betriebliche altersversorgung digitale beratung trotzt corona
Post on 06-Feb-2022
8 Views
Preview:
TRANSCRIPT
www.versicherungsmagazin.de
Extra
Ein Special in Zusammenarbeit mit Xempus 7 | 2021
Betriebliche Altersversorgung
Digitale Beratung trotzt Corona
© V
RD
/Fo
toli
a
Im Diskurs – Betriebliche Altersversorgung
Digitale Beratung trotzt CoronaErstaunlich gut sei das bAV-Geschäft in Corona-Zeiten gelaufen, vermelden Teilnehmer
eines Round Tables, der im Mai auf Einladung der Redaktion Versicherungsmagazin online
stattgefunden hat. Dank digitaler Beratungsprozesse, die schon lange vor dem Ausbruch der
Pandemie vorbereitet wurden, konnte weitergearbeitet werden. So konnte der Vertrieb
mit seinen Kunden in Verbindung bleiben.
Wie funktioniert die bAV-Beratung in Corona-Zeiten?
Ute Thoma: Bei der Bayerischen hat es erstaunlich gut funk-
tioniert. Der erste Lockdown vor einem Jahr hat die Branche
in eine Schockstarre versetzt. Wir haben uns sehr schnell um-
gestellt, weil wir auf digitale Beratungsprozesse und elektro-
nische Signaturen zurückgreifen konnten. Es hat daher nur
zwei bis drei Monate gedauert, bis der Vertrieb wieder den
Weg zum Kunden gefunden hat. Das ist unseren Vertrieben,
dem Makler-Vertrieb und dem Exklusiv-Vertrieb, herausra-
gend gelungen. Daher hatten wir im vergangenen Jahr kaum
Umsatzeinbußen. In dieses Jahr sind wir schon mit einem Plus
im Vergleich zum Vorjahr gestartet.
Hubertus Harenberg: Auch bei Swiss Life laufen die meisten Be-
ratungen seit Beginn der Corona-Krise digital. Doch schon da-
vor war die Digitalisierung in der Beratung bei uns ein zentra-
les Thema. Die Videoberatung, die von vielen Beratern genutzt
wird, haben wir schon im Sommer 2019 eingeführt. So waren
wir bestens gerüstet, als viele unserer Vermittler durch die Kri-
se gezwungen waren, auf digitale Lösungen zurückzugreifen.
Dominik Muhler: Auch in den aktuell nicht einfachen Zeiten
konnten wir eine umfassende Beratung sicherstellen. Bereits
seit Jahren wird die digitale Transformation innerhalb der
W&W-Gruppe aktiv vorangetrieben. Somit gehörten schon
vor der Corona-Pandemie digitale Beratungen für unsere Ver-
triebspartner zum Alltag. Zu ihrer Unterstützung bieten wir
Trainings on the Job im Bereich der digitalen Kundenberatung
an. Um auch weiterhin die persönliche Beratung möglich zu
machen, haben wir umfassende Hygienekonzepte eingeführt.
So können unsere Vertriebspartner auf die individuellen Be-
ratungswünsche ihrer Kunden eingehen.
Was muss der bAV-Berater der Zukunft kennen und können,
um erfolgreich beraten zu können?
Ulrike Hanisch: Der bAV-Berater der Zukunft muss extrem
flexibel und anpassungsfähig sein. Er muss Zusammenhänge
und Schnittmengen zwischen den einzelnen Rechtsgebieten
© fi
zkes
/sto
ck.ad
obe.c
om
Ute Thoma
ist seit 1. März 2021
Leiterin Betriebliche
Vorsorge Vertrieb bei
der Versicherungsgrup-
pe die Bayerische.
Zuvor war sie rund
25 Jahre im Generali-
Konzern tätig, zuletzt
bei der Dialog Lebens-
versicherung AG, dem
Maklerversicherer der Generali in Deutschland, als
Organisationsdirektorin Makler bundesweit. Nach dem
Abitur absolvierte Ute Thoma ein duales Studium der
Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Vertrieb und Mar-
keting. Mit 22 Jahren stieg sie als Maklerbetreuerin in
die Versicherungsbranche ein und übte schon drei Jah-
re später die erste Führungsfunktion aus.
kennen und die Systematik verstehen. Ein regelmäßiges Up-
date über aktuelle Gesetzesänderungen, Urteile, BMF-Schrei-
ben hilft darüber hinaus, die Themen richtig einordnen und in
die Praxis umsetzen zu können. Das ist der Dreh- und Angel-
punkt in der komplexen Beratungssituation der bAV.
