familienunternehmen: mehr als nur ein job · 2015. 5. 14. · der chef eine ungezwungene stimmung...

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Münchner Merkur Nr. 92 | Mittwoch, 22. April 2015

Telefon: (089) 53 06-418wissenschaft@merkur-online.de

Telefax: (089) 53 06-86 61 19Leben

In dem ökumenischen Got-tesdienst und einem Staats-akt im Kölner Dom wurde derOpfer des Germanwings-Un-glücks und deren Angehöri-gen gedacht. Ganz Deutsch-land hat mitgetrauert. DennTrauer ist etwas Urmenschli-ches, trauern tun wir, seit esMenschen gibt. Es hat etwasmit Trennung und Unwieder-bringlichkeit zu tun. Und jegrößer die Verbundenheit,desto größer ist auch dieTrauer.

Trauer beginnt mit einemSchockzustand, in den wirfallen, wenn uns der Verlustgegenwärtig wird. Aus psy-chologischer Sicht ist dieserZustand offensichtlich not-wendig, um den Trauerpro-zess einzuleiten. Die Phasedes Schocks ist eine Phasedes Verharrens der Hinter-bliebenen. Gefühle werdenkontrolliert und zurückge-halten – was die Betroffenenso viel Kraft kostet, dass sienur spärlich mit der Umweltkommunizieren können.

Erst danach folgt die Phase

Platz in unserer Gesellschaft.Diese Themen werden tabui-siert, weil wir so zu leben ver-suchen, als könnten wir ewigjung, kräftig und erfolgreichsein.

Es heißt: Im Tod sind alleMenschen gleich. Dasstimmt auch. Aber das be-deutet nicht, dass auch derUmgang mit dem Tod immerder gleiche ist. Im Gegenteil,er ist von Religion zu Religi-on, von Kulturkreis zu Kul-turkreis und auch vonMensch zu Mensch ganz un-terschiedlich. Letztlich hel-fen Trauerrituale und die Ge-meinschaft, um den schmerz-haften und häufig langfristi-gen Prozess der Trauer zu be-wältigen.

Aber fest steht: Wird dieTrauer nicht entsprechendausgedrückt, durch das Füh-len der Trauer und das Wei-nen, so bleibt diese Trauerauch weiterhin Bestandteildes Körpers und der Seele.An der Trauer führt leiderkein Weg vorbei, nur hin-durch.

Trauer ist unnatürlich. Unddaher stellte sich – aus heuti-ger Sicht völlig folgerichtig –eine emotionale Gewohnheitder Traurigkeit ein, die ichnoch lange mit mir herumge-tragen habe. Die Zeit hat dasEreignis zwar in den Hinter-grund gedrängt, jedoch istdie Wunde nie so ganz ver-heilt.

Als ich etwa 15 Jahre spä-ter meinen Vater durch einekurze, schwere Krankheitverloren habe, fing ich an,mich aktiv mit meiner Trauerauseinander zu setzen. Wa-rum setzen wir uns erst dannmit der Trauer auseinander,wenn der Verlust eines ge-liebten Menschen bereitseingetreten ist?

Wahrscheinlich weil mehrals 70 Prozent der Deutschenmittlerweile in Krankenhäu-sern und Altenheimen ster-ben – und nicht mehr zuHause. Der Tod verschwin-det immer mehr aus unseremAlltag. Für den bewusstenUmgang mit Verlust undTrauer scheint kaum noch

der eigentlichen Trauer, dieim positiven Sinn mit einerBefriedigung und Dankbar-keit endet, um danach lang-sam wieder ins Leben zu-rückkehren zu können. Imnegativen Sinn kann ein Ge-fühl von Ohnmacht und Nie-dergeschlagenheit entstehen,das in eine schwere Depressi-on führen kann.

Dabei müssten wir doch ei-gentlich im Trauern geübtsein. Trauer ist nichts anderesals die unausweichliche emo-tionale Reaktion auf Verluste.Und diese begleiten uns dasganze Leben hindurch. Nichtnur wenn wir nahestehendeMenschen durch Tod oderTrennung verlieren. Wir ver-lieren unsere Jugend, wir ver-lieren mit zunehmendem Al-ter – zumindest teilweise – un-sere Gesundheit. Mütter undVäter müssen ihre Kinder indie Welt entlassen. Mancheverlieren ihre Heimat oder ihrVermögen. Verlieren tut im-mer weh.

