jacobs 2010, quellen zur geschichte des partherreiches i: ii.4.1. herrscherhaus und hof

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Standard-Titelei 15,5 x 23,2 cm

Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments

In Verbindung mit der Stiftung »Bibel und Orient« der Universität Fribourg/Schweiz

herausgegeben von Max Küchler (Fribourg), Peter Lampe, Gerd Theißen (Heidelberg) und Jürgen Zangenberg (Leiden)

Band 83

2

Seite 2: Reihentitel

Vandenhoeck & Ruprecht

Ursula Hackl/Bruno Jacobs/Dieter Weber (Hg.)

Quellen zur Geschichte

des Partherreiches

Textsammlung mit Übersetzungen und Kommentaren

Band 1 Prolegomena, Abkürzungen, Bibliographie,

Einleitung, Indices, Karten, Tafeln

Beiträge von Ursula Hackl, Bruno Jacobs, Dieter Weber

3

Seite 3: Innentitel

Vandenhoeck & Ruprecht

AutorInnen des Gesamtwerks: Barbara Böck, Uta Golze, Ursula Hackl, Bruno Jacobs, Daniel Keller, Gudrun Schubert,

Kerstin Storm, Lukas Thommen, Giusto Traina, Dieter Weber und Markus Zehnder

4

Seite 4: Impressum

Mit zahlreichen Tafeln und Karten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-525-53386-4

© 2010, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. www.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG:

Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer

entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany.

Druck und Bindung: b Hubert & Co., Göttingen.

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

77II.4. Die inneren Verhältnisse im Partherreich

229 Sonnabend 1986, 280f.230 Diese Tiara als Satrapentiara zu bezeichnen ist unglücklich, da sich auch die frühen Arsakiden

sicher nicht als Satrapen des Seleukidenreichs präsentiert haben.231 Zu Tiara und Diadem bei den Parthern siehe Wiesehöfer 2006.232 Ghirshman 1962, Abb. 138. 140Ù.233 Siehe beispielsweise Darstellungen des Königs auf den Felsreliefs von Hung-i Naur¥z£ (vgl. S.

44 mit Anm. 57) und B£sut¥n (vgl. S. 94 Anm. 315 und S. 153 Anm. 619), auf der Stele des

Wirklichkeit überdauerten diese Beziehungen auch den Untergang des Parther-reiches — seit der Zeit Kaiser Theodosius’ des Großen (379–395 n. Chr.) war derwestlichste Streifen Armeniens sogar römische bzw. byzantinische Provinz.

II.4. Die inneren Verhältnisse im Partherreich

II.4.1. Herrscherhaus und Hof (Bruno Jacobs)

Über den Arsakidenhof wissen die westlichen Quellen nur sehr wenig. Da dieZeugnisse, die sie uns übermitteln, oft große Ähnlichkeit zu älteren Nachrichtenüber den Achämenidenhof haben, stellt sich für die Interpretation eineAlternative. Entweder geht man davon aus, dass die eine oder andere Nachrichttatsächlich die Ähnlichkeit von Institutionen und Unsancen am Achämeniden-und am Arsakidenhof belegt, was für letzteren auch zu weitergehenden Analogie-schlüssen berechtigen kann, oder man fasst die jeweilige Nachricht als Projektioneines bereits vorhandenen Orientbildes auf die Parther auf229 und scheidet sie alsZeugnis für die Arsakidenzeit aus.

II.4.1.1. Bilder des Königs

Der Großkönig bleibt in den Schriftquellen weitgehend unsichtbar. Am bestengreifbar ist er auf den zahllosen Münzen, die sein sich im Laufe der Jahrhundertevielfach wandelndes Bild zeigen. Die markantesten Wechsel erfährt seine Kopf-bedeckung: Anfänglich trägt er eine weiche Tiara230 Diese ersetzt unter Mithri-dates I. das Diadem und zeichnet den König der Könige aus, seit Mithridates II.vielfach ergänzt durch eine steife, reich geschmückte Tiara (siehe hier III.3.).231