Harenberg: Ein erfolgreicher Berater sollte die Komplexität
aus der bAV herausnehmen können. Dazu benötigt es empa-
thische, kommunikationsstarke Berater.
Nach einer Umfrage durch Assekurata gilt die bAV als wenig
zukunftsträchtig, da persönliche Beratung derzeit nicht mög-
lich ist. Wie sehen Sie das?
Jan Niebuhr: Die Ergebnisse der Assekurata-Umfrage haben
mich irritiert, weil diese nicht zu den Zahlen passen, die wir
aus dem Markt kennen. Die Branche hat in den vergangenen
Jahren viel bewegt und kommt immer besser über verschie-
dene Wege in die Betriebe hinein – zurzeit hauptsächlich über
digitale Kanäle. Chatformate werden im Moment sehr gut an-
genommen – auch von Vermittlern, die nicht sehr technikaf-
fin sind. Ich bin der Meinung, die bAV hat auch in Zukunft sehr
viel Potenzial.
Muhler: Dem schließe ich mich an. Durch das Betriebsrenten-
stärkungsgesetz (BRSG) und Verbesserungen im Bereich der
gesetzlichen Krankenversicherung ist die bAV meiner Meinung
nach sogar noch attraktiver geworden. Die Anzahl der bAV-
Beratungen durch unsere Vertriebspartner im Makler- und
Bankenvertrieb nimmt seither bei uns zu. Unternehmen se-
hen die betriebliche Vorsorge auch immer häufiger als wich-
tiges Instrument zur Mitarbeiterbindung.
Harenberg: Unabhängig von der persönlichen Beratung ist
die bAV schon deshalb weiter zukunftsträchtig, weil sie die
höchste Förderung erfährt. Mit staatlicher Unterstützung,
Arbeitgeberbeiträgen und zusätzlichen Arbeitnehmerbeiträ-
gen profitiert die bAV von bis zu drei Beitragszahlern. Co-
rona hat zudem gezeigt, dass auch auf Distanz eine persön-
liche Beratung möglich bleibt. Die bAV ist nach wie vor ein
wichtiger Baustein des deutschen Altersvorsorgesystems.
Dieser fällt nicht weg, nur weil die Beratung vor Ort aktuell
nicht möglich ist.
Die in der bAV verbreitete „Beitragszusage mit Mindest-
leistung“ (BZML) steht nach neuesten Untersuchungen des
Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen
für Altersversorgung e. V. (IVS) vor dem Hintergrund der an-
haltenden Tiefzinsen ohne Reformen vor dem Aus. Stimmen
Sie zu?
Fabian von Löbbecke: Eine einhundertprozentige Bruttobei-
tragsgarantie ist rechnerisch nicht mehr darzustellen. Ich bin
positiv darüber überrascht, dass Marktteilnehmer auf 80 oder
90 Prozent umschwenken, die bislang bei der beitragsorien-
Im Diskurs
Lars Golatka
ist Bereichsvorstand
der Zurich und verant-
wortlich für das Firmen-
kunden Leben und Pen-
sionsgeschäft der deut-
schen Zurich Gruppe.
Zusätzlich ist er Vor-
standsvorsitzender der
Deutscher Pensions-
fonds AG, ein Joint Ven-
ture der Deutschen Bank und der Zurich Gruppe. Der
Betriebswirt ist ein ausgewiesener Experte für die be-
triebliche Altersversorgung. Nach beruflichen Stationen
in der Sparkassenorganisation, bei der Commerzbank
AG und der Credit Suisse AG (Deutschland) mit den
Schwerpunkten Zins-, Währungs-, Kapitalanlage- und
Risikomanagement wechselte er in die Generali Gruppe
und bekleidete dort in über zehn Jahren verschiedene
Fach- und Führungsfunktionen mit dem Schwerpunkt
bAV. Seit 2018 gehört er zu den Treibern bei der Um-
setzung des Sozialpartnermodells.
