7 nukleardiagnostik - tu dortmund

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7 Nukleardiagnostik 7.1 Grundlagen der Nuklearmedizin 7.1.1 Prinzip Die Nuklearmedizin nutzt radioaktive Elemente für diagnostische und therapeutische Zwecke. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den diagnostischen Anwendungen. Ziel dieser Anwendungen ist es mei- stens, funktionelle Abläufe sichtbar zu machen, teil- weise auch zeitaufgelöst. Radioaktive Isotope sind häufig die einzige Möglichkeit, um zu verfolgen, wie ein Stoff vom Körper aufgenommen, verarbeitet, ge- speichert und wieder ausgeschieden wird. Dazu wird ein radioaktives Isotop in den Körper des Patienten eingebracht, typischerweise durch Injekti- on in die Blutbahn, Schlucken in den Magen-Darm Trakt, oder durch Inhalation in die Lunge. Die Men- ge an Aktivität, die in den Körper eingebracht wird, ist bekannt, und aus der ebenfalls bekannten Zer- fallszeit kann die Gesamtaktivität zu einem späteren Zeitpunkt errechnet werden. Ziel der diagnostischen Verfahren ist es, zu bestimmen, wo im Körper sich diese Aktivität befindet, d.h. gesucht ist A(x, y, z, t). Abbildung 7.1: Gehirnaktivität gemssen mit PET. Volkow et al. [14] Um die Aktivität an den gewünschten Ort im Kör- per zu bringen werden Tracer eingesetzt, das sind radioaktiv markierte Moleküle, die an chemischen Prozessen, wie zum Beispiel dem Stoffwechsel, be- teiligt sind oder in bestimmte Organe diffundieren (Perfusion) oder auch nur mitgespült werden im Blut oder in der Atemluft. Welche Moleküle als Tracer besonders gut geeignet sind hängt also von der ge- wünschten Information ab. Typische Aktivitäten in der nuklearmedizinischen Diagnostik sind zwischen 100 und 1000 MBq, d.h. 10 8 - 10 9 Zerfälle pro Sekunde. Da der radioaktive Zerfall ein statistischer Prozess ist enthalten die er- zeugten Bilder notwendigerweise eine gewisse Sta- tistik. Eine zu geringe Aktivitätskonzentration führt zu einem entsprechend großen Fehler. Für eine rei- ne Funktionsdiagnostik wird jedoch wesentlich we- niger Aktivität benötigt, als für eine hochaufgelöste Bildgebung notwendig wäre. Die Szintigraphie erfasst die räumliche Verteilung der Radioaktivität im Körper, und der zeitliche Ver- lauf wird in Untersuchungen der Kinetik, also der zeitlichen Abläufe der Radioaktivitätsverteilung im Körper erfasst. Die Kinetik wird einerseits durch den radioaktiven Zerfall bestimmt, andererseits durch die physiologischen Prozesse im Körper. 7.1.2 Radioaktiver Zerfall Das Zerfallsgesetz, das den radioaktiven Zerfall be- schreibt, lautet N (t)= N 0 e -λt . Hier stellt N (t) die Anzahl vorhandene Kerne zur Zeit t, N 0 die Anfangszahl der vorhandenen Kerne und λ ist die Zerfallsrate dar. Diese ist invers pro- portional zur Halbwertszeit T 1/2 = ln 2. Die Aktivität A(t) einer Menge radioaktiven Mate- rials ist definiert als die Anzahl Zerfälle pro Zeitein- heit, also A(t) := - dN dt = A 0 e -λt , 140

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7 Nukleardiagnostik

7.1 Grundlagen der Nuklearmedizin

7.1.1 Prinzip

Die Nuklearmedizin nutzt radioaktive Elemente fürdiagnostische und therapeutische Zwecke. In diesemKapitel beschäftigen wir uns mit den diagnostischenAnwendungen. Ziel dieser Anwendungen ist es mei-stens, funktionelle Abläufe sichtbar zu machen, teil-weise auch zeitaufgelöst. Radioaktive Isotope sindhäufig die einzige Möglichkeit, um zu verfolgen, wieein Stoff vom Körper aufgenommen, verarbeitet, ge-speichert und wieder ausgeschieden wird.