Die Münzen bestätigen — jedenfalls für die meisten Nachfolger vonMithridates II. — Suetons Behauptung, dass die parthischen Könige lange Haaretrügen (Suet., Vesp. 23, 4). Die in den Münzbildern gebotenen Büstenausschnittezeigen uns die Könige in Jacken, die mit Pelz besetzt sind und z. T. bestickt zusein scheinen.232 Breite, bisweilen mehrreihige Reifen schmücken den Hals.Abgesehen von der zum Ornat von Tiara und Jacke gehörigen Hose bieten unsdie wenigen außerdem bekannten Darstellungen von Arsakidenherrschern keineweiteren Details, die nur dem König vorbehaltene Elemente, etwa bestimmteFarben, erkennen ließen.233

78 Bruno Jacobs

Xw¡sak aus Susa (vgl. S. 170 Anm. 688) oder den von A. Invernizzi als Bild Mithridates’ I.angesprochenen Tonkopf aus Nisa (Invernizzi 2001, 141–147 Fig. 7–9 Pl. 1–4).

234 Wolski 1993a, 110–112; Košelenko/Pilipko 1994, 145; Stausberg 2002, 196.235 Vgl. Stausberg 2002, 196; Lerouge 2007, 246–251.236 Vgl. Lerouge 2007, 251–254, mit weiteren Beispielen.237 Architektur: A. Invernizzi, The Square House at Old Nisa, Parthica 2, 2000, 13–53; C.

Lippolis, La sala rotonda e l’ediŸcio rosso. Bilancio e prospettive delle attività della missioneitaliana a Nisa Vecchia (1990–2005), Topoi 14, 2006, 179–206. Ausstattung und Funde:Masson/Puga�enkova 1982; V. N. Pilipko, Clay Sculptures from Nisa, in: A. Invernizzi(ed.), In the Land of the Gryphons. Papers on Central Asian Archaeology in Antiquity,MonograŸe di Mesopotamia V, Florenz 1995, 3–12; V. N. Pilipko, On the Wall-Paintings fromthe Tower-Building of Old Nisa, Parthica 2, 2000, 69–86; Invernizzi 1999; Mollo 2001,159–210. Zusammenfassend: Invernizzi/Lippolis 2008.

II.4.1.2. Inthronisierung

Problematisch, aber gewiss kein Topos ist Poseidonios’ bei Strabon überlieferteMitteilung über die beiden Kammern, die den König einsetzten (11,9,3 [C515]).234 Diese sollen die eine aus Verwandten (suggene‹j), die andere ausWeisen (sofÒi) und Magiern (m£goi) bestanden haben.

Einerseits präsentiert sich der Passus wie eine Schlüsselstelle zum Verständnisder parthischen Thronfolge, andererseits gewinnt die Entscheidungskompetenzjenes Gremiums durch andere Quellen kaum an ProŸl. Will man den Hinweisauf ein solches Synhedrion also überhaupt ernst nehmen, wäre zunächstfestzustellen, dass die Wahlmöglichkeiten der Versammlung jedenfalls aufMitglieder des Arsakidenhauses beschränkt blieben (vgl. Jos. AJ 18,44; Amm.Marc. 23,6,6). So mag der Vorgang in einer lediglich formellen Bestätigungbestanden haben. Ein Wahlkönigtum im eigentlichen Sinne belegt die Stellejedenfalls nicht.235 Sie jedoch ohne weiteres zu verwerfen, mag sich auch nichtempfehlen angesichts der Nachricht bei Justin (42,4,1), dass Mithridates III.wegen seiner Grausamkeit vom parthischen Senat (a senatu Parthorum) aus demAmt gejagt worden sei, das dann von seinem Bruder Orodes (II.) übernommenwurde. Wie man sich eine Amtsenthebung vorzustellen hätte, bleibt zwar völligim dunkeln, doch wird durch die bekannte Nachricht bei Plutarch, derzufolgedas Oberhaupt der Familie S¥r�n den König krönte (Plut. Crass. 21,8; vgl. Tac.ann. 6,42,4), zusätzlich nahegelegt, dass dem Adel zumindest eine bestätigendeFunktion zukam.236

II.4.1.3. Hofleben

Ein konkretes Bild vom Aussehen einer arsakidischen Residenz mit ihren Bauten,ihrer Ausstattung und ihrem reichen Inventar können wir am ehesten in Nisagewinnen.237 Die übrigen Residenzen (vgl. II.4.2.2.) sind großenteils nicht odernicht sicher lokalisiert oder archäologisch bislang für die Partherzeit nicht odernur unzureichend erschlossen. In Nisa sind zwar die Funktionen der einzelnen

79II.4.1. Herrscherhaus und Hof

238 Darüber, ob es sich bei der Runden Halle um ein Heiligtum, ein Mausoleum oder einenAudienzraum handelt, besteht keine Einigkeit (Gabutti Roncalli 1996, 161–177; C. Lippolis,Topoi 14, 2006, 186. 195f. Fig. 1–4. 6; ders., La sala rotonda — Gli scavi, in: Invernizzi/Lippolis2008, 39–41).

