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HNO Originalien HNO 2020 · 68:828–837 https://doi.org/10.1007/s00106-020-00892-3 Online publiziert: 8. Juni 2020 © Der/die Autor(en) 2020 J. S. Kempfle 1,4,5 · H. Löwenheim 1 · M. J. Huebner 2 · H. Iro 3 · S. K. Mueller 3 1 Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland 2 Abteilung für Kinderkardiologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland 3 Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland 4 Department of Otolaryngology, Massachusetts Eye and Ear Infirmary, Boston, USA 5 Harvard Medical School, Boston, USA Management von Patienten mit Tracheostoma während der COVID-19-Pandemie: Literaturüberblick und Demonstration Etwa 5–7 % der Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion haben einen schweren Verlauf bis hin zu Lungen- und Multiorganversagen und benötigen bei Langzeitintubation gegebenenfalls eine Tracheotomie. Wir demonstrieren in diesem Zusammenhang die Entstehung und Gefahr der Tröpfchenbildung bei Trachealkanülenwechsel und der Trachealkanülenpflege und bieten eine praktische Übersicht zu Vorsichtsmaßnahmen bei der weiterführenden Behandlung von tracheotomierten Patienten. Die durch das neue Coronavirus, auch Severe-Acute-Respiratory-Syndrome- Coronavirus 2, kurz SARS-CoV-2 ge- nannt, ausgelöste Erkrankung (COVID- 19), zeichnet sich durch eine hohe Varia- bilität an Symptomen aus. Während eine große Anzahl an SARS-CoV-2-positiven Patienten keine oder nur leichte Sym- ptome einer oberen Atemwegsinfektion hat, gibt es eine Gruppe von Patien- ten, die eine deutliche Einschränkung ihrer Lungenfunktion mit Pneumonie bis hin zur lebensbedrohlichen Varian- te mit akutem Lungenversagen („acute respiratory distress syndrome“, ARDS) entwickelt [18, 37, 40]. Mit weltweiter Ausbreitung der COVID-19-Pandemie wird auch die Notwendigkeit von Ein- griffen am Atemweg von Patienten zu- nehmend zum ema. Dabei hat sich gezeigt, dass die Infektiosität des neu- en SARS-CoV-2 deutlich höher ist als die der Coronaviren der ursprüngli- chen SARS(Severe Acute Respiratory Syndrome)- oder MERS(Middle East Respiratory Syndrome)-Pandemien und die Viruslast im oberen Respirationstrakt besonders hoch ist [32, 40, 48]. SARS- CoV-2 wurde von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin als Erreger der Risikogruppe 3 einge- stuſt und der Schutzstufe 3 zugeordnet [5]. Nach den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA), die vom Ausschuss für Biologische Arbeits- stoffe (ABAS) ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gegeben wer- den, ergibt sich nach der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesund- heitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ eine Zuordnung zur Schutzstufe 3 (bio- logische Schutzstufe, „biosafety level“, BSL), wenn biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppe 3 vorliegen. Diese können bereits in niedriger Konzentration eine Infektion bewirken. Hohe Konzentra- tionen von biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 3 können auſtreten, wenn Tätigkeiten durchgeführt werden, die eine Übertragung möglich machen, z. B. die Gefahr von Aerosol- und Tröpf- chenbildung. Dies gilt auch, wenn nur ein entsprechender Verdacht besteht [31]. Eine Zuordnung zur Schutzstu- fe 3 bedeutet ein gesteigertes Risiko für Sekundärinfektionen vom Patienten auf das medizinische Personal, sei es durch direkten oder indirekten Kon- takt mit dem Patienten. Dazu kommt bei COVID-19 eine steigende Zahl an beatmungspflichtigen Patienten, sodass auch Personal mit Patienten in Kon- takt kommt, welches nur wenig oder unzureichende Erfahrung mit Atem- wegsmanagement und den assoziierten Risiken hat [16]. Atemwegsmanipula- tion bei Trachealkanülenwechsel am wachen oder beatmeten Patienten sind gängige Praxis auf COVID-19-Stationen und erfordern spezielle Vorsichtsmaß- nahmen mit entsprechender Schulung des Personals [35, 45]. Erste Studien zeigen deutlich die erhöhte Gefahr der Ansteckung bei „aerosolisierenden“ Pro- zeduren der oberen Atemwege [22, 25, 30, 42]: Damit ist die Freisetzung von kleinsten virusenthaltenden Flüssigkeit- spartikeln, im Fall von COVID-19 aus der Schleimhaut des Nasen- und Rachen- 828 HNO 11 · 2020

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HNOOriginalien

HNO 2020 · 68:828–837https://doi.org/10.1007/s00106-020-00892-3Online publiziert: 8. Juni 2020© Der/die Autor(en) 2020

J. S. Kempfle1,4,5 · H. Löwenheim1 · M. J. Huebner2 · H. Iro3 · S. K. Mueller3

1 Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland2 Abteilung für Kinderkardiologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen,Deutschland

3 Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie, Friedrich-Alexander-UniversitätErlangen-Nürnberg (FAU), Erlangen, Deutschland

4Department of Otolaryngology, Massachusetts Eye and Ear Infirmary, Boston, USA5Harvard Medical School, Boston, USA

Management von Patienten mitTracheostoma während derCOVID-19-Pandemie:Literaturüberblick undDemonstration

Etwa 5–7% der Patienten mit einerSARS-CoV-2-Infektion haben einenschweren Verlauf bis hin zu Lungen-und Multiorganversagen undbenötigen bei Langzeitintubationgegebenenfalls eine Tracheotomie.Wir demonstrieren in diesemZusammenhang die Entstehungund Gefahr der Tröpfchenbildungbei Trachealkanülenwechsel undder Trachealkanülenpflege undbieten eine praktische Übersichtzu Vorsichtsmaßnahmen bei derweiterführenden Behandlung vontracheotomierten Patienten.

Die durch das neue Coronavirus, auchSevere-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus 2, kurz SARS-CoV-2 ge-nannt, ausgelöste Erkrankung (COVID-19), zeichnet sich durch eine hohe Varia-bilität an Symptomen aus. Während einegroße Anzahl an SARS-CoV-2-positivenPatienten keine oder nur leichte Sym-ptome einer oberen Atemwegsinfektionhat, gibt es eine Gruppe von Patien-ten, die eine deutliche Einschränkungihrer Lungenfunktion mit Pneumoniebis hin zur lebensbedrohlichen Varian-te mit akutem Lungenversagen („acuterespiratory distress syndrome“, ARDS)entwickelt [18, 37, 40]. Mit weltweiter

