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2 Stoffe 20 2.2 Aggregatzustände von Stoffen Raumausfüllung durch Teilchen … Abb. 2-1 Abb. 2-2 Abb. 2-3 Abb. 2-4 … in Gasen … in Gasgemischen … in Flüssigkeiten … in festen Stoffen 2.2.1 Gase Gasteilchen sind frei beweglich. Ihre Abstände zueinander sind so groß, dass keine oder nur geringe Anziehungskräfte wirken können. Gase nehmen deshalb ein großes Volumen ein und sie sind komprimierbar. Sie füllen ein verfügbares Volumen vollständig aus (Abb. 2-1). Beim Zusam- mentreffen reflektieren die Teilchen elastisch. Stöße auf eine Wand erzeugen den Gasdruck (BROWNsche Molekularbewegung). Druck und Volumen der Gase ändern sich mit der Temperatur. GAY-LUSSAC (1778–1850) fand dafür folgende zwei Zusammenhänge: V q = V 0 (1 + a q) = V 0 ( 1 + q ) (p = konst.) 273,16 q Temperatur in °C; V 0 Volumen bei 0 °C; V q Volumen bei der Temperatur q; a thermischer Ausdehnungskoeffizient der Gase a = 1 in K –1 (bzw. bei q in grd –1 ). 273,16 Mit 273,16 + q = T (in K) erhält man bei der absoluten Temperatur T für das Volumen V T V T = V 0 ( 273,16 + q ) 273,16 V T = V 0 T 273,16 (p = konst.) 1. Das Volumen eines Gases dehnt sich bei einer Erwärmung um 1 Kelvin um den 2 1 2 Teil seines Volumens bei 0 °C aus, wenn der Druck konstant (isobar) bleibt: 273,16 Aufgabe: Ein Kubikmeter eines Gases wird von 0 °C auf 200 °C isobar erwärmt. Welches Volumen nimmt das Gas nun ein? Mit Erhöhung der Temperatur nimmt die Teilchenbewegung (Geschwindigkeit) zu. Bleibt das Gas im gleichen Volumen eingeschlossen (V = konst., isochor), erhöht sich der Druck in analo- ger Weise: p q = p 0 (1 + a q) = p 0 ( 1 + q ) (V = konst.) 273,16

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2 Stoffe

20

2.2 Aggregatzustände von Stoffen

Raumausfüllung durch Teilchen …Abb. 2-1 Abb. 2-2 Abb. 2-3 Abb. 2-4 … in Gasen … in Gasgemischen … in Flüssigkeiten … in festen Stoffen

2.2.1 Gase

Gasteilchen sind frei beweglich. Ihre Abstände zueinander sind so groß, dass keine oder nurgeringe Anziehungskräfte wirken können. Gase nehmen deshalb ein großes Volumen ein und siesind komprimierbar. Sie füllen ein verfügbares Volumen vollständig aus (Abb. 2-1). Beim Zusam-mentreffen reflektieren die Teilchen elastisch. Stöße auf eine Wand erzeugen den Gasdruck(BROWNsche Molekularbewegung).

Druck und Volumen der Gase ändern sich mit der Temperatur. GAY-LUSSAC (1778–1850) fanddafür folgende zwei Zusammenhänge:

Vq = V0 (1 + aq) = V0 (1 + q ) (p = konst.)273,16

q Temperatur in °C; V0 Volumen bei 0 °C; Vq Volumen bei der Temperatur q;

a thermischer Ausdehnungskoeffizient der Gase a = 1 in K–1 (bzw. bei q in grd –1).273,16

Mit 273,16 + q = T (in K) erhält man bei der absoluten Temperatur T für das Volumen VT

VT = V0 ( 273,16 + q )273,16

VT = V0T

273,16 (p = konst.)

1. Das Volumen eines Gases dehnt sich bei einer Erwärmung um 1 Kelvin um den 212Teil seines Volumens bei 0 °C aus, wenn der Druck konstant (isobar) bleibt: 273,16

Aufgabe: Ein Kubikmeter eines Gases wird von 0 °C auf 200°C isobar erwärmt. WelchesVolumen nimmt das Gas nun ein?