239 Siehe III.2.2.240 Zur Funktion des Quadratischen Hauses siehe A. Invernizzi, Parthica 2, 2000, bes. 18–23.

40–50. Zur Bedeutung des Mahls am Achämenidenhof siehe zuletzt W. Henkelman,“Consumed before the King” — The Table of Darius, that of Irdabama and Irtaštuna and thatof his satrap, Karkiš, in: B. Jacobs / R. Rollinger (eds.), Der Achämenidenhof, Akten des 2.Internationalen Kolloquiums zum Thema „Griechiche und latinische Überlieferung undAltvorderasien“, Classica et Orientalia 2 (Wiesbaden 2010 [im Druck]); B. Jacobs, HöŸscherLebensstil und materielle Prachentfaltung, ibid.; E. Kistler, ‚Achämenidische Becher‘ und dieLogik kommensaler Politik im Reich der Achämeniden (521–330 v. Chr.), ibid.; M. Miller,Luxury Toreutic in the Western Satrapies: Court-Inspired Gift-Exchange Diffusion, ibid.

241 Siehe II.4.2.6. s. v. Xwar£bar.242 Die von P.-M. Hahn (Wahrnehmung und MagniŸzenz, in: P.-M. Hahn / H. Lorenz [eds.],

Baulichkeiten auf der zweigeteilten Zitadelle von Alt-Nisa nur teilweise oder garnicht geklärt, doch ist der repräsentative Aspekt des Quadratischen Hauses imNorden oÙensichtlich, und dies mag auch für die Runde Halle im Süden mitihrer reichen Skulpturenausstattung gelten.238

Die enge Nachbarschaft des Quadratischen Hauses in Nisa zu denWeinkellern, deren Eingangsverzeichnis in Form von Tonscherben berühmtgeworden ist,239 suggeriert über den Wein eine Verbindung mit dem höŸschenMahl, dem, wie schon in früheren Epochen, auch am Arsakidenhof großeBedeutung zugekommen sein dürfte (vgl. Tac., Ann. 2,2,3).240

‚Conspicious consumption‘ ist zum Schlagwort geworden für eine Kultur-technik, über die sich eine soziale Elite selbst deŸnierte und mit deren Hilfe siesich gegenüber ihrer Umgebung abgrenzte. Für die höŸsche Gesellschaft gehörtenhierzu beispielsweise materielle Prachtentfaltung in der Architektur derResidenzen, in den sie umgebenden Anlagen und in der Ausstattung der Räum-lichkeiten. Vom Reichtum der parthischen Hauptstadt Ktesiphon gibt Herod.3, 9, 9–11 einen  üchtigen Eindruck, und Philostrat (VA 1,33) liefert Eindrückevon der materiellen Prachtentfaltung in einer herrscherlichen Residenz. Mit demgoldenen Thron, den Trajan bei der Eroberung Ktesiphons erbeutete und dessenRückgabe Osdroes von Hadrian zwar in Aussicht gestellt, aber nie vollzogenwurde (SHA Hadr. 13,8; SHA Ant. 9,7), fassen wir ein herausragendes Objektköniglicher Repräsentation.

Wichtig war ferner, über ausreichendes Personal für die unterschiedlichstenAnforderungen — siehe z B. den Xwar£bar, den Weinprüfer, in Nisa 1548 (589),998 (1986), 1647 (675) [III.2.2.1.D.1.2.] und 2325 (Nova 27/1959) [III.2.2.1.D.4.7.]241 — zu verfügen und gehobene Tafelfreuden sowie kostbares Geschirrund ein anspruchsvolles Rahmenprogramm bei den höŸschen Gelagen zupräsentieren.242 Bei den Gauklern oder Zauberern, die eine Gesandtschaft aus

80 Bruno Jacobs

Pracht und Herrlichkeit — Adlig-fürstliche Lebensstile im 17. und 18. Jahrhundert, Quellen undStudien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preußens und des Alten Reiches, Potsdam 1998,9–43) für eine ganz andere Epoche angestellten Überlegungen dürften analog für denArsakidenhof zu gelten haben. Zur Übertragbarkeit einer DeŸnition von „Hof“ aufvormoderne Gegebenheiten vgl. J. Hirschbiegel, Hof — Zur Überzeitlichkeit eineszeitgebundenen Phänomens, in: B. Jacobs / R. Rollinger (eds.), Der Achämenidenhof, Aktendes 2. Internationalen Kolloquiums zum Thema „Griechiche und latinische Überlieferung undAltvorderasien“, Classica et Orientalia 2 (Wiesbaden 2010 [im Druck]).