Ausbreitung der COVID-19-Pandemiewird auch die Notwendigkeit von Ein-griffen am Atemweg von Patienten zu-nehmend zum Thema. Dabei hat sichgezeigt, dass die Infektiosität des neu-en SARS-CoV-2 deutlich höher ist alsdie der Coronaviren der ursprüngli-chen SARS(Severe Acute RespiratorySyndrome)- oder MERS(Middle EastRespiratory Syndrome)-Pandemien unddieViruslast imoberenRespirationstraktbesonders hoch ist [32, 40, 48]. SARS-CoV-2 wurde von der Bundesanstaltfür Arbeitsschutz und Arbeitsmedizinals Erreger der Risikogruppe 3 einge-stuft und der Schutzstufe 3 zugeordnet[5]. Nach den Technischen Regeln fürBiologische Arbeitsstoffe (TRBA), dievom Ausschuss für Biologische Arbeits-stoffe (ABAS) ermittelt bzw. angepasstund vom Bundesministerium für Arbeitund Soziales bekannt gegeben wer-den, ergibt sich nach der TRBA 250„Biologische Arbeitsstoffe im Gesund-heitswesen und in derWohlfahrtspflege“eine Zuordnung zur Schutzstufe 3 (bio-logische Schutzstufe, „biosafety level“,BSL), wenn biologische Arbeitsstoffe derRisikogruppe 3 vorliegen. Diese könnenbereits in niedriger Konzentration eineInfektion bewirken. Hohe Konzentra-tionen von biologischen Arbeitsstoffen

der Risikogruppe 3 können auftreten,wenn Tätigkeiten durchgeführt werden,die eine Übertragung möglich machen,z.B. die Gefahr von Aerosol- und Tröpf-chenbildung. Dies gilt auch, wenn nurein entsprechender Verdacht besteht[31]. Eine Zuordnung zur Schutzstu-fe 3 bedeutet ein gesteigertes Risikofür Sekundärinfektionen vom Patientenauf das medizinische Personal, sei esdurch direkten oder indirekten Kon-takt mit dem Patienten. Dazu kommtbei COVID-19 eine steigende Zahl anbeatmungspflichtigen Patienten, sodassauch Personal mit Patienten in Kon-takt kommt, welches nur wenig oderunzureichende Erfahrung mit Atem-wegsmanagement und den assoziiertenRisiken hat [16]. Atemwegsmanipula-tion bei Trachealkanülenwechsel amwachen oder beatmeten Patienten sindgängige Praxis auf COVID-19-Stationenund erfordern spezielle Vorsichtsmaß-nahmen mit entsprechender Schulungdes Personals [35, 45]. Erste Studienzeigen deutlich die erhöhte Gefahr derAnsteckung bei „aerosolisierenden“ Pro-zeduren der oberen Atemwege [22, 25,30, 42]: Damit ist die Freisetzung vonkleinsten virusenthaltenden Flüssigkeit-spartikeln, im Fall von COVID-19 ausderSchleimhautdesNasen-undRachen-

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raums, in die Umgebungsluft gemeint.In dieser Arbeit wird wie folgt diffe-renziert: Eine mechanische Irritationführt zur Bildung von Tröpfchen, („dro-plets“; aerodynamischer Durchmesserüber 5μm), sowie Feinpartikelaerosolen(aerodynamischer Durchmesser unter5μm) [34, 40, 43]. Im Gegensatz zurÜbertragung durch Tröpfchen findet dieaerogene Übertragung durchTröpfchen-kerne (≤5 μm;Aerosole; „dropletnuclei“)statt. Aerosole gelangen mit derAtemluftdirekt in die tiefen Atemwege und um-gehen damit wichtige physikalische undimmunologische Barrieren der oberenAtemwege. Aerosole sedimentieren nursehr langsam und können damit in derLuft schwebend über größere Distanzenverbreitet werden [11]. Voraussetzungfür eine aerogene Übertragung ist, dassMikroorganismen unter diesen Bedin-gungen über einen gewissen Zeitrauminfektiösbleiben(z.B.Masern,Varizellenoder die offene Tuberkulose) [43]. DieÜbertragung von SARS-CoV-2 durchAerosole ist gut nachvollziehbar, damitt-lerweile experimentell nachgewiesen ist,dass das Virus (wie auch SARS-CoV-1) in Aerosolen stundenlang (mind. 3h)nachweisbar ist [10].

Diese experimentellen Befunde stim-men mit klinischen Beobachtungen beiSARS-CoV-1-Infektionen überein, beidenen diese aerosole Übertragungs-form mit nosokomialer Ausbreitungund „super spreading events“ in Ver-bindung gebracht wurde [41, 46]. EinGroßteil der Erfahrung über das In-fektionspotenzial von respiratorischenViren im Allgemeinen und Coronavirenim Speziellen beruht auf Ergebnissenaus Forschung mit Influenzaviren. DieGruppe der allgemein bekannten Er-kältungs-Coronaviren spielt dabei eineuntergeordnete Rolle und wird haupt-sächlich im Zusammenhang mit denbereits erwähnten SARS- und MERS-Ausbrüchen der Vergangenheit erwähnt[19]. Allerdings zeigt eine aktuelle Studieaus Deutschland einen deutlichen Un-terschied dieser bekannten Erreger zumneuen SARS-CoV-2 auf: Dieser bestehtim Wesentlichen in der Tatsache, dassSARS-CoV-2 im Gegensatz zu seinenvorherigenVerwandtennichthauptsäch-lich in den unteren Atemwegen und der

Lunge repliziert wird, sondern zunächstvor allem von der Schleimhaut der obe-ren Atemwege [40]. Die dort gefundeneViruskonzentration war mehr als tau-sendfach höher verglichen mit MERS-oder SARS-Coronaviren [19]. Zudemfand die unabhängige Hauptreplikationdes aktiven Virus in der Schleimhaut deroberen Atemwege während des Prodro-mal- und Frühstadiums der Infektionstatt [40]. Dabei zeigte sich der Höhe-punkt der Virusausscheidung vor dereigentlichen Symptomphase, was eineDetektion von potenziell infizierten Pa-tienten zusätzlich erschwert. All dies imZusammenhang mit einer protrahiertenVirusausscheidung in Sputum, Tröpf-chen und Aerosolen bis in die Spätphaseder Erkrankung kompliziert die sta-tionäre Patientenbehandlung [38] underklärt Berichte und Veröffentlichun-gen, welche eine besonders hohe Anzahlan Neuinfektionen bei medizinischemPersonal nach operativen SARS-CoV-2-Atemwegsprozeduren beschrieben hat-ten [25].

Eine kürzlich in Nature Medicine er-schienene Studie, welche sich mit denErkältungs-Coronaviren beschäftigte,konnte diese sowohl in der ausgeatme-ten Luft über einen Zeitraum von 30minals auch in erhöhter Konzentration inAerosolen und Tröpfchen von wieder-holt hustenden Patienten nachweisen[19]. Ob Tröpfchen von hustenden Pati-enten mehr Virus enthalten als Aerosoleder Ausatemluft, wird jedoch kontroversdiskutiert [15, 42]. In diesem Zusam-menhang haben Bleier et al. auch dieGenerierung vonTröpfchenundAeroso-len über die Nase sowie bei endonasalenEingriffen in Kadavern untersucht undfanden dabei, dass sowohl Husten alsauch Niesen Tröpfchen und Aeroso-le in einem Radius von über 60cmstreuen konnte [42]. Manipulation mitBohrern, wie etwa bei Nasennebenhöh-leneingriffen, erzeugte eine deutlicheTröpfchendispersion, wohingegen kalteInstrumentation nur minimale Aerosol-bildung zeigte [42].

