isolierungsmaßnahmen in medizinischen einrichtungen pro

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Technische Universität München Technische Universität München

Isolierungsmaßnahmen in medizinischen

Einrichtungen

Pro und Contra

Dr. Nina Wantia

Institut für Medizinische Mikrobiologie,

Immunologie und Hygiene

TU München

Technische Universität München

Isolierungsmaßnahmen - Nebenwirkungen

Kosten durch Bettensperrungen, Einzelzimmer

Personalkosten durch vergrößerten Aufwand

Kosten durch zusätzliche PSA

Unzufriedenheit des Personals (?) Unzufriedenheit der Patienten oder der Angehörigen (?) Weniger Pflege (?) Weniger Arztbesuche (?) Häufiger Depressionen (?)

Technische Universität München

Wie effektiv ist diese Maßnahme eigentlich?

Isolierungsmaßnahmen - Nebenwirkungen

Technische Universität München

Zwei große Studien im letzten Jahr

C. difficile ohne Einzelzimmerisolierung: Schweiz 2017, Widmer et al, CID

2017:64 (15 February)

MRSA und VRE ohne Einzelzimmerisolierung: Martin et al. Infection Control &

Hospital Epidemiologie November 2016, Vol. 37 No. 11

Technische Universität München

Clostridium difficile

• Erstbeschreibung 1935 (Hall, O`Toole) :

• Gram-positives Stäbchen, obligat anaerob

• Bildet Sporen, damit hohe Umwelt-Resistenz:

• Zellpopulation: Vegetative Zellen und Sporen, beide Formen infektiös

Natürlicher Standort ist der Darm von Tier und Mensch

in Darmflora von Erwachsenen 1-3%

von Neonaten bis 80%

Häufigste infektiöse Ursache für nosokomiale Durchfallerkrankungen

Technische Universität München

1. Studie: Transmission bei C. difficile ohne Kontaktisolation

Ein großes Schweizer Krankenhaus der Maximalversorgung, 735 Betten,

davon 8,7% 4-Bett Zimmer, der Rest Einzelzimmer oder Zweibettzimmer

10 Jahre: Januar 2004 bis Dezember 2013

Isolierung bei hypervirulenten Stämmen oder bei Stuhlinkontinenz

(Einzelzimmer, PSA, sporozides Desinfektionsmittel

Keine Isolierung bei allen anderen Patienten mit C. difficile Infektion

(Mehrbettzimmer, Wischdesinfektion auf ITS, Wischen ohne Desinfektion

auf peripheren Stationen), aber: eigene Toilette

Alle Kontaktpatienten wurden untersucht mit ELISA, ggf. PCR und Kultur

Es wurden 881 mit toxinogenem C. difficile entdeckt, davon 750 mit

Infektion, es gab 493 Kontaktpatienten

From: Transmissibility of Clostridium difficile Without Contact Isolation: Results From a Prospective

Observational Study With 451 Patients Clin Infect Dis. 2016;64(4):393-400. doi:10.1093/cid/ciw758

Clin Infect Dis | © The Author 2016. Published by Oxford University Press for the Infectious Diseases Society of America. All

rights reserved. For permissions, e-mail: journals.permissions@oup.com.

From: Transmissibility of Clostridium difficile Without Contact Isolation: Results From a Prospective

Observational Study With 451 Patients Clin Infect Dis. 2016;64(4):393-400. doi:10.1093/cid/ciw758

Clin Infect Dis | © The Author 2016. Published by Oxford University Press for the Infectious Diseases Society of America. All

rights reserved. For permissions, e-mail: journals.permissions@oup.com.

Ergebnisse der Studie

• Sehr niedrige Transmissionsrate

• C. difficile in der Umgebungsuntersuchung bei 16 Patienten:

nur bei 2,3% + (nur am Toilettensitz)

• Möglicherweise bessere Patientenversorgung ohne Kontaktisolierung

Was machen wir damit??

• Literatur: Evidenz nur für Handschuhe!! (mittlerweile Standard bei Kontakt

mit kontagiösen Materialien), wenig oder keine Evidenz für alle anderen

Maßnahmen

• Limitierungen der Studie: Krankenhaus mit strikter Handhygienecompliance

(>90%), Umgebungskontamination schwierig nachzuweisen

• Eigene Toilette schwierig umzusetzen in deutschen Krankenhäusern

• KRINKO: Einzelzimmerunterbringung mit eigener Toilette

• Gibt es effektivere Maßnahmen als das Einzelzimmer?

