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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010 107. § 25 VOB/A - Wertung der Angebote Wertung der Angebote 1. (1) Ausgeschlossen werden: a) Angebote, die im Eröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nicht vorgelegen haben, ausgenommen Angebote nach § 22 Nr. 6, b) Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 nicht entsprechen, c) Angebote von Bietern, die in Bezug auf die Ausschreibung eine Abrede getroffen haben, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, d) Nebenangebote, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erklärt hat, dass er diese nicht zulässt. (2) Außerdem können Angebote von Bietern nach § 8 Nr. 5 sowie Angebote, die dem § 21 Nr. 3 Satz 2 nicht entsprechen, ausgeschlossen werden. 2. (1) Bei Öffentlicher Ausschreibung ist zunächst die Eignung der Bieter zu prüfen. Dabei sind anhand der vorgelegten Nachweise die Angebote der Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen. (2) Bei Beschränkter Ausschreibung und Freihändiger Vergabe sind nur Umstände zu berücksichtigen, die nach Aufforderung zur Angebotsabgabe Zweifel an der Eignung des Bieters begründen (vgl. § 8 Nr. 4). 3. (1) Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. (2) Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, gegebenenfalls unter Festlegung einer zumutbaren Antwortfrist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens, die gewählten technischen Lösungen oder sonstige günstige Ausführungsbedingungen zu berücksichtigen. (3) In die engere Wahl kommen nur solche Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Haftung für Mängelansprüche erwarten lassen. Unter diesen Angeboten soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z.B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend. 4. Ein Angebot nach § 21 Nr. 2 ist wie ein Hauptangebot zu werten. 5. Nebenangebote sind zu werten, es sei denn, der Auftraggeber hat sie in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht zugelassen. Preisnachlässe ohne

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

107. § 25 VOB/A - Wertung der Angebote Wertung der Angebote 1. (1) Ausgeschlossen werden:

a) Angebote, die im Eröffnungstermin dem Verhandlungsleiter bei Öffnung des ersten Angebots nicht vorgelegen haben, ausgenommen Angebote nach § 22 Nr. 6, b) Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 bis 3 nicht entsprechen, c) Angebote von Bietern, die in Bezug auf die Ausschreibung eine Abrede getroffen haben, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, d) Nebenangebote, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erklärt hat, dass er diese nicht zulässt.

(2) Außerdem können Angebote von Bietern nach § 8 Nr. 5 sowie Angebote, die dem § 21 Nr. 3 Satz 2 nicht entsprechen, ausgeschlossen werden.

2. (1) Bei Öffentlicher Ausschreibung ist zunächst die Eignung der Bieter zu prüfen. Dabei

sind anhand der vorgelegten Nachweise die Angebote der Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen. (2) Bei Beschränkter Ausschreibung und Freihändiger Vergabe sind nur Umstände zu berücksichtigen, die nach Aufforderung zur Angebotsabgabe Zweifel an der Eignung des Bieters begründen (vgl. § 8 Nr. 4).

3. (1) Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der

Zuschlag nicht erteilt werden. (2) Erscheint ein Angebotspreis unangemessen niedrig und ist anhand vorliegender Unterlagen über die Preisermittlung die Angemessenheit nicht zu beurteilen, ist in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen, gegebenenfalls unter Festlegung einer zumutbaren Antwortfrist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens, die gewählten technischen Lösungen oder sonstige günstige Ausführungsbedingungen zu berücksichtigen. (3) In die engere Wahl kommen nur solche Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Haftung für Mängelansprüche erwarten lassen. Unter diesen Angeboten soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z.B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.

4. Ein Angebot nach § 21 Nr. 2 ist wie ein Hauptangebot zu werten. 5. Nebenangebote sind zu werten, es sei denn, der Auftraggeber hat sie in der

Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht zugelassen. Preisnachlässe ohne

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Bedingung sind nicht zu werten, wenn sie nicht an der vom Auftraggeber nach § 21 Nr. 4 bezeichneten Stelle aufgeführt sind.

6. Bietergemeinschaften sind Einzelbietern gleichzusetzen, wenn sie die Arbeiten im eigenen

Betrieb oder in den Betrieben der Mitglieder ausführen. 7. Die Bestimmungen der Nummern 2 und 3 gelten auch bei Freihändiger Vergabe. Die

Nummern 1, 4, 5 und 6 sind entsprechend auch bei Freihändiger Vergabe anzuwenden.

107.1 Vergleichbare Regelungen Der Vorschrift des § 25 VOB/A vergleichbar sind im Bereich des GWB § 97 Abs. 4 GWB, im Bereich der VOB §§ 25a, 25b VOB/A, im Bereich der VOF § 16 VOF und im Bereich der VOL §§ 25, 25b VOL/A. Die Kommentierungen zu diesen Vorschriften können daher ergänzend zu der Kommentierung des § 25 herangezogen werden.

107.2 Änderungen in der VOB/A 2006 In § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) werden die zwingenden Ausschlussgründe des § 21 Nr. 1 Abs. 1 – 3 entsprechend der Änderung des § 21 erweitert. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 muss der Auftraggeber bei Unterkostenangeboten in Textform vom Bieter Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen verlangen. In § 25 Nr. 3 Abs. 3 sind die beispielhaft aufgezählten Zuschlagskriterien neu gefasst.

107.3 Bieterschützende Vorschrift

107.3.1 § 25 Die Regelung des § 25 entfaltet bieterschützende Wirkung (1. VK Sachsen, B. v. 13.12.2002 - Az.: 1/SVK/105-02, B. v. 5.9.2002 - Az.: 1/SVK/073-02).

107.3.2 § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) Die Vorschriften aus §§ 21 Nr. 1 Abs. 2, 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A, die sich auf die Sicherung der Vergleichbarkeit der Angebote beziehen, schützen die übrigen Bieter in ihrem Anspruch auf transparente, gleiche Behandlung der Angebote (VK Düsseldorf, B. v. 14.08.2006 - Az.: VK - 32/2006 – B).

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107.3.3 § 25 Nr. 2 Bei § 25 Nr. 2 VOB/A handelt es sich wie bei § 25 Nr. 3 VOB/A um eine bieterschützende Vorschrift (1. VK Sachsen, B. v. 23.5.2002 - Az.: 1/SVK/039-02).

107.3.4 § 25 Nr. 3 Bei § 25 Nr. 3 VOB/A handelt es sich wie bei § 25 Nr. 2 VOB/A um eine Bieter schützende Vorschrift (1. VK Sachsen, B. v. 23.5.2002 - Az.: 1/SVK/039-02, B. v. 11.10.2001 - Az.: 1/SVK/98-01, 1/SVK/98-01g; VK Düsseldorf, B. v. 23.1.2001 - Az.: VK - 1/2001 - B).

107.3.5 § 25 Nr. 3 Abs. 1 Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A stellt eine berechtigte Schutzvorschrift für den Auftraggeber dar, als bei einem Bieter mit einem unauskömmlichen Preis die Gefahr oder zumindest die Vermutung besteht, dass er entweder in eine qualitativ schlechte Leistung oder aber in unberechtigte Nachforderungen "auszuweichen" versucht. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A dient aber auch dem Schutz aller anderen Bieter, die bei einem echten Wettbewerb ihre Preise aufgrund einer ordnungsgemäßen Kalkulation berechnen. Der nächstgünstigste Bieter hat deshalb ein Recht, diesen Vergabeverstoß in einem Nachprüfungsverfahren zu unterbinden (Saarländisches OLG, B. v. 29.10.2003 - Az.: 1 Verg 2/03; B. v. 02.08.2004 - Verg 016/04; BayObLG, B. v. 3.7.2002 - Az.: Verg 13/02; OLG Düsseldorf, B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 18/02, B. v. 19.12.2000 - Az.: Verg 28/00; 1. VK Sachsen, B. v. 1.10.2002 - Az.: 1/SVK/084-02, B. v. 13.9.2002 - Az.: 1/SVK/082-02; im Ergebnis ebenso VK Düsseldorf, B. v. 23.1.2001 - Az.: VK - 1/2001 - B). Nach einer anderen Auffassung sind die Vorschrift des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A 3. Abschnitt, ebenso wie die entsprechende Vorschrift des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A, und zwar jeweils in der Variante des "unangemessen niedrigen Preises", keine bieterschützenden Vorschriften im Sinne des § 97 Abs. 7, § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB. Es ist nicht der Schutzzweck des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A, den an einem Vergabeverfahren beteiligten Bietern auskömmliche Preise zu garantieren. Vielmehr soll diese Vorschrift den Auftraggeber davor schützen, ein Angebot zu bezuschlagen, dessen Erfüllung infolge nichtauskömmlicher Preise ungewiss ist oder in eine qualitativ schlechte Leistung oder unberechtigte Nachforderung abzugleiten droht, weil der Bieter nicht mehr kostendeckend und somit zuverlässig und vertragsgerecht leistet (OLG Düsseldorf, B. v. 28.09.2006 - Az.: VII - Verg 49/06; 1. VK Bund, B. v. 21.09.2006 - Az.: VK 1 - 100/06; 2. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; VK Düsseldorf, B. v. 02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2004 - Az.: 1 VK 68/04; VK Brandenburg, B. v. 14.03.2005 - Az.: VK 7/05; B. v. 30.04.2004 - Az.: VK 13/04; 3. VK Bund, B. v. 02.11.2006 - Az.: VK 3 - 117/06; B. v. 04.05.2005 - Az.: VK 3 – 22/05 – abgelehnt; B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05). Nur der Ausnahmefall der wettbewerbsbeschränkenden Verdrängungsabsicht kann unter bestimmten Umständen eine Antragsbefugnis vermitteln (2. VK Bund, B. v. 15.05.2009 - Az.: VK 2 – 21/09; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 159/05; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 156/05; B. v. 21.1.2004 - Az.: VK 2 - 126/03, B. v. 8.1.2004 - Az.: VK 2 - 124/03).

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Jedoch gibt es von dem Grundsatz, dass § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A keinen bieterschützenden Charakter hat, zwei Ausnahmen. Die eine bezieht sich auf Unterkostenangebote, die den Bieter im konkreten Einzelfall selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen, so dass er den Auftrag nicht vertragsgerecht durchführen kann, die andere auf solche, die in der zielgerichteten Absicht abgegeben werden oder zumindest die Gefahr begründen, dass ein oder mehrere bestimmte Mitbewerber vom Markt ganz verdrängt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 28.09.2006 - Az.: VII - Verg 49/06; 1. VK Bund, B. v. 20.12.2007 - Az.: VK 1 - 143/07; B. v. 21.09.2006 - Az.: VK 1 - 100/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; VK Düsseldorf, B. v. 02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; 3. VK Bund, B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2004 - Az.: 1 VK 68/04; VK Brandenburg, B. v. 14.03.2005 - Az.: VK 7/05; B. v. 30.04.2004 - Az.: VK 13/04; 2. VK Bund, B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 159/05; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 156/05; B. v. 8.1.2004 - Az.: VK 2 - 124/03). Mit einer vergleichbaren Argumentation lehnt die VK des Bundes grundsätzlich die bieterschützende Wirkung von § 10 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A-SKR ab (2. VK Bund, B. v. 04.05.2005 - Az.: VK 2 – 27/05). Nach Auffassung des Hanseatischen OLG Bremen kann außerhalb von besonderen wettbewerbs- und kartellrechtlichen Umstände ein Drittschutz des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A jedenfalls dann nicht eingreifen, wenn der Auftraggeber sich an die Vorgaben des § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A gehalten hat, denn ein Ausschluss nach Abs. 1 setzt ein Vorgehen und eine Beurteilung der Angemessenheit nach Abs. 2 voraus (Hanseatisches OLG Bremen, B. v. 24.05.2006 - Az.: Verg 1/2006).

107.3.6 § 25 Nr. 3 Abs. 2 Die Vorschrift des § 25 Nr. 3 Abs. 2 hat drittschützenden Charakter (1. VK Sachsen, B. v. 1.10.2002 - Az.: 1/SVK/084-02). Nach Auffassung des OLG Düsseldorf hat die Pflicht des öffentlichen Aufraggebers, ein auf erste Sicht ungewöhnlich niedriges Angebot zu überprüfen, zwar bieterschützenden Charakter . § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A entfaltet bieterschützende Wirkung jedoch nicht zugunsten des konkurrierenden Bieters, sondern nur zugunsten des Bieters, dessen Angebot wegen Unauskömmlichkeit des Gesamtpreises von einem Ausschluss bedroht wird (OLG Düsseldorf, B. v. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 69/08 – relative Schutzwirkung).

107.4 Wertungsstufen

107.4.1 Allgemeines Bei der Wertung nach § 25 VOB/A (und § 25 VOL/A) werden die Angebote nach ihrer Gesamtheit betrachtet und miteinander hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Preise verglichen. Die Wertung der Angebote erfolgt in vier Stufen:

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• Ermittlung der Angebote, die wegen inhaltlicher oder formeller Mängel auszuschließen sind (§ 25 Nr. 1 VOB/A),

• Prüfung und Eignung der Bieter in persönlicher und sachlicher Hinsicht (§ 25 Nr. 2 VOB/A),

• Prüfung der Angebotspreise (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 u. 2 VOB/A) und • Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A).

Im Wertungsvorgang ist somit nacheinander zu untersuchen, ob Angebote ausgeschlossen werden müssen, ob die Bieter geeignet sind, welche in der Wertung verbliebenen Angebote in die engere Wahl kommen und welches von diesen Angeboten das annehmbarste Angebot ist (BGH, Urteil v. 15.04.2008 - Az.: X ZR 129/06; OLG Celle, B. v. 31.07.2008 - Az.: 13 Verg 3/08; B. v. 03.03.2005 - Az.: 13 Verg 21/04; Thüringer OLG, Urteil vom 27.2.2002 - Az.: 6 U 360/01; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; 1. VK Brandenburg, B. v. 14.06.2007 - Az.: 1 VK 17/07; B. v. 14.05.2007 - Az.: 2 VK 14/07; 3. VK Bund, B. v. 16.03.2007 - Az.: VK 3 – 13/07; VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09; B. v. 21.07.2005 - Az.: 30-06/05; B. v. 11.05.2005 - Az.: 17-04/05; 1. VK Sachsen, B. v. 21.02.2005 - Az.: 1/SVK/008-05; B. v. 11.02.2005 - Az.: 1/SVK/128-04; B. v. 08.02.2005 - Az.: 1/SVK/003-05; VK Lüneburg, B. v. 23.2.2004 - Az.: 203-VgK-01/2004; 2. VK Bund, B. v. 10.12.2003 - Az.: VK 1 - 116/03; 1. VK Bund, B. v. 11.11.2003 - Az.: VK 1 - 103/03; VK Baden-Württemberg, B. v. 18.7.2003 - Az.: 1 VK 30/03, B. v. 21.11.2001 - Az.: 1 VK 37/01). Die Vergabestelle hat auf dieser Grundlage das wirtschaftlich annehmbarste Angebot auszuwählen, auf das der Zuschlag zu erteilen ist (BGH, Urteil v. 15.04.2008 - Az.: X ZR 129/06). Diese strenge Struktur ergibt sich aus den Vorgaben des Europäischen Vergaberechts (2. VK Bremen, B. v. 25.6.2003 - Az.: VK 10/03). GWB, VgV, VOB/A, VOL/A und VOF normieren die für de n Ausschluss von Bietern und Angeboten geltenden Ausschlussgründe abschließend. Dem öffentlichen Auftraggeber ist es somit verwehrt, außerhalb dieser vergaberechtlich geregelten Ausschlusstatbestände weitere Ausschlussgründe festzulegen. Der Handlungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers beschränkt sich insoweit auf die Möglichkeit, in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen Obliegenheiten des Bieters festzulegen, die sich bei Nichterfüllung unter einen vergaberechtlich normierten Ausschlusstatbestand subsumieren lassen (3. VK Bund, B. v. 18.03.2008 - Az.: VK 3 - 35/08; 1. VK Bund, B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 1 – 148/06). Im Rahmen der Prüfung und Wertung darf ein öffentlicher Auftraggeber zunächst grundsätzlich darauf vertrauen, dass die von einem Bieter in den Angebotsunterlagen gemachten Angaben wahrheitsgemäß erfolgt sind. Lediglich dann, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die zuverlässige Rückschlüsse darauf ermöglichen, dass bestimmte Erklärungen des Bieters nicht der Wahrheit entsprechen, ist er gehalten, von Amts wegen die Richtigkeit der entsprechenden Angaben näher zu überprüfen (OLG Celle, B. v. 13.12.2007 - Az.: 13 Verg 10/07; VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 - Az.: VK 21/09). Werden aufgrund konkreter Anhaltspunkte Angebotsaufklärungen notwendig, die die Nichteinhaltung der Mindestanforderungen bei der Eignungsprüfung auf der zweiten Wertungsstufe zum Ergebnis haben, läge ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus § 97 Abs. 2 GWB vor, sähe der Auftraggeber bei dieser gesicherten Erkenntnis zugunsten eines Bieters von der Einhaltung der für alle Bieter geltenden Ausschreibungsbedingungen ab (VK Brandenburg, B. v. 17.12.2009 - Az.: VK 21/09).