Die hoheEffizienz,mit der sich SARS-CoV-2 im oberen Atemweg repliziertund über Aerosole und Tröpfchen ausge-schieden wird, erfordert entsprechendeSchutzkleidung, die über die norma-

len Mundschutzmasken hinausgeht.Die Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie(DGHNO-KHC) hat kürzlich gemein-sam mit ihrer Arbeitsgemeinschaft La-ryngologie und Trachealerkrankungeneine Stellungnahme für direkte Atem-wegsinterventionen veröffentlicht [20].Nach Empfehlung des Robert Koch-In-stituts (RKI; Stand: 24.04.2020) müssenbei der direkten Versorgung von Patien-tenmit bestätigter oderwahrscheinlicherCOVID-19 gemäß den Arbeitsschutz-vorgaben mindestens FFP2-Masken ge-tragen werden (Biostoffverordnung inVerbindung mit der TRBA 250) [28].Die spezifische Situation von operativenEingriffen im oberen Respirationstrakteinschließlich der Tracheotomie ist inden Empfehlungen des RKI nicht abge-bildet. Nach Beschluss 609 der ABAS(06/2012) sind „FFP3-Masken bei Tätig-keiten, bei denen das Husten des Patien-ten provoziert wird, z.B. während einerBronchoskopie, Intubation oder beimAbsaugen, zu tragen“ [2]. Nach aktuellerEmpfehlung der BAuA vom 27.03.2020werden FFP3-Masken „z.B. für Tätigkei-ten an Patienten, die stark husten oderzumHusten provoziert werden“ empfoh-len [6]. (Anmerkung: Das RKI ist für denArbeitsschutz nicht zuständig, sondern„nur“ für den allgemeinen Infektions-schutz. Zuständig für den Arbeitsschutzist das Bundesamt für Arbeitsschutz undArbeitsmedizin; BAuA). Die operativeTätigkeit am oberen Respirationstraktstellt eine direkte Intervention in einemhoch belasteten Bereich dar und führtregelmäßig zur Tröpfchen- und Aero-solbildung. Als Standard sollte dahereine FFP3-Maske mit Schutzhelm oderSchutzbrille sowie ein flüssigkeitsdichterKittel getragen werden. Ein Bericht ausItalien warnte allerdings, dass es dortzu Sekundärinfektion beider Operateurenach Tracheotomie mit lediglich FFP3-Masken gekommen war1. In der Ver-gangenheit gab es zudem Berichte überSARS-Infektionen trotz FFP3-Maskennach Wiederbelebungsmaßnahmen beiinfizierten Patienten [8]. Daher wirdinternational häufig die Verwendung

1 Marchioni D, Personal communication, April2020.

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von gebläseunterstütztem Atemschutz(„powered air purifying respirator“, PA-PR) für aerosolisierende Prozedurenempfohlen, da diese ein höheres Levelan Sicherheit (bis zu BSL-3) gegen-über flüchtigen Pathogenen bieten [29].Dabei handelt es sich um einen bat-teriebetriebenen Atemschutz, der Luftüber einen High-Efficiency-Particulate-Air(HEPA)-Filter ansaugt und aufrei-nigt und einem Schutzhelm zuführt,der zusätzlich vor direktem Kontakt mitAerosolen und Tröpfchen isoliert [12,29]. Die vom Operateur ausgeatmete,ungereinigte Luft kann jedoch in gerin-ger Menge, je nach PAPR-Haube, ausdem Helm heraustreten, und stellt eintheoretisches Kontaminationsrisiko dessterilen Operationsfelds dar. Es gibt dazujedoch bisher nur begrenzte Daten [13]und keine abschließenden Studien [14,29, 30]. Unabhängig vom Atemschutzempfiehlt der ABAS im Zusammenhangmit SARS-CoV-2 (Stand: 06.04.2020) fürlängere Tragedauer sowie bei Liefereng-pässen von FFP2- und FFP3-Maskenaufgrund der deutlich geringeren kör-perlichen Belastung den Einsatz vongebläseunterstütztem Atemschutz [3].Nach dieser Empfehlung gewährleistetder Einsatz von gebläseunterstütztemAtemschutz ein hohes Schutzniveau derBeschäftigten und ermöglicht eine ein-fachere und fehlerfreiere Handhabungals FFP2- und FFP3-Masken. Für FFP-Masken ohne Ausatemventil gilt eineTragezeitbeschränkung von nur 75min,fürgebläsegestütztenAtemschutzbestehtkeine Tragezeitbeschränkung [6].

Während erste Leitlinien sowohl inDeutschland als auch international vor-läufige Empfehlungen zu Vorsichtsmaß-nahmen bei In- und Extubationen oderTracheotomien von beatmungspflichti-gen COVID-19-Patienten aussprechen[1, 4, 12, 20, 22, 30, 35], ist vergleichs-weise wenig Information zum weiterenUmgang mit einem tracheotomiertenSARS-CoV-2-positiven Patienten aufStation, ambulant oder während derRehabilitation zu finden [10].

Die folgende Arbeit untersuchte dasspezielle Risiko der Tröpfchenbildungbei der Tracheostomapflege, speziell beiKanülenwechsel und Absaugung, undwidmet sich insbesondere den Vor-

Zusammenfassung · Abstract

HNO 2020 · 68:828–837 https://doi.org/10.1007/s00106-020-00892-3© Der/die Autor(en) 2020

J. S. Kempfle · H. Löwenheim · M. J. Huebner · H. Iro · S. K. Mueller

Management von Patientenmit Tracheostoma während derCOVID-19-Pandemie: Literaturüberblick und Demonstration

ZusammenfassungHintergrund. Seit dem Auftreten des neuenCoronavirus im Dezember 2019 in Chinahaben viele Länder Schwierigkeiten, dieansteigende Zahl der Infektionen, auchinnerhalb des medizinischen Personals, zukontrollieren. Es hat sich mittlerweile deutlichgezeigt, dass das neue SARS-CoV-2-Virusinsbesondere über Aerosole und Tröpfchender oberen Atemwege übertragen wird unddie Infektionsgefahr bei oberen Atemwegs-prozeduren deutlich erhöht ist. Ein Anteilder schwererkrankten beatmungspflichtigenPatienten benötigt ab einem gewissenZeitpunkt eine Tracheotomie zur langfristigenBeatmung und einfacheren Entwöhnung vonder Beatmungsmaschine. Diese Patientenerfordern jedoch im Anschluss eine nichtunerhebliche Betreuung durch medizinischesPflegepersonal, und es ist bislang unklar,inwieweit die Tracheostomapflege ein Risikofür sekundäre Infektionen darstellt.Fragestellung. Evaluierung der Gefahr derTröpfchenbildung bei Trachealkanülen-wechsel, Überblick zum Kanülenwechsel beiCOVID-19-Patienten.

