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Reihe 5 Das Magazin der Staatstheater Stuttgart Oper Stuttgart / Stuttgarter Ballett / Schauspiel Stuttgart Nr.11 März – Mai 2018 Hätte, hätte ...! Ein Heft über Wunsch und Wirklichkeit

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Reihe 5Das Magazin der Staatstheater StuttgartOper Stuttgart / Stuttgarter Ballett / Schauspiel Stuttgart

Nr.11 März – Mai 2018

Hätte, hätte ...! Ein Heft über Wunsch und Wirklichkeit

Page 2: 180216 Reihe 5 Nr 11 gesamt RZ - staatstheater-stuttgart.de · Wir lieben jede Art der Performance. Solange sie die Herzen beschleunigt. Porsche ist stolz auf die erfolgreiche Partnerschaft

Wir lieben jede Art der Performance. Solange sie die Herzen beschleunigt. Porsche ist stolz auf die erfolgreiche Partnerschaft mit dem Stuttgarter Ballett und wünscht Ihnen viel Vergnügen in der aktuellen Spielzeit.

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EDITORIAL

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Und doch – wird kein Traum, wie er war. Selbst wenn am Ende des Regenbogens tatsäch- lich der berühmte Kessel voller Gold wartet, einer wird sich finden, der meckert, das habe man sich aber anders vorgestellt.

Davon handelt dieses Heft: vom ewigen Kreislauf zwischen dem, was wir wollen. Und dem, was (stattdessen) passiert.

Wunsch und Wirklichkeit sind wie ein altes Ehepaar, der eine zieht, der andere bremst. Eine Beziehungskiste, in der wir alle stecken, die mal gute und mal schlech-te Zeiten hat. Für Menschen am Theater hat das Begriffspaar gleich dreifache T

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SCHWERPUNKT WUNSCH UND WIRKLICHKEITMein Haus, mein Schatz, mein Sportwa-gen. Was wünschen wir uns – und warum? Wie schaffen wir unser Glück? Und was passiert, wenn wir scheitern? Ein Heft für alle, die begehren, streben, sehnen – und sich gern mit der Realität anfreunden

Bedeutung. Erstens ist die Strecke zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Raum der Dramen, hier spielen alle Geschichten, im Neben- und Übereinander von Täuschung und Ent-Täuschung; das gilt für finsterste Szenarien (Seite 22) wie für lustigste Komödien (Seite 26).

Gleichzeitig sind Komponisten, Regis - seure und Choreographen immer auch Wunscharbeiter in eigener Sache, wenn sie sich daranmachen, ihre Vorstellungen zu verwirklichen. Von der Pein, die es ver- ursachen kann, der eigenen Kreativität zu begegnen, und wie man den steinigen, aber lohnenswerten Weg des Schaffens geht, erzählen fünf Choreographen (Seite 34). Und, dritter Aspekt: Fantasie. Die wohnt

nämlich auch in diesem Raum, zwischen Wunsch und Wirklichkeit, und sie ver- bindet Publikum und Bühne. Auch deshalb heißt die Vorstellung ja Vorstellung: Ima- gination lässt uns Wirklichkeiten tauschen. Egal ob die Geschichten mit »Es war einmal ...« beginnen oder mit »Stell dir mal vor ...« (Seite 32): Nehmen Sie Platz und fühlen mit!

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Hoffen, Wünschen und Blättern. Die Staatstheater Stuttgart

Der eine spart, der andere bastelt. Ob dieser Vorstadt-Racer ironisch oder ernst gemeint ist? Wahrscheinlich beides

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Ideen ist immer eine Qual Louis Stiens (Seite 34)

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3 Editorial

FOYER

12 Momente 13 Das R equisit 14 Mein Weg Die Erste Solistin Anna Osadcenko

über Widerstand und Hingabe16 Die Regisseurin Lilja Rupprecht kennt

sich mit dem Loslassen aus

BÜHNE

18 Wünsch dir was! 10 Tipps, wie Sie Dinge geregelt

kriegen, ohne ständig zu scheitern

22 Schöner schwarzmalen Über den Nutzen von Dystopien

26 Soooooo verliebt … Tagebuch eines »schlecht behüteten

Mädchens« – und das seiner Mutter

28 Reich, stolz, einsam Vom Albtraum der Besitzenden

31 Gefangen im Dilemma Was ein Opernabend über Medien,

Macht und Manipulation verrät

32 Die Kraft der Worte Interview: Nora Gomringer über

Empathie und Poesie

34 Aus dem Nichts Fünf Choreographen erzählen von

Inspiration – und der Kraft des Scheiterns

38 Großstadtneurotiker Wie aktuell ist Der Steppenwolf?

BACKSTAGE

40 Kantinengespräch 41 In der Probe 42 Mein Arbeitsplatz42 Abgeschminkt 43 Hausbericht 44 90 Grad Einfach mal das Heft drehen

und schauen, was Darth Vader in Schwanensee zu suchen hat

46 Was war da los?

INHALT

13 Mark Andre verton t Zwischenräume 14Anna Osadcenko setzt sich durch 16 Lilja Rupprecht sucht das Neue 18 Die Schul e des Wünschens ersetzt den Therapeuten

22 Ju lia Encke erklärt den Weltuntergang 26 Lise und Simone fi nden zueinander 28 Jossi Wieler analysiert unsere Gese llschaft 31 Dallapiccola, Rihm und Strauß s prengen Ketten 32 Nora Gomringer denkt mit dem Herzen 34 Marco Goecke geht an Grenzen 34 Katarzyna Kozielska schickt auf Reisen 34 Louis Stiens lässt s ich hypnotisieren 34 Roman Novitzky ordnet das Chaos 34 Fabio Adorisio ist fabulous adorable 38 Philipp Be cker erklärt Hermann Hesse 40 Elena Tzavara und Philipp Rosendahl übersetzen Krieg und Diktatur 41 M eltem Aytac spürt den Wind 42 Udo Spiller lagert L eichen 42 Stephan Storck sticht in See 43 Birgit Dehard e schreibt Ballette auf 44 Kevin Vogel holt tief Luft 46 L isa Fuß vermisst Rostfl ecken

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Gefangen im Menschsein

Lassen Sie Ihre Augen über dieses Haus wandern. Was entdecken Sie? Den Blinden? Das Paar vor dem Fernseher? Oder die Christus - figur, die als Leiche im Keller unter allem wacht? Regisseur Herbert Wernicke inszeniert sechs Kantaten von J. S. Bach für den Theaterabend Actus tragicus und beschwört darin den ewigen Kreislauf von Leben und Tod. Hauptdarsteller: der Staats opern- chor. Ab 29. März im Opernhaus

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erFüttern verboten!

Es sind fragile Stücke, die da in der Modisterei der Staatstheater hängen – viel zu zart, um sie nach der Herstellung einfach in ein Regal zu legen. Die Kopfputze aus Hahnenkreuzfedern gehören nicht etwa zu Tauben oder Stockenten, wie auf dem von den Modisten liebevoll gebastelten Schildchen zu sehen ist, sondern zu den 24 Schwänen in Schwanen- see. Zu sehen sind sie ab dem 6. Mai auf der Opernhausbühne

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Die Schönheit der IrritationIst das ein Raum? Oder ist da nichts – nur Nebel und Licht? Hannah Hofmann (l.) und Sven Lindholm sind als Regieduo Hofmann&Lindholm auf der Suche nach Leerstellen; in ihren ungewöhnlichen Inszenierungen spielen sie mit der mensch lichen Wahrnehmung. Nicht genau zwischen Fantasie und Wirklich- keit unterscheiden zu können, das ist auch in ihrem neuen Werk Uraufführung gewünscht, ab 16. März im Nord

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Das 1. Evangelium, ab Minute 92»Der Satz stammt aus dem Hohelied der Liebe im Neuen Testament. Er geht noch weiter: ›... aber die Liebe ist die größte unter ihnen‹. Mich fasziniert, wie wir immer wieder versuchen, uns der Liebe zu stellen und sie zu verstehen. Meine

Kollegin Marietta Meguid spricht den Satz, und alle Darsteller erzeugen eine Wolke aus Texten über die Liebe, die in einem kollektiven Tanz mündet – ein Versuch, das Gefühl der Liebe zu erklären.«

Fühlen

FERDINAND LEHMANN gehört zum Ensemble des Schauspiels Stutt-gart. In Das 1. Evangelium spielt er verschiedene Rollen, etwa den Adam

SpringenLa fi lle mal gardée, Coda, 2. Akt »Ich liebe große Sprünge, aber auf der Bühne werden sie normalerweise von Männern ausgeführt. Im 2. Akt von La fi lle mal gardée hat die Hauptdarstellerin ausnahms weise die Gelegenheit, bevor Minisprünge auf Spitze folgen. Das ganze Corps de ballet ist involviert, schnipst und singt zur Musik. Diese fröhliche Energie ist toll – dann schafft man auch den krönenden Abschluss mit der einhändigen Hebung.«

ANGELINA ZUCCARINI ist Solistin beim Stuttgarter Ballett und tanzt »das schlecht behütete Mädchen«, zu sehen ab 3. März im Opernhaus

JETZT KOMMT’S!

Es gibt Momente, da wird es noch stiller im Saal. Menschen an den Staatstheatern Stuttgart und ihre Lieblingsszenen

FürchtenFelix Mendelssohn Bartholdy, Streichoktett op. 20, 3. Satz: »In die helle, verspielte Musik des 16-jährigen Mendelssohn dringt an dieser Stelle etwas Unheimliches ein. Während die hohen Streichinstrumente plötzlich schweigen, stimme ich eine schnelle Pendelfi gur

an, ein Vibrieren aus den Tiefen. Es ist wie ein Geräusch im Wald, das aus weiter Ferne kommt und uns mit einem Mal Angst macht ... Solche Momente gibt es sonst eigentlich nur bei Mozart.«

GUILLAUME ARTUS ist stellvertre-tender Solocellist im Staatsorchester Stuttgart und ist u.a. im Jubiläums-kammerkonzert am 23. Mai zu erleben.

Nun aber bleiben Glaube, Ho¥ nung, Liebe, diese drei

In der Oper und im Schauspiel ist eine Premiere eine Neu-

inszenierung eines bekannten Stücks. Im Ballett ist eine

Premiere die erste Au� ührung eines Werks oder eines Ballettabends. Bei einer

Urau� ührung hingegen entsteht ein Werk ganz neu. Deshalb

beginnt die Arbeit für eine Urau� ührung Jahre vorher.

Der Intendant wählt einen Choreographen aus. Dieser stellt

ein Team für Bühnenbild, Kostüme und Dramaturgie

zusammen, oft auch mit Kompo nisten. Der Choreograph arbeitet dann mit den Tänzern.

Deshalb planen wir längere Probenphasen ein. Eine Premiere

können wir kurz fristiger angehen; wir wissen, was uns

erwartet. Bei einer Urauf-führung nicht – das bedeutet

Risiko, aber die Überraschung ist auch das Schöne.

Das Protokoll führte Pia Boekhorst. Wenn Sie auch eine

Frage haben, dann schreiben Sie uns eine E-Mail an

[email protected]

Was ist der Unterschied

zwischen einer Urau¥ ührung

und einer Premiere?

GABI SCHUCH, Verwaltungsangestellte aus

Auenbach, fragt:

KRZYSZTOF NOWOGRODZKI, Produktionsleiter und

Ballettmeister beim Stuttgarter Ballett, antwortet:

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Das Requisit Seit seiner Kindheit beschäftigt den Franzosen Mark Andre die Szene des Jesus, der nach seinem Tod das Grab verlässt und, bevor er in den Himmel aufsteigt, auf Maria Magdalena trifft. Wie klingt es, wenn jemand nicht mehr Teil dieser Welt ist und noch nicht Teil einer anderen? Also machte er sich im März 2011 auf den Weg dorthin, wo er sich der Antwort so nah wie möglich wähnte. In Jerusalem ließ er das Aufnahmegerät in der Grabeskirche laufen und hielt das Mikrofon an die Brandung des Meeres. Sein Ziel: die musika-lische Verwandlung gerade der Geräusche in den Zwi schen räumen. Nicht mehr ganz hier, noch nicht ganz fort.

Die Oper wunderzaichen ist das Resultat dieser Reise. Insgesamt sieben Jahre lang arbeitete Andre an dem Stück. Es handelt von Johannes

Reuchlin, 1455 in Pforzheim gebo-rener Humanist und Thora-Gelehrter. Andre hat ihn in die Gegenwart verpfl anzt, an den Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv, wo er inmitten von Pilgern und Touristen auf die Einreise wartet. Wie das histori-sche Vorbild hat der Reuchlin des Mark Andre sein Leben der Sprache und Religion des persönlichen Sehnsuchtsorts verschrieben. Doch nach einer Transplantation trägt er das Herz eines anderen. Bei der Über prüfung seiner Identität macht er sich verdächtig, weil er selbst nicht mehr genau weiß, wer er eigentlich ist. Und plötzlich kann er nicht mehr vor und nicht zurück.

Um den Moment erlebbar zu ma-chen, an dem Reuchlins Verlorenheit einsetzt, bringt Andre eine Schar von Pilgern und Touristen ins Spiel, dargestellt von den Mitgliedern des Staatsopernchors. Jeder ist mit

einem Kontrabassbogen ausge-stattet. Dann beginnen alle, damit über Holz und Plastik zu streichen. Es entsteht ein tonloses Rauschen – wie ein leichter Wind, bei dem man nicht sagen kann, aus welcher Richtung er kommt und wohin er weht.

Doch wie schafft man es, dass Sänger, die kein Streichinstrument er lernt haben, diese Bewegungen synchron ausführen? Ihr Dirigent Johannes Knecht ließ sich dafür eigens ein Zeichensystem einfallen. Die eine Hand gibt die Einsätze, die andere zeigt an, was mit dem Bogen zu tun ist. Das Publikum kann seine Kunstgriffe allerdings nicht sehen. Knecht steht im Seitenfl ügel der Bühne. Kai Schächtele

Der Spannungsbogen

WUNDERZAICHENvon Mark Andreab 13. Mai im Opernhaus

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Die Stuttgarter Staatstheater bieten Oper, Ballett und Schauspiel auf höchstem Niveau. Private Förderung trägt dazu bei, dieses heraus ragende

und umfassende Kulturprogramm aufrechtzuerhalten.

Das Engagement des Fördervereins der Staatstheater Stuttgart reicht von der Unterstützung von Theaterprojekten an Schulen, der Finanzierung von

Stipendien bis hin zur Förderung besonders wichtiger Produktionen.

Als Mitglied oder Stifter sind Sie bei uns in bester Gesellschaft. Erleben Sie Theater hautnah – bei Proben, Sonderveranstaltungen und exklusiven

Gesprächen mit den Künstlern der Staatstheater. Wir informieren Sie gerne:

förderverein der staatstheater stuttgart e.v.

Am Hauptbahnhof 2, 70173 Stuttgart Telefon 0711.12 43 41 35Telefax 0711.12 74 60 93

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FOYER

I hre Karriere beginnt mit einer Geheimaktion, waschechter Widerstand inklusive: Es ist Nach-mittag im kasachischen Almaty, Osadcenko und ihre Cousine machen beim Spielen Dehnübungen.

Plötzlich sitzt die sechsjährige Anna im einwandfreien Spagat. »Du musst zum Ballett!«, ruft ihre Tante. Am nächsten Tag meint auch die Lehrerin: »Die muss Balle-rina werden.« Mama und Papa Osadcenko sind dagegen.