Ulrike Hanisch
ist Diplom-Betriebswir-
tin und seit 2007 Vor-
stand der Campus Insti-
tut für Personalentwick-
lung und Finanzwirt-
schaft AG in Oberha-
ching. Dort liegt der
Fokus zahlreicher Wei-
terbildungen auf der
betrieblichen Altersver-
sorgung (bAV). Gemeinsam mit der Hochschule Koblenz
hat sie den Studiengang Betriebswirt/-in für bAV (FH) als
höchste bAV-Qualifikation fest im Markt etabliert. Das
Netzwerk der bAV-Betriebswirte und zahlreicher ande-
rer bAV-Experten wird unter anderem ebenfalls von ihr
geleitet.
tierten Leistungszusage (BOLZ) mindestens 100 Prozent ver-
langten. Der Markt verabschiedet sich mehr oder weniger von
der BZML. Ob sich der Markt bei 80 oder 90 Prozent Garan-
tie einpendelt oder sogar noch darunter gehen wird, bleibt ab-
zuwarten. Die gute Nachricht ist: Riester können wir in der
bAV auch ohne formale Garantieanforderungen anbieten. Da-
her bin ich optimistisch, dass Riester in der bAV einen guten
Stand haben wird. Für das Riester-Privatgeschäft und die BZML
hätte ich mir vom Gesetzgeber gewünscht, dass er eine Bei-
tragsgarantie von 80 Prozent verabschiedet hätte. Das wäre
eine einfache, rechtssichere Lösung.
Harenberg: Damit rechne ich allerdings kurzfristig nicht. Die
BOLZ wird ab 2022 die vorherrschende Zusageform sein. Da-
mit Versicherer stärker diversifizieren dürfen, muss das Erfor-
dernis der Bruttobeitragsgarantie in der bAV bei Beitragszu-
sagen mit Mindestleistung und bei Riester-Verträgen gelockert
werden. Was es jetzt braucht: mehr Freiheit und Mut, um die
Chancen am Kapitalmarkt aktiv zu nutzen. Die Absenkung der
Garantien steigert die Erfolgsaussicht auf eine ansprechende
Rendite oberhalb des Beitragserhalts.
Muhler: Dass die BZML vor dem Aus steht, sehe ich auch. Bei
einer BZML kann es alleine schon von der Definition und den
Rechtsgrundlagen her keine abgesenkte Garantie geben. Da-
her ist es nicht zu verstehen, dass die Politik bei der Riester-
Rente nicht eingreift. Die BOLZ wird sich ihren angestamm-
ten Platz zurückerobern.
Wie bewerten Sie das erste vorliegende Sozialpartnermodell
(SPM)? Ist es ein Leuchtturm, wird es einen Dominoeffekt ge-
ben oder bleibt es ein Einzelphänomen?
Von Löbbecke: Ich gehe von einem Ausstrahleffekt aus. Aus-
schlaggebend dafür, dass Verdi am Ende zugestimmt hat, war
die Macht des Faktischen. Die Zahlen haben sehr beeindruckt.
In der aktuellen Niedrigzinsphase sind solche Modelle beson-
ders empfehlenswert, wenn man für seinen Beitrag eine attrak-
tive Leistung bekommen möchte. Ab dem 1. Juli kann jeder Mit-
arbeiter im Talanx-Konzern das Angebot nutzen. Ich hoffe sehr,
dass wir überzeugen können und sich auch andere Marktteil-
nehmer damit beschäftigen werden.