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107.4.2 Grundsätzliche Trennung der einzelnen Stufen bei der Wertung Die vier strikt vorgegebenen Wertungsstufen sind unbedingt voneinander zu trennen. Eine Vermischung der Wertungsstufen ist unzulässig und kann zur Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens führen (BGH, Urteil v. 15.04.2008 - Az.: X ZR 129/06; Thüringer OLG, Urteil vom 27.2.2002 - Az.: 6 U 360/01; 1. VK Bund, B. v. 05.08.2009 - Az.: VK 1 – 128/09; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 1. VK Brandenburg, B. v. 14.06.2007 - Az.: 1 VK 17/07; B. v. 14.05.2007 - Az.: 2 VK 14/07; 3. VK Bund, B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08; B. v. 16.03.2007 - Az.: VK 3 – 13/07; VK Köln, B. v. 28.11.2006 - Az.: VK VOL 37/2006; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05; VK Südbayern, B. v. 21.07.2005 - Az.: 30-06/05; B. v. 11.05.2005 - Az.: 17-04/05; VK Sachsen, B. v. 11.02.2005 - Az.: 1/SVK/128-04; 2. VK Bremen, B. v. 25.6.2003 - Az.: VK 10/03; VK Brandenburg, B. v. 26.04.2004 - Az.: VK 7/04; B. v. 27.10.2003 - Az.: VK 60/03, B. v. 18.11.2002 - Az.: VK 60/02).

107.4.3 Verpflichtung zur umfassenden Prüfung und Wertung aller Angebote? Aus den gesetzlichen Vorschriften lässt sich keine Verpflichtung der Vergabestelle herleiten, alle eingegangenen Angebote bis ins letzte Detail abschließend zu prüfen, wenn klar erkennbar ist, dass bestimmte Details für das Wertungsergebnis unter keinen denkbaren Umständen von Relevanz sind. Die gegenteilige Auffassung führt dazu, dass die Ressourcen der Vergabestelle in der Kürze der ihr zur Verfügung stehenden Prüfungszeit übermäßig beansprucht würden, ohne dass dem ein für die Wertung bedeutsames Resultat gegenüberstehen würde. Das gilt insbesondere für Fälle, bei dem die Prüfung mit einem großen personellen und Sachaufwand verbunden ist (2. VK Bund, B. v. 18.7.2002, Az.: VK 2 - 40/02). Es ist unter Wahrung der Wettbewerbsgrundsätze zulässig, bei Vorliegen sehr vieler Angebote zunächst die 10 preisgünstigsten Angebote auf formale Korrektheit, Eignung und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen und, sollte sich daraus kein zuschlagsfähiges Angebot ermitteln lassen, dann die nächste Preisgruppe zu prüfen, wenn die strikte inhaltliche Trennung der Wertungsstufen eingehalten wird (VK Düsseldorf, B. v. 11.01.2006 - Az.: VK - 50/2005 – L). Solange nicht einzelne Erwägungen oder Kriterien miteinander vermischt oder doppelt geprüft werden, darf ein öffentlicher Auftraggeber die Angebotswertung auch so gestalten, dass er etwa Angebote, von denen klar zu erkennen ist, dass sie nach den anzuwendenden Wertungskriterien keine Aussicht auf den Zuschlag haben, vorab aussondert und den entsprechenden Wertungsschritt vorzieht, um den Prüfungsaufwand zu begrenzen (1. VK Bund, B. v. 05.08.2009 - Az.: VK 1 – 128/09).

107.4.4 Prüfungsreihenfolge der einzelnen Stufen Die strikte Einhaltung einer Reihenfolge ist nicht zwingend vorgegeben. Artikel 44 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge

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und Dienstleistungsaufträge - VKR - kann nicht so verstanden werden, dass im Rahmen der Eignungsprüfung auch Angebote ausgeschlossen werden sollen, bei denen auf Grund besonderer Umstände eine sinnvolle Aussage über die Eignung noch gar nicht möglich ist. Ein logischer Zwang, die Eignung abschließend vor der Wirtschaftlichkeit zu prüfen, besteht gerade wegen des Gebotes der strikten Trennung nicht. Eine Änderung der Prüfungsfolge kann allenfalls dazu führen, dass das Angebot, das als wirtschaftlichstes ermittelt wurde, heraus fällt und das nächst wirtschaftlichste „nachrückt“; das Ergebnis wäre nicht anders als bei Einhaltung der regelmäßigen Reihenfolge. Deshalb ist es ja auch unproblematisch, dass der Auftraggeber in eine erneute Prüfung der Eignung eintritt, wenn die Vergabestelle z. B. von schweren Verfehlungen erst nachträglich erfährt; dann ist der Auftraggeber sogar verpflichtet, die Zuverlässigkeitsprüfung nochmals aufzugreifen (2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07). Der Grundsatz der Trennung der Wertungsstufen ist also nicht zeitlich dergestalt zu verstehen, dass jede einzelne Stufe gleichermaßen „bestandskräftig“ abgeschlossen ist, bevor die nächste angegangen wird. Vielmehr ist das Gebot der Trennung der Wertungsstufen in erster Linie inhaltlicher Natur, das heißt Aspekte, die bereits auf einer Stufe bei der Angebotsprüfung eine Rolle gespielt haben, dürfen bei der späteren Wertung auf der vierten Stufe nicht mehr berücksichtigt werden. Dies betrifft in erster Linie die Trennung von Eignung und Wirtschaftlichkeitsprüfung, so dass einem geeignetem Unternehmen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der vierten Wertungsebene nicht nochmals „Pluspunkte“ gegeben werden dürfen, weil der Auftraggeber es für geeigneter hält als einen ebenfalls grundsätzlich geeigneten Konkurrenten. Verboten ist es einem öffentlichen Auftraggeber außerdem, eine fehlerfrei getroffene Entscheidung, für die ihm ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (z.B. ob ein Bieter angesichts der vorgelegten Nachweise als geeignet anzusehen ist), durch eine andere, ebenso von seinem Beurteilungsspielraum gedeckte Entscheidung zu ersetzen. Eine solche inhaltliche Vermischung von Stufen und der dort bereits berücksichtigten Aspekte findet jedoch nicht statt, wenn formale Eignungsnachweise erst dann vorgelegt werden, nachdem die Angebotswertung auf der vierten Wertungsstufe bereits erfolgt ist. Ebenso wenig wie das nachträgliche Feststellen von Fehlern z.B. bei der Eignungsprüfung, die vom Auftraggeber in jedem Stadium des Vergabeverfahrens und gegebenenfalls auch erst im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen sind, verstößt es gegen die rechtlichen Grundsätze der Angebotswertung, wenn ein Auftraggeber z.B. aus Gründen der Verfahrensvereinfachung erst von denjenigen Bietern Eignungsnachweise abfordert, die nach der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote in die engere Wahl kommen (3. VK Bund, B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08).

107.4.5 Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, zwingend auszuschließende Angebote auf den weiteren Wertungsstufen weiter zu prüfen und zu werten? Zwar ist ein öffentlicher Auftraggeber, der auf der zweiten Wertungsstufe im Rahmen der formellen Eignungsprüfung Ausschlussgründe feststellt, im Regelfall nicht gehalten, bislang ungeprüfte Angebotselemente einer weiteren inhaltlichen Bewertung zu unterziehen. Dieses gilt jedenfalls dann, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte nahe legen, dass die Erklärungen, deren Fehlen oder Unvollständigkeit den Ausschluss begründen, an anderer Stelle des Angebots nachgeholt werden. Insbesondere bei Massenausschreibungen mit identischen Verdingungsunterlagen und einer hohen Anzahl von Bietern hat der öffentliche Auftraggeber ein berechtigtes Interesse daran, bei der Angebotswertung mit Hilfe

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eigens entwickelter Formulare nur die wertungsrelevanten Aspekte festzustellen und sich diese nicht aus einem umfangreichen Angebot zusammen zu suchen. Führt der öffentliche Auftraggeber aber trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes eine weitere Angebotsprüfung durch, so dürfen die sich aus der fortgesetzten tatsächlichen Befassung mit dem Inhalt des Angebots ergebenden Erkenntnisse nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Verpflichtung findet ihre Rechtfertigung in der Selbstbindung des öffentlichen Auftraggebers. Seine Entscheidung, die Bewertung fortzusetzen, dient dem Ziel, sich weitere Erkenntnisse über den Inhalt des Angebots zu verschaffen. Sie ist damit nur sinnvoll, wenn sichergestellt ist, dass diese Erkenntnisse auch bei der Entscheidung über die Zuschlagsfähigkeit des Angebots verwertet werden und vorläufige Ergebnisse gegebenenfalls korrigiert werden können (OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2007 - Az.: VII – Verg 28/07).

107.4.6 Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Schaffung eines Informationskreislaufs bei einer arbeitsteiligen Organisation der Prüfung und Wertung Eine arbeitsteilige Organisation der Prüfungsabläufe birgt – anders als wenn Prüfung und Entscheidung in der Hand einer Person liegen - grundsätzlich die Gefahr, dass relevante Informationen nicht weitergeleitet und damit bei der abschließenden Entscheidung nicht verwertet werden. Da der Bieter aber in arbeitsteilig organisierten Vergabeverfahren nicht anders und schlechter stehen darf, als wäre sein Angebot von einer Person geprüft worden, obliegt es dem öffentlichen Auftraggeber, durch organisatorische Vorkehrungen einen Informationskreislauf zu schaffen, der die Verwertbarkeit sämtlicher Erkenntnisse der tatsächlich durchgeführten Wertungsstufen sicherstellt. So muss er dafür Sorge tragen, dass die mit der weiteren Bewertung des Angebots befassten Prüfer über bis dato erkannte Ausschlussgründe und den sie tragenden Sachverhalt informiert sind und dass der Rücklauf neuer Erkenntnisse zu der für die abschließende Entscheidung zuständige Stelle gesichert ist. So muss z.B. ein Auftraggeber dann, wenn er sich trotz des Vorliegens von Ausschlussgründen auf der zweiten Wertungsstufe zur Fortsetzung der Angebotswertung entschließt, veranlassen, dass der mit der weiteren Bewertung befassten Prüfgruppe das bisherige Prüfergebnis nebst Begründung bekannt gemacht wird und etwaige neue, eine Korrektur der vorläufigen Ausschlussentscheidung rechtfertigende Erkenntnisse an die über den Zuschlag entscheidende Stelle zurück gelangt (OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2007 - Az.: VII – Verg 28/07).

107.5 1. Wertungsstufe: Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Gegenstand der ersten Wertungsstufe ist allein die formelle und rechnerische Prüfung der Angebote; sie endet mit dem Ausschluss derjenigen Angebote, die sich schon wegen offensichtlicher formeller Mängel nicht für einen Vergleich mit anderen Angeboten eignen. In dieser Prüfungs- und Wertungsstufe erfolgt noch keine inhaltliche Bewertung der Angebote, diese ist erst Gegenstand der dritten und vierten Wertungsstufe (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06). Auf der ersten Wertungsstufe ist bei einem Nebenangebot zu prüfen, ob es so gestaltet ist, dass es überhaupt prüffähig ist. Die angebotene Leistung muss eindeutig und erschöpfend beschrieben sein, so dass sich der Auftraggeber ein klares Bild über die im

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Rahmen des Nebenangebots vorgesehene Ausführung der Leistung machen kann. Es muss deutlich werden, welche in den Verdingungsunterlagen vorgesehenen Leistungen ersetzt werden. Zu erstrecken hat sich die Prüfung auch darauf, ob infolge des Nebenangebots andere in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Leistungen geändert werden müssen oder zusätzliche, in den Verdingungsunterlagen nicht enthaltene Leistungen erforderlich werden (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08). Daraus, dass die Ausschlussgründe von Angeboten in der Vergabekoordinierungsrichtlinie (Richtlinie 2004/18/EG) nicht geregelt sind, lassen sich, da die Richtlinie kein umfassendes und abschließendes Regelwerk beinhaltet, keine Rückschlüsse auf die Unzulässigkeit eines Ausschlussgrundes ziehen. Die Richtlinie enthält insbesondere keinen abschließenden Katalog der von der Vergabestelle zu berücksichtigenden Ausschlusskriterien. Vielmehr gilt, soweit die Richtlinie keine Regelung enthält, das bisherige Recht weiter (OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg 05/06). Auch für den Fall, dass „rechnerische Fehler“ bei der Überprüfung der Angebote auftauchen, geht die VOB grundsätzlich nicht davon aus, solche Angebote von der weiteren Vergabe auszuschließen. Insoweit fehlt in § 25 Nr. 1 VOB/A eine entsprechende Ausschlussbestimmung; vielmehr bleiben derartige Angebote mit im Vergabewettbewerb (VK Saarland, B. v. 02.02.2009 - Az.: 1 VK 10/2008). Mit einem Ausschluss z.B. wegen Nichtvorlage von Führungszeugnissen wird kein neuer weiterer Ausschlussgrund geschaffen. Das Anfordern von Unterlagen dient lediglich der Überprüfung, ob ein Ausschlusstatbestand gegeben ist. Die Tatsache, dass ein Ausschluss geboten ist, wenn zulässigerweise geforderte Nachweise nicht rechtzeitig vorgelegt werden, ist bereits in § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b) VOB/A geregelt. Es handelt sich folglich um keinen neuen Ausschlussgrund (VK Baden-Württemberg, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08). Die Ausschlussgründe des § 25 Nr. 1 VOB/A (nicht anders verhält es sich im Anwendungsbereich des § 25 Nr. 1 VOL/A) sind restriktiv anzuwenden. Sie erlauben keine erweiternde Auslegung oder eine entsprechende Anwendung auf - vermeintlich - gleich oder ähnlich gelagerte Fallgestaltungen (OLG Düsseldorf, B. v. 14.10.2009 - Az.: VII-Verg 9/09).

107.5.1 Zwingender Ausschluss (§ 25 Nr. 1 Abs. 1) § 25 Nr. 1 Abs. 1 nennt verschiedene zwingende Ausschlussgründe für Angebote. Trifft der Auftraggeber aber in den Vergabeunterlagen widersprüchliche Aussagen hinsichtlich der Rechtsfolge fehlender Angaben (z. B. erfolgt nach einer Formulierung wegen fehlender Einheitspreisangaben zwingend und nach einer anderen Aussage nur ein fakultativer Ausschluss des Angebotes), kann kein zwingender Ausschluss vorgenommen werden; es muss eine Einzelfallprüfung erfolgen (VK Düsseldorf, B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L; 1. VK Sachsen, B. v. 5.7.2002 - Az.: 1/SVK/064-02).

107.5.1.1 Verspätete Angebote (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe a)) Der Ausschluss verspätet eingegangener Angebote ist nach dem Inhalt dieser Bestimmung zwingend (OLG Brandenburg, B. v. 19.01.2009 - Az.: Verg W 2/09; VK Nordbayern, B. v. 15.4.2002 - Az.: 320.VK-3194-08/02). Nachdem die für alle Bieter gleichermaßen geltende

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Angebotsfrist abgelaufen ist, ggf. auch der Submissionstermin bereits abgehalten und mithin die Angebote der Bieter eröffnet und im Submissionsprotokoll verzeichnet sind, kommt die Berücksichtigung eines danach eingehenden Angebots aus Gründen der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs und einer Gleichbehandlung aller Bieter auf keinen Fall mehr in Betracht (OLG Naumburg, B. v. 29.04.2008 - Az.: 1 W 14/08). Zu den Einzelheiten, wann von einem verspäteten Angebot gesprochen werden kann, vgl. die Kommentierung zu § 22 VOB/A RZ 5099. Nach der Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe a) sind auch solche Angebote – bzw. Bieter – auszuschließen, die in einem ungeregelten Verfahren nach Ablauf einer Angebotsabgabefrist abgegeben wurden (OLG Düsseldorf, B. v. 13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07).

107.5.1.2 Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 nicht entsprechen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b))

107.5.1.2.1 Nicht unterzeichnete Angebote

107.5.1.2.1.1 Allgemeines Angebote, die dem Erfordernis einer – ggf. (rechts)verbindlichen - Unterschrift nicht genügen, sind gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A von der Wertung grundsätzlich zwingend auszuschließen (OLG Frankfurt, B. v. 26.08.2008 - Az.: 11 Verg 8/08). Zu den Anforderungen an die Unterschrift vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 21 VOB/A RZ 5009.

107.5.1.2.1.2 Beispiele aus der Rechtsprechung

• ist ein Formular Bestandteil der Vergabeunterlagen, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass es bei der Einreichung des Angebots beigelegt werden muss und das Angebot nur auf diesem Formular unterschrieben werden kann, ist dieses zwingend von der Wertung auszuschließen, wenn die Unterschrift an anderer Stelle erfolgt ist (VK Hessen, B. v. 19.03.2009 - Az.: 69 d VK – 05/2009)

• über das den Verdingungsunterlagen beiliegende und im EVM(B)Ang unter Anlagen aufgeführte Formblatt Erg Wart, sowie der Verweisung in diesem Formblatt auf den beiliegenden Wartungsvertrag, der wiederum den Verdingungsunterlagen beilag, wird letzterer nach Auffassung der Vergabekammer Angebotsbestandteil, gehört zu den unter Punkt 8 des EVM(B)Ang auf Seite 1 aufgeführten Anlagen, wird damit auch von den von der Bietergemeinschaft geleisteten Unterschriften unter dem EVM(B)Ang abgedeckt. Damit ist der Sinn und Zweck des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/A, verbindliche Angebote durch Unterschriftsleistung, erfüllt. Unerheblich ist es deshalb nach Auffassung der Vergabekammer, dass die auf Seite 6 des Wartungsvertrages nochmals zu leistende Unterschrift der Bietergemeinschaft nicht

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vorhanden ist, diese wurde bereits mit der Unterschrift auf Seite 3 des EVM(B)Ang geleistet (VK Thüringen, B. v. 18.3.2003 - Az.: 216-4002.20-001/03-MHL)

• die Unterschrift des Bieters auf dem Angebotsschreiben umfasst nur diejenigen Angebote, die unter den Anlagen zum Angebotsschreiben aufgeführt sind. Ist ein Angebot bei diesen Anlagen nicht genannt, muss es zwingend gesondert unterschrieben werden. Wenn die gesonderte Unterschrift (z. B. für den Wartungsvertrag) ebenfalls fehlt, ist das Gesamtangebot unvollständig und gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) VOB/A auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 3.8.2001 - Az.: 320.VK-3194-23/01)

107.5.1.2.1.3 Nicht eindeutig unterschriebene Angebote Der Fall der nicht eindeutig unterschriebenen Angebote, bei denen also der Vertragspartner nicht eindeutig ermittelt werden kann, ist in der VOB/A nicht geregelt. Die Rechtsprechung wendet auf diese Fälle § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) VOB/A an und kommt so zu einem zwingenden Ausschluss dieser Angebote (3. VK Bund, B. v. 04.10.2004 - Az.: VK 3 – 152/04).

