alltagssprache - 01 runde

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Junge/Bub (Frage 1) Bei den Bezeichnungen für den ‘Jungen’ zeigt sich im deutschen Sprachraum eine deutliche Zweiteilung: Hunsrück, Westerwald (im Osten bis Marburg), Vogelsberg sowie Thüringer Wald und Frankenwald (östlich davon noch in Hof und Plauen) bilden ungefähr die nördliche Grenze der Verbreitung von Bu(b) (Unter dieser Leitform sind Varianten wie Bub,Bue(b), Bua(b), Bui und andere zusammengefasst.). Nördlich davon sagt man fast ausschließlich Jung(e). Diese Grenze in den alltagssprachen Varietäten hat sich seit der Befragung für den Wortatlas der deutschen Umgangssprachen in den 1970er Jahren (siehe Eichhoff 1977ff .) kaum geändert; die Verteilung entspricht schon der in den Mundarten. Allerdings heißt das natürlich nicht, dass südlich dieser Linie nicht auch Junge verwendet würde. Die Antworten auf die Frage 1 („Wie nennt man an Ihrem Ort gewöhnlich ein Kind männlichen Geschlechts?“) geben wohl vielmehr das wieder, was als ,ortstypisch‘ angesehen wird. Aus dem Rhein-Main-Raum wird vereinzelt Borsch gemeldet (die mundartliche Form von Bursche), aus Kärnten und der Steiermark auch Bersch (nach dem Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich nicht mit Bursche verwandt, sondern durch Bedeutungsübertragung aus Barsch entstanden und von Wien aus in einigen Stadtsprachen verbreitet). Die z. B. für Heilbronn und Bruchsal angegebene Variante Kerl weist auf kleinere Gebiete im Südwesten, in denen mundartlich auch Kerl für ‘Junge’ gebraucht wird (vgl. Deutscher Wortatlas, DWA ). Eine interessante Form neueren Datums ist die aus Bern und Biel in der Schweiz gemeldete Bezeichnung Giu für ‘Junge’. Es handelt sich dabei offenbar um eines der aus dem ,Mattenenglischen‘, einer Berndeutschen Geheimsprache, stammenden Wörter, die heute allgemein üblich geworden sind und kaum mehr ‚nur‘ als bubensprachlich/mattenenglisch gekennzeichnet sind. Schon im 2. Band des Wörterbuchs der schweizerdeutschen Sprache (1885, 213) ist die Form Giel zu finden; mit der im Westschweizerdeutschen üblichen Vokalisierung von l ist das Wort als gieu und dann Giu heute schon weiter verbreitet (Prof. Dr. Beat Siebenhaar, Leipzig/Bern, p.c.). Großmutter (Frage 2a) Die Standard-Anredeform für die Großmutter ist in Deutschland und Österreich Oma. Wir fragten gezielt auch nach der Aussprachevariante mit kurzem O-: Es zeigt sich, dass die Anrede Omma besonders zwischen Niederrhein und Weser sowie um den Main herum geläufig ist (vgl. Oppa). Wie bei den Anredeformen für die ‘Mutter’ die

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Primera ronda, de muchas, de un atlas de pronunciación del idioma alemán.

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Junge/Bub(Frage 1)Bei den Bezeichnungen fr den Jungen zeigt sich im deutschen Sprachraum eine deutliche Zweiteilung: Hunsrck, Westerwald (im Osten bis Marburg), Vogelsberg sowie Thringer Wald und Frankenwald (stlich davon noch in Hof und Plauen) bilden ungefhr die nrdliche Grenze der Verbreitung vonBu(b)(Unter dieser Leitform sind Varianten wieBub,Bue(b),Bua(b),Buiund andere zusammengefasst.). Nrdlich davon sagt man fast ausschlielichJung(e). Diese Grenze in den alltagssprachen Varietten hat sich seit der Befragung fr den Wortatlas der deutschen Umgangssprachen in den 1970er Jahren (sieheEichhoff 1977ff.) kaum gendert; die Verteilung entspricht schon der in den Mundarten. Allerdings heit das natrlich nicht, dass sdlich dieser Linie nicht auchJungeverwendet wrde. Die Antworten auf die Frage 1 (Wie nennt man an Ihrem Ort