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113 2. Struktur: Lithiumorganische Verbindungen liegen im Festkörper und in Lösung als Oligomere vor. Dadurch wird das reaktionsverhalten dieser Metallorganika wesentlich beeinflußt. Lithium bindet zur Absättigung der freien Valenzen stets 4 Liganden (Koordinationszahl 4) Beispiel Methyllithium : Me Li Me Li Me Li Me Li Im Festkörper liegt MeLi als Polymer vor, das sich aus (MeLi) 4 -Kuben zusammensetzt. (Abstand Me-Li im Kubus = 231 pm, Abstand Me-Li zwischen den Kuben = 236 pm) In unpolaren Lösungsmitteln (z.B. nHexan, Pentan) ist MeLi aufgrund der Oligomeren bzw. Polymerenbildung unlöslich. In Ether oder THF ist MeLi gut löslich. Es liegen monomere Kuben vor, wobei die vierte Valenz der Lithiumatome durch die freien Elektronenpaare des Ethers abgesättigt werden. (= Donoreffekt der Solventien) Die genauen Strukturdaten sind durch Röntgenstrukturanalyse bzw. Kernresonanzstudien ( 1 H, 3 Li bzw 13 C-Spektren) bekannt.

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113

2. Struktur:Lithiumorganische Verbindungen liegen im Festkörper und in Lösung als Oligomere vor. Dadurch wird das reaktionsverhalten dieser Metallorganika wesentlich beeinflußt.Lithium bindet zur Absättigung der freien Valenzen stets 4 Liganden (Koordinationszahl 4)Beispiel Methyllithium:

Me

Li Me

Li

MeLi

Me Li

• Im Festkörper liegt MeLi als Polymer vor, das sich aus (MeLi)4-Kuben zusammensetzt. (Abstand Me-Li im Kubus = 231 pm, Abstand Me-Li zwischen den Kuben = 236 pm)

• In unpolaren Lösungsmitteln (z.B. nHexan, Pentan) ist MeLi aufgrund der Oligomeren bzw. Polymerenbildung unlöslich.

• In Ether oder THF ist MeLi gut löslich. Es liegen monomere Kuben vor, wobei die vierte Valenz der Lithiumatome durch die freien Elektronenpaare des Ethers abgesättigt werden. (= Donoreffekt der Solventien)

Die genauen Strukturdaten sind durch Röntgenstrukturanalyse bzw. Kernresonanzstudien (1H, 3Li bzw 13C-Spektren) bekannt.

114

Beispiel nButhyllithium:• In Kohlenwasserstoffen ist nBuLi gut löslich und liegt als Hexamer vor (Li6-Oktaeder)• In Ether oder THF besitzt nBuLi die Struktur von solvatisierten, monomeren (nBuLi)4-Kuben

(analog den MeLi-Kuben).• In Gegenwart noch stärkerer Komplexbildnern werden die (nBuLi)4-Kuben aufgebrochen

und nBuLi liegt in Form des komplexierten Monomers vor.Die Spaltung der Oligomeren geht mit einer starken Erhöhung der Reaktivität einher, weil durch die Komplexbildner die Polarität der Kohlenstoff-Lithiumbindung stark erhöht wird.

Komplexbildner:

Me2N NMe2 Me2N N NMe2

MeMe2N

P

O

NMe2NMe2

N N

O

MeMe

MeO OMe

O

O

O

O

O

O

O

O

TMEDA PMDTA HMPT

DMPU

O

O

DME

12-Krone-4 18-Krone-6

115

• DME (= Glycoldimethylether, Glyme), Kp. = 85 °C Lösungsmittel mit komplexbildenden Eigenschaften

• TMEDA und PMDTA Lösungsmittelzusätze mit komplexbildenden Eigenschaften• HMPT (= HMPA, = Hexametapol), Kp. 230-232 °C

Lösungsmittelzusatz mit komplexbildenden Eigenschaften, kanzerogen !Trocknung mit CaH2, dann Destillation im Vakuum

• DMPU: HMPT-Ersatzstoff, nicht kanzerogen, aber nur in Ausnahmefällen HMPT gleichwertig• 12-Krone-4 komplexiert selektiv Litiumionen• 18-Krone-6 selektiv für Natrium und Kaliumionen.