Lars Golatka: Das erste Sozialpartnermodell ist ein Eisbrecher
für den gesamten Markt, denn angesichts des zementierten
Niedrigzinsniveaus ist es die erste zukunftsweisende bAV-Lö-
sung seit vielen Jahren. Mit der reinen Beitragszusage kann der
Kapitalmarkt genutzt werden, ohne dass die Renditen durch
die Garantiekosten geschmälert werden. Wir haben Verdi von
„Die Deutsche Betriebsrente“ überzeugt und den ersten Ta-
rifvertrag für Deutschland eingerichtet. Wir wollen nun dafür
sorgen, dass das SPM nicht nur auf Banken und Versicherungs-
gesellschaften beschränkt bleibt. Denn die Idee des Gesetzge-
bers war es, kleinen und mittleren Unternehmen und Mitar-
beitern, die bislang noch keinen Zugang zur bAV gefunden ha-
ben, ein Angebot zu machen. Allerdings gibt es in vielen
Branchen weiterhin keine Tarifvertragsabschlüsse, damit ist ein
Großteil der Arbeitnehmer davon ausgeschlossen.
Harenberg: Bewegungen in Sachen Sozialpartnermodell sind
immer positiv zu bewerten. Jedoch hat dieser Abschluss leider
nicht die nötige Signalwirkung. Hierfür wäre der Abschluss in
einem Tarifbereich erforderlich oder mindestens ein Hausta-
rifvertrag mit einem Arbeitgeber, bei dem von Leuchtturmwir-
kung gesprochen werden könnte.
Ist die tarifvertragliche Bindung also ein Problem für kleine und
mittelständische Unternehmen?
Jan Niebuhr
verantwortet als Mit-
glied des Vorstandes
der Ergo Vorsorge Le-
bensversicherung AG
seit Januar 2019 das
Geschäftsfeld der be-
trieblichen Altersver-
sorgung. Er ist Vorsit-
zender des Vorstandes
bei der Ergo Pensions-
fonds AG und gleichzeitig Geschäftsführer des Bera-
tungsunternehmens Longial GmbH. Der Diplom-
Volkswirt engagiert sich ehrenamtlich als Mitglied des
Fachausschusses Alterssicherungspolitik beim Gesamt-
verband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Er war zuvor als Partner bei der Wirtschaftsprüfungs-
gesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) im Ge-
schäftsfeld Pension Consulting tätig. Der gebürtige Ham-
burger blickt auf 20 Jahre Erfahrung im Bereich der bAV
zurück – mit beruflichen Stationen unter anderem bei
der Allianz und Willis Towers Watson.
Martin
Bockelmann
ist CEO bei Xempus.
2007 gründete er das
Insurtech (vormals
xbAV), um bAV einfach
zu machen. Xempus ist
die erste unabhängige
Plattform für die Vor-
sorge.
Golatka: Ja, der Gesetzgeber wird an diesem Punkt noch nach-
bessern müssen, um den Weg für die zu öffnen, die keine Chan-
ce haben, über einen Tarifvertrag an ein garantiefreies Modell
zu kommen.
Sind die Arbeitgeber technisch soweit, dass sie ab 2022 einen
Arbeitgeber-Zuschuss auf alle bAV-Verträge leisten können?
Martin Bockelmann: Die Umsetzung wird die größere Heraus-
forderung sein als den Zuschuss zu bezahlen. Vermittler haben
erst in den vergangenen Wochen begonnen, sich mit dem The-
ma zu beschäftigen. Letztendlich geht es um zwei Fragen: Wie
gehe ich vor – können Verträge etwa individuell erhöht werden?
Zweitens: Wie kann man das technisch umsetzen? Beim zwei-
ten Teil können wir helfen. Handlungsbedarf sehe ich zunächst
darin, das Thema in den Unternehmen zu adressieren und zu
entscheiden, wie Arbeitgeber mit dem Zuschuss verfahren
möchten. Das Thema lässt sich vertrieblich sehr gut einsetzen.
Muhler: Obwohl die Regelungen zum Arbeitgeber-Zuschuss bei
Altverträgen bereits bekannt sind, ist die gesamte Tragweite nicht
allen Unternehmen bewusst. Für uns es entscheidend zu sensibi-
lisieren, denn der verpflichtende Zuschuss klingt im ersten Mo-
ment einfach, kann aber sehr komplex in der Umsetzung sein.