gewhnlich ein Kind mnnlichen Geschlechts?) geben wohl vielmehr das wieder, was als ,ortstypisch angesehen wird.Aus dem Rhein-Main-Raum wird vereinzeltBorschgemeldet (die mundartliche Form vonBursche), aus Krnten und der Steiermark auchBersch(nach demWrterbuch der bairischen Mundartenin sterreich nicht mitBurscheverwandt, sondern durch Bedeutungsbertragung ausBarschentstanden und von Wien aus in einigen Stadtsprachen verbreitet). Die z. B. fr Heilbronn und Bruchsal angegebene VarianteKerlweist auf kleinere Gebiete im Sdwesten, in denen mundartlich auchKerlfr Junge gebraucht wird (vgl.Deutscher Wortatlas, DWA). Eine interessante Form neueren Datums ist die aus Bern und Biel in der Schweiz gemeldete BezeichnungGiufr Junge. Es handelt sich dabei offenbar um eines der aus dem ,Mattenenglischen, einer Berndeutschen Geheimsprache, stammenden Wrter, die heute allgemein blich geworden sind und kaum mehr nur als bubensprachlich/mattenenglisch gekennzeichnet sind. Schon im 2. Band desWrterbuchs der schweizerdeutschen Sprache(1885, 213) ist die FormGielzu finden; mit der im Westschweizerdeutschen blichen Vokalisierung vonlist das Wort alsgieuund dannGiuheute schon weiter verbreitet (Prof. Dr. Beat Siebenhaar, Leipzig/Bern, p.c.).Gromutter(Frage 2a)Die Standard-Anredeform fr dieGromutterist in Deutschland und sterreichOma. Wir fragten gezielt auch nach der Aussprachevariante mit kurzemO-: Es zeigt sich, dass die AnredeOmmabesonders zwischen Niederrhein und Weser sowie um den Main herum gelufig ist (vgl.Oppa). Wie bei den Anredeformen fr die Mutterdie Muttibesonders im Gebiet der ehemaligen DDR verbreitet ist, so findet sich auch die KoseformOmiauffallend oft in den neuen Bundeslndern. Die Schweiz hat hier eine Sonderstellung: Es finden sich besonders verbreitet Formen wieGromammi/-mamme/-mamme(vgl. Verbreitung vonMamiin der Schweiz!), aber auchGromutti/-muttersowie Formen wieNani(Verkleinerung von Ane/Nane, vgl.Wrterbuch der schweizerdeutschen Sprache) oderGroi. Spezifika kleinerer Regionen sindShlein Vorarlberg,Oomim Erzgebirge undBomiin Luxemburg.Grovater(Frage 2b)Wollte man auch bei den Anreden fr den Grovater eine Standardanredeform benennen, so msste dies nach dem Kartenbild auf jeden FallOpasein. Wie bei den Anredeformen fr dieGromutter(s.o.) ergibt sich auch hier ein recht typisches Verbreitungsmuster vonOpiin den neuen Bundeslndern. Allerdings ist diese Koseform dort nicht so hufig wieOmi; erst bei Bercksichtigung der Zweitmeldungen finden sich weitere Meldungen vor allem im Osten, z.T. aber auch aus dem Norden Niedersachsens. Wie beiOmma(s. Kt. 'Gromutter') ist die Form mit kurz gesprochenemO-besonders zwischen Niederrhein und Weser sowie um den Main herum gelufig. In sterreich wird fast ausschlielichOpagebraucht. Die Sonderstellung der Schweiz wird auch hier deutlich: Es werden vor allem Formen wieGropappi/-pappe/-bappegebraucht (so wie brigens auch die Anrede Papi in der Schweiz verbreitet ist), aber auchGrovati/-vatersowie Formen wieGroddioderNeni. Vereinzelte Varianten sindhnein Vorarlberg,Oopim Erzgebirge undBopain Luxemburg.Fernseher(Frage 3)Die Karte mit den Bezeichnungen frdas TV-Gertzeigt, dass das standardsprachliche WortFernseherauch umgangssprachlich in ganz sterreich und Deutschland verbreitet ist. Daneben ist vor allem die BezeichnungFernsehpopulr: Sie wird aus verschiedenen Gebieten im Sden Deutschlands gemeldet, besonders aber aus dem Rhein-Main- und dem Mosel-Saar-Gebiet. In der Schweiz schlielich ist sie die fast ausschlielich gebrauchte Variante. (Ob ein regionaler Unterschied zwischenderFernsehunddasFernsehbesteht, msste