Ich selbst musste dies er-fahren, als ich mit zehn Jah-

Hauptsache gesund

MEDIZINKOLUMNE ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

ren meine Großmutter über-raschend durch einen Ver-kehrsunfall verloren habe.Ich hatte eine sehr enge Be-ziehung zu ihr. Damals habeich nicht gewusst, wie ich mitdem Tod umzugehen habe.Ich versuchte mich wie mei-

ne erwachsenen Vorbilderzusammenzureißen und un-terdrückte meinen Verlustund meine Trauer. Bereitsam nächsten Tag ging ichwieder zur Schule und ließmir nichts anmerken.

Das Unterdrücken der

Trauerarbeit – ein schwerer Weg

Priv.-Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz,Chefärztin in der Privatklinik Jägerwinkel inBad Wiessee, erklärt, warum wir uns trauen

sollten, zu trauern.

Dr. Barbara Richartz

Tabu: Böser Humor

Mit abschätzigen Scherzen überMitarbeiter tun sich Chefskeinen Gefallen. Der richtigeWitz kann Führungskräftenaber viel bringen: FreundlicherHumor verbessert die Bezie-hung zwischen Chefs und Mit-arbeitern. „Vorgesetzte solltenmit anderen lachen, nicht überandere“, rät daher PsychologeAlexander Pundt. Gemeinsammit seiner Kollegin FeliciaHerrmann hat er heraus-gefunden, dass positiver Humordas gegenseitige Vertrauenstärkt. Empathie, Loyalität,Unterstützung, Verständnis –all das kann hier wachsen.

Die Voraussetzung dafür: DerMitarbeiter muss spüren, dassder Chef eine ungezwungeneStimmung schafft und es ihmum das Wohlbefinden seinerLeute geht. Witze gelingen denPsychologen zufolge besser,wenn Chefs dabei Mitarbeiternauf Augenhöhe begegnen, al-so Gemeinsamkeiten hervorhe-ben. „Dann denken die Leute:Das ist jemand von uns.“

Die Mitarbeiter identifizierensich mit Vorgesetzten, wenn siefreundliche Witze machen.Dieser Mechanismus wirkt abernicht, wenn aggressiver Humorim Spiel ist. „Wer Witze überandere statt mit anderenmacht, erhebt sich über sie“,sagt Pundt. Abfällige Scherzeseien Gift für das Klima.

Die Ergebnisse der beidenPsychologen basieren auf einerOnline-Umfrage unter mehrals 152 Menschen zwischen21 und 64 Jahren, die in ganzunterschiedlichen Branchenin Deutschland arbeiten. DieAntworten zeigen deutlich: Werals Chef seine Mitarbeiter fürsich gewinnen will, sollte vorallem eines vermeiden: bösenHumor. dpa

AKTUELLES AUS

DER PSYCHOLOGIE

Karriere ist nichtgleich ZufriedenheitDie Zufriedenheit mit derBeschäftigung hängt nichtvon Karriereambitionenab, so das Ergebnis einerAnalyse des Instituts derdeutschen Wirtschaft inKöln. Mehr als 92 Prozentder „karriereorientiertenAngestellten und Arbei-ter“ sind demnach mit ih-rer Arbeit zufrieden. Dasgilt aber im Wesentlichenauch für die „familienori-entierten Angestelltenund Arbeiter“. Die Studiezeigt zudem, dass mit zu-nehmendem Alter dieKarriereambitionen ab-nehmen.

Männer schalten imJob leichter abBeim Abschalten vom Jobhaben Männer wenigerProbleme als Frauen. Dasgeht aus einer repräsenta-tiven Forsa-Umfrage her-vor. So haben vier vonzehn erwerbstätigen Frau-en (41 Prozent) in ihremderzeitigen Job schon dieErfahrung gemacht, nachFeierabend nicht abschal-ten zu können. Bei denMännern ist es nur etwajeder Dritte (36 Prozent).

Stellung beziehenbei MobbingWird ein Mitarbeiter ge-mobbt, neigen unbeteilig-te Kollegen oft dazu, hilf-los wegzusehen. Indemsie Stellung beziehen,können sie aber viel tun,um die Situation zu ent-schärfen, sagen Experten.Gut ist es zum Beispiel,die Mobber anzusprechenund vorzuschlagen zu ver-mitteln. Das macht deut-lich, dass der am Mobbingunbeteiligte Kollege sichzuständig fühlt und dasVerhalten der Mobbernicht akzeptiert – und dasschwächt deren Position.Mobbing trifft häufigMenschen, die sich voneiner Gruppe durch einMerkmal abheben. Daskann etwa sein, dass je-mand die einzige Frau ineinem Männerteam ist.