Mit Erhöhung der Temperatur nimmt die Teilchenbewegung (Geschwindigkeit) zu. Bleibt dasGas im gleichen Volumen eingeschlossen (V = konst., isochor), erhöht sich der Druck in analo-ger Weise:

pq = p0 (1 + aq) = p0 (1 + q ) (V = konst.)273,16

2.2 Aggregatzustände von Stoffen

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Bei Verdichtung eines Volumens V auf die Hälfte, ein Viertel usw. wächst bei gleich bleibenderTemperatur der Druck auf den doppelten, vierfachen usw. Wert, denn die Teilchenzahl (Stoff-menge) bleibt konstant. Es erhöht sich die Stoßzahl auf die Wände des Behälters.

p T = p0 ( 273,16 + q ) (V = konst.) 273,16

p T = p0T (V = konst.)

273,16

p0 Normaldruck bei 0 °C; p q bzw. p T Druck bei der Temperatur q (°C) bzw. T (K oberhalb 0 °C)

2. Bei Erwärmung eines Gases um 1 K erhöht sich der Druck um den 2 12 Teil seines273,16Druckes bei 0 °C, wenn das Volumen konstant (isochor) bleibt.

Aufgabe: Durch isochores Erwärmen erhöht sich der Druck eines Gases von 1 bar (bei 0 °C) auf 2 bar. Auf welche Temperatur (in °C) wurde das Gas erwärmt?

Das BOYLE-MARIOTTE-Gesetz formuliert den Zusammenhang von Druck und Volumen beikonstanter Temperatur (isotherm):

p ·V = konst. (T = konst; m = konst.)

Das allgemeine Gasgesetz (allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase) leitet sich aus diesenGesetzen ab:

p ·V = n · R ·T

R allgemeine Gaskonstante 8,3145 J ·mol –1 ·K–1 oder 8,3145 l · kPa · mol –1 ·K–1; n Stoffmenge (vgl. Abschnitt 3.8)

Die Stoffmenge pro Volumen ist die Konzentration c:

c = nV

Somit kann auch geschrieben werden:

p = c · R ·T

(T = konst.)

(m = konst.)

V 2

V 4 V, p , 2 p , 4 p

22

Versuch Füllen Sie einen Standzylin-der mit Bromdampf, indemSie einen Tropfen Brom darinverdunsten lassen und denZylinder mit einer Glasplatteabdecken. Stülpen Sie einenleeren Zylinder darauf undziehen Sie die Glasplatteheraus. Beobachten Sie dasVermischen von Bromdampfund Luft durch Diffusion (Abb. 2-5). Abzug! R 23, S 23

Luft

Bromdampf

Gemischaus

Bromdampfund Luft

Abb. 2-5 Vermischen von Gasen durch Diffusion

Bereits bei Normbedingungen (T0 = 0 °C; P0 101,325 kPa) bzw. bei niedrigen Temperaturen undhohen Drücken beeinflussen sich die Gasteilchen gegenseitig über ihre Kräfte. Sie verhalten sichnicht ideal, sondern real. Die genannten Gasgesetze gelten deshalb nur bei geringen Drückenund hohen Temperaturen für so genannte „ideale Gase“. Bei höheren Drücken und niedrigenTemperaturen sind die Gleichungen mit Korrekturfaktoren gültig (reale Gase).

Gase erwärmen sich beim Komprimieren und kühlen sich bei Ausdehnung ab.

Unterschiedliche Gase mischen sich gleichmäßig durch Diffusion (lat. zerstreuen), indem sichdie Teilchen entgegen der Schwerkraft verteilen, bis in jedem beliebigen Volumenteil gleicheZusammensetzung, Konzentration und gleiche Dichte herrschen (Abb. 2-2). Einen solchenVerteilungszustand der Teilchen bezeichnet man als homogen (griech. gleichartig), und denRaum, den Bereich, in dem solche Gleichartigkeit herrscht, als Phase. Ein Gasgemisch bestehtaus einer Phase.

T+

Sehr giftig

Lehrer-versuch

Bestandteil Volumenanteile Partialdruck bei 101,325 kPain % in kPa

Stickstoff 78,09 79,2Sauerstoff 20,95 21,14Kohlenstoffdioxid 0,036 0,03Edelgase u.a. Stoffe 0,924 0,93

Vges = 100 p ges = 101,30

Zusammensetzung der Luft

Übersicht 2-2

2 Stoffe

Mischen sich zwei oder mehr verschiedene Gase von gleicher Temperatur und gleichem Druck,ohne dass sich Druck und Temperatur ändern, so setzt sich das Gesamtvolumen Vges aus denTeilvolumina und der Gesamtdruck p ges aus den Teildrücken der einzelnen Gase (Partial-drücken) zusammen (vgl. Übersicht 2-2).