Doch die Tante bleibt dran. »Wir machen das«, sagt sie zu Anna, »und zwar heimlich.« Dreimal in der Woche treffen sie sich, abends wäscht die Tante das Trikot, ein Jahr lang geht das gut. Bis die Lehrerin zufällig Annas Mutter trifft. »Ihre Tochter hat die Ballettprüfung be-standen«, sagt die Lehrerin. »Meine Tochter macht kein Ballett – was hat sie wieder angestellt?«

Denn Anna war bekannt dafür, sich durchzusetzen. Am Abend der Ballettprüfung gab’s Ärger. Doch die Eltern gaben ihren Segen, stolz auf ihre mutige und eigensinnige Tochter. 1999 – die Eltern zogen als Spät-aussiedler nach Stuttgart – kommt Anna auf die John Cranko Schule, 2002 wird sie in die Compagnie des Stuttgarter Balletts aufgenommen. 2008 wird sie zur

Ersten Solistin ernannt, ist damit auf dem Gipfel einer Tänzerinnenkarriere angekommen.

Und Anna Osadcenko wird erwachsen beim Stutt-garter Ballett, das spiegelt sich in ihrem riesigen Reper-toire: Mit zwanzig ist das etwa die unbeschwerte Olga in Onegin, zehn Jahre später, als Tänzerin und Persönlich-keit gewachsen, Tatjana, Olgas ernste große Schwester.

Seit vier Jahren ist Osadcenko mit dem Ersten Solis-ten Jason Reilly zusammen, im April ist Tochter Luna geboren. Reilly und sie leben und arbeiten gemeinsam und schwören auf eine Regel: nie zu Hause über die Ar-beit reden. »Alles, was die Stücke betrifft, auch die kom-plizierten Bühnenbeziehungen, klären wir im Theater.«

Anna Osadcenko lebt nun länger in Stuttgart als in Almaty. Sie hat die Stelle, die sie immer wollte, eine Beziehung, ein Kind. Für ihren Erfolg hat sie eine unge-wöhnliche Strategie. »Ich habe nie etwas geplant oder er-wartet«, sagt sie, »ich wollte immer nur lernen, wachsen. Ich lasse alles auf mich zukommen.« Jana Petersen

AlmatyKasachstan

1999StuttgartDeutschland

Anna Osadcenko tanzt im Ballettabend DIE FANTASTISCHEN FÜNF, ab 23. März im Schauspielhaus Fo

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Die EigensinnigeDen Großteil ihres Lebens

hat Anna Osadcenko mit dem Stuttgarter Ballett

verbracht. Angefangen hat ihre Laufbahn mit einem

Abenteuer

MEIN WEG

ANNA OSADCENKO ist Erste Solistin. Und Wonderfeet in der Super-heldenreihe des Balletts – sie ist berühmt für ihren hohen Spann

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FOYER

Z uallererst war sie eine Robbe. Das kam ihr damals, mit fünf Jahren, schon ungeheuerlich vor: »Auf der Bühne etwas anderes sein zu dürfen, als man dachte zu sein.« Die Sehn-

sucht, Welten zu gestalten, ließ Lilja Rupprecht nach der Kindergartenaufführung von Kästners Konferenz der Tiere nicht mehr los. Auch wenn sie sich zunächst als Goldschmiedin, Malerin oder Restauratorin sah. Haupt-sache, mit Werkzeug und Material Neues erschaffen.

Mit fünfzehn Jahren ging die Hamburgerin oft ins Thalia Theater und liebte das Gemeinschaftserlebnis dort so sehr, dass daraus eine konkrete Perspektive wurde. Nach dem Abitur hospitierte sie am Hamburger Schauspielhaus. Ihre erste Inszenierung von Harold und Maude im Thalia begeisterte das Publikum. Auf der re-nommierten Ernst-Busch-Schule wurde sie gleich beim ersten Versuch aufgenommen und blieb, auch wenn »ich das Studium jedes Jahr neu über Bord werfen wollte«.

Mit 33 inszeniert sie an den größten deutschsprachi-gen Bühnen. Eine Traumkarriere. Zumal für eine Frau. »Als Frau muss man sich immer noch mehr beweisen. Es wabert ein Herrenhumor durch die Theater. Dabei

sind Frauen oft die spannenderen Wesen. Sie haben eine stärkere Verbindung nach oben und unten«, sagt sie.

Seit sie siebzehn ist, ist Yoga ihr Ausgleich. Heute nutzt sie das auch künstlerisch. Tatsächlich spürt man eine kosmisch-philosophische Dimension in ihren Ar-beiten. Etwa zuletzt bei Mary Page Marlowe in Köln, wo sie das Leben einer Frau von Darstellerinnen in verschiedenen Lebensaltern spielen ließ. In der Rolle der Greisin schickte sie ein Kind auf die Bühne. Im Lauf des Stücks löste sich ein Haus in seine Bestandteile auf. Wie Erinnerungsgeister flackerten Videos darüber. Eine Inszenierung vom Leben mit all seinen Brüchen.

Franz Kafkas Amerika ist ein ähnliches Herzenspro-jekt. »Ich interessiere mich für Identitätssuche. Welche Grenzen gibt es? Wie weit kann man sich aus dem Fens-ter wagen?« Dass sie sich diese Fragen selbst stellt, dass sie ihr Theater höchstpersönlich etwas angeht, das spürt man in jeder Pore der fröhlichen und energiegeladenen Frau mit dem Karriere-Kick-Start. Dorothea Marcus

Königin der Schöpfung

Als Mädchen erlebte Lilja Rupprecht zum ersten

Mal den Zauber, die Grenzen der eigenen Welt zu

verlassen. Heute spielt sie selbst mit den Welten – als

gefeierte Regisseurin mit gerade mal 33 Jahren

MEIN WEG

HamburgDeutschland

2009Berlin

2013WienÖsterreich

2014GöttingenDeutschland

2016Köln

LILJA RUPPRECHT wollte zuerst Malerin werden. Dann verliebte sie sich ins Theater – für sie »Malen im dreidimensiona-len Raum«

AMERIKA nach dem Roman von Franz Kafka ab 13. April im Schauspielhaus Fo

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BÜHNE

Träumen Sie klein! Gleich zu Beginn die wichtigste Botschaft: Vergessen Sie alles, was Sie in Motivationsratgebern aufgeschnappt haben. Wer weit kommen will, muss nicht weit werfen – oder groß träumen, wie gern behauptet wird. Das sind nachgelagerte Deutungen, die jene Menschen widerle-gen, die es wissen müssen: Weder Barack Obama noch Angela Merkel haben zu Beginn ihrer Laufbahn von den Ämtern geträumt, die später an sie herangetragen wurden. Kein Nobelpreisträger wollte in jungen Jahren Nobelpreisträger werden. Alle, die etwas Bemerkenswer-tes geschaffen haben, hangelten sich von einem Projekt, das sie zum jeweiligen Zeitpunkt bewältigen konnten, zum nächsten. Werfen Sie den Ball, so weit Sie möchten, heben ihn auf, wohin er fällt, und machen von dort aus weiter. Wenn Sie Ihre Ziele überdehnen, vergrößern Sie nur die Gefahr des Verzettelns und Scheiterns.

Franz Kafka etwa begann mit fünfzehn die Arbeit an seinem Roman Amerika, der Geschichte eines deutschen Auswanderers wider Willen, der jenseits des Atlantiks statt des großen Traums eine rohe Welt voller trister Ge-stalten betritt. Dieses Projekt (wie auch Das Schloss und Der Prozess) wurden von ihm nie fertiggestellt. »Mein Roman! Ich erklärte mich vorgestern abend vollständig von ihm besiegt«, schrieb er verzweifelt: »Er läuft mir auseinander, ich kann ihn nicht mehr umfassen.« Also legte Kafka die Arbeit zu Amerika beiseite und schrieb eine Kurzgeschichte, Die Verwandlung, jene Erzählung, die ihn, wenn auch postum, berühmt machen sollte.

Fangen Sie an! Egal wo. Egal wie. Hauptsache, Sie fangen an. Ideen haben keine Beine. Jedes Projekt geht seinen ganz eigenen Weg, der wird aber erst beschritten, wenn Sie ihn beschreiten. Es ist völlig okay zu grübeln oder zu bügeln, um vorab ein bisschen nachzudenken. In dem Moment jedoch, wenn Sie anfangen, die Oberkante Ihrer Türrahmen zu putzen, überschreiten Sie eine Grenze.

Die Choreographen des Stuttgarter Balletts etwa haben eine eigene Methode entwickelt, wenn sie sich da ran machen, ein neues Ballett aus dem Nichts zu schaffen. Sie forschen, testen ihre Ideen mit Tänzern, vor allem aber: Sie bewegen sich. Sie stellen sich der Angst, die aufkommen kann, wenn man der eigenen Kreativität begegnet. Und statt dieser Furcht nachzugeben, gehen sie durch sie hindurch, indem sie etwas tun, die ästhe-tische Wirkung ihrer Ideen prüfen, Bewegungen adap-tieren, kurz: ausprobieren. Jedes Projekt ist das Resultat der Dinge, die man während seiner Erfüllung verworfen hat. Oder, um es mit den Worten des Choreographen Marco Goecke zu sagen: »Das Stück ist immer das Beste von dem, was nicht geklappt hat.« Was aber tatsächlich klappt, fi nden Sie nur heraus, indem Sie anfangen.

AMERIKA nach dem Roman von Franz Kafka Premiere am 13. April im Schauspielhaus

Seien Sie nachsichtig! Vor allem mit sich selbst. Denn ganz ehrlich: Sie sind ein Mensch und bleiben es – mit allen Fehlern und Schwächen. Wir sind »Ge-fangene im Menschsein« – mit einem Anfang, einem Ende und dazwischen viel Raum für das Betreten von Fettnäpfchen. Und wenn wir schon beim Ende sind: Am allerbesten lebt es sich tatsächlich im Bewusstsein Ihrer eigenen Vergänglichkeit. Ganz im Sinne des Memento mori. Da verliert so manches Alltagsproblem seinen Schrecken. Also: Genießen Sie die Zeit auf Ihrer Bühne! Der Schlussapplaus kommt viel schneller, als Sie denken.

ACTUS TRAGICUS Sechs Kirchenkantaten von Johann Sebastian Bach, Wiederaufnahme am 29. März

10

Seien Sie vorsichtig mit Ihren Versprechen. Überstürzen Sie nichts! Versprechen sind dazu da, dem Empfänger Sicherheit zu bieten. Dem Absender ist die Gravität des Schwurs selten bewusst, viele Versprechen geben wir, um Ruhe zu haben, Zeit zu schinden oder – wie im Fall der Liebes-schwüre – um doch einen klitzekleinen Schritt voranzu-kommen. Vielleicht geht noch ein Kuss? Oder gar mehr? Ein bisschen so ist das auch in dem wohl berühmtesten Versprechen der Ballettwelt, wenn Prinz Siegfried seiner lieblichen Schwanenfee Odette ewige Treue und Liebe schwört. Schon bald wird er diesen Schwur brechen, weil er den schwarzen Schwan namens Odile mit Odette ver-wechselt – und auch hier einen Schritt weitergehen will und um die Hand des (bösen) Schwans anhält –, und das Drama nimmt seinen Lauf. Mit etwas mehr Geduld, Umsicht und Verstand wäre Siegfried weitaus besser gefahren, schließlich wusste er die ganze Zeit, dass ein böser Zauberer seine Finger im Spiel hat.

Gleichzeitig muss man Siegfried auch schon wieder dankbar sein, denn ohne seine jugendliche Ungeduld gäbe es diese wunderschöne, tragische Geschichte nicht.

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SCHWANENSEE Ballett von John Cranko ab 6. Mai im Opernhaus

DIE FANTASTISCHEN FÜNF Ballettabend mit fünf Uraufführungen von Marco Goecke, Katarzyna Kozielska, Louis Stiens, Roman Novitzky und Fabio AdorisioPremiere am 23. März im Schauspielhaus

Die Schule des Wünschens

Dinge geregelt kriegen, ohne ständig zu scheitern – wie geht das bloß? Tausende Regalmeter stehen voll mit Psycho-Ratgebern,

und jetzt kommen auch noch die Staatstheater Stuttgart? Keine Sorge! Ein bisschen ernst gemeint sind unsere Tipps zwar

schon, vor allem aber sind sie eine Einladung: Wunsch und Wirklichkeit können Sie nämlich auch in der Oper, im

Schauspiel und im Ballett abgleichen, indem Sie den Dramen anderer nachspüren.

Wieso sich auf die Therapeutencouch legen? Nehmen Sie lieber mal wieder im Theater Platz!

TEXT: RALF GRAUEL

ILLUSTRATIONEN: DIRK SCHMIDT

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BÜHNE

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Stellen Sie sich was vor! Zum Beispiel, ein anderer Mensch zu sein. Nutzen Sie Ihre Fantasie mal für was anderes als dafür, sich die Großartigkeit Ihres eigenen Lebens auszumalen. Nut-zen Sie Ihre Fantasie mal dazu, sich vorzustellen, jemand anderes zu sein. Wechseln Sie dabei auch Ihr Geschlecht, Ihre soziale Herkunft, Ihre Heimat. Und versetzen Sie sich auch in Menschen, die Sie überhaupt nicht mögen, ja viel-leicht sogar verachten! Wozu? Sie expandieren Ihre Vor-stellungskraft, Ihre Fähigkeit mitzufühlen, und am Ende des Tages werden Sie Ihre Kommunikationsfähig keit drastisch erhöhen. Lauter wertvolle Eigenschaften, die wir im modernen Leben brauchen. Egal ob in der Partner-schaft, im Job oder in der Politik: Jede Verhandlung, jeder Konfl ikt läuft glatter ab, wenn die Parteien in der Tugend geübt sind, sich in die Lage des anderen zu versetzen.

KRIEG. STELL DIR VOR, ER WÄRE HIER von Marius Felix Lange nach dem gleichnamigen Buch von Janne Teller mit Gedichtinseln von Nora Gomringer, Uraufführung am 27. April im Kammertheater

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Planen Sie nicht für andere. Und niemals für Ihre Kinder! Pläne schmieden macht Spaß. Pläne für andere zu schmieden kann anstrengend sein, falls die Betroffenen nicht eingeweiht sind. Zu Tränen und Geschrei führt es regelmäßig, wenn Eltern für ihre (fast) erwachsenen Kinder planen. Wie viele Katastrophen nahmen nicht schon mit dem Satz »Ich wollte doch nur dein Bestes!« ihren Lauf? Kinder reagieren darauf mit einer Extrapor-tion Trotz. Wie eine alleinerziehende Mutter und ihre eigenwillige Tochter ihr Dilemma lösen, nachdem die Mutter die Heirat der Tochter hinterrücks eingefädelt hat, erzählt die Ballettkomödie La fi lle mal gardée. Im echten Leben laufen solche Crashs allerdings weniger spaßig ab. Also: Denken Sie daran, das Leben ist ein Ge-fl echt aus Wünschen und Plänen. Sprechen Sie sich ab. Stellen Sie sicher, dass Ihre Vorstellungen halbwegs mit denen Ihrer Mitmenschen harmonieren, bevor Sie mit allen über Kreuz liegen und sich verheddern.

