

3.2.2 Urindungung und sozio-kulturelle Akzeptanz

Kommen UDDTs zum Einsatz, werden die Fakalien in der Toiletten vorkompostiert, getrocknet und anschließend

zur Aufbereitung weiter kompostiert. Der Urin kann nach einer fur die notwendige Aufbereitung entsprechenden

Lagerungszeit direkt bzw. mit Wasser verdunnt als Dunger zum Einsatz kommen. Ein Problem der Urindungung ist

jedoch die gesellschaftliche Akzeptanz. Viele Menschen schrecken vor dem Gedanken zuruck, direkt mit Urin gedungte

Pflanzen zu essen. Durch verstarkte Aufklarungsarbeit oder die Moglichkeit vorrangig Pflanzen, die als Viehfutter

verwendet werden sollen, zu dungen, muss dies jedoch kein Hinderungsgrund bleiben. Ein interessanter Ansatz wird

derzeit von Mammo Beriso an der TUHH untersucht. Dabei soll die Urin zur Dungung beim Anbau von Beinwell10

eingesetzt werden. Durch ihr tiefes Wurzelwachstum kann diese Pflanze besonders effizient Nahrstoffe aus dem Boden

aufnehmen. Anschließend werden die Blatter geerntet, die sich unter Abschluss von Luftsauerstoff wahrend einer etwa

4-wochigen Lagerung zersetzen. Als Produkt dieser Abbauphase entsteht eine dunkelbraune zahe Flussigkeit, die sehr

viele der durch den Urin zugefuhrten Nahrstoffe enthalt. Diese sog.”Pflanzenjauche“ kann nun als Dunger eingesetzt

werden.

3.3 Innovative Ansatze: Terra Preta Sanitation

Grundsatz dieses neuen Konzeptes, das u.a. von Prof. Otterpohl et al.11 und Dr. J. Recklin12 und H. Pieplow13

entwickelt wurde, ist:”If there is a problem, look for other problems and solve them together“.

Unter Terra Preta Sanitaion (TPS) wird folgendes Konzept verstanden: Integration von Sanitarlosung und Boden-

verbesserung durch Ruckfuhrung der in den Exkrementen enthaltenen Nahrstoffe und des Kohlenstoffs uber den Weg

der Kompostierung und nach den Prinzipien der Terra Preta, d.h. mit Beimischung von Holzkohle.

”Research on practical application of the principles of modern TPS has shown that it is possible to convert in a

hygienic and sustainable way biowaste and faecal matter into highly fertile humus-like material. TPS makes use

of lactofermentation and vermicomposting in a two-stage process. One of the main advantages is that the lacto-

10comfrey (engl.)11Institut fur Abwasserwirtschaft, TUHH12Pflanzenvielfalt e.V., Eberswalde13BMU

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fermentation works efficiently and stable without air exchange and produces no offensive odours“[33].

Bestandteile von TPS sind:

• Urin-Trenntrockentoilette

– Urinsammlung und Lagerung;

Verwertungsmoglichkeiten: direkt als Dunger (1:10 verdunnt) oder Zugabe bei Kompostierung (dann

außerdem Zumischung von Holz, Spane, Stroh, Laub, Kohle etc. notwendig um ein gutes C/N-Verhaltnis

zu erhalten)

– Fakaliensammlung und Vorkompostierung in UDDTs und anschließend Kompostierung

• Einsatz von Charcoal schon in der UDDT um Geruchsbelastigung zu vermeiden

• Kompostierung: anaerob, aerob, LF

Zutaten fur Terra Preta nach dem TPS-Ansatz (nach Jurgen Recklin):

• Steinmehl: liefert Mineralien

• Urin: kann vorher gespeichert/gelagert werden

• Fazes: ggf. vorkompostiert mit EM und Kohle (”Holzkohlebokashi“)

• frisches Holz: liefert C um hohe N-Fracht des Urins auszugleichen und ist notwendig um gutes C/N-Verhaltnis

zu erreichen. Dieses sollte initial zwischen 22 und 24 liegen. Das Vol.-Verhaltnis Urin/Holz sollte ca. 1/50

betragen. Holz enthalt viel Lignin, das eine strukturelle Ahnlichkeit zu Huminstoffen besitzt und sich somit

vorteilhaft auf die gewunschte Humifizierung auswirkt. Anstatt Holz ist auch die Verwendung von Bambus

oder Hanf moglich, womit bisher sehr gute Ergebnisse erreicht wurden.

• Mikroorganismen: aerobe und anaerobe arbeitende Organismen im Verhaltnis 4/1

• Mischung aus Mulch mit EM und per LF vorkompostiert

• gemahlene Holzkohle: ca. 10% des Endvolumens; Holzkohle bietet gute Lebensbedingungen fur Mikroorganis-

men, so dass die Oberflache bzw. Poren der Holzkohle von geeigneten Mikroorganismen kultiviert werden.

