Über mittel und methoden der kieferorthopädischen therapie

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(@rlaeh, Uber Mittel und Methoden der kieferorthop~idischen Therapie 459

{]ber Mittel und Methoden der kieferorthop/idischen Therapie

Von H. G. Gerlaeh

Herrn Pro/essor Dr. Dr. G. Korkhaus zun~ 75. Geburtsta9

Was (lie Therapie yon Anomalien des Gebisses und der Kiefer anbetrifft, so gibt es daf(ir eine Menge teehniseher Behelfe. Viele sind Variationen altbew~ihrter Apparaturen, vieIe sollen eine ,,Schule" repr/isentieren, also ffir ein bestimmtes Behandtungsprinzip sprechen. Der Name ist meistens nur eine Bezeichnung des Hilfsmittels, er wird indessen oft als Ausdruek einer neuen Behandlungsmethode angesehen. Dieser Saeh~-erhalt ist verwirrend und verwiseht das, was jede Therapie erst rationell maeht, die zweckgereehte Stellung der Indikation.

Sicher ist doch eins, die Apparatur als BehandlungsmitteI ist zun~ichst yon untergeordneter Bedeutung. Ieh habe eine Sammlung behandelter Anomalien angelegL (:lie bezfiglieh ihrer Art und ihres Tr/igers als ziemlieh gleichwertig gelten konnten, aber mit den versehiedensten Mitteln behandelt sind. Daran soll im Vergleich yon Aufwand und zeitliehem Effekt, yon Bequemlichkeit fiir die Part- ner und Sicherheit fiir den guten Ausgang usf. die Indikationsstellung deutlieher gemacht werden. Soviel konnte daraus wie auch durch Praxiserfahrung best~itigt werden, dab der Kieferorthop/ide sich in dieser Hinsicht nicht einer Schule ver- schreiben sollte. Seine Kombinationsgabe im technischen Detail mul3 sich stets yon Neuem seh6pferisch entfalten k6nnen. Die Mitt.el sind zu variieren, zu kom- binieren und zu modifizieren. Das setzt aber aueh eine Kenntnis aller b[ittel voraus, (tie verfiigbar sind und eine praktisehe Erfahrung, die sich allerdings nieht immer in (let dreijfihrigen Spezialausbildung aneignen l~iBt.

Diese Betraehtung ist nicht auf Beschreibung solcher teehnischer Details ab- gestimmt, sondern auf Trennung des Behandlungsmittels yon der eigentlichen Heilmethode. als dem Prinzip einer Behandlung. Gewil3 kann auch das Behand- lungsmittel methodisch gegliedert werden, es ist sogar ein wesentlicher Umstand, der den [ndikationsbereich mit erfal~t. Diese technisch-methodische Differenzie- rung wird innerhalb der folgenden heute erfafJbaren Methoden der Therapie mit berfihrt.

Nach dem Prinzip ihrer Wirkung geordnet lassen sieh diese Regulierungs- verfahren wie folgt zusammenfassen. Die herk6mmliche und weitest verbreitete )Iethode. die aueh die meisten technischen Variationen bieter ist die k o r re k t i v- t h e r a p e u t i s c h e 5 l e t h o d e . Ihr gegeniiber ist die p r o t e k t i v e ) [ e t h o d e , als Sehutztherapie, v611ig verschieden.

Von der r e t e n t i v e n 5[e thode~ die den Behandlungserfolg siehern soll wird ausgiebiger Gebrauch gemaeht.

I. Die korrekfive Methode In dem Zeitramn, den A n g l e pr/~gte, war die am GebiB fixierte Bogenappara-

tur, yon der aus gezielte aktive Einwirkung yon kfinstlieh erzeugten Kr/~ften (hnpulse) auf Z/ihne und Zahngruppen erfolgten, zur konventionellen Therapie geworden. Sie wurde bekanntlieh xon ibm selbst sehon vielfach abgewandelt= ist

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460 Fortsehritim der Kieferorthop'adie Bd. 30 (1969) ]-[eft 4

abet bis heute aktuell geblieben, denn sie ist als methodisehes Prinzip das Riiek- grat der Kieferorthopgdie. Die Zghne werden kinematiseh beeinflugt, ob sit nun einzeln oder in Gruppen erfagt werden. Die M6gliehkeit orthopfidisehe Korrek- turen dureh Zahnbewegungen ausf/ihren zu k6nnen gibt der Methode den Namen.