Dazu wird ein radioaktives Isotop in den Körper desPatienten eingebracht, typischerweise durch Injekti-on in die Blutbahn, Schlucken in den Magen-DarmTrakt, oder durch Inhalation in die Lunge. Die Men-ge an Aktivität, die in den Körper eingebracht wird,ist bekannt, und aus der ebenfalls bekannten Zer-fallszeit kann die Gesamtaktivität zu einem späterenZeitpunkt errechnet werden. Ziel der diagnostischenVerfahren ist es, zu bestimmen, wo im Körper sichdiese Aktivität befindet, d.h. gesucht ist A(x, y, z, t).

Abbildung 7.1: Gehirnaktivität gemssen mit PET.Volkow et al. [14]

Um die Aktivität an den gewünschten Ort im Kör-per zu bringen werden Tracer eingesetzt, das sindradioaktiv markierte Moleküle, die an chemischenProzessen, wie zum Beispiel dem Stoffwechsel, be-teiligt sind oder in bestimmte Organe diffundieren

(Perfusion) oder auch nur mitgespült werden im Blutoder in der Atemluft. Welche Moleküle als Tracerbesonders gut geeignet sind hängt also von der ge-wünschten Information ab.

Typische Aktivitäten in der nuklearmedizinischenDiagnostik sind zwischen 100 und 1000 MBq, d.h.108 − 109 Zerfälle pro Sekunde. Da der radioaktiveZerfall ein statistischer Prozess ist enthalten die er-zeugten Bilder notwendigerweise eine gewisse Sta-tistik. Eine zu geringe Aktivitätskonzentration führtzu einem entsprechend großen Fehler. Für eine rei-ne Funktionsdiagnostik wird jedoch wesentlich we-niger Aktivität benötigt, als für eine hochaufgelösteBildgebung notwendig wäre.

Die Szintigraphie erfasst die räumliche Verteilungder Radioaktivität im Körper, und der zeitliche Ver-lauf wird in Untersuchungen der Kinetik, also derzeitlichen Abläufe der Radioaktivitätsverteilung imKörper erfasst. Die Kinetik wird einerseits durch denradioaktiven Zerfall bestimmt, andererseits durch diephysiologischen Prozesse im Körper.

7.1.2 Radioaktiver Zerfall

Das Zerfallsgesetz, das den radioaktiven Zerfall be-schreibt, lautet

N(t) = N0 e−λt .

Hier stellt N(t) die Anzahl vorhandene Kerne zurZeit t, N0 die Anfangszahl der vorhandenen Kerneund λ ist die Zerfallsrate dar. Diese ist invers pro-portional zur Halbwertszeit T1/2 = ln 2/λ.

Die Aktivität A(t) einer Menge radioaktiven Mate-rials ist definiert als die Anzahl Zerfälle pro Zeitein-heit, also

A(t) := −dNdt

= A0e−λt,

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und wird gemessen in Becquerel [Bq]. In der Lite-ratur (vor allem in älteren Arbeiten) wird außerdemdie Einheit Curie (Ci) verwendet. 1 Ci = 3.7 · 1010

Bq.

Eine Aktivität von z.B. 100 MBq entspricht somit108 Zerfällen pro Sekunde. Die entsprechende An-zahl an radioaktiven Atomen ergibt sich aus der Le-bensdauer: Beträgt diese z.B. 1000 s, so benötigtman 1011 Atome für eine Aktivität von 100 MBq.

Abbildung 7.2: Poisson Statistik

Der radioaktive Zerfall ist ein reiner Zufallsprozess.Die Zahl der in einem bestimmten Zeitraum ge-messenen Zerfälle ist deshalb durch die Poisson-Verteilung gegeben:

p(N ; k) = e−k kN

N !.

Hier stellt k den Erwartungswert, d.h. die mittle-re Zahl von Photonen für das gegebene Messin-terval dar und N die effektiv gemessene Zahl vonPhotonen. Bei N Zerfällen beträgt die Unsicherheit√N . Da man einzelne Zerfälle zählt ist die mini-

mal notwendige Aktivität dadurch bestimmt, dassauf dem Detektor genügend Photonen eintreffen unddie relative Unsicherheit,

√N/N = 1/

√N genü-

gend klein wird. Um die Strahlenbelastung des Pati-enten nicht unnötig erhöhen zu müssen versucht mandeshalb, aus einem möglichst großen Anteil der Zer-fälle ein Signal zu gewinnen. Dies bedeutet insbe-sondere auch, dass die verwendeten Elemente mög-lichst wenig andere Zerfallskanäle aufweisen soll-ten.