Thoma: Noch ein Wort zum BRSG. Ich sehe darin ein Tor zum
Arbeitgeber. Auch für unsere Branche bietet das Gesetz her-
vorragende Möglichkeiten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern
eine individuelle Beratung zugutekommen zu lassen. Denn pau-
schale Modelle passen nie richtig gut. Unser vertrieblicher An-
spruch sollte die individuelle Beratung sein. Wir sollten unbe-
dingt die Möglichkeiten des BRSG nutzen – die Verdopplung
der steuerlichen Absetzbarkeit, den 15-prozentigen Arbeitge-
ber-Zuschuss, der nicht zusätzlich finanziert werden muss, son-
dern sich durch die Sozialabgabenersparnis ergibt. Auch mit
der Geringverdienerförderung kann man auf die Branchen zu-
gehen, die hierfür prädestiniert sind. Wenn wir das nicht tun,
werden wir Gießkannenmodelle bekommen, wie sie derzeit in
den Parteiprogrammen stehen. Unsere Branche sollte daher
Gas geben, den Weg zum Arbeitgeber suchen, aufklären und
die bAV anschieben. Bisher können wir durch das BRSG bei
den Neuverträgen noch nicht einen so großen Hype verzeich-
nen wie 2002 beim Arbeitnehmer-Rechtsanspruch.
Harenberg: Die Technik ist aus meiner Sicht die kleinere He-
rausforderung. Arbeitgeber brauchen einfache Lösungen für
eine komplexe Thematik. Unser Außendienst wurde seit der
Neuregelung zum Arbeitgeber-Zuschuss ausführlich geschult.
Daher ist dies in unseren Beratungen und kollektiven Versor-
gungen bereits umgesetzt.
Hat die vermehrte Kurzarbeit die bAV-Verbreitung gestört?
Thoma: Wir haben einen verschwindend geringen Anteil an
Kunden, die ihre Verträge wegen Corona beitragsfrei gestellt
haben. 80 Prozent dieser Kunden haben ihre Zahlungen wie-
der aufgenommen. Bis zum Jahresende werden wir diese Mög-
lichkeit dennoch weiter anbieten. Kurzarbeit ist an uns wei-
testgehend vorbeigegangen. Das liegt sicherlich auch an den
Branchen, die wir bedienen.
Fabian von
Löbbecke
Diplom-Mathematiker
und Betriebswirt bAV,
ist seit Januar 2019 Mit-
glied des Vorstandes
der HDI Lebensversi-
cherung AG, Köln. Er
besitzt seit August 2018
Generalvollmacht für
die HDI Kundenservice
AG und die HDI Lebensversicherung AG und seit Okto-
ber 2011 für die Talanx Pensionsmanagement AG, Köln.
Er ist seit April 2017 Vorstandsvorsitzender der HDI
Pensionskasse AG, Köln, und seit 2015 Mitglied des Vor-
standes der Neue Leben Pensionskasse AG, Hamburg,
der Neue Leben Pensionsverwaltung AG und seit 2012
der PB Pensionsfonds AG, Hilden. Frühere Stationen
waren unter anderem bei Generali und Volksfürsorge.
Hubertus
Harenberg
ist seit Oktober 2020
Geschäftsführer der
Schweizer Leben Pensi-
onsmanagement GmbH,
München. Ressortver-
antwortung Dienstleis-
tungen der bAV und
Vertrieb. Darüber hi-
naus ist er seit 2014
Mitglied des Vorstands Swiss Life Unterstützungskasse
e. V. und seit 2013 Mitglied des Vorstands Swiss Life
Pensionsfonds AG. Seit 2013 ist der Diplom-Betriebs-
wirt (FH) Bereichsleiter Firmenkunden und Konsortial-
geschäft Swiss Life AG, Niederlassung für Deutschland,
München, und verantwortlich für die Entwicklung der
bAV-Vertriebsstrategie, die Steuerung und den Ausbau
der MetallRente und KlinikRente und die Großmakler-
betreuung. Er absolvierte ein Studium an der Fachhoch-
schule Köln, Fachbereich Versicherungswesen, mit den
Schwerpunkten bAV und Marketing.