Material und Methoden. Literaturrecherche,quantitative und qualitative Analyse derTröpfchenfreisetzung bei Kanülenwechsel ann= 8 Patienten, Übersicht und Checkliste fürKanülenwechsel.Ergebnisse. Diese Studie demonstriert,dass beim Kanülenwechsel, insbesonderebei Einführen der neuen Kanüle, einenicht unbeträchtlicheMenge an Tröpfchenentstehen kann. Eine Aerosolbildung vonPartikeln kleiner als 5μm wurde nichtuntersucht.Schlussfolgerung. Unsere Ergebnisseim Zusammenhang mit der aktuellenLiteratur verdeutlichen, dass die Pflege nachTracheotomie eine hoch risikoreiche Prozedurdarstellt und nur von einer kleinen Gruppevon geschultem und gut geschütztemPersonal durchgeführt werden sollte.

SchlüsselwörterTröpfchen · COVID-19 · Aerosole ·Kanülenwechsel · PSA

Management of tracheostomy patients during the COVID-19pandemic: review of the literature and demonstration

AbstractBackground. Since emergence of the newcoronavirus in China in December 2019,manycountries have been struggling to controlskyrocketing numbers of infections, includingamong healthcare personnel. It has nowbeen clearly demonstrated that SARS-CoV-2resides in the upper airways and transmitseasily via aerosols and droplets, whichsignificantly increases the risk of infectionwhen performing upper airway procedures.Ventilated COVID-19 patients in a criticalcondition in the intensive care unit mayrequire tracheotomy for long-term ventilationand to improve weaning. However, the riskof secondary infection of medical personnelperforming subsequent tracheostomy careremains unclear.Objective. This study aimed to evaluate therisk of droplet dispersion during tracheostomytube change and overview tracheostomytube change in COVID-19 patients.

Materials andmethods. The current literaturewas reviewed, quantitative and qualitativeanalyses of droplet formation duringtracheostomy tube change in n= 8 patientswere performed, and an overview of andchecklist for tracheostomy tube change werecompiled.Results. This study demonstrates thattracheostomy tube change, in particularinsertion of the new tube, may cause signifi-cant droplet formation. The aerosolization ofparticles smaller than 5μmwas not analyzed.Conclusion. Our data, together with thecurrent literature, clearly emphasize thattracheostomy care is associatedwith a highinfection risk and should only be performedby a small group of well-trained, maximallyprotected healthcare personnel.

KeywordsDroplets · COVID-19 · Aerosols · Tracheostomytube change · PPE

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Abb. 19Messungder Sekretvertei-lung beim Trache-alkanülenwechsel(a anterior, pposte-rior, RadiusproZoneentspricht 20 cm)

sichtsmaßnahmen beim Umgang mittracheotomierten COVID-19-Patienten[1, 9].

Methoden

Patientenkollektiv

Es wurden n= 8 SARS-CoV-2 negati-ve Patienten eingeschlossen, die eineTracheotomie aufgrund einer otorhi-nolaryngologischen Operation erhaltenhatten. Diese Patienten waren mittelseiner Trachealkanüle Größe 9,0 (Tra-cheoflex, 9,0mm, mit Cuff, Fa. Rüsch,Berlin, Deutschland) versorgt. Vor denVersuchen erhielten die Patienten we-nigstens 12h keine Inhalation mit einerRinger-Lösung (oder Gleichwertigem).Die Ethikkommission der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn-berg (FAU) hat der Durchführung dieserVersuche zugestimmt.

Aufbau des Experiments

Für die Versuche wurde jeder der tra-cheotomierten Patienten sitzend positio-niert. Vor und unterhalb des Tracheosto-mas bzw. der Trachealkanüle des Patien-ten wurde eine weiße Fläche (2× 2m)ausgebreitet, die innerhalb von nahezu360° die Tröpfchen auffangen konnte.

Die weiße Fläche wurde in verschiede-ne kreisförmige Sektionen unterteilt, de-ren Zentrum das Tracheostoma war. DerRadius der Unterteilungen wurde alle20cm von der Öffnung des Tracheosto-mas des Patienten definiert (Zonen 1–10,. Abb. 1).

Zudem wurden 2 verschiedene Pa-tentblau-Lösungen bereitgestellt. Zumeinen wurde eine pure Patentblau-Lö-sung (25mg/ml, Fa. Guerbet GmbH,Sulzbach, Deutschland) verwendet, zumanderen eine verdünnte Patentblau-Lö-sung. Um diese herzustellen, wurden50ml Trinkwasser mit 3 Tropfen dergenannten, unverdünnten Patentblau-Lösung gemischt. Diese Lösung stelltdie Standardverdünnung bei unserenpostoperativen Schluckversuchen dar.

Alle Versuche wurden vom gleichenUntersucher durchgeführt. Der Unter-sucher war mit einem Mund- und Au-genschutz sowie einemKittel ausgestattetund erfahren im Umgang mit tracheo-tomierten Patienten.

Zielsetzung und Versuchs-durchführung

Die Zielsetzung der Versuche war dieSimulation verschiedener routinemä-ßiger Tätigkeiten bei tracheotomier-ten Patienten und die Quantifizierung

der Tröpfchenbildung in Hinblick aufden Umgang mit COVID-19-Patienten.Hierzu wurden die folgenden Situatio-nen evaluiert: A) Husten mit feuchterNase (hygroskopischer Kondensatorbe-feuchter, Aqua+ TS, Fa. Hudson RCI,Wayne/PA, USA); B) Absaugen des Pa-tienten mit einem offenen, flexiblenAbsaugsystemmit feuchter Nase; C) Ab-saugen des Patienten mit einem offenen,flexiblenAbsaugsystemohne feuchteNa-se; D) Kanülenwechsel ohne HME-Filter(Wärme- und Feuchtigkeitsaustauscher,Bakterien- und Virenfilter, Teleflex Hu-mid-Vent® filter compact 19401, Wayne,PA, USA); E) Kanülenwechsel mit HME-Filter.

Die Versuche A) bis C) wurden drei-fach pro Patient durchgeführt. Für A) bisC) wurden 2 Tropfen der unverdünntenPatentblau-Lösung auf die äußeren 2cmder Trachealkanüle gegeben. FürA)wur-de der Patient aufgefordert zu husten.Für B) und C) wurde der reflektorischeHustenstoß beim Absaugen abgewartet.Für D) und E) wurde die Trachealkanüleentfernt und ein Schluckversuch durch-geführt.DieserVersuchwurdeandenTa-gendurchgeführt, andenendiePatientenohnehin einen Schluckversuch zur Aspi-rationsevaluation erhielten. Hierzu wur-dederPatientaufgefordert,einenSchluckder verdünnten Lösung in den Mund zunehmen, kurz imMund zu behalten unddann zu schlucken. Hiernach wurde dieKanüle wiedereingesetzt.