IVir haben zwei 3f6gliehkeiten der Gewinnung yon Kraf ten zu solehen Kor- rekturen :

A. aus der potentiellen Energie geeigneter Materialien. B. aus der lebendigen Energie der Muskulatur.

A. Das methodische Prinzip Zahnbewegungen durch Kriifte auszuf/ihren, die aus der potentiellen Energie geeigneter Materialien gewonnen werden

DiG Absieht Korrekturen der versehiedenen Stellungsanomalien auszuftihren erfordert die Entwieklung yon geeigneten Hilfsmitteln. deren Elastizittit oder deren Quellverm6gen zur Gewinnung yon Bewegungsreizen ausgenutzt werden konnten. Dazu z~hlen gezogene Metalldrahte, Gummi, Guttapereha, Holz u. a. Die Fragen wie dieser a ktive Eingriff an den Z/~hnen oder Zahngruppen zeitlieh abl~iuft, yon weleher Qualit~it die Kraft impulse sind, welehes quanti tat ive Mag sie erreiehen sollen, sind zwar vorrangig, doeh ~ndern sie niehts am Prinzip der Methode. Ebenso ist es zun/iehst unerheblieh yon weleher Seite die Reize zu- gefiihrt werden, yon weleher Trfigerbasis sie ausgehen, ob sie dureh Finger- federn oder dureh Ligaturen oder tiber best immte Verankerungen (Braekets) an den Z/ihnen vermit tel t werden.

Ohne die historisehe Reihenfolge genau einzuhalten, so lag die Arbeitsbasis zunttehst auf der, eine gute ~bersieht gebende m vestibul/ir-bukkalen Seite des Gebisses; kS entstand die Augenbogen-Apparatur.

D e r L a b i a l b o g e n : Er hat dureh A n g l e Gesehiehte gemaeht. Alle danaeh bekannt gewordenen verfeinerten Konstrukt ionen sind letzten Endes erst dureh die neuzeitliehen f'eimneehanisehen Zubeh6rteile, dureh neue Stahllegierungen, das L6ten und Sehweigen m6glieh geworden. Es gab in 1)eutsehland Ausbildungs- st~itten, wo noeh bis in die 30er Jahre aussehlie[llieh mit dent runden AuBen- bogen (Labialbogen) naeh A n g l e gearbeitet werden mugte. Seine Wirkung war zun/iehst auf die Ankerzfihne geriehtet, oder iiber linguale Ausleger oder Ligaturen aueh auf andere Z/~hne zu iibertragen. Auf der Suehe naeh dem Mittel Bewegungs- reize anders als dureh Zahnhalsligaturen auf die Z'ahne zu itbertragen erfand A n g l e die ,,Pitt and Tube" Teehnik (1910). Eine weitere Verbesserung sollte sein , ,Ribbon Areh Meehanismus" mit braekets an den B~ndern der Z'ahne bringen (1916). Sein letztes Verm~iehtnis war bekanntlieh der ,,Edgewise-Bogen" (I928), der jede Zahnbewegung in jeder Riehtung m6glieh maehen sollte. Lou- r i e , L. S. (1929) modiffzierte den Labialbogen, legte ihn in der Front hoehlabial- oberhalb des Gingivalsaumes als Tr/igerbogen fiir angel6tete Fingerfederehen, J o h n s o n , I. B. (Twin Wire Alignement Appliance 1941) war gewissermal3en der Vorl/iufer der , ,Light-Wire" Teehnik (Begg , J a r a b a k u. a.), indem er einen 0,6 mm Labialbogen in zwei feine aufgegliederte und so wesentlieh feinere Kraft- dosierungen anbringen konnte. Von den vielen anderen Modifi.kationen des La- bialbogens set noeh der Universalbogen A t k i n s o n s erw/thnt, der eine Kombi- nation yon flaehem und rundem Draht darstellte (gingival fund 0,2--0,3 mm und koronal 0 ,25 - -0 ,6mm flaeh). Dazu miissen wieder Spezialbraekest fiir die Verankerung an den Z'ahnen benutzt werden.

