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Franciscans International 30 Jahre bei den Vereinten Nationen

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Franciscans International30 Jahre bei den Vereinten Nationen

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Franciscans International

37-39 Rue de VermontPostfach 104CH-1211 Genf 20Schweiz

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246 East 46th Street #1FNew York, NY10017-2937Vereinigte Staaten

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Um unsere Arbeit zu unterstützen, besuchen Sie unsere Webseite:www.franciscansinternational.org/donate

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InhaltsverzeIchnIs

Franciscans International: Unser gemeinsames Anliegen 6Einführung im Namen der Konferenz der Franziskanischen Familie

Geschichte der Franziskanischen Familie bei 8den Vereinten Nationen

Unsere Programme• Afrika 20

• Asien-Pazifik 30

• Amerika 44

• Global 54

Unsere Säulen• Menschenwürde 25

• Frieden und Versöhnung 35

• Bewahrung der Schöpfung 48

Unsere Publikationen• Armut: Eine franziskanische Reflexion 18

• Entwicklung: Nachhaltig für wen? 28

• Franziskaner in Papua 37

• Menschenrechte und extreme Armut 43

• Toolbox: Zusammenfassung 53

Highlights• Die Franziskanische Familie 26

• Was wir zur Sprache bringen 38

• Eindrücke vom 30-jährigen Jubiläum 50

• Ein Dankeschön an unsere Unterstützer 59

Unsere Arbeit geht weiter 60Überlegungen im Namen des Vorstandes

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Liebe Schwestern und Brüder,

Mit großer Freude präsentiere ich diese Veröffentlichung im Namen der Konferenz der Franziskanischen Familie. Anlässlich des 30. Jahrestages unseres gemeinsamen Einsatzes bei den Vereinten Nationen bietet die vor Ihnen liegende Publikation einen guten Einblick in die Arbeit von Francis-cans International in der Vergangenheit und der Gegenwart. Dies ist zugle-ich eine Würdigung der verstorbenen Schwester Elisabeth Cameron OSF und Bruder Dionysius Mintoff OFM, die als erste gemeinsam die Notwen-digkeit erkannten, dass Franziskaner mit der internationalen Gemein-schaft zusammenarbeiten müssen, um nach gemeinsamen, gerechten und dauerhaften Lösungen zu suchen für die schwer zu lösenden sozialen und ökologischen Probleme.

Als sie 1982 vorschlugen, unsere Stimmen bei den Vereinten Nationen zu Gehör zu bringen, waren viele von uns sofort von dieser Idee begeis-tert. Die in der Gründungsurkunde der Vereinten Nationen verankerten Grundwerte spiegeln das Engagement von Franziskus und Klara für Frie-den, für die Armen und den Planeten wider. Ein Engagement, das uns in die Pflicht nimmt. Wenn die UNO tatsächlich das Forum sind, in dem sich die Führer der Welt versammeln, um Entscheidungen zu treffen, die uns alle und unser gemeinsames Zuhause betreffen, dann müssen wir da sein, um Brücken zu bauen, Menschen zusammenzubringen und für unsere Wert einzutreten.

Obwohl die Entwicklung unseres Dienstes bei den Vereinten Nationen zuweilen turbulent war, bot sich hier immer ein mächtiges Instrument für Dialog und positive Veränderungen. Durch die Präsenz in New York und Genf wurden die Stimmen unserer Schwestern und Brüder, die an der Basis arbeiten, lauter vernehmbar. Viele von ihnen teilen das Leben der Menschen vor Ort und sind ähnlichen Lebensverhältnissen ausgesetzt wie sie. Sie kennen die Verhältnisse, die dem Willen Gottes widersprechen und die die Werte von Freiheit, Würde und integraler Entwicklung von Personen, Gemeinschaften und Nationen verhöhnen.

FrancIscans InternatIonal:Unser gemeinsames Anliegen

Dreißig Jahre nach der offiziellen Anerkennung von FI durch die Vereinten Nationen befinden wir uns an einem Scheideweg der Geschichte, der gekennzeichnet ist durch das Versprechen auf Fortschritt und der gleich-zeitigen Gefahr von Regression und Isolation. Angesichts dieser Heraus-forderung sind wir davon überzeugt, dass unser Einsatz bei den Vereinten Nationen weiterhin unverzichtbar ist.

Im Namen der Generaloberen und der Vertreterinnen und Vertreter der Konferenz der Franziskanischen Familie möchte ich allen Schwestern und Brüdern sowie allen, die in den letzten drei Jahrzehnten direkt oder indi-rekt mit Franciscans International zusammengearbeitet haben, unseren Dank aussprechen und versichern, dass wir nicht nachlassen werden im Engagement für unsere gemeinsames Anliegen.

Pace e bene – Frieden und alles Gute im Namen der Konferenz der Franziskanischen Familie

Michael Perry OFM, Generalminister des Franziskanerordens

Mitglieder der Konferenz der Franziskanischen Familie (2020)• Michael Perry OFM • Carlos Alberto Trovarelli OFMConv • Roberto Genuin OFMCap

• Amando Trujillo Cano TOR • Deborah Lockwood IFC-TOR • Tibor Kauser OFS

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WIe alles anFIng: Franziskanische Stimmen bei denVereinten NationenBruder Dionysius Mintoff OFM spre-chen zu hören, bedeutet, von Bezie-hungen zu hören - seien es göttli-che, menschliche oder historische. Er wurde auf Malta geboren und entwickelte ein Gespür für den Platz der Insel in der Geschichte als Drehscheibe zwischen verschie-denen Welten, sei es in der Antike oder während des Ersten Welt-kriegs. In seinem Sinne versucht er immer noch, unsere Beziehungen für das Gemeinwohl zu gestalten.

Im Jahr 1971 gründete er das „John XXIII Peace Lab“. Dieses „Friedensla-bor“ ist ein offener Treffpunkt auf dem Gelände eines ehemaligen Luftwaffenstützpunktes, der Schau-platz schwerer Kampf während des Krieges war. Mit seinen 88 Jahren arbeitet Bruder Dionysius immer noch dort und unterstützt jetzt die vielen Flüchtlinge, die die gefährli-che Reise übers Mittelmeer bis zur Insel auf sich genommen haben. Jede und jeder dieser Flüchtlinge hat eine Geschichte, die zutiefst persönlich und doch untrennbar mit globalen Ereignissen verbun-den ist, die von weit entfernten politischen Entscheidungsträgern bestimmt werden. Diese welt-

weit wirkenden Verflechtungen und Abhängigkeiten hatte Bruder Dionysius vor Augen, als ihm die Idee einer franziskanischen Präsenz bei den Vereinten Nationen kam.

„Es gibt eine Geschichte in unserem Orden, in dem der Papst die Fran-ziskaner aufforderte, eine kirch-enweite Beratung durchzuführen, weil kein anderer Orden so weit verbreitet ist“, erzählt Bruder Dionysius. „Ich erkannte, dass dies auch umgekehrt funktionieren könnte: Wenn wir Franziskaner überall sind, warum können wir dann nicht die Stimmen der Ausgegrenzten zu den Mächtigen bringen?“

Seine Idee fand großen Anklang bei der verstorbenen Schwester Eliza-beth Cameron von den Schwestern des Heiligen Franziskus aus Clinton, Iowa. Als sie 1994 verstarb, stand im Nachruf, dass sie eine Weltrei-sende und ein engagiertes Mitglied mehrerer nationaler und interna-tionaler Organisationen gewesen war, die Advocacy-Arbeit (Lobb-yarbeit für die Entrechteten) leis-ten. Sie war darüber hinaus auch über 40 Jahre lang Lehrerin und

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die lokale Leiterin von Program-men wie Head Start, die unmittel-bare Auswirkung auf das Leben der Menschen hatten.

1982 schrieben Bruder Dionysius und sie gemeinsam einen Brief an die Franziskanische Familie in den Vereinigten Staaten und stellten ihre Idee einer Verbind-ung vor zwischen der Basisarbeit der Schwestern und den Brüder und denen, die auf globaler Ebene Entscheidungen: Die Fran-ziskanische Familie sollten sich um eine ständige Präsenz bei den Vere-inten Nationen bemühen.

Diese Idee waren bereits tief in den Wurzeln der franziskanischen Bewegung anlegt. Franziskus selbst schrieb an die „Herrscher der Völker“ und erinnerte sie daran, dass auch sie „am Tag des jüngsten Gerichts vor Gott Rech-enschaft ablegen müssen“ - das Gegenstück der Forderung nach Rechenschaftspflicht aus dem 13.

Jahrhundert. 800 Jahre nach dem Besuch Franziskus im Heiligen Land wird sein Treffen mit dem Sultan immer noch als Inspiration für den internationalen und interreligiösen Dialog angesehen. Schwester Eliza-beth und Bruder Dionysius fanden schnell Unterstützung bei ihren Schwestern und Brüdern , und so begann der Aufbau diesen neuen, interfamiliären Dienstes.