Beispiele für Reaktivitätssteigerung durch Komplexbildner:Metallierung von Dimethylbenzamid mit nBuLi /TMEDA:

OMe2N

H

OMe2N

LinBuLi / TMEDA

116

γ-Alkylierung von β-Ketoestern (Dissertation Riehs)

Carboxylierung von Ethylvinylsulfid:

H

SEt1. Base / THF

SEt

3. H+O

OH2. CO2

3%10-20%

68%72%90%

nBuLinBuLi / TMEDAnBuLi / HMPTsBuLisBuLi / HMPT

AusbeuteBase

O O-

OMe

Br

O

OO

O

O O-

OMe

O O

OMe

O- O-

OMe

Li+

O

O

O O

OMe

H2O

Na+NaHLi+ Na+nBuLi

THF/HMPT

117

Nachteil der Komplexbildner:Durch die Erhöhung der Polarität der R-Li-Bindung wird auch die Basizität der Metallorganika erhöht; damit werden Eliminierungen und Etherspaltungen gefördert.Bei erhöhter Temperatur werden so auch auch die Lösungsmittel oder Komplexbildner durch die lithiumorganischen Verbindungen gespalten.Etherspaltung durch lithiumorganischer Verbindungen:

O OLi

H

O

H

O

+ RLi

OLi

H

O

+ RH

H

+ RLi

+ R-

O

Li+

+ RLi + RHLiO

+ RH

O

Li+

+ R-

Li+

H

+ R-

H

+

+

118

Geschwindigkeit der Etherspaltung:MeLi << nBuLi < tBuLi Ether << THFMeLi in Ether mehrere Monate bei 20 °C, MeLi in THF schnell bereits bei 0 °CnBuLi in Ether langsam bei 20 °C, nBuLi in THF schnell bei 20 °CtBuLi in Ether und THF sehrschnell bei 20 °C

Dissoziation metallorganischer Verbindungen:Die Dissoziation oligomerer metallorganischer Verbindungen in Lösung wird durch Liganden mit Donoreigenschaften (z. B. das Lösungsmittel oder Komplexbildner ) induziert. Der Abbau der Oligomeren erfolgt dabei schrittweise über Monomere, Kontaktionenpaare und solvensseparierte Ionenpaare bis hin zu dissoziierten Ionen.

M LR

L

L

+M LR-

L

L

M+LL

L

L

M+LL

L

LLL

L L

L

Monomer Kontaktionenpaar

(R-M)n3 L

R-

L

L

LR-

solvenssepariertes

n L

Ionenpaardissoziierte Ionen

L = Ligand mit Donoreigenschaften

119

Die unterschiedlichen Spezies stehen miteinander im Gleichgewicht, wobei die Dissoziation durch folgende Faktoren begünstigt wird:• Stabilisierung der negativen Ladung in resonanzstabilisierten Carbanionen

(z.B. Triphenylmethan-Anion, Cyclopentadienyl-Anion, Fluorenid-Anion)• Stabilisierung der positiven Ladung im Kathion durch zunehmende Größe

Li+ < Na+ < K+ < Cs+ < R4N+

• Zunehmende Verdünnung• Zunehmendes Komplexierungsvermögen des Donors THF > DME

M LR

L

L

+M LR-

L

L

M+LL

L

L

M+LL

L

LLL

L L

L

Monomer Kontaktionenpaar

(R-M)n3 L

R-

L

L

LR-

solvenssepariertes

n L

Ionenpaardissoziierte Ionen

L = Ligand mit Donoreigenschaften

120

3. Reaktionen3.1 Hydrolyse:

R1-H + R2-LiR1-Li + R2-H

Wenn R2H stärker sauer als R1H liegt das Gleichgewicht rechts (z.B. klassische Hydrolyse mit Wasser)Beispiel LDA-Synthese:wahrscheinlich die am häufigsten durchgeführte Hydrolyse einer lithiumorganischen Verbindung

Li + N

H

+ N

Li

Beispiel Arecolin: Umlagerung durch Metallierung und nachfolgende Hydrolyse:der Angriff des Protons erfolgt bevorzugt in der α-Position.

N

OCH3

O

LDA

N

OCH3

O-

Li+H2O

N

OCH3

O

121

3.2 Deuterierung:

Dient zur selektiven Deuterierung metallierbarer Verbindungen. Mit T2O können auch Tritiummarkierte Verbindungen selektiv und rasch hergestellt werden.Bei der Herstellung deuterierter Verbindungen muß beachtet werden, daß bei ausreichender Acidität durch eine Austauschreaktion während der Aufarbeitung das Deuterium im Molekül wieder verloren gehen kann.

