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mëóÅÜá~íêáÉ lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 1 Angehörige in der Psychiatrie - von der Ausgrenzung zum Trialog 9. Fachtagung NAP vom 6. 9.2013 Dr. med. Conrad Frey mëóÅÜá~íêáÉ lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 2 Von der Ausgrenzung zum Trialog mëóÅÜá~íêáÉ lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 3 Angehörige in der Psychiatrie mëóÅÜá~íêáÉ lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 4 Paternalismus Aufbruch und Offenheit Soziale Orientierung Steuerung von Systemen Chronische Erkrankung und Familie Kinder- und Jugendpsychiatrie Trauma, Verlust und Migration Zur Zurück zu den Anf ck zu den Anfängen ngen mëóÅÜá~íêáÉ lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 5 Grundlegende Verankerungen des Menschen Derrick Silove, Zachary Steel (2001) mëóÅÜá~íêáÉ lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå 6 Psychiatrie Obwalden / Nidwalden 2003

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1

Angehörige in der Psychiatrie- von der Ausgrenzung zum Trialog

9. Fachtagung NAP vom 6. 9.2013

Dr. med. Conrad Frey

mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå

2

Von der Ausgrenzung zum Trialog

mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå

3

Angehörige in der Psychiatrie

mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå

4

Paternalismus

Aufbruch und Offenheit

Soziale Orientierung

Steuerung von Systemen

Chronische Erkrankung und Familie

Kinder- und Jugendpsychiatrie

Trauma, Verlust und Migration

ZurZur üück zu den Anfck zu den Anf äängenngen

mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå

5

Grundlegende Verankerungen des Menschen

Derrick Silove, Zachary Steel (2001)

mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå

6

Psychiatrie Obwalden / Nidwalden

2003

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Psychiatrie Obwalden / Nidwalden (PONS)

Funktionen und Bereiche

Gemischte Station

Büro

Bettenstation

AmbulatoriumSpezialtherapien

Ergotherapie

Nord Süd

SpezialtherapienKJPD

Schreinerei /Gestaltung /Textilwerkstatt

stationär

stationärtagesklinisch

ambulant

Kinder- und Jugendliche Bewegungstherapie

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Leitbild PONS (Auszug)

- Der Behandlungsprozess soll für alle Beteiligten transparent sein.

- Wir erschliessen Ressourcen im Umfeld des Patienten. In diesem Sinne sind Angehörige für uns wichtige Partner in der Therapie und Mitauftraggeber.

- Wir koordinieren den Behandlungsprozess unter Einbezug der Fachleute ausserhalb unserer Institution, die sich ebenfalls für unsere Patienten und Patientinnen engagieren

- Im Behandlungsteam bemühen wir uns um regelmässigen Austausch und verstehen uns als Teil eines gemeinsamen Prozesses

- Wir sind in verschiedenen Berufsgruppen beheimatet, erfüllen verschiedene Funktionen und handeln unsere Zusammenarbeit immer wieder aus.

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Bewegte Kinder- und Jugendpsychiatrie

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Typische Konstellationen aus der Praxis

Kinder / Jugendliche Eltern Intervention

Gesund Indexpatienten in PONS Wohlergehen des Kinder als Thema/ ev. Information

Dadurch psych. belastet(z.B. Schlafstörungen)

Indexpatienten in PONS Information bzw. fallbezogene Intervention

Abklärung am KJPD(z.B. Schulverweigerung)

dadurch psych. belastet Eltern- /Familiengespräche

Psychiatrische Störung(z.B. Anorexia nervosa)

dadurch psych. belastet(Teil der Lösung / Problem)

Familientherapie / Einzeltherapie (Kind)

Therapie am KJPD(z.B. Angst, Depression)

Psychiatrische Störung(z.B. Psychose)

Fallbezogene Intervention

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Angehörige in der Psychiatrie

Fallbezogen (Regelfall)Information, Entlastung (Schuld, Scham), Beratung (Therapie?)

Selbsthilfegruppen

AngehörigengruppenExpertengeleitet, störungsspezifisch oder diagnoseübergreifend (Psycho-eduktion)

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Angehörige in der Psychiatrie

NotfallAmbivalenz und Unterstützung im AufnahmeprozessEintrittEmotionale Entlastung und Information (Psychoeduktion)VerlaufBei Veränderungsschritten oder Stagnation (Neukalibrierung und Planung)AustrittPraktische Absprachen, Vorbeugung Rückfall, Warnsignale und Notfälle

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Angehörige in der Psychiatrie

Jugendliche / AdoleszenteAutonomie und Bindung („die Familie ist in der Konsultation immer präsent“)