Die Idee traf auch auf Resonanz bei jenen, die bereits mit Basis-gemeinden zusammenarbeiteten. „In den 80er Jahren stellten wir fest, dass die Probleme, mit denen wir konfrontiert waren, keine Probleme der jeweiligen Region waren. Bei Besuchen in Peru oder Kolumbien stellte ich die gleichen Probleme fest, mit denen wir in Bolivien konfrontiert waren“, sagt Bruder Ignatius Harding OFM, der später Mitgeschäftsführer von FI wurde. „Als wir von der Idee der franziskanischen Präsenz bei den Vereinten Nationen hörten, klang

dies wie die logische Ergänzung zu unserer Arbeit in den Kommis-sionen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.“

Bruder Kevin Smith von den Fran-ciscan Brothers of Brooklyn war einer der ersten, der sich dafür einsetzte, die Idee so umzusetzen, wie es dwen Erfordernissen der Arbeit bei den Vereinten Nationen entsprach. Ihm wurde schnell klar, dass die Franziskaner offene Türen einrannten. Bruder Kevin erin-nerte sich an ein Treffen mit Robert Müller, damals assoziierter Gener-alsekretär der Vereinten Nationen, dem er die Idee der Bildung einer franziskanischen, Nichtregierung-sorganisation (NGO) bei den Vere-inten Nationen vortrug. Müller – später als „Philosoph der Vereinten Nationen“ bezeichnet – antwor-tete einfach: „Warum haben Sie so lange gebraucht, um darauf zu kommen?“

FI-Mitbegründerin Elizabeth Cameron OSF

Von links nach rechts: Dionysius Mintoff OFM, Kevin Smith OSF, Ignatius Harding OFM und Kathie Ulher OSF

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1989 wurde FI vom UN Depart-ment of Public Information aner-kannt und offiziell festgestellt, dass die neue franziskanische Institution alle Voraussetzungen für eine nachhaltige Arbeit bei den UN mitbringt. Als Geschäfts-führer war Bruder Kevin maßge-blich daran beteiligt, dass FI sechs Jahre später als NGO der Kategorie I anerkannt wurde. Dies bedeutete, dass die Franziskaner nun aktiv an den UN-Beratungen teilneh-men konnten und gegebenenfalls auch Schwestern und Brüder aus den betroffenen Ländern einladen konnten, ihre Zeugnisse persönlich abzugeben.

„Wir haben immer Leute hinzugezogen, die direkt mit Prob-lemen befasst waren. Für die diplo-matischen Vertretungen bedeu-tete das viel: Menschen vor Ort zu haben, die bei Treffen sprechen konnten „, sagt Schwester Kathie Ulher von den Franziskanerinnen von Allegany und Mitgeschäfts-führerin von FI.

„Egal um welches Land es sich handelte, es war immer ein Mitglied der Franziskanischen Familie da, die oder den wir bitten konnten, sich einzubringen. Finan-ziell war es desaströs. Oft mussten wir selbst die Reisen zu Treffen

bezahlen. Aber innerhalb der Fran-ziskanischen Familie gab es viel Unterstützung, wir erfuhren nie Ablehnung. Wenn du um etwas gebeten hast, haben sie es getan.“

Im Laufe der Jahre gab es eine Reihe an Umstrukturierungen. FI musste sich weiterentwick-eln, um als Organisation, die die gesamte Franziskanische Familie in einer sich ständig verändern-den Welt repräsentiert, relevant und einflussreich zu bleiben. Der Gründungsimpuls von Schwester Elizabeth und Bruder Dionysius blieb jedoch unverändert.

„Für uns war und ist das Wichtigste, dass die Menschen, die sonst keine Stimme haben, gehört werden. Die Menschen, die gegenwärtig am stärksten vom Klimawandel betrof-fen sind, können sich nie zu Wort melden“, sagte Bruder Ignatius. „Vom ersten Moment an sprachen wir bei FI nicht davon, ‘die Stimme der Menschen zu sein’, sondern davon, ‘den Menschen eine Stimme zu geben’.“ ■

Von links nach rechts: Monseigneur André de Witte, Kardinal Alvaro Ramazzini und Pfarrer Ralf Häußler bei den Vereinten Nationen in Genf

Markus Heinze OFM, Geschäftsführer von FI, begleitet Nathalie Kangaji SND bei der Vorbereitung einer Erklärung vor dem UN-Menschenrechtsrat

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1982In einem Brief an die Franziskanische Familie in den Vereinigten Staaten bringen Bruder Dionysius Mintoff OFM und Schwester Elizabeth Cameron OSF die Idee auf, eine franziskanische Präsenz bei den Vereinten Nationen aufzubauen. Ihr Vorschlag findet schnell Unterstützung und ein interfa-miliäres Komitee wird eingerichtet, um diesen neuen Dienst zu organis-ieren.

1989Das UN Department of Public Information erkennt Franciscans International offiziell als Nichtr-egierungsorganisation (NGO) bei den Vereinten Nationen an und bestätigt, dass alle Voraussetzun-gen für eine nachhaltige Arbeit bei den UN gegeben sind.

1990FI eröffnet das erste Büro in New York. In diesen Jahren sind es die Mitglieder, die die Organisation mit Jahresbeiträgen finanzie-ren.

Der frühere Geschäftsführerin Denise Boyle FMDM bei der UN Generalversammlung mit Bernadette Sullivan SFP und Kathie Ulther OSF

1997FI eröffnet ein zweites Büro in Genf, wo sich nach New York die zweitgrößte UN-Niederlassung befin-det. Als Sitz der Menschen-rechtskommission – und später des Menschen-rechtsrates – findet hier ein Großteil der Menschen-rechtsarbeit der Vereinten Nationen statt.

1995Der Wirtschafts- und Sozial-rat der Vereinten Nationen gewährt FI den «Generel-len Beraterstatus der ersten Kategorie«. Dieser höchste von den Vereinten Nationen zugesprochene Status spiegelt die Vertretung bedeutender Bevölkerungs-gruppen durch FI in einer Vielzahl von Fragen weltweit wider. Nur 52 anderen NGOs wurde in jener Zeit dieser Status gewährt.

Benedict Ayodi OFMCap, ehemaliges FI-Vorstandsmitglied, außerhalb der UN in Genf

Der frühere Geschäftsführer John Quigley OFMwährend einer Schulung im FI-Büro in Genf im Jahr 2007

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1999Die Konferenz der Franziskanische Familie (CFF) genehmigt eine neueCharta für FI, die ihre Rolle als offizieller Sponsor der Organisation formal-isiert, und ernennt einen Internationalen Vorstand (International Board of Directors, IBD), in dem alle Zweige der Franziskanischen Familie vertreten sind. Die Mitgliedsbeiträge werden abgeschafft, und die CFF erklärt, dass FI die gesamte Franziskanische Familie bei den Vereinten Nationen vertritt und deshalb finanzielle Unterstützung erhält.

2005FI bekommt eine ökume-nische Erweiterung, indem der anglikanische erste und dritte franziskanische Orden dem IBD beitre-ten. Eine große Spende der Kapuzinerkonferenz der Vereinigten Staaten ermöglicht die Einrichtung eines ständigen Afrika-Re-ferates.

FI-Vorstand im Jahr 2009

Die frühere verbindungsoffizier Odile Coirier FMM während eines Trainings für die anglikanischen

Franziskaner auf den Salomonen

2008FI eröffnet das dritte Büro in Bangkok, um die Kapazitäten der regionalen Franziskanische Familie auszubauen. Dieses Büro arbeitet auch mit der Wirtschafts- und Sozial-kommission der Vereinten Nationen für Asien und den Pazifik zusammen. Die Organ-isation ist auch in verschie-denen anderen regionalen

2013Nach einem intensiven Beratungsprozess beschließt die CFF die Umstruk-turierung von FI, um für eine Bündelung der Aktivitäten, mehr Trans-parenz und eine stärkere Anbindung an die Franziskanische Familie zu sorgen. Das Büro in Bangkok und verschiedene andere regionale Gruppen werden aufgelöst. FI übernimmt seine Rolle als Stimme „bei“ den Vere-inten Nationen und arbeitet im Namen und zusammen mit der Fran-ziskanischen Familie. In New York und Genf wird spezifisches technisches Fachwissen konzentriert und dadurch sichergestellt, dass jedes Mitglied der Franziskanische Familie, das die Vereinten Nationen auf ein Problem aufmerksam machen möchte, Unterstützung erfährt.

Leiterin des Büros Julie Morgan und Beth de Vera SFIC in Bangkok

Franziskaner nach einem Treffen mit der UN in Bangkok

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PublIkatIonen (2007)Armut in der Welt: Franziskanische ReflexionenDer heilige Franziskus machte eine wichtige Unterscheidung zwischen der grundlegenden Armut, die er praktizierte und allen vorschlug, und der unfreiwilligen sozialen Armut. Soziale Armut, diese vielfältigen Formen des Entzugs dessen, was für die menschliche Integrität unabdingbar ist - Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Arbeit, Bildung, Freiheit usw. - war ein Übel, das beseitigt werden musste.

In Armut in der Welt präsentieren Franciscans International und das Fran-ciscans International Study Center eine Sammlung von Aufsätzen, die die weitreichenden Auswirkungen der Armut auf der ganzen Welt unter-suchen und das internationale Menschenrechtsgesetz und die Lehren von Franziskus miteinander verbinden, um herauszufinden, wie dieses Prob-lem in der heutigen Welt angegangen werden kann. Auf Anforderung in Englisch und Deutsch erhältlich.

Die Internationale Franziskanerkonferenz des Dritten Ordens des Heiligen Franziskus (IFC-TOR) unterstützt nachdrücklich das Charisma von Franciscans International und seine Stimme gegenüber der Weltgemeinschaft. Es gibt viele Franziskanergemeinden des Drit-ten Ordens von Schwestern und Brüdern auf der ganzen Welt, die alle berufen sind, dem Evangelium zu folgen und den Ruf der Menschen-würde und ihrer Rechte der Armen zu reflektieren: Gerechtigkeit und Frieden.

