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Schwere Gussteile vom Fließband
Die Heger Gruppe betreibt eine der weltweit innovativsten Gießereien
Vor fünf Jahren war das Konzept revolutionär. Heute ist es das
immer noch. Bei HegerFerrit in der Pfalz werden bis zu 30
Tonnen schwere Naben von Windkraftanlagen in Serie am
Fließband gegossen. Das ist in der Form nach wie vor einmalig
und schafft in der Region zahlreiche neue Arbeitsplätze.
Sembach. Der Tisch ist gedeckt. Darauf steht lediglich ein
Stahlzylinder. Der hat allerdings einen Durchmesser von fast
fünf Metern und ist gut sieben Meter hoch. Leise summend
schiebt sich ein auf Schienen fahrender Hubwagen zwischen
die Tischbeine und hebt das rund 130 Tonnen schwere
Ensemble einige Zentimeter an. Im Schritttempo geht es in eine
große, düstere Halle. Wenige Minuten später werden hier, unter
einem Funkenregen, mehr als 30 Tonnen, rund 1.500 Grad
heiße Eisenschmelze in den Zylinder gegossen.
Währenddessen werden gut 50 Meter zurück, auf einem
weiteren Tisch, die Teile der nächsten Gussform für die
Rotornabe einer Windkraftanlage zusammengesetzt.
Gießen am Fließband. Bei kleineren Teilen bis zu 100
Kilogramm, beispielsweise Motor- oder Getriebeblöcke für die
Automobilindustrie, ist das nichts Besonderes. Was allerdings
im pfälzischen Sembach bei Kaiserslautern geschieht, ist in der
Größenordnung und in den Abläufen einzigartig. Verantwortlich
dafür ist Johannes Heger, geschäftsführender Gesellschafter
der HegerGuss GmbH, einem über 110 jährigen
Traditionsunternehmen aus dem Nachbarort Enkenbach-
Alsenborn. Mit der HegerFerrit GmbH stellte der Unternehmer
2009 ein Gießerei-Konzept für handgeformte große Gussteile
auf die grüne Wiese, das es so bis heute auf der Welt „kein
zweites Mal gibt“ und das technologisch in Deutschland
„unumstritten die Nummer Eins“ sein dürfte.
Den Aufwind der Windenergie genutzt„Wir hatten als Familienunternehmen das Glück“, sagt Heger,
„damals ohne langes Zögern zum richtigen Zeitpunkt handeln
zu können.“ Der richtige Zeitpunkt war der Aufwind in der
Windenergiebranche und die Tatsache, dass einer der größten
deutschen Windrad-Hersteller einen Fünf-Jahres-Vertrag mit
Heger abschloss. Der sicherte die Investitionen von mehr als 25
Millionen Euro ab.
Schwere Gussteile in Serie, darum dreht sich im wahrsten
Sinnes des Wortes seitdem alles im neuen Werk. Das
Herzstück ist nämlich eine Kreisbahn mit einem Durchmesser
von 110 Metern. Durchbrochen wird dieses Zentrum von vier
länglichen Hallen, die den Kreis wie Stachel durchstoßen. In
der Kreishalle werden die Gussstücke wie auf einem Fließband
auf Schienen zur jeweiligen Produktionsstation befördert. Die
innovative Idee ist dabei, dass das Werkstück zum Arbeiter
kommt. Das ist genau umgekehrt der bisherigen Arbeitsweise in
Gießereien. „In jeder Halle“, sagt Heger, „findet nur eine Art von
Tätigkeit statt.“ So könnten Prozesse sich nicht gegenseitig
stören. Die Arbeitsstationen seien erstmals ortsfest „und
können produktiv, sicher und ergonomisch korrekt gestaltet
werden“. Mit diesem Konzept ließen sich bis zu 2.000 große
Windradnaben pro Jahr produzieren. Die Planung, und darauf
ist der Geschäftsführer besonders stolz, wurde übrigens
komplett von den Ingenieuren bei HegerGuss durchgeführt.
Fließbandguss bis 30 TonnenDer Exklusiv-Vertrag mit Windrad-Hersteller ist im vergangenen
Jahr ausgelaufen, was für die Gießerei ganz neue
Möglichkeiten eröffnet. „Die sind noch immer unser größter
Kunde“, sagt Heger, „doch nach Ablauf der Vereinbarung
haben wir auch andere Hersteller als Kunden gewonnen – und
beliefern damit nun drei der führenden Windradbauer in
Europa.“ Das sei anfangs nicht geplant gewesen. Doch
aufgrund der rasanten Entwicklung der Windkraftbranche ist
Heger jetzt froh, dass die Bindung an einen Hersteller
ausgelaufen ist.