Alte MenschenVerlust, Sozialer Rückzug und Selbst-fürsorge („Unterstützungsleistungen“).Paarbeziehung („vergessenes Thema“)

KriseAngehörige als Teile des Problem- und Lösungssystems

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Krise

Kränkung

Trauma

Veränderung

In allen Konzepten derKrisenintervention ist

der Einbezug der Mitwelt ein zentrales Anliegen

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Angehörige in der Psychiatrie

Kinder- und Erwachsenen-schutzrecht

• Versorgungsauftrag• Patientenverfügung• Fürsorgerische Unterbringung (FU)

Ethische Dilemmata• Reanimation (Alterspsychiatrie)• Wunsch nach Suizid (Suizidbeihilfe)

Nachsorge nach Suizid

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Kinder- und Erwachsenenschutzrecht

• Eigene Vorsorge oder Massnahmen von Gesetzes wegen

• Der Vorsorgeauftrag (Art 360 – 369 ZGB) ermöglicht einer handlungsfähigen Person die Gestaltung der eigenen Angelegenheiten für den Fall der zukünftigen Urteilsunfähigkeit (Personensorge, Vermögenssorge oder rechtliche Vertretung).

• Die Patientenverfügung (Art 370-272 ZGB) legt für den Fall der Urteilsunfähigkeit die medizinischen Massnahmen fest (mit Befolgungspflicht!)Es kann eine Vertretungsperson bestimmt werden welche mit den Ärzten die medizinischen Massnahmen bespricht und festlegt

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Fürsorgerische Unterbringung (Art. 426)

• Grundsätzlich ähnlich wie FFE (andere Prozesse, Fristen und Rechtsmittel)

• Die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Art. 426 Abs 2 ZGB)

• Beizug einer Vertrauensperson ist möglich (Art 432 ZGB)

• Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden kann ambulante Massnahmen anordnen � mit ggf. Auswirkungen auf die übrigen Familienmitgliedern

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Fallvignette 1*

• 43j Mann mit chronisch schizophrener Psychose und schädlichem Substanzengebrauch (Cannabis)

• Geschieden und alleine lebend; Vater von 1 Tochter

• Wegen Gewalt und Drohungen kein Besuchsrecht und Rayonverbot (Kind lebt bei der Mutter)

• Stationäre Behandlung per FU nach akuter Fremdgefährdung und Suiziddrohungen. Fehlende Krankheitseinsicht und Behandlungscompliance (Medikation)

• Will Kind besuchen, was ihm auf Grund seiner akuten Störung und auf Weisung der Behörden verweigert wird.

* Fall teils fiktiv / gezielt verändert

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Fallvignette 1

• Einbezug der geschiedenen Frau - mit Wissen und Billigung des Patienten, jedoch ohne ihn. Dieser Schritt war leichter möglich da sowohl Mutter wie Kind früher in der PONS behandelt wurden (Vertrauenskapital)

• Nach internen Absprachen unter den verschiedenen Therapeuten, langsame Verbesserung der Behandlungs-motivation. Dem Patienten kann ein begleitetes Besuchsrecht in Aussicht gestellt werden

• Einwilligung in ambulante Massnahme– Depotneuroleptika, ambulante sozialpsychiatrische Behandlung

– Begleitetes Besuchsrecht (mobile Pflegeequipe)

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Alter und Lebensmüdigkeit

Ch. Fürst, 2010 mëóÅÜá~íêáÉ=lÄï~äÇÉåLkáÇï~äÇÉå

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“Überalterung”

««Der Lebenswert alter Menschen wird zunehmend Der Lebenswert alter Menschen wird zunehmend vor dem Hintergrund begrenzter respektive vor dem Hintergrund begrenzter respektive kommunizierter Ressourcen infrage gestellt. [kommunizierter Ressourcen infrage gestellt. [……].].

Wenn Betroffene das GefWenn Betroffene das Gefüühl haben, eine Behandlung hl haben, eine Behandlung sei eine nutzlose Investition, werden sie keine Hilfe sei eine nutzlose Investition, werden sie keine Hilfe suchensuchen»»..Gabriela Gabriela StoppeStoppe, 2012, 2012

Taz.de

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Suizid und Suizidbeihilfe

BFS, 2012

Pro Jahr > 300 Fälle von Suizidbeihilfe

(4.8 pro 1‘000 Todesfälle)

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Suizidbeihilfe

• Verbot der Tötung auf Verlangen (Art. 114 StGB)

• Regelung der Suizidbeihilfe (Art. 115 StGB)

• Betreuung von Patienten am Lebensende

– Richtlinien der SAMW

• Sorgfaltskriterien um Umgang mit Suizidbeihilfe (www.nek-cne.ch)

– nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin

Foto Keystone

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Suizidbeihilfe (Art. 115 StGB)

• «Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsentzug bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft».

