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30 31 Sie reagiert noch zögerlich, wenn es um die Figur der Léonor geht. Ob diese Favoritin eine authen- tische und verantwortungsvolle Frau ist oder doch eher die schillernde Mysteriöse, darauf will sie sich noch gar nicht festlegen an diesem regnerischen Julinach- mittag mit Blick auf die Berliner Glas- und Stahlarchitektur des Potsdamer Platzes. Sie erarbeite sich den Charakter einer Figur immer erst während der Probenzeit so richtig, gerade bei einem szenischen Rollendebüt, und freue sich sehr auf den Austausch mit der Regisseurin Amélie Niermeyer und den Bühnenpartnern. Mit einer zu klaren Vorstellung fühle sie sich nicht mehr offen für eine andere Interpretation. Gaetano Donizettis Musik hingegen kenne sie bereits gut, da sie La Favorite bei den Salzburger Festspielen 2014 schon konzertant gesungen habe. Bald werde sie noch tiefer in die Historie dieser Leonor de Guzmán und des spanischen Königs Alfonso XI. eintauchen – und zwar in ihrem andalusischen Domizil, ganz in der Nähe der Schauplätze von Donizettis Oper, also quasi im Dunstkreis von La Favorite. Premiere La Favorite „Ich bin eine Fatalistin“ MAX JOSEPH Léonor, die Titelfigur in Donizettis La Favorite, ist die Mätresse des Königs. Was bedeutet das für diese Frau? Ist das ein Makel, durch den sie von Anfang an einen schweren Stand in der ganzen Ge- schichte hat? ELīNA GARANčA Sie ist zwar die Mätresse des Königs, hat sich aber si- cher ursprünglich mehr von dieser Be- ziehung erhofft. Heutzutage ist es für eine moderne Frau wahrscheinlich schwierig, solch eine Hingabe und solch eine Überzeugung nachzuvoll- ziehen. Es ist sicher auch schwierig, diese unglückliche Verkettung von Zufällen in der Geschichte des Stücks zu verstehen. Ich glaube, dass Léonor tatsächlich in Alphonse, den König, verliebt war, dass sie aber in dieser Be- ziehung enttäuscht wurde. Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob sie tatsäch- lich immer nur die Unglückliche ist. MJ Im Verlauf von Donizettis Oper wird Léonor mehr und mehr an den Pranger gestellt. Vom König, von ihrem Geliebten Fernand, von der Kirche. Ist sie die Verliererin in diesem Stück? EG Ja, wahrscheinlich schon. Aber das ist ja generell so: Wenn man sich danach richtet, was die Gesellschaft von einem denkt, ist man fast immer der Verlierer, denn man kann es nie allen recht machen. Klar verliert Léo- nor aus dieser Perspektive zum Teil ihre Würde, wenn sie von Kirche und Volk als Ehebrecherin abgestempelt und später auch von Fernand ver- stoßen wird. Im Sinne gesellschaft- licher Normen zu verlieren und sich selbst als Verlierer zu fühlen sind aber zwei verschiedene Dinge. Es geht ja auch um den inneren Frieden. MJ Am Ende scheinen aber selbst der Glaube und die Religion, die in La Favorite eine sehr große Rolle spie- len, den Protagonisten keinen Trost mehr zu spenden. Alles scheint hoffnungslos. EG Am Ende ist es natürlich eine sehr traurige Geschichte. Ich glau- be aber, dass es für Léonor eher eine Erlösung im positiven Sinne ist. Ihr wird vergeben, und sie stirbt im Arm Fernands, des geliebten Menschen, der sich schließlich zu ihr bekennt. Dann wiegt für sie auch nicht mehr so schwer, dass sie von der Gesell- schaft und dem König verstoßen wurde. Ihr ganzer Leidensweg zu- vor ist viel länger und schwerer als schließlich ihr Tod. Sie gehört zu den gefeiertsten Mezzosopranistinnen der Welt. Sie ist eine Lettin, die in Südspanien lebt. Und sie wird in Gaetano Donizettis La Favorite erstmals die Titelrolle auf der Bühne verkörpern. Hier spricht Elīna Garanča über die Stärke der Léonor und ihr eigenes Verhältnis zur Religion. Elīna Garanča