Auswertung der Versuche

FüralleVersuchewurdebeimfreiwilligenund induzierten Husten ausgewertet, biszu welcher Entfernung eine Tröpfchen-bildung zu finden war. Außerdemwurdedie Anzahl der Tröpfchen pro Unterbe-zirk sowie die Größe der Tröpfchen ge-messen. Zudem wurde die Tröpfchenbil-dung an der Kleidung und der persönli-chen Schutzausrüstung desUntersuchersnach Anzahl und Größe der Tröpfchenquantifiziert.

Bildbearbeitung und Quantifizie-rung der Tröpfchengröße

Die Bilder wurden per IPhone-Kamera(IPhone S6, Fa. Apple, Cupertino/CA,

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Originalien

Abb. 28 a Forcierter Hustenstoß des Patientenmit Nachhusten bei feuchter Nase: Es zeigt sich ver-dicktes Sekret auch außerhalb der feuchtenNase, jedochnicht in den verschiedenenZonen sowie derPSAdesUntersuchers (roter Pfeil).bNachDurchführungdesBlauschluckszeigte sichauchbei reflekto-rischemHusten keine Tröpfchenbildung, sondern eine Sekretion von relativ flüssigemSekret aus demTracheostoma (rote Pfeile)

Abb. 39Messungder Sekretvertei-lung nach Einsetzender Trachealkanü-le ohne HME-Filter.Bei diesemPatien-ten zeigte sich eineSekretverteilung inZone 1–3. Die jewei-ligen aufgefange-nen Tröpfchen sindmit einem blauenKreismarkiert. Dieroten Pfeile reprä-sentierendieAnzahlder Tröpfchen proZone

USA) aufgenommen und im JPG-For-mat importiert. ImageJ (Version 2.0.0-rc-69/1.52p) wurde für alle Messungenverwendet. Zuerst wurde das Vorhan-densein von Tröpfchen untersucht. DievorhandenenTröpfchenwurden nunmitalgorithmischer Subtraktion des Hinter-grunds untersucht, um reflektierendesLicht zu entfernen („light background“,„separate colours“, „sliding paraboloid“).Die Quantifizierung wurde mittels derUmrechnung von Pixelanzahl und Län-

genbestimmung der Tröpfchen durchge-führt.

Ergebnisse

Quantifizierung der Tröpfchen-größeundder Tröpfchenverteilung

Beim Husten mit feuchter Nase konn-ten keine Tröpfchen auf der weißen Flä-che gefunden werden. Die Innenflächeder feuchtenNase enthielt Tröpfchen von

300μm bis 5mm. Bei forciertem Nach-husten des Patienten wurde bei 5/8 Pa-tienten verdicktes Sekret außerhalb derfeuchten Nase sichtbar (. Abb. 2a), eineTröpfchenbildung auf der weißen Flächewar nicht zu sehen.

Beim offenen Absaugen wurde daraufgeachtet, dass hauptsächlich die Kanü-leninnenseite des Patienten und dieanliegende Trachea abgesaugt wurde.Bronchiales Absaugen und Manipula-tionen in der Trachea wurden expli-zit vermieden. Hierbei konnte keineTröpfchenbildung mit feuchter Nasegemessen werden. Bei einem Patien-ten zeigten sich nach Absaugen ohnefeuchte Nase 2 Tröpfchen (Entfernung20 bzw. 30cm, Größe 3 und 5mm). BeiDurchführung des Blauschlucks zeigteauch bei reflektorischem Husten keineTröpfchenbildung, sondern eine Sekreti-on von relativ flüssigem Sekret aus demTracheostoma (. Abb. 2b). Bei Wieder-einsetzen der Kanüle kam es zu demheftigsten Hustenstoß. Hierbei betrugdie durchschnittliche Entfernung des Se-krets ohne HME-Filter 65,1 (0–210cm).Das Sekret war hierbei in den Zonen 1(25%), 2 (12,5%), 3 (12,5%), 4 (12,5%),5 (12,5%), 6 (12,5%) und ≥10 (12,5%)verteilt worden. Bei einem Patientenflog das Sekret über Zone 10 hinaus.Das jeweilige Sekret war von 2mm bisca. 2 cm groß (. Abb. 3). Beim Einsetzender Kanüle mit HME-Filter wurde keineTröpfchenbildung gemessen. Der Un-tersucher positionierte sich wie bei derstandardmäßigen Untersuchung lateralzum Patienten. Auf Brille, Mundschutzund Kittel wurde bei keinem der Versu-che eine Tröpfchenbildung festgestellt.Eine Aerosolbildung (kleiner als 5μm)wurde nicht untersucht.

Praktische Empfehlungen

Vorsichtsmaßnahmen undAnleitung gelten für alle Patientenmit:

4 Bestätigter SARS-CoV-2-Infektionbasierend auf positivem PCR-Test

4 Dringendem Verdacht und 1) initialausstehendem Testergebnis

4 Dringendem Verdacht und 2) ausste-hendem Folge-Testergebnis

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Tab. 1 Checkliste Trachealkanülenwechsel bei beatmetenCOVID-19-Patienten

– Teamauswahl: So klein wie nötig, so erfahren wie möglich (ÄrzteteamHNO und Anästhesiebei beatmetenPatienten, Pflege)

– Alle: Anziehen der persönlichen Schutzausrüstung (FFP2- oder FFP3-Maske, chirurgischeMaske, 3M-Schutzbrille, Schutzkittel, 2 Paar sterile Handschuhe, Stirnkranz;.Abb. 4b)

– Pflege: Vorbereitung und Überprüfung der Vollständigkeit aller nötigen Materialien außerhalbdes Zimmers

– Anästhesie: Sedierung und Relaxierung überprüfen

– HNO: Lagerung des Patienten

– Pflege: Stellen eines Mülleimers neben den Kopf des Patienten

– Pflege: Auslegen der Instrumente, Kanülen, Anschließen der Absaugung

– Anästhesie: Präoxygenierung

– Pflege: Überprüfen des Cuffs der neuen Kanüle

– HNO: Absaugen des Patientenüber eine geschlossene Absaugung

– Anästhesie: Beatmungspause nach Absprachemit der HNO

– Pflege: Entblocken des alten Cuffs

– HNO: Entfernung der alten Trachealkanüle samt Gänsegurgel und HME-Filter

– HNO: Abwerfen der Trachealkanüle in den bereitgestelltenMülleimer

– HNO: Einsetzen der neuen Trachealkanülemit Gänsegurgel und HME-Filter

– HNO: Tracheales Absaugen vermeiden!

– Pflege: Blocken des Trachealkanülen-Cuffs

– Anästhesie: Anstecken des Beatmungsschlauchs

– Anästhesie: Beginn der Beatmung und Verifizierung von CO2

– CO2 vorhanden?