GerlaeS, {~*ber 3Iittel mid Methoden der kieferorthop~idisehen Therapie 461

Wie kurz angedeutet wurde, steht dent Kieferorthoptiden eine Auswahl teeh- niseher Hili~vorriehtungen zur Verftigung. Er braueht sie durehaus nieht ein- seitig zu kopieren. Ieh benutze z. 13. gem ein J a r abak -} Io r i zon ta l s eh log weg'en seiner grazilen Form an Ankerztihnen, das 13 roussa rd -At t aehemenf , welches dureh seine geringffigige Aussparung am Riiekenteil zwisehen den Befestigungs- flansehen universell anzuwenden ist usf. Mit dem Labialbogen verbindet sieh der Begriff der Multibandteehnik. In amerikanisehen Ver6tTentliehungen werden gerne solehe 13ilder gezeigt. Offenbar h/itten wir in Europa durehsehnittlieh sehwerere Anomalien zu behandeln, wenn die meist gezeigten Fetes amerikaniseher Publikationen den dortigen Durehsehnitt darstellen sollten. Jede,ffalls empKehlt es sieh nieht wahllos Experimente mit einer hoehgezfiehteten Mult ibandapparatur zu maehen, nut mn feine Korrekturen durehzuffihren, wenn man sieh nieht vollends in allen Teehniken geiibt hat. Der Augenbogen hat eine grote Indikationsbreite und ist nieht unbedingt als Mult ibandapparatur amvendbar. Ieh fasse das ffir die Aktualitiit des Labialbogens ~Vesentliehe wie folgt zusammen:

1. Als a k t i v e r L a b i a l b o g e n , fund oder kantig, zur I)ehnung mit ~Virkung auf die Ankerz'ahne, oder iiber linguale Ausleger auf die entspreehenden Ztihne und die alveol/ire Umgebung, ~ur Aehsenkippung, Drehung, Aufriehtung einzelner Zahnindividuen in Dimensionen yon 0,3--0,6 ram, verankert im 1Rund-oder FlaehsehloB. Zur distalen Versehiebung mit extraoraler Verankerung mit Doppel- rohrsehlog in der Stfirke bis 0,9 ram.

2. Als g e s e h l o s s e n e r T r t i g e r b o g e n f/Jr leingerfedern, Spiralen, Oumnfi- zfige zur Protrusion oder Retrusion im Frontgebiet oder als g e t e i l t e r Tr~iger- b o g e n (Sektionsbogen) fiir Federn, Spiralen zum 0ffnen yon Liieken. Vor allem dann mit ovalem tIorizontalsehlog ( S i m o n ), besonders wenn der Ankerzahn und der angegriffene Zahn zugleieh zu tordieren sind (Liieken6ffnung ffir den 5er bei ein- wfirts gedrehtemMolar und gedrehtem 4er). Dimensionen 0,5--0,7 mm, meistens rund; ftir L6tarbeiten aus vergiitbarem Material. Verankerung in Rundr6hren oder ovalem Sehlog je naehdem, ob der Bogen durehgleiten muB oder nieht, gegebenenfalls Stoppsehrauben ve t das Sehlol~ legen.

3. Als L e i t b o g e n an dem die zu bewegenden Ztihne gefiihrt und gegen Kip- pun t gesiehert werden sollen. (Eekzahnriiekffihrung, Ausriehten der unteren Front naeh Extrakt ion, Diastemasehlul~ usf.)

In der Mehrzahl der Efille ist wohl eine kombinierte Verwendung zu planen. Dann ist yon den m6gliehen Sehlogverankerungen diejenige auszuw/ihlen, welehe eine rationelle Anwendung versprieht und das hiiufige Ausweehseln erspart.

D e r L i n g u a l b o g e n : I )em Namen naeh lingual angesetzt, hat er wohl zu- nfiehst als stabiliserender Bogen im Zusammenhang mit einem aktiven Labial- bogen gedient. I m horizontalen ovalen Sehlog verankert , kann er sehr zweek- mfiBig als Molarenstfitze (z. 13. gegen die lerontz~hne bei Deekbill) dienen, wenn etwa die Eekz/ihne dutch intramaxill/ire Zugvorriehtungen zunfiehst distal in Lfieken zu bewegen sind und das Frontsegment zugleieh aufzuriehten ist.

Als passiver T r / i g e r b o g e n {0,8--0,9 ram) im vertikalen Sehloll verankert und mit l~ingerfedern (0,4 ram) versehen, ist er dutch M e r s h o n , in Deutschland namentlieil dureh K o r k h a u s (1927), bekannt geworden.