LA FILLE MAL GARDÉE Ballett von Sir Frederick Ashton ab 3. März im Opernhaus

Malen Sie Ihre Vision immer mal wieder auch mit schwarzer Farbe. Werden Sie Super-Pessimist!Gute Vorsätze brauchen Vor-Bilder. Die meisten Men-schen zeichnen ihre Zielvorstellung möglichst farbig aus – und arbeiten dann darauf hin. Das Gegenteil jedoch, die Beschäftigung mit Anti-Bildern, kann sehr hilfreich sein, vor allem wenn es darum geht, das eigene Verhal-ten zu ändern. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Leben verläuft, wenn Sie nichts ändern. Alles bleibt, wie es ist, vor allem Sie selbst. Das Einzige, was Sie kultivieren, ist Ihre Träg-heit; Ihre Ideen und Träume lassen Sie liegen. Spielen Sie den Stillstand bis zum Ende durch, stellen sich vor Ihr eigenes Grab und halten eine Rede. Falls Ihnen das nicht genügt, setzen Sie noch einen drauf: Stellen Sie sich vor, Sie wären nicht nur träge, sondern auch schlau, etwas gierig vielleicht, gingen jeder kleinsten Versuchung nach, wählten den Weg des geringsten Widerstands und wä-ren dabei sogar recht erfolgreich. Währenddessen ist die Gesellschaft um Sie herum zerfallen; das aber ha-ben Sie nicht bemerkt, weil Sie sich – wie Ihre Mitmen-schen – mit nichts anderem als der Befriedigung Ihrer unmittelbarsten Bedürfnisse beschäftigt haben. Nicht so schön, oder? Eben! Denken Sie jedes Projekt (auch Ihr Leben?) immer wieder vom Ende her, und zwar von einem schlechten. Huldigen Sie der Dystopie – und las-sen Sie sich von der Düsternis motivieren, anzufangen und zu handeln.

Die Dystopien-Reihe im Schauspiel Stuttgart FAHRENHEIT 451 nach Ray Bradbury, seit 21. Januar im Nord. SCHÖNE NEUE WELT nach Aldous Huxley, ab 7. April im Nord. 1984 nach George Orwell, ab 27. Mai im Schauspielhaus

Bewältigen Sie selbst, wovon Sie später sagen wollen, es gescha¥t zu haben! Wir werden, was wir tun. Es sind die Handlungen, die unseren Charakter prägen. »Ich kann das schon allei-ne«, sagt das Kind und folgt dabei einem zentralen In-stinkt, der dafür verantwortlich ist, dass es überhaupt lernt. Vom Schnürsenkelzubinden bis zum Bergsteigen: Jede Prüfung, die wir meistern, macht uns stolz, happy und bereit für die nächste größere Herausforderung. Seit Goethes Faust, dem Freischütz und Karl-Theodor zu Guttenberg wissen wir: Wer betrügt oder sich vom Teufel helfen lässt, erntet nur Unheil. Vermeiden Sie Abkürzungen! Schaffen Sie die dicken Brocken selbst beiseite – und entwickeln sich auf diese Weise weiter.

DER FREISCHÜTZ Oper von Carl Maria von Weber ab 2. Mai im Opernhaus

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Gehen Sie auf Abstand zu Ihren eigenen Sehnsüchten! In jedem schönen Wunsch schlummert eine Sehnsucht, und das ist gefährlich. Denn ein Wesensmerkmal der Sehnsucht ist ihre Unstillbarkeit. Und je stärker wir uns nach etwas sehnen, desto blinder werden wir. Wir wol-len schön sein – und kaufen Kosmetik. Wir sehnen uns nach Anerkennung – und riskieren Kopf und Kragen. Wir verzehren uns nach Liebe (oder wie Don Pasquale nach einem Erben) – und lassen uns betrügen und einwickeln. Der Pfad der Sehnsucht kann schnell zum Pfad der Un-freiheit werden, denn für jede Sehn-»Sucht« gibt es Tau-sende Produkte, sie zu stillen. Diktatoren, die Sicherheit versprechen und Freiheit rauben. Programmierer, die uns mit unseren Freunden verbinden und unser Weltbild verengen. Wer möglichst frei durchs Leben gehen will, sollte sich von seinen Sehnsüchten zwar nicht befreien (das geht ja nicht), doch er sollte zwischendurch immer wieder auf kritische Distanz zu ihnen gehen. Denn nur aus der Distanz erkennt man etwaige Fäden – und ob nicht mitunter schon jemand daran zieht.

DON PASQUALE Oper von Gaetano Donizetti Premiere am 25. März im Opernhaus

Wenn der Durchblick fehlt: Bringen Sie alles durcheinander! Das mag jetzt komisch klingen, vor allem für Menschen, die ihre Projekte mit calvinistischer Geradlinigkeit durch-ziehen. Dennoch ist es ratsam, die eigenen Angelegen-heiten zwischendurch immer mal wieder durcheinan-derzubringen. Das Einerlei, das Immergleiche, macht uns nämlich krank, zieht uns runter. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Harry Haller, dem Großstadtneurotiker aus dem Steppenwolf, der anfangs depressiv durch graue Straßen schlurft, dann aber der mysteriösen Hermine in ein Haus folgt, in dem es für ihn drunter und drüber geht; alles löst sich um ihn herum auf, sogar seine eigene Persönlichkeit, die er am Ende neu sortiert – geläutert, erfrischt, glücklich. Verstehen Sie dies bitte nicht als Aufforderung zur Einnahme bewusstseinserweiternder Drogen (denn genau dies macht Haller, bevor sein Trip losgeht). Verstehen Sie dies lieber als Aufforderung, sollte Ihnen das eigene Leben langweilig werden, Orte aufzusuchen, die Sie verunsichern, Orte, an denen Sie sich selbst infrage stellen. Zu kompliziert? Dann fahren Sie mal zum Kölner Karneval oder zum Oktoberfest; die sind auch »nur für Verrückte«.

Oder aber, dritter Tipp, schauen Sie sich das neue, kluge Verwirrspiel des Regieduos Hannah Hofmann und Sven Lindholm an. Die beiden ließen sich diesmal von Goethe inspirieren, der seinen Faust in Der Tragö-die zweiter Teil sagen lässt: »Das Leere lernen, Leeres lehren? Du sendest mich ins Leere, damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre. Nur immer zu! Wir wollen es ergründen, in deinem Nichts hoff ich das All zu fi nden.« Was das bedeutet? Finden Sie es selbst heraus. Aber Vorsicht! Nichts ist, wie es scheint ...

DER STEPPENWOLF nach dem Roman von Hermann Hesse Premiere am 10. März im Schauspielhaus URAUFFÜHRUNG von Hofmann&Lindholm ab 16. März im Nord

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BÜHNE

Wann haben wir aufgehört, gegen

unsere Überwachung zu kämpfen?

Und wie kommt es, dass überall plötzlich düstere Visionen von der Zukunft auftauchen?

Ein Essay über den Nutzen der Schwarzmalerei

TEXT: JULIA ENCKE

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BÜHNE

N irgendwo, so scheint es, erfährt man mehr über die Sorgen, Hoffnungen, Ängste, Probleme und fehlgeleiteten Glücksver-

sprechen der Gegenwart als in der Zukunft. Nicht in fernen, utopischen und damit auch entrückten Star-Wars-Visionen à la Holly-wood, sondern beim Blick auf die eher nahe, schon viel konkreter erahnbare, wenn auch immer noch nicht richtig greifbare Zukunft. Und erst wenn wir so einen fertigen Entwurf des durchaus Möglichen vor uns sehen, er-kennen wir plötzlich dessen feine Wurzeln im Hier und Jetzt, deren Verästelungen uns bislang verborgen geblieben waren. Wie unter einer Lupe liegt sie auf einmal über-deutlich vor uns – die Gegenwart. Je unüber-sichtlicher die Welt wird, desto dringender scheint die Notwendigkeit des Abstands durch einen Zeitensprung zu werden: Erst der Blick zurück aus dem fiktionalen Morgen bringt uns Klarheit.

Es sind genau diese Dystopien, die im Schauspiel Stuttgart demnächst Premiere haben oder bereits hatten: George Orwells 1984 im Mai in der Regie von Armin Pet-ras, Aldous Huxleys Schöne neue Welt im April in der Regie von Philipp Rosendahl. Und bereits im Januar Fahrenheit 451 nach dem Roman von Ray Bradbury, das Wilke Weermann inszeniert hat – ein Stück über jene Temperatur, bei der Papier brennt, also auch Bücher. Die sind in Bradburys Vision die Quelle allen Unglücks und müssen be-schlagnahmt und vernichtet werden.

Kein Wunder, dass in den vergangenen Jahren viele Romane erschienen sind, die Visionen einer nahen Zukunft entworfen haben. Von den düsteren Szenarien des rus-sischen Schriftstellers Vladimir Sorokin bis zu Juli Zehs aktuellem Roman Leere Herzen, der in einer Zeit nach dem Rücktritt Angela Merkels spielt: Es sind Geschichten, die über den Umweg der Zukunft von den Abgründen der Gegenwart erzählen. Sie benutzen das, was der Science-Fiction-Autor H. G. Wells The Shape of Things to Come genannt hat, »die Gestalt der zukünftigen Dinge«, um die Gesellschaften zu analysieren, von denen sie erzählen. Und natürlich beziehen sie sich dabei, ob direkt oder indirekt, auf die großen kulturkritischen Zukunftsromane von Hux-ley und Orwell: Schöne neue Welt und 1984. Auf jene beiden Schreckensszenarien der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts also, die Visionen totalitärer Unterdrückung durch-spielen.

Wie charmant und unauffällig sich mo-derner totalitärer Geist und seine Strukturen

möglicherweise heute tarnen, um uns so zu überrumpeln, dass wir alle begeistert mit-machen, davon erzählte 2014 der Roman Der Circle des amerikanischen Schriftstel-lers Dave Eggers (der mit Emma Watson und Tom Hanks verfilmt wurde). Es geht darin um die 24-jährige Mae Holland und ihren Job beim »Circle«, der hippsten Firma der Welt. Ein freundlicher Internetkonzern in Kalifor-nien, der Google, Apple, Facebook und Twit-ter schluckt, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet. Mae ist begeistert von der schönen neuen Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterneköche kosten-lose Mahlzeiten für die Mitarbeiter zuberei-ten, internationale Popstars Gratiskonzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie findet ihren Arbeitsplatz so himmlisch, dass sie sich bedingungslos allen Zielen des Unternehmens verschreibt. So macht sie Karriere und wird zum Gesicht und zur Verkörperung der Firma – bis eine Begegnung mit einem Kollegen alles ändert.

Dave Eggers lullt die Leser ein

Eggers’ Buch spielt in der Zukunft, aber es geht um unsere Gegenwart: das Zeitalter der totalen Vernetzung, der unermessli-chen Speicherkapazität, der technischen Allmachtsfantasien. Der »Circle« verkauft den Menschen die totale Sicherheit: Wenn Kinder einen Chip eingepflanzt bekom-men, werden sie nicht mehr geschändet. Wenn überall Kameras stehen, die mit dem Inter net verbunden sind, wird es schwer für Verbrecher und andere Dunkelmänner. »Geheimnisse sind Lügen«, lautet die Parole.

Die Bedrohung in Der Circle entwickelt sich schleichend, das repressive System ist nicht gleich als solches erkennbar wie in Huxleys autoritärem Weltstaat oder in Orwells scharf überwachter und gleichge-schalteter Gesellschaft. Der »Circle« ist bei Eggers zunächst ein soziales und engagier-tes Unternehmen, das die Individualität fei-ert. Eggers lullt seine Leser mit derselben

Freundlichkeit ein wie das Unternehmen seine junge Protagonistin Mae Holland. Womit dieser Roman auch von uns handelt, den Usern und Kunden, von all denen also, die jeden neuen Schritt zur totalen Überwa-chung bejubeln, weil sie glauben, sie hätten nichts zu verbergen, und weil sie sich nach der Sichtbarkeit und Sicherheit sehnen, die der »Circle« verspricht.

Die Internet-Community Kaliforniens wirkt auf den ersten Blick nicht bedrohlich. Das, was wir heute als Silicon Valley kennen, hat seine Ursprünge im Geist der Blumen-kinder. Apple-Gründer Steve Jobs etwa sah sich selbst als Hippie. Eggers’ Roman zeigt in Zeiten großer Interneteuphorie, wie »Lei-denschaft, Partizipation, Transparenz« – so das Glaubensbekenntnis des »Circle« – eine tyrannische Macht entfalten können, wie aus der Freiwilligkeit ein Zwang, ja, Despo-tismus werden kann. Bei Huxley oder Or-well gibt es klare Gegner, das Instrument der Herrschenden ist Unterdrückung – das entsprach der Aufteilung der Welt in ihrer Zeit. Im »Circle« dagegen gibt es keinen lo-kalisierbaren Gegner, keinen »Weltaufsichts-rat« oder »Gehirntrust«. Eggers hat die Ge-setze von Orwell und Huxley in unsere Zeit weitergedacht, er wirft damit einen grellen Spot auf die neuen Gefahren, die äußerlich so charmant daherkommen mögen.

Die Digitalisierung der Welt ist eines der großen aktuellen Menschheitsthemen, Religion ein weiteres. Ausgerechnet am 7. Januar 2015, dem Tag der islamistischen Attentate auf die Redaktion der Satirezeit-schrift Charlie Hebdo in Paris, erschien der Roman Unterwerfung des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq. Er erzählt von der Machtübernahme einer gemäßigt islamischen Partei und ihres Präsident-schaftskandidaten Mohamed Ben Abbes im Jahr 2022, die in Frankreich Poly gamie, öffentliches Alkoholverbot, das Verbot in-dezenter Frauenkleidung sowie ein mus-limisches Schul- und Hochschulsystem einführen. Aber es geht nicht nur um den Islam. Es geht vor allem auch um »Kolla-boration«, das Wort, bei dem in Frankreich als Gespenst der Vergangenheit immer auch das Vichy-Regime anklingt: Die aufgeklärte Demokratie hat keine Anhänger mehr. Die entpolitisierten citoyens passen sich den islamischen Normen widerstandslos an, auch jene Linke, die doch eigentlich dage-gen anreden. Und das stärkt nur die Legiti-mität des neuen Regimes. Die Bevölkerung nimmt die islamischen Gebote und Verbote genauso hin, wie sie bislang auch Quoten-

regelungen, Tabaksteuererhöhungen oder Mülltrennungsgebote hingenommen hat. Nichts an den neuen Verhältnissen ist be-drohlich, nichts illegal, und deshalb bedarf es auch keiner résistance. Niemand hat in Houellebecqs Vorstellung der neuen legalen Herrschaft etwas entgegenzusetzen.

In einer Hymne in der Tageszeitung Le Monde verglich der französische Schriftstel-ler Emmanuel Carrère Unterwerfung mit Huxley und Orwell. »Wie in 1984 gehe es in Unterwerfung um die Auseinandersetzung mit der Propaganda und um die politische Korrektheit«, schrieb er. Mit Huxley verbinde Houellebecq die Faszination für die Religion. Das mag stimmen. Tatsächlich findet man in Unterwerfung viele Bezüge auf beide Werke. Aber Orwell und Huxley haben echte Dys-topien geschrieben. Houellebecq hat den Untergang eher in Form einer Mediensatire, eines Campusromans und Politthrillers er-zählt, nicht in Form einer klassischen Dysto-pie, die genretypisch zum Widerstand gegen eine neue totalitäre Welt aufriefe.

