40 jahre deutsches institut für bautechnik – 40 jahre sicheres und innovatives bauen. die...

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2 DIBt Mitteilungen 1/2008 DOI: 10.1002/dibt.200830009 Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) feiert 2008 sein 40- jähriges Bestehen. 40 Jahre DIBt stehen für 40 Jahre Sicherheit und Innovationen im Bauwesen und für 40 Jahre Zulassungs- wesen einer zentralen Institution in der Bundesrepublik Deutschland. Ein geeigneter Anlass also, um die Geschichte des Instituts in den DIBt Mitteilungen in einer kleinen Serie nä- her zu beleuchten. Den Auftakt unserer Betrachtung bilden die Anfänge des deutschen Zulassungswesens und der Grün- dungsprozess des DIBt von 1951 bis 1968. Die Anfänge eines einheitlichen Zulassungswesens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Die historischen Wurzeln des Instituts liegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Königreich Sachsen gründete 1920 eine Zentralstelle mit einem Sachverständigenausschuss für die Prüfung von Baustoffen und Baukonstruktionen mit dem Ziel, das Zulassungsverfahren zu vereinheitlichen, um die wirt- schaftlichen und sicherheitstechnischen Nachteile des bisher heterogen geführten Verfahrens zu beheben. Die Zentralstelle wirkte als Bindeglied zwischen den örtlichen Baupolizeibehör- den und den Prüfanstalten. Preußen normierte als erster Staat 1934 ein einheitliches Zulassungsverfahren. Per Gesetz wurde es alleine – und damit die allgemeine bauaufsichtliche Zulas- sung – der obersten Bauaufsichtsbehörde, der Hochbauabtei- lung im Finanzministerium, unterstellt. Zugleich wurden die bis- her angewandten Technischen Baubestimmungen durch die vom Ausschuss für einheitliche Baupolizeibestimmungen (ETB) erarbeitete Norm DIN 4110 „Technische Baubestimmungen für Zulassung neuer Bauweisen“ ersetzt. Detailliert legte die Norm die Zuständigkeit und das Verfahren fest. 1937 wurde unter den Bedingungen nationalsozialistischer Gleichschal- tung die „Verordnung über die allgemeine baupolizeiliche Zu- lassung neuer Baustoffe und Bauarten“ erlassen. Seitdem lag die Zuständigkeit ausschließlich beim Reichsarbeitsminister, der zu seiner Unterstützung einen Reichssachverständigenaus- schuss für neue Baustoffe und Bauarten (RSA) dekretierte, wel- cher verbindliche Zulassungsgrundsätze und Richtlinien für ver- schiedene Sachgebiete (wie Wärmeschutz, Schallschutz und Feuerschutz) aufstellte. Auf Grund der Kriegswirtschaftspolitik kam es 1940 zur absoluten Vereinheitlichung des Zulassungs- wesens. Ab jetzt durften nur noch der Reichsarbeitsminister und der Reichssachverständigenausschuss Zulassungen ertei- len. Die Länder wurden endgültig ihrer hoheitlichen Aufgabe enthoben. Der Reichsarbeitsminister okkupierte weitere Berei- che: Zwei Jahre später, 