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Sie reagiert noch zögerlich, wenn es um die Figur der Léonor geht. Ob diese Favoritin eine authen­tische und verantwortungsvolle Frau ist oder doch eher die schillernde Mysteriöse, darauf will sie sich noch gar nicht festlegen an diesem regnerischen Julinach­mittag mit Blick auf die Berliner Glas­ und Stahlarchitektur des Potsdamer Platzes. Sie erarbeite sich den Charakter einer Figur immer erst während der Probenzeit so richtig, gerade bei einem szenischen Rollendebüt, und freue sich sehr auf den Austausch mit der Regisseurin Amélie Niermeyer und den Bühnenpartnern. Mit einer zu klaren Vorstellung fühle sie sich nicht mehr offen für eine andere Interpretation. Gaetano Donizettis Musik hingegen kenne sie bereits gut, da sie La Favorite bei den Salzburger Festspielen 2014 schon konzertant gesungen habe. Bald werde sie noch tiefer in die Historie dieser Leonor de Guzmán und des spanischen Königs Alfonso XI. eintauchen – und zwar in ihrem andalusischen Domizil, ganz in der Nähe der Schauplätze von Donizettis Oper, also quasi im Dunstkreis von La Favorite.

Premiere La Favorite

„Ich bin eine Fatalistin“

MAX JOSEPH Léonor, die Titelfigur in Donizettis La Favorite, ist die Mätresse des Königs. Was bedeutet das für diese Frau? Ist das ein Makel, durch den sie von Anfang an einen schweren Stand in der ganzen Ge­schichte hat?

Elīna Garanča Sie ist zwar die Mätresse des Königs, hat sich aber si­cher ursprünglich mehr von dieser Be­ziehung erhofft. Heutzutage ist es für eine moderne Frau wahrscheinlich schwierig, solch eine Hingabe und solch eine Überzeugung nachzuvoll­ziehen. Es ist sicher auch schwierig, diese unglückliche Verkettung von Zufällen in der Geschichte des Stücks zu verstehen. Ich glaube, dass Léonor tatsächlich in Alphonse, den König, verliebt war, dass sie aber in dieser Be­ziehung enttäuscht wurde. Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob sie tatsäch­lich immer nur die Unglückliche ist.

MJ Im Verlauf von Donizettis Oper wird Léonor mehr und mehr an den Pranger gestellt. Vom König, von ihrem Geliebten Fernand, von der Kirche. Ist sie die Verliererin in diesem Stück?

EG Ja, wahrscheinlich schon. Aber das ist ja generell so: Wenn man sich

danach richtet, was die Gesellschaft von einem denkt, ist man fast immer der Verlierer, denn man kann es nie allen recht machen. Klar verliert Léo­nor aus dieser Perspektive zum Teil ihre Würde, wenn sie von Kirche und Volk als Ehebrecherin abgestempelt und später auch von Fernand ver­stoßen wird. Im Sinne gesellschaft­licher Normen zu verlieren und sich selbst als Verlierer zu fühlen sind aber zwei verschiedene Dinge. Es geht ja auch um den inneren Frieden.

MJ Am Ende scheinen aber selbst der Glaube und die Religion, die in La Favorite eine sehr große Rolle s pie­len, den Protagonisten keinen Trost mehr zu spenden. Alles scheint hoffnungslos.

EG Am Ende ist es natürlich eine sehr traurige Geschichte. Ich glau­be aber, dass es für Léonor eher eine Erlösung im positiven Sinne ist. Ihr wird vergeben, und sie stirbt im Arm Fernands, des geliebten Menschen, der sich schließlich zu ihr bekennt. Dann wiegt für sie auch nicht mehr so schwer, dass sie von der Gesell­schaft und dem König verstoßen wurde. Ihr ganzer Leidensweg zu­vor ist viel länger und schwerer als schließlich ihr Tod.

Sie gehört zu den gefeiertsten Mezzosopranistinnen der Welt. Sie ist eine Lettin, die in Südspanien lebt. Und sie wird in Gaetano Donizettis La Favorite erstmals die Titelrolle auf der Bühne verkörpern. Hier spricht Elīna Garanča über die Stärke der Léonor und ihr eigenes Verhältnis zur Religion.