Niebuhr: Unsere Ausschließlichkeit hat die Möglichkeit genutzt,
mit den Betrieben im Gespräch zu bleiben, und hat ad hoc Stun-
dungsmöglichkeiten angeboten. Viele Arbeitgeber hatten ande-
re Sorgen, als sich um die Rente ihrer Mitarbeiter zu kümmern.
Jetzt merken wir, dass die Nachfrage nach Stundung im Zuge der
zweiten Welle kaum noch vorhanden ist. Viele Unternehmen
haben sich in erster Linie darum gekümmert, ihre Betriebe auf-
rechtzuerhalten, und sich darauf eingestellt weiterzuarbeiten.
Harenberg: Wir haben beobachtet, dass Corona bei vielen
Menschen dazu geführt hat, sich intensiver mit Fragen über ih-
re Gesundheit und finanzielle Situation zu beschäftigen, und sie
leichter darauf angesprochen werden können. Dieses wirkt
sich insgesamt positiv auf das Neugeschäft aus.
Von Löbbecke: In der zweiten Corona-Phase war auch bei uns
das Thema Stundung wegen Kurzarbeit von untergeordneter
Bedeutung. Bei Kurzarbeit null und der Situation, dass man nur
Kurzarbeitergeld bezieht, funktioniert die Entgeltumwandlung
nicht. Bei entgeltfreien Zeiten ist es daher wichtig, Produkte
anbieten zu können, mit denen der Förderweg flexibel gewech-
selt werden kann, damit die Erwerbsbiografien nicht unterbro-
chen werden.
Ist die Nachfrage nach Weiterbildung in der bAV durch Coro-
na gestiegen?
Hanisch: Die Nachfrage hier ist schon in den vergangenen drei
bis vier Jahren gestiegen. Die Vermittler haben erkannt, dass
sie Fachwissen und Expertise brauchen. Viele nutzen die Co-
rona-Zeit für Fortbildung. Unsere Semester veranstalten wir
zurzeit online im virtuellen Klassenzimmer. Auf der anderen
Seite wird der persönliche Austausch vermisst. Daher wer-
den wir in Zukunft hybride Qualifizierungsangebote machen.
Viele wünschen sich einfache Lösungen. Welche gibt es?
Golatka: Tatsächlich ist die bAV aufgrund der verschiedenen
Rechtsgebiete sehr komplex. Ich setze bei der Vereinfachung
auf eine Zweistufigkeit. Erstens sollten wir es den Arbeitge-
bern so leicht wie möglich machen, die bAV rechtssicher zu
organisieren. Auf Arbeitgeberseite ist die persönliche Bera-
tung sinnvoll und zielführend. Es ist daher vorteilhaft, bei der
Arbeitgeber-Beratung tiefer in die Beratung einzusteigen, so-
dass schon vieles erklärt wird. Zweitens sollten wir den Ar-
beitnehmern die bAV einfach erklären. Es gibt gute digitale Be-
ratungsprozesse auf einem hohen Niveau, die zur Arbeitneh-
mer-Information angeboten werden. Viele von ihnen finden es
gut, wenn sie sich selbst informieren können. Auch für den
Berater sind digitale Prozesse hilfreich, an denen er seine Be-
ratung orientieren kann und die helfen, die Komplexität zu re-
duzieren.
Harenberg: Unser Ziel ist es, Arbeitnehmer in eine auskömm-
liche Altersrente zu bringen. Das erreichen wir mit zukunfts-
fähigen Produkten und einer einfachen, verständlichen Kom-
munikation. Die Komplexität der bAV muss reduziert wer-
den – in Sprache, Beratung und Durchführung. Um dies zu er-
reichen, haben wir Zielgruppen-Konzepte erstellt, mit denen
wir in wenigen Schritten verständlich informieren, dass Alters-
versorgung notwendig ist.
Digitalisierung kann dabei helfen. Wie ist der Stand in der Di-
gitalisierung bei der bAV?