Es gibt verschiedene Arten von radioaktivem Zerfall.Beim α-Zerfall wird ein Helium-Kern emittiert, beider β±-Strahlung Positronen beziehungsweise Elek-tronen. Der K-Einfang ist ein besonderer Fall des

β-Zerfalls, bei dem ein Hüllenelektron der innerenSchalen durch den Kern ”eingefangen” wird und ei-ne charakteristische Strahlung ausgesendet wird. Alsdrittes kann γ-Strahlung auftreten. Dabei wird dieüberschüssige Energie angeregter Kerne durch Ab-strahlung hochenergetischer Photonen abgegeben.

In der nuklearmedizinischen Diagnostik werden vorallem γ-Strahlung, Vernichtungsstrahlung und K-Strahlung verwendet; bei α− und β-Strahlung ist dieReichweite zu gering, so dass die Strahlung vor al-lem innerhalb des Körpers absorbiert wird. Dies isterwünscht bei der Nukleartherapie (z.B. Brachythe-rapie), aber nicht bei der Diagnostik.

Vernichtungsstrahlung entsteht, wenn sich ein Elek-tron und sein Antiteilchen, das Positron, gegensei-tig vernichten. Die Ruhemasse der beiden Teilchenwird in elektromagnetische Strahlung umgewandelt.Energieerhaltung bedingt eine gesamte Strahlungs-energie von 2 · 511 keV. Impulserhaltung bedingteinen Gesamtimpuls von (fast) 0. Deshalb wird dieEnergie auf zwei Photonen verteilt, welche jeweilseine Energie von 511 keV und entgegengesetztenImpuls besitzen.

7.1.3 Eigenschaften von Radionukliden

Eine entscheidende Rolle spielen die isomeren Ker-ne in der Anwendung, die sich nach einem erfolg-ten β-Zerfall in einem angeregten, metastabilen Zu-stand befinden. Diese metastabilen Zustände könnenHalbwertszeiten von bis zu einigen Tagen besitzen.Während des angeregten Energiezustandes isomererKerne werden entweder Gammastrahlung oder Kon-versionselektronen ausgesendet. Der Buchstabe mam Elementsymbol kennzeichnet metastabile Kerne.Eine herausragende Stellung in der Nuklearmedizinbesitzt 99mTc, da es ein reiner Gammastrahler ist unddaher wenig Strahlenexposition für den Patienten be-deutet.

In der Nukleardiagnostik werden keine in der Naturvorkommenden Elemente benutzt wegen ihrer nega-tiven Eigenschaften:

• Radiotoxizität;

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• es tritt nicht nur die gewünschte Strahlenartauf, sondern auch andere, die nur zur erhöhtenStrahlenbelastung des Patienten führt;

• viel zu lange Halbwertszeit (sonst wären dieseElemente nicht mehr in der Natur vorhanden);

• zu schlechte radiochemische Reinheit.

Deshaln müssen die verwendeten Elemente zuersthergestellt werden.

7.1.4 Herstellung von Radionukliden

Für die Herstellung von Radionukliden sind ent-weder Kernreaktoren oder ein Zyklotron notwendig(Abbildung 7.3).

Abbildung 7.3: Herstellung von Radionukliden.

99Mo kann z.B. entweder durch Kernspaltung oderdurch Neutronenbeschuss (in einem Kernreaktor)hergestellt werden.

Bei dem Beschuß mit geladenen Teilchen in einemZyklotron sind wegen der Coulomb-Barriere rechthohe Enerigen nötig von etwa 10 MeV. Es gibt heut-zutage aber ”Baby-Zyklotrons”, die diese Energienerreichen und in einem 30 m2-Raum der Klinik in-stalliert werden können.

Das wichtigste Beispiel ist die Gewinnung von99mTc aus 99Mo, das in einem Kernreaktor durchNeutroneneinfang oder Kernspaltung gewonnenwird. Es wird in Bleibehältern in die Klinik ge-bracht, einem sogenannten Radionuklidgenerator.Transportzeiten von 1 Tag sind bei einer Halbwerts-zeit von 66.7 Stunden zu vertreten. In der Klinikwandelt sich das 99Mo in das metastabile 99mTc um,das eine Halbwertszeit von 6 Stunden besitzt.

Das hierbei entstehende Pertechnetat ist im Ge-gensatz zu der Molybdän-Verbindung wasserlös-

Abbildung 7.4: Radionuklidgenerator-Prinzip.

