§21 geschäftsführung ohne auftrag (goa) 1. i. einführung 2
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§21
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
I. Einführung2
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Gliederung
Begriff
Inhalt und Zweck
Erscheinungsformen/Varianten
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1. Begriff
Einordnung: Sonderform des Auftrages §§ 677 - 687 BGB
Definition: Jemand (Geschäftsführer) erledigt für einen anderen (Geschäftsherr) ein Geschäft ohne dafür von dem anderen beauftragt zu sein. [396]
Geschäftsführer (GF) ist die handelnde Person Geschäftsherr (GH) ist die Person, für die der
Geschäftsführer das Geschäft ausführt.
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2. Inhalt und Zweck
nachträglicher Interessensausgleich beider Seiten:
GF absichern, soweit er die Geschäftsführung berechtigt übernimmt.
GH muss vor aufdringlichen oder eigennützigen Eingriffen des Geschäftsführers geschützt werden.
=> Ansprüche?!
GF: Ersatz von Aufwendungen GH: Herausgabe des Erlangten vom GF
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3. Erscheinungsformen/Varianten
§§ 679, 683 Abs. 1, 684 Abs. 2 BGB
§§ 679, 684 Abs. 2 BGB
§ 687 Abs. 1 BGB
§ 687 Abs. 2 BGB
7II. Tatbestandsübergreifende Voraussetzungen
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II. Tatbestandsübergreifende Voraussetzungen
Besorgung eines fremden Geschäfts
Fremdgeschäftsführungswille
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
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1. Besorgung eines fremden Geschäfts
Ein Geschäft ist fremd, wenn es in den Geschäftsbereich eines anderen fällt, also dessen Sorge obliegt. [397] Objektiv Fremd: gehört nach Natur, Inhalt und äußerem
Erscheinungsbild einer fremden Interessensphäre an
Subjektiv Fremd: Geschäfte, die nach ihrem Inhalt keine fremde Rechtsphäre betreffen
Auch-Fremd: wenn Geschäftsführer neben einer fremden Angelegenheit auch eine eigene mitbesorgt
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2. Fremdgeschäftsführungswille
Bsp.: Kraftfahrer K reißt in spontaner, vom Bewusstsein nicht kontrollierter Reaktion das Steuer herum, um den anderen Verkehrsteilnehmer V nicht zu schädigen.Fazit: Bewusstsein und Wille Besteht auch bei reflexartigen Handlungen, mit dem Zweck den anderen vor Schaden zu bewahren
Geschäftsführer muss wissenund wollen , dass das
Geschäft dem anderen Teil zugute kommt.
§ 687 Abs. 1 BGB§ 687 Abs. 2
BGB
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2. Fremdgeschäftsführungswille
Lösung: Beweislastregeln der Rspr.:
subjektiv fremdes Geschäft: Wille bedarf Kundgebung nach außen Auch-fremdes Geschäft: Wille gem. Rspr und h.M. vermutet
objektiv fremdes Geschäft: Wille wird vermutet
Problem: Fremdgeschäftsführung ist als innere Tatsache oft schwer nachweisbar
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3. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
§§ 677 ff. sind nur einschlägig, wenn der Geschäftsführer das Geschäft ohne Beauftragung oder sonstige Berechtigung vorgenommen hat. [398]
Achtung! Anwendbarkeit der GoA nach verbreiteter Rechtsprechung auch bei Nichtigkeit eines zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn geschlossenem Vertrag.
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Prüfungsschema
MERKE
Besorgung eines fremden Geschäfts
Fremdgeschäftsführungswille
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
(Un)Berechtigte GoA?