107.5.1.2.1.4 Unvollständige Unterschrift im kommunalen Bereich Die Gemeindeordnungen – z.B. § 64 Abs. 1 GO NRW - können bei den die Gemeinde verpflichtenden Erklärungen das Erfordernis einer Gesamtvertretung durch den Bürgermeister oder seinen Stellvertreter und einen vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten konstituieren. Fehlt dann bei einem Angebot z.B. die Unterschrift des Bürgermeisters oder seines Stellvertreters, ist das Angebt zwingend auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 22.12.2004 - Az.: VII - Verg 81/04).

107.5.1.2.2 Angebote ohne entsprechende Signatur § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 4 verlangt - als Äquivalent der Unterschrift – bei elektronischen Angeboten nach Wahl des Auftraggebers eine fortgeschrittene elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz und den Anforderungen des Auftraggebers oder eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz. Fehlt eine entsprechende Signatur, ist das Angebot zwingend auszuschließen.

107.5.1.2.3 Angebote mit fehlenden Preisen und sonstigen Erklärungen

107.5.1.2.3.1 Allgemeines Nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) sind alle Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 nicht entsprechen, zwingend auszuschließen. Demgegenüber spricht § 21 Nr. 1 Abs. 1 nur davon, dass Angebote bestimmte Inhalte haben sollen. Dieser Widerspruch zwischen "weicheren" Anforderungen an den Umfang und die Form eines Angebots und der "harten" Sanktion des Ausschlusses haben zu einer Flut von teils widersprüchlichen

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Entscheidungen der Vergabekammern und Vergabesenate geführt. Hierbei waren diese Entscheidungen in ihrem Kern oftmals ergebnisorientiert , z. B. dergestalt, dass es als unzumutbar empfunden wurde, bei einem mindestfordernden Angebot über 2 Mio. €, bei dem ein Einheitspreis von 10 € fehlte, und einem zweitmindestfordernden - vollständigen - Angebot über 2,1 Mio. € das mindestfordende Angebot auszuschließen und - aus der Sicht des Auftraggebers wirtschaftlich betrachtet - eine Differenz von 100 000 € zu zahlen. Im Ergebnis läuft diese Diskussion darauf hinaus, zu entscheiden, welche Angaben die Bieter bereits bei Angebotsabgabe machen müssen und welche - fehlenden - Angaben noch nachgefordert oder ergänzt werden können. Eine Zäsur und Hinwendung zu einer eher einheitlichen Auffassung der sehr unterschiedlichen Meinungen und Rechtsprechung erfolgte durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

107.5.1.2.3.2 Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Der Wortlaut von § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A Abschnitt 2 ("ausgeschlossen werden") weist aus, dass der öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen (BGH, Urteil v. 20.01.2009 - Az.: X ZR 113/07; Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07; Urteil v. 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04; Urteil v. 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; Urteil vom 8.9.1998 - Az.: X ZR 85/97; OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2009 - Az.: VII-Verg 52/09; B. v. 06.06.2007 - Az.: VII - Verg 8/07; B. v. 26.07.2006 - Az.: VII - Verg 19/06; B. v. 05.04.2006 - Az.: VII - Verg 3/06; B. v. 26.11.2003 - Az.: VII - Verg 53/03; OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; OLG Karlsruhe, B. v. 09.03.2007 - Az.: 17 Verg 3/07; VK Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09; B. v. 20.05.2009 - VK 11/09; B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v. 17.03.2007 – Az.: 1 VK 07/07, 08/07; VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; 2. VK Bund, B. v. 22.05.2007 - Az.: VK 1 - 35/07; 3. VK Bund, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 3 – 223/09; B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; VK Düsseldorf, B. v. 07.10.2005 - VK - 22/2005 – B; VK Hessen, B. v. 06.07.2009 - Az.: 69 d VK – 20/2009; B. v. 16.12.2005 - 69 d VK – 88/2005; B. v. 04.04.2005 - Az.: 69 d VK - 05/2005; B. v. 07.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 60/2004; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; VK Nordbayern, B. v. 10.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/08; B. v. 08.05.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 17/08; B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07; B. v. 21.06.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/07; B. v. 08.05.2007 - Az.: 21.VK – 3194 - 20/07; B. v. 08.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 05/07; B. v. 08.03.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 05/05; B. v. 01.02.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 56/04; 1. VK Sachsen, B. v. 18.06.2009 - Az.: 1/SVK/017-09; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 31.07.2008 - Az.: 1 VK LVwA 04/08; B. v. 21.09.2007 - Az: 1 VK LVwA 18/07; B. v. 21.11.2005 - Az.: 1 VK LVwA 44/05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 06.03.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 3/06; B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2-LVwA LSA 31/05; VK Südbayern, B. v. 13.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/08; B. v. 09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/08; B. v. 31.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/07). Im Falle des Fehlens geforderter Erklärungen ändert hieran auch nichts, dass § 21 Nr. 1 Satz 2 VOB/A Abschnitt 2 nur als Sollvorschrift formuliert ist. Dies erklärt sich aus der Handlungsfreiheit, die außerhalb bereits bestehender rechtlicher Beziehungen in Anspruch genommen werden kann. Sie schließt ein, nicht zur Abgabe eines bestimmten Angebots verpflichtet zu sein. Gleichbehandlung aller Bieter, die § 97 Abs. 2 GWB von dem Ausschreibenden verlangt, ist jedoch nur gewährleistet, soweit die Angebote die geforderten Erklärungen

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enthalten. Da der öffentliche Auftraggeber sich durch die Ausschreibung dem Gleichbehandlungsgebot unterworfen hat, darf er deshalb nur solche Angebote werten. Der Ausschlusstatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 ist daher auch nicht etwa erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden (BGH, Urteil v. 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04; Urteil v. 24.05.2005 - Az.: X ZR 243/02; B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04, Urteil v. 7.1.2003 - Az.: X ZR 50/01; Hanseatisches OLG Bremen, Urteil v. 23.03.2005 - Az.: 1 U 71/04; OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08; OLG Düsseldorf, B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08; B. v. 06.06.2007 - Az.: VII - Verg 8/07; OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; OLG Karlsruhe, B. v. 25.04.2008 - Az.: 15 Verg 2/08; OLG München, B. v. 23.06.2009 - Az.: Verg 08/09; VG Neustadt an der Weinstraße, B. v. 06.04.2006 - Az.: 4 L 544/06; VK Arnsberg, B. v. 20.05.2009 - VK 11/09; B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1 VK 13/09; B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08; B. v. 17.03.2007 – Az.: 1 VK 07/07, 08/07; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; B. v. 06.03.2009 - Az.: VK – B 2 - 32/08; VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; 2. VK Bund, B. v. 30.12.2009 - Az.: VK 2 - 222/09; B. v. 22.05.2007 - Az.: VK 1 - 35/07; 3. VK Bund, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 3 – 223/09; VK Hessen, B. v. 11.04.2007 - Az.: 69 d VK - 07/2007; B. v. 16.12.2005 - 69 d VK – 88/2005; B. v. 24.10.2005 - Az.: 69 d - VK - 62/2005; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; B. v. 04.04.2005 - Az.: 69 d VK - 05/2005; VK Lüneburg, B. v. 26.06.2008 - Az.: VgK-23/2008; B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; VK Nordbayern, B. v. 15.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 59/08; B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; B. v. 21.06.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/07; B. v. 08.05.2007 - Az.: 21.VK – 3194 - 20/07; B. v. 08.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 05/07; B. v. 09.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 30/06; 1. VK Sachsen, B. v. 23.08.2005 - Az.: 1/SVK/098-05; B. v. 22.07.2005 - Az.: 1/SVK/080-05; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 23.08.2005 - Az: 1 VK LVwA 31/05; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 06.03.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 3/06; B. v. 28.09.2005 - Az.: VK 2-LVwA LSA 31/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; B. v. 10.10.2007 - Az.: VK-SH 20/07; VK Südbayern, B. v. 13.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/08; B. v. 09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/08; B. v. 05.03.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-01-01/07; B. v. 31.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/07; B. v. 29.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/0; B. v. 23.10.2006 - Az.: 30-09/06). Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen (BGH, Urteil vom 24.05.2005 - Az.: X ZR 243/02; Urteil vom 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; B. v. 18.2.2003 - Az.: X ZB 43/02, Urteil vom 16.03.2004 - Az.: X ZR 23/03; OLG München, B. v. 23.06.2009 - Az.: Verg 08/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; VK Berlin, B. v. 05.11.2009 - Az.: VK - B 2 – 35/09; B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; B. v. 06.03.2009 - Az.: VK – B 2 - 32/08; VK Lüneburg, B. v. 26.06.2008 - Az.: VgK-23/2008; VK Arnsberg, B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; VK Sachsen, B. v. 18.06.2009 - Az.: 1/SVK/017-09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; B. v. 21.06.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/07; VK Südbayern, B. v. 23.10.2006 - Az.: 30-09/06; VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; VK Hessen, B. v. 04.04.2005 - Az.: 69 d VK - 05/2005; B. v. 07.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 60/2004).

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Ist allerdings eine Vorgabe der Leistungsbeschreibung tatsächlich objektiv nicht erfüllbar , ist sie für die Bieter unzumutbar mit der Folge, dass Angebote, die sie nicht einhalten, nicht ausgeschlossen werden dürfen (BGH, Urteil v. 01.08.2006 - Az.: X ZR 115/04).

107.5.1.2.3.3 Rechtsprechung nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes

107.5.1.2.3.3.1 Allgemeines Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haben sich im Wesentlichen die Vergabekammern und Vergabesenate angeschlossen (z. B. - über die im Folgenden genannten Beispiele hinaus - OLG Karlsruhe, B. v. 25.04.2008 - Az.: 15 Verg 2/08; B. v. 09.03.2007 - Az.: 17 Verg 3/07; OLG München, B. v. 05.07.2005 - Az.: Verg 009/05; OLG Celle, B. v. 03.03.2005 - Az.: 13 Verg 21/04; OLG Koblenz, B. v. 07.07.2004 - Az.: 1 Verg 1 und 2/04; BayObLG, B. v. 01.03.2004 - Az.: Verg 2/04; Hanseatisches OLG Hamburg, B. v. 21.01.2004 - Az.: 1 Verg 5/03; OLG Düsseldorf, B. v. 16.05.2006 - Az.: VII - Verg 19/06; B. v. 26.11.2003 - Az.: VII - Verg 53/03; 3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; VK Düsseldorf, B. v. 07.10.2005 - VK - 22/2005 – B; 1. VK Sachsen, B. v. 18.06.2009 - Az.: 1/SVK/017-09; B. v. 23.08.2005 - Az.: 1/SVK/098-05; B. v. 22.07.2005 - Az.: 1/SVK/080-05; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.06.2005 - Az.: 1 VK 32/05; VK Münster, B. v. 15.10.2004 - Az.: VK 28/04; VK Hessen, B. v. 07.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 60/2004; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; B. v. 10.10.2007 - Az.: VK-SH 20/07; B. v. 05.03.2004 - Az.: VK-SH 04/04; VK Arnsberg, B. v. 16.06.2004 - Az.: VK 1 - 07/2004; 1. VK Bund, B. v. 11.03.2004 - Az.: VK 1 - 155/03; 2. VK Bund, B. v. 18.03.2004 - Az.: VK 2 – 152/03, B. v. 21.01.2004 - VK 2 – 126/03, B. v. 30.07.2003, Az.: VK 2 – 56/03; VK Nordbayern, B. v. 28.06.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 21/05; B. v. 17.07.2003 - 320.VK-3194-24/03; VK Südbayern, B. v. 23.10.2006 - Az.: 30-09/06; B. v. 17.08.2004 - Az.: 20-04/04). Nach Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Frankfurt setzt sich der Bundesgerichtshof im Rahmen seiner Entscheidung nicht im Einzelnen mit der Rechtsprechung der Obergerichte auseinander, nach der eine Unterscheidung in wettbewerbsrelevante Erklärungen einerseits und solche Erklärungen andererseits vorgenommen wird, deren Fehlen keinen Einfluss auf die Preise, den Wettbewerb oder die Eindeutigkeit des Angebotsinhalts haben (BayObLG, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 6/03, B. v. 25.10.2003 - Az.: Verg 14/03; OLG Frankfurt, B. v. 16.9.2003 - Az.: 11 Verg 11/03). Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt jedoch entnommen werden, dass es dafür, ob eine geforderte Erklärung vorliegt, nicht unbedingt darauf ankommt, ob diese unmittelbar den Angebotsinhalt oder darüber hinausgehend die rechtlichen und sonstigen Rahmenbedingungen der zu erbringenden Leistung betreffen. Der Auftraggeber kann aus einem berechtigten Interesse heraus dazu befugt sein, Erklärungen zu verlangen, die ihn etwa in die Lage versetzen, den geplanten Ablauf eines umfangreichen Bauvorhabens zu überblicken (OLG Frankfurt, B. v. 16.9.2003 - Az.: 11 Verg 11/03). Das OLG Dresden hat vor der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in atypischen Sonderfällen einen Wertungsausschluss bei fehlenden Angaben ausnahmsweise nicht als geboten angenommen, wenn das Fehlen der geforderten Angaben unter keinem

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denkbaren Gesichtspunkt zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann. Der sachliche Grund für die im Ansatz strikte Interpretation von § 25 Nr. 1 Abs. 1 b und von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A liegt nämlich darin, dass fehlende Angaben die Vergleichbarkeit der Angebote beeinträchtigen und damit potentiell wettbewerbsverzerrend wirken. Steht mithin ungeachtet eines Erklärungsdefizits fest, dass dieses die Wettbewerbsposition der Beteiligten nicht berührt, die fehlenden Angaben für die Wertung also von vornherein irrelevant sind, besteht in der Sache wenig Anlass, gleichwohl einen zwingenden Wertungsausschluss für geboten zu halten. Es lässt nun ausdrücklich offen, ob die vom Senat im praktischen Ergebnis für richtig gehaltene Einschränkung des zwingenden Wertungsausschlusses bei auslegungsfähigem Angebotsinhalt und nur formal unvollständigen Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A sich im Lichte des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 18.2.2003 weiterhin aufrechterhalten lässt (OLG Dresden, B. v. 10.7.2003 - Az.: WVerg 0015/02). In neueren Entscheidungen kehrt das Bayerische Oberste Landesgericht – ihm folgend das OLG München - sowie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hingegen im Ergebnis wieder zur älteren Rechtsprechung zurück, wonach die strikte Anwendung der Entscheidungssätze des Bundesgerichtshofes dazu führt, dass auch Angebote von der Wertung auszuschließen wären, bei denen entweder nur unbedeutende oder sich auf den Wettbewerb nicht auswirkende Erklärungen fehlen. Dies wäre ein überspitzter Formalismus, der dem Wettbewerb nicht dienlich ist. Ist demnach eine Wettbewerbsrelevanz offensichtlich ausgeschlossen, kann also das Fehlen der geforderten Erklärungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu einer Wettbewerbsbeeinträchtigung führen, kann das Angebot nicht ausgeschlossen werden (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 10.03.2006 - Az.: 1 (6) Verg 13/05; OLG München, B. v. 05.07.2005 - Az.: Verg 009/05; BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03; ebenso VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.10.2007 – Az.: VK-SH 20/07; VK Brandenburg, B. v. 21.12.2004 - Az.: VK 64/04). Auch nach der Auffassung des OLG Düsseldorf ist die fehlende Angabe z.B. von Fassadenplänen für den Auftraggeber objektiv ohne Bedeutung und dazu ohne Relevanz für den Bieterwettbewerb (OLG Düsseldorf, B. v. 05.04.2006 - Az.: VII - Verg 3/06). In eine ähnliche Richtung tendiert die VK Baden-Württemberg in einer neuen Entscheidung zur Zulässigkeit einer Mischkalkulation. Danach lässt ein Angebot eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots unter den konkurrierenden Bietern und einen Verstoß gegen die wettbewerblich gebotene Transparenz des Verfahrens nicht erkennen, auch wenn in Abweichung vom Wortlaut des Leistungsverzeichnisses die Kalkulation eines Leistungsbestandteils einer Pauschalpreis-Position in einer anderen Pauschalpreis-Position erfolgt. Eine Ausnahme hinsichtlich des formal gebotenen Ausschlusses von Angeboten, die entsprechend § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A nicht vollständige Preise enthalten, ist dann geboten, wenn eine Wettbewerbsrelevanz offensichtlich ausgeschlossen ist, wenn also das Fehlen der geforderten Preisangaben oder der geforderten Erklärungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu einer Wettbewerbsbeeinträchtigung führen kann (VK Baden-Württemberg, B. v. 18.04.2005 - Az.: 1 VK 10/05). Nach Auffassung der VK Lüneburg lässt sich aus der vom BGH verwendeten einschränkenden Formulierung "jedenfalls in der Regel" allenfalls ableiten, dass Ausnahmen in den Fällen denkbar sind, in denen die Vorlage von Erklärungen oder Belegen letztlich eine reine Förmelei wäre oder sich die versäumten Erklärungen zumindest aus dem Kontext der übrigen Angaben im Angebot ergeben (VK Lüneburg, B. v. 17.04.2007 - Az.: VgK-11/2007).