Heute, we uns in den Kobaltlegierungen hoehwertige B6gen zur Verfiigung stehen, m6ehte ieh ihn nieht mehr missen. ~Vo mehrfaehe Lfieken6ffnungen in einem Kiefer, Aufriehtung yon Zfihnen zumal bei Rlteren Patienten notwendig

402 Fortsehritte der Kieferorthopadie Bd. 30 (1969) Heft 4

werden, leistet er hervorragende Dienste, wenn man die J~'ingerfedern vorsiehtig aktiviert . Der l~ortfall yon Bgndern, auBer an den Molaren, gibt ihm besondere Aktuali~gt. Dureh S i m o n (1927) ist er als e l a s t i s e h - a k t i v e r I n n e n b o g e n i m horizontalen SehloB ein sehr verbreitetes Hilfsmittel gewesen. ~Iit ihm muB man sieh gut ver t raut maehen um Nebenwirkungen auf die Ankerz~thne zu ver- meiden (wenn man sie nieht anders sogar ftir wiinsehenswert halt). Ieh halte ihn naeh wie vor ftir eine groBe Bereieherung unserer Hilfsmittel.

A b n e h m b a r e P l a t t e n g e r / i t e a l s f~ ' be r t r~ ige r u n d T r / i g e r p o t e n t i e l l e r F~nergie : Die Erfahrung, dab Z~thne auf ktinstlieh zugef/ihrte Anreize hin Orts- ver/inderungen vornehmen k6nnen, hat je naeh dem Stand der Teehnologie zur Ertindung aller m6gliehen ttilfsmittel gefiihrt.

In der epoehemaehenden Zeit der Kautsehukvulkanisat ion wurde die Kaut- sehukplatte sehon vor Jahrzehnten als Trgger und aueh als l~*bertr'ager yon Reizimpulsen auf das Zahnsystem angewendet ( J a e k s o n ) . Die kostensparende Herstellung, die Einfaehheit der Konstruktion, hygieniseh einwandfrei und mit gsthetisehen Vorziigen ausgestattet , erm6gliehte aueh eine gr6Bere Zahl yon Pa- t ienten zu behandeln, wie es die Neuzeit erfordert. X o r d maehte auf ihre weit- gehende Anwendung aufmerksam. A. ~I. S e h w a r z gelang es dutch ein neues Verankerungssystem (Pfeilklammern) die Voraussetzung zu erfiillen, so dab eine solehe Plat te nieht nur iiber eingebaute Sehr/iubehen zum gesieherten Reiziiber- tr'ager auf Kieferkamm und Z~ihne wurde, sondern aueh die Impulse kleinster Fingerfedern auf ein Zahnindixddium geriehtet und sieher iibertragen werden konnten. Die Akrylat-Teehnik maehte sie vollends zu dem heute meist verwende- ten Hilfsmittel der kieferorthop~tdisehen Therapie. Der Methode naeh geh6rt sie zu den korrektiven MaBnahmen. Man hat den groBen oben genannten Vorziigen seiner Zeit weitere angefiigt, die den friiher mit Reeht erhobenen Naehteilen der Bogenapparaturen gegeniibergestellt werden konnten (Kariesvorsehub, paro- dontale Reizung, Wurzelresorptionen). Diese sind heute jedoeh nieht mehr stieh- haltig.

Mit dem Argument, sie lieBen die F r i i h b e h a n d l u n g zu, muB ieh mieh noeh auseinander setzen, da die Praxis gezeigt hat. dab diesem. Vorteil groBe Naehteile gegeniiberstehen, die die Kieferorthop~idie in eine l~ritisehe Gage bringen k6nnen (s. u. retentive Methode). I m allgemeinen darf behauptet werden, dab sieh mit P la t tenappara turen ganz hervorragende Resultate erzielen lassen, dab man jedoeh vorsiehtig sein sollte, mit des Behauptung, sie seien das einzige Mittel zur Anregung des Waehstums der Kiefer. Ieh kenne keine Beweise dafiir, wohl aber viele Falle. wo sieh dureh foreierte Anwendung der Dehnsehraube zwar Verbreiterungen dureh Resorptionsvorg/inge am plat tennahen Gaumenteil mit vestibul/iren Apposi- tionen ergaben, die aber naeh Jahren wieder rezidivierten. Wo sie indessen sta- tion~ir verblieben, da wage ieh zu behaupten, w/iren sie aueh mit anderen Mitteln, vielleieht sogar ganz ohne solehe, zu erzielen gewesen. Ieh habe Unterlagen, wo nut mit Band-Bogen-Behelfen ausgefiihrt, erstaunliehe Waehstumszunahmen meBbar wurden. Die Bequemliehkeit des Anwendung. ihre l~Tberwaehung und die }I6gliehkeiten ihrer Modifikation sind unbestrit tene Pluspunkte. Mir seheint abet aueh, dab alle diese Vorziige der Plat ten dazu verleiten andere gute Hilfs- mittel zu vernaehli~ssigen oder dab sogar die diagnostisehen Belange minder ernst genommen werden, Ieh habe mil~br~tuehliehe Anwendungen gesehen, die ebenso fblgensehwer sein k6nnen wie sie bei Band-Bogen-Apparaturen vorkommen.