14 III. Die echte berechtigte GOA
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1. Voraussetzungen
b) Fremdgeschäftsführungswille (+) c) Auftrag (-)
a) Fremdes Geschäft (+)
d) Berechtigung (+)
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d)aa) Berechtigung zur GoA
1. Geschäftsübernahme im Interesse und Willen des Geschäftsherren § 683 S. 1
Interesse= objektive Nützlichkeit
Wille= wirklicher oder mutmaßlicher wirklicher Wille ausdrücklich o. konkludent mutmaßlicher Wille hätte ein vernünftiger GH bei
Berücksichtigung der konkreten Lage die Geschäftsführung gewollt
grds. geht der Wille dem Interesse vor
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d)bb) Ausnahmsweise Berechtigung zur GoA
2. Geschäftsübernahme gegen den Willen aber im öffentlichen Interesse §§ 683 S.2, 679
Gefährdung der Allgemeinheit (Schutz von Leben, Gesundheit oder Sachgütern)
Selbstmörderfall
1. § 138 § 679 analog
2. § 104 Nr. 2, 105 analog
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d)bb) Nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) Berechtigung zur GoA
3. Genehmigung nach § 684 S.2
ausdrücklich oder konkludent
konkludent z.b. durch §§ 681 S. 2, 667
= Herausgabe des Erlangten
2.Rechtsfolgen21
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1. Ansprüche des Geschäftsführers Ersatz seiner Aufwendungen §§ 683 S. 1, 670
Aufwendungen= freiwillige Vermögensopfer
Schäden= unfreiwillige Vermögensopfer= kein Ersatz
aber: bei Verwirklichung des typischen Risikos der Geschäftsübernahme dennoch §
670
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1. Ansprüche des Geschäftsführers Arbeitskraft ist keine Aufwendung
Ausnahme: professionelle GoA § 1835 III analog
Alle Aufwendungen die der GF für erforderlich halten durfte , im Ergebnis dennoch nutzlos waren
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1. Ansprüche des GH = Pflichten des GF
Anzeigepflicht des GF gegenüber GH (§ 681)
Geschäft muss im Interesse und Willen des GH getätigt werden (§ 677)
Informations- und Herausgabepflicht (§ 681 S. 2)
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2. Konkurrenz zu anderen Ansprüchen
Vorrang vor Eigentümerbesitzverhältnis ( §§ 987ff.)
GoA stellt Recht zum Besitz dar
Vorrang vor Deliktsrecht ( §§ 823ff.) GoA schließt Rechtswidrigkeit aus
Vorrang vor Bereicherungsrecht ( §§ 812ff.) Goa stellt Rechtsgrund dar
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2. Schadensersatz nach §§ 280 ff.
Verstoß gegen:
Leistungs- oder Schutzpflichten
Beachte: Priviliegierung des § 680 auch auf § 823ff. übertragbar
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MERKE
Hemmer
IV. Die echte unberechtigte GoA
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1. Abgrenzung
Fremdgeschäftsführungswille (+) Auftrag (-)
Fremdes Geschäft (+)
Berechtigung (-)
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2. Rechtsfolgen
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2. Rechtsfolgen
Ansprüche des GH Ansprüche des GF
Unberechtigte GOA - auf Herausgabe des Erlangten §§ 812 ff.
- Aus EBV §§ 987 ff.
- Bei Übernahmeverschulden SEA § 678
- allg. SEA §§ 823 ff.
- Herausgabe des Erlangten §§ 684 S. 1, 812 ff.
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3. Sachverhalt
A befindet sich im Urlaub. Nachbar N, der mit A im gleichen Haus wohnt, nimmt – ohne von A beauftragt zu sein – aus Gefälligkeit ein an den A adressiertes Paket entgegen und legt die Paketgebühr i.H.v. 5 € aus. Nachdem A aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, händigt ihm N das Paket aus und verlangt von ihm den verauslagten Betrag von 5 € ersetzt. A erklärt jedoch, dass er das Paket nicht bestellt habe und somit auch nicht bereit dazu ist, die Kosten von 5 € zu tragen. (AS SR 3) [399]
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Lösungsskizze
Besorgung eines fremden Geschäfts (+)
Fremdgeschäftsführungswille (+)
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung (+)
Entsprach dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen des A (+)
Bereicherung des A durch den N (-)
Ergebnis Anspruch gem. §§ 677, 683, 670 (-) Anspruch gem. §684 S. 1 i.V.m. §§ 812 ff. (-)
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MERKE
Hemmer
33 V. Die unechte GoA
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Ausgangsfall
E ist Eigentümer eines Ferienhauses, zu dem sein Nachbar N einen Hausschlüssel besitzt, damit er ab und zu nach dem Rechten sehen kann. N vermietet ohne Wissen und Willen des E das Ferienhaus an den Nichts ahnenden U für vier Wochen zu EUR 500 pro Woche, Frühstück inklusive. Die ortsübliche Miete für vergleichbare Häuser beträgt EUR 400 pro Woche, für das Frühstück hat N Aufwendungen von EUR 50 pro Woche. (Medicus, BR, Rn. 417 / Abwandlung)
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Lösungsskizze
E N auf Herausgabe der EUR 2000 gem. §§ 687 Abs.2 S.1, 681 S.2, 667 BGB
Geschäftsbesorgung (+) Vermietung des Ferienhauses (+)
Objektiv fremdes Geschäft (+) Kenntnis der Fremdheit (+) Fremdgeschäftsführungswille (???)
Fremdgeschäftsführungsbewusstsein (???)