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Auch nach Auffassung der VK Brandenburg greift die „scharfe“ Sanktion eines zwingenden Angebotsausschlusses dann nicht, wenn z.B. bei einer unvollständigen Verpflichtungserklärung die fehlenden Ordnungsziffern weniger als 0,1 % der Gesamtleistung ausmachen und deshalb weder kalkulationserheblich noch wettbewerbsrelevant sind (1. VK Brandenburg, B. v. 11.07.2007 - Az.: 1 VK 23/07). Nach Auffassung der VK Bund bedeutet diese Rechtsprechung auch, dass der zwingende Ausschluss selbst dann greift, wenn nach den Ausschreibungsbedingungen das Angebot bei Fehlen der Unterlagen lediglich ausgeschlossen werden kann und ein Ausschluss des Bieters somit im Ermessen des Auftraggebers liegen soll. Dem steht entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A der Auftraggeber bei Vorliegen der in dieser Norm aufgestellten Voraussetzungen kein Ermessen auszuüben hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung auszuschließen. Spielraum für eine großzügige Handhabe bleibt dabei nicht. Außerdem ist bei dieser Sachlage jede nachträgliche Aufklärung unzulässig, da Nachverhandlungen gemäß § 24 Nr. 3 VOB/A unstatthaft sind (1. VK Bund, B. v. 03.06.2005 - Az.: VK 1 – 47/05). Ein zwingender Ausschluss ist auch dann erforderlich, wenn die Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen den Ausschlussgrund einmal als Ermessensentscheidung und an einer anderen Stelle als zwingend formuliert (VK Südbayern, B. v. 28.04.2005 - Az.: 09-03/05). Nach Auffassung des OLG Celle gilt - ausgehend von den Vorgaben des Bundesgerichtshofs, wonach zum einen die vom Bieter bekannt zu gebenden Parameter auf solche beschränkt sind, „deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet“, und zum anderen der Gedanke von Treu und Glauben zu den von den öffentlichen Auftraggebern zu beachtenden rechtlichen Grundlagen nach § 97 Abs.7 GWB gehört - der Grundsatz, dass beim Fehlen von Preisen und geforderten Erklärungen ein Angebot zwingend auszuschließen ist, ausnahmsweise dann nicht, wenn die Unvollständigkeit eine unbedeutende und sich auf den Wettbewerb nicht auswirkende Position betrifft und wenn der Auftraggeber selbst bei der Wertung der verschiedenen Angebote zu erkennen gibt, dass es ihm auf die geforderte Angabe in keiner Weise ankommt. Dadurch widerlegt der Auftraggeber die grundsätzliche Annahme, dass den von ihm in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Preisangaben und Erklärungen Relevanz für die Vergabeentscheidung zukommt. In einem solchen Ausnahmefall, in dem die geforderte Angabe als reiner Formalismus anzusehen wäre, stellt sich der Ausschluss eines Angebots, das diese Angaben nicht enthält, durch den Auftraggeber als Verstoß gegen den auch im Vergabeverfahren geltenden Grundsatz von Treu und Glauben dar (OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08). Durch die Berücksichtigung des Verhaltens des öffentlichen Auftraggebers – kommt es dem Auftraggeber auf den fehlenden Preis an? – lässt das OLG Celle ein subjektives Moment in die Wertung einfließen, das nicht zu beherrschende Einflussmöglichkeiten für den Auftraggeber zulässt und deshalb abzulehnen ist. Dem tritt die VK Berlin ausdrücklich entgegen. Vielmehr sind auch solche Angaben und Erklärungen, deren Fehlen den (End-) Preis nicht berührt, wettbewerbsrelevant. Eine Abgrenzung nach dem Kriterium der "Wettbewerbsrelevanz" ist generell nicht tauglich und widerspricht der mit der Anforderung der jeweiligen Erklärung eingetretenen Selbstbindung des Auftraggebers (VK Berlin, B. v. 06.03.2009 - Az.: VK – B 2 - 32/08; im

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Ergebnis ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08; VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.: VK 4/09).

107.5.1.2.3.3.2 Hinweis auf die Sanktion des Ausschlusses In der Rechtsprechung ist streitig, inwieweit auf die Sanktion des Ausschlusses bei fehlenden Preisen oder Erklärungen ausdrücklich hingewiesen werden muss. Nach einer Auffassung muss auf die zwingende Vorlage schon mit dem Angebot und darüber hinaus auch unter Hinweis auf die Sanktion des Angebotsausschlusses im Fall der Nichtvorlage deutlich, vorzugsweise im Angebotsanschreiben gem. § 10 Nr. 1 Abs. 1 lit. a) VOB/A hingewiesen werden (VK Lüneburg, B. v. 11.06.2004 - Az.: 203-VgK-18/2004). Nach einer weniger restriktiven Auffassung kann ein Bieter sich auf eine Verletzung des Transparenzgebots mit der Begründung, die Vergabestelle habe in den Vergabeunterlagen auf den drohenden Angebotsausschluss bei fehlender Nachunternehmererklärung nicht hingewiesen, nicht berufen, wenn - abgesehen von den insoweit eindeutigen Vorschriften der §§ 10 Nr. 5 Abs. 3, 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A - in den Bewerbungsbedingungen ein entsprechender Hinweis enthalten ist (z.B. der Hinweis: "Das Angebot muss vollständig sein, unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden. Das Angebot muss die Preise und die in den Verdingungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten"). Zweifel über die Ausschlussfolge bei Vorlage eines unvollständigen Angebots können danach objektiv betrachtet nicht aufkommen (OLG Koblenz, B. v. 07.07.2004 - Az.: 1 Verg 1 und 2/04). Als fehlende Preisangabe ist eine Auslassung oder eine Angabe mit unbestimmtem Bedeutungsgehalt zu bewerten (OLG Naumburg, B. v. 02.04.2009 - Az.: 1 Verg 10/08).

107.5.1.2.3.3.3 Fehlende oder unvollständige Preise Jedes Angebot, dass nicht alle geforderten Preise mit dem Betrag angibt, der für die betreffende Leistung beansprucht wird, ist auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08; B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08; OLG Koblenz, B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 Verg. 3/03; VK Bund, B. v. 14.8.2003 - Az.: VK 2 - 62/03). Von einer unvollständigen Preisangabe kann nur ausgegangen werden, wenn bezüglich sämtlicher oder zumindest einer einzigen Ordnungsziffer(n) des Leistungsverzeichnisses dargelegt wird, dass zwar - wie vom Auftraggeber gefordert - ein Preis angegeben wurde, der aber dem tatsächlich vom Bieter für die Leistung beanspruchten Preis nicht entspricht, und damit die Preisangabe unvollständig ist (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08; B. v. 29.09.2008 - Az.: VII-Verg 50/08; OLG Naumburg, B. v. 02.04.2009 - Az.: 1 Verg 10/08). Die Feststellung einer unvollständigen, da unzutreffenden Preisangabe setzt nicht den Nachweis einer Mischkalkulation, m.a.W. voraus, dass ermittelt wird oder werden kann, welcher gegebenenfalls abgepreisten Leistung welche andere, aus Gründen der Kompensation aufgepreiste Leistung im Angebot des betroffenen Bieters entspricht. Eine unvollständige Preisangabe, die zum Ausschluss des Angebots führt, ist vielmehr schon anzunehmen, wenn

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ein einzelner oder einziger Preis unzutreffend, d.h. nicht so, wie gefordert, vollständig mit dem Betrag angegeben worden ist, den der Bieter für die betreffende Leistung tatsächlich beansprucht. Denn nach dem Zweck der Norm ist mit dem zutreffenden Betrag jeder in der Leistungsbeschreibung oder den übrigen Ausschreibungsunterlagen vorgesehene Preis anzugeben (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08). Für den zwingenden Ausschluss eines Angebots wegen fehlender Preisangaben muss eine Erklärungslücke bestehen, die nur der Bieter füllen kann (VK Arnsberg, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 34/08).

107.5.1.2.3.3.3.1 Möglichkeit des rechnerischen Nachvollziehens fehlender Preise Auf Grund der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze kann ein Angebot selbst dann nicht um Preisangaben ergänzt werden, wenn diese durch einfache Rechenschritte zweifelsfrei nachvollzogen werden könnten und auch keine Hinweise erkennbar sind, die den Verdacht begründen könnten, dass die Preiseintragungen aus spekulativen Beweggründen unterlassen worden seien. Vielmehr ist jedes Angebot zwingend auszuschließen, das nicht alle geforderten Preise mit dem Betrag angibt, der für die betreffende Leistung beansprucht wird und auch jedes Angebot, bei dem nicht alle ausweislich der Ausschreibungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten sind (VK Hamburg, B. v. 6.10.2003 - Az.: VKBB-3/03; VK Bund, B. v. 14.8.2003 - Az.: VK 2 - 62/03). Auch die fiktive Ergänzung eines fehlenden Angebotspreises mittels Rückgriff auf den teuersten Einheitspreis der anderen Angebote ist nicht möglich. Ein Rückgriff auf ein anderes Angebot und wenn auch nur eine fiktive Ergänzung kann nicht zum Ziel führen, da die Angebotskalkulation der anderen Bieter, deren individuelle technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten nichts mit einem anderen Angebot zu tun haben. Ein solch fiktives Implantat kann niemals die individuelle Kalkulation eines Bieters ersetzen, bringt nicht den preislichen Willen des Bieters für diese Position zum Ausdruck, kann niemals zu einem vergleichbaren Angebot führen (VK Thüringen, B. v. 22.03.2005 - Az.: 360-4002.20-002/05-MGN). Füllt ein Bieter in einem Angebotsformular das Feld „Endbetrag einschließlich Umsatzsteuer" nicht aus, ergibt sich aber der abgefragte Endbetrag aus der "Zusammenstellung" auf der letzten Seite des Angebotes und wird hieraus auch in der Submission verlesen, ist das Fehlen des Betrages an der im Angebotsformular vorgesehenen Stelle nicht wettbewerbserheblich und muss daher ausnahmsweise nicht zum Ausschluss des Angebotes führen (VK Hessen, B. v. 19.09.2005 - Az.: 69 d VK - 42/2005).

107.5.1.2.3.3.3.2 Auslegung fehlender Preisangaben als Verzicht auf einen Preis Bei dem Angebot eines Bieters handelt es sich um eine bürgerlichrechtliche empfangsbedürftige Willenserklärung , die nach den §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen ist. Danach sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen muss. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren.

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Auf dessen Horizont und Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte. Entscheidend ist im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens. Beachtet werden muss bei der Interpretation von Bietererklärungen schließlich auch das in § 97 Abs. 1 und 2 GWB aufgestellte Gebot der Auftragsvergabe im Rahmen eines transparenten Wettbewerbs unter Gleichbehandlung der Bieter. Macht ein Bieter in seinem Angebot beispielsweise zu geforderten Zuschlägen keinerlei Angaben, kann dies nach dem objektiven Erklärungswert aus der Sicht eines verständigen Auftraggebers aber nicht derart aufgefasst werden, dass der Bieter in den Positionen keine Zuschläge kalkuliert hat und somit im Bedarfsfall auch keine entsprechende Vergütung beansprucht. Der Auftraggeber muss hingegen von einem unvollständigen Angebot ausgehen (VK Südbayern, B. v. 16.7.2003 - Az.: 25-06/03), das zwingend auszuschließen ist.

107.5.1.2.3.3.3.3 Angabe nur eines symbolischen Preises (z.B. 1 € bzw. 1 Cent)

107.5.1.2.3.3.3.3.1 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Mischkalkulation)

An einer für die Berücksichtigung eines Angebots erforderlichen vollständigen und den Betrag, der für die betreffende Leistung beansprucht wird, benennenden Erklärung über den Preis fehlt es bei einem Angebot, wenn dieses Angebot auf einer Mischkalkulation beruht, bei der durch so genanntes "Abpreisen" bestimmter ausgeschriebener Leistungen auf einen Einheitspreis von 0,01 € und so genanntes "Aufpreisen" der Einheitspreise anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A, sondern "versteckt" die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebots. Ein solches Angebot widerspricht dem in § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A niedergelegten Grundsatz, weil es grundsätzlich ungeeignet ist, einer transparenten und alle Bieter gleichbehandelnden Vergabeentscheidung ohne weiteres zu Grunde gelegt zu werden. Deshalb sind Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt, grundsätzlich von der Wertung auszuschließen (BGH, Urteil vom 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; OLG Brandenburg, Urteil v. 04.06.2008 - Az.: 4 U 122/07; B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; OLG Dresden, B. v. 01.07.2005 - Az.: WVerg 0007/05; OLG Düsseldorf, B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08; OLG Frankfurt, B. v. 17.10.2005 - Az. 11 Verg 8/05; B. v. 16.08.2005 - Az.: 11 Verg 7/05; OLG Karlsruhe, B. v. 16.03.2007 - Az.: 17 Verg 4/07; OLG Naumburg, B. v. 22.09.2005 - Az.: 1 Verg 7/05; B. v. 22.09.2005 - Az.: 1 Verg 8/05; B. v. 05.08.2005 - Az.: 1 Verg 7/05; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.07.2007 - Az.: 1 U 970/07; OLG Rostock, B. v. 06.07.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; B. v. 17.06.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; B. v. 10.06.2005 - Az.: 17 Verg 9/05; Thüringer OLG, B. v. 23.01.2006 - Az.: 9 Verg 8/05; VK Arnsberg, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 34/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 17.01.2008 - Az.: 1 VK 52/07; B. v. 12.02.2007 - Az.: 1 VK 1/07; B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; 2. VK Bund, B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 2 – 27/07; B. v. 11.01.2005 - Az.: VK 2 - 220/04; 3. VK Bund, B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05; VK Hannover, B. v. 17.11.2004 - Az.: 26045 - VgK 11/2004; VK Hessen, B. v. 21.04.2005 - Az.: 69 d VK - 20/2005; B. v. 21.04.2005 -

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Az.: 69 d VK - 09/2005; B. v. 25.08.2004 - Az.: 69 d - VK – 52/2004; VK Lüneburg, B. v. 14.09.2005 - Az.: VgK-40/2005; VK Nordbayern, B. v. 17.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 50/09; B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/09; 1. VK Saarland, B. v. 01.10.2007 - Az.: 1 VK 02/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 14.03.2005 - Az.: 1/SVK/011-05; B. v. 11.03.2005 - Az.: 1/SVK/009-05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08 – für den Bereich der VOL/A; B. v. 28.07.2006 - Az.: VK-SH 18/06; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05; VK Südbayern, B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06; VK Thüringen, B. v. 28.04.2005 - Az.: 360-4002.20-005/05-MGN). Da ein sich an der Ausschreibung nach Einheitspreisen beteiligender Bieter gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bei Meidung des Ausschlusses seines Angebots von der Wertung gehalten ist, die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise vollständig und zutreffend anzugeben, kommt es für die Frage, ob ein Angebot dieser Voraussetzung genügt, nicht auf die Frage an, aus welchen Gründen ein Bieter in seinem Angebot Einheitspreise für bestimmte Leistungspositionen auf andere Leistungspositionen verteilt und so die tatsächlich für die jeweiligen Leistungen geforderten Preise nicht wie in der Ausschreibung gefordert angibt (BGH, B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; VK Baden-Württemberg, B. v. 12.02.2007 - Az.: 1 VK 1/07; 1. VK Saarland, B. v. 01.10.2007 - Az.: 1 VK 02/2007). Nach dieser Rechtsprechung sind Einzelpreise von z.B. 0,01 € u.ä. also nur dann nicht zulässig, wenn eine Mischkalkulation stattfindet, Preisbestandteile also in mehreren Positionen enthalten sind. Liegen hierfür keine Anhaltspunkte vor, kann es sich gegebenenfalls um ein unangemessen niedriges oder hohes Angebot handeln (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; 1. VK Sachsen, B. v. 11.03.2005 - Az.: 1/SVK/009-05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v. 28.06.2006 – Az.: VK-SH 18/06; vgl. dazu die Kommentierung RZ 5627). Gibt es ebenso keine „überpreisten“ Positionen, verbietet sich die Annahme einer kompensatorischen Preisverlagerung (Mischkalkulation). Ein Ausschlussgrund kann in einem solchen Fall nicht angenommen werden (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05). Ein Angebotsausschluss wegen einer Mischkalkulation setzt also die (Sachverhalts-)Feststellung voraus, dass die "Aufpreisung" bzw. "Abpreisung" einzelner Positionen unmittelbar miteinander korrespondiert – Konnexität – (Thüringer OLG, B. v. 23.01.2006 - Az.: 9 Verg 8/05; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; VK Nordbayern, B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08). Es fehlt nicht an einer Preisangabe, wenn ein Bieter bei der Darstellung der Kalkulation des von ihm geforderten Preises (eine Preisposition), einen Preisnachlass bei einer der Positionen der Kalkulation berücksichtigt. Hierin ist kein unzulässiges Verschieben von Preisangaben im Sinne der Entscheidung des BGH vom 18.5.2004, X ZB 7/04 zu sehen (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.03.2006 - Az.: 1 VK 8/06). Für die Annahme einer unvollständigen Preisangabe ist nicht entscheidend, ob die im Preisblatt EFB 1b enthaltenen Angaben im Vergleich zu den Angaben im Preisblatt EFB 2 unrichtig oder unvollständig sind, denn eine solche Abweichung erlaubt nicht ohne Weiteres einen Rückschluss auf die Vollständigkeit der Preisangaben im Angebot (OLG Düsseldorf, B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08).