Moxifloxacin use and Clostridium difficile infections (CDI).

Judith Maria Wenisch et al. Antimicrob. Agents Chemother. 2014;58:5079-5083

2. Studie:

Ende der Kontaktisolierung bei MRSA

• Retrospektive Untersuchung in zwei kalifornischen Krankenhäusern:

- A Krankenhaus mit 540 Betten, 154 Intensivbetten

- B Krankenhaus mit 265 Betten, 22 ITS Betten

• Weiter Routinescreening (bei Risikopatienten ähnlich D)

• Vorher: 28,5% ITS-Patienten und 19% Normalstationspatienten isoliert

• Hohe Last an MRSA und VRE !

Maßnahmen bei MRSA:

Einzelzimmer Kittel und Handschuhe Elektronische Flagge in Patientenakte Chlorhexidinwaschung auf ITS

Isolierung nur bei MRSA in offenen oder drainierten Wunden Chlorhexidinwaschung (2%) auf allen Stationen Basishygiene

2. Studie:

Ende der Kontaktisolierung bei MRSA

Martin et al. Infection Control & Hospital Epidemiology Nov. 2016, Vol. 37: No.11

Weniger Kittel – gesparte Kosten

Martin et al. Infection Control & Hospital Epidemiology Nov. 2016, Vol. 37: No.11

Gesparte Zeit – gesparte Kosten

Martin et al. Infection Control & Hospital Epidemiology Nov. 2016, Vol. 37: No.11

Insgesamt

• Keine höheren Raten in

klinischen Kulturen

• Rate an MRSA bei S. aureus

gleich

• Etwas höhere Handhygiene

Compliance

• Materialkosteneinsparung:

600.000€

• Personalentlastung

KRINKO-Empfehlungen

MRSA (2014):

• Risikoanalyse

• Räumlich getrennte Unterbringung von MRSA-Trägern

• Schutzkittel und MNS bei ärztlichen, pflegerischen... Tätigkeiten

-> alles Kat. II

-> darauf zu achten, dass aufgrund der räumlich getrennten Unterbringung

die Qualität der medizinischen Versorgung des Patienten nicht

beeinträchtigt wird;

18

Evidenz der Empfehlungen

Evidenz der Empfehlungen

Köck et al., eurosurveillance 2014

Evidenz der Empfehlungen

1 Kohortenstudie, 7 Vergleichsstudien (retro/prospektiv)

4 Studien mit positivem Effekt der Isolierung (nos. Übertragung, Inzidenz)

4 Studien ohne Effekt

Häufig Implementierung von weiteren Bündelmaßnahmen

-> Effekt von Isolierung allein nicht bewertbar

-> Fazit der Autoren:

limitierte Evidenz aus nicht-kontrollierten Studien erfordert weitere gut designte

Studien

Zusammen mit Beobachtungen aus Ausbrüchen wird die

Einzelzimmerunterbringung unterstützt und sollte empfohlen werden, wo

Voraussetzungen gegeben sind (Einzelzimmer)

Your meeting starts in 8 minutes. You are standing in front of the room of your

patient, Mrs Smith, who you promised to see this morning. The door

displays an “MRSA isolation” sign. Will you go in? Probably not, because

you are in a rush and first have to put on a mask, gown, and gloves. You

may well ask yourself whether these precautions are justified.

Evidenz der Empfehlungen

Fätkenheuer et al., Lancet 2014

Evidenz der Empfehlungen

3 Studien zeigen positiven Effekt auf MRSA-Übertragung und Infektion

Allerdings nur in Kombination mit Maßnahmen-Bündel (z.B.