Patzig und aggressiv?Oft ein WarnsignalSind Kollegen auf einmalhäufig patzig oder aggres-siv, sollten Mitarbeiter siedarauf ansprechen. Denndahinter kann eine begin-nende Depression ste-cken, warnt die Psycholo-gin Juliane Dreisbach. Eskann aber auch ein Anzei-chen für Erschöpfungoder Überforderung sein.Der Betroffene selbstmerkt dabei oft nicht, dasser auf dem Weg ist, krankzu werden. Deshalb sindRückmeldungen von au-ßen wichtig. Gefragt sindvor allem die Mitarbeiter,die dem Kollegen beson-ders nahe stehen.

Neidgefühle lassensich nicht verdrängenIm Arbeitsalltag gibt esviele Situationen, dieNeid aufkommen lassen.„Egal, ob das Gefühl ge-rechtfertigt ist oder nicht,es ist erst mal da“, erklärtOrganisationspsychologeStefan Poppelreuter. Umherauszufinden, inwie-fern das Neidgefühl be-gründet ist, hilft Mitarbei-tern nur die Flucht nachvorne: ein Gespräch mitdem Chef. Viele scheuensich davor, werden statt-dessen unzufrieden. EinGespräch mit dem Vorge-setzten kann jedoch dazuführen, das negative Ge-fühl wieder loszuwerden.Hält die Missgunst unddie Aggression an, sollteman einen Therapeutenkontaktieren.

künftige Chef aus den eige-nen Reihen kommt. Danndreht sich vieles um Fragenwie: „Wer bekommt welcheAnteile?“ Oder, im Zeitaltervon Scheidungen und soge-nannten Patchwork-Famili-en: „Was überlässt man derEx-Frau?“ Beziehungsweise:„Wie wird der neue Stiefsohnins Unternehmen inte-griert?“

-Klingt alles höchst

kompliziert.An dieser Stelle möchte ichdie Stärken von Familienun-ternehmen betonen: Hierzählen Werte wie Verantwor-tung, Engagement oder Soli-darität besonders viel. Und:Es herrscht auch eine großeIdentifikation vor – die Mitar-beiter haben nicht nur einenJob. Der Arbeitsplatz bietetihnen – wie der Name schonsagt – eine familiäre Atmo-sphäre. Er ist ein Ort der Be-gegnung, man fühlt sich auf-gehoben, wertgeschätzt. Manentwickelt ein starkes Zuge-hörigkeitsgefühl.

-Wie schafft man es, all

das zu erhalten – ohne indiese konfliktreiche Ab-wärtsspirale zu kommen?

Ich rate Unternehmerfamili-en stets, sich regelmäßig anfesten Terminen außerhalbder Firma zu treffen. Vor al-lem wenn die Familie größerwird, macht es Sinn, sie im-mer wieder zusammenzu-bringen, dabei aber auchSpielregeln festzulegen.

-Welche Spielregeln

meinen Sie konkret?Spielregeln, wie man mitei-nander umgeht – vor allem inKonflikt- und Krisensituatio-nen. Zum Beispiel könnte einFamilienmitglied als Konflikt-moderator benannt werden.Bei Gesprächen, die drohenaus dem Ruder zu laufen,übernimmt dann dieser eineArt Vermittlerfunktion.

-Worauf kommt es

noch an?Was auch sehr, sehr wichtigist, aber gern vernachlässigtwird: Schon bei den kleins-ten Missstimmungen imTeam hellhörig werden, dasGespräch suchen. Die Fron-ten sind ja nicht von Anfangan verhärtet, das kommt erstmit der Zeit, wenn man dieSpannungen ignoriert. Es istein bisschen wie beim Zahn-arzt: Wenn man regelmäßighingeht, kostet es nicht vielund die Zähne bleiben ge-sund. Wird man nachlässig,kann es richtig teuer werden– und die Zähne sind viel-leicht für immer zerstört.

Interview: Barbara Nazarewska

Wenn Familien ein Unter-nehmen haben, geht es emo-tional schon mal hoch her.Warum? Susanne Hörmann,die Betroffene in Krisen berätund coacht, sagt: „In Famili-en ist die Währung Liebe – inUnternehmen Geld.“ In ei-nem Familienunternehmentrifft beides aufeinander. DieFolge: Familienkonfliktekönnen zu Unternehmens-konflikten führen. Ein Ge-spräch über Vorsorge – underste Hilfe in Notfällen.