noch gesondert ermittelt werden.) Die FormFernsehen, die das Duden-Universalwrterbuch genau wie die FormFernseher als umgangssprachlich bezeichnet, wird nur relativ selten gemeldet, und zwar fast ausschlielich im Westen. Aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen wird vereinzeltGlotzeangegeben, und in Luxemburg sagt man schlielich im Anschluss an das Franzsische Tele.Spinnennetz(Frage 4)Die Frage nach der Bezeichnung fr das, was Spinnen bauen, um Beute zu fangen, ergab eine erstaunliche Vielfalt an Ausdrucksvarianten, aber im Groen kaum regionale Unterschiede. Kleinrumig scheint es jedoch verschiedene Prferenzen zu geben: So ist zwarSpinnennetzim gesamten Sprachraum gelufig; es ist jedoch im Westen (nrdlich der Mosel) und in der Schweiz die weit berwiegende Variante. In der Mitte und im Sden Deutschlands sowie zum Teil auch noch in sterreich sagt man auerSpinnennetzvielfachSpinnenweb(e). Nrdlich des Mains kommt auerdem die Form mit eingeschobenem -ge-, nmlichSpinnengeweb(e)vor.Zigarettenstummel(Frage 5)Die Bezeichnungen fr den Zigarettenstummel sind ein schnes Beispiel dafr, dass es zwar in der Standardsprache aller deutschsprachigen Lndern ein Wort, nmlichStummel, gibt, aber in der Umgangssprache drei ganz verschiedene Wrter gebruchlich sind:Stummelwird in der Schweiz fast ausschlielich verwendet. Auch im Sden Deutschlands und in sterreich ist es hufig in Gebrauch. Allerdings bevorzugt man in Deutschland das WortKippe, das wohl erst im 20.Jh. im Niederdeutschen Verbreitung fand und mit dem sddeutschenKipflnglich geformtes Brot (aus lat. cippus Pfahl vgl. auch frhnhd.KipfeSpitze) verwandt ist (Duden-Herkunftswrterbuch, Kluge); dieser Ausdruck ist brigens umgangssprachlich auch in Polen gebruchlich. In sterreich istTschikdie hufigste Variante. Dieses Wort fr 'Zigarettenstummel' wie auch 'Kautabak' geht auf das gleichbedeutende italienischeciccazurck, das seinerseits aus dem Franzsischen entlehnt ist (vgl.Wrterb. der bair. Mundarten in sterreich). WieKippewirdTschikbesonders bei Jngeren auch fr die (noch nicht gerauchte) Zigarette verwendet.Pommes frites (Frage 6)Frage 6 lautete: Wie nennt man an Ihrem Ort gewhnlich Pommes frites in einem Satz wie ,Ich hab jetzt Hunger auf eine groe Portion .... mit Ketchup und Mayonnaise. (Stellen Sie sich dabei diesen und die folgenden Stze so vor, wie sie an Ihrem Ort gesprochen werden!) Pommes frites ist eine junge, wohl erst im 20. Jahrhundert aus dem Franzsischen entlehnte Bezeichnung fr in heiem Fett gebackene rohe Kartoffelstbchen (s.Kluge). Die nach franzsischer Weise ohne-sausgesprochene BezeichnungPommfrittfr die vermutlich belgische Erfindung wird nur aus der Schweiz allgemein als blich gemeldet, daneben in sterreich und im sdwestlichen Deutschland (sowie am Main) noch an einigen Orten. Die mehr eingedeutschte VariantePommfritts(mit ausgesprochenems) findet sich auch in Norddeutschland gelegentlich, die normale Bezeichnung in Deutschland und sterreich ist jedoch die nach der Schrift deutsch (also zweisilbig) ausgesprochene KurzformPommes. Nur im Rheinland zwischen Kln und der Mosel, mit Auslufern bis ins Sauerland und das Saargebiet, hat sichFritteneingebrgert, also der zweite Teil der ursprnglichen Bezeichnung mit der Pluralendung-n. (Band 2 desRheinischen Wrterbuchsvon 1931 verzeichnet diese Form bereits, allerdings nur fr das Eupener, also gerade das belgische Gebiet der ripuarischen Dialekte.) Eine bernahme aus dem niederlndischsprachigen Belgien liegt dabei nahe, dort heit es allgemeinfritten/frieten(whrend in den Niederlanden auch die Bezeichnungpatatgebruchlich