• Suizidbeihilfe ist erlaubt– Sterbewunsch dauerhaft, konstant und wohlüberlegt

– ohne äusseren Druck entstanden und

– alternative Optionen geprüft

• Es besteht kein Recht auf Suizidbeihilfe

• Suizidbeihilfe gehört nicht zum ärztlichen Auftrag (SAMW)

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Fallvignette 2*

• 75 j. Mann (vorgealtert), verheiratet, 2 erwachsene Kinder, Handwerker

• Zuweisung von der Notfallstation bei St. nach erstmaligem Suizidversuch bei bekannter depressiver Störung

– Medikamente (Benzodiazepine), Badewanne, Pulsadern

• Aktuelle Situation– Schleichende depressive Entwicklung mit verschiedenen

gastrointestinalen und neurologischen Körperbeschwerden

– Verlust an Autonomie (Autofahren!) und Angst vor Abhängigkeit und Siechtum. Will der Frau nicht zur Last fallen

* Fall teils fiktiv / gezielt verändert

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Fallvignette 2

• Persönliche Anamnese – „Unbewegliche“, ängstlich-hypochondrische Persönlichkeit

– St. nach Myokardinfarkt

• Familienanamnese– Familienanamnese mts. / vts. mit Suizid stark belastet

(Ertrinken, Pulsadern) – Ehefrau ängstlich, kontrollierend (schon früher oder neu durch

die Suizidandrohungen?).

– EF ist durch SV sowie Wunsch nach Suizidbeihilfe durch EXIT verunsichert und belastet

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Fallvignette 2

• Patient wünscht zu Beginn der stationären Behandlung weiterhin eine Suizidbeihilfe bzw. Kontakt mit EXIT

• Therapeutisches Vorgehen (Haltung)– IPPB (Antidepressiva, Gespräche, Spezialtherapien)

– Sorgfältige medizinische Abklärung, Information und Behandlung (z.B. Obstipation)

– Körperliche und soziale Aktivierung � Zuwachs an Autonomie und Übernahme von Eigenverantwortung

– Früher Einbezug der Ehefrau � Psychoedukation und Informationen zur Suizidbeihilfe (EXIT)

– Empfehlung Patientenverfügung (Pro Senectute)

– Ambulante Begleitung (Hausarzt und Psychiatrie)

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Angehörige und Suizidbehilfe

Eur Psychiatry 2012 Oct;27(7): 542-6

Resultate:Rund 20% der Angehörigen (N=85) erfüllen nach 19 Monaten die Kriterien einer vollständigen oder partiellen PTBS und 16% einer Depression.Prävalenz für komplexe (verzögerte) Trauerreaktionen mit 4.9% moderat.Einschränkungen: Keine Kontrollgruppe; nur 37% der Angehörigen aus der Grundgesamtheit nahmen teil.

Fazit: Angehörige müssen durch die Sterbehilfeorganisationen umfassend über Belastungen und mögliche Konsequenzen für die psychische Gesundheit informiert werden!

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Hinterbliebene nach Suizid

Ein Suizid …

…betrifft im Durchschnitt ca. sechs enge Bezugspersonen

…und hinterlässt leidvolle Spuren in mehrere Generationen

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Nachsorge nach Suizid

• Die Nachsorge bezieht sich auf einzelne Personen oder Gruppen (Angehörige, Freunde und Helfende)

• Suizidale Handlungen führen zu komplexen kognitiven, emotionalen und sozialen Reaktionen wie z.B. Schuld, Scham, Vermeidung, Tabu� ungünstige Bewältigungsstrategien

• Suizidale Handlungen führen gerne zu Nachahmung („Werther-Effekt“)

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Ziele der Nachsorge

• Krisenintervention und Unterstützung im Trauerprozess

• Identifikation von Risikopersonen– Komplizierte Trauer und Depression (eigene Suizidalität)

– Posttraumatische Belastungsstörung

– Re-Aktivierung von bestehenden psychischen Störungen

• Vermittlung von Informationen (Psychoedukation)

• Reflexion und Planung einer weiterführenden Prävention

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Fallvignette 3*

• Junger erwachsener Mann mit chronisch paranoider Schizophrenie

• Stationäre psychiatrische Behandlung mit ungünstigem Verlauf

– Verwahrlosungstendenz, Mutismus, Halluzinationen, Weglaufen mit Selbstgefährdung, Verweigerung der Medikation u.a.

