ankerung im untertagebau – entwicklungen in theorie und praxis

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345 © 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Geomechanik und Tunnelbau 1 (2008), Heft 5 Die systematische Ankerung des Gebirges stellt ein wesentliches Verfahren zur Stabilisierung unterirdischer Hohlraumbauten dar. Die geschichtliche Entwicklung verschiedener Ankersysteme wird kurz vorgestellt und Unterteilungsmöglichkeiten werden auf- gezeigt. Unterschiedliche Ansätze der Systemankerungen in ana- lytischen und numerischen Berechnungen werden mit der diskre- ten Modellierung des Gesamtssystems in numerischen Berech- nungen mit FLAC3D verglichen. Der Einfluss von Systemankerun- gen auf das Systemverhalten ist von einer Reihe von Rand- bedingungen abhängig, der Erfolg der Anwendung oftmals von den verwendeten Ankersystemen. Extreme Spannungszustände im Gebirge stellen hohe Anforde- rungen an die Methodik der Gebirgsankerung in Untertagebau- werken, die mit den herkömmlichen Ankerungssystemen nur eher unzufriedenstellend zu bewältigen sind. In Abhängigkeit von den Eigenschaften des Gebirges ist unter solch hohen, die Festigkeit des intakten Gebirges meist bereits überschreitenden Span- nungszuständen mit großen Verschiebungen, Stabilitätsproble- men sowie Bergschlagphänomenen zu rechnen. Um diesen An- forderungen bestmöglich gerecht zu werden, wird ein neuartiger, energieabsorbierender Ankertyp „Roofex“ vorgestellt, der so- wohl unter langsam kriechenden, statischen, wie auch abrupten, dynamischen Beanspruchungen einen kontrollierbaren und kon- stanten Widerstand entlang eines definierten Gleitwegs aufweist. Rock bolting in subsurface constructions – developments in theory and praxis The systematic bolting of rock is a key support element in NATM tunnelling. A short review on the historical development and methods of classification is presented. Different methods of im- plementation in analytical and numerical calculations are com- pared to the discrete modelling of the system via FLAC 3D. The in- fluence of the systematic rock bolting to the system behaviour is dependent on many boundary conditions, the success often de- pends on the used rock bolting techniques. High rock mass stress conditions in underground excavations are serious challenges for rock bolting systems, where conven- tional bolting systems can only cope with in an rather unsatisfac- tory way. Depending on the rock mass conditions, high stresses, which mostly exceed already the intact rock mass strength, will lead to serious stability problems, high deformation rates and rockburst phenomena. To provide the mining and tunnelling in- dustry with a rock reinforcement fixture that is better suited to mining with high stress conditions, Atlas Copco GDE designed a new, energy absorbing rock bolt “Roofex” that can accommodate both very large displacements (static yielding) and high energy release (dynamic rupture) in the rock mass by offering an accu- rate pre-set deformation behaviour. 1 Einleitung Wann genau der erste Anker zur Stabilisierung des Gebir- ges eingesetzt wurde, ist heute nicht genau bekannt, es gibt dazu widersprüchliche Berichte. Ankerähnliche Elemente sollen sogar schon den Römern bekannt gewesen sein. In neuererZeit sollen Schlitzkeilanker aus Holz im oberschle- sischen Bergbau vor 1900 eingesetzt worden sein. Der erste schriftliche Bericht über die Verwendung eines Stahl- ankers stammt jedoch aus dem Jahr 1919, das Patent hierzu aus dem Jahr 1913 [12] [16]. Der Durchbruch der Anker- technologie fand schließlich kurz nach dem zweiten Welt- krieg in den USA, zeitlich versetzt auch in Europa statt. Zu- nächst im Bergbau verwendet, kamen Anker nur wenig spä- ter auch bei Infrastrukturbauten zum Einsatz. Wesentlich für den Fortschritt in der Ankertechnik waren und sind einerseits die Wechselwirkung zwischen Bohrtechnik und eingesetzten Ankermaterialien, anderer- seits das Wissen um die Anforderungen an die Ankerung im Gesamtsystem des Hohlraumbauwerks. So wurden durch und für diese unterschiedlichen Anforderungen ver- schiedene Ankersysteme entwickelt. Die systematische Unterteilung der Ankersysteme ist komplex und kann zum Beispiel nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen: – Aktive (vorgespannte)Anker – schlaffe Anker, Vollverbundanker – Anker mit freier Dehnstrecke, – Nach den Bohrlocheigenschaften (standfest/nicht stand- fest), – Nach Art des Verbunds (mechanisch – chemisch/physi- kalisch), – Nach Material des Verbundstoffs (Zement, Kunstharz), – Nach Material des Ankerschafts (Stahl, GFK, Seil), – Nach Art des Korrosionsschutzes bzw. Einsatzdauer, – Nach Verwendungszweck, – Möglichkeit zur Verlängerung/Kürzung derAnker, – Einzelanker – Mehrfachankerung – Systemankerung, – Nach Energieabsorbtionsvermögen, – Länge (Kurzanker, Langanker). Heute stellt die systematische Ankerung des Gebirges ein wesentliches Verfahren zur Stabilisierung untertägiger Hohlraumbauten dar. Abhängig vom Planungsstand wer- den unterschiedliche Bemessungsverfahren für Systeman- kerungen eingesetzt. Die Bandbreite reicht vom „trial and error“ über empirische und analytische Bemessungsver- fahren bis zur vollständigen Modellierung des gesamten Topics Ankerung im Untertagebau – Entwicklungen in Theorie und Praxis Stefan Kainrath-Reumayer Erich Neugebauer Francois Charette Robert Galler Michael Plouffe DOI: 10.1002/geot.200800034