ist). GegenberPommeszeigt sich hier die grere Nhe zum Franzsischen (wo die Kurzform ebenfalls frites lautet): Dapommes (de terre)allgemein Kartoffeln bedeutet, ist der Zusatzfritesim Franzsischen zur Unterscheidung von anderen Kartoffel-Zubereitungen wesentlich. In Deutschland wird aber auch imFritten-Gebiet (zunehmend?)Pommesverwendet.eh/sowieso(Frage 7)Auf die Frage, welches Wort man in einem Satz wie Gibs auf, es ntzt ... nichts! in dem jeweiligen Ort normalerweise benutzt, antwortete die berwiegende Mehrheit im gesamten Sprachgebieteh. Dies ist insofern erstaunlich, als noch bei einer Umfrage in den 1980er Jahren auf die selbe Frageehfast ausschlielich von Informanten aus sterreich und Sddeutschland (bis hinauf nach Hessen und Sachsen) gemeldet wurde (Wortatlas der dt. Umgangssprachen). In der Schweiz und Norddeutschland wurde damals vorwiegendsowiesogenannt. Dies ist in diesen beiden Gebieten zwar immer noch verbreitet, erscheint aber oft als Zweitvariante (Minderheit der Meldungen). Sehr hufig wurde damals in den beiden deutschen Staaten und in der Schweiz auchdochangegeben; in unserer Umfrage nannten nur wenige Informanten diese Variante. Uns kam es allerdings auf die Entwicklung vonehundsowiesoan, und dabei zeigte sich, dass wie beihaltundeben(vgl. Karteeben/halt) die krzere sddeutsche und sterreichische Variante immer beliebter wird. Die in der frheren Umfrage von zwei sterreichischen Informanten geuerte Beobachtung, dass das dt.sowiesogerade in den stdtischen Ugs. sterreichs immer mehr zunehme, besttigt sich nach unseren Daten nicht. Dafr gab ein(e) Informant(in) aus Freiberg in Sachsen an,ehsei erst seit zehn Jahren (vom Befragungsjahr 2003 aus gesehen) gebruchlich. Dies lsst vermuten, dasseh(wie auch halt) erst seit der Wende in den stlichen deutschen Bundeslndern Verbreitung gefunden hat nachdem sddeutsch-sterreichische Kurzwrter wieehundhaltsich zunchst in den nrdlichen alten Bundeslndern ausgebreitet haben.Unter dem Titel "Lecker, lecker, lecker!" wurde in der Sddeutschen Zeitung die rapide Ausbreitung des "Modewortes"lecker(zulecken) in Sddeutschland beklagt und mit der Macht der Werbesprache erklrt (Arno Makowsky, SZ vom 4./5.5.2002, abgedruckt im Rundbrief des Frdervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V., 9/2002); allerdings sprach auch Goethe schon vonleckern Speisen. Ein Nord-Sd-Geflle ist in den Karten zwar noch zu erkennen, aber nur schwach.

lecker (I) (Frage 8a)Zunchst war gefragt, ob man "auf die Frage der Bedienung in der Pizzeria o. ., ob das Essen geschmeckt hat", sagen wrde: "Danke, es war sehr lecker". Die entsprechende Karte zeigt die grte Dichte von "ja"-Meldungen im Klner Raum und entlang der niederlndischen Grenze. Darber hinaus wre diese Antwort aber offenbar im gesamten bundesdeutschen Gebiet blich (sdlich des Mains etwas schwcher als nrdlich), whrend in sterreich und in der Schweiz nur vereinzelt positive Meldungen vorkommen.

lecker (II) (Frage 8b)Die zweite Karte (Gebrauch des Wortes, wenn man mit einem Kind spricht, z. B.: "Oh, du hast ein Eis! Lecker!") macht aber deutlich, dassleckerin der Verwendung gegenber Kindern auch im Sden gelufiger ist (und im Norden noch uneingeschrnktere Zustimmung findet). Das Wort wird demnach auerhalb des Nordwestens vielfach (noch) mit "Kindersprache" assoziiert - dagegen wird es im Nordwesten nicht nur neutral in der Bedeutung 'wohlschmeckend' verwendet, sondern z. T. sogar noch allgemeiner als positives Adjektiv oder Adverb (nicht nurlecker Mdsche(Kln), sondern auchlecker warm- im Niederlndischen sogar lekker fietsen 'schn radeln' u. .).

