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Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie Direktor: Prof. Dr. M. Flentje Anliegen und Praxis der Palliativmedizin Priv.-Doz. Dr. med. Birgitt van Oorschot Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin Uniklinik Würzburg

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Klinik und Poliklinik für StrahlentherapieDirektor: Prof. Dr. M. Flentje

Anliegen und Praxis der

PalliativmedizinPriv.-Doz. Dr. med. Birgitt van Oorschot

Interdisziplinäres Zentrum Palliativmedizin Uniklinik Würzburg

Palliative Versorgung = Sterbebegleitung?

WHO 1990: Palliativmedizin ist die aktive, ganzheitliche

Behandlung von Patienten mit einer progredienten,

weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer

begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die

Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Therapie

anspricht und die Beherrschung von Schmerzen,

anderen Krankheitsbeschwerden, psychischen,

sozialen oder spirituellen Problemen höchste Priorität

besitzt.

veraltete Definition ….

Definition (WHO 2002)

Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung

der Lebensqualität von Patienten und deren

Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind,

die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung

einhergehen, durch Vorbeugen und Lindern

von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen,

untadelige Einschätzung und Behandlung von

Schmerzen sowie anderen belastenden

Beschwerden körperlicher, psychosozialer

und spiritueller Art.

Verbesserung der Lebensqualität

unabhängig vom Krankheitsstadium!

Struktur in Deutschland

Allgemeine Palliativversorgung:

Basiskompetenzen, die jeder am Patienten tätige Arzt

haben sollte (Haupttätigkeit nicht „palliativ“)

Hausärzte, Onkologen, Internisten, Geriater,

Neurologen, Notärzte …

Spezialisierte Palliativmedizin:

Haupttätigkeit Palliativmedizin, Zusatzbezeichnung +

Erfahrung

Konsildienst

Spezialisierte ambulante Palliativmedizin

Palliativstationen, Hospize

410.12.2015

Hospiz – Palliativstation

Spezialisierte Pflegeeinrichtung Krankenhausabteilung

Nicht ständige ärztliche Bertreuung ständige ärztliche Betreuung

Palliative Care Pflege + HA multiprof. Team: Ärzte, Pflege,

weitere Berufsgruppen

Ziel: Verbleib bis Tod Ziel: Symptomlinderung,

Entlassung in ambulante

Weiterversorgung

Mischfinanzierung KK/PK Krankenkassenfinanzierung

510.12.2015

610.12.2015

Bedarfsorientierte Palliativversorgung

Was brauchen Menschen am Lebensende?

710.12.2015

Vorerfahrung prägt

810.12.2015

Realistische Behandlungsziele

Arztperspektive

Nutzen:Tumorkontrolle

Lebensverlängerung(Lebensqualität)

(Symptomlinderung)

Schaden:Nebenwirkungen

BehandlungsbelastungGeringe Wirksamkeit

unrealistische HoffnungTherapieabbruch

Gerechtigkeit

PATIENT:

Einwilli=

gung

Therapie

ARZT:

Indikati

on

Patientenperspektive

Nutzen:Länger Leben

Gefühl der Kontrolle„es wird etwas getan“Therapie = Hoffnung

Schaden:Verpasste Lebenschancen

Anstrengung, Kräfte zehrendBelastetes Sterben:

Unvorbereitetkeine Ruhe gefunden

Sterben nicht am gewünschten OrtUnvorbereitete Angehörige

spät / kein Hospiz-/Palliativkontakt

?

Nutzen – Schaden Abwägung

1010.12.2015

Selbstentscheiden

Vorausplanung zum Lebensende

1110.12.2015

- Patientenverfügung

Hier legen Sie vorab schriftlich fest, welche Maßnahmen bei Ihnen in

gewissen Situationen durchgeführt oder nicht durchgeführt werden

sollen und was Ihnen wichtig ist, wenn Sie nicht für sich selbst

sprechen oder entscheiden können.

- Vorsorgevollmacht

In einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigen Sie eine andere Person

gewisse Entscheidungen für Sie treffen zu dürfen und / oder gewisse

Angelegenheiten für Sie erledigen zu dürfen (z. B.

Gesundheitsangelegenheiten, Behördengänge).

- Betreuungsverfügung

Sie benennen eine Person, die gegebenenfalls als gesetzlicher

Betreuer bestellt werden soll.

III. Selbstbestimmung im Sterben

1210.12.2015

Suizid??

Gesetz zum ass. Suizid

CICERO Salon:

Was würden Sie tun, wenn Sie noch 24 h zu leben hätten?

„Essen, ein letztes Risotto mit grünen Erbsen. Der Tod gewinnt am Ende

alles. Warum soll ich ihm noch einen weiteren Tag opfern? Ich lebe heute.

Einfach.“ Donna Leon, 10/2010

„Welch boshafte Frage! Nicht in Panik verfallen, das ist das Wichtigste.

Zuerst einmal werde ich versuchen zu verhandeln …“ Dani Levi, 8/2010

„Bei mir muss es Kassel sein. Ich war zu lange unterwegs, ich will, wenn

es zu Ende geht, nach Hause. Unterwegs rufe ich meinen Freund an, ich

werde ihn bitten, mitten im Habichtswald einen langen Tisch für 25

Personen aufzustellen …. Hubertus Meyer-Burckhardt, 6/2013

Sterbewunsch?