Händedesinfektion)

4 Studien ohne Effekt der Isolierung

• Vorheriges Programm zur Erhöhung HD + Antiseptische Waschungen

• In Zusammenhang mit „universeller“ Dekolonisierung + antis. Wasch

Fazit der Autoren:

• Evidenz für Isolierung aber auch Kontaktisolierung ist gering

Fätkenheuer et al., Lancet 2014

Limitierungen der Isolierung

1. Versorgungsqualität

• Isolierte Patienten mit 2x mehr vermeidbaren Komplikationen

• Isolierte Patienten bekommen weniger häufig Vitalparameter bestimmt

• Isoliere Patienten ohne Arztbesuch

• Isolierte Patienten weniger zufrieden

2. Kosten

• z.B. IS2: ca. 210.000 EUR Einnahmeverlust durch gesperrte Betten bei

40 MRE-Patienten

• Weitere Kosten (Personal, entgangene OPs... Nicht berücksichtigt

Sinnvoller Resourceneinsatz für bestmögliches Outcome?

25

Safety of patients isolated for infection control, Stelfox et al., JAMA 2003

Weitere Literatur

1. Morgan et al. Infection Control & Hospital Epidemiology, Volume 1, January

2013, pp69-73

Prospektive amerikanische Studie in vier Krankenhäusern: HCW wurden

“undercover” beobachtet und in Bögen eingetragen.

Bei Patienten, die isoliert wurden: hatten weniger Kontakt zu HCW (4,37 V / h

vs. 2,78 V / h) und hatten weniger Besuche: Die Handhygiene war besser

beim Herausgehen (63,2% vs. 47,4%)

2. Cody N. Dashiell-Earp et al. JAMA Medicine 2014: Ärzte haben weniger und

kürzeren Kontakt mit isolierten Patienten (2,3 visiten vs. 2,5 Visiten pro Tag,

5,2 Min vs. 6,9 Minuten pro Tag)

Fazit

Evidenzgrad für Einzelzimmerunterbringung ist gering (Kat. II)

Viele Studien vermischen Maßnahmen -> Beurteilung einzelner Effekte

schwierig

Gleichwertige Versorgung bleibt herausfordernd

KRINKO: Insgesamt ist der Stellenwert der Einzelzimmerunterbringung als

Einzelmaßnahme noch nicht endgültig abschätzbar.

Vertikale vs. Horizontale Interventionen

28

Horizontale Intervention: Fokus: Infektion (z.B. BSI), alle Erreger (nicht nur MRE) Händehygiene und universelle Dekolonisierung

Vertikale Intervention: Fokus: bestimmter Erreger, nur MRE Screening, Isolierung/Schutzkleidung, gezielte Dekolonisierung

Technische Universität München

Tgl. Chlorhexidin-Waschung – Effekt auf HAI

Cluster-randomized, crossover study

6 ITS bzw. 3 Knochenmarkstransplantation, 7727 Patienten

Gruppe 1 (5 ITS) Tgl. Waschen mit 2% Chlorhexidin, 6 Monate, dann

Gruppe 2 (4 ITS) Tgl. Waschen mit nicht-antimikrobiellem Produkt und vice

versa

Aktives MRSA+VRE-Screening mit Isolierung

29

Climo et al.,NEJM, 2013

Technische Universität München

Tgl. Chlorhexidin-Waschung – Effekt auf HAI

23% Reduktion

MRE-Erwerb,

• 28% Reduktion

nosokomiale BSI

Aber:

• BSI hauptsächlich

wg. knst

• Kein Effekt auf MRSA

-Rate,

• Rückgang von VRE

Erklärt durch untersch.

Kolonisationsort (perianal, Nase)

30 Climo et al.,NEJM, 2013

Technische Universität München

Targeted vs. Universal Decolonization zur NI-Prävention

Multicenter, cluster-randomized trial

43 Krankenhäuser, 74 ITS, 74.256 Patienten

3 Gruppen: • MRSA-Screening + Isolierung

• Targeted decolonization: MRSA-Screening+Isolierung+Mupirocin+ChlH-Waschung

• Universal decolonization: kein Screening, Isolierung von bekannten MRSA-Trägern, alle

Patienten mit Mupirocin (5d) + tgl. ChlH-Waschung

Outcome: MRSA in klinischen Materialien, nosokomiale BSI mit MRSA bzw.

anderen Erregern

31

Huang et al.,NEJM, 2013

Technische Universität München

Targeted vs. Universal Decolonization zur NI-Prävention

37% Reduktion MRSA in klinischen Matierialien

44% Reduktion BSI durch jegliche Erreger

32

Huang et al.,NEJM, 2013

Technische Universität München

Targeted vs. Universal Decolonization zur NI-Prävention

MRSA 10,6% während Beobachtung und 3,7% während Intervention mit

bekanntem MRSA -> ca. 1/3 aller Patienten war isoliert!