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Die Angabe "0,00" ist als Preisangabe zu verstehen. "Preisangabe" bedeutet, dass da, wo der Preis eingetragen werden muss, etwas geschrieben steht, das wie ein Preis aussieht. Dazu zählen nicht nur Zahlen, sondern auch andere Angaben wie 0 (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Naumburg, B. v. 29.01.2009 - Az.: 1 Verg 10/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09). Führt eine solche Angabe zu einem Unterangebot des Bieters, so kann er sie unter bestimmten Voraussetzungen anfechten (Saarländisches OLG, Urteil v. 24.06.2008 - Az.: 4 U 478/07). Voraussetzung für die Annahme, die Preisangabe „0-Euro“ als eine dem Vergaberecht genügende Preisangabe für eine angebotene Leistung zu interpretieren, ist, dass die Leistung – wenn auch kostenlos - überhaupt angeboten worden ist. Eine nicht angebotene Leistung zu bepreisen, macht rechtlich und faktisch keinen Sinn, da sie nicht Teil eines Angebots ist, auf das ein Zuschlag erfolgen könnte. Daher sind fehlende Preisangaben für tatsächlich angebotene Leistungen von fehlenden Leistungen im Angebot zu unterscheiden. Bei „0 Euro“ Angaben gilt es daher zu prüfen, ob die Leistung gar nicht oder kostenlos angeboten wird. Dementsprechend ist die Willenserklärung des Bieters im Angebot auszulegen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09).

107.5.1.2.3.3.3.3.2 Aufklärung und Beweislast Der Nachweis einer Mischkalkulation ist geführt, wenn der Bieter selbst eingesteht, eine Mischkalkulation vorgenommen zu haben (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; VK Lüneburg, B. v. 14.09.2005 - Az.: VgK-40/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.07.2006 - Az.: VK-SH 18/06). Für den Fall, dass Zweifel daran bestehen, ob die Einheitspreise die tatsächlich geforderten Preise für die jeweilige Position enthalten, ist eine Aufklärung darüber erforderlich (OLG Frankfurt, B. v. 17.10.2005 - Az. 11 Verg 8/05; B. v. 16.08.2005 - Az.: 11 Verg 7/05; OLG Naumburg, B. v. 05.08.2005 - Az.: 1 Verg 7/05; VK Nordbayern, B. v. 17.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 50/09; B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/09; 1. VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08). Insbesondere ungewöhnlich niedrig bepreiste Angebote in einzelnen Leistungsverzeichnispositionen begründen eine widerlegliche Vermutung für eine Mischkalkulation . Sie widersprechen dem allgemeinen Erfahrungssatz, ein Bieter kalkuliere auf dem einschlägigen Markt seinen Preis so, dass eine einwandfreie Leistungsausführung einschließlich Gewährleistung und die Erzielung einer Gewinnspanne möglich ist (Brandenburgisches OLG, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; 1. VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08). Ergibt die Aufklärung auf Grund der von dem Bieter gelieferten Angaben, dass die ausgewiesenen Preise tatsächlich die von dem Bieter für die Leistung geforderten Preise nachvollziehbar ausweisen, kann das Angebot nicht mehr gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ausgeschlossen werden (1. VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08). Ist der Bieter jedoch nicht in der Lage, nachzuweisen, dass die von ihm angebotenen Einheitspreise den tatsächlich von ihm geforderten Betrag für die Leistung ausweisen, ist die Vergabestelle nicht verpflichtet weitere Ermittlungen darüber anzustellen, welche Preise für die Leistung tatsächlich gefordert werden. Die Vergabestelle ist auch nicht verpflichtet nachzuweisen in welche Positionen Kostenanteile anderer Positionen verlagert wurden, was im Fall einer Verteilung auf mehrere Positionen so

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gut wie ausgeschlossen wäre. Es reicht der Beleg aus, dass im Angebot des Bieters nach Aufklärung Einheitspreise vorliegen, die nicht den tatsächlich für diese Leistung geforderten Betrag enthalten (ist die Leistung zu diesem Preis nach Angabe der Umstände und individuellen Möglichkeiten des Bieters, sowie der anfallenden Kosten so wie angegeben durch den Bieter realisierbar). Kann der Bieter diese Frage nicht nachvollziehbar beantworten ist das Angebot des Bieters gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A auszuschließen. Das bedeutet auch, dass betreffend des Nachweises über das Vorliegen tatsächlicher Einheitspreise der Bieter in der Pflicht ist und nicht die Vergabestelle (VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08). Die gelieferten Nachweise müssen für die Vergabestelle nachvollziehbar sein, haben im Bedarfsfall auch die Kalkulationsgrundlagen (Aufgliederung der Leistung in deren Einzelbestandteile) zu enthalten. Die Vergabestelle hat die von dem Bieter vorgelegten Erklärungen zu prüfen und zu bewerten, vorausgesetzt die abgegebenen Erklärungen des Bieters sind nachvollziehbar und ermöglichen somit überhaupt eine Prüfung (VK Lüneburg, B. v. 05.07.2005 - Az.: VgK-26/2005; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.07.2006 - Az.: VK-SH 18/06; VK Thüringen, B. v. 23.09.2005 - Az.: 360-4002.20-007/05-NDH; B. v. 28.04.2005 - Az.: 360-4002.20-005/05-MGN). Im Rahmen der Überprüfung auffälliger Cent-Positionen kommt es bei der vergaberechtlichen Nachprüfung durch die Vergabekammer einzig und allein darauf an, was der betroffene Bieter aufgrund einer fristgebundenen Vorlageverpflichtung des Auftraggebers in concreto zu deren Rechtfertigung vorlegen sollte - und auch vorgelegt hat -, nicht aber darauf, was etwa ein Allgemeines Rundschreiben (z.B. das ARS 25/2004) abstrakt fordert oder welche Nachweise danach tauglich oder weniger tauglich erscheinen (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; 1. VK Sachsen, B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 14.03.2005 - Az.: 1/SVK/011-05; B. v. 11.03.2005 - Az.: 1/SVK/009-05). Würde man dies anders sehen wollen, hätte es die Vergabestelle in der Hand, eine an der Oberfläche bleibende Abfrage beim betroffenen Bieter vorzunehmen, um dessen Angebot dann - ohne konkrete Nachfrage oder Bietergespräch - nur deshalb nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A auszuschließen, weil dieser seiner (nur) aus dem Allgemeinen Rundschreiben abgeleiteten Nachweispflicht nicht tiefgründig genug nachgekommen ist. Bei einer derart sanktionierten Vorgehensweise wäre der Manipulation, insbesondere in mehrzügigen Entscheidungsprozessen mit unterschiedlichen Behörden, Tür und Tor geöffnet (1. VK Sachsen, B. v. 27.04.2005 - Az.: 1/SVK/032-05). Entscheidend ist also, ob ein Bieter zu streitigen Positionen des Leistungsverzeichnisses plausible Erklärungen samt abgeforderter Unterlagen beibringt und den Verdacht einer Mischkalkulation etc. durch Vorlage der Urkalkulation zerstreut; dann ist ein Ausschluss unter Hinweis auf ein angeblich höheres Nachweisniveau (z.B. aufgrund eines Allgemeinen Rundschreibens) vergaberechtswidrig (OLG Frankfurt, B. v. 17.10.2005 - Az. 11 Verg 8/05; B. v. 16.08.2005 - Az.: 11 Verg 7/05; OLG Rostock, B. v. 06.07.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; OLG Dresden, B. v. 01.07.2005 - Az.: WVerg 0007/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05; 1. VK Sachsen, B. v. 03.03.2008 - Az.: 1/SVK/002-08; B. v. 12.07.2005 - Az.: 1/SVK/073-05; B. v. 27.04.2005 - Az.: 1/SVK/032-05; B. v. 11.03.2005 - Az.: 1/SVK/009-05). Das OLG Koblenz stellt dagegen darauf ab, ob eine Mischkalkulation erkennbar ist, welche Erklärung der Bieter zu sehr niedrigen Preisen abgibt und ob es konkrete Anhaltspunkte für eine Mischkalkulation gibt (OLG Koblenz, B. v. 10.05.2005 - Az.: 1 Verg 3/05; im Ergebnis ebenso Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05).

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Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg ist in solchen Fällen im Zweifelsfalle der Nachweis der Unvollständigkeit eines Angebots von der Vergabestelle zu führen, die sich auf das Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A beruft. Es gilt nichts Anderes als für alle anderen zwingenden Ausschlussgründe nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A. Im Zweifel sind also die Preisangaben von Bietern als vollständig und zutreffend gemacht hinzunehmen (OLG Naumburg, B. v. 22.09.2005 - Az.: 1 Verg 7/05; B. v. 05.08.2005 - Az.: 1 Verg 7/05; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, B. v. 17.10.2005 - Az. 11 Verg 8/05; B. v. 16.08.2005 - Az.: 11 Verg 7/05; OLG Rostock, B. v. 08.03.2006 - Az.: 17 Verg 16/05; B. v. 06.07.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; B. v. 17.06.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; VK Arnsberg, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 34/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; VK Hessen, B. v. 21.04.2005 - Az.: 69 d VK - 20/2005; B. v. 21.04.2005 - Az.: 69 d VK - 09/2005; VK Nordbayern, B. v. 17.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 50/09; 1. VK Sachsen, B. v. 14.03.2005 - Az.: 1/SVK/011-05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.12.2008 - Az.: VK-SH 12/08; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; VK Südbayern, B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06). Im Grundsatz gilt, dass die Vergabestelle einen von ihr behaupteten Ausschlussgrund im Angebot eines Bieters konkret zu benennen hat und im Zweifelsfall die Feststellungslast für dessen Vorliegen trägt, wobei der Begriff der objektiven Feststellungslast den im zivilprozessualen Beibringungsverfahren gebräuchlichen Begriff der Beweislast ersetzt. An dieser Regel ist auch für die Prüfung einer Mischkalkulation festzuhalten. Eine Umkehr der Feststellungslast zulasten eines Bieters tritt nicht dadurch ein, dass in seinem Angebot besonders hohe und niedrige Einheitspreise zusammentreffen und er daher seinerseits das Fehlen einer Konnexität nachzuweisen hätte. Gegen einen solchen Ansatz spricht, dass andernfalls die Kalkulationshoheit des Unternehmens empfindlich beeinträchtigt würde. Um schon dem Verdacht einer Mischkalkulation bzw. dem Risiko eines Ausschlusses sicher zu entgehen, müsste es eng am üblichen Marktpreis kalkulieren und jegliche Preisabweichungen nach oben und nach unten strikt vermeiden. Das hätte nicht nur zur Folge, dass die Möglichkeiten des Wettbewerbs im Ganzen gesehen erheblich beschnitten würden und faktisch nur noch eine Preisgestaltung in einem eng segmentierten Bereich opportun wäre, sondern liefe auch einem der Grundziele des Wettbewerbs, nämlich der kostengünstigen Beschaffung im Interesse der Schonung der öffentlichen Haushalte, zuwider. Noch gravierender erscheint die Gefahr willkürlicher Ausschreibungsergebnisse. Wenn allein das Zusammentreffen außergewöhnlich hoher und niedriger Einheitspreise schon eine unzulässige Mischkalkulation indizieren und ggf. zum Ausschluss eines Angebots führen sollte, hätte es die Vergabestelle häufig in der Hand, einen von ihr nicht gewünschten Bieter aus dem Wettbewerb zu drängen (Thüringer OLG, B. v. 23.01.2006 - Az.: 9 Verg 8/05; im Ergebnis ebenso VK Nordbayern, B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/09). Eine unzulässige Mischkalkulation liegt nicht vor, wenn ein Bieter ohne Auf- und Abpreisung so genannte Bereitstellungsgeräte (Baukran einschließlich Lohnkosten Kranführer) in die Position Baustelleneinrichtung einrechnet, wenn der Wortlaut des Leistungsverzeichnisses dies bei vertretbarer Auslegung zulässt, weil eine ausdrückliche Position für diese Kosten im Leistungsverzeichnis fehlt (OLG München, B. v. 24.05.2006 - Az.: Verg 10/06; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 2 – 27/07 – instruktives Beispiel; VK Südbayern, B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06). Ist nach dem Leistungsverzeichnis bei einer Position der Preis für die Baustelleneinrichtung anzugeben, gehört schon vom Begriff her die Bauleitung nicht zur Einrichtung einer Baustelle. Es mag sich zwar um Baustellengemeinkosten handeln, nicht aber um Leistungen,

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die der Einrichtung der Baustelle dienen. Deshalb ist ein Bieter nicht befugt, diese Kosten einfach bei der Position „Einrichten der Baustelle“ einzukalkulieren. Der Bieter muss in solchen Fällen als erfahrenes Unternehmen davon ausgehen, dass dieser Kostenanteil auf die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses umgelegt werden muss. Dies entspricht der betriebswirtschaftlichen Praxis, wenn eine gesonderte Position für den Gemeinkostenteil „Bauleitung“ vom Auftraggeber nicht vorgegeben wurde (OLG Karlsruhe, B. v. 16.03.2007 - Az.: 17 Verg 4/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 12.02.2007 - Az.: 1 VK 1/07; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 2 – 27/07 – instruktives Beispiel). Auch wenn ein Bieter der Auffassung ist, dass in solchen Fällen die Bauleiterkosten in zumutbarer Weise anderen Teilleistungen nicht zugeordnet und die Vorgabe des Leistungsverzeichnisses deshalb nicht erfüllt werden kann, darf er sich nicht über die Bedingungen des Leistungsverzeichnisses hinwegsetzen. Er muss vielmehr das Leistungsverzeichnis als unvollständig rügen und den Auftraggeber zur Abhilfe auffordern (OLG Karlsruhe, B. v. 16.03.2007 - Az.: 17 Verg 4/07; im Ergebnis ebenso 1. VK Saarland, B. v. 01.10.2007 - Az.: 1 VK 02/2007). Ist die Position der „Baustelleneinrichtung“ eindeutig beschrieben und rechnet der Bieter in diese Position die Kosten der Löhne der Bauleiter und Poliere ein, die ansonsten auf die Einzelleistungen umgelegt werden, muss das Angebot zwar ausgeschlossen werden; es handelt sich aber nicht um eine unzulässige Mischkalkulation (2. VK Brandenburg, B. v. 20.10.2006 - Az.: 2 VK 42/06). Ist die Position der „Baustelleneinrichtung“ eindeutig beschrieben und rechnet der Bieter in diese Position die Kosten für die Vorhaltung von Baustellencontainern, Kleintransportern, PKW sowie für Strom ein, die ansonsten auf die Einzelleistungen umgelegt werden, handelt es sich um eine Mischkalkulation ; das Angebot muss ausgeschlossen werden (VK Lüneburg, B. v. 16.07.2007 - Az.: VgK-30/2007). Dasselbe gilt, wenn der Bieter Kosten für „Geschäftsführung ArGe, Arbeitsüberwachung, Reinigen Winterdienst (Kehrmaschine)“ in die Baustelleneinrichtungskosten einrechnet (1. VK Saarland, B. v. 01.10.2007 - Az.: 1 VK 02/2007). Die ausschreibungswidrige Zuordnung von Kosten in die Position „Baustelle einrichten“ ist wegen der gleichheitswidrigen Möglichkeit eines Zinsgewinns nicht hinzunehmen und vergaberechtswidrig (OLG Karlsruhe, B. v. 16.03.2007 - Az.: 17 Verg 4/07). Nach § 16 Nr. 4 VOB/B können in sich abgeschlossene Teile der Leistung nach Teilabnahme ohne Rücksicht auf die Vollendung der übrigen Leistungen endgültig festgestellt und bezahlt werden. Die Position „Baustelle einrichten“ ist mit dem Aufstellen der Baustelleneinrichtung abgeschlossen und könnte vom Auftragnehmer dementsprechend als Teilleistung abgerechnet werden. Durch die Kalkulation sonstiger Kosten (z.B. für die Vorhaltung von Baustellencontainern, Kleintransportern, PKW sowie für Strom) wird ein erst über die gesamte Laufzeit erwachsender Kostenbestandteil in dieser Position "sofort" abrechenbar (VK Lüneburg, B. v. 16.07.2007 - Az.: VgK-30/2007). Baustellengemeinkosten entstehen durch den Betrieb der Baustelle und werden bezogen auf das konkrete Bauvorhaben kalkuliert, sind aber nicht den einzelnen Teilleistungen direkt zuzuordnen. Baustellengemeinkosten werden - soweit keine gesonderten Positionen hierfür vorgesehen sind - in Form der Umlage über alle Einheitspreise kalkuliert. Eine Einrechnung in die Kosten der Baustelleneinrichtung – wenn die Leistungsbeschreibung eine