Elīna Garanča

32 Illustration Berto MartínezInterview Florian Heurich

MJ Welche Rolle spielen die Religi­on und die Kirche auf diesem Lei­densweg Léonors, der schon fast et­was von einer Passion im christli­chen Sinne hat und der schließlich quasi mit einem Akt der Buße endet?

EG Ich denke, selbst heutzutage ist gerade die katholische Kirche der Frau gegenüber relativ gnadenlos. Und früher war das natürlich noch mehr der Fall. Kirche und Religion als Institution wohlgemerkt. Aber ich glaube, dass alle Menschen, wenn der Tod nah ist, sich auf die Vor­stellung verlassen, dass Gott uns ir­gendwie aufnimmt. Und so ist es auch bei Léonor.

MJ Kann die Religion also auch ei­nen gewissen Trost spenden?

EG Nicht die Religion, sondern die Spiritualität. Ich würde auch in mei­nem eigenen Leben weniger von Re­ligion sprechen als vielmehr von Spi­ritualität. Religion wird heute doch so unterschiedlich interpretiert. Je­der redet von Gott und beansprucht ihn für sich, seien es jetzt Katholi­ken, Protestanten, Orthodoxe oder Muslime. Was für den einen als Re­ligion verständlich ist, ist für den anderen unverständlich. Deswegen finde ich eine generelle Spiritualität viel wichtiger. Erlösung bedeutet, dem Geist einen Raum zu geben, wo es nach dem Tod hingehen kann.

MJ Wo geht es dann in La Favorite hin?

EG Nach Léonors Tod müssen die Überlebenden, also auch Fernand, sich an die Hoffnung klammern, dass

es irgendwie weitergeht. Wahrschein­lich ist aber, dass er sich bald um­bringen wird. Das deutet er an, wenn er am Ende nach Léonors Tod sagt: „Morgen werdet ihr für mich beten.“ Im christlichen Sinn wäre aber Selbst­mord wiederum eine Sünde ...

MJ Sind sich Léonor und Fernand, wenn sie sich in diese Liebesbezie­hung stürzen, bewusst, dass dies kei­ne Zukunft haben kann?

EG Bei den beiden hat dieses un­erklärliche Phänomen der Liebe auf den ersten Blick stattgefunden, und erst mit der Zeit werden sie sich bewusst, dass es eigentlich nicht funktionieren kann. Und dennoch stürzen sie sich in diese Liebe. Sie machen sich am Anfang keine rich­tigen Gedanken über die Konsequen­zen. Damit beschäftigen sie sich erst später.

MJ La Favorite spielt in Santiago de Compostela, dann in Sevilla und auf einer Insel in der Nähe von Cá­diz. Sie leben in Südspanien. Ken­nen Sie diese Schauplätze? Können Sie in Donizettis Oper und ihrer The­matik Ähnlichkeiten mit der spani­schen Kultur und Mentalität finden?

EG Natürlich kenne ich die Orte, an denen La Favorite spielt. Spani­en ist ein sehr katholisches Land, das manchmal auch sehr durch blinden Katholizismus geprägt ist. Andererseits gibt es den großen Ein­fluss der arabischen Kultur. Und bei­des kommt in gewisser Weise auch in der Oper zum Ausdruck. So gibt es beispielsweise Gesänge, die qua­si maurisches Ambiente zitieren, und

natürlich viel chorischen Sakral­gesang.

MJ Sie sind vor zwei Jahren der Hermandad de la Macarena, einer der wichtigsten religiösen Bruder­schaften in Sevilla, beigetreten, die an eine bedeutende und sehr popu­läre Madonnenfigur dieser Stadt an­knüpft. Wie kam es dazu?