dann/denn(Frage 9)Dannunddenngehren (wie wann und wenn) etymologisch zusammen und wurden bis ins 18. Jh. ohne Bedeutungs- bzw. Funktionsunterschied gebraucht (vgl.Kluge). Der Karte nach hat sich auch in der Alltagssprache die neuere standardsprachliche Differenzierung durchgesetzt: Fr den Beispielsatz "Das sehen wir .... am Montag!" wurde von den Informanten vorwiegenddanngewhlt - auer im Sdwesten (Schweiz und angrenzend). Auch in der deutschen Nordhlfte kommen nur noch weit verstreutedenn-Meldungen vor. Sie entsprechen dem Stand der Dialekte, in denen fast in dem gesamten Gebiet dieser Streumeldungen allgemeindennfr 'dann' gilt (vgl. digitaler Wenker-Atlas Kt. 'dann', s.http://www.diwa.info).nein(Frage 10)Die umgangssprachlichen Formen von 'nein' stimmen darin berein, dass bei allen das-nfehlt, unterscheiden sich dagegen im Vokal. Praktisch im gesamten nord- und mitteldeutschen Raum wirdneegesagt, sieht man von einzelnen Meldungen vonnaaim Rhein-Main-Gebiet und an der Mosel ab. Das oberdeutsche Gebiet teilt sich in bairisch-frnkischesnaaund alemannisch-schwbischesnoi/nei. Das eigentlich nieder- und mitteldeutscheneewird aber auch fr den Sdwesten gemeldet (wo auch in anderen Fllen norddeutsche Formen leichter Zugang finden als im Sdosten) und kommt auerdem anscheinend insbesondere im Grenzgebiet zwischennoi/neiundnaavor anders als in den alten Dialekten (vgl. denDigitalen Wenker-Atlas, Kt. 'nein'). Das ist eine nicht seltene Erscheinung: Wenn in einem Raum zwei regionale Formen konkurrieren, setzt sich hufig eine dritte, grorumig verbreitete Form durch. Standardsprachlichesneinist nur in Norddeutschland, sterreich und in der Schweiz hufiger verzeichnet.Nach den Grammatiken werden sog. Pronominaladverbien (oder Prpositionaladverbien), das sind Wrter ausda-,wo-oderhier-und einer Prposition (damit,womit,hiermit;daran,woran,hieranetc.), in der schriftlichen Standardsprache grundstzlich zusammengeschrieben. In der Umgangssprache jedoch finden sich verschiedene Formen, bei denen entweder die beiden Teile dieser Wrter getrennt stehen (Typ I:dawei ich nichtsvonoderdahabe ich keine Lustauf) oder der erste Teil verdoppelt wird. Im letzteren Fall gibt es wieder zwei Mglichkeiten: Entweder stehen der verdoppelte Teil und das Pronominaladverb getrennt (Typ IIa:dawei ich nichtsdavonoderdahabe ich keine Lustd(a)rauf) oder sie stehen zusammen (Typ IIb:dadavonwei ich nichts,da d(a)raufhabe ich keine Lust). Wir haben nach den in der jeweiligen Stadt blichen Formen fr die beiden BeispielstzenDavonwei ich nichts. und Darauf habe ich keine Lust. gefragt.

davon(Frage 11)Zu Davonwei ich nichts. wurde am hufigsten und flchendeckend die korrekte zusammengezogene Form genannt. Die anderen Formen zeigen jedoch ein charakteristisches regionales Muster: Die einfache Getrenntstellung (dawei ich nichtsvon) wird fast nur aus dem Norden gemeldet sowie seltener auch im Sdwesten. (Ein Informant aus Fssen schrieb, dass die Verwendung dieser Form dort immer mehr zunehme.) Dagegen werden allgemein im Sden bis hinauf nach Thringen und Sachsen die Verdoppelungskonstruktionen bevorzugt, in Thringen und Sachsen sowie in sterreich fast ausschlielich die getrennt stehende Verdopplung (dawei ich nichtsdavon) und in den deutschen Gebieten ungefhr sdlich des Mains sowie in der Schweiz die zusammenstehende Verdopplung (dadavonwei ich nichts). Diese Nord-Sd-Verteilung entspricht ziemlich genau dem Gebrauch in den Dialekten (vgl.Fleischer), und sie zeigt sich auch schon im Wortatlas der stdtischen Umgangssprachen fr die ostdeutschen Bundeslnder (vgl.Protze). In der Schweiz und in Vorarlberg sagt man auchVon demwei ich nichts.

darauf(Frage 12)Zu Darauf habe ich keine Lust. gibt es ein weniger eindeutiges Bild als zudavon. Beidaraufhaben wir die Besonderheit, dass die Prposition mit einem Vokal beginnt und deswegen in der Standardsprache und in den meisten Umgangssprachen ein-r-zwischendaundaufeingefgt wird (wie auch inworauf;hierauf;daran;darinetc.). Die Getrenntstellung (dahabe ich keine Lustauf), die man aus einigen nordwestdeutschen Dialekten kennt, gibt es in der Umgangssprache fast gar nicht (nur aus einem Ort in Ostfriesland und aus Schwaben gemeldet allerdings berichteten Kieler Studenten, dass sie diese Form auch noch aus dem Kieler Umland kennen). Verbreitet ist dagegen, besonders im Norden, eine Verdopplungsform, bei der jedoch das-a-im zweiten -da- ausgelassen wird (dahabe ich keine Lustdrauf). Die getrennt stehende Verdopplungsform (dahabe ich keine Lustdarauf) kommt, wenn auch recht selten, nur im Sden Deutschlands, in sterreich und in der Schweiz vor. Viel hufiger wird dort und in Sdtirol jedoch die zusammenstehende Verdopplungsform verwendet (dadraufhabe ich keine Lust); diese ist im Norden des Sprachgebiets deutlich seltener. Die ausgeschriebene Verdopplungsform wurde nur ganz selten genannt (dadaraufhabe ich keine Lust) allerdings wieda ... davon nur im Sden. Und schlielich gaben auch hier Gewhrsleute in Vorarlberg sowie in Sdtirol an, dass man in solch einem Satz kein Pronominaladverb verwenden wrde (auf dashabe ich keine Lust).