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entsprechende Position enthält - ist nicht zulässig (VK Lüneburg, B. v. 16.07.2007 - Az.: VgK-30/2007). Erklärt ein Bieter ausdrücklich, dass er einem Kalkulationsirrtum erlegen und Material teilweise nicht kalkuliert hat, dass er sich jedoch an seinen im Angebot angegebenen Preisen festhalten lassen will, werden mithin im Angebot keine Preisbestandteile verschoben, vielmehr sind Preisbestandteile vergessen worden. Darin liegt keine unzulässige Mischkalkulation (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06). Eine Verweigerung der Vorlage entsprechender Nachweise (z.B. Verträge) mit dem Hinweis darauf, es handele sich um vertrauliche Betriebsgeheimnisse, führt dazu, dass die Angaben des Bieters für den Auftraggeber letztlich nicht verifizierbar sind. Der Bieter kommt mit diesen Angaben zwar grundsätzlich nicht der Erklärungspflicht nach, die ihr die Rechtsprechung gegenüber Nachfragen der Vergabestelle zu nach dem Angebotsinhalt nicht nachvollziehbaren Preisangaben auferlegt. Ein Auftraggeber, der sich in diesem Zusammenhang auf bloße verbale Beteuerungen eines Bieters, und seien sie in sich auch plausibel, verweisen lassen müsste, ohne entsprechend aussagekräftige Nachweise für den Inhalt der Erklärung verlangen zu können, gewinnt damit keine belastbaren und der Transparenz des Vergabeverfahrens förderlichen Erkenntnisse. Die Vergabestellen haben demgegenüber keine ernsthaften Überprüfungsmöglichkeiten mehr. Bietern, die durch ihre Angebotsgestaltung den Verdacht unzulässiger Preisverlagerung ausgelöst haben, sind daher alle Erklärungen abzuverlangen, die geeignet sind, diese Zweifel auszuräumen. Den Bietern obliegt mithin auch die entsprechende Darlegungs- und Beweislast. Erst eine solcherart geschaffene nachvollziehbare Tatsachengrundlage versetzt die Vergabestelle auch in die Lage, den betroffenen Bieter gegenüber ansonsten nahe liegenden Beanstandungen konkurrierender Beteiligter in der Wertung zu belassen, ohne das Risiko gegenläufiger Nachprüfungsbegehren fürchten zu müssen. Der Einwand, z.B. bestehende Verträge und deren Details als Betriebsgeheimnisse nicht offen legen zu wollen, greift nicht, da diese Unterlagen im Vergabeverfahren vertraulich behandelt und die Interessen des Bieters damit gewahrt werden (OLG Rostock, B. v. 08.03.2006 - Az.: 17 Verg 16/05). Nach Auffassung des OLG Nürnberg kann das Vorliegen einer Mischkalkulation im Rahmen eines Angebots offenkundig sein, wenn z.B. angebotene Einheitspreise für bestimmte Positionen als tatsächliches Entgelt für die ausgewiesene Position nicht darstellbar sind und ein im Vergleich zu anderen Angeboten sehr hoher Einheitspreis für eine damit in Zusammenhang stehende Position offenkundig wenigstens einen Entgeltanteil enthält, zumal wenn damit gerechnet werden konnte, dass die abzurechnende Menge der Menge aus der abgepreisten Position entsprechen wird. Der Grund für diese Preisverlagerung lag ersichtlich in der durch die unrichtige Mengenangabe in der Ausschreibung eröffneten Chance, den Angebotspreis durch Auf- und Abpreisungen vorteilhaft verändern zu können (OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.07.2007 - Az.: 1 U 970/07). Nach Auffassung des OLG Düsseldorf schreiben die Vertrags- und Verdingungsordnungen einem Bieter nicht vor, wie er seine Preise kalkuliert. Dies liegt als Ausdruck der Freiheit unternehmerischen Handelns vielmehr in seinem Verantwortungsbereich. Mischkalkulationen (oder besser: Kosten- oder Preisverlagerungen) sind von daher nicht per se anstößig. Sie sind nicht zu beanstanden, wenn im Angebot jedenfalls der Preis genannt wird, den der Bieter nach dem Ergebnis seiner Kalkulation dem Auftraggeber tatsächlich in Rechnung zu stellen beabsichtigt. So betrachtet darf z.B. ein Bieter einen aufgrund Abrechnung nach GOÄ bei den betriebsärztlichen Untersuchungen und Leistungen erwarteten Erlösüberschuss der Preiskalkulation bei Leistungen nach § 3 ASiG

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durchaus gutbringen und solche Leistungen dergestalt gewissermaßen quer subventionieren, sofern aufgrund dessen nicht anzunehmen ist, dass es sich bei dem für Leistungen nach § 3 ASiG angegebenen Preis nicht um den nach der Kalkulation des Bieters tatsächlich beanspruchten und infolgedessen zutreffenden Preis handelt (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; in eine ähnliche Richtung BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D). Die Erklärung eines Bieters, auf bestimmte Positionen einen so genannten Subventionsabschlag zu gewähren, ist nicht zu beanstanden. Die Kalkulation eines Unternehmers ist Ausfluss der unternehmerischen Freiheit. Ein reiner Abzug führt nicht zu einer Verlagerung von Kosten in eine andere Leistungsposition. Er begründet auch keine Vermutung dahingehend, dass eine Verlagerung stattgefunden hat. Eine aus Wettbewerbsgründen vorgenommene Herabsetzung einzelner Einheitspreise kann nur dann zum erstrebten Erfolg bei der Ausschreibung führen, wenn an anderer Stelle kein Ausgleich erfolgt (VK Nordbayern, B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/09).

107.5.1.2.3.3.3.3.3 Mischkalkulation durch Übernahme einer Mischkalkulation eines Nachunternehmers

Gibt ein Nachunternehmer gegenüber dem Bieter Preise an, die eine Mischkalkulation beinhalten, und übernimmt der Bieter diese Preise – zuzüglich eines Aufschlags für Wagnis und Gewinn - handelt es sich nicht um die wahren Preise, weil ausgelassene Kosten (z.B. anteilige Kosten für Personal, AfA, Verwaltungskosten, kalkulatorischer Verschleiß und Kosten der Baustelleneinrichtung) tatsächlich ebenfalls beansprucht werden, aber nicht berücksichtigt worden sind, weil der Nachunternehmer diese Kostenbestandteile in andere Leistungspositionen eingerechnet hat. Ein Bieter, der unzutreffende Preisangaben des Nachunternehmers unberichtigt übernimmt, macht diese zum Gegenstand seines Angebots, dies jedenfalls dann, wenn die Nachunternehmerleistungen im Angebotsblankett nach den Positionen des Leistungsverzeichnisses aufgegliedert werden. Die Angebotspreise sind in diesen Fällen unvollständig und unzutreffend, mit der Folge, dass das Angebot einem zwingenden Wertungsausschluss unterliegt. Darauf, ob unvollständige und unzutreffende Preisangaben des Nachunternehmers vom Bieter bewusst übernommen werden, kommt es nicht an. Maßgebend ist der objektive Befund (OLG Düsseldorf, B. v. 16.05.2006 - Az.: VII - Verg 19/06).

107.5.1.2.3.3.3.3.4 Prüfungssystematik für die Feststellung einer Mischkalkulation

Faktisch erschöpft sich die Nachprüfbarkeit einer unzulässigen Mischkalkulation aus Sicht der Vergabestelle im ersten Stadium nach Öffnung der Angebote in einer summarischen Bewertung der Angemessenheit der Einheitspreise. Weichen diese in einzelnen Positionen in besonders auffälliger Weise nach oben und nach unten ab, wobei als Vergleichsmaßstab die übrigen Bestandteile des eigenen Angebots (insbesondere die Preisgestaltung gleichartiger Leistungen), der Bieterpreisspiegel und schließlich, soweit vorhanden, ein Marktpreis in Betracht kommen können, kann dies ein hinreichender Anlass zu weiteren Ermittlungen bieten. Keinesfalls rechtfertigt jedoch ein solcher Befund bereits den Ausschluss eines Angebots. Denn das bloße Zusammentreffen außergewöhnlich hoher und außergewöhnlich niedriger Positionspreise in einem Angebot erlaubt schon deshalb nicht ohne weiteres den Schluss auf eine unzulässige Mischkalkulation, weil sie unverbunden nebeneinander zulässig sind. Mithin bedarf es vor Ausschluss eines Angebots zusätzlich der gesonderten

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Feststellung der Konnexität auffälliger Angebotspreise. Es liegt auf der Hand, in einem zweiten Schritt die interne Kalkulation des Bieters in den Blick zu nehmen. Da dies allerdings die geschützte, dem besonderen Geheimhaltungsinteresse (vgl. § 111 Abs. 2 GWB) des Unternehmens unterliegende Sphäre berührt, liegt es zunächst an ihm, an einer solchen Einbeziehung mitzuwirken oder aber sie zu versagen und ggf. nachteilige Konsequenzen hinsichtlich der Beweislast in Kauf zu nehmen. Auf Anforderung der Vergabestelle bzw. der Vergabeprüfungsinstanzen wird der Bieter zur Vermeidung von Verfahrensnachteilen namentlich die sog. schriftliche Urkalkulation offen zu legen haben, worin üblicherweise im Zuge der Angebotsvorbereitung die für die einzelnen Leistungen aus Sicht des Unternehmens anfallenden Kosten und Erträge bilanzierend gegenüber gestellt werden. Ergeben sich insoweit Abweichungen oder Lücken im Sinne einer Preisverlagerung gegenüber dem im Angebot verlautbarten Preisgefüge, führt das zum Ausschluss gem. §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A. Finden hingegen die nach außen deklarierten Einheitspreise in den privaten Kalkulationsunterlagen ihre Entsprechung, so wird das Angebot vorläufig als mangelfrei zu gelten haben, da es sich dann um die nach Aktenlage tatsächlich kalkulierten Preise handelt. Ist in den internen Kalkulationsunterlagen nicht einmal angedeutet, dass ein niedriger, ggf. sogar unter Selbstkosten liegender Einheitspreis gerade mit der Erhöhung eines anderen signifikant hohen Einheitspreises aufgefangen werden soll, so schließt das zwar einen gegenteiligen unternehmerischen Willen nicht aus. Jedoch kommt im Rahmen der Prüfung einer Preisverlagerung ein Rückgriff auf externe Vergleichsmaßstäbe nicht in Betracht. Denn für die - wie meist bei subjektiven Merkmalen - schwierige Ermittlung eines unternehmerischen Willens geben weder der Preisspiegel der übrigen Angebote noch die Höhe des Marktpreises etwas her. Räumt daher der Bieter die Konnexität verschiedener Einheitspreise nicht von sich aus ein, kommt in einem dritten Prüfungsschritt ein Nachweis nur durch eine auf die konkreten Umstände des Einzelfalls bezogene förmliche Beweisaufnahme in Betracht, soweit sich dadurch weiterführende Erkenntnisse, etwa hinsichtlich entsprechender Willensäußerungen der handelnden Organe des Unternehmens, gewinnen lassen (Thüringer OLG, B. v. 23.01.2006 - Az.: 9 Verg 8/05).

107.5.1.2.3.3.3.3.5 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• hat ein Bieter aber eine Mischkalkulation selber sowohl im Begleitschreiben zum Angebot („Ist enthalten…..“) und im Aufklärungsschreiben dargestellt, dass mischkalkuliert wurde, ist der Nachweis einer Mischkalkulation geführt. Aus diesem Grunde ist ein Angebot zwingend auszuschließen (1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07)

• fehlt es an einer Vorgabe der Vergabestelle zur Berücksichtigung der Gemeinkosten im Leistungsverzeichnis, können diese Kosten auch nicht in unzulässiger Weise verlagert worden sein (OLG Rostock, B. v. 08.03.2006 – Az.: 17 Verg 16/05)

• ein nachvollziehbarer Kalkulationsirrtum kann den Anschein einer Mischkalkulation entkräften (OLG Rostock, B. v. 06.07.2005 - Az.: 17 Verg 8/05)

• auch wenn in Abweichung vom Wortlaut des Leistungsverzeichnisses die Kalkulation eines Leistungsbestandteils einer Pauschalpreis-Position in einer anderen Pauschalpreis-Position erfolgt, ist ein Ausschluss nicht geboten, wenn eine Wettbewerbsrelevanz offensichtlich ausgeschlossen ist, wenn also das Fehlen der geforderten Preisangaben oder der geforderten Erklärungen unter keinem

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denkbaren Gesichtspunkt zu einer Wettbewerbsbeeinträchtigung führen kann (VK Baden-Württemberg, B. v. 18.04.2005 - Az.: 1 VK 10/05)

• die Tatsache, dass ein Bieter für verschiedene Positionen wesentlich günstigere Preise anbietet als die anderen Bieter, indiziert nicht, dass eine unzulässige Mischkalkulation vorliegt . Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass unterstellte „Abpreisungen“ in einzelnen Positionen zu „Aufpreisungen“ in anderen Positionen geführt hätten, da Einzelpreise und Gesamtpreis günstig sind (VK Lüneburg, B. v. 05.07.2005 - Az.: VgK-26/2005; 3. VK Bund, B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05)

• allerdings kann die Kammer im Ergebnis nicht nachweisen, dass der eigentlich zu fordernde Preis in anderen Positionen aufgefangen wurde. Es mag mangels Entscheidungsrelevanz daher dahingestellt bleiben, ob die strengen Vorgaben des Bundesministeriums für ... einen Ausschluss aufgrund der 1-Cent-Preise gerechtfertigt hätten (2. VK Bund, B. v. 11.01.2005 - Az.: VK 2 - 220/04)

107.5.1.2.3.3.3.4 Die Rechtsprechung vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs Die Rechtsprechung war insoweit nicht einheitlich. Schreibt der Bieter in eine Position einen Preiseintrag "1 €" und veranschlagt er die Bereitstellung dieser Position tatsächlich mit einem Kostenbetrag von rund 140 000 € - unter Einrechnung dieser Kosten in eine andere Position, ohne dies aber offen zu legen - enthält das Angebot bei dieser Position des Leistungsverzeichnisses nicht die geforderte Preisangabe; es ist aufgrund dieser Unvollständigkeit zwingend von der Wertung auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 26.11.2003 - Az.: VII - Verg 53/03; VK Düsseldorf, B. v. 12.8.2003 - Az.: VK - 22/2003 - B). Diese Ansicht teilen andere Vergabesenate und Vergabekammern nicht. Ein Bieter, der bei einzelnen Positionen einen Einheitspreis von 0,01 € einsetzt, gibt seine Preise im Sinne der § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1, § 25 Nr. 1 lit. b) VOB/A vollständig an. Bei diesem Preis handelt es sich dann um den für die jeweilige Einheit verlangten Preis, auf den sich der Auftraggeber bei der Angebotswertung einstellen kann. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Bieter gleichzeitig, gleichsam zum "betriebswirtschaftlichen Ausgleich" andere Positionen (deutlich) höher kalkuliert und dafür entsprechend deutlich mehr verlangt, als dies bei den Ausschreibungskonkurrenten zu beobachten ist. Ein Bieter, der auf diese Weise kalkuliert, nimmt lediglich im Wege von betriebswirtschaftlich motivierten kalkulatorischen Rechenoperationen eine angebotsbezogene Umgruppierung verschiedener jeweils unselbstständiger Kalkulationsposten innerhalb des Gesamtangebots vor. Das kann ihm wettbewerbs- und vergaberechtlich auch unter Berücksichtigung der wohl verstandenen und berechtigten Interessen der Auftraggeberseite nicht verwehrt werden. Die Angebotskalkulation berührt den Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und damit die Freiheit des Wettbewerbs in diesem Marktgeschehen schlechthin. Vorschriften, auf welche Weise der Unternehmen zu kalkulieren hat, kann es in einer freien Wirtschaftsordnung nicht geben. Das hat im Übrigen auch plausible tatsächliche Gründe. Auf Grund der vielfältigsten Variablen, die nach den jeweiligen betrieblichen und sonstigen vom Unternehmen zu berücksichtigenden Verhältnisse zulässigerweise in die Kalkulation eines Angebots einfließen können, lässt sich ein wie auch immer aufzufassender "leistungsgerechter" Einheitspreis des einzelnen anbietenden Unternehmens kaum je objektiv feststellen (OLG Rostock, B. v. 08.03.2006 -

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Az.: 17 Verg 16/05; KG Berlin, B. v. 26.2.2004 - Az.: 2 Verg 16/03, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03; BayObLG, B. v. 1.3.2004 - Az.: Verg 2/04; 1. VK Sachsen, B. v. 22.3.2004 - Az.: 1/SVK/014-04, 1/SVK/014-04G; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 28.09.2006 - Az.: VII - Verg 49/06; 1. VK Bund, B. v. 24.08.2006 - Az.: VK 1 - 91/06).

107.5.1.2.3.3.3.5 Verbot der Forderung des Auftraggebers nach einer Mischkalkulation des Bieters Vgl. dazu die Kommentierung zu § 9 VOB/A RZ 4298/3.

107.5.1.2.3.3.3.6 Literatur

• Freise, Harald, Mischkalkulationen bei öffentlichen Aufträgen: Der BGH hat entschieden – und nun?, NZBau 2005, 135

• Hausmann, Friedrich / Bultmann, Peter, Der Ausschluss spekulativer Angebote, ZfBR 2004, 671

• Köster, Bernd, Die Zulässigkeit von Mischkalkulation und Niedrigpreisangeboten bei Ausschreibungen nach der VOB im Spiegel der neueren Rechtsprechung, BauR 2004, 1374

• Leinemann, Ralf / Kirch, Thomas, Der Angriff auf die Kalkulationsfreiheit – Die systematische Verdrehung der BGH-Entscheidung zur „Mischkalkulation“, VergabeR 2005, 563

• Müller-Wrede, Malte, Die Behandlung von Mischkalkulationen unter besonderer Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast, NZBau 2006, 73

• Stemmer, Michael, Vergabe und Vergütung bei misch- und auffällig hoch oder niedrig kalkulierten Einheitspreisen, ZfBR 2006, 128

107.5.1.2.3.3.3.7 Angabe eines symbolischen Preises und des Zusatzes "in Position xy enthalten" in einer Position Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit der Angabe nur eines symbolischen Preises führen solche Preisangaben ebenfalls zum zwingenden Ausschluss eines Angebots, wenn eine Mischkalkulation und eine Verteilung eines Preises auf mehrere Positionen stattfinden (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05). Die ältere Rechtsprechung zog diese strikte Konsequenz nicht immer: Trägt ein Bieter bei einer Position statt eines Einheitspreises einen symbolischen Preis (z. B. die Zahl 1 oder 0) und die Worte "in Position xy enthalten" ein, so ist dies keine klare Preisangabe und verstößt gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A. Das Angebot kann ausgeschlossen werden (VK Südbayern, B. v. 5.9.2003 - Az.: 37-08/03). Zur Möglichkeit, solche Angaben in Sonderfällen auch als Änderung der Verdingungsunterlagen zu behandeln, vgl. die Kommentierung RZ 5570.