1942, legte er die Prüfzeichenpflicht für bestimmte Haus- und Grundstückseinrichtungsgegenstände fest und setzte hierzu Prüfausschüsse ein, wie den PA-I-Aus- schuss für Abwasserleitung und den PA-V-Ausschuss für Holz- schutzmittel. Schließlich bestimmte er parallel zum Zulassungs- wesen auch das Anerkennungsverfahren von Prüfstellen. Neugestaltung des Zulassungswesens nach 1945: Bopparder Vereinbarung Nach 1945 erlangten die Länder ihre Staatlichkeit zurück. Sie beanspruchten das Bauaufsichtsrecht wieder für sich und da- mit auch die Erteilung von Zulassungen für neue Bauprodukte und Bauarten. Sehr bald erkannte man die Schwäche des de- zentral geführten Zulassungswesens, brachten doch die unter- schiedlichen Beurteilungen der Länder und ihrer Ausschüsse der Industrie große wirtschaftliche Nachteile. Diesem Mangel traten die Länder der westlichen Besatzungszonen 1947 mit der Gründung eines Zonalen Sachverständigenausschusses für neue Baustoffe und Bauarten entgegen; er bestand aus einem Geschäftsführenden Ausschuss und einem Sachverständigen- ausschuss und wurde 1950 durch den Beitritt von Rheinland- Pfalz in den Sachverständigenausschuss für neue Baustoffe und Bauarten umbenannt. Seine Aufgabe bestand darin, die durch die federführende Landesstelle vorbereiteten Zulassungs- verfahren zu begutachten und grünes Licht für die Erteilung zu geben. Die anderen Länder konnten ohne weitere Prüfungen Anschlusszulassungen erteilen. Zwischen 1947 und 1951 er- teilte der Ausschuss 308 Zulassungen. Noch immer war das Verfahren für alle Beteiligte unbefriedigend, so dass die Län- der und der Bundesminister für Wohnungswesen und Städte- bau schließlich 1951 in Boppard am Rhein eine Neufassung des Zulassungsverfahrens beschlossen. Ziel und Zweck dieser am 1. April 1951 gemeinsam geschlossenen „Verwaltungs- vereinbarung für die einheitliche Regelung des Verfahrens der allgemeinen Zulassungen neuer Baustoffe und Bauarten im Be- reich der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin“ war es, ein allgemeines Zulassungsverfahren zu schaffen, das in allen Ländern einheitlich anzuwenden war, um die örtlichen Baugenehmigungsbehörden zu entlasten. 1 Die Vereinbarung regelte die Zuständigkeit der erteilenden Stelle und die Grund- lage des Zulassungsverfahrens. Hier griff sie auf die Verord- nung über die allgemeine Zulassung neuer Baustoffe und Bau- arten vom 8. November 1937 und auf den Erlass des Reichs- arbeitsministers vom 31. Dezember 1937 zurück und legte die darin beschriebenen Befugnisse auf die Minister und Sena- 40 Jahre Deutsches Institut für Bautechnik – 40 Jahre sicheres und innovatives Bauen Die Gründung des DIBt R. Schmidt-Staudinger 1 B. Wedler/A. Jesumann, Zur Geschichte der Zulassung neuer Bau- stoffe und Bauarten, Bonn, unveröffentl. MS, o.J., S. 26.