FI arbeitet mutig daran, dass Feldpartner und Basisgemeinden in den an den stärksten gefährdeten Situationen auf die Forderungen nach Gerechtigkeit und Frieden reagieren. Durch Advocacy-Arbeit und Maßnahmen sowie durch Veröffentlichungen stellt FI durch einen auf Menschenrechten basierenden Ansatz unter uneinges-chränkter Beteiligung der betroffenen Gemeinden die größtmögliche Reichweite unter den ärmsten Gemeinden der Welt sicher.

Die Franziskaner auf der ganzen Welt haben einen standhaften Part-ner und Unterstützer angesichts einiger sehr schwieriger Situationen, insbesondere unserer Brüder und Schwestern an den Peripherien, mit denen wir immer wieder von Papst Franziskus gerufen werden.”

Deborah LockwoodPräsidentinInternationale Franziskanerkonferenz des Dritten Ordens des Heiligen Franziskus

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benIn:Anstöße für Veränderung von der BasisIn das kleine Dorf Kika zu gelan-gen, ist keine einfache Aufgabe. Erst geht es für sechseinhalb Stunden gen Norden von Cotonou aus, Benins größter Stadt über die Landstraße und dann weiter für 100 Kilometer über unebene Feld-wege, dafür weitere vier Stunden zu veranschlagen sind. Doch die strapaziöse Fahrt schreckt Bruder Auguste Agounkpé OFMCap und seine zwölf Begleiter nicht ab. Sie haben sich in zwei Autos zusam-mengequetscht, um die Reise anzutreten. Innerhalb der nächsten drei Tage werden sie Kika und zwei weitere in der Gegend gelegene Dörfer besuchen, um über rituelle Kindstötungen in Nordbenin zu sprechen.

Nach der dortigen Tradition gibt es viele Anzeichen dafür, dass ein „Hexenkind“ geboren wird. Das Baby kann falsch herum im Mutter-leib liegen und mit Blick zum Boden oder mit den Füßen zuerst auf die Welt kommen. Die Wehen könnten verfrüht einsetzen oder die Mutter bei der Geburt sterben. Andere „Hinweise“ zeigen sich erst später, beispielsweise wenn ein Kind in ungewöhnlicher Reihen-folge zahnt. Die Menschen glau-

ben, dass solche „Hexenkinder“ ihren Familien schweren Schaden zufügen werden. Die Tötung des Kindes soll daher die Gemeinschaft zu schützen.

Die genaue Anzahl der Kinder, die der Hexerei beschuldigt und getötet oder verlassen wurden, ist unbekannt - sicher ist jedoch, dass diese Tradition fortbesteht. Der 1930 geborene Pater Pierre Bio Sanou aus Bariba in Nordbenin war einer der ersten und lautstärksten Gegner des rituellen Kindsmor-des, der die Praxis seiner eigenen Gemeinde kritisierte. „Angesichts der Geißel forderte ich den Henker in meiner Gemeinde auf, alle Morde zu stoppen, und bat, mich jedes Mal zu informieren, wenn eine Fami-lie die Tötung eines Kindes beant-ragte“, erinnerte er sich später an ein Gespräch bei den Vereinten Nationen. Insgesamt wird Pater Pierre die direkte Rettung von über 200 Kindern zugeschrieben.

Die Franziskanische Familie in Benin unterstützte seinen Kampf. Gemeinsam machten sie sich nicht nur daran, Kinder in unmit-telbarer Gefahr zu retten, sondern auch systemische Veränderungen

Kinder während einer Kampagnenveranstaltung in Nordbenin

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herbeizuführen und die Praxis des rituellen Kindsmordes vollständig auszurotten. „Das ist nicht immer einfach“, erklärt Bruder Auguste. „Wir müssen den Menschen erklären, warum ein bestimmtes Element ihrer Tradition schädlich ist, während andere Teile den Gemeinden immer noch sehr zugute kommen.“

Die Franziskanische Familie in Benin erkannten, dass sie nicht nur die Unterstützung der Gemein-den und deren traditionellen Führer benötigen würden, um den Strukturwandel herbeizuführen, sondern auch Druck auf die Regierung ausüben mussten. 2012

nahmen sie an einer Ausbildung für Menschenrechtsverteidiger von FI in Genf im Jahr teil. Im Anschluss daran, war ihnen klar, dass sie eine offizielle Organisation gründen mussten, um Gehör zu finden: Franciscains-Benin war geboren.

Aufgrund des Beraterstatuses konnte FI die Franziskanische Fami-lie aus Benin dabei unterstützen, ihr Wissen über den Umgang mit „Hexenkinder“ den UN-Exper-ten im Rahmen der Überprüfung der Menschenrechtsbilanz des Landes bekannt zu machen. Durch diese Advocacy-Arbeit wurde das Bewusstsein für diese Problema-tik auch in andere Mitgliedstaaten

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geschärft und an die dortigen Regierungen herangetragen und Gegenmaßnahmen eingefordert. Der dadurch entstandene öffen-tliche Druck trug unter anderem dazu bei, dass die Nationalversam-mlung Benins 2015 einen neuen Kinderkodex verabschiedete, der spezielle Bestimmungen zum Schutz von Säuglingen enthält, denen Hexerei vorgeworfen wird. Der Kodex erklärt rituellen Kinds-mord zu einem Verbrechen, das mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden kann.

Die Arbeit der Franziskaner in Benin und Genf wurde von UNICEF als eine erfolgreiche Methode für die

Zusammenarbeit zwischen Basis-organisationen und internatio-nalen Organisationen herausgeho-ben. Ein Untersuchungsbericht zur Arbeit von FI aus dem Jahr 2019 vermutet, dass „der Rückgang von Kindstötungen das Ergebnis der Arbeit der Franziskanischen Fami-lie in Benin ist“. Wenngleich das Aussetzen der Kinder auch große Herausforderungen mit sich bringt, ist es doch so, dass die Babys über-leben. Die Franziskanische Familie unternimmt große Anstrengungen, um diese Arbeit langfristig abzusi-chern und die verlassenen Kinder, denen Hexerei vorgeworfen wird, zu schützen. So wurde kürzlich ein großes Stück Land im Norden

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gekauft und es werden Spenden gesammelt, um dort ein Haus, eine Schule und eine Kirche für die Kinder zu bauen.

Solange Kindern bei der Geburt Tötung oder Aussetzung droht, setzen die Franziskaner in Benin ihre Sensibilisierungskampagnen an der Basis fort. Als sie in Kika ankommen, stellt das Team von Bruder Auguste einen großen Satz Lautsprecher auf und schaltet die Musik ein. Anstelle eines strengen Vortrags werden sie heute die posi-tive Botschaft über das Bewusst-werdens der eigenen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten überbringen.

In den nächsten Stunden wird das Team von traditionellen Anführern unterstützt, die sich an die Männer wenden. An einem anderen, behüteten Ort diskutieren Frauen, was sie tun können, wenn sie befürchten, dass ihre Babys der Hexerei beschuldigt werden, und wie sie die lokalen Beratungsstel-len erreichen, die Franciscans-Be-nin eingerichtet hat. Anschließend wird die Dorfgemeinschaft zusam-mengebracht, um auszutauschen, was erarbeitet wurde. Morgen wird das Team in die nächste Stadt weiterziehen, aber wenn die Sonne untergeht, tanzen erst mal alle miteinander. ■

Frauen während einer privaten Veranstaltung zur Verhinderung von rituellen Kindstötungen

Franziskaner und Menschenwürde

Hinter der oft erwähnten Höflichkeit und dem Personalismus von Franz von Assisi stand eine religiöse Überzeugung: Jeder Mensch ist ein Geschenk des Schöpfergottes. Der Sonnengesang des Franziskus‘ ist durchdrungen von dem Gedanken, dass jede Kreatur, ob menschlich oder nicht, die ganze Schöpfung – belebt oder unbelebt – ein Geschenk Gottes ist. Deshalb werden sie als Bruder oder Schwester angesprochen, weil Franziskus sah, dass alle Kreaturen vereint, dass sie von einem liebenden Gott geschaffen worden sind. Diese Überzeugung veranlasste Franziskus, Aussätzige zu umarmen, Tieren zu predigen und Gott für die Grundelemente wie Feuer und Wasser zu preisen.

Franziskus war sich der biblischen Berichte über die Schöpfung bewusst und wusste, dass die menschliche Person in besonderer Weise, als nach dem Abbild Gottes geschaffen angesehen wird. Das führte ihn nicht dazu, die Heiligkeit der gesamten Schöpfung zu ignorieren; es führte Franziskus zu einem besonderen Respekt vor der menschlichen Person als Manifestation der fortwährenden Gegenwart Gottes im Universum.

In der franziskanischen Tradition ist die Idee der Heiligkeit des Menschen fest verankert. Bei dem Versuch, diese Überzeugung anderen - Gläubigen und Ungläubigen - mitzuteilen, wurde der Anspruch auf Heiligkeit oft in die Sprache der Menschenwürde übersetzt. Jeder Mensch hat eine angeborene Würde, die nicht das Ergebnis von sozialem Status, wirtschaftlicher Produktivität oder politischer Macht ist. Es ist die Folge davon, eine menschliche Person zu sein.