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345© 2008 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Geomechanik und Tunnelbau 1 (2008), Heft 5

Die systematische Ankerung des Gebirges stellt ein wesentlichesVerfahren zur Stabilisierung unterirdischer Hohlraumbauten dar.Die geschichtliche Entwicklung verschiedener Ankersystemewird kurz vorgestellt und Unterteilungsmöglichkeiten werden auf-gezeigt. Unterschiedliche Ansätze der Systemankerungen in ana-lytischen und numerischen Berechnungen werden mit der diskre-ten Modellierung des Gesamtssystems in numerischen Berech-nungen mit FLAC3D verglichen. Der Einfluss von Systemankerun-gen auf das Systemverhalten ist von einer Reihe von Rand-bedingungen abhängig, der Erfolg der Anwendung oftmals vonden verwendeten Ankersystemen.

Extreme Spannungszustände im Gebirge stellen hohe Anforde-rungen an die Methodik der Gebirgsankerung in Untertagebau-werken, die mit den herkömmlichen Ankerungssystemen nur eherunzufriedenstellend zu bewältigen sind. In Abhängigkeit von denEigenschaften des Gebirges ist unter solch hohen, die Festigkeitdes intakten Gebirges meist bereits überschreitenden Span-nungszuständen mit großen Verschiebungen, Stabilitätsproble-men sowie Bergschlagphänomenen zu rechnen. Um diesen An-forderungen bestmöglich gerecht zu werden, wird ein neuartiger,energieabsorbierender Ankertyp „Roofex“ vorgestellt, der so-wohl unter langsam kriechenden, statischen, wie auch abrupten,dynamischen Beanspruchungen einen kontrollierbaren und kon-stanten Widerstand entlang eines definierten Gleitwegs aufweist.

Rock bolting in subsurface constructions – developments in theory and praxisThe systematic bolting of rock is a key support element in NATMtunnelling. A short review on the historical development andmethods of classification is presented. Different methods of im-plementation in analytical and numerical calculations are com-pared to the discrete modelling of the system via FLAC 3D. The in-fluence of the systematic rock bolting to the system behaviour isdependent on many boundary conditions, the success often de-pends on the used rock bolting techniques.

High rock mass stress conditions in underground excavationsare serious challenges for rock bolting systems, where conven-tional bolting systems can only cope with in an rather unsatisfac-tory way. Depending on the rock mass conditions, high stresses,which mostly exceed already the intact rock mass strength, willlead to serious stability problems, high deformation rates androckburst phenomena. To provide the mining and tunnelling in-dustry with a rock reinforcement fixture that is better suited tomining with high stress conditions, Atlas Copco GDE designed anew, energy absorbing rock bolt “Roofex” that can accommodateboth very large displacements (static yielding) and high energyrelease (dynamic rupture) in the rock mass by offering an accu-rate pre-set deformation behaviour.