Abbildung 7.5: Herstellung von Technetium

lich, kann also herausgewaschen werden und in ei-ne Spritze gezogen und injiziert werden. Nach ei-nem Tag hat sich wieder genug Pertechnetat ge-bildet, dass der Vorgang wiederholt werden kann,man spricht vom täglichen ”melken” des Genera-tors. Nach 1 Woche ist der Generator verbraucht undmuss ausgetauscht werden.

7.2 Messtechnik

Die wichtigsten Anforderungen an die Messgeräteumfassen

• Hohe Empfindlichkeit; dadurch kann die Men-ge an benötigter Aktivität und damit die Strah-lenbelastung des Patienten gering gehalten wer-den.

• Gute Energieauflösung zur Unterdrückung vongestreuten Photonen.

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• Kurze Abklingzeit; damit werden hohe Zählra-ten möglich.

Für einfache Messungen einer Aktivität kann manGeiger-Müller Zählrohre verwenden. Für bildgeben-de Messungen von Gammastrahlen sind diese aberweniger geeignet. Hier haben sich Szintillationszäh-ler durchgesetzt.

7.2.1 Scintillationsdetektoren

Wie schon erwähnt besitzen reine Gammastrahlerwie 81mKr und 99mTc die günstigsten Eigenschaftenfür die konventionelle nuklearmedizinische Diagno-stik. Für die Registrierung von Gammastrahlung imBereich von 50 bis 511 keV haben sich Szintillati-onsdetektoren durchgesetzt.

Abbildung 7.6: Szintillationsdetektor und Sekundär-elektronenvervielfacher.

Dabei werden in einem geeigneten Material (mei-stens NaI) durch die γ Strahlung mehrere optischePhotonen erzeugt. Wird das γ-Photon vollständigabsorbiert, so ist die Zahl der optischen Photonenproportional zur Energie des γ-Photons. Diese Pho-tonen werden zur Photokathode eines ”Photomulti-pliers” gebracht. Dort werden dadurch Photoelektro-nen erzeugt, welche in den nachfolgenden Verstär-kerstufen des Sekundärelektronenvervielfachers ver-vielfacht werden.

Die Forderungen an den Szintillatorkristall sind:

• Größe angepasst an das Messproblem;

• Ausreichende Dicke, hohe effektive Ordnungs-zahl;

• Hohe Homogenität und optische Durchlässig-keit.

Die Größe variiert von 1 Quadratzentimeter bis zu40 · 60 cm2 für Ganzkörperszintigramme. Als Ma-terialien werden NaI:Tl und BGO (Bi4Ge3O12) ver-wendet. Die Tl-Dotierung des NaI Kristalls reduziertdie Eigenabsorption und ergibt damit eine bessereLichtausbeute.

Abbildung 7.7: Eigenschaften von Scintillatormate-rialien

Wie die Tabelle zeigt ist die Lichtausbeute bei NaIam höchsten. Allerdings ist hier die Absorptions-wahrscheinlichkeit etwas geringer als beim BGO,welches eine höhere effektive Ordnungszahl besitzt.Die Abklingzeit sollte möglichst kurz sein, damit ho-he Zählraten möglich sind.

7.2.2 Kollimatoren

Um die Verteilung der Aktivität im Körper messenzu können, muss nicht nur die Zahl der Photonen,sondern auch ihr Ursprung bestimmt werden kön-nen. Man benötigt somit die Information aus welcherRichtung ein Photon kommt. Da für γ-Strahlung kei-ne Linsen zur Verfügung stehen, ist es nicht möglich,sie direkt abzubilden. Eine einfache (wenn auch in-effiziente) Möglichkeit liegt darin, nur Photonen auseiner bestimmten Richtung auf den Detektor zu las-sen. Dafür verwendet man Kollimatoren.

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Abbildung 7.8: Kollimatoren: Prinzip und Abbil-dungsfunktion

Ein idealer Kollimator lässt nur Strahlung aus ei-ner bestimmten Raumrichtung durch. Dabei wäre al-lerdings die Empfindlichkeit Null. Ein realer Kol-limator akzeptiert Strahlung aus einem gewissenRaumwinkel-Bereich. In der Praxis wählt man denKollimator je nach Anwendung so, dass er einen fürdie Fragestellung sinnvollen Kompromiss zwischenAuflösung und Empfindlichkeit ergibt.

Die Auflösung kann quantifiziert werden über diePunktbildfunktion. Dies ist das gemessene Bild, wel-ches man erhält, wenn eine ideale punktförmigeQuelle im Abstand Z vor dem Detektor hindurch be-wegt wird. Der Radius R dieses Bildes ist

R =D

L

(Z +

L

2

).