243 M. Minovi (ed.), V£s u R¡m£n, Tehran 1935; Boyce 1957, 10. 17f.244 Vgl. Jacobs a. O. (Anm. 240).

Anxi an den Hof der chinesischen Han-Dynastie als Geschenk mitbrachte (SJ123, 3172 [III.8.2.2.1.]; HS 96A, 3889f. [III.8.2.1.2.2.]), möchte man anUnterhaltungskünstler für derlei Anlässe denken. Und zu den Aufgaben des gÚs¡ngehörte wohl u. a. das Singen während des Banketts (V£s u R¡m£n 293,15–294,5[Minovi].243 Auch die bekannte Tragödienaufführung am armenischen Hof, beider König Orodes II. zu Gast war und in deren Verlauf der Kopf des Crassus aufder Bühne präsentiert wurde, fand im Rahmen eines Banketts statt; die Tischewaren gerade abgedeckt worden (Plut. Crass. 33,1–7; vgl. Polyaen. 7,41).

Beim Mahl lag der König, wie Athenaios (4,153b) überliefert, separat auf einerKline, die ihn über alle anderen Teilnehmer hinaushob und hatte vor sich einenTisch voll mit Speisen, die als „barbarisch“ bezeichnet werden. Dies zielt gewissauf die exotischen Genüsse und auf die schon für die Achämenidenzeit alsVorwurf formulierte Lust an RafŸnesse, Vielfalt und Abwechslung bei Speisenund Getränken.244

An diese Form der Selbstdarstellung heftet sich die Kritik der westlichenQuellen, indem sie den Topos der Verschwendungssucht bemüht. Dieser lässtsich beispielhaft allerdings nicht in einem Bild des Hofes, sondern im Auftreteneines seiner mächtigsten Vertreter, des Surenas, in der Schlacht bei Karrhai (Plut.Crass. 21,7), fassen. 1000 Kamele sollen, so Plutarchs übertreibende Schilderung,allein sein Gepäck getragen haben, 200 Wagen seine Gespielinnen; der Feldherrselbst ist weibisch zurechtgemacht, trägt die Haare gescheitelt und ist nachmedischer Art geschminkt (Plut. Crass. 24,1).

Jagdparks waren unabdingbare Voraussetzung für die MagniŸzenz des Hofes(Suet., Cal. 5). Appian (Mithr. 104,485f.) weiß von einem Jagdunfall desSinatrukes ™n kunhges…oij zu berichten, und wenn der römische KaiserCaracalla bei Jagden in Mesopotamien Tiere aller Art erlegt haben soll (Herod.4,11,9), lässt einen die Formulierung am ehesten an den Missbrauch eines Jagd-parks denken.

81II.4.1. Herrscherhaus und Hof

245 Chaumont 1961, 302–304.246 Vgl. II.4.2.3. (S. 92).247 So Košelenko/Pilipko 1994, 145.248 Košelenko 1982, 141, bezeichnet die Siebenzahl privilegierter Familien als einen literarischen

Topos.249 Vgl. hierzu Hauser 2005, 188 mit Anm. 88.250 Zum Fortleben von aus der Achämenidenzeit stammenden Topoi in der Schilderung höŸschen

Lebens siehe Lerouge 2007, 256–262.

II.4.1.4. Hofgesellschaft und Adel

Die Sonderstellung einiger adliger Familien im Arsakidenreich ist bekannt. Sodurfte das Familienoberhaupt der S¥r�n den König krönen (Plut. Crass. 21,8),245

ein Vorrecht, dessen die Familie durch die Krönung des Usurpators Tiridatesdurch den Surenas Abdagaeses (Tac. ann. 6,42,2–4) verlustig gegangen seinmag.246 Und außerdem bekleidete der Surenas ein hohes militärisches Kom-mando (Plut. Crass. 21,4–9; 24,1; Cass. Dio 40,26,1–4 und pass.; Festus 17,1;Florus 3,11,8; Orosius 6,13,3). Auch der Carenes (Tac. ann. 12,12,3–14,2) hatteoÙenbar einen hohen militärischen Rang.