– Ja→HNO: Befestigung der Trachealkanülemittels Bändchen und Schlitzkompresse

– Nein→ Repositionierung der Kanüle

– Alle: Entfernung der persönlichen Schutzausrüstung nach Protokoll (2. Pflege kontrolliert)

Tab. 2 Checkliste Trachealkanülenwechsel beiwachen, nicht beatmeten COVID-19-Patienten

– Teamauswahl: So klein wie nötig, so erfahren wie möglich (ÄrzteteamHNO und Anästhesiebei beatmetenPatienten, Pflege)

– Alle: Anziehen der persönlichen Schutzausrüstung (FFP2- oder FFP3-Maske, chirurgischeMaske, 3M-Schutzbrille, Schutzkittel, 2 Paar sterile Handschuhe, Stirnkranz)

– Pflege: Vorbereitung und Überprüfung der Vollständigkeit aller nötigen Materialien außerhalbdes Zimmers

– HNO: Aufsetzen des Patienten

– Pflege: Stellen eines Mülleimers neben den Kopf des Patienten

– Pflege: Auslegen der Instrumente, Kanülen, Anschließen der Absaugung

– Pflege: Präoxygenierung/Hochstellen des Sauerstoffs (wenn nötig)

– Pflege: Überprüfen des Cuffs der neuen Kanüle

– HNO: Absaugen des Patienten

– Pflege: Entblocken des alten Cuffs unter Absaugen

– HNO: Entfernung der alten Trachealkanüle samt Gänsegurgel und HME-Filter

– HNO: Abwerfen der Trachealkanüle in den bereitgestelltenMülleimer

– HNO: Absaugen des Sekrets am Tracheostoma (Tracheales Absaugen vermeiden!)

– HNO: Einsetzen der neuen Trachealkanülemit Gänsegurgel und HME-Filter

– Pflege: Blocken des Trachealkanülen-Cuffs

– HNO: Verifizierung der Lage und Durchgängigkeit über die Sättigung, ansonsten Repositionie-rung notwendig

– Alle: Entfernung der persönlichen Schutzausrüstung nach Protokoll (2. Pflege kontrolliert)

4 Dringendem Verdacht und zweifachnegativem Nasen- oder Rachenab-strich mit ausstehender Bildgebungder Lunge oder ausstehendem Tra-chealabstrich

Kanülenpflege und Kanülen-wechsel auf Station

Ziel der Empfehlungen sind die Sicher-heit des Patienten sowie die Risikomini-mierung und Expositionsminimierungfür das medizinische Personal sowiedie Minimierung des Verbrauchs vonPSA (persönliche Schutzausrüstung).Diese praktischen Vorschläge basierenin diesem relativ frühen Stadium derPandemie auf Literatur und eigenenErfahrungen. Zu beachten ist jedoch,dass diese der jeweiligen Situation, demPatienten, dem medizinischen Teamund den Ressourcen anzupassen sind(. Tab. 1, 2 und 3). Für jegliche Atem-wegsintervention an einem beatmetenCOVID-19-Patienten spielen ein ange-messener Ort und eine angemesseneZeit eine große Rolle und sollte gutüberlegt werden. Idealerweise befindensich Patienten in Negativdruck-Räumen,die eine gewisse Bewegungsfreiheit umdas Patientenbett und die Beatmungs-maschine ermöglichen. Der Kopf desPatienten sollte aus 3 Richtungen freizugänglich sein. Benötigte Instrumentesollten vor Betreten des Zimmers zusam-mengestellt und überprüft werden, umunnötige Wege in und aus dem Zimmerzu vermeiden und um die Zeitdauer amPatientenbett sowie den PSA-Verbrauchso gering wie möglich zu halten. Dieeigentliche, aerosolisierende Prozedursollte so kurz wie möglich gehalten wer-den und der Kontakt zum Patientendabei aufs Minimale beschränkt sein.Bei Kanülenwechsel an Patienten, die aneinem Beatmungssystem angeschlossensind und anschließend auch wieder dasBeatmungssystem benötigen, sollte einAnästhesist zugegen sein, umdiemecha-nische Ventilation individuell getaktetkurzfristig auszusetzen.

Wann immer möglich, sollte das Ab-saugen der Kanüle vermieden oder ex-trem reduziert werden. Ist ein Absaugenunvermeidbar, sollte ein geschlossenesSystem mit HME-Virus-Filter zur Mini-

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Originalien

Tab. 3 Ablegen undReinigung von PSA

– Ausziehen der obersten Handschuhe im Zimmer

– Händedesinfektion vor Verlassen des Zimmers

– Schließen der Tür zum Patientenzimmer

– Abwurf von Einmalkittel und Handschuhen

– Händedesinfektion

– Anziehen von neuen Handschuhen

– Ablegen von Schutzbrille/Gesichtsschutzschild/FFP3an designierter unreiner Station

– Erneute Händedesinfektion und Anlegen von unsterilen Handschuhen

– Desinfektion von Schutzschild oder Schutzbrille entsprechend der Richtlinien. PSA dann inklarer Plastikhüllemit Namen für spätere Verwendung verstauen

– FFP2- oder FFP3-Maske separat in klarer Plastiktüte verstauen und, je nach Richtlinien derKlinik, zur Dekontaminierung übergeben

– Falls PAPR verwendet wurde, sollten Batterie und Schlauch ebenfalls mit Desinfektionstüchernabgewischt und zur weiteren Reinigung übergeben werden

mierungderTrachealsekretstreuungver-wendet werden.

Ein Kanülenwechsel nach früher Tra-cheotomie sollte erst nach der zweiten,oder wenn möglich, nach der dritten In-fektionswoche erfolgen. Zu diesem Zeit-punkt solltedieErkrankungabgeklungenund die Viruslast vergleichsweise geringsein [18, 32]. Der HME-Filterwechsel istje nachHersteller alle 24 bis 48h empfeh-lenswert, dabei gelten die gleichen PSA-Vorsichtsmaßnahmen wie beim Kanü-lenwechsel.

Im Fall einer akzidentellen Dekanü-lierung sollte das Tracheostoma sofortabgedeckt werden, um Exposition desPersonals zuverringern(KompresseoderFFP2-Maske).

Vorsichtsmaßnahmen zurInfektionskontrolle: PSA

Empfohlen wird beim Umgang mittracheotomierten SARS-CoV-2-posi-tiven Patienten die Verwendung vonmindestens FFP2- oder besser FFP3-Masken sowie eines Gesichtsschutzschil-des (einfache Schutzbrillen bieten nurunzureichenden Schutz vor seitlich ein-dringenden Partikeln), eines zusätzlichflüssigkeitsdichten Kittels und doppel-ten Handschuhen. Wenn vorhanden,bietet ein gebläseunterstützter Atem-schutz mit Haube (PAPR) nicht nurhöhere Sicherheit, sondern zudem mehrBewegungsfreiheit und eine deutlichgeringere körperliche Belastung sowieeine einfachere und fehlerfreiere Hand-habung [3] bei Kanülenwechsel und im

Umgang mit agitierten Patienten. HaaresolltenzudemuntereinerEinmalkopfbe-deckung verborgen werden, freiliegendeKörperoberflächen, wie an Hals undHandgelenken, abgedeckt und gegebe-nenfalls mit Klebeband fixiert werden.Wird statt des vollen Gesichtsschutzesnur eine Augenbrille getragen, sollteimmer eine normale Mundschutzmaskeüber der FFP2- oder FFP3-Maske getra-gen werden, um diese vor Sekretkonta-mination zu schützen. Bei Verwendungvon gebläseunterstütztem Atemschutz(PAPR) mit lose sitzender Haube istdas zusätzliche Tragen der FFP2- oderFFP3-Maskeals extraSchutz imFall einesBatterieversagens empfohlen (. Abb. 4).