EG Diese Bruderschaft hat mich und meinen Mann, der sehr katholisch ist, eingeladen, Mitglied zu werden. Da ich eben in Südspanien lebe, die Karwoche in Sevilla besucht habe und auch viel Zarzuela singe, um da­mit diesen Teil der spanischen Kul­tur auf der ganzen Welt ein bisschen zu verbreiten, hat man uns das vor­geschlagen. Jede Stadt, jedes Viertel und jedes kleine Dorf in Spanien hat natürlich seine eigenen Heiligen­ und Marienfiguren mit den dazuge­hörigen Bruderschaften, die Maca­rena ist aber eine der schönsten Ma­donnen, die ich gesehen habe, wenn sie bei den Osterprozessionen durch die Stadt getragen wird. Und so sind wir als Familie dieser Bruderschaft beigetreten.

MJ Wie erleben Sie als Lettin diesen sehr speziellen Teil der spanischen Kultur, diese Volksfrömmigkeit?

EG Ich bin zwar als Katholikin groß geworden. Mein Mann und ich ver­suchen auch, unsere Kinder in die­sem Sinne zu erziehen, damit sie al­les so kennenlernen, wie wir es selbst gelernt haben. Für mich, die ich aus einer ganz anderen Umgebung kom­me, wirkt aber diese sehr pompöse, nach außen getragene Religiosität

MJ Welche Bedeutung hat die Re­ligion in Ihrem Leben?

EG Je älter ich werde, umso mehr Fragen habe ich an jegliche Religi­on. Deshalb finde ich für mich per­sönlich die Spiritualität wichtiger und auch erlösender, wenn man so große Worte benutzen will, als die Religion. Religion war oft ein Mittel, um die Leute blind zu machen, da­mit man sie besser regieren kann. Ich bin eine Fatalistin. Ich glaube, uns wird ein bestimmter Weg vor­gegeben.

MJ In Kunst und Literatur, gerade im 19. Jahrhundert, war Spanien schon immer ein Sehnsuchtsland. Auch La Favorite ist ein Beispiel für dieses Phänomen. Was hat dieses Land für Künstler so interessant ge­macht?

EG Vor allem war Spanien seinerzeit eine Weltmacht. Ein riesiges Impe­rium, das sich immer weiter ausge­breitet hat. Bei dieser Expansion war natürlich die Religion sehr wichtig. Und gerade die Mischung des Chris­tentums mit dem Islam und der ara­bischen Kultur in Spanien hat im Ausland großes Interesse geweckt.

MJ Ein spanisches Thema, eine fran­zösische Oper, ein italienischer Kom­ponist. Wie unterscheidet sich der französische Donizetti in La Favorite vom italienischen Donizetti? Sie ha­ben ja auch schon die Giovanna Sey­mour in Anna Bolena und die Sara in Roberto Devereux gesungen.

EG Verismo ist sicher nicht der rich­tige Ausdruck, aber ich würde trotz­

in Spanien manchmal schon ein biss­chen inszeniert. Ich selbst trage die Spiritualität eher in mir. Gerade die Prozessionen und diese Seite der Kultur beobachte ich mit großer Be­wunderung, vielleicht auch mit ein bisschen Neid, dass man sich im All­tag so stark mit solchen Traditionen identifizieren kann. Ich schaue mir das Ganze zum Teil als eine große Inszenierung an, aber trotzdem zieht es einen mit. Und dann hat man auch ein gewisses spirituelles Erlebnis.

Ob das nun katholisch ist oder irgendetwas anderes, spielt keine Rolle. Man empfindet eine gewisse gemeinschaftliche Energie. Ich habe sogar in der Kirche für die Maca­rena gesungen. Dabei haben mich sehr merkwürdige, fast unerklär liche Emotionen überkommen, sodass es mir schwerfiel weiterzusingen. Ich wurde dann gebeten, auch in der Öffentlichkeit während der Prozes­sion zu singen, das möchte ich aber eher weniger.