Um dem Anspruch auf die Heiligkeit der Person oder die Menschenwürde einen genaueren Inhalt zu verleihen, hat sich die zeitgenössische Sprache der Menschenrechte entwickelt, um Fleisch auf das Skelett der Würde zu bringen. Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte ist ein moderner Weg, um die franziskanische Überzeugung zu artikulieren, dass jeder einzelne Mensch heilig ist, weil er eine Schöpfung unseres liebenden Gottes ist.

Kenneth R. Himes OFMProfessor für Theologie am Boston College

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DIe FranzIskanIsche FamIlIe: Eine lange und vielfältige Tradition

Die weltweite Franziskanische Familie ist eine große und vielfäl-tige Familie. Seit der Zeit des heiligen Franziskus und der heili-gen Klara haben Schwestern und Brüder im Laufe der Geschichte verschiedene Wege gefunden, ihr Leben und ihre Gemeinschaften so zu gestalten, dass ihrem Charisma entspricht.

In der Konferenz der Fran-ziskanische Familie (CFF) sind diese verschiedenen Zweige und Tradi-tionen vereint. Dazu gehören die Generalminister der ersten Orden, des regulierten dritten Ordens und des weltlichen Zweiges des Drit-ten Ordens sowie der Präsident der Internationalen Franziskanischen Konferenz der Schwestern und Brüder des regulierten Dritten Ordens (IFC-TOR).

Die CFF unterstützt Franciscans International als ihre Stimme bei den Vereinten Nationen und ernennt die Mitglieder des Inter-nationalen Vorstandes von FI, was wiederum die verschiedenen franziskanischen Zweige abbil-det. Die Botschaft von Franzi-skus und Klara ging weit über die katholische Kirche hinaus, deshalb sind auch die anglikanischen fran-ziskanischen Gemeinschaften im

Internationalen Vorstand von FI vertreten, wenngleich sie nicht Teil der CFF sind.

FI ist die erste gemeinsame Institu-tion auf internationaler und inner-familiärer Ebene in der Geschichte der franziskanischen Bewegung.

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PublIkatIonen (2013)Entwicklung: Nachhaltig für wen?Während nachhaltige Entwicklung im Allgemeinen als verantwortungs-bewusst und gerecht angesehen wird, ist es unter der Oberfläche auch ein Konzept, das zu einer viel größeren Debatte führt: Was sind die konk-reten Realitäten hinter der sogenannten Entwicklung für Basisgemeinden und die Umwelt? Wer profitiert wirklich von der Entwicklungspolitik? Was sind – unter einem ganzheitlichen Blickwinkel – die tatsächlichen Kosten dieser Politik?

Franciscans International untersuchte das Konzept der nachhaltigen Entwicklung sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern, ohne sich in der Fachsprache zu verlieren. Dieses Buch bietet den Leserinnen und Lesern einen Ausgangspunkt, um diese Politik als informierte Bürger zu beeinflussen. Auf Anforderung in Englisch und Französisch erhältlich.

„Franciscans International bietet der Franziskanischen Familie und allen Freundinnen und Freunden an der Basis die Möglichkeit, das, was sie sehen und hören, zu nutzen und es zu einer Stimme bei den Vereinten Nationen zu machen. Unsere Stärke liegt sicherlich in den vielfältigen Beziehungen, die wir zu allen Menschen in der Gesellschaft haben. Durch FI können wir diejenigen stärken, die am stärksten von Ungerechtigkeit, Gewalt und Umweltzerstörung betroffen sind, und ihnen helfen, mit denjenigen bei den Vereinten Nationen zu sprechen, die politische Maßnahmen treffen und überwachen. FI schließt sich mit anderen Menschen zusammen und hilft beim Aufbau der Menschlichkeit!”

Christopher JohnGeneralminister

Gesellschaft St. Francis

„Franciscans International verstärkt die Stimme und Erfahrung der Fran-

ziskanischen Familie. Gemeinsam können wir die Stimmen der Ärmsten

in den Korridoren der Macht hören lassen. Ich gehöre zu einer kleinen

Gemeinschaft, die dies alleine nicht konnte, und deshalb schätze ich es sehr,

Teil einer weltweiten franziskanischen Organisation zu sein, die bei den Vere-

inten Nationen franziskanische Werte und Prioritäten einbringt.”

Helen Julian Generalministerin

Gemeinschaft St. Francis

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WestPaPua:Die Stimmen der Basis zu Gehör bringenYuliana Langowuyo begann ihr Jurastudium 1998, im selben Jahr begann ihr Heimatland mit dem, was heute reformasi genannt wird. Nach dem Rücktritt von Präsident Suharto und dem Ende der drei Jahrzehnte dauernden Diktatur erlebte Indonesien eine Reihe turbulenter Umbrüche. Yuliana stammt aus Westpapua, daher verbanden sich damit auch Fragen für ihre eigene Zukunft.

In ihrer Kindheit und Jugend hatte sie häufig Gewalt und Unruhen erlebt, aber als ein älterer Student ihrer Fakultät von den indone-sischen Sicherheitskräften getötet wurde, änderten sich die Dinge. „Eines Tages hörte ich auf dem Weg zum Campus, dass er auf einem nahegelegenen Feld erschossen worden war. Ich war schockiert, es war eines der Dinge, die mich persönlich tief getroffen haben „, erinnert sie sich. „Obwohl ich nach meinem Abschluss nicht wusste, was ich tun sollte, war mir ange-sichts der Situation in Papua klar, dass ich nicht als Beamte für die Regierung arbeiten kann.“

Yuliana beschloss, ihre Ausbildung als Anwältin zu nutzen, um sich

stattdessen Menschenrechtsar-beit zu widmen. Dies führte 2010 dazu, dass sie in der Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (JPIC) des Franziskanerordens mitarbe-itete, zunächst ehrenamtlich und später als Angestellte. Ihre Grun-dentscheidung für die Menschen-rechtsarbeit führte dazu, dass sie Menschen aus Westpapua vor Gericht verteidigte; oftmals ging es dabei um Diskriminierung, wirtschaftliche oder religiöse Inter-essenskonflikte, Nationalstolz und die tiefen Narben, die die Kolonial-zeit hinterlassen hatte.

Indonesien hatte 1945 offiziell seine Unabhängigkeit erklärt. Doch selbst nachdem die Vereinten Nationen dies vier Jahre später offiziell anerkannt hatten, blieben die Gebiete, die heute Papua und West-Papua sind, unter niederlän-discher Kontrolle. Erst 1962 vermit-telte die UNO ein Abkommen, das der Bevölkerung Papuas das Recht einräumte, eigene Entscheidungen zu treffen: unabhängig zu werden oder Indonesien beizutreten. Sieben Jahre später entschieden sich 1.026 Vertreter einstimmig für Letzteres.

Binnenvertriebene fliehen vor Gewalt in Nduga, Westpapua

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Dieses Ergebnis wurde von vielen Bewohnerinnen und Bewohnern Papuas abgelehnt; der Haupt-einwand war, dass die Vertreter »handverlesen« und nicht repräsentativ gewesen seien und weniger als 1 Prozent der Bevölker-ung ausmachten. Das umstrittene Referendum löste drei Jahrzehnte angespannter und manchmal gewalttätiger Konflikte aus, die bis zu 400.000 Todesfälle verursacht haben könnten.

Die indigene Bevölkerung Papuas, die sich kulturell und ethnisch von weiten Teilen Indonesiens unter-scheiden, fühlen sich diskriminiert und äußerten die Befürchtung, in ihrem Heimatland durch Massene-inwanderung aus dem restlichen Indonesien „ersetzt“ zu werden. Nur fünf Minuten vom Kloster entfernt, in dem Yuliana arbeitet, kommen im Hafen von Jayapura Woche für Woche große Frachtsch-iffe an, die Menschen und Vorräte an Land bringen. Nach Angaben der indonesischen Behörden geschieht dies zur Weiterentwicklung der Insel und zur Verbesserung der Lebensqualität. Aus Sicht der Ureinwohner dient dies aber der Rohstoffgewinnung. Große Teile der Wälder der Insel – von denen sie traditionell für ihren Lebensun-terhalt abhängig sind – werden

unterdessen in Palmölplantagen verwandelt.

In der Zwischenzeit unterdrücken die Behörden weiterhin alle Forderungen nach Selbstbestim-mung. Im Jahr 2019, als Studenten eine indonesische Flagge abrissen, feuerte die Polizei Tränengas in ihre Schlafsäle. Mit der Behauptung, die Studenten hätten sich rassistischer Beleidigungen und gewalttätiger Proteste schuldig gemacht, wurde eine einwöchige Internet-Abschal-tung und das harte Durchgreifen der Sicherheitskräfte gerechtfer-tigt.

Yuliana selbst wurde fast zum Opfer, als sie Jahre zuvor an einem Protest teilnahm. „Während einer Demonstration wurden die teilneh-

menden Seminaristen und Priester der Franziskaner und Augustiner beinahe absichtlich vom Polizeiwa-gen angefahren. Wir sind wegge-laufen, um unser Leben zu retten, und fünfzehn von uns wurden von der Polizei festgenommen „, erinnert sie sich. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Sicherheitskräfte so mit Seminaristen und Priestern umgehen würden. Uns machte das damals klar, dass jeder zum Opfer werden kann.“

Journalisten und Menschenrecht-sexperten der Vereinten Nationen benötigen die Erlaubnis der indo-nesischen Regierung, um Papua zu besuchen. Die Genehmigung wird regelmäßig verweigert. Unter diesen Umständen ist es äußerst schwierig, zuverlässige und aktu-

elle Informationen zu erhalten. FI und die Franziskaner vor Ort haben in dieser kritischen Situation Abhilfe geleistet.