1 Einleitung

Wann genau der erste Anker zur Stabilisierung des Gebir-ges eingesetzt wurde, ist heute nicht genau bekannt, es gibtdazu widersprüchliche Berichte. Ankerähnliche Elementesollen sogar schon den Römern bekannt gewesen sein. InneuererZeit sollen Schlitzkeilanker aus Holz im oberschle-sischen Bergbau vor 1900 eingesetzt worden sein. Der ersteschriftliche Bericht über die Verwendung eines Stahl-ankers stammt jedoch aus dem Jahr 1919, das Patent hierzuaus dem Jahr 1913 [12] [16]. Der Durchbruch der Anker-technologie fand schließlich kurz nach dem zweiten Welt-krieg in den USA, zeitlich versetzt auch in Europa statt. Zu-nächst im Bergbau verwendet, kamen Anker nurwenig spä-ter auch bei Infrastrukturbauten zum Einsatz.

Wesentlich für den Fortschritt in der Ankertechnikwaren und sind einerseits die Wechselwirkung zwischenBohrtechnik und eingesetzten Ankermaterialien, anderer-seits das Wissen um die Anforderungen an die Ankerungim Gesamtsystem des Hohlraumbauwerks. So wurdendurch und für diese unterschiedlichen Anforderungen ver-schiedene Ankersysteme entwickelt. Die systematischeUnterteilung derAnkersysteme ist komplex und kann zumBeispiel nach folgenden Gesichtspunkten erfolgen:– Aktive (vorgespannte) Anker – schlaffe Anker,– Vollverbundanker – Anker mit freier Dehnstrecke,– Nach den Bohrlocheigenschaften (standfest/nicht stand-

fest),– Nach Art des Verbunds (mechanisch – chemisch/physi-

kalisch),– Nach Material des Verbundstoffs (Zement, Kunstharz),– Nach Material des Ankerschafts (Stahl, GFK, Seil),– Nach Art des Korrosionsschutzes bzw. Einsatzdauer,– Nach Verwendungszweck,– Möglichkeit zur Verlängerung/Kürzung der Anker,– Einzelanker – Mehrfachankerung – Systemankerung,– Nach Energieabsorbtionsvermögen,– Länge (Kurzanker, Langanker).

Heute stellt die systematische Ankerung des Gebirges einwesentliches Verfahren zur Stabilisierung untertägigerHohlraumbauten dar. Abhängig vom Planungsstand wer-den unterschiedliche Bemessungsverfahren für Systeman-kerungen eingesetzt. Die Bandbreite reicht vom „trial anderror“ über empirische und analytische Bemessungsver-fahren bis zur vollständigen Modellierung des gesamten

Topics

Ankerung im Untertagebau – Entwicklungen in Theorie und Praxis

Stefan Kainrath-ReumayerErich NeugebauerFrancois CharetteRobert GallerMichael Plouffe

DOI: 10.1002/geot.200800034

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Bauablaufs in dreidimensionalen numerischen Berech-nungen. Dies stellt zwar die eleganteste aber auch zeit-und damit kostenintensivste Variante dar.

2 Analytische Berechnungen

Analytische Berechnungen werden vor allem in frühenPlanungsstadien eingesetzt und basieren z.B. auf Differen-tialgleichungen für idealisierte Verhältnisse. Eine bekann-te Anwendung stellt das Kennlinienverfahren dar. Auchkann über die Ausdehnung der plastischen Zone oder dieVerteilung von Spannungen und Verschiebungen auf dasGebirgsverhalten geschlossen werden. Die Berücksichti-gung der Ankerung in diesen Lösungen kann auf mehrereArten erfolgen:– Ansatz über äquivalente Stützspannung: Am Hohl-

raumrand wird eine äquivalente Stützspannung alsAusbaustützdruck angesetzt [13]

mit:pA AusbaustützdruckFA AnkerkraftA mittlere Ankerfläche

pFAAA= =σ3

– Gebirgsverbesserung: Durch die Ankerung erfolgt eineVerbesserung der Gebirgseigenschaften (Kohäsionser-höhung Δc) vor allem im post-failure Bereich.• Ansatz über Schubwiderstand: Es wurden eine Reihe