etwas(Fragen 13a und 13b)Die Verkrzung vonetwaszuwasist zwar berregional gelufig, nicht aber, wenn es sich um eine Mengen- bzw. Gradangabe vor Substantiven bzw. Adjektiven handelt. Nur das nrdliche Rheinland meldet geschlossen den Gebrauch vonwasSaftstattetwasSaft, ansonsten kommen entsprechende Meldungen nur vereinzelt vor. Bei zhlbaren Dingen wird dagegen anders als im Niederlndischen, wowat bloemen'ein paar Blumen' standardsprachlich ist auch im Rheinland(et)wasoffensichtlich nirgends verwendet (damit erbrigt sich fr diesen Satz die Kartierung). Vor Adjektiven ('etwas kalt') ist dieverkrzte Form vonetwasim Klner Raum blich, das entsprechende Gebiet ist aber kleiner als das vonwasSaft. Darber hinaus lassen die Karten die regionale Differenzierung der Varianten fr 'etwas' erkennen (wonach allerdings nicht in erster Linie gefragt war): In der deutschen Sdhlfte wurde hufigerein wenig (a weng)und auch hufiger Formen vonein bisschenstattetwasgenannt, obwohl nurwas/etwasvorgegeben war. Gesondert zu untersuchen wre die Verwendung des unbestimmten Artikelsein (a)Saft, die im Sdosten auch bei Stoffbezeichnungen blich ist (auch dies wurde hier aber nicht systematisch erfragt).

AusspracheKnig,wenigundzwanzig(Fragen 14a, 14b und 14c)In Frage 14 zu den Aussprachevarianten lautete die Aufgabenstellung: Bei den nchsten Fragen wssten wir gern, wie die unterstrichenen Wrter bei Ihnen ausgesprochen werden:a) "derKnig"b) "Ich hab(e)wenigZeit."c) "zwanzigMal"Angeboten wurden jeweils drei Aussprachevarianten, nmlich-k,-chund-sch(also in nicht-phonetischer Schreibweise).Im Norden und in der Mitte Deutschlands wird der Buchstabe-gam Wortende traditionell unabhngig vom vorausgehenden Vokal-chausgesprochen. Nach der (in diesem Punkt inkonsequenten) Aussprachenorm gilt diese Aussprache in Wrtern auf-igals korrekt, in allen anderen Fllen nicht. (Unkonsequent ist natrlich auch, dass die-ch-Aussprache silbenauslautend im Wortinnern nicht immer gelten soll; man soll alsokniklichundewiklichsagen, aber dann wiederwenichstens, derzwanzichsteoderEwichkeit, vgl. etwa dasDuden Aussprachewrterbuch) Die Karten zeigen jedenfalls, dass die ursprngliche Nord-Sd-Verteilung in ein Gebiet mit-ch- und ein Gebiet mit-k-Aussprache in der Alltagssprache im Groen und Ganzen noch vorhanden ist. Jedoch hat sich nicht nur das standardsprachliche-chim Sden ausgebreitet, sondern deutlich auch das nach den Aussprachewrterbchern eigentlich ,unkorrekte-kim Norden. Grnde dafr sind unzweifelhaft die inkonsequente Norm (inTag vgl. die entsprechendeKarte ist das nord- und mitteldeutsche-chnicht korrekt) und die Orthographie, die verbreitet zu der Annahme fhren, die AusspracheKniksei die richtige. Im Westmitteldeutschen und in Sachsen wird das-chauch in diesem Fall (wie das-chinich, herrlich o. .) hnlich wie ein-schgesprochen (,Koronalisierung). Dass auch zumindest aus dem rheinischen, hessischen und pflzischen Raum auffllig hufig die-k-Aussprache gemeldet wird, mag mit einer Neigung zur ,Hyperkorrektion zusammenhngen: Dort, wo man die-sch-Aussprache zu vermeiden sucht, fllt es leichter, auf ein-kals auf ein-chauszuweichen.AusspracheTagundZeug(Fragen 15a und 15b)InTagundZeugist die (hier "korrekte" vgl. Ktn.Knigusw.) oberdeutschek-Aussprache im ursprnglichenTach-(Zeuch-) Gebiet schon weit verbreitet, vor allem im standardnher sprechenden Norden. Eine Ausbreitung derk-Aussprache nach Sden hin ber das dialektale ch-Gebiet hinaus ist nicht zu erkennen. Bei 'Tag' kommt eine weiter nrdlich gelegene Nord-Sd-Grenze hinzu: Im Norden ist der Vokal kurz (Tach), weiter sdlich lang (Taach). BeiZeuchzeigt sich wie beiKnigetc. die mitteldeutsche Entwicklung vonchzusch.