]~s sei aueh auf die neuerliehe Belebung der 100i~ihrigen ~[ethode des 8prengung

Gerlaeh, ~*ber Mittel und ~Iethoden der kieferorthop/idischen Therapie 46,2

der medianen Knoehensutur des Gaumens hingewiesen, die Mr noeh in den 20er Jahren mit gepr'agten Metallplatten ( H e y d e n h a u s ) ausfiihrten. Trotz der Unterffitterung mit sehwarzer Guttapereha wurden damit sehwere Gewebssehfidi- gungen hex'vorgerufen, die sieh aueh bei Akryla tpla t ten wiederholen. Das Ver- tahren ist nur stat thaft , wenn die Apparatur an den Z~ihnen verankert ist. Es ist eine korrektive Methode mit ganz best immter Indikation. Sie steht ihrem Wesen naeh der fixen Band-Bogen-Apparatur n~iher als den Hilfsmitteln der Plat ten- gerfite.

Dutch Kombinat ion mit Hilfsmitteln der traditionellen Band-Bogen-Appa- ratur lassen sieh aueh mif Plattenger/tten manehe neue M6gliehkeiten der Be- handlung sehaffen.

MuB beispielsweise ein verlagerter, ti'eigelegter Eekzahn in eine Liieke be- wegt werden, so kann ein Federbalken im HorizontalsehloB, an eine Pfeilklammer oder Adamsklammer gel6tet, Bewegungen in allen Ebenen ausfiihren. Solehe Klammern mfissen aus Spezialdr/ihten (Wiptam, Wironit und dergl.) zweeks meehaniseher oder thermiseher Naehvergfitung hergestellt werden. Hienni t sei nur angedeutet wie sieh die Teehniken gegenseitig erg'anzen k6nnen.

B. Das methodische Prinzip Bewegungsimpulse aus tier lebendigen Energie der Muskulatur anzuwenden

Als ~'berschrift h/itten R o g e r s eigene Worte gesetzt werden k6mmn, wenn sie in das Ges~mtkonzept dieser Betrachtung gepaBt hart en. Auf ihn. der H u n t e r s und K e i t h s Gedanken yon der Bedeutung der Funktion innerhalb therapeuti- scher Eingriffe welter entwickelte, geht die ,,Myofunktionelle Beha ndlung" zurfiek. Die 3Iuskeln sind ffir ihn ,,lebende orthodontische Apparate" . Ihre harmonisehe Tgtigkeit sei ein ebenso wichtiger Faktor wie ihre Stgrke. Andererseits wfiren ihre destruierenden Wirkungen iiberraschend stark, wenn sie aus irgendeinem Grund yore Nonnalen abweichen wfirden. Dureh (Tbung best immter Art soll eine Normalisierung fiber den Muskeltonus erfolgen und die konventionelle Behandlung unterstfitzen.

Bei einer Umfrage, die vor Jahren bei Kieferorthop/tden in den USA gemacht wurde, hatte die 5[ehrzahl angegeben, dab sie R o g e r s (*bungen praktizierten. Mir ist kein sichtbarer Erfolg bei den klinisehen Versuchen soleher Art in Er- innerung geblieben. Es geh6rt viel Zeit dazu, noch mehr abet willige Patienten. Andererseits muB folgende l~berlegung angestellt werden: Tonus, Gr6Be, Dy- namik der Muskulatur sind wiehtige Teile der Mimik, d. h. unserer Individuali tat . Wir sind darin nicht konform. Wir k6nnen durch l[kbung Muskeln stghlen, ihre Gr6Be, Ausdehung; Ans~ttze am Gesichtsskelett usw. bleiben jedoch Teile des unver/tnderlichen Ganzen.

Eine ,,funktionelle Normalisierung ~' ist ein gro[tes Konzept. Wo soll die fimktionelle Norm liegen, wo wit doeh alle dutch spezifische Abweichungen yon dem Durchschnitt ausgezeichnet sind .~ Ich pers6nlich weiB, dab dieser muskulare EinfluB auf die GebiBbildung wirksam ist (siehe Protektive Therapie), doch re- gistriere ich lieber das was ,,des Patienten Wesen" ist und stelle es planm~tBig in den Ablauf der Therapie.