Über La Favorite

Zahlreiche Mythen umranken die historische Figur der Leonor de Guzman, Mätresse des Königs Alfons XI. von Kastilien, die im Ränkespiel um die Macht im Staate zerrieben wird. Ein wahrer Opernstoff, den Gaetano Donizetti nur allzu gerne aufgriff und 1840 in eine französische Grand Opéra für Paris formte – so kompromisslos traurig und pessimistisch sollte Donizetti keinen weiteren Stoff mehr verarbeiten. Mit der histo rischen Figur hat die Titelfigur der Oper jedoch nur noch wenig zu tun. Die Liebe Léonors zum König entpuppt sich in der Oper als Farce. Léonor zögert nicht lange und entscheidet sich für den jungen Fernand, der ihretwegen dem Klosterleben in Santiago de Compostela entflohen ist. Doch er weiß nicht um ihre Identität als Mätresse, sodass er und sie schnell Opfer im intriganten Machtkampf zwischen Kirche und Staat werden. Am Ende bleibt den beiden nicht einmal mehr die Hoffnung auf eine gemeinsame bessere Zukunft nach dem Tod. Léonor stirbt, Fernand bleibt zwar im Kloster zurück, doch die Idee von Gott und Erlösung bleibt das Werk den beiden schuldig.

„Im Sinne gesellschaftlicher normen zu verlieren und sich selbst als Verlierer zu fühlen sind zwei sehr verschiedene Dinge.“

„Gerade die Prozessionen und diese Seite der spanischen Kultur beobachte ich mit großer Bewunderung, vielleicht auch mit ein bisschen neid,

dass man sich im alltag so stark mit solchen Traditionen identifizieren kann.“

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Elīna Garanča, geboren in Riga/Lettland, studierte an der dortigen Musikakademie. 2001 war sie Finalistin des Wettbewerbs BBC Cardiff Singer of the World. Gastenga gements führten sie an die New Yorker Metropolitan Opera, die Los Angeles Opera, die Mailänder Scala, die Opéra National de Paris, die Wiener Staatsoper, die Salzburger Festspiele und die Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Ihr Repertoire umfasst u.a. Octavian (Der Rosenkavalier), Dorabella (Così fan tutte), Meg Page (Falstaff) und Annio/Sesto (La clemenza di Tito). An der Bayerischen Staatsoper war sie bereits als Carmen, als Adalgisa (Norma) sowie als Charlotte (Werther) zu erleben.

dem sagen, der französische Doni­zetti wird in gewisser Weise veris­tischer. Es ist weniger der ganz ty­pische Belcanto hinsichtlich der strukturierten Arienformen oder der Auflösung der Harmonien. Auch die Orchestrierung ist reichhaltiger, das Orchester lebendiger mit rich­tigen Dialogen zwischen einzelnen Instrumenten.

MJ Ist La Favorite also eine typisch französische Oper oder doch eher eine italienische Oper in französischem Gewand?

EG Wenn man es auf Italienisch singt, was ja oft gemacht wurde, wirkt es italienischer, wenn man es auf Französisch singt, ist es franzö­sischer. Durch die Sprache verän­dert sich auch der Rhythmus, die Phrasen klingen anders, die ganze Klangfarbe ist nicht mehr dieselbe. Beispielsweise Léonors Arie O mon Fernand: Auf Französisch klingt sie romantisch­naiver, auf Italienisch kommt mehr Verzweiflung zum Aus­druck.

MJ Ist das französische Idiom also womöglich besser geeignet, um die unterschwellige Spiritualität und Religiosität des Stücks zu vermit­teln?

EG Es ist dadurch auf jeden Fall introvertierter. Der Leidensweg Léo­nors wird so eher innerlich verar­beitet als nach draußen geschrien. Man könnte das so vergleichen: ei­nerseits jemand, der das Kreuz trägt, wobei das physische Leid offen zu­tage tritt; andererseits vielleicht eine Frau, die gesteinigt wird und sich

dabei aber komplett bedeckt und versteckt und tief leidet, bis sie schließlich zusammensackt.

Florian Heurich ist Musikjournalist. Für die Bayerische Staatsoper gestaltet er die Videomagazine und Audio- Podcasts zu den Neuproduktionen, für BR-Klassik produziert er Radiofeatures und Reportagen (demnächst etwa Von bitteren Mandeln und schwarzer Milch – Paul Celan in der zeitgenössi-schen Musik; Sendetermin 22.11.2016).

La FavoriteOpéra in vier AktenVon Gaetano Donizetti

Premiere am Sonntag, 23. Oktober 2016, Nationaltheater

StAAtSOPER.tV: Live-Stream der Vorstellung auf www.staatsoper.de/tv am Sonntag, 6. November 2016

Weitere termine im Spielplan ab S. 91