AusspracheSportundKarte(Fragen 16a und 16b)Die Ersetzung des(Zpfchen-)rdurchchv.a. vort(Spocht,Kachte) ist in lteren Tonaufnahmen bei Sprechern aus verschiedenen Regionen zu hren, z.B. bei dem Lbecker Thomas Mann. Der Grund hierfr kann u.a. darin liegen, dass dasZpfchen-rdeutlich zu hren sein sollte, whrend es in dieser Position normalerweise die Tendenz zur Vokalisierung hat, sich also nicht deutlich von dem vorausgehenden Vokal abhebt. Nach der Aussprachenorm (insbesondere fr Berufssprecher und Schauspieler) war noch in der ersten Hlfte des 20. Jahrhunderts nur das besser hrbare gerollteZungenspitzen-r"korrekt". Allgemein gilt diech-Aussprache heute jedoch als rheinische Eigenheit wie die Karten zeigen, zu Recht (vgl. a. die Karte beiCornelissen; ob diese Aussprache in anderen Gebieten tatschlich kaum vorkommt oder ob hier auch ein Stereotyp eine Rolle spielt, durch das den Rheinlndern diese Aussprache bewusster ist, wre noch eine andere Frage). Aus dem Dialekt kommt diese Aussprache jedoch nicht, hier wird dasrinSportetc. zum Vokal und geht nachavollkommen im vorausgehendenaauf (Kaat). Es handelt sich beichalso um eine "feinere" Variante (dementsprechend verspotten manche Westfalen sie auch als "hochgestochen"), die mit dem Wechsel vom gerolltenZungen-rzumZpfchen-rzusammenhngt. Die verbreitete Annahme, dass dieser Wechsel, der sich ab dem 18. Jh. zunchst vor allem ber die Stdte ausbreitete, ursprnglich vom Franzsischen (bzw. von Paris) ausging, wird zwar teilweise in Frage gestellt vgl. z.B.Wiese die regionale Verbreitung desZpfchen-rmacht aber doch wahrscheinlich, dass eine "franzsische" Mode hier eine Rolle spielt. Die Karte "Karte" zeigt dasselbe rheinischech-Gebiet wie die Karte "Sport", auerdem wird sichtbar, dass die vollstndige Verschmelzung desrmit dem vorausgehendena(Kaate) vor allem im Westen (und etwas seltener auch im Norden) vorkommt. Im Sdosten gilt zumindest im Dialektoa dies wurde aber nicht systematisch erfragt, weil die Unterscheidung verschiedener Vokalisierungsformen mit Hilfe der normalen Orthographie praktisch unmglich ist. Hier sollte nur dasch-Gebiet nher eingegrenzt werden.Aussprachedas/was(Fragen 17a und 17b)Die Karten besttigen die landlufige Assoziation vondat-dit/watmit Rheinland, Ruhrgebiet und Berliner Raum, darber hinaus istdat/watumgangssprachlich offenbar auch noch ganz im Norden gebruchlich. Insoweit entspricht die Karte den dialektalen Verhltnissen (im Sdwesten gibt sie recht genau die traditionelle dat-das-Linie wieder). Das Auffllige ist aber, dass in den Dialekten im ganzen niederdeutschen Raumdatundwatgilt, in unserer Karte jedoch in weiten Teilen Niedersachsens und Westfalens keine einzigedat/wat-Meldung vorkommt. Unterschiedlich starke Urbanisierung und entsprechend verschieden starker Rckgang der Dialekte kann hierfr nur teilweise verantwortlich gemacht werden, sicherlich nicht fr den Unterschied zwischen dem Raum Niederrhein-Ruhrgebiet-westliches Westfalen (berwiegenddat) und dem nrdlich und stlich angrenzenden Gebiet. Hier scheint ein anderer Hintergrund zu bestehen, nmlich die Orientierung am Rheinland/Klner Raum, wo (wie in Berlin)wat(wiedat) eine Sonderrolle als charakteristisches, hufiges Einzelwort spielt, das problemlos aus dem Dialekt in eine standardnhere Sprache bernommen werden kann, gerade weil der Gegensatz "Dialekt t Standard s" hier in anderen Wrtern nicht auftritt. Im niederdeutschen Raum dagegen istwatvielfach zusammen mitWateretc. durch die hochdeutschen Formen ersetzt worden auer dort, wo das Rheinland (oder Berlin) mitwatals Vorbild wirken. Die Karte 'das' lsst genauer das Gebiet unter Berliner Einfluss erkennen (det-ditstattdat).Ausspracheneues(Frage 17c)Bei der Karte 'neues' sind die Verhltnisse anders als bei den anderen beiden Karten, weil die entsprechende Form in den Dialekten des wat-Gebiets ursprnglich nicht auf-etendet, sondern endungslos ist. In einigen Regionen hat sich allerdings im Dialekt und/oder in der Umgangssprache zu hochdeutsch-esdie andat/wat/etangepasste Endung-etherausgebildet.