3[eine pers6nliehe Erfahrung soil diese Entwicklungshilfe durch Aktivierung yon Muskelgruppen im Bereich des Kauorgans nieht herabsetzen, sondern nur yon praktischen Erfahrungen her kommentieren.

464 Fortsehritte der Kieferorthop/idie Bd. 30 (1969) Heft 4

Nachdem A n d r e s e n (lie auf R o b i n zur6ckgehende Apparatur erfolgreich und in gr6Berem Umfang zu Regulierungen angewendet hatte, wurde sie ais Aktivator bezeiehnet und in Zusammenarbeit mit H g u p l bekanntgemacht. Die Art ihrer Wirkung wurde theoretiseh unterlegt und als .,Funktionskieferortho- p/idie" herausgestellt. Zun/ichst als passives Ger/it deklariert, welches dureh die individuelle Muskelaktivit/tt in Funktion gesetzt, auf Zfihne. Zahngruppen und Kiefergelenk wachstumsf6rdernd einwirken sollte, wurde atsbald entschieden. dal~ ganz allgemein vort passiven Ger/iten kaum gesprochen werden kann. Jede Apparatur am waehsenden Kiefer und Gebig angesetzt, so auch jede Plattenbasis wirkt in diesem Stadiurn wachstumsstimulierend. Heute ist aus dem Aktivator der Friihzeit eine mit Schrauben, Federn, Klammern usw. versehene Ver b u nd- p l a t t e n - A p p a r a t u r geworden, als welche ieh sie sehon fl'/iher bezeichnete, sehr zum Unwillen der Theoretiker. Sieherlieh ist sic ein Korrektivum nut mit der spezifisehen Art, (tag sic ihre Energie aus der lebendigen Akti%tfit der 3[us- kulatur bezieht, die in geeigneter Weise in Spannung versetzt wird. Jedermann weiB wie erfolgreich damit reguliert werden kann, doch sollte sic in ihrer urspr6ng- lichen Ausstattung mit Coftinfedern in ihrem speziellen Indikationsbereieh an- gewendet werden. Das Bestreben eine Apparatur universell auszustatten, fiihrt leicht auf Abwege. Ich halte es sachlieh fiir besser, dafiir die Indikation zu festigen. Dieser Typ der Verbundplatte hat zu allerlei konstruktiven Novitfiten gefiihrt. so mit skelettierter Basis und eingebauten Drahtelementen (Gebigformer nach B i m l e r und Kinetor naeh S t o e k f i s c h ) . Ohne Zweifel k6nnen Kinder mit allen diesen Hilfsmitteln gute Wirkungen hervorbringen, wenn sic diese energisch be- niitzen. Am Prinzip der Therapie ist indessen nichts ge/indert, nur am Typ des Mittels. Wie bei den Drahtbogen-Apparaturen hat es hier auch nieht an Ver- suehen gefehlt das Get/it aus dem lingualen Innenraum des Mundes in den b u g kalen Bereich, in das Vestibulum, zu verlegen. Aus der friiher bekannten Vorhof- platte (Newel l , H o t z u. a.) haben sieh weitere Ger/ite ableiten lassenl). Sobald man zwisehen GebiB und den umgebenden MuskelgOrtel, also in den Vorhof, eine Platte legt, ist. wenn diese die Muskelkr/ifte auf das Gebig iibertr/igt, das Prinzip des Aktivators verwirklicht. Liegt sie indessen im Abstand vom Gebig, so w/ire eine andere, (tie protektive Methode der Therapie verwirklieht. In Deutschland hat Th. S c h u e h a r d t (Berlin) vorgeformte GebiBfbrrner aus elastisehem Gummi herausgebraeht und S o u l e t und B e s o m b e s in Frankreich. Mit diesem ,,Akti- vateur Goutti6re :` genannten Ger/it liegen sieh Umformungen ziemliehen lJm- fangs ausfiihren, wenn der Patient willens war mit dem volumin6sen Ger/it, einer Verbindung yon Vorhofplatte und Gaumenplatte, intensiv zu arbeiten2). In dem Ger/it, welches F r / i n k e l a) als ,,Funktionsregler" bezeiehnet, eine Vorhofplatte als Tr/igerbasis aueh fiir Draht- und Sehraubenelemente, gleicht dem Wesen naeh dem Aktivateur Goutti6re. Er arbeitet nach der korrektiven Methode und gewinnt zugleieh Krfifte aus der lebendigen Energie der Muskulatur. Dajede Vor- hofplatte auch zugleieh ein Schutz vor der Einwirkung ungiinstiger - - ieh ver- meide es zu sagen - - ,,anomaler" mimischer Muskulaturen ist, vermisehen sich alle Methoden der Therapie.