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2 DIBt Mitteilungen 1/2008

DOI: 10.1002/dibt.200830009

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) feiert 2008 sein 40-jähriges Bestehen. 40 Jahre DIBt stehen für 40 Jahre Sicherheitund Innovationen im Bauwesen und für 40 Jahre Zulassungs-wesen einer zentralen Institution in der BundesrepublikDeutschland. Ein geeigneter Anlass also, um die Geschichtedes Instituts in den DIBt Mitteilungen in einer kleinen Serie nä-her zu beleuchten. Den Auftakt unserer Betrachtung bilden dieAnfänge des deutschen Zulassungswesens und der Grün-dungsprozess des DIBt von 1951 bis 1968.

Die Anfänge eines einheitlichen Zulassungswesens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die historischen Wurzeln des Instituts liegen in der erstenHälfte des 20. Jahrhunderts. Das Königreich Sachsen gründete1920 eine Zentralstelle mit einem Sachverständigenausschussfür die Prüfung von Baustoffen und Baukonstruktionen mit demZiel, das Zulassungsverfahren zu vereinheitlichen, um die wirt-schaftlichen und sicherheitstechnischen Nachteile des bisherheterogen geführten Verfahrens zu beheben. Die Zentralstellewirkte als Bindeglied zwischen den örtlichen Baupolizeibehör-den und den Prüfanstalten. Preußen normierte als erster Staat1934 ein einheitliches Zulassungsverfahren. Per Gesetz wurdees alleine – und damit die allgemeine bauaufsichtliche Zulas-sung – der obersten Bauaufsichtsbehörde, der Hochbauabtei-lung im Finanzministerium, unterstellt. Zugleich wurden die bis-her angewandten Technischen Baubestimmungen durch dievom Ausschuss für einheitliche Baupolizeibestimmungen (ETB)erarbeitete Norm DIN 4110 „Technische Baubestimmungenfür Zulassung neuer Bauweisen“ ersetzt. Detailliert legte dieNorm die Zuständigkeit und das Verfahren fest. 1937 wurdeunter den Bedingungen nationalsozialistischer Gleichschal-tung die „Verordnung über die allgemeine baupolizeiliche Zu-lassung neuer Baustoffe und Bauarten“ erlassen. Seitdem lagdie Zuständigkeit ausschließlich beim Reichsarbeitsminister,der zu seiner Unterstützung einen Reichssachverständigenaus-schuss für neue Baustoffe und Bauarten (RSA) dekretierte, wel-cher verbindliche Zulassungsgrundsätze und Richtlinien für ver-schiedene Sachgebiete (wie Wärmeschutz, Schallschutz undFeuerschutz) aufstellte. Auf Grund der Kriegswirtschaftspolitikkam es 1940 zur absoluten Vereinheitlichung des Zulassungs-wesens. Ab jetzt durften nur noch der Reichsarbeitsministerund der Reichssachverständigenausschuss Zulassungen ertei-len. Die Länder wurden endgültig ihrer hoheitlichen Aufgabeenthoben. Der Reichsarbeitsminister okkupierte weitere Berei-che: Zwei Jahre später, 1942, legte er die Prüfzeichenpflichtfür bestimmte Haus- und Grundstückseinrichtungsgegenstände

fest und setzte hierzu Prüfausschüsse ein, wie den PA-I-Aus-schuss für Abwasserleitung und den PA-V-Ausschuss für Holz-schutzmittel. Schließlich bestimmte er parallel zum Zulassungs-wesen auch das Anerkennungsverfahren von Prüfstellen.

Neugestaltung des Zulassungswesens nach 1945: Bopparder Vereinbarung

Nach 1945 erlangten die Länder ihre Staatlichkeit zurück. Siebeanspruchten das Bauaufsichtsrecht wieder für sich und da-mit auch die Erteilung von Zulassungen für neue Bauprodukteund Bauarten. Sehr bald erkannte man die Schwäche des de-zentral geführten Zulassungswesens, brachten doch die unter-schiedlichen Beurteilungen der Länder und ihrer Ausschüsseder Industrie große wirtschaftliche Nachteile. Diesem Mangeltraten die Länder der westlichen Besatzungszonen 1947 mitder Gründung eines Zonalen Sachverständigenausschusses fürneue Baustoffe und Bauarten entgegen; er bestand aus einemGeschäftsführenden Ausschuss und einem Sachverständigen-ausschuss und wurde 1950 durch den Beitritt von Rheinland-Pfalz in den Sachverständigenausschuss für neue Baustoffeund Bauarten umbenannt. Seine Aufgabe bestand darin, diedurch die federführende Landesstelle vorbereiteten Zulassungs-verfahren zu begutachten und grünes Licht für die Erteilung zugeben. Die anderen Länder konnten ohne weitere PrüfungenAnschlusszulassungen erteilen. Zwischen 1947 und 1951 er-teilte der Ausschuss 308 Zulassungen. Noch immer war dasVerfahren für alle Beteiligte unbefriedigend, so dass die Län-der und der Bundesminister für Wohnungswesen und Städte-bau schließlich 1951 in Boppard am Rhein eine Neufassungdes Zulassungsverfahrens beschlossen. Ziel und Zweck dieseram 1. April 1951 gemeinsam geschlossenen „Verwaltungs-vereinbarung für die einheitliche Regelung des Verfahrens derallgemeinen Zulassungen neuer Baustoffe und Bauarten im Be-reich der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin“war es, ein allgemeines Zulassungsverfahren zu schaffen, dasin allen Ländern einheitlich anzuwenden war, um die örtlichenBaugenehmigungsbehörden zu entlasten.1 Die Vereinbarungregelte die Zuständigkeit der erteilenden Stelle und die Grund-lage des Zulassungsverfahrens. Hier griff sie auf die Verord-nung über die allgemeine Zulassung neuer Baustoffe und Bau-arten vom 8. November 1937 und auf den Erlass des Reichs-arbeitsministers vom 31. Dezember 1937 zurück und legte diedarin beschriebenen Befugnisse auf die Minister und Sena-

40 Jahre Deutsches Institut für Bautechnik – 40 Jahre sicheres und innovatives Bauen Die Gründung des DIBt

R. Schmidt-Staudinger

1 B. Wedler/A. Jesumann, Zur Geschichte der Zulassung neuer Bau-stoffe und Bauarten, Bonn, unveröffentl. MS, o.J., S. 26.