Wenig Vertrauen sollte man dem Bericht des Moses von Chorene schenken,demzufolge es bei den Parthern neben dem Arsakidenhaus sechs weitereprivilegierte Familien gab (MX 2,28,3 [III.6.3.]). Hier handelt es sich nicht umein Arrangement nach achämenidischem Muster,247 sondern um eine Über-tragung von Wissen über die Achämeniden auf die Parther.248 Mehr Aufmerk-samkeit verdient der ordo probulorum, aus dem, Just. 41,2,1–2 zufolge, Militär-befehlshaber und Verwaltungskräfte rekrutiert wurden.249

Eine Anzahl von Hoftiteln und Ämtern scheint Philostrat an verschiedenenStellen seiner Vita des Apollonios von Tyana zu geben. Da ist von einemGarnisonskommandanten die Rede, der als Satrap, aber auch als „eine Art Augedes Königs“ bezeichnet wird (Philostr. VA 1,21) Später, als Apollonios bis zumKönig vorgedrungen ist und dieser ihm 10 Wünsche freistellt, werden dieFreunde und Verwandten des Königs als Zeugen bestellt, um dem Vortrag derWünsche zu folgen (Philostr. VA 1,33). Da sowohl der Satrap als auch der Bote,der Apollonios das Angebot des Großkönigs meldet, als Eunuchen bezeichnetund ihre furchtsame, weibische Art und Unmännlichkeit verächtlich gemachtwerden, wirkt die ganze Szenerie in höchstem Maße verdächtig und durch unddurch geprägt von traditionellen Orientbildern.250 In diese Sammlung von ausälteren Epochen stammenden Versatzstücken scheinen auch die Hoftitel undÄmter, das „Auge des Königs“, die „Freunde“ und „Verwandten“, zu passen. Magman also einerseits geneigt sein, sie als unhistorisch abzutun, wird dochandererseits im sog. Brief des Artabanos an Susa (Z. 3) ein gewisser Hestiaios alseiner tîn prètwn kaˆ protimwmšnwn f…lw[n bezeichnet (III.1.3.F.11.).Derselbe Titel „Freund“ Ÿndet sich auch auf Pergamenten aus Dura Europos

82 Bruno Jacobs

251 SEG 2, 1925, 141 Nr. 815.252 Vgl. auch die Verunglimpfung des „Freundes“ des Königs als Mensch, der hündischen

Erniedrigungen ausgesetzt ist, bei Athen. 4,152f–153a.253 Das Material Ÿndet sich zusammengestellt und kommentiert bei Bigwood 2008, 237–244. 254 Bigwood 2008, 244f.255 Siehe die Bezeichnung der Königin als „Herrscherin des Ostens“ im Perlenlied Z. 41. 60 (siehe

III.5.2.9.).256 Bigwood 2008, 265–267.

(P.Dura 19, Z. 19; 20, Z. 3 [III.1.3.D.2.]), in einer griechischen Inschrift vondemselben Ort (Inschrift von 135/36 n. Chr., Z. 8)251 und einer weiteren aus Delos(III.1.3.A.1.).252 Er mag zwar aus der Seleukidenzeit übernommen sein undletztlich auf die Achämenidenzeit zurückgehen, doch ist er ohne Zweifel für dieArsakidenzeit authentisch. Während der Titel „Verwandter“ immerhin noch inder erwähnten Strabostelle über das Synhedrion erscheint, sind hinsichtlich derExistenz eines Titels „Auge des Königs“ Zweifel angebracht.