1) Kraus. F., Transact EOS 19~6, 217. 2) Gerlaeh, H. G.. Transact EOS 1961. a) Fr/inkel, P,., }'ortsehr. Kieferorthop. ~3 (1962) 459; Dtseh. Zahnheilk. 11.

(1963) 37.

(;erla'.,h, i_"bcr Mittel und Mcthoden der kieferorthop~idisehen Therapie 4(~5

II. Die protektive ) lethode

Oegenfiber der Methode Unregelm/iggkeiten der Zahnstellung dureh direkten aktiven Eingriff zu korrigieren und den dazu entwiekelten vielen und vielf/iltigen Hilfsmitteln, nimmt sieh dieses Verthhren reeht beseheiden aus.

Fiir jenes gilt. dal3 als fehlerhaft Erkannte zu korrigieren, fiir dieses heil)t der Grundsatz, sehfitzen vor dem was zur Fehlbildung AnlaB geben kann. Die ein- faehsten Verh/iltnisse liegen bei frfihzeitigem Milehzahnverlust vor, wo dureh L iie k e n h a l t u n g einem Raumverlu st vorgebeugt wird.

Der TiefbilL der als UberlastungstiefbiB andere Anomalien so h/iufig kompli- ziert, hemmt manehe geplante korrektive MaBnahme. Dureh AufbiBgitter, Kap- pensehienen oder Aufbigplatten (Pl a nas) zum riehtigen Zeitpunkt der Dentition gelegt, wird die K a u l a s t v e r t e i l t bis alhn/ihlieh die vorteilhafte Bil3hShe er- reieht ist. -Xdmlieh dem S e h u t z g i t t e r , welches bei progener Verzahnung den Zungendruek kompensieren oder umleiten soil, habe ieh n o e h z. Z. der Kautsehuk- teehnik an Gaumenplatten und Aktivatoren Vorhofplatten anarbeiten lassen, wenn muskul/ire Abweiehungen ursfiehlieh eine Anomalie zu beeinflussen sehienen. Wegen der Kriegswirren konnten (tie Versuehe, ob diese Sehutzmagnahmen wesentlieh zur Therapie beitragen, nieht beendet werden.

Als sieh Gelegenheit zu einem grol3en klinisehen Experiment dieser Art bot, wurden zu einer Zeit alle Kinder rnit einem ,,Protektor" versorgt, der an Stelle yon stark auftragenden Pellotten nur Drahtsehlaufen trug, wie ieh sie bei B a 1 t e r s kennenlernte. Ieh habe darfiber mehrfaeh beriehtetl), wie wesentlieh der for- mende und verformende EinfluB der Muskulatur sein kann. Die Beweisftihrung war indirekter Art. Unter dem Sehutz der Pelotten war zun/iehst eine Selbstkor- rektur der Anomalie eingetreten. Sie rezidivierte in etliehen FSllen naeh der Ent- fernung der Sehutzvorriehtung. (~berall dort, wo eine muskul/irfunktionelle Dys- balance festgestellt war, hatten diese eine negative Rfiekwirkung auf das vor- herige gute Resultat.

Zu den protektiven MaBnahmen mul3 aueh die friihzeitige Entfernung yon Milehziihnen gereehnet werden, wenn fiir einen Engstand diagnostisehe Vnter- lagen vorliegen, wie segmentale Gr6f3enuntersehiede oder eine asymmetrisehe Entwieklung im skelett/iren Bereieh des Oesiehtes usf.

III. Die retentive Methode

Sie ist eigentlieh als naehtherapeutisehe Sieherung des erzielten Behandlungs- erfolges keine eigentliehe Behandlungsmethode. Sic ist bis heute problematiseh geblieben. Sehwere Anomalien k6nnen naeh der Behandlung mitunter ohne Re- tention v6tlig gesiehert sein und sogenannte leiehte Anomalien rezidivieren aueh noeh naeh gebiihrender Retentionsperiode. Sic ist hier angeffihrt wegen der oft vermuteten Abh~ingigkeit vom Behandlungsmittel. Der Behandlung mit Band- Bogen-Apparaturen wurde die grol~e Rezidivgefahr naehgesagt, weniger solehen mit Plattenapparaturen. 5[einer Erfahrung naeh diirfte sieh bei einer Umfrage ergeben, dab es sieh heute umgekehrt verh/ilt. Frfiher wurde die Band-Bogen- ApI)aratur eben mehr angewandt, heute die Plattengerfite. Das Rezidix ~ wird also

ohne dabei auszusehlieBen, dab unsaehgemiil3e Arbeit mit fixierten Feder- apparaten eine groge Oefahr in sieh tragen - - auf noeh anderen Ursaehen beruhen.