zum Teil empirischer Formeln zur Ermittlung desBeitrags der Ankerung zum Schubwiderstand einerGleitfläche entwickelt [1] [14] [15]

mit:Δ Schubwiderstand AnkerT ScherkraftA mittlere Ankerfläche

• Passiver Ansatz: Die Druckfestigkeit des Gebirgeswird durch die Einspannung erhöht, die Bruchgera-de des Gebirges wird vertikal nach oben verschoben[3] [17] (Bild 1).

• Aktiver Ansatz: Bei diesem selteneren und konserva-tiveren Ansatz wird durch den aufgebrachten Stütz-druck die τ-Achse horizontal verschoben (Bild 2).

3 Numerische Berechnungen3.1 Modellbildung

Zur Verifizierung der oben genannten Formeln werdendreidimensionale numerische Berechnungen mit demkontinuumsmechanischen Finite Differenzen ProgrammFLAC3D durchgeführt. Die idealisierten Verhältnisse deranalytischen Verfahren werden anhand eines Viertelkreis-ausschnitts eines Scheibenelements der Dicke f nachgebil-det, die Anker mittels der im Programm implementiertenund mit dem Gebirge in Feder-Reibkontakt stehendenCable-Elemente modelliert (Bild 3).

Dem Gebirge werden in den Berechnungen verschie-dene Materialmodelle zugewiesen, für welche analytischeLösungen vorliegen. Anschließend werden die Span-nungsverteilungen von analytischen und numerischen Be-rechnungen einander gegenübergestellt.

3.2 Gewölbebildung

Der Erfolg einer Systemankerung ist eng an die Bildungvon stabilen Gewölben gekoppelt. Die Ausbildung der Ge-wölbe hängt wesentlich von der Festigkeit des Gebirges,im Allgemeinen der einaxialen Druckfestigkeit βgd, ab [4].Durch die Gewölbebildung zwischen den Ankern kannüber kurze Distanz vom Hohlraumrand weg die Anker-kraft über den gesamten Umfang des Hohlraums in dasGebirge übertragen werden (Bild 4).

Das Gewölbe kann berücksichtigt werden durch:– Reduktion des vergüteten Bereichs über eine „wirksame

Ankerlänge“ (Winkel δ)– Virtuelle Vergrößerung des Hohlraums, oder– Anpassung der Kohäsionserhöhung auf eine „mittlere

Ankerfläche“.

Δca = σ ϕ3 · tan

Δcp = +⋅

σ ϕϕ3

12

· sincos

Δc T TAt = =

Bild 1. Passiver Ansatz der Kohäsionserhöhung im 2DMohr-Coulomb DiagrammFig. 1. Passive approach of increasing cohesion in 2DMohr-Coulomb diagram

Bild 2. Aktiver Ansatz der Kohäsionserhöhung im 2DMohr-Coulomb DiagrammFig. 2. Active approach of increasing cohesion in 2D Mohr-Coulomb diagram

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Gemäß Ringformel (Kesselformel: p=N/r) können Ring-elemente mit einem kleineren Radius bei gleicher Druck-festigkeit eine höhere Radialspannung aufbauen (vgl. Be-reiche b) und d) in Bild 4). Diese lokalen Gewölbe werdenjedoch durch die globale Spannungsverteilung um denHohlraum überlagert.

3.3 Vergleich zwischen 2D- und 3D-Berechnungen

In 2D-Berechnungen werden Anker als linienförmige Ele-mente abgebildet. Zwischen den Ankern bilden sich Ge-wölbe aus, die sich in tangentialer Richtung an diesen An-kerelementen abstützen. Im 3D-Fall bildet sich das Ge-wölbe jedoch auch in Tunnellängsrichtung aus. Der Ge-wölbezenit wird in der Regel höher liegen. Wird diewirksame Ankerlänge über die Zenithöhe z eines Parabel-gewölbes berechnet, reduziert sich diese zwischen 2D-und 3D-Berechnung, z.B. für δ = 45° (vgl. Bild 3), theore-tisch um

Gleichzeitig muss durch den größeren Radius des 3D-Ge-wölbes für dessen Stabilität der Ankerabstand reduziertwerden.