Wie bei Dave Eggers gibt es auch bei Houellebecq keinen zu lokalisierenden Feind. Schon gar nicht ist dieser Feind, wie Kritiker Houellebecqs gern voreilig behaupten, »der Islam«. Unterwerfung ist eine Erzählung von der gegenwärtigen französischen Gesell-schaft. Und Houellebecq – so hat es der Lite-raturwissenschaftler Clemens Pornschlegel formuliert – lässt den Islam als »Antwort auf die Selbstzerfleischung der liberalen, west-lichen Gesellschaften« auftauchen, deren Christentum und Moral seiner Darstellung zufolge nur noch als ästhetizistisches Phä-nomen von Belang sind.

Dystopie: Spiegel der Gegenwart

Als Michel Houellebecq gefragt wurde, ob er in Unterwerfung zu weit gegangen sei, fand er das nicht und verwies auf den al-gerischen Schriftsteller Boualem Sansal: In dessen Roman 2084 – Das Ende der Welt sei alles noch viel schlimmer. Verglichen mit dem islamischen Regime von Sansal, in dem die Extremisten gesiegt hätten, sei das in Unterwerfung sanft. Sansal erzählt in sei-nem ebenfalls 2015 erschienenen 2084 von Abistan, einem totalitären Reich, in dem in-dividuelles Denken abgeschafft ist, eine Elite unter der Führung von Abi, dem Entsandten, die Ideen steuert und abweichendes Han-deln verhindert. Damit sich die Leute ver-zweifelt an ihren Glauben klammern, wird ein heiliger Krieg nach dem anderen geführt. Sansal bezieht sich explizit auf Orwell, nicht

nur mit der Jahreszahl 2084. Überall gibt es Anspielungen, bis hin zur Einführung einer neuen offiziellen Sprache. »Abilang« heißt bei ihm das »Neusprech«, das man aus 1984 kennt. So wirkt das Ganze allerdings mehr wie ein Durchdeklinieren der orwellschen Logik unter islamistischen Vorzeichen als eine Analyse der Gefahren, die sich aus der Vorschau für die Gegenwart ableiten lassen.Aus der Zukunft Funken für das Verständnis vom Heute zu schlagen, das ist die Idee von Dave Eggers’ Der Circle genauso wie von Houellebecqs Unterwerfung. Genau das macht ihre Werke so ungeheuer aktuell. Wir dürfen und sollen bei ihnen die Zukunft mit der Gegenwart verwechseln.

Nur aus der Distanz erkennen wir unsere gesellschaftlichen Verhältnisse erst richtig. Wir sollten genau hingucken.

Dystopien in StuttgartWaren George Orwell, Ray Bradbury und Aldous Huxley Visionäre oder Moralisten? Wir leben in Zeiten, in denen technische wie politische Entwicklungen ganz neue Szenarien heraufbeschworen haben. In einer Dystopien-Reihe fragt das Schauspiel Stuttgart deshalb gemeinsam mit den befreundeten Hochschulen von Stuttgart und Ludwigsburg seit Beginn des Jahres: Wie viel Aktualität steckt in den Werken der Worst-Case-Klassiker?

TERMINE Fahrenheit 451, seit 21. Januar im Nord, Regie: Wilke Weermann. Schöne neue Welt, ab 7. April im Nord, Regie: Philipp Rosendahl. 1984, ab 27. Mai im Schauspielhaus, Regie: Armin Petras

JULIA ENCKEDie Literaturchefin im Feuilleton

der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung studierte Literatur-

wissenschaft und promovierte über den Ersten Weltkrieg. Gerade ist

im Rowohlt Verlag Berlin ihr Buch Wer ist Michel Houellebecq?

Porträt eines Provokateurs erschienen

Welt in Flammen: In Bradburys Fahrenheit 451 brennen Bücher (o., Szene aus der Verfilmung von 1966). In Orwells 1984 stehen die Menschen unter Beobachtung (1956 mit Edmond O’Brien verfilmt)

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Montag Jetzt, wo alles still ist draußen auf

dem Hof, spüre ich, wie einsam ich bin, seit mein Liebster tot ist. Mir wächst alles

über den Kopf. Ich muss mich allein um den Hof kümmern, und Lises Zukunft

muss auch bald gesichert werden. Zum Glück habe ich für Lise wohl gerade eine

Lösung gefunden: Alain, den Sohn des Weingutbesitzers! Die beiden sollen hei-

raten, sein Vater und ich haben schon gesprochen, er stimmt zu. Eine Zukunft

ohne Sorgen für Lise, ohne Geldsorgen vor allem, mit viel Land und Weinbergen.

Und einem netten Mann an ihrer Seite. Alain ist genau der Richtige für Lise,

reich und harmlos, der perfekte Schwiegersohn. Das Gegenteil von diesem Colas,

mit dem sie sich seit Monaten trifft. Der fl irtet mit allen Frauen, sogar mit ihren

Freundinnen, und sieht sehr unzuverlässig aus. Ich hab meine besten Jahre in

Lise gesteckt. Das kann sie doch nicht so wegwerfen. Wenn sie erst mal mit Alain

verheiratet ist, wird sie nie wieder arbeiten müssen. Ach, ich wünsche mir von

Herzen ein schönes Leben für sie. — Mittwoch Ich bin so sauer! Lise trifft sich

ständig heimlich mit diesem Herumtreiber. Kaum drehe ich ihr den Rücken zu,

macht sie mit diesem Colas rum … einmal haben sie vor allen Leuten getanzt…

total schamlos … was soll ich bloß tun? Vielleicht muss ich noch strenger wer-

den. — Donnerstag Hilfe, ich habe das Gefühl, Lise reitet sich ins Unglück. Sie

verspielt ihre Zukunft und ihr Erbe gleich mit. Alles, wofür ich und ihr Vater so

lange so hart geschuftet haben. — Sonntag Ich fühle mich so dumm! Ich habe

mein Kind verkauft und mein Herz gleich mit … Ich wollte nur das Beste für sie,

und trotzdem habe ich alles falsch gemacht. Ich dachte, sie macht auf den letzten

Metern alles kaputt, also habe ich ihr heute Hausarrest gegeben, einen Vertrag

aufgesetzt und mit dem Notar, dem Winzer und seinem Sohn unterschrieben. Wir

haben an gestoßen, Alain ging hoch zu Lise, schloss die Tür auf, und ich dachte,

mich trifft der Schlag! Da standen Lise und Colas in ihrem Schlafzimmer und

haben sich geküsst. Ich bin fast gestorben vor Scham. Der Vater vom Alain ist

ausgerastet. Ich dachte: Ich habe als Mutter versagt. Wir sind geliefert, nun spricht

niemand mehr mit uns. Aber dann passierte etwas Seltsames: Ich sah Lise und

Colas, und mir wurde warm ums Herz. Mein schöner Plan war mir egal. Da wurde

mir klar, was ich da angezettelt habe … Was ist schon ein Weingut gegen das

Glück meiner Tochter?

BÜHNEBÜHNE

Jede Mutter liebt ihre Tochter und macht Pläne für sie. Und jede Tochter liebt ihre Mutter – und macht

ganz eigene Pläne. Zwei Tagebücher, zwei Wünsche, eine Wirklichkeit und eine wunderbare AnnäherungTEXT: JANA PETERSEN

Ich will nur dein Bestes!

Montag Ich bin soooooo verliebt! Ich kann nur

noch an Colas denken und mir wirklich alles mit ihm vorstellen. Heiraten, Kinder,

eine Familie – auch wenn das normalerweise gar nicht zu mir passt, aber mit ihm …

seh ich das alles vor mir. Ich fühle, wie es wird. Die Anziehungskraft zwischen uns

ist so stark. Wir verstehen uns einfach ohne Worte. Manchmal will er etwas sagen,

und dann weiß ich schon, was kommt. Meine Freundinnen fi nden ihn auch toll ...

Man muss ihn lieben, ich verstehe nicht, wieso Mama ausgerechnet ihn nicht mag!

Wir treffen uns immer heimlich, ein paarmal hat er sich sogar auf dem Dachboden

versteckt, während Mama da war … — Mittwoch Ich hatte schon die ganze Zeit so

ein Gefühl, Mama heckt irgendetwas hinter meinem Rücken aus. Jetzt ist sie mit der

Sprache rausgerückt. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass ich mit Alain zusammen-

komme. Das ist dieser Sohn vom Winzer. Der ist so ein Idiot! Genau das Gegenteil

von Colas … Mama hat natürlich nur das Geld im Blick, sein Vater verdient nämlich

richtig gut, die Familie hat ein riesiges Haus, und seit Papa tot ist, redet Mama ständig

über Geld. Jetzt hat sie etwas mit dem Vater von Alain ausgehandelt … Die wollen

uns verkuppeln! Und ich soll die brave Tochter spielen … knicks-knicks, lächel-lächel.

Aber, ehrlich, nicht mit mir. Wie kommt sie bloß drauf, dass ich mit dem glücklich

werde? Bin ich ihr egal? Ich pfeif auf das Geld! Ich pfeif auf das Weingut. Ich mag gar

keinen Wein! Ich will Colas. Und weißt du was, liebes Tagebuch: Ich werde ihn kriegen!

— Donnerstag Heute hat Mama mich vor allen anderen angeschrien. Ich hab noch

versucht, mich zu verstecken, aber sie hat mich gepackt und mich verhauen, die war

so wütend … — Samstag Ich glaube, ich haue ab. Mama hat mich eingesperrt. Sie

hat mir Hausarrest gegeben. Das hätte sie früher nie gemacht, Papa hätte so was nie

erlaubt … Ich muss die ganze Zeit weinen … und denke an Colas … — Sonntag Liebes

Tagebuch, ich bin so glücklich! Mama hat uns ihren Segen gegeben. Und das kam so:

Colas und ich waren gestern zusammen in meinem Zimmer eingesperrt. Er hatte sich

in meinem Schlafzimmer versteckt, dann hat Mama mir Stubenarrest gegeben, und

Colas und ich waren plötzlich zusammen eingesperrt. Und dann ging die Tür auf, und

der Winzersohn stand da! Ich hab gar nichts mehr verstanden. Sein Vater war da, ich

hab ihn toben hören, und Mama hat geschrien. Aber ich dachte nur: Egal wie das jetzt

ausgeht, endlich hat der Spuk ein Ende. Endlich wissen alle Bescheid. Endlich kann

ich mit dem sein, den ich liebe.

Der Ballett-klassiker LA FILLE MAL GARDÉE (Das schlecht behütete Mädchen) erzählt von der Bauerstochter Lise, deren Mutter Simone sie mit einem reichen Winzers ohn verheiraten will. Doch Lise hat ihr Herz einem anderen geschenkt … ab 3. März im Opern haus

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Teilen? Ist für Verlierer!

Wunsch und Wirklichkeit: Die Oper Don Pasquale ist für Intendant Jossi Wieler nicht bloß ein Stück über

verpasste Lebenschancen, Habsucht und Verblendung eines alten Mannes. Sie ist vor allem eine Parabel auf

die Ra�gier unserer Gesellschaft

INTERVIEW: RAINER SCHMIDT

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Herr Wieler, die Geschichte von Don Pasquale ist die eines alten, reichen Mannes, der sich in eine junge Frau verliebt und sich von ihr und ihrem Partner ausnutzen lässt, weil er unbedingt an diese Liebe glauben und verpasstes Leben nachholen will. Der alte Mann als Liebestrottel ist ein vertrautes Phänomen. Woher kommen die späten Begierden, die späten Lebenszweifel alter Männer? Ist Don Pasquale ein Stück über die Krise, die manchen am Lebensende erwartet? Das könnte man so interpretieren, und da-von gibt es Elemente in der Geschichte, aber das wäre mir eine zu extreme Verkürzung. Dieser Aspekt ist aus unserer Sicht nicht das Zwingende und nicht das, was wir erzählen wollen. Was möchten Sie stattdessen erzählen? Das Erbe, der Besitz spielen eine zentrale Rol le. Don Pasquale war in jungen Jahren

mal sehr verliebt, hat sich aber für das Erbe des Vaters, also für Wohlstand und das Geld, und gegen die Liebe entschieden. Jetzt ent-erbt er seinen Neffen Ernesto, dem sonst al-les zufallen würde, weil der aus seiner Sicht die falsche Frau heiraten will. Don Pasquale aber will vor allem seinen Reichtum sichern und deswegen heiraten, um doch noch Nachkommen zu erhalten. Also handelt er taktisch und rational? Und nicht wie ein liebestoller Alter?Ja, das ist ein zielgerichteter Schritt, weil er an seinem Geld hängt. Natürlich beflügelt und inspiriert ihn die junge Frau auch, aber vor allem eben, weil ihm die natürlichen Er-ben fehlen. Das Älterwerden, der Machtver-lust, das Nicht-abgeben-Können sind Teile seines Problems, aber eben nur Teile. Wie alt ist Ihr Don Pasquale? So um die siebzig. Dennoch bleibt der sehr große Alter s - unterschied zwischen ihm und der

jungen Frau Norina. Wie so oft dient er als Quelle für Tragik und Komik. Warum sind wir als Publikum bereit, diese Art von schiefer Alters konstel - lation anrüchig, zwei felhaft oder lustig zu finden?Davon lebt schon die Commedia dell’arte. Das Publikum empfindet einerseits Mitleid, und andererseits ergötzt es sich an der emo-tionalen Grausamkeit, die dahintersteht. So eine Konstellation kann sehr traurig und sehr komisch zugleich sein, die Komik ent-steht aus der Verletztheit und der Bitterkeit der Figuren.Der alte Mann und die junge Frau sind ja ein durchaus reales Phänomen, aber auch ein literarisches. Man denke nur an Wilhelm Genazinos Die Liebes- blödigkeit oder diverse Romane von Martin Walser, der die Konstellation verteidigt – während in der Gesell schaft der Gedanke vorzuherrschen scheint,

So könnte Donizettis Don Pasquale heute aussehen: eitel, goldbe-hangen, selbstgefällig. Und damit ist dieser Herr gehobenen Alters auch ein treffendes Abbild so gut wie jeder westlichen Industrie-gesellschaft