• Kuchenabfalle oder andere anfallende organische Reststoffe, wie z.B. Algen, wenn vorhanden/in Meernahe

Die Kompostierung sollte draußen und vorzugsweise unter einem Baum erfolgen. Vor der Mischung der Substrate wird

an der Stelle des Komposthaufens ein wenig Bruchholz flachig verteilt. Anschließend sollten die Zutaten in Schichten

bis zu einer Gesamthohe von max. 50 cm aufgetragen werden. Es sollte anfanglich einmal alles gut durchmischt

werden und anschließend ruhen gelassen werden. Auf ein Beimischen von Asche oder Kalk sollte verzichtet werden,

da die basischen Bedingungen zur Bildung von Ammoniak und somit zu N-Verlusten fuhren. Nach ca. 1 Monat sollte

neben den TP-Haufen einen Erdhaufen mit Regenwurmern aufgeschuttet werden. Ist das Milieu in der TP passend,

ziehen die Wurme von alleine ein. Wahrend der gesamten Kompostierung sollte ein gewisser Feuchtegehalt in der

Substratmischung gesichert werden, d. h. der Komposthaufen ggf. abgedeckt oder Wasser nachgeben. Nach ca. 3 bis

6 Monate ist die TP fertig. Das Gesamtvolumen der Mischung schrumpft wahrend der Kompostierung um ca. 20%.

Fur die Einbringung in den Boden sollte ca. 10 l selbstgemachte TP pro m2 aufgebracht werden. Erfahrungswerte

zeigen, dass ca. 500 Liter TP 30 kg Biokohle benotigt werden.

22

3.4 Zusammenfassung

Unter dem Aspekt der Hygienisierung von Fakalien spielt inbesondere die Behandlung der Fazes eine wichtigr Rolle,

da darin die meisten Krankheitserreger enthalten sind. Nach dem dargestellten Wissensstand zur Hygienisierung von

Fazes konnen die meisten Bakterien, Viren und Parasiten bei Temperaturen unter 70-100 ◦C unschadlich gemacht

werden. Das Verfahren der Autoklavierung bei feuchter Hitze (uber 120 ◦C) und unter Druck gewahrleistet außerdem,

dass auch resistente Bakteriensporen und Viren abgetotet werden.

Nach dem Stand der Technik wird eine vollstandige Hygienisierung weder in herkommlichen Klarwerken noch in

innovativen EcoSan-Konzepten realisiert. Fur die Behandlung von Klarschlamm wird eine Behandlung per Pasteu-

risierung angestrebt, die jedoch aus wirtschaftlichen Grunden in der Praxis noch nicht umgesetzt werden kann. In

EcoSan-Projekten wird meist eine Kompostierung als Hygienisierungsverfahren angewendet. Die beiden genannten

Verfahren werden vom Umweltbundesamt als”Hygienisierungsverfahren, die zu einem hohen Hygieneniveau fuhren“

bezeichnet[9]. Jedoch bleibt bei der Kompostierung die Beseitigung von Verunreinigungen mit Wurmeiern problema-

tisch.

Die hydrothermale Carbonisierung im Niedertemperatur-Bereich, bei der eine Temperatur von ca. 140 ◦C bei ca. 4 bar

Uberdruck und Sattdampfbedingungen erreicht und uber mindestens zwei, wahrscheinlich vier Stunden gehalten wird,

erscheint auf Grund ebendieser Prozessparameter als Hygienisierungsverfahren besonders interessant. Bei Betrachtung

der oben dargestellten bekannten Verfahren und unter Beachtung relevanter Parameter bzw. Prozessgroßen, kann

davon ausgegangen werden, dass dieser Prozess zu einer vollstandigen Hygiensierung der behandelten Substrate fuhrt.

Dies bedeutet, dass aus medizinischer Sicht keine Bedenken hinsichtlich einer Weiterverwertung der Wertstoffe mehr

bestehen. Somit bietet das Verfahren eine interessante Erweiterung des EcoSan-Konzeptes, in dem die hydrothermale

Niedertemperatur-Carbonisierung als Hygienisierungsverfahren integriert wird.

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[36] Mammo Beriso. Socio-cultural Aspects of LowTech Projects. Technical report, Institut fur Abwasserwirtschaftund Gewasserschutz, TU Hamburg-Harburg, 2010.

[37] Diverse. Prasentationen GTO-Workshop Berlin November 2010. Technical report, Germant Toilet Organisation,2010.

[38] P.Wilderer, S. Paris. Integrierte Ver- und Entsorgungssysteme fur urbane Gebiete. Technical report, TechnischeUniversitat Munchen, 2001.

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