II.4.1.5. Frauen der königlichen Familie

Einige Frauen des königlichen Hofes werden uns durch Keilschrifturkundennamentlich bekannt gemacht.253 Hier erscheint neben dem Namen desHerrschers der seiner Gattin, Schwester oder Mutter (vgl. III.4.1.2). In einerUrkunde aus dem Jahre 132 v. Chr. aus Uruk (Nr. 3, 28’) erscheint nebenArsakes (= Phraates II.) auch seine Mutter Rinnu in der Datierungsformel, ineiner anderen aus dem Jahre 128 vom gleichen Ort (Nr. 5, 26’) seine GemahlinUzarna. In den griechischen AvrÚm¡n-Pergamenten (III.1.3.F.1. und 2.) werdenneben dem jeweils regierenden König der Könige einleitend auch die Namen vondrei resp. vier Gattinnen, z. T. Halbschwestern des Herrschers, genannt,254 wasderen Präsenz im öÙentlichen Leben unterstreicht. Die Stellung der Frauenscheint also zwar nicht gänzlich unbedeutend gewesen zu sein; andererseits sollteman ihren Ein uss auch nicht überschätzen.255 J. M. Bigwood konstatiertjedenfalls einen gegenüber der voraufgegangenen seleukidischen Epoche deutlichgeringeren, und außerdem im Laufe der Arsakidenzeit schwindenden Rang derköniglichen Frauen.256

Die westlichen Quellen sind in der Bewertung der Rolle der Frauen uneinig.Zum einen wird vereinzelt die Asymmetrie im Verhältnis von Mann und Frauin Parthien angesprochen (Just. 41,3,1–2; Euseb. Praep. ev. 6,10,28); vor allemaber werden immer wieder Polygamie und Inzest angeprangert (Jos. BJ 7,247;Just. 41,3,1; Philostr. VA 1,33; Plut. Crass. 32,5–6; Tac. ann. 6,43,1), rückhaltlosmit dem eigenen Maßstab römischer Ehegesetzgebung gemessen und ent-sprechend verurteilt. Lucanus (BC 397–410) schildert einen wahren Sündenpfuhlvoll sexueller Perversion. Vielweiberei unvorstellbaren Ausmaßes unterstelltPlutarch (Crass. 21,7; 32,5) mit den 200 mit pallak…dej beladenen Wagen, diedem Surenas stets auf seinen Reisen folgten. In der Tat haben, wie A.

83II.4.1. Herrscherhaus und Hof

257 A. Paratore, La Persia nella letteratura latina, Atti del convegno sul tema La Persia e il mondogreco-romano, Roma 11–14 aprile 1965, Accademia Nazionale dei Lincei — Quaderno 76, Roma1966, 505 und pass.

258 Unvala 1925, 32. Unvala weist darauf hin, dass Nero und Caracalla dasselbe vorgeworfen(Tac., Ann. 14, 2; SHA Ant. Car. 10, 4) wurde.

259 Strugnell 2008.260 Thierry 2005, 525 Text 39.261 Siehe z. B. Atossas Einsatz für Xerxes (Hdt. 7, 3) oder die Bemühungen der Parysatis, ihrem

Sohn Kyros die Nachfolge Dareios’ II. zu sichern (Plut., Artax. 2).

Paratore257 zu Recht betont hat, die römischen Schriftsteller in ihrer Feind-seligkeit versäumt, Sitten und Kultur der Parther wirklich zu beschreiben.

Andere Quellen beleben alte Klischees wieder, in denen Frauen einenunheiligen Ein uss auf verweichlichte lenkbare Herrscher ausüben. Insbesonderedie Rolle, die zur Zeit des Augustus die Königin Musa am Arsakidenhof spielte,geriet ins Visier der zeitgenössischen Autoren. Damals, als die Achämenidenzeitprogrammatisch aktualisiert wurde, gab der Fall der Musa Anlass, die alten Topoivon sexueller Verirrung und Weiberherrschaft wieder in Gebrauch zu nehmen.Musa war eine italische Sklavin, die Augustus Phraates IV. geschenkt hatte (Jos.AJ 18,40). Sie brachte es bis zur Gemahlin des Herrschers und machte ihrenEin uss geltend, um ihren Sohn Phraatakes zu protegieren. Ihre Bemühungenwaren schließlich von Erfolg gekrönt, Phraatakes zum Nachfolger bestimmt, unddieser beschleunigte den Machtwechsel, indem er seinen Vater ermordete undselbst als Phraates V. den Thron bestieg. Er soll dann seine Mutter geehelicht undsexuellen Umgang mit ihr gehabt haben. Dies sei der Grund dafür gewesen, dasssich der Adel von Phraatakes abwandte und seiner Herrschaft ein Ende machte(Jos. AJ 18,39–42).