BÜHNE

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BÜHNE

das gehöre irgendwie nicht zusammen. Lachen wir über Don Pasquale aus Schadenfreude? Die Komik würde in diesem Stück auch mit einem Jüngeren funktionieren und entsteht eher aus der Tatsache, dass die Frau es von vornherein nicht ernst meint und auf den Mann angesetzt wird, um ihn auszunehmen. Diese Norina und ihr Partner Malatesta sind ein hochkriminelles Paar, das Don Pasquale böse mitspielt. Sie nimmt extra eine ande-re Identität an, heiratet ihn zum Schein und versteht es, seine Sehnsüchte zu instrumen-talisieren. Diese wiederum resultieren auch aus verpassten Lebenschancen und der ver-passten Liebe seiner Jugend.Sehnsüchte, die aus dem Gefühl verpass - ter Lebenschancen entstehen, werden immer wieder als Erklärung angeführt für scheinbar überraschend emotionale oder abstruse Verhaltensweisen alter Menschen. Warum fällt Don Pasquale auf das Spiel herein? Weil das Paar so professionell ist oder weil er von seinen eigenen Gefühlen und dem Egoismus übermannt und dadurch blind wird? Die beiden agieren sehr professionell und spielen so geschickt mit seinen Wünschen und Ängsten, dass er immer verblendeter wird. Er steigert sich in eine Art Traum hi-nein, der nichts mehr mit seiner Realität zu tun hat, was wiederum viel über sein Le-ben aussagt. Don Pasquale ist nicht alters-schwach, aber er hat in seinem Alter ein sehr starkes Bewusstsein für den nahenden Tod, das kommende Ende, das ist größer als eine klassische Midlife-Crisis, da geht es um etwas Existenzielleres, um ein Leben in der Gesamtschau. Psychologen gehen von einer u-förmigen Glückskurve aus: Nach den Hormon- stürmen der Pubertät ist man mit zwanzig froh, mit Mitte vierzig ist man am Tiefpunkt, weil man Bilanz zieht und sieht, was man wollte und wo man wirklich gelandet ist. Einmal damit versöhnt, geht es wieder bergauf, sodass man mit siebzig mit sich im Reinen ist. Theoretisch. Das gilt für Don Pasquale nicht. Er scheint dem Grübelzwang und den Reuegedanken ausgesetzt zu sein, die sonst Jüngere plagen. Ja, das kann man sagen. Das Gangster-pärchen triggert was bei ihm. Er hat alles erreicht, den Besitz bewahrt, den Reichtum gemehrt, er ist ein gut situierter Herr, aber jetzt sitzt er in einer Lebenssackgasse ohne eigene Kinder und Erben. Das will er ändern, und über dieses Bedürfnis, das die anderen

ausnutzen, wird etwas sichtbar, was er all die Jahre verdrängt hat. In welcher Zeit lebt Ihr Don Pasquale? Und was erzählt er uns über unsere Wirklichkeit? Unser Don Pasquale lebt in unserer Zeit. Er hat die Phase des Aufbruchs und Umbruchs in den Sechzigerjahren erlebt, Flower-Power, den Ruf nach freier Liebe, die Möglichkeit einer neuen Freiheit. Aber damals hat er sich nicht getraut, den Schritt zu gehen mit seiner Freundin, stattdessen folgte er brav den Wünschen des Vaters und entschied sich für die Firma. Das holt ihn jetzt ein. Da gibt es etwas in ihm, das hat mal anders empfunden. Er war einst ein Freigeist, ein zögerlicher vielleicht, der dann zum Kapita-listen wurde. Durch die Begegnung mit der jungen Frau, mit dem kriminellen Paar spürt er plötzlich einem Gefühl von Freiheit nach, das er damals nicht gelebt hat. Also beherrscht ihn doch – wie viele ältere Männer an einem bestimmten Punkt ihres Lebens – das Gefühl, möglicherweise zu viele Türen in seinem Leben zu früh geschlossen zu haben?Vielleicht nicht so bewusst, aber, ja, das wohnt dem Stück inne. Deswegen kann man dieses Verhalten bei ihm triggern, da ist noch eine Glut, aber das hat nicht nur mit Emotionen zu tun, sondern eben auch mit Besitz und Reichtum. Plötzlich verschieben sich für ihn die Koordinaten seiner gewohn-ten Welt, alte Sicherheiten lösen sich auf, es wird immer wahnwitziger, er kommt mit die-sen Veränderungen nicht zurecht und wird immer orientierungsloser und verwirrter.

Ist das der Kern der Geschichte, die Lehre für unsere Zeit? Der Konflikt zwischen Reichtum und Emotionalität – und die Frage, wofür wir uns entscheiden wollen oder sollten? Es geht um einen alten Kapitalisten, dem klar wird, dass das Festhalten am Geld, dass das Materielle eine absolute Selbsttäuschung ist. Man könnte es auch als eine Parabel auf die Gesellschaft verstehen, denn das Gangster-paar kommt vielleicht aus einer anderen Ge-sellschaftsschicht, aus einer ganz anderen Kultur, mit einer anderen Mentalität. Das Verhalten der beiden kann möglicherweise auch als Rache an dem System verstanden werden, das Don Pasquale vertritt, als Mus-ter für einen Zivilisationskonflikt. Treten hier also nicht ein alter Mann und seine junge Geliebte, sondern zwei soziale Schichten gegeneinander an? Oder sogar zwei verschiedene Kulturen! Das Stück erzählt etwas über die Ängste einer besitzenden Klasse, über die albtraumhafte Vorstellung, dieser Besitz könnte von Frem-den aus einer fremden Zivilisation übernom-men werden. Und dieses Pärchen nimmt Don Pasquale sozusagen stellvertretend für die ganze Gesellschaft aus. Es könnte auch nur ein tatsächlich geträumter Albtraum sein, von ihm oder einer ganzen Gesell-schaft, die sich heute noch sicher, aber zu-gleich ständig bedroht und verletzlich fühlt. Es ist eben auch ein Stück über die Angst vor dem Verlust aller Sicherheiten, auf die man sich bislang scheinbar noch verlassen konnte. Diese Ängste der Gutsituierten, der Besitzenden, die dann zu irrationalem Ver-halten führen, die gibt es ja. Das sieht man auch an den Horrorszenarien, mit denen be-stimmte aggressive gesellschaftliche Kräfte arbeiten und erfolgreich Stimmung machen: »Die Fremden kommen und zerstören unse-ren Besitz.« Im klassischen Stück gewinnen allerdings die bösen Mächte, also das kriminelle Pärchen. Ja, aber vielleicht ist auch das nur Teil ei-ner Horrorvision, eines Albtraums. Es geht darum, die Ängste einer Gesellschaft offen-zulegen und sie dadurch damit zu konfron-tieren, auch wenn sie sich nur als eben das entpuppen, also als irreale, düstere Traum-visionen ohne Realitätsbezug. Wenn man unsere Gesellschaft auf die Therapiecouch legen würde, dann könnte so ein Stück das Ergebnis sein.

Würde man unsere Gesellschaft

auf die Therapie-couch legen, könnte

so ein Stück das Ergebnis sein

Jossi Wieler, Intendant der Oper

Stuttgart

DON PASQUALE von Gaetano Donizetti Premiere am 25. März im Opernhaus

Vier Wände braucht das Leid – und einen Menschen in der Mitte. Verbannung ist die erste Strafe der Menschheit, und das Drama,

das im Verstoßenen brennt, ist so archety-pisch, dass wir es unmittelbar verstehen. Kein Wunder, dass das Theater voller Fesseln und Verliese ist; der Kerker ist das Anti-Motiv schlechthin. Wer drin ist, will raus – und die Handlung beginnt. Pain creates drama!

Natürlich sind viele Geschichten einge-bettet in die Revolutionen ihrer Zeit, Gefan-genschaft war nicht nur theatralischer Treib-stoff, sie war auch bittere Realität. Dennoch lebt das Gefängnis als Metapher gerade in den liberalsten Gesellschaften noch immer. Gefängnis ist, was einengt. Schlimmer: Alles, was uns lieb und teuer ist, kann irgendwann die Seele einschnüren: das eigene, fade ge-wordene Leben, die Liebe, Familie, Arbeit, das eigene Weltbild – oder das der anderen.

Nun werden an der Oper Stuttgart zwei Stücke kombiniert, die vom Gefangensein handeln. Lässt man Musik, Darsteller und Inszenierung kurz beiseite (alle drei ge-nial!), betrachtet nur die Geschichten, die erzählt werden, blickt man auf Stoffe von atemberaubender Aktualität. Beide Stücke, Der Gefangene | Das Gehege, sind politisch, beide erzählen von Wahrheit und Lüge. Bei-de lassen verstehen, warum die Welt so eng erscheint, obwohl doch alles frei sei.

Das erste ist eine Geschichte aus dem Kalten Krieg. Luigi Dallapiccolas Oper Der Gefangene wurde 1949 uraufgeführt, in den Nachkriegsjahren war sie im Westen die meistgespielte moderne Oper, sie konzen-triert sich ganz auf den Häftling und sein Dilemma. Er vegetiert in seiner Wirklich-

keitsblase, alles, was er weiß, ersehnt und am Ende umsetzt, hat ihm zuvor der Wärter zugeflüstert. Das klingt mal süß, mal glasklar und plausibel – aber immer sind es Lügen.

Die gesamte Konstruktion der Oper sei ein »gigantischer Fake zur Verhöhnung des Protagonisten. Zugleich schafft es der Kom-ponist, an der Utopie der Freiheit festzuhal-ten«, erklärt Sergio Morabito, Chefdramaturg der Oper Stuttgart. Und gleichzeitig kom-mentiert sie unsere Wirklichkeit, die dank Facebook, Fake News und Social Media statt weiter immer enger wird. Anders als in den Fünfzigern braucht es heute nicht mal einen Wärter – für die Gleichschaltung von Vor-urteil und Bestätigung sorgen Algorithmen.

Genauso reichhaltig ist das zweite Stück, Das Gehege, von Wolfgang Rihm. Der Kom-ponist ließ sich für seinen Einakter vom Finale von Botho Strauß’ Drama Schlusschor (1991) inspirieren, einer nur fünf Buchseiten kurzen Szene, in der eine Frau einen Adler

aus seinem Gehege befreit, um im nächsten Moment das Raubtier zu beschimpfen, zu bekämpfen und sich schließlich seine Haut (in diesem Fall: die Federn) überzuziehen und sich in das Wappentier zu verwandeln.

Klingt irre, ist es auch. Vor allem ist es prophetisch! Schon vor 25 Jahren schenkte Strauß dem Aufkeimen der neuen Rechten ein absurdes, treffendes Bild – bis hin zum Namen der Protagonistin. Der dritte Akt von Schlusschor bietet eine Familienaufstellung des Mauerfalls: Eine junge Frau will eine Ausflugsgesellschaft in eine Diskussion um ihren nationalkonservativen Vater einspan-nen, um ihn als Widerstandskämpfer gegen Hitler zu rehabilitieren. Da geschieht die Wende: Es laufen »Deutschland!« brüllen-de Leute durch die Gegend, Ossis kommen hinzu, man führt deutsch-deutsche Be-grüßungskonversation – keiner interessiert sich für die Nationalismusdebatte, die diese »Anita von Schastorf« führen wollte. Unbe-achtet, unverstanden, beleidigt, verletzt wendet sie sich dem Wappentier zu: befreit es, zerfetzt es, verwandelt sich in – es.

Pain creates drama. Und das Drama, das an diesem Abend über der Bühne aufsteigt, ist gewaltig. Addiert man alles Sinnliche hin-zu, Sänger, Licht, Schatten, Musik, stellt sich ein seltsamer Effekt ein: Je enger sich die Fesseln um die Herzen der hier Leidenden legen, umso fabelhafter werden die Sehn-süchte und Bilder, die über ihren Köpfen auf-steigen. Ein Glück, könnte man da denken, sind wir nicht Gefangene.

DER GEFANGENE | DAS GEHEGE von Luigi Dallapiccola und Wolfgang RihmPremiere am 26. April im Opernhaus

Gefangene der Möglichkeiten

Warum die Welt der Dramen voller Gefängnisse ist. Und was ein Opernabend uns über Medien, Macht und

Manipulation erzählt

TEXT: RALF GRAUEL

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Goethe da beschreibt, ist deshalb nicht das klebrige Ding, das wir mit Kerzenlicht und Rosenblättern überzuckern. Ein gut funktio-nierendes Herz ist das ultimative Gehirn.Lässt sich dieses denkende Herz trainieren?Man muss es sogar ein bisschen trainieren. Denn das ist bei uns ja etwas verpönt. Kei-ner würde das so formulieren: Ich denke mit dem Herzen. Aber wer klug und intelligent agieren möchte, nutzt nicht nur die Vernunft, sondern auch die Empfi ndung. Ratio und Emotio, auf diese beiden Begriffe kommt es immer wieder zurück. Ich arbeite in meinem Schreiben viel mit dem Verständnis, dass es eine Christenpfl icht ist, Nächstenliebe walten zu lassen und über den Nächsten so nachzudenken, dass es mir leicht das Herz brechen könnte, weil er mich so besorgt.In Ihren Texten zu Krieg. Stell dir vor, er wäre hier schreiben Sie vom Immermüden in den Augen, von frost-blauen Lippen, die stumm machen, und von einer Welt, auf deren glühender Haut man wie auf Kohlen läuft und in der Menschen von Wölfen angerissen werden. Wie viel Unerbittlichkeit muss man sich selbst zumuten, um bei anderen Empathie entstehen zu lassen?Ich möchte dazu nur so viel sagen: Ich habe selbst Erfahrungen gemacht, die lebensver-ändernd waren und nach denen ich lange gebraucht habe, mich daraus zu befreien. Diese Zeit versetzt mich in die Lage, durch Worte Nähe herzustellen. Ich habe das selbst so erlebt: Worte begünstigen Über-tragungsmechanismen. Wie funktionieren diese Übertragungs-mechanismen?Viel mehr als auf Empathie kann man auf die Gleichheit körperlicher Erfahrungen hoffen, auf ihre Nachvollziehbarkeit. Jeder weiß zum Beispiel, wie malad einen ein Schnupfen machen kann. Ein Schnupfen in einer zugigen Zeltstadt ohne Bett und mit quengeligen Geschwistern um dich herum – das kann jeder in etwa nachfühlen, und das kann ich als Dichter beschreiben. Schreiben ist Effekthascherei. Vor allem das Schreiben

Frau Gomringer, der Duden be-schreibt Empathie als die

Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer

Menschen einzufühlen . Was kommt vorher – Bereitschaft oder Fähigkeit?Die Fähigkeit. Ich glaube nicht, dass alle Menschen diese Fähigkeit besitzen, so wie nicht alle Menschen die Resilienz haben, durch belastende Phasen zu gehen und sie zu überleben. Ich glaube fest, dass es damit zu tun hat, ob man in der Kindheit Güte er-lebt oder zumindest gesehen hat, dass sie anderen Menschen Gutes tut.Das sind ja keine guten Nachrichten für diejenigen, die dieses Glück nicht hatten.Wer das Herz per se verneint, kann Wege drum rum fi nden, um Güte walten zu lassen. Das sind zum Teil sehr intellektuelle Wege, aber ich fi nde die nicht uninteressant. Denn manchmal führen sie zu wahrhaftigerer Güte. Das Herz ist eben auch korrumpier-bar. Jeder, der schon mal geliebt und danach jemand anderen geliebt hat, weiß, dass Güte ein übertragbares Gefühl ist. Ich habe vor Kurzem in einem Blog von einem Mann gelesen, der von sich sagte: Ich bin ein So-ziopath. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich als Kind das Gefühl von Güte und Aufge-hobenheit vermittelt bekommen hätte, und habe noch nie ein Gefühl für irgendjemand anderen entwickelt. Für ihn ist es deshalb eine intellektuelle Entscheidung, ein guter Mensch zu sein. Er möchte an seinen Hand-lungen gemessen werden. Das ist der dünne Firnis der Zivilisation.Wie kann Sprache dabei helfen, solche Behelfsbrücken zu bauen?Indem man den Intellekt immer wieder sti-muliert, wie bei einem Korallenriff. Es wird immer klüger, je mehr Fische einziehen. Mit dem Intellekt ist es genauso: Je mehr wir reinlassen, desto mehr ist unser Gehirn ge-fordert und kann sich ausbilden. Wenn das nicht passiert, bleiben Leute dumm, blind, taub, gefühllos.Woraus schöpfen Sie Ihr eigenes Empathievermögen?Goethe hat sehr schlau gesagt: »Denn es muss von Herzen gehen, was auf Herzen wir-ken soll.« Das Herz ist das Organ der Roman-tik. Die Romantik ist die klügste und wich-tigste Zeitphase in der deutschen Literatur, weil sich das Deutsche da zur Weltliteratur geöffnet hat. Und zwar durch das Verständ-nis, dass Gedichte, Volksmärchen und Sprü-che der Alten und Weisen wichtig sind, wes-halb wir sie aufschreiben und uns dadurch als Sprachnation verstehen. Das Herz, das

NORA GOMRINGER ist Lyrikerin. Im Juli 2015 gewann

sie mit dem Text Recherche den Ingeborg-Bachmann-Preis.