~) Gerlaeh. H. (;.. Transact EOS 1960 250. Dtseh. Stomat. 11 (1961) 42; Fortschr. Kieferorthop. 23 (1962) 281. Dtseh. Zahn-, Mund- Kieferheilk. 5/8 (1965) 223.

466 Fortschritte der Kieferorthot)iidie Bd. 30 (1969) t-left 4

Zum Teil versehuldet die Behandlungsmethode das Rezidiv wie foreiertes Ar- beiten mit dem Resultat der Zahnkippungen oder l[~berdehnung, wo besser eine Reduzierung des Gebisses angebraeht gewesen w/~re.

GroBe Erwartungen wurden auf die Frtihbehandlung gesetzt mit dem Erfolg, (:lag naeh meiner Informat ion Kinder, deren Kiefer mit 7 Jahren unter dem Wert des Pontsehen Index liegen, sehon einer systematisehen Dehnungsbehandlung aus- gesetzt werden. Die allgemein betonte Ausriehtung naeh dem Pont-Index ist meines Eraehtens eine der st/irksten Ursaehen zur Verkennung des Wesens einer Anomalie. Naeh 3j/ihriger Behandlung, gerade dann wenn der Zahnweehsel ein- setzt und sieh Waehstumsdissonanzen erst deutlieh auspr/igen, abet weder eine siehere Verankerung yon Retent ionsapparaturen noeh eine ztigige Behandlung durehzufiihren ist, sind Kinder und Eltern ermtidet. Es ist sehwer ihnen oder den Hilfskassen noeh die Not wendigkeit weiterer 2 i/ihriger Behandlung fiberzeugend darzustellen. Die Konzentrat ion auf den dentalen Bereieh fiihrt aueh zur Ver- naehl/issigung einer funktionellen Analyse, individuelte muskul/ire Verhaltens- weisen werden nieht gebiihrend beriJeksiehtigL Umgew6hnung tempor/ir-mandi- bul/irer Versehiebungen erweisen sieh oft nut als transistoriseh, ohne Umbau- m6gliehkeiten im gesamten Gelenkkomplex. Kurz gesagt, es wird meistens im diagnostiseh-analytisehen Sinne Wesentliehes iibersehen oder naeh dem Dogma einer Sehulmeinung sehematiseh gearbeitet.

Das beste Zeiehen ftir ein gesiehertes Resultat ist. wie A n g le immer hervorhob. die gesieherte Okklusion. Sie verlangt viele Kriterien, nieht nur die gute Inter- digitation (HSeker-Fissurensieherung), sondern u. a. zugieieh aueh eine statiseh gute Aehsenstellung der Z/ihne. Naeh Torsionen ist oft der Platz ungenfigend geblieben, naeh Dehnung war vielleieht gegen die Natur des Falles fiberdehnt worden, ein Vorgang der dureh Plat tenbehandlung heute reeht h/tufig vorkommt.

Aus diesem Grunde ist bier eimnal der Untersehied zwisehen Methoden und l~Iitteln der kieferorthop/idisehen Therapie herausgestellt. Daran kann erkannt werden, wie wenig aussehlaggebend letzten Endes die 5Iittel sind, welehe zu hoeh kultiviert und mit Namen belegt werden, welehe zwar 3Iethodisehes andeuten, aber nur teehnisehe Variationen sind. In dieser Beziehung ist das Beiwort vort der , ,Funktion" ziemlieh abgewertet worden oder es erweekt Hottimngen. die deshalb nieht zu verwirkliehen sind, weil das Individuelle ~iner jeden Anomalie, n/imlieh die funktionelle Komponente in jeweils anderer Konstellation und ~Vertigkeit enth~ilt, als sie einem Schema entsprieht.

Anschrift des Verf.: Prof. Dr. Dr. H. G. Gerlach, 5Iyv~ng-Hiilsingborg (Schweden) H6karv~g. 2

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