In einer weiteren Näherung kann aus der Formel zurBerechnung des Silobodendrucks nach Janssen [6] eineAbschätzung der Reduktion der Wirkung der Ankerungabgeleitet werden. Maßgeblich ist hierbei das VerhältnisA/U, als Verhältnis des hydraulischen Radius [5] [6] [10].

Δl e ea w, ,= ⋅−( )

≈ ⋅1 2

40 1 Die Bereiche A und B in Bild 6 stellen die Größe der

Tangentialspannungen in den Gebirgselementen der nu-merischen Berechnung dar und zeigen die Ausbildung derGewölbe zwischen den Ankerenden. Die Berechnungenerfolgten in FLAC3D mit einem Element in axialer Rich-tung für die 2D-Berechnung und acht Elementen für die3D-Berechnung. Insgesamt liefert die 2D-Berechnung ei-nen kleineren plastischen Radius und daher im Vergleichzur 3D-Berechnung günstigere, aber somit weniger kon-servative Ergebnisse.

Bild 3. Numerisches Modell mit Ankerung (Detail)Fig. 3. Numerical model with rock bolts (zoom)

r0 Hohlraumradiuse tangentialer Ankerabstandem mittlerer tangentialer Ankerabstandf axialer Ankerabstand (hier: Modelltiefe)la Ankerlängela,w wirksame Ankerlängeb Modellbreitep0 Primärspannungd Ausbreitwinkel Ankergewölbe

Bild 4. Gewölbebildung und Zone erhöhter Spannungen [7]:a) Gewölbebildung durch das Spannen der Anker,b) Gewölbebildung zwischen den Enden des Ankerstabs,c) Gewölbebildung über Zonen verringerter Spannungen,d) Zone erhöhter SpannungenFig. 4. Arching and zone of increased stresses

Bild 5. Ringformel (Kesselformel)Fig. 5. Ring-formula

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4 Ein neuartiges Gebirgsankerungskonzept fürUntertagebauwerke unter hohen Spannungszuständen

Hohe Spannungszustände des Gebirges im räumlichenUmfeld von Untertagebauwerken verursachen meist ernst-hafte Stabilitätsprobleme. Die Beherrschbarkeit der Situa-tion hängt generell vom eingesetzten Stützmittelkonzeptab, welches die Fähigkeit besitzen sollte, große Verschie-bungen, sowohl langsam kriechende als auch abrupt dy-namische, aufnehmen zu können, ohne dabei maßgeblichSchaden zu erleiden. Oftmals weisen Stützmittelsystemeaufgrund des direkten und steifen Zusammenwirkens vonAnkerausbau und Gebirge kein verlässlich konstantes undsomit auch kein kontrollierbares Systemverhalten auf.

In relativ weichem, stark druckhaftem oder laminier-tem, anisotropem Gebirge können hohe Spannungszu-stände, wobei die Festigkeit des intakten Gebirges bereitsüberschritten wird, extreme Einwirkungen bedingen(Bild 7). Der Anker(ausbau)widerstand eines Stützmittel-raster kann erfahrungsgemäß aufgrund des Zusammen-spiels zwischen Stützelement und umgebenden Gebirgs-

eigenschaften bereichsweise stark variieren und somitauch der effektive Ausbauwiderstand gegen das Gebirge.

Der Planer ist zwar bemüht, auf Basis des Ausbauwi-derstands ein passendes Stützmittelkonzept zu entwickeln,in vielen Fällen muss der Planungsprozess jedoch währendder Ausführungsphase weiter optimiert werden. Mangelsdes in der Planungsphase vorhandenen Kenntnisstands destatsächlich vor Ort anzutreffenden Gebirgsverhaltens unddes daraus abgeleiteten geplanten Systemverhaltens kommtes gerade im tiefliegenden Hohlraumbau in vielen Fällen zuunerwartetem Systemverhalten während der Ausführung.Verdeutlicht sei das am Beispiel nachgiebiger Ausbausyste-me (z.B. Verformungsschlitze); die Außenschale wird be-wusst nachgiebig gestaltet, um die Verschiebungen des Ge-samtsystems „zerstörungsfrei“ zuzulassen, die begleitendeAnkerung weist jedoch de facto nicht dieselben Eigenschaf-ten auf, wodurch das Gesamtsystemverhalten im vorhineinnicht seriös berechen- bzw. bestimmbar ist.