Sie hat mehrere Lyrikbände veröffentlicht, lebt in Bamberg,

wo sie das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia

leitet, und ist Mitglied im PEN. Für die Kammeroper

Krieg. Stell dir vor, er wäre hier nach dem gleich namigen

Essay von Janne Teller verfasste sie im Auftrag der Jungen

Oper Stuttgart Gedichte, die das Schicksal von Kriegsfl üchtlingen

erlebbar machen. Der Komponist Marius Felix Lange

hat ihre Texte mit einem klassischen Streichquartett ver-

woben und daraus ein politisch aktuelles Musiktheater

für alle ab vierzehn Jahren gemacht.

Auch diejenigen, die rechts

wählen, sind ja empathisch

Kann man Mitgefühl trainieren, Empathie erlernen? Wirklich verstehen, was in einem Menschen

vorgeht, dessen Heimat zerstört ist, der Tausende Kilometer vor dem Krieg gefl ohen ist? Zu diesem

Zweck hat Nora Gomringer für die Junge Oper Stuttgart ganz eigene Gedichte gescha� en.

Ein Gespräch über die Kraft der Worte

INTERVIEW: KAI SCHÄCHTELE

Mit dem Herzen denken

KRIEG. STELL DIR VOR, ER WÄRE HIER Die Kammeroper von Marius Felix Lange ist ein Auftragswerk der Jungen Oper nach dem Buch von Janne Teller, Uraufführung am 27. April im Kammertheater

für die Bühne ist große Effektkunst. Wenn wir Begriffe wie Effekt oder Hascherei hö-ren, kriegen wir natürlich sofort Panik. Aber gutes Theater funktioniert über perfekt aus-geführte Effekte.Das Stück richtet sich an Jugendliche. Inwiefern hat das Einfl uss genommen auf Ihre Texte?Ich habe von mir geschlossen und mir eine andere Sprache erlaubt. Zwischen dreizehn und achtzehn formieren wir uns in der Art gegen die oder verbünden uns mit der Welt, um die Art Mensch zu werden, die wir sein wollen. Da sind wir irre hart und konserva-tiv und lehnen alles ab. Und sind doch die durchlässigsten Membranen. Ich rede zu den projizierten Erwachsenen, die in den Sech-zehnjährigen wohnen.

Was heißt das konkret?Die Sprache ist im Effekt drastischer, aber in der Form einfacher. Viele Leute, die ge-schwurbelt schreiben, unterschätzen ja, wie sehr sie an den Leuten vorbeischwurbeln. Man muss auch berücksichtigen, was die meisten Jugendlichen aufnehmen: YouTube-Videos, Musiktracks, die zurückgeschrumpft sind auf 2 Minuten 30. Das prägt sie sehr. Ich versuche deshalb, mich anzulehnen, ohne anbiedernd zu sein.Wenn beim Publikum das Mitgefühl geweckt ist – was muss geschehen, damit daraus Haltung und Handlung wird?Es muss Manifestationen im Mitgefühl geben. In Situationen, die sich konkret er-geben, müssen die Menschen Zivilcourage zeigen. Das Bizarre ist ja, dass die Haltungen der meisten Menschen auf Annahmen da-von basieren, wie sie handeln würden, wenn dies und jenes passieren würde. Aber wenn sie selbst mal in eine Situation kommen, die brenzlig wird, müssen sie den Mut haben zu sagen: »Du hörst auf, die anderen zu terro-risieren. Lass das. Warum machen Sie das?« Sich in die Konfrontation zu begeben, sich nicht wegzudrehen, das ist das Entscheiden-de. Ich bin schon aus zwei Zügen geworfen worden, weil ich mich fragend eingemischt habe, als jemand fremder Herkunft nicht wusste, wie man das Ticket löst. In beiden Fällen hatte er genug Geld dabei, musste dann aber ein erhöhtes Bußgeld bezahlen. Und dann stehst du mit diesen Menschen allein auf einem Landbahnhof und hoffst, dass von irgendwo ein Taxi kommt, und keiner hat etwas gesagt. Es soll eine Ketten-reaktion im besten Sinne entstehen.Und glauben Sie, dass das gelingen kann?Trotz aller Frustrationsquellen, die es im Moment gibt: Ich will meine Mitmenschen nicht aufgeben. Auch diejenigen, die rechts wählen, sind ja empathisch. Sie versetzen sich eben in die Lage ihrer Nachbarn. Wir können ja nicht sagen, Empathie erstreckt sich bitte nur auf diejenigen, die bei uns Asyl suchen. Die Menschen hier haben erstaun-lich viel Gefühl derzeit. Ein Teil davon richtet sich nach meiner politischen Einstellung nur in die völlig falsche Richtung. Da müssen wir laut sein und noch empathischer. Wir müs-sen diese Grobiane geradezu mit Sanftheit umarmen.

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Wie Tanz aus dem Nichts entstehtErst ist da ein leerer Ballettsaal, eine leere Bühne. Und dann entsteht Bewegung, Tanz – ein neues Stück. Woher nehmen diese Künstler ihre Inspiration? Warum ist Scheitern für sie so wichtig? Und was passiert, wenn ein Stück fertig ist? Fünf Choreographen erzählen, wie sie ihre Wünsche in die Wirklichkeit übersetzen

PROTOKOLLE: PIA BOEKHORST UND JANA PETERSEN

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetztFabio Adorisio

Wenn eine Idee für mich funktioniert,

lasse ich mich nicht beirren

Katarzyna Kozielska

Die Auseinander-setzung mit den eigenen Ideen ist eine QualLouis Stiens

Ich habe immer Respekt vor dem Schritt ins Studio

Roman Novitzky

Das Stück ist immer das Beste von dem,

was nicht geklappt hatMarco Goecke

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BÜHNE

KATARZYNA KOZIELSKA ist Choreographin und Halbsolistin beim

Stuttgarter Ballett, für das sie schon mehrere Werke kreiert hat. Zuletzt zeigte sie

Dark Glow im Stuttgarter Opernhaus

Ein Stück entwickeln ist für mich jedes Mal ein anderer Prozess. Manchmal fi nde ich Inspiration in der Musik; manchmal will ich extra etwas für die Tänzer choreographieren, um sie zu fordern. Manchmal inspiriert mich etwas aus meiner Umgebung, etwas, das ich erforschen will. So haben mich schon eine Skulptur und die Kommunikation von Neu-ronen zu Werken inspiriert. Für mein neues Stück sind meine Emotionen enorm wichtig – es ist autobiografi sch angelegt.

Wenn eine Idee für mich funktioniert, lasse ich mich nicht beirren. Kritik höre ich mir an. Doch ich bin die Choreographin; ich bestimme. Das habe ich mit der Zeit gelernt: Höre immer gut zu, aber lass dich nicht ver-biegen. Lass dein Werk nicht das Werk von jemand anderem werden.

Ich liebe am Tanz, dass ich das Publikum auf eine Reise durch Emotionen schicken kann. Gleichzeitig gestalte ich meine Stücke offen. Ich möchte niemandem meine Gedan-ken in den Kopf pfl anzen.

Ich setzte mir bei jeder Choreographie eine neue Herausforderung. Jedes neue Stück ist wie ein neugeborenes Kind. Es ist schön, ein kleines Baby zu haben! Gleich-zeitig geht mit jeder Choreographie ein Teil von mir und hinterlässt einen leeren Raum. Früher habe ich vor der Premiere immer ge-dacht: »O mein Gott, wie wird das Publikum reagieren?« Doch diese Angst habe ich über-wunden. Ich überlasse dem Publikum, was es aus meinem Stück macht – darin liegt die Schönheit.

Ich kam mit siebzehn ahnungslos nach Stuttgart, seitdem kennt mich Reid. Nun bin ich 36 und nicht nur Tänzerin, sondern auch Choreographin und Mutter. Reid hat Talent in mir gesehen und mich gefördert. Einen Satz von ihm werde ich nie vergessen:

ROMAN NOVITZKY ist ein künstlerisches Multitalent – er ist

Choreograph zahlreicher Ballette, Erster Solist beim Stuttgarter Ballett und einer

der offi ziellen Fotografen des Hauses

Ich brauche immer eine Idee für meine Stücke, eine Struktur oder Storyline, an der ich mich festhalten kann – auch wenn ich keine Handlungsballette kreiere. Nur abstrakte Bewegungen erfi nden funktioniert für mich nicht. Oft kommen mir Ideen aus dem Nichts, etwa wenn ich meinen Sohn im Kinderwagen spazieren fahre. Inspiration für bestimmte Bewegungen bekomme ich auch im Training. Dann stehe ich im Ballettsaal und bin trotzdem total woanders. In meinem Kopf sammeln sich dann verschiedene Ideen zu einem riesigen Chaos.

Man kann seine Ideen zu Papier bringen, ausarbeiten und durchdenken, aber man kann nie sicher sein, dass sie auch funkti-onieren. Das merkt man erst bei der Arbeit mit den Tänzern. Wenn etwas nicht klappt, freue ich mich! Dann kann ich die Idee ab-haken, die Bewegung verwerfen und habe wieder Platz in meinem Kopf. Man kann sehr

Die Fantastischen FünfDer Ballettabend ist ein Abschiedsge-schenk der aktuellen Choreographen-Riege des Stuttgarter Balletts an Reid Anderson, der zum Ende der Spielzeit nach 22 Jahren als Ballettin-tendant sein Amt niederlegt. Anderson hat ein Auge für choreographische Talente und hat während seiner Intendanz intensiv den Nachwuchs gefördert und immer auch Werke bei den jungen Kollegen beauftragt. Insgesamt hat er während seiner In-tendanz mehr als 100 Urau� ührungen auf die Bühne gebracht und nicht selten einen Coup gelandet. Für Die Fantastischen Fünf kreieren die fünf Choreographen eigens neue Werke für ihren Talentscout, Mentor und Chef Anderson, ohne den sie nicht dort wären, wo sie heute sind.

DER BALLETTABENDDie Fantastischen Fünf mit Werken von Marco Goecke, Katarzyna Kozielska, Louis Stiens, Roman Novitzky und Fabio Adorisio wird am 23. März im Schau-spielhaus uraufgeführt

Die Tänzer sind die Übersetzer meiner Ideen

Nur abstrakte Bewegungen erfi nden funktioniert für mich nicht

Ich überlasse dem Publikum, was es aus meinem Stück macht

gute Tänzer, Musik und Ideen haben – und trotzdem funktioniert es nicht. Warum? Kei-ne Ahnung. Das ist der Zauber daran.

Mich versetzt immer wieder in Staunen, wie Tanz Emotionen ausdrücken und auslö-sen kann. Tanzen ist etwas den Menschen Ursprüngliches, sie haben immer getanzt, um Freude, Trauer, Wut auszudrücken. Die klassische Balletttechnik ist für uns wie eine Sprache. Sie ist unsere Grundlage.

Die größte Herausforderung für mich ist, überhaupt zu beginnen. Ich habe immer Respekt vor dem Schritt ins Studio. Man muss Körper und Geist aufwärmen, damit man eine gute Atmosphäre mit den Tänzern schaffen kann. Ich habe keine Angst davor, wie das Stück ankommt. Schlechte Kritiken sind sowieso ein Thema für sich. Was ist schon fair oder objektiv?

Ich hätte niemals gedacht, dass ich ein Choreograph werden würde. Dafür bin ich Reid sehr dankbar: dass er mir die Chance gegeben hat zu kreieren. Ich bewundere an ihm, wie er klar und gleichzeitig diploma-tisch Entscheidungen kommuniziert. Selbst wenn es für mich persönlich keine angeneh-men Entscheidungen waren, so konnte ich sie immer nachvollziehen.

Tanz benötigt immer ein schlagendes Herz

FABIO ADORISIO kreiert seit 2013 eigene Stücke, zuletzt für das

New York Choreographic Institute und die Noverre-Gesellschaft. Er tanzt beim Stutt-

garter Ballett im Ensemble

Mich inspiriert, was mich berührt. Das kön-nen winzige Dinge sein oder große Lebens-erfahrungen. Für meine neue Choreographie hat mich die Erfahrung inspiriert, als ich in der letzten Spielzeit sehr krank war.

Die Tänzer unterstützen mich, meine Wünsche in die Wirklichkeit umzusetzen. Sie sind die Übersetzer meiner Ideen. Eine gute Atmosphäre im Ballettsaal hilft, dann fl ießt das Choreographieren. Als Tänzer weiß ich, wie sich das anfühlt. Häufi g kommt es vor, dass Ideen sich nicht umsetzen lassen. Die Fantasie hat keine Grenzen – aber die Bilder, die man sich im Kopf macht, sehen manchmal in der Wirklichkeit nicht gut aus.

Im Tanz sind Körper wie Instrumente. Für mich ist Tanz eine Sprache, die über Nati-onalitäten hinwegreicht. Wenn ein Ballett dich so richtig umhaut, wenn du von deinen Gefühlen überrannt wirst und du absolut sprachlos bist: Das ist der Jackpot.

Die größte Herausforderung ist für mich, fertig zu werden. Das ist hart. Ich hätte am liebsten immer ein tolles, beeindruckendes Ende. Aber man kann es auch so sehen: Das Stück hört mit den letzten Tanzschritten gar nicht auf; die Verbeugung ist nicht der Schluss des Balletts. Denn die Reaktionen des Publikums lassen das Stück nachwirken.

An Reid schätze ich, dass er sehr ehrlich und sensibel ist. Er weiß, was er will, und macht klare Ansagen. Er hat mich enorm unterstützt, dafür bin ich ihm sehr dankbar. In Anlehnung an meinen Namen hat er mich immer »fabulous adorable« genannt – das werde ich nie vergessen.

In Gedanken und Gefühlen ist ein Stück immer schon da

MARCO GOECKE ist seit 2005 Hauschoreograph des

Stuttgarter Balletts. Inzwischen wird er auch international beauftragt und gefeiert

Ich entwickle keine Ideen. Zunächst gibt es vielleicht Musik. Doch die Inspiration kommt allein aus mir. Sie kommt, wie der Tag kommt, so wie ich den Tänzern begegne. Das Stück entsteht aus der Zeit, die wir tei-len. Inspiration ist das, was man spürt und aufnimmt, wenn man durchlässig ist.

In Gedanken und Gefühlen ist ein Stück immer schon da. Nur das, was man später sieht, ist etwas ganz anderes. Vielleicht ist es nur ein schüchterner Blick auf das, was man an Wahrheit bei sich und anderen zu

entdecken versucht. Das Stück ist immer das Beste von dem, was nicht geklappt hat.

Der Tanz kann alles verwirren, und er sollte es auch. Es reicht nicht mehr aus, nur zu verstehen. Tanz ist eine fremde Sprache, die sehr anstrengend für den Zuschauer ist. Aber diese Anstrengung ist notwendig, um eine neue Sprache zu entwickeln. Ich will nichts anregen. Ich will nur teilen.