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toren der Länder um. Des Weiteren legte die Bopparder Ver-einbarung die Bildung eines Landes-Sachverständigenaus-schusses und seiner Aufgabe als gutachtende Stelle, die Über-gangsregelungen bei Zulassungsverlängerungen und Neuzu-lassungen, die Einlandzulassung und die Gebühren fest. Am26. April 1951 konstituierte sich der geforderte Länder-Sach-verständigenausschuss (LSA) in Düsseldorf, der später seinenSitz im Bundesministerium für Wohnungswesen in Bonn ein-nahm. In ihm ging der zonale Sachverständigenausschuss auf.Wie dieser setzte sich der LSA aus zwei Gremien zusammen:dem Geschäftsführenden Ausschuss (GA) und dem Sachver-ständigenausschuss. Ersterem gehörten je ein Vertreter der be-teiligten 11 Länderminister bzw. Senatoren sowie des Bundes-ministeriums für Wohnungswesen und der Vorsitzende desSachverständigenausschusses an. Das Gremium war zustän-dig für die Gesamtsteuerung des Zulassungswesens. DemSachverständigenausschuss hingegen gehörten Mitglieder desGAs sowie je ein Vertreter des Bundesministeriums für Wirt-schaft, Verkehr und Finanzen und eine unbestimmte Zahl vonSachverständigen an. Er durfte Unter- und Prüfausschüsse bil-den, da die Länder personell nicht in der Lage waren, genü-gend Sachverständige zu stellen. Die ersten Unter- bzw. Prüf-ausschüsse wurden für Holzschutzmittel, Grundstückseinrich-tungen (z. B. Fettabscheider), Feuerung und Brandschutzerrichtet.2 Bis 1961 begutachtete der LSA ca. 950 neue und780 wiederholte Anträge.

Die Vereinbarung von 1951 setzte fest, dass der Antragstellereiner allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung zukünftig nurnoch mit der Zulassungsstelle seines Bundeslandes zu tun ha-ben sollte, unabhängig vom Absatzmarkt bzw. vom Herkunfts-land. Die Länder verpflichteten sich ihrerseits, ihre Zulassungenim LSA beraten zu lassen und diese erst nach seinem positivenVotum zu erteilen. Die Zulassungsstelle des Herkunftslandes ei-nes Herstellers bereitete die Antragsunterlagen jeweils bis zurEntscheidungsreife vor. Sobald der Sachverständigenaus-schuss positiv darüber entschieden hatte, erteilte die Zulas-sungsstelle den Bescheid und gab ihn in einem Runderlass öf-fentlich bekannt.3 Die übrigen Länder erhielten jeweils eine Ab-schrift, so dass auch dort die Zulassung in Kraft treten konnte.Dem ursprünglichen Gedanken, die Zulassung für das gesamteBundesgebiet und Berlin durch das Sitzland zu erteilen, stan-den staatsrechtliche Gründe entgegen, so dass man auf dieBopparder Vereinbarung zurückgreifen musste.4 Ausnahmebildete dabei die so genannte Einlandzulassung. Sie konnte,falls der Einsatzort örtlich beschränkt war, ohne Anhörung desSachverständigenausschusses erteilt werden. Nach einem aufAntrag der Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht1954 erteilten Rechtsgutachten zählte das Bauaufsichtsrechtüberwiegend zur Gesetzgebungskompetenz der Länder. Damitmusste bei der Schaffung der neuen Muster-Bauordnung füralle Bundesländer die Verwendung von neuen Bauproduktenund die Anwendung neuer Bauarten und ihre Zulassungen so-wie die Erteilung von Prüfzeichen neu geregelt werden.