Hier stellt D den Durchmesser des Kollimators, Lseine Länge, und Z den Abstand vom Objekt dar. Jekleiner D wird, desto höher ist somit die Auflösung,aber desto geringer ist auch die Empfindlichkeit.

Mit einer Kombination von Blenden ist es auch mög-lich, die Ortsauflösung zu verbessern und sogar einegewisse Lokalisierung der Empfindlichkeit auf derAchse zu erreichen. Man bezeichnet dies als fokus-sierende Kollimatoren.

7.2.3 Diskrimination

Bei der Wechselwirkung von γ Strahlung mit Ge-webe dominiert der Compton Effekt. Dabei wer-den die γ-Quanten nicht absorbiert, sondern nur ge-streut. Nach der Streuung können sie immer noch

Abbildung 7.9: Fokussierender Kollimator.

auf dem Detektor eintreffen. Allerdings hat ihre Aus-breitungsrichtung dann keine Informationmehr überden Entstehungsort, sie tragen deshalb nicht mehrzum Signal bei, sondern nur zum Rauschen.

Abbildung 7.10: Unterscheidung zwischen direktdetektierter γ Strahlung und ge-streuter Strahlung durch Messungder Energie

Es ist deshalb nützlich, zwischen solchen γ-Quanten, die direkt auf den Detektor gelangen unddamit nützliche Information enthalten und solchen,welche auf dem Weg gestreut wurden zu unterschei-den. Dies kann über eine Energiemessung erreichtwerden: bei jedem Streuvorgang verlieren die γ-

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Quanten einen Teil ihrer Energie. Da die Anzahlder optischen Photonen, welche im Scintillations-detektor erzeugt werden, von der Energie des auf-treffenden γ-Quants abhängt, kann man die Energieaus dem elektronischen Signal messen. Man verwen-det dafür einen Integrator und einen Impulshöhen-Analysator. Setzt man eine genügend hohe Schran-ke, so misst man nur noch nicht oder nur wenig ge-streute γ Strahlung.

Wie stark der Effekt der Streuung ist hängt u.a.vom Untersuchungsgebiet ab. Bei Untersuchungenam Herzen wird mehr Streustrahlung registriert alsbei Schädeluntersuchungen.

7.2.4 Gamma-Kamera

Die Gamma-Kamera ist das wichtigste nuklearmedi-zinische Messinstrument. Der Messkopf besteht ausKollimator, Szintillationskristall und der Ortungs-elektronik. Ziel ist es, die Aktivitätsverteilung in ei-nem großen Bereich des Körpers simultan zu erfas-sen. Aus finanziellen Überlegungen kann die Anzahlder Photomultiplier nicht belibig groß gemacht wer-den. Eine Möglichkeit, den Auftreffpunkt eines γ-Quants mit einer Auflösung zu messen, welche nichtdurch die Größe des Photomultipliers begrenzt ist,wurde von Anger entwickelt, Das Gerät wird alaGamma-Kamera bezeichnet und ermöglicht mit rela-tiv wenigen Photomultipliern eine relativ hohe Orts-auflösung. Benutzt wird dabei ein Widerstandsnetz-werk zur Messung.

Das Widerstandsnetzwerk ist so ausgelegt, dass dieVerteilung der Lichtintensität in den PMTs, welchedurch einen gegebenen Lichtpuls erzeugt wird, dieQuelle des Blitzes lokalisiert.

Die Qualität der Gamma-Kamera hängt entschei-dend von der gleichmäßigen und stabilen Empfind-lichkeit der Photomultiplier ab. Daher wird eine re-gelmäßige Kalibration durchgeführt und Korrektur-verfahren benutzt.

Bei der Gamma-Kamera (Anger-Kamera) werdenheute 37 bis 100 Photomultiplier benutzt. DerDurchmesser beträgt 20 bis 50 cm, die Dicke desSzintillatorkristalls ist 6 mm für 200 keV bis zu 12

Abbildung 7.11: Ortsbestimmung mit der Gamma-kamera.

mm für Vernichtungsstrahlung (511 keV). Die Orts-auflösung beträgt 3 bis 5 mm.

Abbildung 7.12: Schema einer Gamma-Kamera.