Nur Interventionshäuer wurden geschult (aber keine Infektionsprävention)

Keine signifikante Reduktion MRSA-BSI

BSI-Reduktion hauptsächlich Reduktion knst

Keine Erfassung Händedesinfektions-Compliance

Keine Evaluierung Mupirocin- und Chlorhexidin-Resistenz

MRGN werden nicht berücksichtigt

33

Huang et al.,NEJM, 2013

Technische Universität München

Targeted vs. Universal Decolonization zur NI-Prävention

8 Europäische ITS

Interrupted time series study: • Baseline 6 Monate

• Händehygiene+ Chlorhexidin-Waschung 6 Monate

• Conventional screening + rapid screening 6 Monate

Effekt der Reduktion im Wesentliche Aufgrund Händedesinfektions-

Compliance

34

Derde et al., Lancet ID 2014

Technische Universität München

Chlorhexidin-Waschung und CLABSI

Gepoolte RR: 0.45 (95% CI: 0.37-0.55, P b .001)

35

Kim et al., Crit Care, 2016

Technische Universität München

Chlorhexidin-Waschung und CLABSI

Gepoolte RR: 0.45 (95% CI: 0.37-0.55, P b .001)

36

Kim et al., Crit Care, 2016

Technische Universität München

Octenidin zur Reduktion nosokomiale BSI / MRE

8 internistische ITS, 9 chirurgische ITS: 29.523 Patienten

12 Monate Baseline: generelles MRSA-Aufnahme-Screening+Isolierung

12 Monate Intervention: kein generelles Aufnahme-Screenung, Isolierung

nur von bekannten MRE-Patienten bzw. neuer MRE-Nachweis in klin. Mat.

Endpunkte: ITS-assoziierte BSI, MRE-Nachweis in klinischen Materialien

37

Gastmeier et al.,JAC, 2016

Technische Universität München

Octenidin zur Reduktion nosokomiale BSI / MRE

Gesamt: keine signifikante Reduktion BSI

Auf internist. ITS Rückgang um 22% (v.a. durch knst, ek; nicht gr-)

38

Gastmeier et al.,JAC, 2016

BSI

Technische Universität München

Octenidin zur Reduktion nosokomiale BSI / MRE

Signifikanter Rückgang nur auf Internistischen ITS

Aber: weiterhin screening (60%(interv) vs. 67%(baseline))

Epidemiologisch weiter Rückgang MRSA, Zunahme VRE, MRGN)

39

Gastmeier et al.,JAC, 2016

MRSA

Technische Universität München

Zusammenfassung

Evidenzgrad für Einzelzimmerunterbringung ist gering (Kat. II)

Zwei große Studien (C diff. und MRSA) die zeigen, dass Transmissionen

auch ohne Isolierung sehr selten sind

ABS Maßnahmen bei hoher CDI-Last wirksam

Isolierte Patienten sind möglicherweise weniger gut versorgt

Große randomisierte kontrollierte Studien zeigen Benefit von universeller

Dekolonisierung, antiseptischen Waschungen und Händehygiene

Viele Studien vermischen Maßnahmen -> Beurteilung einzelner Effekte

schwierig

Technische Universität München

Einzelzimmer: Segen oder Fluch ??

Technische Universität München

Kontaktisolierung

Pro:

Etablierte Verfahren

KRINKO-konform

Gute Überprüfbarkeit der Compliance

Hohe Aufmerksamkeit, mehr HH

Klar ersichtliche Maßnahme

Einzelzimmer scheinen

Übertragungen zu verringern (v.a.

in Ausbruchssituationen)

Contra:

Kosten

Schlechte Evidenz für Maßnahmen

Schlechtere Versorgung

Deprivation der Patienten (?)

ABS oder antiseptische Waschungen

als effektive Mittel

Horizontale Maßnahmen effektiver (?)

Technische Universität München

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit

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