J. M. Unvala hielt dies alles für unglaubwürdig, meinte aber, dassDarstellungen der Musa auf parthischen Münzen dazu beigetragen haben mögen,jene Gerüchte zu nähren.258 Jüngst hat dagegen E. Strugnell insbesondere aufder Grundlage von Josephus’ Bericht (AJ 18,39–44) Musa als die über einige Jahrehinweg entscheidende politische Autorität in Parthien dargestellt.259 Immerhinfand das Münzbild der Musa sogar in chinesischen Quellen Resonanz (HS 96A,3889[III.8.2.1.2.2.]260).

Sehr anschaulich wird das Bild eines von seinen Frauen drangsaliertenHerrschers bei Justinus im Bild des alternden Orodes II., den die Mütter seinerSöhne beständig belagern, damit er einen ihrer Sprösslinge zum Nachfolgerernenne (Just. 41,4,14–15). Doch das Engagement königlicher Gemahlinnen fürihre Söhne ist ein Topos.261

Weniger engagiert sehen die griechischen und lateinischen Quellen die Rolleder Töchter als Unterpfänder von Politik und Diplomatie, da eine kritischePosition hierzu nicht existierte. So wird Rhodogune von ihrem Vater Mithridates

84 Bruno Jacobs

262 Den angeblichen Heiratsplan Caracallas (Herod. 4,10,1–11,4; Cass. Dio 79,1,1–2) hält Timpe1967 für eine Fiktion.

263 J. Wagner, Dynastie und Herrscherkult in Kommagene — Forschungsgeschichte und neuereFunde, IstMitt 33, 1983, 209.

264 Wiesehöfer 2000, 712f.265 Einen forschungsgeschichtlichen Überblick bietet Harnack 1970, 494f.266 Man beachte hierzu allerdings die Überlegungen von van der Spek 1998, 255.

I. dem Seleukiden Demetrios II. zur Frau gegeben (Just. 38,9,3; App. Syr.67,356).262 Umgekehrt bemühten sich auch die Arsakiden, durch das Werben umTöchter benachbarter Herrscher dynastische Verbindungen zu schließen. Soheirateten Phraates II. mit Laodike, einer Tochter des Seleukiden Demetrios II.(Just. 38,10,10), und Orodes II. mit einer Tochter von Antiochos I. von Kom-magene (Inschrift vom Karakus263) jeweils Frauen aus benachbarten Herrscher-familien.264 Und das Bündnis zwischen Orodes II. und Artavasdes II., das nachdem Sieg bei Karrhai zustande kam, wurde umgehend durch die Verehelichungeiner Schwester des Armeniers mit einem Sohn des Parthers besiegelt (Plut.Crass. 33,1).

II.4.2. Verwaltung (Bruno Jacobs)II.4.2.1. Einleitung

Die Verwaltung des Arsakidenreichs ist bis heute kaum geklärt und wird in derwissenschaftlichen Literatur häuŸg stiefmütterlich behandelt.265 Ein Grundhierfür ist die von Region zu Region unterschiedliche Quellenlage, die in jedemFalle nur ein Segment aus dem Gesamtaufkommen einstiger administrativerAbläufe bewahrt. Zivilverwaltung und militärische Kontrolle, Wirtschaft undRechtsprechung bildeten große administrative Komplexe, die reichsweit jeweilsallenfalls ausschnitthaft belegt sind. Dies ist zum einen natürlich bedingt durchdie Zufälligkeit archäologischer Überlieferung, darüber hinaus aber auchdadurch, dass die Tontafel mehr und mehr von anderen, vergänglichen Schrift-medien verdrängt wurde (siehe auch III.5.1.3.). Dabei mag ein Ungleichgewichtauf uns gekommener Informationen auch dadurch bedingt sein, dass der Wechseldes Schriftmediums in manchen Bereichen der Verwaltung bereits vollzogen war,während beispielsweise die religiös-wissenschaftlichen Beobachtungen, die in denAstronomischen Tagebüchern festgehalten wurden, aus einer konservativerenHaltung heraus länger auf Tontafeln Ÿxiert wurden. Schließlich hängt es natür-lich mit der ortsüblichen Verwaltungssprache zusammen, welches Medium manfür Aufzeichnungen bevorzugte. Griechisch und Aramäisch wurden jedenfalls inder Regel auf Materialien niedergeschrieben, die im Laufe der Zeit vergingen.266

Wenn es angesichts dieser Quellenlage schon kaum gelingen kann, in von derÜberlieferung vergleichsweise begünstigten Zeitabschnitten ein Bild der Reichs-

Bibliographie

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Abkürzungsverzeichnis

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