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107.5.1.2.3.3.3.8 Angabe "enthalten … 0,00" bzw. "in Pos. enthalten … 0,00" bzw. "incl." Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit der Angabe nur eines symbolischen Preises führen solche Preisangaben ebenfalls zum zwingenden Ausschluss eines Angebots, wenn eine Mischkalkulation und eine Verteilung eines Preises auf mehrere Positionen stattfinden (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05). Die Angabe „in Pos. bereits enthalten“ kann auch als Preisangabe „Null“ ausgelegt werden. Eine solche Preisangabe ist nicht von vornherein unzulässig, sondern nur dann, wenn die mit „Null“ bepreiste Position in eine andere Position eingerechnet worden ist; nur dann liegt eine unzulässige Mischkalkulation vor. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn Lizenzgebühren wegen der eigenen Softwareentwicklung seitens des Anbieters nicht anfallen (OLG München, B. v. 05.07.2005 - Az.: Verg 009/05). Die ältere Rechtsprechung zog diese strikte Konsequenz nicht immer: Auch die Angabe "enthalten … 0,00" bzw. "in Pos. enthalten … 0,00", ist eine verbindliche Preisangabe, an die sich der Bieter auch festhalten lassen muss (OLG Düsseldorf, B. v. 30.4.2002 - Az.: Verg 3/02; 1. VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08), ebenso die Angabe "incl." (VK Nordbayern, B. v. 10.3.2004 - Az.: 320.VK-3194-04/04). Die Rechtsprechung zur Mischkalkulation fordert vom Bieter jedoch nicht die Zerlegung eines wahren Preises in Unterpreise, die es für die vom Bieter angebotene technische Lösung nicht gibt und die vom Auftraggeber nur für den Fall einer anderen technischen Lösung abgefragt werden. Die Preisangabe “in vorgenannter Type enthalten” ist also dann nicht unvollständig, wenn ein Produkt zusammen mit einem anderen Produkt ein einheitliches Bauteil bildet, so dass eine gesonderte Preisausweisung für Bestandteile dieses Bauteiles unmöglich ist (OLG München, B. v. 05.07.2005 - Az.: Verg 009/05).

107.5.1.2.3.3.3.9 Fehlende Preisangaben im Wartungsvertrag Fehlen geforderte Preisangaben in einem Wartungsvertrag, ist das Angebot zwingend auszuschließen (1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; VK Südbayern, B. v. 21.07.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-21-06/06). Lässt ein Bieter einen Wartungsvertrag für einen Zeitraum von fünf Jahren, der nach der Vergabebekanntmachung Bestandteil der Angebote ist, unausgefüllt und fehlen auch in der Zusammenfassung des Angebotes, die auszufüllen ist, sämtliche Preisangaben, rechtfertigt dies den Ausschluss des Angebots (VK Brandenburg, B. v. 18.6.2003 - Az.: VK 31/03; VK Nordbayern, B. v. 25.10.2002 - Az.: 320.VK3194-26/02). Gibt der Bieter in einem Formularmuster unter der Überschrift "Vergütung" nicht an, wie die Vergütung (die Zahlungsweise) erfolgen soll, ist das Angebot unvollständig, denn dadurch ist ein wesentlicher Vertragsbestandteil, die Zahlungsmodalität, offen geblieben; das Angebot ist zwingend auszuschließen (VK Hessen, B. v. 27.03.2006 - Az.: 69 d VK - 10/2006).

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107.5.1.2.3.3.3.10 Fehlende Preisangaben bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm Es ist zulässig, in einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm die wesentlichen Positionen mit Preisangaben zu versehen. Mit diesen Preisangaben zu den Einheitspreisen sollen die wesentlichen Positionen (Hauptpositionen der Leistungsbeschreibung) ausdrücklich einzeln ausgewiesen und damit detailliert aufgeschlüsselt werden. Die in den Einheitspreislisten abgegebenen Einheitspreise sind kalkulationsrelevant und lassen Rückschlüsse auf die Angemessenheit angegebener Pauschalpreise bei der Bewertung des Angebots zu. Sie sind zudem Kalkulationsgrundlage für gegebenenfalls während der Bauphase erforderlich werdende Änderungen der Bauausführung. Werden diese Positionen nicht mit Preisen versehen, ist das Angebot auszuschließen (Hanseatisches OLG Hamburg, B. v. 21.1.2004 - Az.: 1 Verg 5/03; VK Hamburg, B. v. 6.10.2003 - Az.: VKBB-3/03).

107.5.1.2.3.3.3.11 Fehlende bzw. geänderte Preisangaben in einem Kurz-Leistungsverzeichnis Weicht ein Bieter im Kurz-Leistungsverzeichnis mit selbst erfundenen Leistungspositionen von den Vorgaben des Muster-Leistungsverzeichnisses des Auftraggebers ab, das derartig bezeichnete Leistungspositionen gar nicht aufweist, machen diese Angaben das Angebot unvollständig und führen zwingend zum Ausschluss des Angebots. Insoweit ist es wegen der identitätswahrenden Wirkung des Kurz-Leistungsverzeichnisses und der Vergleichbarkeit der Angebote irrelevant, wenn diese Positionen inhaltlich (wohl) den tatsächlichen Leistungspositionen entsprechen (1. VK Sachsen, B. v. 13.6.2003 - Az.: 1/SVK/053-03).

107.5.1.2.3.3.3.12 Fehlende Preisangaben über in Einheitspreise einkalkulierte Zuschläge Fordert der Auftraggeber Angaben über in Einheitspreise einkalkulierte Zuschläge (z. B. bei Rohrleitungen), so ist dies vom Bieter grundsätzlich zu befolgen, zumal solche Angaben durchaus hilfreich für die Ermittlung veränderter Nachtragspreise nach Vertragsabschluß, z. B. gemäß § 2 Nr. 3 bis 7 VOB/B sein können (VK Südbayern, B. v. 16.7.2003 - Az.: 25-06/03).

107.5.1.2.3.3.3.13 Fehlender Gesamtpreis bei mehreren Bedarfspositionen Unterlässt ein Bieter es in einem Angebot, in seinem Angebot so genannte Bedarfspositionen zu einem Gesamtpreis auf zu addieren und ist es allen Beteiligten und für jeden Laien klar ersichtlich, dass in keinem Fall eine Beauftragung aller Bedarfspositionen angedacht ist, ist eine Gesamtberechnung der Kosten aller Bedarfspositionen ersichtlich sinnlos. Auf die Abgabe einer solchen Erklärung aber kann der Auftraggeber keinen Anspruch haben. Welche Bedeutung die Forderung nach Bildung dieses Gesamtpreises hat, ist nicht klar. Die Nichterfüllung kann jedenfalls nicht zum Ausschluss des Angebots führen (VK Arnsberg, B. v. 28.1.2004 - Az.: VK 1-30/2003).

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107.5.1.2.3.3.3.14 Fehlende Preise bei einem Vergabeverfahren nach der VOB/A-SKR Es findet sich in der VOB/A-SKR keine den §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A entsprechende Regelung im Sinne eines zwingenden Ausschlussgrundes. Eine analoge Anwendung der Vorschriften ist nach dem eindeutigen Inhalt der VOB/A-SKR nicht angezeigt: Weder ist eine unbewusste Regelungslücke erkennbar, noch ist die Interessenlage der – durch den Abschnitt 3 der VOB/A erfassten – klassischen öffentlichen Sektorenauftraggeber mit der der – durch den Abschnitt 4 VOB/A erfassten – privaten Sektorenauftraggeber vergleichbar. Der Auftraggeber ist insoweit nicht verpflichtet, unvollständige Angebote zwingend auszuschließen. Dem steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen: Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2003 (Az.: X ZB 43/02) basiert im Hinblick auf die Ausschlusspflicht eines unvollständigen Angebots auf den §§ 21, 25 VOB/A und die Anwendung der „Muss“ - Regelung des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A, die unbeschadet der „Soll“ - Vorschrift des § 21 Nr. 2 Satz 5 VOB/A zwingend anzuwenden ist. Eine solche Ausschlusspflicht sieht die VOB/A-SKR aber gerade nicht vor. Soweit auf das Gleichbehandlungsgebot im Sinne der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.01.2003 (Az.: X ZR 50/01) abgestellt wird, gilt im Sinne der entsprechenden Ausprägung durch die §§ 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A nichts anderes (VK Hessen, B. v. 30.03.2004 - Az.: 69 d - VK - 08/2004).

107.5.1.2.3.3.3.15 Fehlende Preise bei einer Alternativposition Das Fehlen einer Preisangabe für eine Alternativposition führt zwingend zum Ausschluss des dadurch unvollständigen Angebots (OLG Naumburg, B. v. 05.05.2004 - Az.: 1 Verg 7/04).

107.5.1.2.3.3.3.16 Fehlende Aufschlüsselung der Preise Die Bestimmung des § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A ist nach der Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass die Angebote die geforderten Erklärungen enthalten müssen. Darunter fällt auch, dass der Bieter im Angebot die jeweils geforderten Einzelpreise nennt, da es sonst nicht vollständig ist. Verlangt der Auftraggeber die aufgegliederte Angabe von Einheitspreisen, so muss der Bieter auch dies befolgen. Nimmt z.B. ein Bieter eine Aufgliederung der Einheitspreise in solche für Zargen und Türblätter nicht vor, ist sein Angebot zwingend auszuschließen. Das Argument, die Grundpreise werden von den Türherstellern nicht mitgeteilt und deshalb ist eine Aufteilung der Preise in Zargen und Türblätter nicht möglich, verfängt schon im Ansatz nicht. Gefordert sind ein Angebot des Bieters und seine Aufschlüsselung der Einheitspreise, nicht diejenigen von Vorlieferanten (OLG Düsseldorf, B. v. 23.03.2005 - Az.: VII - Verg 02/05; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08; VK Lüneburg, B. v. 26.06.2008 - Az.: VgK-23/2008). Sind die Bieter verpflichtet, bei technischen Nebenangeboten die alternativ angebotene Leistung nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern, besteht diese Verpflichtung auch, wenn sie die alternative Leistung zum Pauschalpreis anbieten wollten. Kommt ein Bieter dieser Forderung nach Aufschlüsselung der Leistung nach Mengenansätzen und Einzelpreisen nicht nach, macht er somit nicht die geforderten

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Angaben mit der Folge, dass sein Nebenangebot zwingend von der Wertung auszuschließen ist (VK Baden-Württemberg, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1 VK 13/09).

107.5.1.2.3.3.3.17 Häufung von Fantasiepreisen als fehlende Preise Es ist davon auszugehen, dass ein Bieter die geforderten Preise nicht angibt, wenn er eine Vielzahl von Positionen in einem ganzen Titel des Leistungsverzeichnisses wahllos einheitlich mit einem Phantasiebetrag bepreist, der ersichtlich in keinem Zusammenhang mit der Leistungsbeschreibung und dem Leistungsverzeichnis steht. Ein solcher Fall ist so zu behandeln, als wenn der Bieter in dem gesamten Titel überhaupt keine Preise ausweist. Wollte man dies anders sehen, ginge die Forderung des Auftraggebers, für die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses Preise anzugeben, ins Leere. Der Bieter könnte dann irgendwelche Preise angeben, wenn am Ende nur die von ihm geforderte Summe für den Gesamtauftrag erscheint (Brandenburgisches OLG, B. v. 30.11.2004 - Az.: Verg W 10/04).

107.5.1.2.3.3.3.18 Einrechnen von Leistungsbestandteilen in eine Position entgegen der Positionsbeschreibung Rechnet der Bieter Leistungsbestandteile in eine Position ein, obwohl der Inhalt dieser Position genau beschrieben ist und diese Leistungsbestandteile nicht umfasst, verstößt er gegen § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A, der dem Bieter vorschreibt, Preise und sonstige Erklärungen so wie in den Ausschreibungsunterlagen gefordert, vollständig und zutreffend anzugeben. Der angebotene Preis entspricht dann nicht dem beschriebenen Leistungsumfang. Er bezieht darüber hinausgehende Leistungsbestandteile mit ein und ist damit gemessen an der Vorgabe des Leistungsverzeichnisses unzutreffend. Das Angebot ist zwingend auszuschließen. Ob der Bieter im Gegenzug in anderen Leistungspositionen „Abpreisungen“ vorgenommen, d. h. ein Angebot unterhalb des tatsächlich kalkulierten und beanspruchten Preises abgegeben und damit noch in weiteren Punkten unzutreffende (und unvollständige) Preisangaben gemacht hat, kann in solchen Fällen dahinstehen. Solche den Bereich der Leistungsbeschreibung zu Einheitspreisen (§ 5 Nr. 1 Buchst. a VOB/A) betreffenden Mischkalkulationen durch „Auf- und Abpreisen“ sind besondere, aber nicht die einzigen Fälle vorschriftswidriger Preisangaben. Ist die Leistung, wie z.B. die Baustelleneinrichtung, nach Umfang und Ausführungsart genau bestimmt (§ 5 Nr. 1 Buchst. b VOB/A), liegt eine unzutreffende Erklärung zum Preis schon dann vor, wenn dieser nur in der entsprechenden Position nicht der Leistungsvorgabe entspricht. Unerheblich sind auch die subjektiven Beweggründe, die den Bieter zu der unrichtigen Preisangabe veranlasst haben. Maßgeblich ist allein der objektive Erklärungsinhalt. Selbst wenn der Bieter der Auffassung ist, dass z.B. die Betriebs-, Vorhalte- und Gerätemietkosten anderen Teilleistungen nicht zugerechnet und die Vorgabe des Leistungsverzeichnisses daher nicht erfüllt werden können, darf er sich über den erklärten Willen des Auftraggebers nicht einfach hinwegsetzen. Es ist dann seine Aufgabe, das Leistungsverzeichnis als unvollständig zu rügen und den Auftraggeber zur Abhilfe aufzufordern (OLG Koblenz, B. v. 02.01.2006 - Az.: 1 Verg 6/05).

107.5.1.2.3.3.3.19 Umrechnungszeitpunkt bei Angeboten mit anderer Währung Der Auftraggeber kann auch Angebote in anderen Währungen als den Euro zulassen. Für die Festlegung des Umrechnungskurses ist auf den Submissionstermin abzustellen. Dieser Tag ist der einzige Fixtermin für alle Bieter in Bezug auf das Angebot und

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ermöglicht eine diskriminierungsfreie und transparente Umrechnung der (jeweiligen) Währung. Daher kann der Auftraggeber weder auf die Angebotseinreichung abstellen noch einen von ihm willkürlich festgelegten Wertungstermin als entscheidenden Zeitpunkt für die Bestimmung des Umrechnungskurses wählen. Unschädlich ist auch, dass dieser festgestellte Preis am Tag der Submission, Schwankungen des Wechselkurses vorausgesetzt, nicht der letztlich von dem Auftraggeber zu zahlenden Summe entsprechen wird. Das Risiko der Abweichung hat der Auftraggeber durch die Eröffnung der Möglichkeit, Angebote in der jeweiligen Landeswährung abgeben zu können, übernommen (2. VK Bund, B. v. 15.02.2005 - Az.: VK 2 – 06/05).

107.5.1.2.3.3.3.20 Minus-Preise Eine geforderte Preisangabe - der Betrag, der für die betreffende Leistung beansprucht wird - "fehlt" nicht allein deshalb, weil sie negativ ist. Bedenklich können Minuspreise allerdings werden, wenn der konkrete Verdacht einer grundsätzlich unzulässigen Mischkalkulation besteht, bei der durch "Aufpreisen" der Einheitspreise anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die kompensatorisch wirken und deshalb die geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben (OLG Dresden, B. v. 28.03.2006 - Az.: WVerg 0004/06). Vgl. zur Mischkalkulation die Kommentierung RZ 5338.

107.5.1.2.3.3.3.21 Widersprüchliche Preisangaben Enthält ein Angebot widersprüchliche Preisangaben, so dass für den Auftraggeber der tatsächlich gewollte Preis nicht erkennbar ist, ist dies dem Fehlen von Preisangaben gleichzustellen, da wegen der Nichterkennbarkeit des tatsächlich gewollten Preises eine vergleichende Wertung mit anderen Angeboten nicht möglich ist (2. VK Bund, B. v. 09.01.2007 - Az.: VK 2 - 152/06; VK Münster, B. v. 17.11.2005 - Az.: VK 21/05).

107.5.1.2.3.3.3.22 Fehlende Preisangaben durch eine Nichtübernahme der Preisangaben eines Nachunternehmers? Der Bieter ist gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A nur verpflichtet , den Preis, den er vom Auftraggeber beansprucht, in das Leistungsverzeichnis einzutragen, nicht aber denjenigen, den sein Nachunternehmer im Falle der Auftragserteilung von ihm fordert. Der Bieter ist also nicht verpflichtet, den Preis eines Nachunternehmerangebots in sein Angebot zu übernehmen. Er kann daran Zuschläge (z. B. wegen Gewinns oder Überwachungsaufwands) oder Abschläge (Nachlässe) vornehmen. Dadurch werden die Preisangaben des Bieters nicht unvollständig oder unzutreffend, solange er nur die von ihm tatsächlich kalkulierten Preise angibt, die er dem Auftraggeber in Rechnung stellen will (OLG Düsseldorf, B. v. 26.07.2006 - Az.: VII - Verg 19/06).