In den folgenden Jahren veranlasste die Fülle der Anträge denLandessachverständigenausschuss die Idee des damaligenReichssachverständigenausschusses aufzugreifen, gleichartige

Zulassungen durch das Aufstellen von Richtlinien und durchdie Überführung in die Normung zu vereinheitlichen. Nicht inallen Bereichen war das Vorhaben erfolgreich. So konnte diegroße Anzahl der Anträge und Zulassungen für Decken ausFertigteilen, Schalungen, Gerüste und Betonzusatzmittel nichtwesentlich verringert werden.

Die Gründung des Instituts für Bautechnik

Die stetig steigende Zahl von Zulassungsverfahren führte 1964zum Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Woh-nungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister und Sena-toren der Länder (ARGEBAU), ein Institut für Bautechnik zugründen. Es sollte die Länder und deren Verwaltung personellwie finanziell entlasten und die bis dahin kosten- und zeitauf-wändige Koordinierung der Verfahren rationalisieren. AusSicht der Bundesländer wurde eine solche Einrichtung notwen-dig, „um die technische Verwaltungsarbeit der Länder auf demGebiet der Bauaufsicht zu rationalisieren. Die Aufgabenkon-zentration an einer Stelle wird die bisherige Vielgleisigkeit derVerwaltungsarbeit in elf Ländern, die vor den gleichen Proble-men stehen, beseitigen. Die umständliche Koordinierung imLandessachverständigenausschuss – LSA – wird überflüssig.Die ausreichende Besetzung des Instituts mit spezialisiertenFachkräften wird auch eine bessere Sachbehandlung garan-tieren […] Auf die Einheitlichkeit der Sachbehandlung kannnicht mehr verzichtet werden, da die Industrie ihre Erzeugnisseüber die Ländergrenzen hinweg vertreibt“.5 Dem Institut solltenöffentlich-rechtliche Aufgaben übertragen werden und es sollte„die Vorarbeit für die von den Ländern und dem Bund durch-zuführenden Maßnahmen auf den Gebieten „Zulassung neuerBaustoffe, Bauteile und Bauarten“, „Prüfzeichen“, „Baufor-schung“ (Bautechnik) und „Gütesicherung“ leisten und die„Baunormung“ unterstützen“.6 Die Bundesrepublik Deutsch-land blickte 1964 bereits nach Europa und erwog, das Institutdie Aufgaben der Länder und des Bundes auf dem Gebiet derBautechnik im Rahmen der EWG „vorbereitend behandeln“zu lassen. Dies war die Geburtsstunde des Instituts für Bau-technik (IfBt), heute Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt). Am30. Oktober 1964 stimmte die Bauministerkonferenz diesemVorschlag des Allgemeinen Ausschusses zu und beauftragteihn mit der Erarbeitung eines Staatsvertragsentwurfs.

Bevor es 1968 aber zur Institutsgründung kommen konnte,musste der Ausschuss im Vorfeld verfassungsrechtliche undverfassungspolitische Fragen klären. Sie fanden Eingang inden ersten Abkommensentwurf von 1965 und bilden immernoch die Grundlage des derzeitigen Abkommens. In derFrage nach der Trägerschaft entschieden sich die Länder ge-gen eine Gemeinschaftseinrichtung und votierten mehrheit-lich für ein Land als Sitzland. Dieses sollte treuhänderisch fürdie anderen Länder tätig werden und das Institut als Anstaltdes öffentlichen Rechts einrichten.7

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2 Bopparder Vereinbarung, Nr. 4.22.3 Bopparder Vereinbarung, Nr. 5.6.4 Bopparder Vereinbarung, Nr. 5.6 -5.7.

5 Senatsvorlage des Senators für Bau- und Wohnungswesen Berlinvom 5. März 1968.

6 Vorschläge für die Errichtung eines „Instituts für Bautechnik“, ARGE-BAU, Allgemeiner Ausschuss, München, 19. Oktober 1964, S. 11.

7 Des Weiteren sah der Vorschlag für das neue Institut somit dieRechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vor. Erst nachlangen Diskussionen der Länder und des Bundes, ob das Institut aufGrund eines Staatvertrages oder einer Vereinbarung – wie einst1951 in Boppard – gegründet werde, erhielt das Institut die Rechts-form einer Anstalt des öffentlichen Rechts.