-Frau Hörmann, wann

werden Sie gerufen?Meistens kommen die Ge-schäftsführer zu mir und sa-gen: „Irgendwas läuft schief.“Es gibt dann Streit in der Fir-ma – oder man schweigt sichnur noch an. Die Mitarbeitersind demotiviert, die Leis-tung sinkt. Und die Chefswissen nicht mehr weiter.

-Und dann sollen Sie

für Frieden sorgen?Meine Aufgabe ist es, dieProbleme konkret zu benen-nen – und mit dem Team Lö-sungen zu erarbeiten, damitder Frieden wieder einkehrt.

-Wie machen Sie das?

Das lässt sich nicht in einpaar Sätzen verallgemeinern.Es gibt unterschiedliche Un-ternehmen mit unterschiedli-chen Strukturen und Proble-men. In der Regel spreche ichzuerst mit den Vorgesetztenund anschließend mit denMitarbeitern. Es ist vollkom-men klar, dass jedes Ge-spräch vertraulich ist! JedeInformation ist für mich wieein Puzzlestückchen, das ichdann am Ende zu einem gro-ßen Ganzen zusammensetze.

-Nennen Sie uns bitte

ein konkretes Beispiel.Vor kurzem war ich in einemUnternehmen, bei dem dieProduktion stagnierte, weilzwei Abteilungen nicht mehrmiteinander, sondern imPrinzip gegeneinander gear-beitet haben. Ich habe dortGespräche geführt, dann ha-ben wir gemeinsam die Pro-bleme beim Namen genanntund auch gemeinsam nachLösungen gesucht. Etwas ge-meinsam zu erarbeiten istsehr wichtig, weil die Men-schen Anweisungen „vonoben“ ungern annehmen –vor allem in Konfliktsitua-tionen.

-Was waren denn die

Probleme?Es gab zum Teil keine klarenTätigkeitsabgrenzungen, sodass die meisten Mitarbeiternicht genau wussten, für wassie persönlich verantwortlichsind. Um das Hauptproblem

Familienunternehmen: Mehr als nur ein JobERSTE HILFE BEI KONFLIKTEN ....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

In einem Familienunterneh-men haben die Familienmit-glieder massiven Einfluss aufUnternehmensentscheidun-gen – und das zum Teil unab-hängig von ihrer Positionoder gar Kompetenz. Dasbirgt natürlich großes Kon-fliktpotenzial. Vor allemdann, wenn sich qualifizierteMitarbeiter benachteiligtfühlen, nur weil sie mit demUnternehmen sozusagennicht blutsverwandt sind.

-Was sind denn die

größten Baustellen?An erster Stelle sicher dieNachfolge-Regelung – Um-fragen belegen, dass rund 80Prozent aller Familienunter-nehmen wollen, dass der

fachte Darstellung. Undzweitens – das ist entschei-dend! – können die wenigs-ten Menschen bei anhalten-den Konflikten rational den-ken und über ihren Teller-rand hinausschauen. Diesind ja fast nur noch damitbeschäftigt, sich selbst zuschützen: vor mehr Arbeit,mehr Anfeindungen, und,und, und. Deshalb ist ja einexterner Berater so wichtig,weil er nicht betriebsblind istund vor allem nicht unterdem Verdacht steht, partei-isch zu sein.

-Eskalieren solche Kon-

flikte in Familienunter-nehmen mehr als in ande-ren Firmen?

mal ganz vereinfacht darzu-stellen: Person A fand, dasssie mehr arbeiten musste alsPerson B, weil Person B ihreAufgaben auf sie abwälzte.Dadurch fühlte sich PersonA ungerecht behandelt undschnitt Person B. Die wieder-um empfand das als extrembelastend, sie war sich keinerSchuld bewusst – und weihteschließlich Person C ein. Soentstanden nach und nachLager. Und irgendwann wa-ren die Fronten dann so ver-härtet, dass ein normales Ge-spräch untereinander garnicht mehr möglich war.

-Das hört sich ein biss-

chen nach Zickenkrieg an.Erstens ist das eine verein-

Zur Person:Susanne Hörmann, 36,kommt selbst aus einerUnternehmerfamilie.Als systemischer Coachberät sie Familienunter-nehmen bei Fragen rundum Mitarbeiterführungund Team- respektiveOrganisationsent-wicklung. Das ersteGespräch ist stetskostenlos. WeitereInformationen gibt esauf ihrer Internetseite:www.susannehoermann.eu

FOTO: KLAUS HAAG

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