R1-D + DOHR1-Li + D2O

CH3

O

LDA CH2

OLi

+ D2O

- LiOHCH2D

O

LiOH / H2O CH3

O

122

• Stabilisierte Lithiumorganyle, z.B. Allyl-, Benzyl-, Alkenyl-, Aryl-Lithium-Verbindungen und Enolate geben brauchbare Ausbeuten beim "cross coupling„

• Nicht stabilisierte Lithiumorganyle geben schlechte Ausbeuten und Nebenreaktionenz.B. Eliminierung von HX und Halogen – Metallaustausch

• Die Reaktivität der Alkylhalogenide steigt in der Reihe Cl < Br < I ≈ OSO2Ar ≈ OSO2Me < OSO2CF3 an. Besonders reaktiv sind: MeI, Allylbromid, Benzylbromid, "magic methyl" (= MeOSO2CF3)

• Tertiäre Alkylhalogenide liefern bevorzugt EliminierungsprodukteAlkyliodide und Vinylhalogenide geben Halogen-Metallaustausch-Reaktion

Mechanismen des cross couplings: SN2, SN2' und Radikalisch nicht aber SN1

Allyhalogenide reagieren bevorzugt nach dem SN2'-Mechanismus

XR+ RLi + LiX

3.3 Substitution:3.3.1 Substitution mit C-Elektrophilen: (= cross coupling)

R1-R2 + LiXR1-Li + R2-X

123

3.3.2 Substitution mit Hetero-Elektrophilen:

R1-X + LiYR1-Li + Y-X

Dieser Reaktionstyp dient zur Knüpfung von C-Halogen, C-O, C-S, C-Se, C-N und C-P Bindungen in Positionen die durch ihre Metallierbarkeit ausgezeichnet sind.Chlorierungsmittel: Chlorsuccinimid Bromierungsmittel: Br2 (für Olefine ungeeignet), Bromsuccinimid (für Olefine geeignet)Iodierungsmittel: I2

Elektrophile zur Einführung eines Phenylselenid-substituenten:Phenylselenylchlorid, Phenylselenylbromid, Diphenyldiselenid Elektrophile zur Einführung von Stickstoffsubstituenten:Tosylazid, Chlornitrosocyclohexan (nach Oppolzer)

Einführung einer “exocyclischen” Doppelbindung:

OO

1. LDA2. MeI

H

HO

O

H

H 1. LDA2. Br2

OO

H

H

Br

DBU OO

H

H

124

Einführung von Stickstoffsubstituenten mit Tosylazid:

OO

1. LDA2. MeI

H

HO

O

H

H 1. LDA2. PhSeBr

OO

H

H

Se

NaIO4

Ph

OO

H

HO

O

H

H

Se

Ph

- PhSeOH

O

OR*

O

RLDA

OR*

OLi

RTosN3

OR*

O

R

N3

OR*

O

R

NH2

H2/Pd/C LiOH/H2O

OH

O

R

NH2

125

Einführung von Stickstoffsubstituenten mit Chlornitrosocyclohexan (nach Oppolzer):

R*

O

R

NOHH

Zn/HClR*

O

R

NH2

LiOH/H2OOH

O

R

NH2

S

NH

R*H =

O

O

R*

O

RNaN(SiMe3)2

R*

ONa

R

NOCl

R*

O

R

NO

HCl

LiOH/H2O OH

O

R

NOHH

126

3.3.3 Substitution mit Oxiranen:

R1-Li +O

R R

OH

R1

+R

R1

OH

Zwei regioisomere Alkohole können entstehen, üblicherweise wird der Angriff des Carbanions am weniger substituierten Kohlenstoff bevorzugt. Oft sind die Epoxide nicht reaktiv genug um direkt mit lithiumorganischen Verbindungen umgesetzt bar zu sein. Durch Zusatz von Lewis-Säuren kann die Reaktivität der Epoxide gesteigert werden.

R

OH

R1

+R

R1

OH

O

RBF3-Etherat O

R

BF3

O

R

BF3

O

R

BF3

R1-Li R1-Li

127

Übt der Rest R einen stabilisierenden Einfluß auf die positive Teilladung am benachbarten Kohlenstoff des Oxiranringes aus, wird die "normale" Selektivität umgekehrt.

R

OH

R1

+R

R1

OH

O

PhBF3-Etherat O

Ph

BF3

O

Ph

BF3

O

Ph

BF3

R1-Li R1-Li

128

3.4 Addition:Additionsreaktionen von lithiumorganischen Verbindungen an Mehrfachbindungssysteme verlaufen meist rasch und nebenproduktfrei, weshalb diese als Standardreaktionen zur C-C-Bindungsknüpfung Verwendung finden.