Bockelmann: Es hat sich in den vergangenen fünf Jahren viel ge-
tan. Der Digitalisierungsgrad ist aber noch nicht zufriedenstel-
lend. Zwischen dem, was technisch möglich ist, und dem, was
zurzeit genutzt wird, klafft noch eine Lücke. Durch die Covid-
Krise ist jedoch eine deutliche Beschleunigung eingetreten. Be-
ratungstechnologien haben einen Schub bekommen. Wir kön-
nen beispielsweise in unseren Daten sehen, welchen Mehrwert
eine digitale Vertriebsstrecke liefert. Das geht über reine On-
line-Beratung deutlich hinaus. Die Zahl der Anträge und die
Höhe der Bewertungssumme lag Anfang 2021 sogar über dem
Vorkrisenniveau von Anfang 2020. Die Branche ist auf einem
guten Weg. Und es wird noch viel Neues kommen, beispiels-
weise bei komplexen Vorgängen wie dem Arbeitgeberwechsel.
Michael Müller: Bei der Digitalisierung spielen Portallösungen
eine entscheidende Rolle. Wir haben mit Xempus einen sehr
versierten und kompetenten Partner an unserer Seite, der uns
die Verwaltung stark vereinfacht. Auch Beratungen können so
ganz einfach digital stattfinden und Informationen jederzeit ab-
gerufen werden.
Ist die bAV weiterhin ein wertvoller Bestandteil bei der Mitar-
beitergewinnung?
Dominik Muhler
ist ist seit Januar 2019
Fachleiter Betriebliches
Vorsorgemanagement
bei der Württembergi-
sche Vertriebspartner
GmbH in der W&W-
Gruppe. Er ist zuständig
für bAV und bKV,
Unternehmerversor-
gung sowie das Kommu-
nal- und Firmengeschäft im Makler- und Bankenvertrieb
der Württembergischen Versicherung AG. Zuvor war
er für die Allianz sowie innerhalb der W&W-Gruppe für
die Wüstenrot Bausparkasse AG tätig. Dazu ist er seit
mehreren Jahren selbstständig als Dozent im Bereich
bAV, Versicherung, Finanzdienstleistungen und BWL.
Von Löbbecke: Die bAV ist der Königsweg der Altersvorsor-
ge. Jeder neue Mitarbeiter wird es schätzen, wenn sein Arbeit-
geber eine attraktive bAV anbietet. Das Zusammenspiel mit
anderen Benefit-Angeboten ist hochgradig attraktiv. Ich bin ge-
spannt, wie das Sozialpartnermodell im Haustarifvertrag von
Talanx angenommen wird. Derzeit sind wir der einzige Arbeit-
geber mit einem solchen Angebot. Mal sehen, ob das honoriert
und Talanx noch attraktiver als Arbeitgeber wird.
Welche Wünsche haben Sie an den Gesetzgeber konkret?
Harenberg: Der Gesetzgeber muss die Anforderung der Brut-
tobeitragsgarantie für die BZML im Gesetz beseitigen. Damit
innerhalb des Systems ein fairer Wettbewerb stattfindet, ist
eine Reform der staatlich geförderten Zusatzversorgung zwin-
gend notwendig. Der vollständige Beitragserhalt bei Riester
und BZML sollte reformiert und Garantien abgesenkt werden.
Muhler: Dem stimme ich zu. Aufgrund der Garantiezinssenkung
ab 2022 wäre es äußerst wichtig, die Parameter der BZML neu
zu definieren. Trotzdem sollte hervorgehoben werden, dass die
letzte Stufe des BRSG ihre Wirkung erst zum 1. Januar 2022 ent-
faltet.
Thoma: Mit dem BRSG hat uns der Gesetzgeber bereits viele
Impulse gesetzt. Jetzt sind wir gefordert, diese umzusetzen.
Darüber hinaus wünsche ich mir einen rechtzeitigeren Aus-
tausch mit der Politik. Es sollten auch die Menschen befragt
werden, die die Themen vertrieblich umsetzen müssen, sodass
wir zu praktikablen Lösungen kommen. Darüber hinaus
schwebt mir eine Lösung vor, bei der sich Betriebsrat und Ar-
beitgeber auf ein Opting-out-Modell einigen, sodass jeder teil-
nehmen kann, der nicht widerspricht. Das würde Unterneh-
men helfen, die nicht einem Tarifvertrag unterliegen.