2.2 Aggregatzustände von Stoffen

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2.2.2 Flüssigkeiten

In Flüssigkeiten bzw. Schmelzen sind die Abstände der Teilchen zueinander so gering, dass die Anziehungskräfte überwiegen. Es wird aber keine regelmäßige Anordnung über größereStrecken erreicht. Nur wenige Teilchen sind geordnet, zwischen anderen bestehen Lücken(Hohlräume) (Abb. 2-3). Eine gewisse Beweglichkeit der Teilchen ist möglich. Flüssigkeiten sinddeshalb nicht formbeständig, sie füllen eine vorgegebene äußere Form aus. Sie lassen sich nurwenig komprimieren.Die Struktur der Flüssigkeiten und die Beweglichkeit bzw. Schwingung der Teilchen (BROWN-sche Molekularbewegung) ermöglichen, dass lösliche Stoffe innerhalb der Flüssigkeit diffun-dieren können.

Versuch In einen Standzylinder, dermit Wasser gefüllt ist, werdeneinige Kristalle KupfersulfatCuSO4 · H2O gegeben. DerZylinder wird erschütte-rungsfrei gut sichtbar auf-gestellt. Beobachten Sieüber mehrere Wochen diefarblichen Änderungen (Abb. 2-6). R 25, R 53, R 54

Aufgabe: Begründen Sie, weshalb die Diffusion mit steigender Temperatur zunimmt!

CuSO4-Lösung

Kupfersulfat-Kristalle

H2O

Abb. 2-6 Diffusion von Kupfersulfat in Wasser

Xn

Mindergiftig(Gesundheits-

schädlich)

Wegen der Teilchenanziehung besitzen Flüssigkeiten eine Oberflächenspannung. Teilchen, dieaus der Oberfläche entweichen, erzeugen einen von der Temperatur abhängigen Dampfdruck.Ist Letzterer gleich dem äußeren Druck, siedet die Flüssigkeit. Reine Flüssigkeiten haben bei101,325 kPa eine charakteristische Siedetemperatur.

Wird eine wässrige Lösung z.B. von Zucker durch eine halbdurchlässige Wand (Zellwände,präparierte Membran u.a.) von reinem Wasser getrennt, so wandern die kleinen Wassermoleküleaus dem Wasser in die Lösung hinein, während die größeren Zuckermoleküle die Poren nichtpassieren können.

Die Lösung hat das Bestreben sich zu verdünnen, sie besitzt einen so genannten osmotischenDruck, der direkt von der Konzentration abhängig ist.

Die Wanderung von Lösungsmittelmolekülen durch eine semipermeable (halbdurch-lässige) Wand in Richtung der konzentrierteren Lösung heißt Osmose.

2.2.3 Festkörper

Feste Stoffe sind bei Raumtemperatur formbeständig. Die Teilchen können ihre Plätze nicht ohneweiteres wechseln. Sie sind in echten Festkörpern geordnet, d. h., in Richtung der drei Raumko-ordinaten x, y und z nehmen sie konstante Abstände a, b, c und Winkel α, β, γ zueinander ein(Abb. 2-8). Diese Merkmale kennzeichnen die kristalline Struktur bzw. kristalline Stoffe. BeiMetallen kommen vor allem kubische (lat. Würfel) und hexagonale (lat. Sechseck) Kristall-gitter vor (Abb. 2-9; vgl. dazu Abschnitt 7.2). Es gibt 7 einfache Kristallsysteme (Abb. 2-9). Diekleinste wiederkehrende Baueinheit des Kristallgitters ist die Elementarzelle.

Die anziehenden Kräfte zwischen den Teilchen sind stärker und die Teilchen sind dichtergepackt als bei Flüssigkeiten (Abb. 2-4). Die Beweglichkeit ist im Vergleich zu den Flüssig-teilchen wesentlich kleiner.

2 Stoffe

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In einer Versuchsanordnung nach Abb. 2-7 ist zu Beginn der Flüssigkeitsspiegel innerhalb undaußerhalb des Rohres gleich hoch. Er steigt im Rohr durch das eindringende Wasser. Die zuneh-mende Wassersäule erzeugt einen hydrostatischen Druck. Sobald sich ein Druckgleichgewichteinstellt, endet der Vorgang.