7.3 Nukleardiagnostische Verfahren

7.3.1 Planare Szintigraphie

Bei der planaren Szintigraphie wird die Gamma-Kamera über dem zu untersuchenden Organ gehaltenund die Aktivitätsverteilung aufgenommen. Fokus-sierende Kollimatoren können benutzt werden umdie Empfindlichkeit in einer vorgegebenen Tiefe zuerhöhen. Die planare Szintigraphie entspricht demProjektionsröntgen: man misst Linienintegrale derAktivität, anstelle der Linienintegrale der Abschwä-chungskoeffizienten.

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Abbildung 7.13: Kanzkörper Scintigramme; oben:ventral; unten: dorsal.

Am häufigsten wird 99mTc eingesetzt, welches mitdem Blut mitgespült wird und nicht am Stoffwech-sel teilnimmt. Die Strahlenbelastung ist akzeptabel,da es ein reiner Gammastrahler ist mit einer kurzenAbklingdauer. Die Photonenergie beträgt 140 keV.

Abbildung 7.14: Anwendungen der Szintigraphieund resultierende Strahlenbela-stung.

Mit typischen Dosen von einigen mGy (je nachAnwendung) ist die Strahlenbelastung vergleichbaroder geringer als bei Röntgenaufnahmen. Dosis wirdgemessen in absorbierter Energie pro Masse; dieEinheit ist 1 Gy = 1 J

kg .

Angewendet wird die planare Szintigraphie zurOrgan-Diagnostik, der Entdeckung von Tumoren inKnochen und Schilddrüse, sowie bei Herz-, Lungen-und Nierenuntersuchungen (Schlagvolumen Herz,Belüftung Lunge, Durchblutung, etc. Niere).

Eine mögliche Anwendung sind Herzuntersuchun-

gen: man bringt ein Tc Präparat in die Vene ein undmisst die Zeit, welche die Aktivität benötigt, um vonder rechten (via die Lunge) in die linke Herzkammerzu gelangen. Trifft die Aktivität zu früh ein deutetdas auf einen Septumdefekt hin.

Eine weitere mögliche Anwendung ist die Messungdes Herzvolumens: Dazu triggert man die Scintillati-onsmessung mit Hilfe des EKGs und misst die Akti-vität im Herzen für unterschiedliche Zeiten währenddes Herzzykluses. Um genügend Signal zu erhaltenmuss über eine große Zahl von Herzschlägen gemit-telt werden.

Beobachtet man Anreicherung von Aktivität in Kno-chen, so deutet dies auf möglichen Krebs hin.

7.3.2 SPECT

SPECT steht für Single Photon Emission Compu-ter Tomography. Es ist vergleichbar mit der plana-ren Scinitgraphie, liefert aber dreidimensionale (3D)Bilder, indem, ähnlich wie bei der Röntgen-CT, ausvielen Projektionen im Rechner die dreidimensio-nale Aktivitätsverteilung rekonstruiert wird. Dafürwird das Linienintegral über die Aktivitätsdichte ge-messen, anstelle von Schwächungskoeffizienten:

Signal ∝∫dl A(x, y, z) .

Die einzelnen Messungen sind identisch mit denjeni-gen der planaren Szintigraphie; typischerweise ver-wendet man eine Gamma-Kamera. Es können diegleichen Rekonstruktionsverfahren benutzt werdenwie bei der Röntgen-CT. Wegen der relativ schlech-ten Ortsauflösung der Gamma-Kamera werden we-niger Messpunkte pro Projektion aufgenommen. Üb-lich sind 100 bis 200 Projektionen mit 128·128 Pixel.

Es gibt mehrere Bauformen eines SPECT-Gerätes:mit 1, 2, oder 3 Messköpfen, die kreisförmig oderelliptisch um den Patienten rotieren.

7.3.3 Bildrekonstruktion

Das am häufigsten eingesetzte Rekonstruktionsver-fahren ist die gefilterte Rückprojektion. Dabei wird

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Abbildung 7.15: SPECT.

eine Abschneidung bei relativ niedrigen Ortsfre-quenzen durchgeführt wegen dem hohen Quanten-rauschen der Messwerte. Man erzielt so 10 bis 15mm Bildauflösung. Bessere Bilder erhält man durchiterative Rekonstruktionsverfahren, wenn die Ab-sorptionsprozesse im Körper mit berücksichtigt wer-den.