Auf der anderen Seite des Spektrums bedingen sehrsteife, massige Gebirgseigenschaften ein Potenzial zurSpannungsakkumulation und bei Überschreiten der Festig-

Bild 7. Weiches, stark druckhaftes GebirgeFig. 7. Soft rock, creeping deformations

Bild 8. Massiges, sprödes Festgestein, BergschlagbedingungenFig. 8. Massive, brittle rock, rockburst conditions

Bild 6. Beispiel einer Spannungsverteilung im Gebirgein tangentialer Richtung in der 2D und 3D numeri-schen Modellierung und Ausschnitte FLAC3D NetzFig. 6. Example of the stress distribution in the rockmass in tangential direction in 2D and 3D numericalmodelling and details of the FLAC3D grid

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keit des intakten Gebirges in weiterer Folge heftige und un-kontrollierbare dynamische Ereignisse (Gebirgsschlag, Erd-beben). Der massige Fels zeigt unter plötzlicher Freisetzunggroßer Energiemengen ein sprödes Bruchverhalten und einVersagen der Gebirgsankerung (Bild 8). Die explosionsarti-ge Entladung bzw. Entspannung des Gebirges kann meistmittels eines steifen, vollständig ausinjizierten Ankerungs-systems nicht zufriedenstellend beherrscht werden.

Hohe Spannungszustände, sowohl in stark druckhaf-tem als auch massigem, sprödem Gebirge, sind mit denkonventionellen Gebirgsankerungen schwierig zu beherr-schen, da die effektive Beanspruchung des Ankerausbausnicht ausreichend zu bestimmen ist und daher oftmals un-kontrolliertes Versagen eintritt.

Um den Anforderungen eines besser kontrollier- undsomit auch planbaren Ankerausbaus, sowohl für statischeals auch dynamische Bedingungen, bestmöglich gerecht zuwerden, wurde auf Basis theoretischer und praktischer An-sätze ein neuartiger, energieabsorbierender Ankertyp„Roofex“ entwickelt. Der Roofex Gebirgsanker (Bild 9)wurde speziell daraufhin ausgelegt, sich bis zum Erreichender definierten Gleitlast (Streckgrenze des Systems) steifzu verhalten und danach über die gesamte, vordefinierteGleitlänge die Last konstant zu halten. Am Ende des Gleit-wegs blockiert derAnker durch ein Stop-Element und wür-de bei fortschreitender Beanspruchung bis zur Bruchlast

Bild 9. Systemskizze RoofexFig. 9. Roofex principles

Bild 10. Roofex BelastungsniveausFig. 10. Roofex loading levels

Bild 11. Arbeitslinie unter statischer BelastungFigure 11. Load/displacement curve under static loading

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hin versagen (Bilder 10 und 11). Das Ankersystem bestehtprinzipiell aus einem Gleitelement durch das ein glatterStabstahl hindurchgezogen wird, wobei eine Art „kalterWalzprozess“ am Stab einen gleichmäßigen Widerstandentlang des gesamten Gleitwegs gewährleistet. Über dasGleitelement bzw. die Mörtelsäule davor wird der gesamteAnker entweder mittels Zement- oder Kunstharzmörtel imGebirge verankert (vgl. Bild 9). Das kombinierte Stop-Misch-Element an der Spitze des Ankers gewährleistet fürden Einbau mittels Kunstharzpatronen das Zerreißen derHülle und Mischen des Mörtels mit dem Härter. Über dieAnkerplatte am Kopf wird die Belastung aus dem Gebirgein den Anker selbst eingeleitet. Der Roofex Gebirgsankerlässt sich mittels herkömmlicher Bohr- bzw. Versetzgerät-schaften so einfach wie ein normaler Stabanker einbauen.Die konstante Gleitlast des Roofex Gebirgsankers wurde inzahlreichen Laborversuchen verifiziert, wobei sich dieStreuung im Bereich von etwa ± 5 kN bewegt.