Auch musste die Beteiligung des Bundes geklärt werden. Hierstimmte das Gremium gegen den Einspruch Hessens für eineVollmitgliedschaft und damit auch für die finanzielle Beteili-gung des Bundes. Gleichzeitig galt es, die Finanzierung inAbsprache mit den Finanzministern der Länder zu klären. ImErgebnis wurde beschlossen, dass die Vertragsbeteiligten aufGrund des Finanzierungsabkommens der Länder das Institutnach dem Königsteiner Schlüssel tragen werden.8 Der Anteildes Bundes sollte dabei dem Anteil des Landes mit dem höchs-ten Beitrag entsprechen. Ferner war die Frage zu klären, wel-chen Status die Aufgaben des Instituts künftig haben solltenund inwieweit Hoheitsaufgaben der Länder – wie die Ertei-lung von Zulassungen – auf das Institut übertragen werdenkonnten, ohne die eigenen Länderstaatsgewalten auszuhöh-len. Zunächst legte der Ausschuss den Schwerpunkt auf dievorbereitende Tätigkeit für die Länder, um ihre Zuständigkeitnicht zu schmälern. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit offengehalten, dass die einzelnen Länder auch Hoheitsrechte demInstitut übertragen konnten (Art. 2 Absatz 3 Nr. 1).

Am 16. Februar 1967 stimmte die Bauministerkonferenzdem Abkommensentwurf vom 10. Dezember 1966 zu undentschied, den Sitz des Instituts in Berlin zu belassen9.

Nach langwierigen und zähen Verhandlungen unterzeichne-ten die ersten sechs westdeutschen Länder und der Bund am1. Juli 1968 auf der konstituierenden Sitzung des Verwal-

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tungsrats des Instituts in Berlin das Abkommen über die Er-richtung und Finanzierung des Instituts für Bautechnik (IfBt).Damit konnte am 9. Juli 1968 das Gesetz über das IfBt „un-ter den Beteiligten […], deren Urkunde bereits (dem Senatorfür Bau- und Wohnungswesen) zugegangen ist“ in Kraft tre-ten.10 Das Abkommen löste die Bopparder Vereinbarungendgültig ab (Art. 12 Absatz 4 des Abkommens von 1968).Zum ersten Präsidenten wurde Prof. Dr.-Ing. Heinrich Bub er-nannt, Angehöriger der Obersten Baubehörde Bayerns undMitglied der Bauministerkonferenz (ARGEBAU).11 Mit Hein-rich Bub nahmen 19 weitere Mitarbeiter die Arbeit in Berlin(West) auf. Zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates wähltendie Mitglieder Staatssekretär Walter Keil aus Nordrhein-Westfalen12 und zu seinem Vertreter Ministerialdirigent Hans

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8 Ein im Königsteiner Staatsabkommen vom 31. März 1949 verein-barter Modus, nach dem die Kosten auf die einzelnen Länder verteiltwerden und sich zu zwei Drittel aus dem Steuereinkommen und zueinem Drittel aus der Bevölkerungszahl ergeben.

9 Niederschrift Ministerkonferenz vom 16. Februar 1967 in Bonn, S. 20: Als Sitzland wurde Berlin und München eingebracht. Jedochwurde München mangels Zustimmung der Länder sehr rasch zurück-gezogen.

10 s. Artikel 12 des Abkommens von 1968. Der Beitritt der restlichenLänder zog sich noch bis Februar 1969 hin. Als letztes Land trat dasSaarland dem Abkommen am 25. Februar 1969 bei. Unmittelbardanach legte der Berliner Senator für Bau- und Wohnungswesen denam Abkommen Beteiligten eine Gesamtausfertigung des Abkom-mens mit Schreiben vom 24. März 1969 vor. Die Gesamtausfer-tigung dokumentiert den Zeitpunkt des Beitritts zum Abkommen: Baden-Württemberg zum 26. Januar 1968, der Freistaat Bayern am13. März 1968, das Land Berlin am 5. März 1968, die Freie Han-sestadt Bremen am 19. Oktober 1968, die Freie und HansestadtHamburg am 7. Juni 1968, das Land Hessen am 13. August 1968,das Land Niedersachsen am 31. Juli 1968, das Land Nordrhein-Westfalen am 9. April 1968, das Land Rheinland-Pfalz am 14.März 1968, das Land Schleswig-Holstein am 23. April 1968, dasSaarland am 25. Februar 1969 und die Bundesrepublik Deutsch-land am 17. Juli 1968.