Eine direkte Rekonstruktion des Bildes erzeugt ei-ne Reihe von Artefakten. Die wichtigsten Ursachensind

• Die Kollimatoren messen nicht echte Linienin-tegrale der Aktivität

• Die γ-Strahlung wird auf dem Weg zum Detke-tor teilweise absorbiert

• Gestreute Strahlung wird nicht vollständig un-terdrückt.

Als Beispiel für den Effekt der Absorption betrach-ten wir die 140 keV Strahlun von 99Tc. Liegt dieQuelle der Aktivität 5 cm unter der Körperoberflä-che, so werden ca. 50% der Strahlung im Körper ab-sorbiert. In einer anderen Blickrichtung liegen z.B.15 cm Gewebe über der Quelle, so dass in dieser

Richtung nur noch 12.5% der Strahlung den Detek-tor erreicht. Wird dies bei der Rekonstruktion nichtberücksichtig, so erhält man Artefakte.

Abbildung 7.16: Prinzip der Absorptionskorrektur.

Eine Möglichkeit, dieses Problem zu korigieren be-steht darin, zwei Messungen in entgegengesetzterRichtung zu vergleichen. Ohne Absorptionsdifferen-zen sollten die beiden identische Linienintegrale er-geben. Berücksichtig man die Absorption im Gewe-be und nimmt zunächst einmal an, dass das Gewebe(bezüglich Absorption) homogen sei, so erhält manim gezeigten System für die Strahlung, welche einenDetektor vorn (oben) erreicht, den Wert

SA = k ·A · e−µx,

wobei k einen Kalibrierungsfaktor, A die Aktivitätam Ort x, und µ den mittleren Schwächungskoeffi-zienten des Gewebes darstellt.

Eine entsprechende Messung in der entgegengesetz-ten Richtung ergibt

SP = k ·A · e−µ(D−x).

Die unerwünschte Abhängigkeit von der Position xkann somit eliminiert werden indem man das geo-metrische Mittel bildet:

SGM =√Sa · SP = k ·A · e−µD/2.

Einge genaue Korektur setzt voraus, dass man denAbschwächungskoeffizienten kennt. Dieser kannz.B. durch eine entsprechende Transmissionsmes-sung bestimmt werden.

Im Rahmen des iterativen Rekonstruktionsverfah-rens kann man die Abschwächungskoeffizienten soanpassen, dass man ein optimales Bild erhält.

Eine mögliche Anwendung ist die Validierung vonHerzmuskulatur, z.B. nach einem Herzinfarkt: wennein Gewebe noch durchblutet ist und damit Aktivitätzeigt, so ist es noch vital.

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Abbildung 7.17: SPECT Schnittbild des Herzes

7.3.4 Positron-Emissions-Tomographie(PET)

In der PET wird die Molekülmarkierung mit ei-nem Positronenstrahler vorgenommen. Man erhältbei der Annihilation von Positronen mit Elektronenzwei 511 keV Gamma-Quanten. Diese bewegen sichpraktisch in entgegengesetzer Richtung, da der Im-puls von Elektron und Positron deutlich geringer istals der Impuls eines Photons. Der endliche Impulsvon Elektron und Positron führt zu einer Winkelver-teilung der relativen Ausbreitungsrichtung der Pho-tonen von etwa 0.3 Grad. Die mittlere Weglänge derPositronen zwischen Emission und Annihilation be-trägt einige Millimeter.

Abbildung 7.18: Die wichtigsten PET Kerne.

Die wichtigsten Strahler sind kurzlebig mit einerHalbwertszeit von 10 bis 100 Minuten: 11C, 13N,15O, 30P und vor allem 18F. Der Vorteil von kurzle-bigen Strahlern sind eine geringe Strahlenbelastungdes Patienten, der Nachteil die häufigere Nachliefe-rung des Präparats.

Abbildung 7.19: PET.

Der Zerfall wird nachgewiesen indem man γ-Detektoren rund um den Patienten anbringt und nachKoinzienzen sucht. Mit einem typischen Zeitfenstervon 10-20 ns werden nur Ereignisse berücksichtigt,welche von Annihilationsprozessen stammen. DerOrt muss dann auf der Verbindungsgeraden zwi-schen den beiden Detektoren liegen. Indem mandie Pulshöhen (~Photonenergie) misst kann man ge-streute Photonen eliminieren, deren Richtungsinfor-mation falsch wäre.