Die erste Entwicklungsstufe des Roofex Gebirgsan-kers wurde für ein Gleitlastniveau von 80 kN ausgelegt, abder das System zu gleiten beginnt. Die Streckgrenze desAnkerstabs selbst liegt bei 90 kN und die Bruchlast bei100 kN. Die gebirgsspezifisch erforderliche Gleitlänge desSystems kann zwischen 150 und 800 mm voreingestelltwerden, bei typischen Gesamtankerlängen zwischen1,5 und 3,6 m (vgl. Bild 11).

Für dynamische Anwendungen bedarf es eines ge-ringfügig modifizierten Gleitelements um die abrupte Be-lastung ohne maßgebende Schädigung zu übertragen. ImFall eines dynamischen Ereignisses wird die einwirkendeBelastung unmittelbar in Verformung entlang des Gleit-wegs umgewandelt und somit entsprechend gedämpft, oh-ne dass das System maßgebend beschädigt wird. NachAusschwingen der dynamischen Belastung behält der An-ker nach wie vor einen großen Teil seiner statischen Fähig-keiten zum Gleiten unter Last, wenn auch auf geringeremLastniveau. In Laborversuchen wurde der Roofex Ge-birgsanker in Fallversuchen unter Variation der ParameterFalllast, Fallgeschwindigkeit und wiederholte dynamischeEinwirkung bis zu einem Energieabsorptionsvermögenvon 27 kJ erfolgreich getestet (Bild 12).

Seit Mitte 2007 wird der Roofex Gebirgsanker inFeldversuchen unter verschiedensten Einsatzbedingun-gen, z.B. weiche Salzgesteine oder stark laminierte Gestei-ne vulkanischen Ursprungs in großer Tiefe, nachhaltig er-

probt und zeigt bisher äußerst zufriedenstellende Ergeb-nisse. Im Zuge von weiteren Feldversuchen wird derAnkerauch unter simulierten dynamischen Belastungen in derForm von gezielten Testsprengungen erprobt.

Die nächste, bereits weit fortgeschrittene Entwick-lungsstufe des Roofex Gebirgsankers wird die Lastklasseim Bereich von 200 kN bedecken. Zusätzlich zum Stan-dardtyp des Roofex Gebirgsankers wurden auch modifi-zierte Typen entwickelt, wobei das Gleitelement nahe derAusbruchslaibung situiert ist, wodurch ein Ablesen bzw.Messen der effektiv am Ankerstab eingetretenen Verschie-bung ermöglicht wird und somit ein wichtiges Werkzeugzur Verifikation des effektiven Systemverhaltens vorliegt.

Quellennachweis

[1] Bjurstrom, S.: Shear strength of hard rock joints reinforced bygrouted untensioned bolts; 3rd ISRM Congress. Denver; 1974.

[2] Charette, F.and Plouffe, M.: Roofex – Results of LaboratoryTesting of a new concept of yieldable tendon. In Y. Potvin(ed): Proceedings of the 4th international seminar on deepand stress mining, pp. 395-404. Perth, 2007.

[3] Egger, P.: Einfluss des Post-Failure Verhalten von Fels aufden Tunnelausbau unter besonderer Berücksichtigung desAnkerausbaus. Dissertation. Universität Karlsruhe, 1973.

[4] Feder, G.: Firstniederbrüche im Tunnelbau. Forschung undPraxis, Heft 27, 1981.

[5] Feder, G.: Studienunterlagen zur Vorlesung KonstruktiverTiefbau. Institut für Konstruktiven Tiefbau, Montanuniversi-tät Leoben, 1980.

[6] Janssen, H.: Versuche über Getreidedruck in Silozellen.Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Band 39,1895.

[7] Kainrath-Reumayer, S.: Systemverhalten Gebirge/Ankerungim untertägigen Hohlraumbau. In Martens et al. (eds.): 6th In-ternational Symposium Rockbolting in Mining & InjectionTechnology and Roadway Support Systems. Aachen; 2008.

[8] Kaiser, P.K., Tannant, D.D. and McCreath, D.R.: Drift sup-port in burst-prone ground. CIM-Bulletin Vol. 89 (1996), No.990, pp. 131-138.