Geplant waren ursprünglich auch nicht die ganz großen Teile.
„Das Stückgewicht lag anfangs bei acht bis zehn Tonnen,
maximal waren 15 Tonnen möglich“, so Heger. Doch für die
rasant wachsende Windenergiebranche und die mit ihr
wachsenden Windräder war dies nicht genug – mittlerweile
werden größere Naben benötigt. „Unsere Ingenieure und
hochqualifizierten Facharbeiter haben es geschafft“, freut sich
Heger, „das Maximalgewicht auf das Doppelte, also 30 Tonnen,
zu erhöhen. Mit zwei Gießpfannen und zwei Kränen, die
gleichzeitig im Einsatz sind, ist dies möglich.“
Produktivität und Arbeitsplätze verdoppeltDurch das neue Fabrikkonzept hat sich die Produktivität
verdoppelt. „Die Möglichkeiten des nun höheren Stückgewichts
haben den Markt vergrößert, die Wettbewerbsfähigkeit
gesteigert und auch die Produktivität im Vergleich zu anderen
konventionellen Wettbewerbern weiter verbessert“, betont
Heger. Das wirkt sich auch auf die Beschäftigung aus. Mit 50
neuen Mitarbeitern war man 2009 in Sembach gestartet –
mittlerweile sind es 80. „Die Zahl wird in den nächsten Monaten
auf 100 steigen“, prognostiziert Heger, „da der Umsatz weiter
wächst.“ Allein mit den jetzt schon vorliegenden Bestellungen
bis Ende 2015 ergibt sich für die letzten beiden Jahre eine
Umsatzsteigerung von knapp 70 Prozent.
Während Heger einerseits mit dem Guss von Windradnaben an
den regenerativen Energien und an der Energiewende beteiligt
ist, wird im Sembacher Werk aber auch enorm viel Energie
verbraucht. Obwohl die benötigte Energie bei dem neuen
Gießereikonzept um 200 Kilowattstunden pro Tonne erzeugtem
Guss niedriger ist als in anderen Gießereien, werden pro Jahr
immer noch rund 20 Millionen Kilowattstunden benötigt. Das ist
ungefähr so viel, wie eine Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern
verbraucht. „Die Achillesferse der deutschen Gießereien im
internationalen Wettbewerb“, sagt Heger, ist neben den
Personalkosten vor allem der hohe Stromkostenfaktor.“ Doch
das Unternehmen verbraucht nicht nur viel Energie, es
produziert auch welche. Seit Mai 2013 deckt ein eigenes
Windrad – gleichzeitig gut sichtbares Wahrzeichen von
HegerFerrit – rund ein Drittel des jährlichen Stromverbrauchs
der Gießerei ab. Die Nabe stammt natürlich aus eigener
Produktion.
Das Familienunternehmen mit seinen 270 Mitarbeitern
produziert mittlerweile neben den Windradnaben in der vierten
Generation auch andere hochwertige Eisengussteile für den
Weltmarkt. So wurde vor einiger Zeit im Stammwerk
HegerGuss im benachbarten Enkenbach der größte und
schwerste Motorblock der Firmengeschichte mit mehr als vier
Metern Länge und 13.000 Kilogramm Stückgewicht gegossen.
Der daraus gebaute V16-Motor sei ein Prototyp mit großer
Zukunft und würde zur stationären Energieerzeugung
eingesetzt.
„Zur Formherstellung kam ein neues, selbst entwickeltes
Formverfahren zum Einsatz“, erläutert Heger, „dass bei einer
extrem komplexen Bauteilgeometrie gleichzeitig eine wesentlich
verbesserte Maßgenauigkeit des Gussteils ermöglicht.“ Lange
Kanäle in Längsrichtung würden nicht mehr aufwändig gebohrt,
sondern gleich beim Gießen gebildet. Das würde allerding noch
im traditionellen Verfahren gegossen – nicht auf fahrenden
Tischen.
Ansprechpartner:HegerGuss GmbH
Johannes HegerTel: 06303 – 803 111
Fotos zum Artikel
Abguss der Eisenschmelze in die Gusspfanne
Säubern einer Nabe von Gussrückständen
Erstellen einer Gussform mit Spezialsand
Der Prototyp einer neuen Nabe wird vermessen
Eine 30-Tonnen-Nabe wird für den Transport auf einem Tieflader befestigt
Fotos: Gesamtmetall/Pit Junker
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