Die Osmose ist einer der wichtigsten Vorgänge in der belebten Natur (Aufnahme/Abgabe vonWasser und kleinen Molekülen über die Zellwände, Aufrechterhaltung des Zelldruckes oderTurgor usw.). Die Umkehrosmose nutzt man zur Trinkwassergewinnung aus Meerwasser (bis250 m3/Tag). Mit großem Druck (bis 70 bar) wird Meerwasser auf Membranen gepresst, derenPoren nur für Wassermoleküle durchlässig sind.

Das Fließvermögen von Flüssigkeiten und Schmelzen – auch Zähigkeit, Viskosität oder innereReibung genannt – ist unterschiedlich. Es beruht auf Kräften, die zwischen den Teilchen wirken.Je größer diese Kräfte sind, desto größer ist die Reibung zwischen den Teilchen und damit dieViskosität beim Fließen. Temperaturerhöhung schwächt die Kräfte und die Zähigkeit nimmt ab.Auch die Teilchengröße wirkt sich auf die Viskosität aus. Stoffe, die aus großen Korpuskeln beste-hen (z.B. Öle, Glasschmelzen), fließen zäher als solche aus kleinen Teilchen (z.B. Wasser,Aceton, Pentan).

Besondere Bedeutung haben Flüssigkeiten als Lösungsmittel. An erster Stelle steht das Wasser(vgl. Abschnitt 12.2). Andere bedeutsame Lösungsmittel sind organische Verbindungen wie z. B. Benzin, Alkanole (Alkohole), Chloralkane, Alkanone (Ketone) (vgl. Kapitel 15).

hydrostatischerDruck

Wasser

Lösung

halbdurchlässigeMembranz. B. Zelluloseacetat

Abb. 2-7 Osmose

2.2 Aggregatzustände von Stoffen

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Typisch kristalline Stoffe sind z. B. alle Metalle und Nichtmetalle im festen Zustand sowie Salzeund Mineralien. Sie besitzen eine Schmelztemperatur, wenn sich der Stoff nicht unterhalb desSchmelzpunktes zersetzt.

Es gibt aber auch feste Stoffe, deren Teilchen ungeordnet sind. Sie besitzen zumeist großeMoleküle oder ein Netzwerk von Molekülen, sodass eine regelmäßige Anordnung erschwert ist.Ihren Aufbau bezeichnet man als glasartig oder amorph (griech. ohne Gestalt, Abb. 2-10).

x

y

z

a

c

β

γ

Abb. 2-8Teilchenabstände a, b, cund Winkel α, β, γ im Kristallgitter am Beispieldes kubischen Systems

Abb. 2-9 Die 7 einfachen Kristallsysteme (Elementarzellen; Vorkommen bei Elementen)

kubisch

a

c

β

γ

a

c

b a

c

b

a

c

ba

c

ba

c

b

a

c

b

α γβ

α

tetragonal rhombisch

a = b = ca = b = g = 90°Fe, Cu, Al

a = b ( ca = b = g = 90°Sn

a ( b ( ca = b = g = 90°P, a-S, Cl, Br, I

rhomboedrisch

a = b = ca = b = g ( 90°Sb, As, Bi

monoklin

a ( b ( ca = g b ( 90°b-S

triklin

a ( b ( ca ( b ( g ( 90°

hexagonal

a = b ( ca = b = 90° g = 120°Mg, Co, Se, Zn

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10 Chemisches Gleichgewicht

10.1 Richtung und Umkehrbarkeit einer Reaktion – Prinzip vom kleinsten Zwang

Chemische Reaktionen sind umkehrbar. In welche Richtung der Vorgang abläuft, hängt von denReaktionsbedingungen Temperatur, Konzentration und Druck (bei gasförmigen Stoffen) ab.

Die Umkehrbarkeit eines chemischen Prozesses wird durch einen Doppelpfeil in der Reaktions-gleichung symbolisiert:

Hinreaktionexotherm

N2 + 3 H2 s 2 NH3 DH = –45,9 kJ · mol–1

endothermenergiereich Rückreaktion energiearm

Bei der Umsetzung von einem Mol Stickstoff und 3 Mol Wasserstoff entstehen 2 Mol Ammoniak-gas, wenn man annimmt, dass sich die Ausgangsstoffe vollständig umsetzen. Dabei wird eineEnergie von 91,8 kJ freigesetzt. Wird Ammoniak so hoch erhitzt, dass die Bindungsenergie zurVerfügung steht, so zerfällt er wieder in Wasserstoff und Stickstoff. Die Reaktion kehrt sich um.