Brüder des Franziskanerordens trafen erstmals 1937 in Papua ein und waren von Anfang an der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet. Bruder Herman Münninghoff OFM, emer-itierter Bischof von Jayapura, erinnert sich, dass nur 15 Proz-ent der Missionsarbeit die Reli-gion und die Kirche betrafen. „Der Rest dreht sich um medizinische Fragen, Gesundheitsfürsorge und kulturelle Angelegenheiten, für die sie nicht ausgebildet wurden“, schrieb er später. „Ich denke aber, das war eigentlich das Wichtigste.“

Mädchen in Wamena tragen traditionelle papuanische Kleidung

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Durch ihre starke Verwurzelung in den Gemeinden gelingt es den dort tätigen Franziskanern, auch Informationen in abgeschiedenen Gemeinschaften zu sammeln. Nachdem sie an Schulungen von FI teilnahmen, wissen sie auch, wie die Zeugenaussagen doku-mentiert werden müssen, damit sie den Standards entsprechen, die die internationale Gemeinschaft erwartetet. Über das FI-Netzw-erk werden diese Informationen nicht den Vereinten Nationen zur Verfügung gestellt, sondern auch im Vatikan in Rom mit wichtigen Diplomaten und anderen Inter-essengruppen geteilt.

Informationen fließen auch in die andere Richtung: In den Jahren 2017 und 2019 erteilte Indonesien zwei Sonderberichterstattern die seltene Erlaubnis, West-Papua zu besuchen. FI arbeitete mit der loka-len Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöp-fung zusammen, um sicherzus-tellen, dass die beiden Menschen-rechtsexperten tatsächlich die Menschen und Organisationen vor Ort treffen konnten, die die für sie wichtigen Informationen bereithielten. Diese Aktivitäten der Franziskaner waren allerd-ings nicht folgenlos. Die Fran-ziskaner in West-Papua mussten

feststellen, dass sie nunmehr von den Sicherheitskräften genau beobachtet werden. Sie setzen ihre Arbeit trotzdem fort, getra-gen durch ihren Glauben und von der Unterstützung, die sie von ihren Schwestern und Brüdern im Ausland erhalten.

„Meine Arbeit zur Verteidigung der Menschenrechte der Papua ist inspiriert von meinem Verständnis dessen, was Jesus uns gelehrt hat“, erklärt Yuliana. »Er sagte: ›Denn ich hatte Hunger und du hast mir etwas zu essen gegeben. Ich war im Gefängnis und du bist gekom-men, um mich zu besuchen.‹ Also versuche ich, den Unterdrückten die guten Nachrichten zu bringen und denen, die nicht wissen, wo sie Hilfe finden, zu helfen.« ■

Yuliana Langowuyo in Jayapura

Wenn ich die Schriften, die die heilige Klara von Assisi uns hinterlassen hat, immer wieder lese, wächst ein Gespür dafür, wie sehr die Armut die Grundmelodie ihres Lebens war, die für alle Lebensbereiche den Ton angab. Dabei geht es nicht um asketische Höchstleistungen, sondern Armut in ihrem Sinn ist im Grunde Liebesfähigkeit.

Und so verwundert es nicht, dass sogar noch vor dem Anspruch der radikalen Armut für sie der versöhnte Umgang miteinander im gemeinschaftlichen Leben steht, in dem sich die gelebte alltägliche Armut vollzieht. Genau in der Mitte des geistlichen Testamentes, das uns von Klara überliefert ist, steht ein Abschnitt, der für mich Armut und Frieden direkt miteinander in Verbindung setzt. Mit meinen Worten gesagt: Klara schaut zurück auf die schwierigen Zeiten ihres Lebens, kurz nach dem Tod des hl. Franziskus, und erinnert sich, wie bedrohlich sie an anderen und an sich selbst Schwäche wahrnimmt, für die sie durch den Tod des Heiligen jegliche Stütze und jeglichen Halt verloren hatte. Und sie sieht, wie in solchen Zeiten Spannungen und Streitigkeiten entstehen. Es war zumindest für Klara eine Krisenzeit.

Sie hat in der Situation keine Hilfe von außen geholt; niemand sollte mit Autorität diese Spannungen aufheben. Sie hat sich mit ihren Schwestern zusammengesetzt und gemeinsam mit ihnen genau und schonungslos das angeschaut, was Ursache für Spannung und Streit sein kann. Und die Lösung lag dann in einem freiwilligen Akt der Armut: es heißt dort, dass sie sich „immer und immer wieder der heiligsten Herrin Armut freiwillig verpflichtet haben“.

Das bedeutet nichts anderes als, immer und immer wieder den eigenen Anspruch loszulassen und der anderen durch mein freiwilliges Loslassen Raum zum Leben zu eröffnen. Armut könnte hier darin gelebt werden, den Raum des Hörens füreinander nicht durch die eigenen Wünsche und Forderungen zu verstellen, sondern ihn frei zu halten, dass Gottes Wort darin klingen kann – damals wie heute.

Ancilla Röttger OSCÄbtissin der armen Klara in Münster

Franziskaner, Armut und Frieden

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“Diese ersten 30 Jahre der Arbeit als Francis-cans International haben es ermöglicht, dass die

Stimme der Armen der Erde auf der höchsten Tribüne unserer Welt, die stolz darauf ist, zivilis-iert zu sein, gehört wird. Dennoch erlebt unsere

Welt jeden Tag Gewalt in all ihren Formen und sehnt sich immer noch nach einer Zukunft

wahrer Geschwisterlichkeit, Gerechtigkeit und Freiheit. Der Schrei der Erde, unserer

gemeinsamen Heimat, wird immer lauter, aber die Ohren vieler sind immer noch gleichgültig.

Der Preis wird von allen bezahlt, besonders von den Schwächsten und Ärmsten. Möge durch FI

die Zusammenarbeit zwischen franziskanischen Schwestern und Brüdern weiterwachsen und sich

entwickeln und zu einem immer lauteren Lied der Hoffnung, des Friedens und der Harmonie

für das Leben in unserer Welt werden!”

Amando Trujillo CanoGeneralministerRegulierter Dritter Orden

“Franciscans International ist eine Organisation, die nun schon 30 Jahre lang repräsentiert, an was es in unserer Welt oft fehlt, auch heute noch: Einigkeit, Solidarität, eine Stimme für die Armen, Ehrfurcht vor der Schöpfung. Es ist eine gemeinsame Initiative der Franziskanischen Familie, in der alle Franziskanischen Orden, eingeschlossen der Säkularorden, ihre guten Ziele vereinen: Förderung der Solidarität mit jenen, die an den Rand gedrängt werden, Lobbyarbeit für jene, denen ein gerechter Anteil an den Gütern der Erde verweigert wird, Aufruf zur Achtsamkeit inmitten vieler ökologischer Bewegungen und Unternehmungen, die immer noch die Ehrfurcht missen lassen vor «allen Geschöpfen, belebten und unbelebten, die ein Abdruck des Allerhöchsten sind.» (Franz von Assisi). FI stand stets für diese Ziele.”

Tibor Kauser Generalminister

Franziskanischer Säkularorden

PublIkatIonen (2014)Franziskaner in Papua

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verließen Franziskaner ihre Heimat in den Niederlanden, um ihr Leben mit den indigenen Völkern Papuas zu teilen. Sie gaben Zeugnisse ihres Glaubens in verschiedenen Perioden und sozialen Situationen, indem sie gemeinsam mit den Papua um deren Würde kämpften.

Seit über zwei Jahrzehnten unterstützt FI die Mission der Brüder, friedli-che und dauerhafte Lösungen für die Probleme in Papua durch Advoca-cy-Arbeit auf internationaler Ebene zu finden. Diese Kampagne wurzelt in der Geschichte und Arbeit der Brüder, die in diesem Buch als wahrhaf-tige Garanten der Menschenwürde beschrieben werden. Auf Anfrage in englischer Sprache erhältlich.

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FrancIscans InternatIonal:Was wir zur Sprache bringen

Franciscans International hat in den vergangenen 30 Jahren gezeigt, dass internationale Unter-stützung und Solidarität zur Veränderung beitragen können. Durch die Unterstützung der Fran-ziskanische Familie und anderer religiöser Gemeinschaften auf der ganzen Welt war die strategische Advocacy-Arbeit bei den Vereinten Nationen überhaupt erst möglich. Es konnten Netzwerke aufgebaut und Fachkenntnisse zur Verfügung gestellt werden zur Förderung des Friedens, der Menschenwürde und der Bewahrung der Schöpfung.

Aus diesem Grund unterstützen wir in vielen Ländern kontinuierlich die Advocacy-Arbeit der lokalen franziskanischen Gemeinschaften und ihrer Partner sowie der natio-nalen und regionalen Netzwerke, zu denen sie gehören. Sie haben es in der Hand, Regierungsbeam-ten, Diplomaten und UN-Experten auf die negativen Folgen der aktu-ellen und der geplanten Politik hinzuweisen: Vorbehalte kommen zur Sprache, an Entscheidung-sprozessen wird teilgenommen und Entscheidungsträger werden überzeugt. Das alles ist wichtig!

Oftmals ist es aber das Wichtig-ste, dass dadurch die Würde von Menschen, die ausgegrenzt und entrechtet sind, wiederhergestellt werden kann. Wir leisten diese Arbeit gemeinsam mit Ihnen, weil wir der Ansicht sind, dass Advocacy-Arbeit eines der effektivsten Mittel ist, um nach-haltige Lösungen zu schaffen und umzusetzen. Dies bewirkt echte und positive Veränderungen.