R1Li

R2 R3

O

R2 H

O

R1LiR2 R3

OLi

R2 H

OLi

R1

R1

H2O

H2O

R2 R3

OH

R2 H

OH

R1

R1

R1LiR2 X

O

R2 X

OLi

R1

H2O

R2 R1

OLi

R1

R1LiR2 R1

OLi

R1-LiX

H2O

R2

O

R1R2 X

OH

R1 -HX

129

Die als Zwischenprodukte anfalleneden Lithiumsalze können hydrolysiert werden oder für Reaktionen mit anderen Elektrophilen genutzt werdenAdditionen an Aldehyde und Ketone verlaufen meistens glatt. Lediglich bei extrem sperrig substituierten Ketonen versagt die Reaktion.

R1LiR1

OH2O

R2 OH

OCO O

CR2 NR1Li

R2 R1

NLiH2O

R2

O

R1

OLi

R2R1Li

R2

R1

LiH2O

R2

R1

130

Bei besonders leicht enolisierbaren Aldehyden oder Ketonen erfolgt statt der gewünschten Addition eine Enolisierung, sodaß nach der Aufarbeitung die Edukte wiedergewonnen werden. Deutlich wird dies, wenn man die Reaktion des leicht enolisierbaren 2-Indanons betrachtet:mit der stark basischen lithiumorganischen Verbindung erfolgt hauptsächlich Enolisierung, mit der wenig basischen cerorganischen Verbindung erfolgt hauptsächlich Addition !

O

SiMe3

OH1. RM

2. H2O

RM = Me3SiCH2Li

RM = Me3SiCH2CeCl2

CeCl3

6%

83%

131

Carbonsäurederivate mit guter Abgangsgruppe wie beispielsweise Säurechloride oder Ester reagieren mit Organolithiumverbindungen zunächst nach einem Additins-Eliminierungs-Mechanismus zu Ketonen. Da diese ähnliche oder sogar höhere Reaktivität gegenüber Organolithiumverbindungen besitzen als das Ausgangsmaterial erfolgt meist schnelle Weiterreaktion zu tertiären Alkoholen.Carbonsäurederivate mit schlechter Abgangsgruppe wie beispielsweise Säureamide reagieren mit Organolithiumverbindungen zu acetalartigen Addukten, die zu Ketonen hydrolysiert werden können.

R1 NMe2

O

R1 NMe2

OLi

R2R1 R2

O

H NMe2

O

H NMe2

OLi

R2H R2

O

R2Li H2O

R2Li H2O

132

Besonders bewährt haben sich für die Synthese von Ketonen Amide des N,O-Dimethyl-hydroxylamins (= Weinreb-Amide), die bei der Addition von lithiumorganischen Verbindungen in hohen Ausbeuten Ketone liefern.

R1 N

O

R1

LiO

R2R1 R2

O

O

Me

Me

N

O

MeR2Li

Me

H2O

Setzt man statt der hochreaktiven lithiumorganischen Verbindungen Cuprate ein, so lassen sich auch aus Säurechloriden Ketone darstellen, da Cuprate mit Ketonen nicht reagieren.

R1

O

R1 R

OR2CuLi

Cl

133

Auch Nitrile können eingesetzt werden, um durch Addition von lithiumorganischen Verbindungen Ketone darzustellen. Diese Reaktion ist auch zur Heterocyclensynthese bedeutsam, wie die folgende Abbildung verdeutlicht.

O

O Br

Cl O

O Li

Cl

O

O

Cl

Ph

NLi

O

O

Ph

N

Ph-CN

- LiCl

tBuLi

134

Lithiumorganische Verbindungen können auch an C-C-Mehrfachbindungen addiert werden. Dieser Reaktionstyp hat sich besonders bei Cyclisierungsreaktionen bewährt. Beispielsweise reagiert 6-Iod-1-hexen nach dem Halogen-Metallaustausch mit tBuLi beim Aufwärmen zu Cyclopentylmethyllithium.

Sind mehrere Doppelbindungen im Molekül vorhanden, können mit dieser Reaktion kaskaden-artig mehrere Ringe geschlossen werden

I Li

Li2 tBuLi

- 78 °C

-78°C...25 °C

I Li

H

H

Li

H

H

H

2 tBuLi

- 78 °C

Li

TMEDA

H

H

-78°C

25°C

H2O