Ich gehe an die Grenzen des Erträglichen. Auch wenn ich das selten zeige im Alltag. Sich ständig zu verstecken und sich zu zei-gen, das ist ein Grenzgang. Ein ähnlicher Grenzgang ist es, ein neues Stück anzu-fangen. Das ist fast unmöglich, als Projekt absurd.

In verschiedenen Zeiten und Zuständen hat Reid mich und meine Arbeit beschützt. Manchmal sehe ich ihn mit Stolz in den Augen darüber, was ich mit seiner Hilfe in meinem Leben erarbeitet habe.

LOUIS STIENS begann schon während seiner Ausbildung zum

Tänzer mit dem Choreographieren. Der Halbsolist des Stuttgarter Balletts hat bereits

drei Stücke für die Compagnie kreiert

Wenn ich ein Stück entwickle, warte ich auf den Moment, in dem es vor meinem inneren Auge im Zeitraffer vorüberhuscht. Meistens passiert das, wenn ich Musik höre. Dann weiß ich, dass die Musik richtig ist – oder zumindest die Richtung. Inzwischen versu-che ich gezielt, solche Momente heraufzu-beschwören. Auch das Internet inspiriert mich, Instagram etwa ist sehr spannend. Oft geben mir Fundstücke Impulse, die et-was Körperbezogenes oder Theatralisches haben. Bilder von Persönlichkeiten, die ich cool fi nde, fallen mir in der Bilderfl ut auf.

Meine Ideen lassen sich durch Erfahrung und Improvisation umsetzen. Ich versuche, mich daran zu erinnern, was ich vor mei-nem inneren Auge gesehen habe. Wenn sich meine Pläne und Wünsche nicht in die Wirklichkeit umsetzen lassen, ist das natür-

»Ich schaue niemals nach unten. Ich schaue immer nach oben.« Dabei geht es nicht um eine Korrektur im Ballettsaal, es ist eine Le-benseinstellung.

lich sch… Und das passiert oft! Je genauer man den Tänzern seine Ursprungsidee ver-mitteln kann, desto besser. Wenn sie nicht funktioniert, muss man choreographisch-handwerklich gewieft sein. Schritte nach rechts statt nach links, Tänzer anders auf-stellen, langsamer, schneller … Manchmal entwickeln sich so Sachen, auf die ich nie gekommen wäre.

Tanz benötigt immer ein schlagendes Herz, ist nie eindimensional wie eine Lein-wand. Für mich ist Choreographieren eine Art In-sich-Hineinhorchen. So wie ich mir als Kind beim Hörspielehören oder Malen Sachen ausgedacht habe. Diese kindliche Versunkenheit, die fast wie Hypnose ist.

Die ständige Auseinandersetzung mit den eigenen Ideen ist eine Qual. Oft erkenne ich Fehler zu spät. Und ich hasse es, wenn etwas irreversibel ist. Deshalb sind auch Tattoos nichts für mich. Mein Stück nach der Premi-ere auszuhalten, das fi nde ich enorm hart.

In Erinnerung halten werde ich das Bild, wie Reid bei Onegin-Proben im Ballettsaal vorn auf einem Stuhl sitzt. Er lebt diese Er-fahrung mit der Choreographie. Vielleicht ist er deshalb auch ein so guter Coach.

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BÜHNE

Taschenbuch aus den Achtzigern. Mittlerweile erscheint allein diese Ausgabe in der 60. Aufl age – und ist fast ständig in den Top Ten der Literaturklassiker

Herr Becker, ich muss zugeben: Als ich den Steppenwolf für die Schule lesen sollte, bin ich über die ersten Seiten nicht hinausgekommen.Mir ging es ähnlich wie Ihnen. Mit sechzehn Jahren habe ich versucht, den Steppenwolf zu lesen, und empfand das als Altherrenlite-ratur. Angefi xt haben mich hingegen Hesses Unterm Rad und Siddhartha.Warum wollen Sie dann ausgerechnet den Steppenwolf auf die Bühne bringen?Ich bin im Schwabenland aufgewachsen, und mich interessiert das Hadern mit der pietistischen Enge. Hesse kommt auch von hier, aus Calw, er setzte sich gnadenlos mit diesem Boden auseinander, der die Leute zu dem macht, was sie sind. Ich kenne kaum ein Werk der Gegenwart, in dem das so virtuos geschieht wie im Steppenwolf. Die Drama-turgie ist hochmusikalisch, der Aufbau erin-nert an den ersten Satz einer Symphonie.Gibt es einen zeitgenössischen Dichter, mit dem Sie Hesse vergleichen würden? Der amerikanische Autor David Foster Wal-lace war für mich ein Genie. Er war so durch-lässig für die Wirklichkeit, dass er daran ka-puttgegangen ist und sich 2008 schließlich das Leben nahm. Er hat es geschafft, die Ab-gründigkeit der Welt nicht nur zu erfahren, sondern ihr weiter nachzuspüren und sie zu Papier zu bringen. Wow! Damit trifft er mich direkt ins Herz. Deshalb braucht es für mich nicht mehr als die Bücher, ich würde daraus nie Theater machen. Hermann Hesse kratzte bisweilen an diesem Ideal. Bei ihm fasziniert mich gerade das unvollkommene Bemühen, etwas zutiefst Abgründiges auszudrücken. Hier kann ich als Regisseur noch eine neue Dimension reinbringen.Was kann uns ein neunzig Jahre altes Buch über den Zustand der Welt von heute sagen?Das älteste uns komplett überlieferte Stück ist Die Schutzfl ehenden des griechischen Dichters Aischylos. Darin wird das Recht auf Asyl behandelt – und übrigens auch das Recht der Frau auf körperliche Unver-sehrtheit und Selbstbestimmung. Das Stück könnten wir heute genau so aufführen, wie es vor 2500 Jahren niedergeschrieben wur-de. Auch der Steppenwolf hat seit seinem Erscheinen im Jahr 1927 immer wieder ext-reme Reaktionen provoziert.In den Sechzigern wurde der Roman als unmoralisch gebrandmarkt und aus Bibliotheken verbannt. Heute ist die sexuelle Revolution schon etwas her, die Kritik am Bürgertum ist Mainstream. Wie kann uns der Sto¥ beunruhigen?

Der erste Hippie Die Matrix, Faust, Sigmund Freud und Flower-Power: Es steckt viel drin in der Aussteigergeschichte um den Großstadtneurotiker Harry Haller, das Buch war die Bibel der Hippie-Gene-ration, in den Sechzigern in den USA verboten. Im Kern erzählt der Roman (1927) von Hallers Suche nach der Wahrheit. Unerfüllt folgt er einer Frau, Hermine (sie entpuppt sich später als sein Alter Ego), in Das magische Theater , eine Art Ur-Kommune. Dort tri� t er illustre Gestalten, wirft eine Pille ein, die ihm die Augen ö� net – und seziert und sortiert dann nach und nach sich selbst und sein Bild von der Gesellschaft und der Wirklichkeit.

DER STEPPENWOLF nach dem Roman von Hermann Hesse Premiere am 10. März im Schauspielhaus

PHILIPP BECKER ist Regisseur und stellvertre-tender Leiter Schauspiel an

der Zürcher Kunsthochschule. Der Steppenwolf ist seine

erste Inszenierung am Schau-spiel Stuttgart

Die zentrale Frage ist die nach Selbstbe-stimmung. Und die ist hochaktuell. Auch heute haben wir es mit einer Generation zu tun, die zwischen zwei Zeiten geraten ist. Alle früheren Konzepte sind hinfällig. Es scheint aber keinen neuen Entwurf zu geben, der uns dazu verführt, uns selbst zu verwirklichen. Gleichzeitig spüren wir große Sehnsucht und extreme Empörung in dieser Gesellschaft. Deutschland brodelt. Das kann eine konstruktive Kraft freisetzen – oder ge-fährlich werden. Hesse hat im Steppenwolf den nächsten Krieg prophezeit. Da gibt es Analogien zum Hier und Jetzt.Der Steppenwolf ist ja auch eine Geschichte vom Aussteigen. Das machte ihn zum Kultbuch für Hippies. Wie wichtig ist dieser Aspekt? Ach, ich weiß ja, wie beschissen die Welt ist; trage aber selbst eine gewisse künstlerische Aufgeklärtheit vor mir her und habe Vorbe-halte gegen das Establishment. Und doch habe ich eine leitende Stelle an der Zürcher Kunsthochschule angenommen, um als Fa-milienvater etwas Sicherheit zu bieten. Es gibt widerstreitende Prinzipien in uns, wie in einer Szene im magischen Theater: Alle Aspekte von Harry Hallers Persönlichkeit er-scheinen als Schachfi guren. Der Spielleiter lässt sie miteinander agieren, spielen und kämpfen. Jeder ist selbst dafür verantwort-lich, seine Figuren irgendwann vom Brett zu fegen und komplett neu anzuordnen.Hesses Sprache ist ja recht speziell. Wie gehen Sie mit dem Pathos um? Die Sprache, mit der er innere Zustände beschreibt, fi nde ich auf schöne Weise be-fremdlich. Ich möchte sie unbedingt beibe-halten. Jeder Hauch von Zynismus würde den Stoff zerstören, so wie ein Tropfen Öl reicht, um 5000 Liter Wasser zu verseuchen. Wer so schreibt, macht sich angreifbar – doch ich unterstelle Hesse volle Absicht. Die

Syntax ist sorgfältig verschachtelt, kein Satz funktioniert nach dem Prinzip Subjekt–Prä-dikat–Objekt. Dabei entsteht eine Geschwät-zigkeit, die manchmal nervt. Auf der Bühne wird sie interessant: Vor mir steht jemand, der nicht anders sprechen kann. Das ist der Sound der Sinnsuche. Die Form entspricht dem Inhalt. Diese Zerbrechlichkeit hat ein wunderbar tragisches Potenzial.Bei aller Tragik, die materielle Existenz der Hauptfi gur ist gesichert. Haller betrinkt sich mitten in der Woche und schläft dann in seiner Mansarden-wohnung aus. Werden im Steppenwolf nicht in Wirklichkeit Luxusprobleme der Oberschicht ventiliert?Ich sehe das Stück als eine Fabel über die menschliche Existenz: »Zurück führt über-haupt kein Weg«, heißt es im Steppenwolf. Nur die Gegenwart ist wirklich, alles andere Erinnerung oder Projektion. Du musst dich weiter in die Schuld, weiter in die Mensch-werdung treiben. Abgesehen davon: Ich habe Respekt davor, wenn einer die erarbei-tete Sicherheit für die Sinnsuche opfert. Wenn man sich wirklich darauf eingelassen hat, ist es ein nie endender Prozess.Wie würde Harry Haller klingen, wenn er mit sich im Reinen wäre?Vielleicht wie Angela Merkel in der soge-nannten Flüchtlingskrise? »Wir schaffen das«: Subjekt, Prädikat, Objekt. Größtmög-liche Klarheit und Konstruktivität. Rammen Sie mal so einen Satz in die Eiger-Nordwand Ihrer eigenen Biografi e.

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Bist du bereit für die Wirklichkeit?

Er war Schullektüre vieler Generationen, und nicht wenige haben ihn gehasst. Viele aber erinnern sich noch kristallklar an

den Moment, als sie den Steppenwolf lasen – und bis ins Mark erschüttert waren. Regisseur Philipp Becker erzählt, was

ihn daran reizt, den Roman auf die Bühne des Schauspiels Stuttgart zu bringen

INTERVIEW: MARTIN THEIS

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IN DER PROBE

ELENA TZAVARA leitet seit Beginn des vergangenen Jahres die Junge Oper. Am 27. April wird ihre Inszenierung von Krieg. Stell dir vor, er wäre hier, eine Kammeroper für alle ab vierzehn, urauf-geführt. PHILIPP ROSENDAHL ist Leiter des Jungen Staatstheaters Kassel. Aldous Huxleys Schöne neue Welt ist seine erste Theaterproduktion in Stuttgart, Premiere ist am 7. April im Nord

Damit im Theater alle wissen, was auf

den Bühnen passiert, gibt es Durchsagen im ganzen

Haus. Die schönsten drucken wir in Reihe 5

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Die Fragen stellte Christoph Kolossa. Möchten auch Sie eine Probe besuchen? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail [email protected]

EIN KANTINENGESPRÄCH

»Wie inszeniert man etwas, das man nicht selbst erlebt hat?« Sie haben weder Krieg noch Diktatur erlitten und bringen dennoch Stücke darüber auf die Bühne. Elena Tzavara, Leiterin der Jungen Oper, und Regisseur Philipp Rosendahl über empathische Transferleistungen

MELTEM AYTAC aus Ostfildern besuchte eine Probe von Jerome Robbins’ Dances at a Gathering, das Teil des Ballettabends BEGEGNUNGEN ist. Das Stück wurde mit der gesamten Besetzung und nur wenigen Unterbrechungen im Ballettsaal geprobt

Was haben Sie erwartet?Ich dachte, die Probe findet auf der Bühne statt und ich sitze im Zuschauerraum und schaue von dort aus zu. Außerdem habe ich damit gerechnet, dass streng auf Fehler geachtet wird.

Was ist passiert?Etwas völlig anderes: Ich saß zwischen Klavier und Ballett- meisterin im Ballettsaal. Die Tänzer sind so nah an mir vorbeigerauscht, dass ich jeden Windhauch und sogar die Atemgeräusche mitbekommen habe. Fantastisch! Und das mit der Strenge hat so auch nicht gestimmt. Zwar haben die Ballettmeister unterbrochen und manchmal mit den Tänzern gefachsimpelt. Aber es war eine kameradschaftliche Atmo-sphäre; die Kollegen haben sogar untereinander geholfen.

Worauf werden Sie bei der Au¥ührung achten?Auf das eine oder andere dis-kutierte Detail. Und ich freue mich darauf, das Ballett als Ganzes wahrzunehmen.

BEGEGNUNGEN Ballettabend mit Choreographien von Jerome Robbins und John Cranko, am 19. Juli im Opernhaus

ben Interessen am anderen Ende der Welt. Wir geben, ohne nachzudenken, Daten preis. Diese Schöne neue Welt ist ein Konstrukt, das den Menschen ein problemfreies Leben der Zugehörigkeit ermöglicht.Tzavara: In unserer Vorlage von Janne Teller muss ein vierzehnjähriger Junge aufgrund von Diktatur und Krieg mit seiner Familie aus Deutschland nach Ägypten fliehen. Das ist keine Dystopie, sondern eine Umkehrung der Verhältnisse. Das Werk spricht gezielt unsere Vorstellungskraft an – das, was an-dernorts heutzutage schon geschieht. Das allerdings geradezu fürchterlich real.Würden Sie das Stück anders inszenieren, wenn Sie es für …Tzavara: ... Erwachsene inszenieren wür-den? Klares Nein!Rosendahl: Das sage ich auch immer (lacht).Wie eignen Sie sich diese Sto¥e an?Rosendahl: Ich überschreibe diese Schöne neue Welt auf meine Wirklichkeit. Durch Huxleys Material kann ich ganz viel über unsere Generation erzählen. Huxley ging es um die Beschreibung einer vermeint-lich perfekten Welt. Er wollte den Leser an-schließend fragen, ob er diese perfekte Welt wirklich will – oder ob es nicht gerade der Zweifel, die Unsicherheit sind, die uns zu Menschen machen.Tzavara: Wir wollen zeigen: Was ist Hei-mat? Und was ist eigentlich das Gute an Deutschland? Das sind essenzielle Fragen für jemanden, der sein Heimatland zurücklässt. Deswegen habe ich die Form des Streich-quartetts für die Musik gewählt, weil sie etwas klassisch Deutsches hat. So kann man Heimat vielleicht auch musikalisch darstellen.Wie wichtig ist Fantasie?Rosendahl: Fantasie und Empa-thie gehören für mich zwangsläufig zusammen. Empathie ist nicht nur der Wunsch, sich in einen anderen hineinzuversetzen – sondern auch die Fantasie, das überhaupt tun zu können. Das ist essenziell im Thea-ter. Fantasie ist unser tägliches Brot.Tzavara: Ich selbst war zwar nie von Krieg betroffen, aber das The-ma Flucht ist mir nah. Früher war ich gefühlt immer auf der Flucht, hatte einen gepackten Koffer un-ter dem Bett. Wahrscheinlich habe ich zu viele Bücher über das Dritte Reich gelesen. Es geht also darum, verwandte Themen zu finden, mit denen wir uns identifizieren können?