1. Anbindung schaffenWir verbinden nationale und inter-nationale Advocacy-Arbeit durch unseren Präsenz und unser Know-how bei den Vereinten Nationen.

4. Netzwerke aufbauenWir verbinden franziskanische Gemeinschaften und ihre Partner mit anderen, die in ihren Gemein-schaften mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, um Erfahrungen auszutauschen und sich zusam-menzuschließen, um Veränderun-gen herbeizuführen.

3. Stimme gebenWir schaffen Möglichkeiten für franziskanische Gemeinschaften und ihre Partner, ihre Beden-ken zu äußern und den Druck auf ihre Regierungen bei wichti-gen UN-Mechanismen, und bei Menschenrechtsexperten und Diplomaten zu erhöhen.

2. Kapazitäten aufbauenWir bauen die Kapazität unserer Partner vor Ort auf, um Menschen-rechtsverletzungen zu überwachen und nachdrücklich anzuprangern.

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Evidenzbasierte Advocacy-Arbeit und fachkundige Beratung

Weitergabe von Vorbehalten und überprüfte

n Inform

ation

en

Verfolgung relevanter UN-Aktivitäten

Kapazitätsaufbau und Wiss

ensausta

usch

Bedenken, Herausforderungen und Probleme teilenGemeinschaften

Vereinten Nationen

Förd

erung und Schutz d

er Menschenrechte

Unterstützung leisten

Franziskanischen Familie

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“Franziskaner zu sein bedeutet, Christus zu folgen in den Fußspuren von Franziskus und Klara und so das Evangelium auf ihre Weise zu

leben. 1956 sagte Papst Pius XI. „Die Spiritualität eines Heiligen ist nichts anderes als seine besondere Art, Gott darzustellen, über ihn zu sprechen, zu ihm zu gehen, mit ihm zu behandeln ... Es gibt

eine franziskanische Art, über Jesus nachzudenken, ihn zu lieben, ihn nachzuahmen. Die Welt braucht diesen franziskanischen Geist, diese franziskanische Lebensvision.“ (Vorreux und Pembleton, Eine kurze

Geschichte der Franziskanische Familie, S. 105)

Diese franziskanische Lebensvision konzentriert sich auf Gottes unendliche Liebe zu allen Menschen und zur gesamten Schöpfung. Bei Franciscans International kommen die verschiedenen Teile der Franziskanischen Familie konfessionsübergreifend zusammen, um

diese franziskanische Vision für das Leben anzubieten: Liebe in Gerechtigkeit, Großzügigkeit, Mitgefühl, Güte und Frieden. FI bietet uns beide Ressourcen: Zum einen um uns in Fragen des Mitgefühls,

der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung in unseren loka-len Gemeinschaften zu engagieren. Zum andern ermöglicht FI, diese Themen bei den Vereinten Nationen anzusprechen und den Stimmen Geltung zu verschaffen, die zu oft zum Schweigen gebracht werden.

Das gibt Leben für diejenigen, die zu oft keine Stimme haben, und Leben für diejenigen, die Schwierigkeiten haben zu wissen, was sie

angesichts all dessen tun sollen,was in unserer Welt zerstört wird.”

John HebentonGeneralminister

Dritter Orden der Gesellschaft St. Francis

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PublIkatIonen (2015)Menschenrechte und extreme Armut

Im September 2012 verabschiedete der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die ersten globalen politischen Leitlinien, die sich speziell auf die Menschenrechte von Menschen in Armut konzentrieren. Aber wie können diese konkret genutzt werden, um die tägliche Lebenserfahrung von Millionen von Menschen zu verbessern?

In diesem Handbuch bietet Franciscans International die Werkzeuge für Menschen, die mit in Armut lebenden Menschen arbeiten, um direkte Maßnahmen zu ergreifen. Es kann von allen Basisakteuren genutzt werden, unabhängig davon, ob sie mit lokalen Behörden, Nichtregierung-sorganisationen, religiösen Institutionen oder Gemeindeverbänden zusammenarbeiten. Auf Anforderung in Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch erhältlich.

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Sam Nasada OFM deponiert Wasser in der Wüste für Migrantinnen und Migranten

mexIko:Die Lebenswirklichkeit vor OrtÜber 1.200 Menschen werden jeden Monat willkommen geheißen von Diana Muñoz Alba von den Franziskaner-Missionaren Mariens und drei ihrer Mitschwestern in ihrem kleinen Flüchtlingsheim in Salto de Agua, Mexiko. Obwohl ihr Einrichtung nur 90 Kilometer von der guatemaltekischen Grenze entfernt liegt, sind die Migranten, die zu ihnen kommen, oft tagelang zu Fuß unterwegs gewesen. Sie müssen nicht nur den Kartel-len ausweichen, weil diese eine Gefahr für sie darstellen, sondern auch den Nationalgarden, die in dieser zunehmend militarisierten Region patrouillieren. Wenn es die Migrantinnen und Migranten ins Flüchtlingsheim geschafft haben, haben sie endlich die Möglichkeit zu essen, sich auszuruhen und gegebenenfalls medizinische Hilfe zu erhalten. Doch nach drei Tagen geht es für sie wieder weiter.

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Menschen, die das Nördlichen Dreieck Mittelameri-kas (NTCA) verlassen, dramatisch gestiegen. Diese Region umfasst die Länder El Salvador, Hondu-ras und Guatemala. Zwischen 2011 und 2016 stieg die Zahl der

Menschen, die aus der Region in den umliegenden Ländern Zuflucht gesucht haben, laut Statistiken des UNHCR um 2.249 Prozent. Ende 2019 waren es mehr als eine halbe Million Menschen.

Ursächlich für diesen Exodus sind Bandenkriminalität und politische Instabilität. Andere Gründe sind weniger augenfällig, obwohl auch sie Menschen gemacht Ursa-chen haben. So hat zum Beispiel der Klimawandel tief greifende Auswirkungen auf das Nördli-che Dreieck. Anhaltende Dürren, schwankende Temperaturen und unvorhersehbare Niederschläge machen es den Menschen schwer, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Andere haben die Folgen einer nicht nachhaltigen Entwicklung-spolitik zur Flucht getrieben, zum Beispiel weil große Industriepro-jekte den Zugang zu sauberem Wasser versperrten oder die Umwelt zerstörten.

Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, werden zu einem einfachen Ziel für diejenigen, die sie ausbeu-ten wollen. Und selbst diejeni-gen, die versuchen, Migranten zu

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unterstützen, können Gefahren ausgesetzt sein – sowohl von Krim-inellen als auch von Behörden. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Behörden in unserer Gemeinde in den Menschenhandel verwickelt sind, daher gibt es große Spannun-gen mit den Behörden“, berichtet Schwester Diana. „Die Unter-stützung von Migranten bedeu-tet, dass wir kriminellen Grup-pen die Arbeit wegnehmen und im Wettbewerb mit den Netzw-erken für organisierte Kriminalität und Menschenhandel stehen. Es gibt viele Kartelle, die Migranten entführen und von den Familien Lösegeld verlangen. Weil wir den Migranten Unterschlupf bieten, sind wir diesen Kriminellen ein Dorn im Auge.“

Die Situation wird dadurch zusät-zlich kompliziert, dass die inter-nationalen Rahmenbedingungen für die Rechte von Migranten und Flüchtlingen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erstellt wurden: Kriegsszenarien werden berück-sichtigt, nicht aber Situationen, in denen das Leben von Menschen aufgrund eines sich ändernden Klimas oder durch industriellen Fehlentwicklungen gefährdet wird. Heute sind „Umweltmigranten“ nach wie vor verletzlich, da sie nach internationalem und nationalem Recht nur wenig geschützt sind.

Im Jahr 2016 haben die Vereinten Nationen allerdings offiziell die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit der Mitgliedssta-

Migranten in einem Zug in Mexiko

aten zur Bekämpfung der Migra-tionsursachen anerkannt. FI stellte sicher, dass Brüder und Schwestern, die direkt mit Migranten zusam-menarbeiten, Zugang zu diesen Verhandlungen hatten. Eine von ihnen war Schwester Diana, die mit FI-Unterstützung nach New York reiste, um von der Lebenswirklich-keit der Menschen zu berichten, die sie betreut.

Obwohl das Ergebnis der Verhan-dlungen letztendlich hinter den Versprechen der Mitgliedstaaten zurückblieb, ist Schwester Diana weiterhin davon überzeugt, dass die Konfrontation der politischen Entscheidungsträger mit der Real-ität vor Ort aus erster Hand eine der wichtigsten Möglichkeiten ist, sich für Veränderungen einzuset-

zen, auch wenn dies ein langer Prozess ist.