Die Detektoren müssen an die relativ hohe Energievon 511 keV angepasst sein, um eine hohe Nach-weiswahrscheinlichkeit zu erreichen. Das Standard-material ist Bi4Ge3O12 (BGO), welches eine rela-tiv gute Lichtausbeute und eine kurze Abklingdau-er aufweist. Meist werden mehrere Szintillatorkri-stalle mit einer Gamma-Kamera verbunden, um denOrt zu bestimmen, an dem das γ-Quant eintrifft. DieMessgenauigkeit für den Auftreffpunkt beträgt etwa2 mm.

Ein Detektorring umfasst heute bei einem Durch-messer von 1 m rund 600 Detektoren. Meist werdenmehrere Ringe verwendet, um mehr als eine Schichtgleichzeitig messen zu können.

Im Gegensatz zu SPECT benötigt man bei PET keineKollimatoren. Deshalb ist die Ausbeute wesentlichhöher und damit die notwendige Aktivität deutlichkleiner.

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7.3.5 Auflösung

Die räumliche Auflösung wird bei einer PET Mes-sung durch mehrere Faktoren bestimmt:

• Die freie Weglänge der Positronen (einige mm.)

• Der endliche Impuls von Elektron / Positron,welcher zu einer Winkelverteilung um 180◦

führt; die Halbwertsbreite beträgt ca. 0.3◦.

• Endliche Auflösung bei der Positionsbestim-mung der γ-Quanten in den Detektoren. Hierträgt z.B. auch bei, dass die Strahlung nichtsenkrecht auf die Detektoren einfällt, sondernschräg durch diese durchläuft. Dies führt z.B.dazu, dass die Lokalisierung von Quellpunktenaußerhalb des Zentrums schlechter ist als imZentrum.

Physikalisch möglich ist eine Auflösung von 2 bis3 mm, technisch wird eine Ortsauflösung von 5 mmerreicht.

7.3.6 Bildrekonstruktion

Die Rekonstruktion des Bildes erfolgt ähnlich wiebei SPECT und CT: man kann sowohl Rückprojek-tion wie auch iterative Verfahren verwenden.

Abbildung 7.20: Gefilterte Rückprojektion

Bei der Rückprojektion verwendet man Filter um dieAuflösung zu verbessern.

Iterative Verfahren berechnen jeweils anhand einesModells für das Objekt die beobachteten Signale.

Abbildung 7.21: Vergleich unterschiedlicher Bildre-konstruktionsverfahren.

Dabei kann z.B. die Absorption im Gewebe mit be-rücksichtigt werden. Man optimiert die Parameter,welche das Objekt beschreiben, bis eine möglichstgute Übereinstimmung zwischen gerechnetem undgemssenem Signal erreicht wird. Dieses Verfahrenist wesentlich aufwändiger als die Rückprojektion,liefert aber schärfere Bilder.

Abbildungsfehler entstehen auf ähnliche Weise wiebei SPECT:

• Absorption im Gewebe

• Zufällige Koinzidenzen bei hohen Zählraten

• Nachweis von gestreuten Quanten

Da bei PET immer in 2 Richtungen auf der gleichenLinie detektiert wird ist hier die Absorptionskor-rektur wesentlich einfacher und präziser. Die Wahr-scheinlichkeit, dass ein Photon, welches an der Posi-tion x erzeugt wurde, den Detektor 1 erreicht, ist

w1 ∝ exp(−∫ x1

xµ(l)dl).

Die entsprechende Wahrscheinlichkeit dass daszweite Photon den zweiten Detektor erreicht ist

w2 ∝ exp(−∫ x

x2

µ(l)dl).

Damit wird die Wahrscheinlichkeit für den Koinzi-denzfall

w = w1w2 ∝ exp(−∫ x2

x1

µ(l)dl).

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7 Nukleardiagnostik

Es tritt somit nur noch das Linienintegral∫ x2

x1µ(l)dl

auf und die Abhängigkeit von der Position auf dieserLinie verschwindet.

Sie ist exakt wenn man mit einer Transmissionsmes-sung die Integrale

∫µ(x)dx entlang dem Messpfad

bestimmt.

7.3.7 Anwendungen

Abbildung 7.22: Durchblutungsmessung im Gehirnmit PET

PET wird verwendet für

• Onkologie: Tumor Erkennung und Lokalisie-rung

• Neurologie: Gehirnfunktion, Epilepsie, Alzhei-mer, Durchblutung (z.B. Schlaganfall)

• Kardiologie: Durchblutung und Stoffwechseldes Herzes; Schlaganfall

• Pharmaforschung: Aufklärung der Wirkungs-weise von Medikamenten

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