Tzavara: Genau da setzen wir an. Wir hin-terfragen, was Heimat so besonders macht. In ihren für dieses Stück geschriebenen Ge-dichten geht die Lyrikerin Nora Gomringer beispielsweise auf Ikea-Möbel ein – und dass jeder mindestens ein Möbelstück von Ikea zu Hause hat. Das ist Heimat für uns.Rosendahl: Die Auseinandersetzung mit virtueller Realität ist aktuell und auch poli-tisch relevant, weil sie grundsätzliche Fragen nach unserem Zusammenleben und unserer Kommunikation stellt. Die analoge Welt gibt es ja immer noch, und Demokratie fußt letzt-lich auch darauf, dass wir miteinander kom-munizieren. Huxley warnt deswegen auch davor, uns von Begegnungen abzukoppeln.Geht es uns zu gut?Rosendahl: Unsere Gesellschaft hat aufge-hört, sich in die Pflicht zu nehmen. Es geht nur noch um »die da oben«. Dabei muss je-der Einzelne selbst dafür sorgen, dass Demo-kratie funktioniert. Das ist das Wunderbare, aber auch Komplizierte an der Demokratie: Sie ist immer nur so gut wie man selbst.Tzavara: Niemand fühlt sich mehr zustän-dig. Gleichzeitig gehen so viele Kinder zur Kommunion wie lange nicht mehr. Für mich ist das Ausdruck einer gewissen Heimat-losigkeit. Man will sich wieder geborgen fühlen. Und sicher.Rosendahl: Die Welt ist so groß und kom-pliziert geworden, da klammern wir uns an bestimmte Werte. Wir suchen Schutz, aber heute eben nicht mehr nur in der Kirche, sondern im Netz oder im Konsum, man-

che sicherlich auch bei rechten Parteien, die gefährlich einfache Er-klärungen parat haben.Tzavara: Gerade findet ein Wandel statt. Ich merke, wie sich die Kin-der zunehmend politi-sieren. Alle Achtjähri-gen wissen, wer Trump ist. So etwas gab es noch nie, und ich finde es gut, auch wenn es einen bedauerlichen Hintergrund hat. Diese jungen Menschen wer-den sich später aber vielleicht eher zustän-dig fühlen. Das Theater hat die Kraft, dieses Ge-fühl, zuständig zu sein, herzustellen.Die Fragen stellte Björn Springorum

Frau Tzavara, Herr Rosendahl, wie inszenieren Sie Krieg und Diktatur, ohne sie selbst je erlebt zu haben?Rosendahl: Indem ich dahinterschaue. Ich sehe die Welt in Schöne neue Welt nicht so sehr als Diktatur, sondern als virtuelle Blase. Im Grunde braucht Huxleys Diktatur keinen Diktator, weil die Menschen sich freiwillig in diese Situation begeben. Das ist heute nicht anders, wie man im Umgang mit den sozia-len Netzwerken sieht.Tzavara: Wenn ich alles erlebt hätte, was ich inszeniert habe, wäre ich schon lange tot (lacht). Bei der Kammeroper Krieg. Stell dir vor, er wäre hier ist der Krieg tatsächlich nur der Ausgangspunkt. Vielmehr geht es um den Begriff der »Heimat«, die man verlas-sen muss. Wir können keinen Krieg auf der Bühne darstellen. Ich sehe deswegen viele Gemeinsamkeiten zwischen unserem Stück und Schöne neue Welt.Rosendahl: In Schöne neue Welt ist die Dik-tatur eine Metapher für den Kontrollverlust. Die Technik beamt uns Menschen in eine vir-tuelle Realität, in der unser Nachbar weiter von uns entfernt ist als jemand mit densel-

Vorhangzieher für den

Unterbühnen- nebel, bitte!

DURCHSAGE21. Nov., 12.30 Uhr

Hinter dem Beruf des Vorhangziehers verbirgt sich mehr, als der Name

vermuten lässt. Sie sind nicht nur für die Stoffe auf der Bühne zuständig,

die sie auch nähen. Sie kümmern sich

um alles, was schwebt – und um Nebel -

maschinen, wie hier bei Der Zauberer von Oz.

BACKSTAGE

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BACKSTAGE

HAUSBERICHT

10 Sekunden SchwanenseeUm ein Ballett für die Ewigkeit zu bewahren, muss man es aufschreiben. Mit der Benesh

Notation arbeiten in Deutschland fünf Compagnien. Die Choreologin Birgit Deharde hat beim Stuttgarter Ballett die Proben zu Schwanensee begleitet und uns

die ersten Takte eines Solos aus dem Pas de six im 1. Akt erklärt

Das Institut Die Notation wird am Benesh Institute in London unter-richtet. Jedes Blatt, das in der Notation beschrieben wird, wird mit einem Stempel versehen, auf dem der Choreograph verzeichnet ist

Diese 10 Sekunden aus SCHWANENSEE – und noch 118 Minuten mehr – sind ab dem 6. Mai im Opernhaus zu erleben

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Tanzen aufschreiben In der Benesh Movement Notation wer-den Bewegungen in Einheiten zerlegt und notiert. Alle Körper-teile werden auf Linien festgehalten, es wird nur niedergeschrie-ben, was sich verändert. Gezeichnet wird aus Bühnensicht, wir sehen die Tänzer von hinten. Hand- und Fußpositionen wer-

den mit drei Basiszeichen notiert, die sie in Relation zum Kör-per zeigen. Ein » « bedeutet, Hand oder Fuß befi ndet sich auf Körperebene; ein » | « steht für Positionen vor dem Körper; » « entspricht Positionen dahinter. Die Basiszeichen werden mit Kreuzchen erweitert, wenn Arme oder Beine gebeugt sind.

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Kopf SchulterTaille Knie Boden

Die Hände der Tän-zerin sind seitlich auf Taillenhöhe, ihre Handfl ächen nach unten gedreht

Der Kopf ist nach rechts gedreht

Taktangabe Einheit

Der rechte Fuß schwingt auf Augenhöhe

Taktstrich wie in Notenschrift

Die linke Hand geht auf Taillenhöhe hinter den Körper, die rechte auf Na-senhöhe vor den Körper

Die Arme gehen zur Seite auf Höhe unterhalb der Schultern, die Handfl ächen nach unten

Die Position auf der Bühne

Der linke Fuß schleift über den Boden nach vorn

Die Tänzerin macht einen Schritt

Der linke Fuß geht auf die Spitze

Die vorherige Bewegung, die Drehung, wird fortgesetzt

Der Körper ist zur vorderen linken Ecke ausgerichtet, sie steht croisé

Der Punkt be-deutet: Der Fuß steht hinter dem Körper

Das Bein ist auf Taillenhöhe hin-ter dem Körper in der Arabesque

Sie macht eine Drehung nach rechts

Wie Komponist Stephan Storck mit Kritik umgeht und warum ihn das Urteil einer Besucherin bis heute beeindruckt

ABGESCHMINKT

Genau hinhören

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»Ein Musikstück zu schreiben ist immer eine Herausforderung, dabei kann Kritik von außen sehr hilfreich sein. Neue Musik verzichtet auf bewährte formbildende Kategorien wie etwa Melodik und Harmonik; beim Schreiben stehen zeitgenössische Komponisten daher perma-nent vor der Aufgabe, andere, neue nachvollziehbare Strukturen zu stiften. Man ist oft versucht, wie ein Ingenieur zu arbeiten. Bei der Ideenformulierung ist das absolut legitim. Doch leider ist ein guter Plan selten deckungsgleich mit dem, was die konkrete musikalische Situation als nächsten Schritt tatsächlich verlangt.

Als Künstler, der sein Geld hauptsächlich als Opernchorsänger verdient, fehlt mir manchmal die Zeit, solche Entscheidungen in Ruhe zu treffen. Deshalb setze ich meine Arbeit gelegentlich dem kritischen

Blick meines Freundes aus, des Komponisten Manuel Hidalgo. Wir diskutieren sehr offen nicht nur über meine Musik. Kriti-sche Zeitungsberichte können mich natürlich ›nervös‹ machen, besonders wenn ich sie als zutreffend anerkennen muss. Aber mir ist die Meinung von Komponisten, die ich schätze, wichtiger.

Da fällt mir die Begegnung mit einer älteren Dame ein, die aus einer weniger professionellen Sicht heraus sagte, dass ihr das alles wie ein Rätsel vorkomme. Eine solche Reaktion ist dann wie ein Impuls für mich, eine Verpfl ichtung, Musik klarer und verstehbarer zu komponieren. Trotz aller Bedenken muss ich bei jedem neuen Stück das Schiff letztendlich in See stechen lassen und kann nur hoffen, dass ich genug Proviant an Bord habe.«

MEIN ARBEITSPLATZ

Was lagert im Zentrallager?Wir lagern hier auf 18 000 Quadratmetern Kulissen und Kostüme von etwa 120 Produk tionen, Instrumente und Requisiten, etwa einen schrottreifen Porsche, einen atmenden Elefanten und mehrere Bühnenleichen. Haben Sie schon mal etwas nicht wiedergefunden?Ein Kollege war einmal davon überzeugt, dass bestimmte Wände hier sein müssten. Ich habe zwar gleich gesagt, dass die nicht hier sind, aber wir haben dann doch gesucht. Am Ende stellte sich heraus: Die Wände wurden bei einem Gastspiel in England vergessen.Was bedeutet dieser Ort für die Staatstheater?Für unsere Logistik ist das Zentrallager ein richtig großer Gewinn. Bevor das Lager 2006 gebaut worden ist, gab es sechs Depots, die in der Stadt verteilt lagen; die Schreiner und Schlosser hatten gar kein Lager. Und wie behalten Sie den Überblick?Mit Listen, Listen, Listen! Und ich weiß mit der Zeit, wo die Sachen stecken. Interview: Christoph Kolossa

Technik für Wellentücher!

DURCHSAGE9. Dez., 21.50 Uhr

Am Ende des Balletts Schwanensee ertrinkt

Prinz Siegfried. Die unheilvollen Fluten entstehen durch Tücher

aus zarter Pongé-Seide. An dünnen Fäden ziehen Bühnentechniker

diese »Wellen« zunächst über die Bühne,

dann bewegen sie sie auf und ab.

STEPHAN STORCKS Auftragswerk für die Oper Stuttgart wird im Kammerkonzert am 14. März in der Liederhalle uraufgeführt – für Sopran, Streichquartett, Klarinette, Kontrabassklarinette

UDO SPILLER leitet das Zentrallager und die Logistik der Staatstheater Stuttgart

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BACKSTAGE

Reihe 5 im Abo!

Kostenlos und viermal im Jahr bieten wir Ihnen noch mehr Geschichten vor, auf und hinter der Bühne.

Bestellen Sie unser Magazin Reihe 5einfach kostenlos nach Hause!

Per Post an:Die Staatstheater Stuttgart – PublikationenPostfach 10 43 45, 70038 Stuttgart

Online unter:www.staatstheater-stuttgart.de/reihe5

WAS WAR DA LOS?

Lisa Fuß, Leiterin des Malsaals:»Bei der Produktion von Bühnenbildern sind Modelle eine große Hilfe. Diese hier gehören zu Das 1. Evangelium und wurden vom Bühnenbildner Michael Sieberock-Serafi mowitsch selbst gebaut. Für uns im Malsaal sind solche Modelle deshalb wichtig, weil wir alle Elemente, hier zum Beispiel Wandfl ächen, Graffi ti oder Rost-fl ecken, genau abmessen können. Sie sind im Maßstab 1 zu 25

gebaut, wir müssen dann nur noch hochrechnen. Etwa ein halbes Jahr vor jeder Premiere fi ndet auf der richtigen Bühne eine Bau-probe mit Ersatzbauten statt. Oft bringt der Bühnenbildner eine Bühne im Miniaturformat mit, die alle benötigten Szenerien zeigt. So kann er seine Idee viel einfacher erklären als mit Skizzen oder Fotos. Auch Regisseure nutzen die Modelle gern. Sie zeigen damit den Darstellern, wie sie sich bewegen sollen.«

Hauptsponsor des Stuttgarter Balletts

Partner der Oper Stuttgart

Förderer des Stuttgarter Balletts

Konzept ErlerSkibbeTönsmann & Grauel Publishing GmbHBeratung der HerausgeberJohannes Erler, Ralf GrauelRedaktion Jana Petersen (Ltg.), Kai Schächtele; Christoph KolossaRedaktion für Die Staatstheater Stuttgart Thomas Koch, Claudia Eich-Parkin (Oper); Vivien Arnold, Pia Boekhorst (Ballett); Carolina Gleichauf, Jan Hein (Schauspiel)

Gestaltung Anja Haas, Lina StahnkeAnzeigen Simone [email protected] Bechtle Druck&Service GmbH, Esslingen Erscheinungsweise 4 × pro SpielzeitHausanschriftDie Staatstheater StuttgartOberer Schlossgarten 670173 Stuttgart

www.staatstheater-stuttgart.de

IMPRESSUMHerausgeber Die Staatstheater StuttgartGeschäftsführender IntendantMarc-Oliver HendriksIntendant Oper StuttgartJossi WielerIntendant Stuttgarter BallettReid AndersonIntendant Schauspiel StuttgartArmin Petras

Der Kinderchor für die Barrikaden-

Verständigung!

DURCHSAGE8. Jan., 18.45 Uhr

Kurz vor Schluss der Oper Medea verbarrikadiert

sich die Titelheldin mit ihren Söhnen in der

Küche, damit Jason und die Korinther nicht eindringen

können. Vor der Tür stapeln Kinder Möbel auf.

Damit diese Barrikade hält, proben das die Mitglie-

der des Kinderchors vor der Vorstellung.

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In den darstellenden Künsten spielte der Sekt aus Deutsch-

lands ältester Sektkellerei schon immer eine nicht unbedeu-

tende Rolle – und zwar in den Pausen zwischen den Akten. Mit

vollmundigem Geschmack und spritzigem Temperament

belebt ein Glas KESSLER Hochgewächs nicht nur die Kon-

versation übers soeben Gesehene und Gehörte, sondern

schärft auch die Sinne fürs weitere Geschehen auf der Büh-

ne. Wie es sich für einen derartig kultivierten Sekt gehört.

GROSSER AUFTRITT ZWISCHEN DEN AKTEN.