• Flucht von der geschlossenen Station mit unmittelbar nachfolgendem Suizid (Eisenbahn)

• Nachsorge der Angehörigen (sofort)– Familiengespräch als 1. Schritt der Nachsorge (3 Generationen)

– Unterstützung von / durch Behörden und Polizei* Fall teils fiktiv / gezielt verändert

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Fallvignette 3

• Nachsorge innerhalb der Institution– Orientierung der Mitarbeitenden (Psychiatrie / Spital)

– Gesprächsrunde mit Mitpatientinnen / Mitpatienten

• Interventionen (mittelfristig)– Teilnahme an Abdankungsfeier in Absprache mit den

Angehörigen (einzelne Teammitglieder)

– Aufarbeitung und Reflexionen im Behandlungsteam

– Meldung CIRS (Qualitätssicherung)

– Anregung und Realisierung von baulichen Schutzmassnahmen (Schutzzaun an Bahnlinie)

– Brief an Familie ½ Jahr nach dem Suizid mit einem zweiten Gesprächangebot (nicht in Anspruch genommen)

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Hinterbliebene nach Suizid

• Gesprächsangebote machen (ev. nachfragen)

• Verständnis zeigen für heftige / wechselnde Gefühle– Trauer, Schuld, Scham, Ärger…

• Vorwurfshaltung gegenüber den Helfenden annehmen– Entwertungen jedoch nicht zulassen

• Erklärungen zu den Fakten (ermöglicht Distanzierung)

• Unterstützung bei rechtlichen Abläufen anbieten– Polizei, Versicherung etc.

• Kinder und soziales Umfeld nicht vergessen!

• Soziale Unterstützung und Selbsthilfegruppen

(ergänzt nach Wolfersdorf & Franke, 2005)

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Zusammenfassung

• «Wird ein Familienmitglied psychiatrischer Patient, dann bedeutet dies ein Familienproblem, an dem alle anderen Familienmitglieder – Ehepartner, Eltern, Kinder, Geschwister – beteiligt sind, aktiv und passiv, als Täter und als Opfer, und darunter leiden. […]Angehörige leiden möglicherweise noch mehr als der Patient oder die Patientin».

Klaus Dörner, 2001

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• Das familiäre System ist „stärker“ als das System der Helfenden. Es ist deshalb ratsam die Betroffenen zu Verbündeten zu machen.

• Der respektvolle und wertschätzende Einbezug von Angehörigen ist demnach die Regel und nicht die Ausnahme. Er ermöglicht– das Erschliessen von wertvollen diagnostischen und

therapeutischen Informationen und Ressourcen

– eine positive Umdeutung der Probleme („Refraiming“)

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• Setting und Auftragslage sind individuell festzulegen

• Psychoedukative (störungsspezifische) Gruppenangebote für Patienten und/oder Angehörige sind effektiv und kostengünstig. Trotz evidenz-basierten Empfehlungen werden sie in der psychiatrischen Alltagsrealität zu wenig genutzt

• Verschiedene relevante Themen können jedoch störungsübergreifend vermittelt werden (Rabovsky & Stoppe, 2009)

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• Die Arbeit mit Angehörigen ist aufwändig. Per saldo resultiert jedoch ein Gewinn hinsichtlich Zeit und Behandlungserfolg

• Offene aber auch unausgesprochene Schuldzuweisungen an die Angehörigen sind zu vermeiden. Denn die familiären Wirklichkeiten und Sichtweisen sowie die Ursachen der psychischen Störung sind verschlungener als wir es manchmal gerne hätten

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Vor allem, ihr Geradlinigen, gebt acht in den Kurven! Stanislaw Jerzy Lec

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• Die Rechte der Patienten und ihre Verfügungsgewalt sind in unserer individualisierten Gesellschaft gestärkt worden(z.B. Behandlungsvereinbarung, Versorgungsauftrag, Patientenverfügung).

• Die Angehörigen in diese Aushandlungsprozesse einzu-beziehen stellt die Helfenden vor neue Herausforderungen

• Besonders ausgeprägt sind diese Herausforderungen bei persönlich, ethisch und rechtlich anspruchsvollen Entscheidungen (z.B. Reanimation oder Suizidbeihilfe)

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• Suizid im psychiatrischen Kontext ist ein häufiges Phänomen und führt bei allen Betroffenen (Angehörige und Helfende) zu meist deutlichen emotionalen Belastungen und Reaktionen.

• Die Nachsorge hat deshalb eine wichtige präventive Rolle. Sie soll von Seiten der Helfenden sofort und aktiv angeboten werden. Eine mitfühlende, mitbetroffene und dennoch sachliche Haltung ist zentral.

• Diese offene (authentische) Haltung kann ungünstigerweise durch die Angst vor juristischen Verfahren beeinträchtigt sein.

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43Flugaufnahme Georg Gerster

Danke fDanke f üür die Aufmerksamkeitr die Aufmerksamkeit

Fragen?Fragen?

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