Wann ist`s genug? – Wunsch nach vorzeitigem Tod

►Ängste, wenn es um das eigene Sterben geht*:

Recht auf Beihilfe z Selbsttötung? Pro: Kontra:

Sterbeprozess hinausgezögert 67 % 50%

Schmerzen, Atemnot o.a. 64 % 51 %

Anderen zur Last fallen 59 % 59 %

Medizin ausgeliefert 48 % 32 %

►20 – 29 % terminal kranker Patienten in Deutschland

(Galushko 2015, Stutz 2014, Lutz 2013)

► … auch im Palliative Care Setting (Pestinger 2015, van Oorschot 2005)

*Repräsentativbefragung der Evgl. Kirche Deutschland (EKD, 5/15), PRISMA-Studie 201316

10.12.2015

Bedürfnis nach einem letzten Ausweg:

„Jetzt nicht, aber als Option für später!“

17

10.12.2015

Ergebnisse (n=4.822 Krebspatienten, Leung 2013):

18

10.12.2015

►Suizidgedanken 5,9 %

(n=280)„Wie oft hatten Sie in den letzten 2 Wochen Gedanken,

dass Sie lieber tot wären oder sich Leid zufügen möchten?“

►Suizidabsicht (66% Antworten) 10 %

(20/186)„Besteht die Möglichkeit, dass

Sie Ihrem Leben ein Ende machen?“

►Subgruppenanalyse (Suizidabsicht):

Männer

Unsicherheit bzgl. med. Entscheidungen,

Probleme in Alltagsleben / Autonomieverlust

Belastung durch „Anderen zur Last

fallen“

Bausewein et al 2013 (PRISMA-Studie)

9.344 Befragte in 7 europ. Ländern

Sign. Einflussfaktoren:

ältere Patienten (> 70J), alleinlebend,

Befragte, die sich eher für LQ als LZ aussprachen

D: eher Männer als Frauen

• Behandlung körperlicher Ursachen (Schmerzen,

Dyspnoe, gastrointestinale Symptome,…)

• Ausschluss Medikamentennebenwirkungen und

psychischer Erkrankungen (Depression)

• Depression behandeln

90 % Depressionen unerkannt / unbehandelt

Medikamentenwirkung n. 10-14 Tg erkennbar

• Gesprächstherapeutische Interventionen:

Dignitiy Therapy

CALM-Intervention

2010.12.2015

Hilfreiche Interventionen

• Behandlung körperlicher Ursachen (Schmerzen,

Dyspnoe, gastrointestinale Symptome,…)

• Ausschluss Medikamentennebenwirkungen und

psychischer Erkrankungen (Depression)

• Depression behandeln

90 % Depressionen unerkannt / unbehandelt

Medikamentenwirkung n. 10-14 Tg erkennbar

• Gesprächstherapeutische Interventionen:

Dignitiy Therapy

CALM-Intervention

• Gesellschaftliche Herausforderung

2110.12.2015

Hilfreiche Interventionen

2210.12.2015

IV. Lebensqualität, nicht leiden

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Behandlungsziele moderner Palliativmedizin

Zeitbegrenzt Rehabilitation Sterbebegleitung

Spezialisierte stationäre Palliativmedizin:

personelle Voraussetzungen

11 Pflegekräfte

2 Ärzte

1 Psychologin (TZ)

2 Seelsorger (TZ)

2 Krankengymnasten (TZ)

1 Aufnahme- und Entlassvorbereitung

1 Ernährungstherapie

1x/Woche Visite mit Apotheker

Honorarbasis:

1x/Wo Musiktherapie

1-2x/Wo Kunsttherapie

Hospizehrenamtliche (Kooperation

mit Malteser Hospizdienst)

pro 10 Patienten ….

• Ausreichend Platz

• Einzelzimmer

• Wohnbereich mit Kochnische

• Raum der Stille

• Gesprächsraum

• Pflegebad

• Physiotherapiezimmer

• Aussenbereich

• Accessoires

Welche Leiden und Beschwerden?

Aus: HOPE 2014, n=1.088 Patienten aus 68 Zentren

Moderne medikamentöse Schmerztherapie

Keine Atemdepression bei korrektem Opiateinsatz

Vielfältige Applikationsformen

Ambulant handhabbar

Nicht-medikamentöse Therapie belastender

Symptome in der Sterbephase

Symptom Maßnahmen

Schmerzen Lagerung, Wickel&Auflagen,

Angst / Unruhe Harnverhalt? Schmerzen? Unbequeme Lagerung?

Hör-/Sehstörungen? Sorgen? Ungeklärtes?

Anwesenheit vertrauter Personen,

Entspannungsverfahren, beruhigende Körpertherapie

(Physio-/Atemtherapie)

Delir Ruhige Umgebung, vertraute Personen

Atemnot Lagerung, Fenster öffnen, Raum eher kühl, Ventilator,

physikalische Maßnahmen zur Atementspannung

Übelkeit /

Erbrechen

Gerüche? Flüssigkeit reduziert? Lagerung

Rasselatmung Aufklärung der Angehörigen, Lagerung

Mundtrockenheit Mundpflege, Butter, Eis, ....

Zum Abschluss

2910.12.2015