[9] Kaiser, P.K., McCreath, D.R. and Tannant, D.D.: Canadianrockburst support handbook. Geomechanics research centre;Laurentian University, Sudbury, Canada; 1996.

[10] Lang, T. and Bishoff, J.: Stability of reinforced rockstructures, In: Design and performance of underground exca-vations. Cambridge, 1984.

[11] Müller-Salzburg, L. and Fecker, E.: Entwicklungsgeschich-te und Grundsätze der Gebirgsankerung. Berg- und Hütten-männische Monatshefte Nr. 4/1979.

[12] N.N.: Versuche und Verbesserungen beim Bergwerksbe-triebe in Preußen während des Jahres 1918. Zeitschrift für dasBerg-, Hütten- und Salinenwesen, 1919.

[13] Rabcewicz, L.: Die Ankerung im Tunnelbau ersetzt bishergebräuchliche Einbaumethoden. Schweiz. Bauzeitung 75(1957), Nr. 9.

[14] Schubert, P.: Das Tragvermögen des mörtelversetzen An-kers unter aufgezwungener Kluftverschiebung. Dissertation,Montanuniversität Leoben; 1984.

[15] Spang, K.: Beitrag zur rechnerischen Berücksichtigungvollvermörtelter Anker bei der Sicherung von Felsbauwerkenin geschichtetem oder geklüfteten Gebirge. Dissertation, Eco-le Polytechnique Federale de Lausanne, 1988.

[16] Stephan, et al.: Verfahren zum Abfangen und Sichern desHangenden und der Stöße im Bergbau ohne Stützung vonunten. Patent Nr. 302909. Kaiserliches Patentamt, 1913.

[17] Wullschläger, D.: Ein Verbundwerkstoffmodell für die Sys-temankerung im Tunnelbau. Dissertation, Universität Karls-ruhe, 1988.

Bild 12. Arbeitslinie unter dynamischer BelastungFigure 12. Load/displacement curve under dynamic impact

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Prof. Dipl.-Ing. Dr.mont. Robert [email protected]

Dipl.-Ing. Stefan [email protected]

Michel PlouffeCANMET Mining and Mineral Sciences Laboratories/Natural Resources Canada/Government of Canada555, Both Street Room 116E, OttawaOntario K1A [email protected]

Francois CharetteAtlas Copco Exploration Products Atlas Copco Canada Inc.640 McKeown Avenue North Bay Ontario P1B [email protected]

Ing. Erich NeugebauerAtlas Copco GDEWerkstraße 17A-9710 FeistritzÖ[email protected]

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RohrvortriebDurchpressungen begehbarer Leitungen

Seit über 50 Jahren hat sich die Technik des Durchpressens vorgefertigter Rohre im Leitungsbaubewährt. Angesichts der knapper werdenden Bauflächen und der zunehmenden Schwierigkeiten beider Inanspruchnahme fremder Grundstücke gewinnt die unterirdische Bauweise im Kanal- undLeitungsbau immer mehr an Bedeutung.

Das vorliegende Werk spannt den Bogen von den Grundlagen der Rohrvortriebstechnik und denrechtlichen Grundlagen, über die Planung und Überwachung der Baumaßnahme, die Auffahrtech-niken, den Bau von Schächten bis hin zur Berechnung und Bemessung der Rohre und Pressen-widerlager.

Das Buch beschreibt nicht nur die Anforderungen an Rohrvortriebe, sondern zeigt detailliert Lösungs-wege auf. Dadurch ist es eine Hilfe für alle, die sich mit dieser Technologie zu befassen haben, sei esauf der Seite der Planung, der Bauausführung oder des Leitungsbetriebs.

Für die 2. Auflage wurde das Werk aktualisiert und an neue Regelwerke angepasst.

Aus dem Inhalt:

� Grundlagen der Rohrvortriebstechnik� Vortriebstechnologie: Maschinen und Geräte� Statische Berechnung von Vortriebsrohren� Statische Berechnung von Nebenbauwerken� Ausschreibung

Montanuniversität LeobenLehrstuhl für Subsurface EngineeringErzherzog-Johann Straße 3A-8700 LeobenÖsterreich

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