Niebuhr: Auch ich wünsche mir, dass der Gesetzgeber BZML
und Riester-Rente reformiert. Die BZML ist in vielen Tarifver-
trägen und Gruppenverträgen fest verankert, so dass ein feh-
lendes Marktangebot seitens der Lebensversicherer erhebli-
che Nachteile für Arbeitnehmer haben kann. Für den Gesetz-
geber wäre diese Lösung sehr einfach. Ich halte das SPM für
eine gute Lösung. Daher sollten investmentbasierte Lösungen
in der bAV nicht nur in Großkonzernen möglich sein, sondern
auch im Mittelstand. Wir brauchen für diese Unternehmen ei-
nen vernünftigen Zugangsweg. Darüber hinaus sollte man die
Tarifbindung überarbeiten – andernfalls bleiben die Unterneh-
men außen vor, für die das SPM ursprünglich gedacht war.
Golatka: Mit dem BRSG hat der Gesetzgeber zwar einige
positive Änderungen auf den Weg gebracht, allerdings haben
diese bisher noch nicht ausreichend zur Verbesserung der
Nutzung der bAV in Anzahl und Umfang geführt. Der Gesetz-
geber muss beim Sozialpartnermodell nachbessern. Die mit
der reinen Beitragszusage verbundenen Chancen müssen
künftig auch solchen Unternehmen offenstehen, die keinen
Zugang zu tarifvertraglichen Lösungen haben. Im Übrigen hat
nahezu jede Partei ein Alternativmodell – häufig als staatli-
ches Konkurrenzprodukt – in die Diskussion eingebracht.
Wir benötigen aber Stabilität und Zuverlässigkeit in der Ge-
setzgebung und keinen Zickzackkurs. Dieser führt zu Verun-
sicherung und dazu, dass Arbeitgeber abwarten.
Müller: Aufgrund der Garantiezinssenkung ab 2022 wäre es äu-
ßerst wichtig, die Parameter der Beitragszusage mit Mindest-
leistung neu zu definieren. Darüber hinaus sollte hervorgeho-
ben werden, dass die letzte Stufe des BRSG ihre Wirkung erst
zum 1. Januar 2022 entfaltet. Dieser Reform sollte man erst
mal wirken lassen, bevor man die nächste anstößt.
Von Löbbecke: Auch für mich ist es wichtig, von der Politik
Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge zu fordern. Jahrhundert-
reformen helfen uns nicht. Die Rahmenbedingungen für die
bAV sind aus meiner Sicht exzellent. Der Gesetzgeber hat viel
Gutes getan. Das würde ich weiterhin nutzen und die Arbeit
ohne externe Störungen fortsetzen wollen.
Hanisch: Die bAV sollte positiv als feste Säule im Altersvorsor-
ge-System dargestellt werden – nach skandinavischem Vor-
bild – und ebenso fest verankert sein wie die gesetzliche. Der
Gesetzgeber hat viele Anreize geschaffen, die Kommunikation
könnte jedoch noch besser werden.
Bockelmann: Ich wünsche mir ein klares Commitment zur
bAV. Es darf nicht passieren, dass die Koexistenz von gesetz-
licher, privater und betrieblicher Altersvorsorge infrage ge-
stellt wird. Das verunsichert, und wer verunsichert ist, ent-
scheidet sich weder für den einen noch den anderen Weg.
Die bAV hat viel Potenzial. Transparenz und Rahmenbedin-
gungen für Angebot und Abwicklung bringen das Potenzial
zum Tragen. Generell geht es bei Vorsorge um Einfachheit
und Effizienz. Unabhängige Plattformen mit nutzerfreundli-
chen Oberflächen können das.
Michael Müller
ist seit Januar 2021 Ver-
triebsdirektor und Lei-
ter der Württembergi-
schen Akademie bei der
W&W-Gruppe. Zuvor
war der dipl. Bankbe-
triebswirt und Versiche-
rungsfachmann unter
anderem als Bezirksdi-
rektor beim BGV sowie
in verschiedenen Führungsfunktionen im genossenschaft-
lichen und privaten Banksektor tätig. Zusätzlich ist er bei
der Unternehmensberatung Wendeblick tätig.
top related