(Prüfungsschema) Obersatz: N müsste bei Vermietung des
Wohnraums einen Fremdgeschäftsführungswillen haben.
Definition: Der Geschäftsführer muss wissen und wollen, dass das Geschäft dem anderen Teil zugute kommt, § 687 Abs. 1, Abs. 2 S.1.
Subsumtion: N führt durch die Vermietung ein obj. fremdes Geschäft, wozu nur E befugt ist. Er vermietet das Haus an U wissentlich (F.-bewusstsein) und in der Absicht die erzielten Einnahmen für sich zu behalten (fehlender F.-wille).
Ergebnis: Es liegt kein Fremdgeschäftsführungswille vor.
Lösungsskizze
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Besorgung eines Geschäfts
Eigengeschäftsführungswille des GF
Kenntnis der Fremdheit
Objektiv fremdes Geschäft
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Lösungsskizze
Herausgabe des Erlangten (+) §§ 687 Abs.2 S.1, 681 S.2, 667 BGB (EUR 2000)
Herausgabe der Bereicherung (Frühstück)(+) § 687 Abs.2 S.2, 684 S.1 (EUR 200)
Ergebnis (+) E hat gegen N einen Herausgabeanspruch in Höhe von EUR 1800.
E N auf Herausgabe der EUR 2000 gem. § 812 Abs.1 S.1 Alt.2 BGB Vorrangiges EBV (-) Herausgabe des erlangten (+)
N kannte den Mangel des rechtlichen Grundes i.S.d. § 819 Abs.1. Ergebnis (+)
N ist zur Herausgabe der EUR 2000 verpflichtet.
E kann sich aussuchen, ob er die Bereicherung nach §§ 687 Abs.2 S.1, 2, 681 S.2, 667 BGB (EUR 1800) herausverlangt, oder ob er nach dem Bereicherungsrecht § 812 Abs.1 S.1 Alt.2 (EUR 2000) vorgeht.
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1. Voraussetzungen
Fremdgeschäftsführungswille (-) obj. Fremdes Geschäft
Fremdgeschäftsführungsbewusstsein (+/-), Abgrenzung der „irrtümlichen“ von der „angemaßten Eigengeschäftsführung“
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2. unecht vs. echte GOA
Unechte GOA
Echte GOA
Fremdheit Nur bei obj. fremdes Geschäft mögliche.
Allg. fremdes Geschäft.
Fremdgeschäftsführungswille
Fehlt irrtümlich oder vorsätzlich.
Ist vorhanden.
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3. irrtümlich vs. angemaßte Eigengeschäftsführung
§ 687 Abs. 1 „irrtümlichen Eigengeschäftsführung“, auch „unwissentliche, rechtswidrige Eigengeschäftsführung“ [400]
§ 687 Abs. 1 „angemaßten Eigengeschäftsführung“, oft auch „Geschäftsanmaßung genannt. [401]
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4. Rechtsfolgen
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Ansprüche
Ansprüche des GH Ansprüche des GF
Angemaßte Eigengeschäftsführung
- SEA §§ 823ff.
- aus Eingriffskondiktion 812 Abs.1 S.1 Alt.2, 818
- aus EBV 987ff.
- auf Herausgabe des Erlangten §§ 681 S.2, 667
- auf Schadensersatz 687 Abs.2 S.1 i.V.m. §§249 ff.
- Auf Aufwendungsersatz §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1, 812 ff.
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MERKE
Hemmer
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Nachbereitung: Übersicht über die mögl. Ansprüche
Ansprüche des GH Ansprüche des GF
Berechtigte GOA - Bei Ausführungsverschulden Anspuch auf SEA- Anspruch uaf Herausgabe des Erlangten §§ 681 S. 2, 667
- Aufwendungsersatz §§ 677, 683 S. 1, 670
Unberechtigte GOA - auf Herausgabe des Erlangten §§ 812 ff.- Aus EBV §§ 987 ff.- Bei Übernahmeverschulden SEA § 678 - allg. SEA §§ 823 ff.
- Herausgabe des Erlangten §§ 684 S. 1, 812 ff.
Angemaßte Eigengeschäftsführung
- SEA §§ 823ff- aus Eingriffskondiktion 812 Abs.1 S.1 Alt.2, 818- aus EBV 987ff- auf Herausgabe des Erlangten §§ 681 S.2, 667- auf Schadensersatz 687 Abs.2 S.1 i.V.m. §§249 ff.
- Auf Aufwendungsersatz §§ 687 Abs. 2 S. 2, 684 S. 1, 812 ff.