„Menschen werden oft erst dann wirklich aufmerksam, wenn sie die Situation selbst miterleben“, erinnert sie sich an eine kürzlich gemachte Erfahrung außerhalb von Salto de Agua: Eine Dame, die regelmäßig für das Flüchtlingsheim gespendet hatte, war zu Besuch, als zufällig gerade ein Zug vorbeifuhr. „Migranten versuchten aufzus-pringen, oft mit Babys. Sie hatte so etwas noch nie gesehen, deshalb hat es sie stark berührt,“ erin-nert sich Schwester Diana. „Wenn Menschen die Realität sehen, verstärkt dies ihr Bewusstsein. Sie sehen unschuldige Menschen, die nur leben wollen.“ ■

Diana Muñoz Alba FMM bei den Vereinten Nationen und in Salto de Agua

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Die Franziskanische Familie kümmert sich zu Recht um die Bedürfnisse der Umwelt, in der wir leben. Franziskus mag nach landläufiger Vorstellung zum Vogelprediger geworden sein, aber seine Herangehensweise an die Schöpfung war viel reichhaltiger als dieses einfache Bild vermuten lässt. Er bekräftigte den Wert der Schöpfung. Er sah, dass Gott menschliche Gestalt angenommen und voller Demut – als verletzli-ches menschliches Fleisch – zur Welt gekommen ist. Und er erkan-nte auch, dass Gott weiterhin unter uns wohnt – im Brot und Wein des Leibes und des Blutes Christi. Die Welt, in der wir leben, ist eine sakramentale Begegnung mit dem Göttlichen.

Die Dinge unserer physischen Welt sind wichtig. Mit anderen Worten: „Materie ist wichtig.“

Gerechtigkeit ist aus biblischer Sicht ein Konzept der Fülle. Mehr als die Bestrafung von Fehlverh-alten bedeutet es, den Menschen ihre Rechte zu geben, insbesondere denen, die am stärksten gefährdet sind.

Wenn wir Umwelt und Gerechtigkeit als Umwelt-gerechtigkeit zusammenbringen, haben franziskanisch inspirierte Menschen eine starke Linse, um die Welt zu betrachten. Wir lieben und kümmern uns um die materiel-len Dinge der Schöpfung, da sie für uns Zeichen der göttlichen Gegen-wart sind. Wir hören aber auch die Stimmen des Leidens: wir hören auf die Armen, die Ausgegrenzten, die Unterdrückten der Welt. So wie wir diese menschlichen Stim-men hören, müssen wir auch die Stimmen der gesamten geschaf-fenen Ordnung hören, die nach

Franziskaner und Umweltgerechtigkeit

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Gerechtigkeit schreien, denn auch die Stimmen der Flüsse, Seen und Wälder usw. sind die Stimmen der Verwundbaren.

Gerechtigkeit erfordert jedoch mehr als nur zuhören. Der biblische Satz lautet „Gerechtigkeit tun“; Gerechtigkeit ist Handeln! Das Handeln von Franciscans Interna-tional besteht darin, die Stimmen der Verwundbaren (der Menschen und der gesamten Schöpfung) wahrzunehmen und diese Stimmen Gehör zu bringen bei den UN-Ver-sammlungen, bei denen Politik festgelegt und Programme initiiert werden.

Unsere besten Zeugen für den Schrei der Umwelt sind diejeni-gen, die am engsten mit dem Land, dem Meer und unseren Flüssen in Berührung kommen. Sie sehen und kennen die täglichen Veränderun-gen, die durch den Klimawandel oder den Anstieg des Meeress-

piegels verursacht werden. Sie wissen, was es bedeutet, wenn ihr Land nicht mehr die Ernte produz-iert, die es für frühere Genera-tionen bereithielt, oder wenn ihr Trinkwasser nicht mehr genießbar ist und krank macht. Sie haben keine alternativen Versorgung-smöglichkeiten. Ihr tägliches Brot kommt vom Land und vom Meer, das sie umgibt - oder nicht.

Die Franziskanische Familie – das sind (oder sollten es sein) Menschen, die die Bedürfnisse derer, die am verwundbarsten Rand leben, genau kennen. Wir sind durch Bildung und Status privilegiert. Lasst uns auch die Menschen sein, die all unseren Schwestern und Brüdern in der Schöpfung „gerecht werden“.

Christopher John SSFGeneralminister

der Gesellschaft des hl. Franziskus

FI-Workshops auf den Philippinen, Bolivien, und Uganda

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Am Empfang zum 30-jährigen Jubiläum von Franciscans Interna-tional in Genf nahmen viele Partner der Zivilgesellschaft, Diplomaten und Franziskaner aus aller Welt teil. Es war mehr als die übliche Feier: Viele der Gäste hatten jahrelang in verschiedenen Menschenrechts-foren an Themen zusammengearbeitet, die ihnen am Herzen liegen.

FeIerlIchkeIten Im Jahr 2019 Im Oktober 2019 traf sich der Internationale Verwaltungsrat mit Generalsekretär António Guterres, der seine Unterstützung für die Arbeit von Franciscans Inter-national zum Ausdruck brachte und die Übereinstimmung der Werte der Fran-ziskanischen Familie mit denen der Vereinten Nationen würdigend hervorhob.

„Ohne in historisch-theologische Auseinand-ersetzungen über die Gründe für das Tode-surteil Jesu zu geraten, wissen wir mit Sicher-heit, dass Jesus auch wegen seines Kampfes um Gerechtigkeit gestorben ist. Solange es irgendeine Form von Ungerechtigkeit in der Gesellschaft gibt, kann sein Gedächtnis seine Jünger nicht gleichgültig und träge lassen. „

Kardinal Fridolin Ambongo OFMCap während der internationalen Feier der

Franziskaner in Rom.

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“Unsere franziskanischen und evangelischen Werte von Frieden, Menschenrechten und

Bewahrung der Schöpfung sollten von allen fran-ziskanischen Schwestern und Brüdern gemeinsam

verkündet werden, vom höchsten Gipfel bis zu jedem Menschen in jeder Ecke der Welt. Fran-

ciscans International bietet uns die Möglich-keit, genau das zu tun. Es ist ein Dienst, den die

gesamte Franziskanische Familie, einschließlich unserer anglikanischen Bruderschaft, der Welt leisten kann. Es gibt kein besseres oder höher zu achtendes Weltforum, um diesen Dienst zu

erbringen als die Vereinten Nationen. Während die franziskanisch-muslimische Zusammenarbeit

zunimmt, insbesondere zum Gedenken an diese historische Begegnung zwischen dem Poverello

und dem Sultan Al-Malik-al Kamil, beten wir, dass eine muslimisch-franziskanische Bruderschaft

eines Tages der FI beitreten kann. Wir haben eine Botschaft für die Welt, die sowohl zeitlos als auch

beständig ist.”

Carlos A. TrovarelliGeneralministerOrden der Minderen BrüderMinoriten

“Es ist von grossem Wert, die Professionalität mit der das Team von Franciscans International die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die unsere franziskanischen Schwestern und Brüder weltweit in ihrer Arbeit und in ihrem Leben mit den Menschen an der Basis erfahren, bei den Vereinten Nationen einbringen. Genau durch diese Weise wird FI zu einem effektiven Instrument zur Unterstützung sowohl der Menschlichkeit als auch des Gemeinwohls und Friedens in der Welt.”

Roberto GenuinGeneralminister

Orden der Minderen Brüder Kapuziner

PublIkatIonen (2017)Eine Toolbox: Die Punkte verbindenIn der Toolbox von Franciscans International wird untersucht, wie Menschenrechtsverletzungen die Verwirklichung der Ziele für nachhal-tige Entwicklung beeinträchtigen und lokale Gemeinschaften anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels machen können. Als Eckpfeiler der Bemühungen um den Aufbau an Kapazitäten ermöglicht es den Menschen, die bestehenden Mechanismen in diesen Fragen umfassend zu nutzen und einen Ansatz zu fördern, der die Menschenrechte achtet und schützt.

Die Toolbox kann von Nichtregierungsorganisationen und religiösen Grup-pierungen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene verwen-det werden, um die Verbindung zwischen den Verpflichtungen ihrer Regierung in den Bereichen Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz herzustellen. Auf Anforderung in Englisch, Französisch und Spanisch erhältlich.

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Rodrigo Péret OFM besucht Brumadhino ein Jahr nach der Katastrophe

global:Von der Basis zum systemischen WandelAm 25. Januar 2019 brach ein Damm, der Industrieabfälle im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais zurückgehalten hatte und setzte über 18 Millionen Kubikme-ter giftigen Schlamm frei. Sekun-den später schoss die Schlammlaw-ine durch einen nahe gelegenen Bergbaukomplex, in dem die Arbe-iter gerade zu Mittag aßen, und ergoss sich flussabwärts in die kleine Stadt Vila Ferteco. Bei der Katastrophe kamen 272 Menschen ums Leben. Die Sirene, die die in der Nähe befindlichen Personen hätte warnen sollen, ertönte nie – sie waren direkt unter dem Damm installiert und wurde als erstes zerstört.

Taillingsdämme – wie der in Brumadinho eingestürzte – sind eine kostengünstige Möglichkeit, Abraum aus der Eisenerzmine zu lagern, da die Abfallmaterial-ien selbst als Teil des Staudamms verwendet werden. Sie haben aber auch ein hohes Gefährdungspoten-tial. Wenn sie nicht richtig gewartet wird, kann sich Wasser ansammeln und den Damm erweichen – wenn sich festes Material plötzlich wie eine Flüssigkeit verhält, kann diese einen katastrophalen Zusammen-bruch auslösen.

Nach der Katastrophe stellte sich bald heraus, dass das Unterneh-men, dem der Damm gehörte, Warnungen vor undichten Stel-len wiederholt ignoriert hatte. Ein zweites Unternehmen hatte die Standfestigkeit erst einen Monat zuvor als sicher zertifiziert, obwohl interne Memos später zeigten, dass seine Mitarbeiter die Aufwe-ichung als unmittelbares Risiko betrachteten.