(du) kriegst(Frage 18)Die Karte zeigt eine Reihe verschiedener Formen, die sich aus der Verbindung mehrerer sprachgeographischer Gegenstze ergeben. Zum einen gibt es Formenmit -tundohne -t, diejenigenohne -t(Dreiecke) dominieren dabei im Sdwesten (inkl. Sdtirol) und Westen. Hinzu kommt der Gegensatz-g/-ch, der sich wie in den Karten "Knig" bzw. "Zeug" darstellt. Imch-Gebiet kommt auerdem berall die Zusammenziehung deschszusvor (krist,kriest), besonders hufig im Westen, wo das-tfehlt (kris). Der Gegensatz zwischen Langvokal/Diphthong und Kurzvokal schlielich entspricht von der Verteilung her dem zwischen-gund-ch,sodass sich als hufigste Formen sdlicheskriegst(griagst usw.) und nrdlicheskrichstgegenberstehen. In einem Groteil der Antworten aus der Schweiz wurde dagegen darauf hingewiesen, dass das Verbkriegen(stattbekommen) dort berhaupt unblich ist.eins gemerkt,eins im Sinn(Frage 19)Beim Lehren der Grundrechenarten gibt es wohl verschiedene sprachliche Traditionen: Im grten Teil des Sprachgebiets sagt man, wenn man beim Addieren oder Subtrahieren eine 1 bertrgt (an die nchste Zehner-, Hunderterstelle etc.), laut oder im Stilleneins gemerktdazu. Dagegen wurde im gesamten Nordwesten von Schleswig-Holstein ber Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen bis zum Saarland sowie auch im Berliner Gebiet vorwiegendeins im Sinngelernt. In der Schweiz gebraucht man meistensbehalte eins. In den stlichen Bundeslndern sterreichs istbleibt einsverbreitet. Und schlielich gibt es regional noch weitere Ausdrcke: In Vorarlberg und Obersterreich isteins weiterblich, und in Sachsen sowie stellenweise auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und im Schwbischen verwendet man nichteins gemerkt, sondernmerke eins.(Fr den Hinweis auf die regionalen Unterschiede zwischen "eins gemerkt" und "eins im Sinn" danken wir Stefan Kleiner und Steffen Arzberger aus dem "Forum Sprachvariation" der IGDD!)

Mundart/Platt(Frage 20)Bei den Bezeichnungen fr die rtliche Mundart gibt es eine deutliche Zweiteilung der Sprachkarte: Im gesamten Sden sowie im Osten bis hinauf nach Berlin wird entwederMundartoderDialektgesagt (Die hufige Nennung vonMundartist durchaus berraschend, mag aber damit zusammenhngen, dassMundart nebenPlatt vorgegeben war,Dialektjedoch nicht. Vielfach gaben die Informanten aus diesen Gebieten auch wederMundartnochDialektan, sondern orts- oder regionsbezogene Ausdrcke wieMansfeldisch,Schwbisch o..). Im Nordosten, im gesamten Nordwesten sowie im Westen nennt man die MundartPlatt. Allerdings ist gerade in einem bergangsbereich (Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hessen) auffllig, dass oftPlattundMundartgemeldet werden, aber nur ganz seltenDialekt;Dialektist dagegen besonders fr Sachsen, Thringen sowie das Sprachgebiet sdlich des Mains typisch. (In einigen Regionen wirdDialektauch im Sinne von Akzent, also fr eine nur leicht regional gefrbte Sprechweise, verwendet.) Die Verbreitung der BezeichnungPlatt(oderPlattdeutsch) ist insofern bemerkenswert, als sie vielfach und auch nach Auskunft etymologischer Handbcher (Duden,Pfeifer) auf das Niederdeutsche bzw. die niederdeutschen Mundarten bezogen und mit dem platten Land nrdlich der Mittelgebirge assoziiert wird. Unsere Karte zeigt jedoch, dass im Westen auch weiter sdlich, nmlich berall dort, wo es in der Mundart etwaPundund nichtPfundheit, noch vom rtlichenPlattgeredet wird.