Die Umkehrung einer exothermen Reaktion ist endotherm. Hohe Temperaturen er-möglichen den endotherm verlaufenden Vorgang. Niedrige Temperaturen begünstigenden exothermen Verlauf.

Die Reaktion von Wasserstoff und Stickstoff kann auch durch Veränderungen des Druckes beeinflusst werden. Die Ausgangsstoffe und das Endprodukt sind gasförmig. In der Gleichungstehen links 4 Mol bzw. Volumenteile und rechts 2 Mol bzw. Volumenteile:

N2 + 3 H2 s 2 NH3

1 Volumenteil 3 Volumenteile 2 Volumenteile

Der Prozessverlauf führt zu einer Volumenverringerung.

Von außen aufgebrachte Druckveränderungen nehmen Einfluss auf chemische Vorgänge, an denen gasförmige Stoffe beteiligt sind.

Eine Druckerhöhung begünstigt Reaktionen, die zu einer Volumenverringerung führen.

Der Franzose LE CHATELIER erkannte am Beispiel derartiger Umkehrungen von Reaktionen,dass ein Stoff bzw. ein aus mehreren Stoffen bestehendes Stoffsystem versucht, einem äußerenZwang, der sich auf Grund der Reaktionsbedingungen ergibt, auszuweichen. Im Fall des Ammoniakzerfalls verbraucht das System Energie, die bei hoher Temperatur zur Verfügungsteht. Der erhöhte Druck wird bei der Bildung des Ammoniaks durch die Reduzierung des Volu-mens vermindert. LE CHATELIER formulierte das Prinzip vom kleinsten Zwang:

Ein Stoffsystem weicht einem äußeren Zwang aus, indem es sich so verändert, dassder Zwang verringert oder verbraucht wird.

10.2 Gleichgewicht zwischen Hin- und Rückreaktion

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10.2 Gleichgewicht zwischen Hin- und Rückreaktion

Im Verlauf chemischer Reaktionen setzen sich die Ausgangsstoffe nie vollständig zu Endpro-dukten um. Das gilt auch dann, wenn im Prozess eine scheinbar 100%ige Ausbeute entsteht undwenn in der chemischen Gleichung nur ein Reaktionspfeil in die Richtung der Endstoffe weist.Die Ursache liegt nicht darin, dass sich Teilchen im Reaktionsgemisch „nicht finden“ und somitTeile der Ausgangsstoffe nicht an der Reaktion teilnehmen. Vielmehr zerfallen bei jedem Vorganggebildete Endprodukte teilweise wieder in die Ausgangsstoffe. Die Reaktion verläuft nicht nurnach rechts, sondern gleichzeitig auch in umgekehrter Richtung.

Im folgenden allgemeinen Beispiel sollen sich die Stoffe A und B zu den Produkten C und D ver-binden:

A + B s C + D

Zu Beginn der Reaktion liegen nur die Ausgangsstoffe in der gewählten Konzentration vor. End-stoffe haben sich noch nicht gebildet, sodass auch kein Zerfall einsetzen kann. Im Verlauf desVorgangs nimmt die Konzentration bzw. Menge der Ausgangsstoffe ab. Endprodukte entstehenund deren Zerfall setzt ein. Mit dem Fortschreiten des Verbindens nimmt die Geschwindigkeitder Hinreaktion vHin ab und die der Rückreaktion vRück nimmt zu (Abb. 10-1). Wenn beide Ge-schwindigkeiten gleich sind

vHin = vRück

ist ein chemisches Gleichgewicht erreicht. Die Konzentrationen der Stoffe A und B sowie C undD ändern sich nicht mehr. Scheinbar herrscht in dem System Ruhe. In Wirklichkeit bilden sich inder Zeiteinheit ebenso viele C- und D-Moleküle in der Hinreaktion wie A- und B-Moleküle in derRückreaktion. Zwischen Bildung und Zerfall besteht ein dynamisches Gleichgewicht.

Reaktions-geschwindigkeiten

vHin für: A + B C + D (Abnahme der Konzentrationen cA und cB)

vRück für: C + D A + B (Zunahme der Konzentrationen cC und cD)

vHin = vRück

Reaktionsverlauf

Abb. 10-1Einstellung deschemischenGleichgewichts

Prozesse, bei denen sich die Konzentrationen der Ausgangsstoffe und der Endpro-dukte nach einiger Zeit nicht mehr ändern, befinden sich im Gleichgewicht.