„Wir betrachten diese Nachläs-sigkeit als Verbrechen. Und es ist nicht das erste Mal, dass dies passiert ist,“ sagt Bruder Rodrigo Péret OFM, der Brumadinho Stun-den nach der Katastrophe besuchte. Als Berater der Sonderkommission für Bergbau und integrale Ökologie der Nationalen Bischofskonferenz von Brasilien hatte er bereits die Opfern einer ähnlichen Tragödie unterstützt, die sich vier Jahre zuvor im nahe gelegenen Mari-ana ereignete. „Damals wurden 19 Menschen getötet und Hunderte durch die Umweltschäden vertrie-ben. Tatsächlich waren es 20 Opfer, weil eine der Frauen schwanger war, aber das Baby existiert nicht für das Unternehmen.“

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Nur wenige Wochen nach der Katastrophe von Brumadinho traf Bruder Rodrigo bei Francis-cans International in Genf ein und legte Zeugnis von dem ab, was er gesehen hatte. Er betonte die Bedeutung der laufenden Verhand-lungen bei den Vereinten Nationen, die darauf zielen, einen Vertrag zu schließen, der Unternehmen für völkerrechtswidrige Menschen-rechtsverletzungen zur Rechen-schaft zieht. Eine treibende Kraft hinter diesen Bemühungen war FI, denn bei großen Entwicklungs- und Industrieprojekten sind die

Menschenrechte nicht nur durch Nachlässigkeit von Unternehmen bedroht, sondern auch durch offi-zielle Richtlinien.

Obwohl diese Fragen der Entwick-lung und der Umweltgerechtigkeit von globaler und universeller Reichweite sind, sind nicht alle gleichermaßen mit den Folgen konfrontiert. Ursächlich ist ein Mangel an politischem Willen. In der Tat wirken sich die Folgen des Klimawandels und einer nicht nachhaltigen Entwicklungspoli-tik nicht auf alle in gleicher Weise

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aus. Am meisten haben die Einzelp-ersonen und Gruppen zu leiden, die ohnehin einem höheren Risiko ausgesetzt sind, diskriminiert und ausgegrenzt zu werden.

„Es liegt auch an der Mental-ität. Sie sagen zum Beispiel, dass der Bergbau „Opfer“ fordert und behaupten, dass es dem Gemein-wohl aller diene, wenn ein bestim-mtes Gebiet zerstört wird. Dann kommen die Ausreden: Wir können nicht wählen, wo sich die Miner-alien befinden. Bei Wasser ist es dasselbe. Meistens sind die betrof-

fenen Gemeinden nicht diejenigen, die von den Gewinnen profitie-ren“, meint Bruder Rodrigo. „Die betroffenen Gemeinschaften soll-ten informiert, angehört und an Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt werden. Es sollte geset-zliche Garantien dafür geben, dass ihre Rechte respektiert werden.“

FI ist davon überzeugt, dass Frieden, nachhaltige Entwicklung, Umwelt und Menschenrechte untrenn-bar miteinander verbunden sind. Die Menschenrechte müssen im Mittelpunkt aller globaler Politik

Angel Cortez OFM bei einem Klimamarsch außerhalb der UN in Genf

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stehen. Über das New Yorker Büro und mit den globalen Programmen setzt FI daher alles daran, dass die Stimmen von Menschen wie Bruder Rodrigo im gesamten UN-System gehört werden und nicht nur von denjenigen, die sich speziell mit Menschenrechten befassen.

„Letztendlich geht es nicht um die Frage, was wir vermeiden sollten. Es geht darum, was wir bekommen können“, sagt Bruder Rodrigo. „In diesem Bereich leistet die Fran-ziskanische Familie einen einzigar-tigen Beitrag. Nicht nur, weil die Spiritualität des heiligen Franziskus und der heiligen Klara uns lehrt, in Harmonie mit der Schöpfung zu leben, sondern auch, weil wir diese Erfahrung wachsen lassen.“ ■

Kardinal Fridolin Ambongo OFMCap bei den UN in Genf

Papst Franziskus erhält die Namen und Fotos der Opfer von Brumadhino

Advocacy-Arbeit ist keine Frage des Prestiges oder der Frage, wer lauter spricht. Es geht vielmehr darum, einen Raum zu schaffen, in dem auch die zerbrechlichsten Stimmen für sich selbst sprechen können. Es geht darum, Entscheidungsträger zu überzeugen und Maßnahmen zu ergreifen.

Im Laufe der Jahre haben wir gemeinsam mit Ihnen nachhaltige Veränderun-gen erreicht. Denn anhaltende internationale und franziskanische Solidar-ität bewirken etwas, indem sie Türen und Räume für diejenigen öffnen, die ansonsten ausgegrenzt bleiben. Franciscans International bedankt sich herzlich bei allen Menschen und Organisationen, die diese besondere Art der Advocacy-Arbeit bei den Vere-inten Nationen in den letzten 30 Jahren unterstützt haben. • Den franziskanischen Provinzen, Orden und Gemeinschaften

danken wir für ihre Anfragen, für Dankesworte und für ihre wich-tige finanzielle Unterstützung. Sie sind das Fundament, auf dem wir aufbauen können. Sie geben uns die Legitimität und die Kraft, im Namen der Franziskanische Familie zu handeln.

• Wir danken den Hilfswerken für die Auswahl unserer Projekte, dadurch können umfassende und effiziente Handlungsstrategien entwickelt werden. Ihre Zuschüsse und ihre konstruktiven Beit-räge liefern uns solides Material, um Aktionspläne weiter zu gestalten, die auf lange Sicht eine Veränderung bewirken können.

• Allen Personen, die FI unterstützt haben, danken wir für ihre Großzü-gigkeit und ihr Engagement für unsere gemeinsame Mission im Laufe der Jahre. Ihre helfenden Hände für alle Arten von Aufgaben, ihre Zeit, ihre Spenden und ihre Begeisterung machen dieses Projekt so einzigartig.

Für all das danken wir Ihnen.

Seien Sie sicher, dass die gemeinsamen Werte und die Visionen, die wir teilen, unser Handeln auch in den kommenden Jahren bestimmen werden.

Ein einfaches Dankeschön an unsere Unterstützer

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unsere arbeIt geht WeIter:Unterstützung einer neuen Generation

Liebe Schwestern und Brüder,

der internationale Vorstand nahm begeistert am 30-jährigen Jubiläum von Franciscans International teil und nutzte die Gelegenheit, das ganze Jahr über viele der Menschen zu treffen und ihnen zu danken, die zur Verwirklichung dieses Vorhabens beigetragen haben. Dieses wichtige Ereignis kann jedoch nicht einfach eine nostalgische Reise in die Vergan-genheit sein. Vielmehr müssen wir in die Zukunft schauen und weiterhin andere für die Aufgaben von FI begeistern.

Auf der ganzen Welt wird gegenwärtig eine junge Generation zum Handeln gedrängt. Sie protestieren gegen soziale Ungerechtigkeit, den Ausschluss und die Entrechtung von Millionen Menschen und gegen die Klimakrise. Ihre Beweggründe ähneln jenen, die auch Franziskus und Klara motivierten. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit von FI heute genauso aktuell wie am Tag der Gründung.

Als franziskanische Familie müssen wir weiterhin zuhören und diejeni-gen willkommen heißen, die unsere Bedenken teilen. FI, die Vertretung unserer Familie bei den Vereinten Nationen, wird weiterhin eine Plattform bieten, um die Stimmen unserer Schwestern und Brüder zu erheben und zu verstärken. Im Laufe unserer langen Geschichte haben wir uns als fran-ziskanische Gemeinschaften weiterentwickelt, um den Herausforderun-gen dieser Zeit zu begegnen. Wenn wir dies wieder tun, wird FI ein Zuhause für alle - jung und alt - sein, die sich unsere gemeinsamen Sache anschließen und mit uns nach neuen Wegen suchen, um die Achtung der Menschenwürde, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung auf der ganzen Welt zu fördern.

Im Evangelium wurden Menschen wie Petrus und Paulus aufgefordert, ihre Welt und ihre Arbeit auf völlig neue Weise zu sehen. Sie nahmen sich diese Herausforderung zu Herzen und konnten ihre Botschaft, oft ange-sichts heftiger Widerstände, auf neuartige und effektive Weise begrün-den. Möge Gott uns die Kraft geben, uns in unserer Zeit einer ähnlichen Herausforderung zu stellen. Mögen wir uns weiterhin der Arbeit von FI widmen und durch unsere Bemühungen andere dazu inspirieren, mit uns auf der Suche nach einem neuen Himmel und einer neuen Erde zu sein!

Frieden und alles Gute. Möge Gott mit uns in diesem kühnen Unterfangen sein.

Im Namen des Internationalen Vorstandes,

Joseph Rozansky OFMPräsident

Mitglieder des Internationalen Vorstandes (von links nach rechts)• Markus Heinze OFM • Clark Berge SSF • Kevin Queally TOR • Carla Casadei SFP

• Ruth Marcus OFS • Joseph Rozansky OFM • Joseph Blay OFMConv • James Donegan OFMCap

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Unsere Vision

Eine Weltgemeinschaft, in der die Würde jedes Menschen geachtet wird, die Ressourcen gerecht geteilt werden, die Umwelt bewahrt wird sowie Nationen und Völker

miteinander in Frieden leben.

Unsere Mission

Franciscans International setzt sich bei den Vereinten Nationen für den Schutz der Menschenwürde und für Umweltgerechtigkeit ein und verfolgt dabei einen

rechtebasierten Ansatz.