Korrektes An- und Ablegen sowieBeseitigung der Schutzkleidung

Unerfahrenes Personal und fehlendeEinweisung von Personal können zufalschem Anlegen der Schutzausrüstungführen und das Risiko für Infektionendeutlich erhöhen. Nach erfolgreicherProzedur und Verlassen des Raumswerden korrekte Dekontaminierungund Abfallbeseitigung oft vergessen –ein vermeidbarer Fehler, der sich aberbereits als einer der Hauptgründe fürSekundärinfektionen bei medizinischemPersonal mit COVID-19 herausgestellthat. Um dies zu vermeiden, wird emp-fohlen, dass entsprechendes Personalvorab im korrekten An- und Ablegender Masken, des Gesichtsschutzschildesund der Schutzkittel geschult wird. Da-bei spielt die Reihenfolge beim An- und

Ablegen eine große Rolle, und es emp-fiehlt sich, dies wiederholt an Kollegenoder SARS-CoV-2-negativen Patientenzu üben. Nach Handhygiene sollte wie-derverwendbare PSA noch außerhalbdes Zimmers und vor etwaigen Einma-lartikeln angelegt werden. Wird optionalein gebläseunterstützter Atemschutz mitHaube (PAPR) verwendet, so sollte derSchutzkittel über die Batterie und denzuführenden Schlauch des Gebläses an-gezogen werden.

Während die Einmalschutzkleidungvor Verlassen des Patientenzimmers ab-gelegt werden kann, müssen FFP2/FFP3und der Gesichtsschutzschild oder dieSchutzbrille aufgrund der Ressourcen-knappheit oft wiederverwendet werden.Eine designierte „reine“, sowie eine se-parate „unreine“ Station sollten vor denZimmern (z.B. auf Patienten-Nachtti-schen) oder außerhalb des Op.-Saalsaufgebaut werden. Die unreine Stationdient zur Reinigung der wiederverwend-barenPSAinAbhängigkeitder jeweiligenHerstellerempfehlungen.Wennmöglich,sollte die FFP2- oder FFP3-Maske nacheiner solchen, hoch aerosolisierendenProzedur nicht mehr verwendet werden.

Insgesamt gilt, nur geschultes und er-fahrenes Personal sollte in die Behand-lung dieser Patienten involviert sein, un-erfahrene Assistenzärzte und Pflegeper-sonal sowie Medizinstudenten sind vondiesen Patienten fernzuhalten. Kommu-nikation und Vorbereitung bestimmenletztendlich das Risiko der Folgeinfek-tionen.

Ist ein separates Reinigungsteam fürAbholung und Dekontaminierung derPSA zuständig,muss potenziell kontami-nierte Schutzausrüstung nach vorherigerAbsprache so verstaut werden, dass siekein Infektionsrisiko für weiteres Perso-nal darstellt. Personal, das für Zimmer-reinigungundReinigungder Instrumen-teundSchutzkleidungzuständigist,mussebenfalls mit entsprechender Schutzaus-rüstung ausgestattet werden. Abwurfbe-hälter fürPSA,Gefahrenabfall undschar-fe Gegenstände sollten sowohl im Pati-entenzimmer als auch direkt vor demZimmer vorhanden sein.

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Abb. 48 Beispiele für PSAbei Kanülenwechsel.a Stirnkranzmit Lichtquelle (1), abgedichtete Schutz-brille (2), FFP2- oder FFP3-Maske, gegebenenfallsmit extraMundschutz (3), Haube, die Kopf undHalsweitestgehendabdeckt (4),wasserdichterKittel.bAlternativkannPAPRverwendetwerden:Haube(1),Konnektor fürGebläse (2), FFP2- oder FFP3-MaskemitMundschutz (3), Perforationen inderHaube fürEntweichenderausgeatmetenLuft (Sternchen)–ein theoretischesKontaminationsrisiko fürdas sterileOperationsfeld

Diskussion

Unsere Literaturrecherche zeigt, dasssowohl die Intubation als auch chir-urgische und nichtchirurgische Mani-pulationen der oberen Atemwege vonSARS-CoV-2-positiven Patienten alshoch riskant sowie tröpfchen- und aero-solbildend eingeschätzt werden müssen.Unsere ergänzend durchgeführte Stu-die verdeutlicht zudem, dass in dieseHochrisikogruppe auch tracheotomierteCOVID-19-Patienten im weiteren sta-tionären Verlauf einzuschließen sind,da es mit hoher Wahrscheinlichkeit zurÜbertragung von virushaltigen Aero-solen oder Tröpfchen bei Prozedurenwie Kanülenwechsel, Stomapflege undAbsaugung kommt.

Studien im Zusammenhang mit derfrüheren SARS-Infektion sowie aktu-ell im Zuge der COVID-19-Pandemieverzeichneten eine Ansteckungsrate vonca. 5–20% bei medizinischem Personal,und eine nicht unbeträchtliche Zahldavon starb letztendlich an den Folgen[17, 23]. Nichtsdestotrotz gibt es auchpositive Entwicklungen zu verzeich-nen: In Fällen von Intubationen oderTracheotomien, bei denen das Personalausreichende Schutzbekleidung getragen

hatte, kam es nicht zu Sekundärinfektio-nen [7, 24, 30, 36]. Dies untermalt, waswir und andere bereits immer wiederbetonen: Wenn Vorsichtsmaßnahmenkorrekt befolgt werden, dann könnenauchbeiHochrisikoprozeduren Infektio-nen desmedizinischen Personals effektivvermieden werden.

Während bereits einige Publikationenzur Tracheotomie selbst existieren, gibtes bisher nur vergleichsweise wenig In-formation über die weiterführende sta-tionäre Versorgung des Tracheostomas.Wir haben mithilfe unserer kleinen Stu-die die Gefahr der Bildung von Tröpf-chen und Tröpfchenkernen bei verschie-denenSzenarienderTracheostomapflegegemessen. Wir konnten dabei demons-trieren, dass insbesondere das Einsetzender Trachealkanüle bei wachem Patien-ten eine starke Tröpfchenentwicklung imgroßen Radius zu beobachten war.