11 Professor Dr.-Ing. Heinrich Bub (1924–1983) tritt 1952 in den bay-erischen Staatsdienst ein: Er beginnt seine Laufbahn zunächst amStraßenbauamt in Regensburg, noch zu Ende desselben Jahres wirder an das Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau inBonn abgeordnet und tritt schließlich 1956 in die Oberste Baube-hörde Bayerns ein. In den Jahren 1959 bis 1964 wird Bub erneut imBundesministerium für Wohnungswesen tätig und kehrt im August1964 nach Bayern zurück. 1964 wird Heinrich Bub zum Vorsitzen-den der Fachkommission Baunormung bei der Bauministerkonferenzder Länder und mit Gründung des IfBt zu dessen Präsidenten beru-fen. Für sein Hochschulengagement wird er 1977 zum Honorarpro-fessor der TU Berlin berufen.

12 Staatssekretär Dipl.-Ing. Walter Keil, Ministerium für Wohnungsbauund öffentliche Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen, Verwal-tungsratsvorsitzender von 1968–1970.

Blick von Süden auf den Bendlerblock (Reichpietschufer 74–76,Berlin), Dienstsitz des IfBt von 1968–1993 (heute Dienstsitz desBundesministeriums der Verteidigung in Berlin)

Professor Dr.-Ing. Heinrich Bub, Präsident des IfBt von 1968–1983

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Koch aus Bayern.13 Beide hatten sich im verstärkten Maßeim Allgemeinen Ausschuss der ARGEBAU für die Schaffungdes Instituts und für das Zustandekommen des Abkommenseingesetzt.

Das Abkommen legt die rechtliche Grundlage sowie den Auf-gabenkatalog des Instituts fest, der seit 1968 stetig erweitertwurde. Im Einzelnen gehörten dazu Aufgaben auf dem Ge-biet des Zulassungswesens, des Prüfzeichenwesens, der Bau-normung, der Güteüberwachung, der Typengenehmigungund der Bauforschung. Aus Sicht der Vertragsbeteiligtenmusste sich das Institut erst fachlich bewähren, um bestimmteHoheitsbefugnisse übertragen zu bekommen. Dieser Auffas-sung verliehen sie Nachdruck, indem sie im Abkommen von1968 zunächst festlegten, dass das IfBt zwar für alle Länder

Zulassungen vorzubereiten hat (Art. 2 Absatz 2 Nr. 1), dieAufgabe der Erteilung von Zulassungen jedoch die einzelnenLänder selbst bestimmen konnten (Art. 2 Absatz 3 Nr. 1).Sehr bald überzeugten Professor Bub und seine Mitarbeiterdie Abkommenpartner von ihrer fachlichen Kompetenz, sodass die Länder nach und nach die Erteilung von Zulassun-gen in die Hände des Instituts legten. Als erste Länder über-trugen Berlin, als Sitzland, und Hamburg dem IfBt das Rechtzur Erteilung von Zulassungen.14 Bis 1973 hatten bis aufHessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland alle Bundesländerdie Erteilung von Zulassung dem IfBt übertragen.

Verfasser: Renate Schmidt-Staudinger M.A., DIBt

13 Ministerialdirektor Prof. Dipl.-Ing. Hans Koch, Leiter der OberstenBaubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, stellvertre-tender Vorsitzender des Verwaltungsrats von 1968–1970, Vorsitzen-der von 1970–1976.

14 Ebenso verfuhr Berlin später bei der Anerkennung von Prüf-, Über-wachungs- und Zertifizierungsstellen sowie in jüngster Zeit bei derÜbertragung der Aufgaben des Prüfamtes auf das DIBt.