Zu unseren Versuchen muss kritischbemerkt werden, dass kleinste Aerosolenicht dargestellt und gemessen wurden.Zudem ist, wie wir wissen, die Husten-neigung und -intensität stark patienten-abhängig. Kernpunkt der Ergebnisse istsicherlich, dass der Kanülenwechsel beiwachen Patienten von den ausgewähltenSzenarien der am höchsten risikobehaf-

tete ist und nur im Notfall durchgeführtwerden sollte. Bei Einsetzen der Kanüleist auch hier auf einen bereits aufgesetz-ten HME-Filter zu achten, um die Tröpf-chenfreisetzung zu minimieren. Inhala-tionen sind wichtig für die Durchgängig-keit der Kanüle, sollten jedoch vor einemgeplanten Wechsel so lange wie möglichausgesetzt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist auchder Zeitverlauf der Infektiosität derSARS-CoV-2-positiven Patienten. Hier-bei könnte es relevant sein, zwischenkritisch kranken, intensivpflichtigen Pa-tienten, die z.B. für eine verbesserteWeaningsituation tracheotomiert wor-den sind, und SARS-CoV-2-positivenPatienten,die ausanderenmedizinischenGründen ein Tracheostoma erhalten ha-ben oder bereits zuvor hatten, zu un-terscheiden. Letztere Patienten könnenpotenziell auch eine milde Symptomlastzeigen. Diese Unterscheidung beruht aufder Vermutung, dass sich die Zeitverläu-fe der Infektiosität zwischen milden undkritisch kranken SARS-CoV-2-positi-ven Patienten unterscheiden könnten:BeimildenVerläufenwardasVirusbis zu4 Tage (Abstrich) bzw. 8 Tage (Lungense-kret) nach Symptombeginn anzüchtbar[39]. Auch das Robert Koch-Institut gehtvon einer durchschnittlichen Infektiosi-tät von ca. 10Tagen aus [21]. SARS-CoV-2-positive Patienten mit milden Verläu-fen blieben durchschnittlich 24,7 Tageim Krankenhaus [33]. Bei schwerenbzw. kritischen Verläufen wurde derKrankenhausaufenthalt durchschnitt-lich mit 3–6 Wochen angegeben [44].Ebenso verlängerte sich bei diesen Pa-tienten die Dauer der Nachweisbarkeitder Viruslast in der PCR. Bei schwerenVerläufen sind hier z.B. Virusnachwei-se von durchschnittlich 20 Tagen nachSymptombeginn beschrieben worden[47]. Allerdings sind diese Daten unterVorbehalt zu betrachten, da täglich neueErkenntnisse gewonnenwerdenund sichdiese ersten Schlussfolgerungen späterwieder ändern können.

Bezüglich der Definition der Infek-tiosität ist zu beachten, dass ein positiverPCR(Polymerasekettenreaktions)-Testnicht unbedingt einer Infektiosität ent-spricht. Eine Infektiosität liegt prinzipiellvor, wenn sich das aus Abstrichen oder

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Sekret gewonnene Virus in Zellkulturvermehren kann. Der PCR-Test detek-tiert jedoch auch die verbleibendenRestedesVirus, die sich nichtmehr vermehrenkönnen. Die Detektionsgrenze liegt lautFDA bei ca. 136 Viruskopien pro Millili-ter Probe [26].Wenn der Patient seit 48hkeine Symptome mehr aufweist und imAbstand von 24h 2 negative PCR-Testsaufweist, gilt er als SARS-CoV-2-negativ[27]. Zum anderen gilt der Patient alsSARS-CoV-2-negativ, wenn eine Sero-konversion im Blut nachzuweisen ist.Erste Studien beschreiben eine Sero-konversion bei milden und moderatenFällen nach ca. 12 Tagen [39].

Die Indikation zum Kanülenwechselmuss kritisch gestellt werden. Wennmedizinisch vertretbar, sollte der Kanü-lenwechsel idealerweise erst nach Fest-stellung der SARS-CoV-2-Negativitätdurchgeführt werden. Sollte dies nichtmöglich sein, so verweisen wir auf dieoben genannten Vorschläge zum Ab-lauf des Kanülenwechsels sowie auf diePSA. Je nachdem, ob die Tracheoto-mie in einer frühen oder späten Phaseder Erkrankung durchgeführt wordenist, ist eine interindividuelle Abwägungbezüglich des Zeitpunkts des Kanülen-wechsels nötig. Bezüglich des geeignetenZeitpunkts der Rückverlegung sollte zwi-schen einer frühen Rückverlegung zurVerminderung der Tröpfchenbildungbei der Kanülenpflege und einer spätenRückverlegung, wenn der Patient SARS-CoV-2-negativ getestet worden ist, ab-gewogen werden. Eigene Erfahrungenhaben hier gezeigt, dass die meistenPatienten mit schweren Verläufen einprotrahiertes Weaning benötigen undbereits SARS-CoV-2-negativ getestetworden waren, als die Frage nach ei-ner Rückverlegung des Tracheostomasgestellt wurde.

Die hier diskutierten Vorsichtsmaß-nahmen zur Tracheostomapflege und ih-regefahrloseDurchführbarkeit imstatio-nären Alltag sind leider oft noch immervon der fehlenden Verfügbarkeit der be-nötigten PSA abhängig. Bis dahin gilt,dass nur eine minimale Anzahl der Mit-arbeiter diese Hochrisikoaufgabe über-nehmen sollte und eine entsprechendeSchulung des Personals vorab gewähr-leistet sein muss.

Fazit

In dieser für medizinisches Personalschwierigen Zeit, welche geprägt istdurch erhöhte Belastung im Arbeitsall-tagmitSARS-CoV-2-positivenPatientenund der potenziellen Gefahr der eigenenAnsteckung, sind die ersten Erfolge zumSchutz der Mitarbeiter ein ermutigen-des Zeichen [12]. Diese Studie bietetsowohl Hintergrundinformation zurgegenwärtigen Situation von tracheoto-mierten COVID-19-Patienten als aucheine Übersicht zur Risikominimierungmit dieser Patientengruppe. Dennochkönnen Restrisiken auch bei Beachtungder Empfehlungen nicht ausgeschlossenwerden.

Korrespondenzadresse

Dr. med. habil. S. K. MuellerAbteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,Kopf- und Halschirurgie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)Waldstraße 1, 1054 Erlangen, [email protected]

Funding. Open Access funding provided by ProjektDEAL.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. J.S. Kempfle, H. Löwenheim,M.J. Huebner, H. Iro undS.K.Mueller geben an, dasskein Interessenkonflikt besteht.

Alle beschriebenenUntersuchungen amMenschenoder anmenschlichemGewebewurdenmit Zustim-mungder zuständigen Ethikkommission, imEinklangmit nationalemRecht sowie gemäßderDeklarationvonHelsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbei-teten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligtenPatienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

Open Access.Dieser Artikelwird unter der CreativeCommonsNamensnennung4.0 International Lizenzveröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfältigung,Bearbeitung, VerbreitungundWiedergabe in jegli-chemMediumundFormat erlaubt, sofern Sie den/dieursprünglichenAutor(en)unddieQuelle ordnungsge-mäßnennen, einen Link zur Creative Commons Lizenzbeifügenundangeben, obÄnderungen vorgenom-menwurden.

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terials die Einwilligungdes jeweiligen Rechteinhaberseinzuholen.

WeitereDetails zur Lizenz entnehmenSie bitte derLizenzinformation auf http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de.

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HNO 11 · 2020 837