107.5.1.2.3.3.3.23 Fehlende Preisangaben durch einen Schrägstrich Ein Schrägstrich in den Preisangaben kann vom objektiven Erklärungswert nicht ohne weiteres mit einer Null gleichgesetzt werden. Ein Schrägstrich kann in diesem Zusammenhang sowohl dergestalt verstanden werden, dass an dieser Stelle keine gesonderte

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Vergütung verlangt wird, er kann aber auch bedeuten, dass die Position entgegen der Forderung der Vergabestelle nicht angeboten wird. Trägt z.B. der Bieter bei einer Position einen Schrägstrich ein und trägt er in drei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses bei der Angabe des Einzel- und Gesamtpreises eine "0" ein, muss in der Gesamtschau des Angebots aus Sicht des Empfängers davon ausgegangen werden, dass die unterschiedliche Ausfüllung der Positionen nicht die gleiche Bedeutung haben kann. Die Vergabestelle kann deshalb den Schrägstrich als fehlende Preisangabe werten (VK Nordbayern, B. v. 09.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 34/08; 1. VK Sachsen, B. v. 16.12.2009 - Az.: 1/SVK/057-09, im Ergebnis ebenso 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 29.01.2009 - AZ: 1 VK LVwA 31/08). Der Einwand, fehlende Preisangaben müssten 0 € bedeuten, da eine Zusammenrechnung der übrigen Preisangaben die entsprechende Summe ergeben würden, geht fehl, da damit die Eindeutigkeit des Angebots nicht mit letzter Sicherheit gegeben ist. Unterstellte man, dass eine Preisangabe schlichtweg vergessen wurde, so führt eine mit einem Tabellenkalkulationsprogramm durchgeführte Addition immer zu einer richtigen Summe. Auch sind Fälle denkbar, in denen ein anderer Bearbeiter als derjenige, der die Einzelpreise errechnet, die Gesamtaddition durchführt (1. VK Sachsen, B. v. 16.12.2009 - Az.: 1/SVK/057-09).

107.5.1.2.3.3.3.24 Fehlende Preisangaben durch falsche Umsatzsteuerangaben Objektiv falsche Preisangaben wegen falscher Umsatzsteuerangaben entfallen nicht durch diese Fehlerhaftigkeit, denn sie lösen keine Lücke aus, die nicht unmittelbar und durch jeden kundigen Dritten objektiv richtig gefüllt werden könnte. Es handelt sich so genommen um „Erklärungen des Gesetzgebers“, die zu verändern dem Bieter garnicht möglich ist (VK Arnsberg, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 34/08).

107.5.1.2.3.3.3.25 Forderung nach einem Stundenverrechnungssatz Bei einem Stundenverrechnungssatz handelt es sich um eine erforderliche Preisangabe, wenn dieser nicht nur Kalkulationsgrundlage für die jeweils anzubietende Pauschalvergütung ist, sondern nach dem Stundenverrechnungssatz auch diejenigen Leistungen vergütet werden sollen, die nicht Bestandteil der pauschal vergüteten Leistungen sind und bei Bedarf auf besondere Anforderung durch den Auftraggeber erfolgen sollen (1. VK Bund, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 1 - 180/08). Die Nennung eines Betrages einschließlich des Zusatzes „zzgl. tarifl. Zulagen NRW “ stellt eine Preisangabe – als Stundenverrechnungssatz – dar. Die Inbezugnahme der tariflichen Zulagen führt dazu, dass abhängig von Tag und Uhrzeit der angebotene Stundenverrechnungssatz mit oder ohne im Einzelfall einschlägigen in Nordrhein-Westfalen geltenden tariflichen Zulagen zu vergüten ist. Damit handelt es sich aber nicht um eine fehlende Festlegung des Preises und damit eine fehlende Preisangabe, sondern um eine Preisangabe, aus der sich automatisch – und von einem Bieter nicht beeinflussbar – ausgehend vom Zeitpunkt der Leistungserbringung unmittelbar aus dem Angebot heraus ein bestimmter Preisbetrag ergibt (1. VK Bund, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 1 - 180/08).

107.5.1.2.3.3.4 Fehlende geforderte Erklärungen

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Geforderte Erklärungen sind solche, die nicht bereits Inhalt der Ausschreibungsunterlagen sind und von einem Bieter aufgrund eines entsprechenden Verlangens des Auftraggebers zwingend abgegeben werden müssen, damit sie Bestandteil seines Angebots und späterhin des Vertrages werden können (VK Baden-Württemberg, B. v. 15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07; B. v. 31.01.2007 - Az.: 1 VK 83/06; VK Südbayern, B. v. 16.07.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-28-06/07; B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06; 2. VK Bund, B. v. 21.1.2004 - Az.: VK 2 - 126/03). Geforderte Erklärungen können sowohl den technischen Inhalt als auch die rechtlichen und sonstigen Rahmenbedingungen der zu erbringenden Leistung betreffen. Die Erklärungen müssen sich auch genau auf die ausgeschriebene Leistung beziehen (VK Nordbayern, B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07; B. v. 31.01.2007 - Az.: 1 VK 83/06; VK Südbayern, B. v. 5.8.2003 - Az.: 29-07/03). Geforderte Erklärungen, Nachweise oder sonstige mit Angebotsabgabe zu erfüllende Vorgaben müssen vom jeweiligen Bieter selbst erbracht werden. Jedes Angebot ist für sich gesondert dahin zu prüfen, ob es den Vorgaben der Ausschreibung entspricht. Kein Bieter kann sich darauf berufen, dass z.B. geforderte Mustersteine bereits von einem anderen Bieter vorgelegt wurden und er die gleichen Steine angeboten habe wie dieser andere Bieter (VK Hessen, B. v. 11.03.2004 - Az.: 69 d - VK – 06/2004). Auf Grund der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze ist jedes Angebot zwingend auszuschließen, das nicht alle geforderten Preise mit dem Betrag angibt, der für die betreffende Leistung beansprucht wird und auch jedes Angebot, bei dem nicht alle ausweislich der Ausschreibungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten sind (BGH, Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07; Urteil v. 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04; Urteil v. 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; OLG Karlsruhe, B. v. 25.04.2008 - Az.: 15 Verg 2/08; Thüringer OLG, B. v. 31.08.2009 - Az.: 9 Verg 6/09; VK Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09; B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v. 15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07; B. v. 31.01.2007 - Az.: 1 VK 83/06; 2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09; VK Hamburg, B. v. 6.10.2003 - Az.: VKBB-3/03; VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008; B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; VK Nordbayern, B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07; B. v. 21.06.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/07; B. v. 15.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 06/07; VK Südbayern, B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06). Diese Forderung ist auch dann erfüllt, wenn zwar eine geforderte Erklärung (z.B. eine Systemangabe) nicht ausdrücklich abgegeben wird, sich jedoch aus dem Kontext des Angebotes die Erklärung (z.B. das System) eindeutig und zweifelsfrei ergibt (VK Bremen, B. v. 21.09.2005 - Az.: VK 10/05). Ähnlich weit geht das OLG Düsseldorf, das bei geforderten Umsatzzahlen genügen lässt, dass der Bieter eine Aufstellung mit Referenzen vorlegt, aus der sich Auftragssumme, Zeitraum und Art der Arbeit näher ergeben und aus der sich die Umsatzzahlen ermitteln lässt (OLG Düsseldorf, B. v. 06.06.2007 - Az.: VII - Verg 8/07). Nach Auffassung der VK Lüneburg kommt eine Ausnahme vom zwingenden Ausschluss dann in Betracht, wenn nachgereichte Unterlagen oder Erklärungen objektiv betrachtet unter keinen Umständen die Gefahr einer Manipulation hervorrufen können; ein solches

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zunächst mangelhaftes Angebot kann in der Wertung verbleiben (VK Lüneburg, B. v. 21.07.2008 - Az.: VgK-25/2008).

107.5.1.2.3.3.4.1 Eindeutige Bestimmung der geforderten Unterlagen Die Rechtsprechung ist insoweit nicht eindeutig. Die mit dem Fehlen von Erklärungen verbundenen schwerwiegenden Folgen gebieten es, dass die ausschreibende Stelle eindeutig bestimmt, welche Erklärungen sie für die Angebotswertung fordert. Wie die Leistung selbst eindeutig und erschöpfend zu beschreiben ist (vgl. § 9 Nr. 1 VOB/A), erfordert es das Prinzip der Gleichbehandlung (§ 2 Nr. 2 VOB/A) auch, eine objektive Mehrdeutigkeit der Ausschreibungsunterlagen in den geforderten Belegen nicht zum Nachteil eines Bieters ausschlagen zu lassen (BGH, Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07; OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09; B. v. 21.11.2007 - Az.: Verg 32/07; OLG München, B. v. 10.09.2009 - Az.: Verg 10/09; OLG Naumburg, B. v. 02.07.2009 - Az.: 1 Verg 2/09; OLG Rostock, B. v. 08.03.2006 - Az.: 17 Verg 16/05; BayObLG, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 6/03; VK Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 41/09; B. v. 11.08.2009 - Az.: 1 VK 36/09; B. v. 20.01.2009 - Az.: 1 VK 69/08; B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08; B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; B. v. 07.11.2007 - Az.: 1 VK 43/07; 2. VK Bund, B. v. 30.12.2009 - Az.: VK 2 - 222/09; B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 159/05; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 156/05; 3. VK Bund, B. v. 11.03.2010 - Az.: VK 3 - 18/10; B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; VK Düsseldorf, B. v. 19.03.2007 - Az.: VK - 03/2007 – B; VK Hessen, B. v. 10.11.2008 - Az.: 69 d VK – 53/2008; VK Münster, B. v. 25.09.2007 - Az.: VK 20/07; VK Nordbayern, B. v. 21.04.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 10/09; B. v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/08; B. v. 21.06.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/07; B. v. 15.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 06/07; B. v. 28.06.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 21/05; B. v. 28.7.2003 - Az.: 320.VK-3194-26/03; 1. VK Sachsen, B. v. 18.06.2009 - Az.: 1/SVK/017-09; B. v. 07.03.2008 - Az.: 1/SVK/003-08; B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.07.2009 - Az.: VK-SH 05/09; B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; im Ergebnis ebenso VK Südbayern, B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06; 1. VK Bund, B. v. 20.3.2003 - Az.: VK 1 - 13/03). Eindeutig feststehen muss aus Gründen der Gleichbehandlung auch, zu welchem Zeitpunkt die Erklärungen vorliegen müssen (mit dem Angebot oder zu einem späteren Zeitpunkt). Aufgrund einer Unklarheit in den Verdingungsunterlagen kann sich die Nichtvorlage oder fehlerhafte Vorlage von geforderten Belegen nicht zum Nachteil der Bieter z.B. in Form eines Ausschlusses aus dem Vergabeverfahren auswirken (OLG Düsseldorf, B. v. 09.12.2009 - Az.: VII-Verg 37/09; B. v. 07.04.2005 - Az.: VII - Verg 12/05; OLG München, B. v. 10.09.2009 - Az.: Verg 10/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 11.04.2008 - Az.: 1 VK 09/08; VK Düsseldorf, B. v. 19.03.2007 - Az.: VK - 03/2007 – B; 1. VK Brandenburg, B. v. 01.02.2006 – Az.: 1 VK 81/05; VK Nordbayern, B. v. 28.06.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 21/05; 2. VK Bund, B. v. 11.02.2005 - Az.: VK 2 - 223/04). Es muss also erkennbar sein, dass der öffentliche Auftraggeber für das konkrete Vergabeverfahren überhaupt bestimmte Unterlagen fordert. Ferner muss der Inhalt der vorzulegenden Unterlagen eindeutig und unmissverständlich aus der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen hervorgehen (VK Baden-Württemberg, B. v. 10.09.2009 - Az.: 1 VK 41/09; B. v. 11.08.2009 - Az.: 1 VK 36/09).

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Ergibt sich aus den vom Auftraggeber verwendeten unterschiedlichen Formblättern nicht eindeutig, ob mit dem Angebot auch die Namen der möglichen Nachunternehmer anzugeben sind, kann ein Angebot mit der Begründung, die Namen seien nicht angegeben worden, nicht ausgeschlossen werden (1. VK Bund, B. v. 24.03.2005 - Az.: VK 1 - 14/05; VK Hessen, B. v. 10.11.2008 - Az.: 69 d VK – 53/2008). Demgegenüber lässt die VK Magdeburg bei Widersprüchlichkeiten auch eine entsprechende Auslegung der Verdingungsunterlagen zu (VK Magdeburg, B. v. 24.6.2003 - Az.: 33-32571/07 VK 05/03 MD). Wird in den Ausschreibungsunterlagen einmal verlangt, dass der Bieter die Eignungsnachweise vorzulegen habe, an anderer Stelle hingegen formuliert „ Als Nachweis Ihrer Eignung sollten dem Angebot bei Angebotsabgabe als Anlage folgende aktuellen Unterlagen beiliegen ....“ und behält sich an wieder anderer Stelle die Auftraggeberin vor, nicht beiliegende bzw. nicht den Anforderungen entsprechende Dokumente nachzufordern bzw. wird darauf hingewiesen, dass das Fehlen von Nachweisen zum Ausschluss führt, wenn der Bieter der Nachforderung nicht nachkommt bzw. wenn zum Zeitpunkt der abschließenden Wertung eines der Dokumente nicht vorliegt, kann angesichts dieser Vielschichtigkeit, der teils mehrdeutigen und widersprüchlichen Regelungen nicht davon ausgegangen werden, dass ein zwingender Ausschlussgrund vorliegt, wenn die geforderten Nachweise nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden (VK Baden-Württemberg, B. v. 07.11.2007 - Az.: 1 VK 43/07). Sehr weit geht die VK Nordbayern . Nach ihrer Auffassung ist ein Angebot nur dann zwingend wegen einer fehlenden Erklärung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A auszuschließen, wenn die Vergabestelle die Erklärung klar gefordert hat, die Vorlage für den Bieter zumutbar und für die Vergabeentscheidung nicht unerheblich und daher sachlich gerechtfertigt war (VK Nordbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/08).

107.5.1.2.3.3.4.2 Eindeutige Forderung nach Abgabe zusammen mit dem Angebot Enthält die Aufforderung zur Angebotsabgabe die Angabe, dass der Nachweis z. B. bereits erbrachter vergleichbarer Leistungen von den Bietern nur auf Verlangen zu erbringen war, ist die Nachreichung der Referenzlisten nach einer entsprechenden Aufforderung ausreichend; ein Ausschluss ist nicht zulässig (2. VK Bund, B. v. 10.12.2003 - Az.: VK 1 - 116/03; im Ergebnis ebenso 2. VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 62/05). Ein Ausschluss ist ebenfalls nicht zulässig, wenn sich Forderungen nach Abgabe von Nachweisen nicht an die Bieter, sondern an den Auftragnehmer richten. Damit werden die Nachweise nicht bei Angebotsabgabe verlangt, sondern erst vor einer Auftragserteilung (VK Nordbayern, B. v. 30.09.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 39/04). Bei der Frage, ob bestimmte Unterlagen gefordert sind, sind alle Vergabeunterlagen, u.a. auch das Angebotsaufforderungsschreiben zu berücksichtigen. Haben z.B. die Bieter auf Verlangen dem Auftraggeber die Preisermittlung für die vertragliche Leistung (z. B. zwecks Prüfung der Angemessenheit der Preise) zu übergeben und haben die Bieter außerdem die ihrer Kalkulationsmethode entsprechenden Formblätter zur Preisaufgliederung ausgefüllt mit seinem Angebot abzugeben, so handelt es sich bei den geforderten „Formblättern zur Preisaufgliederung“ nicht um die „Preisermittlung“, sondern um die so genannte Urkalkulation (OLG Karlsruhe, B. v. 24.07.2007 - Az.: 17

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Verg 6/07; weiteres instruktives Beispiel: OLG Düsseldorf, B. v. 06.06.2007 - Az.: VII - Verg 8/07). Wenn ein Bieter eine von der Vergabestelle geforderte Erklärung in Kenntnis des Umstands, dass er erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Vorlage verpflichtet ist, bereits zu einem früheren Zeitpunkt als gefordert vorlegt, so muss er sich an dieser Erklärung jedenfalls dann festhalten lassen, wenn er mit der verfrühten Vorlage nicht zugleich deutlich macht, dass dieser Erklärung nur vorbereitender Charakter zukommen soll und eine letztgültige Erklärung zum geforderten späteren Zeitpunkt noch nachfolgen wird (VK Berlin, B. v. 15.07.2009 - Az.: VK - B 1 - 16/09). Vgl. zu den allgemeinen Anforderungen an die Auslegung einer entsprechenden Vergabebekanntmachung die Kommentierung zu § 17 VOB/A RZ 4654/1. Anderer Auffassung sind zumindest teilweise die 2. VK Bund und das OLG Düsseldorf. Der Auffassung, dass ein Bieter, der eine von der Vergabestelle geforderte Erklärung bereits früher als gefordert vorlegt, sich an der Erklärung festhalten lassen muss, wenn er nicht zugleich deutlich gemacht hat, dass der Erklärung nur vorbereitender Charakter zukomme und eine letztgültige Erklärung noch nachfolgen wird, ist indes insoweit nicht zu folgen, als darin ohne weiteres ein zwingender Ausschlussgrund bei vorzeitiger Vorlage inhaltlich unzureichender Erklärungen bejaht wird. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Vergabestelle einen Bieter, der noch keinerlei Erklärung vorgelegt hat, dazu auffordern darf, dies nunmehr zu tun, während sie gleichzeitig nicht einmal die Möglichkeit haben soll, einen Bieter zur Vervollständigung einer bereits vorgelegten, aber inhaltlich unzulänglichen Erklärung aufzufordern. Der vorzeitigen Vorlage einer Erklärung ist regelmäßig auch keine Weigerung des Bieters zu entnehmen, die Erklärung auf entsprechenden Nachweis hin zu ergänzen (2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09). Außerdem beruhen im Allgemeinen inhaltlich unzureichende Erklärungen auf einem Versehen und lassen nicht darauf schließen, der Bieter sei nicht willens oder in der Lage, diese ordnungsgemäß zu ergänzen. Diese Auffassung widerspricht auch Art. 51 Richtlinie 2004/18/EG (bisher nur umgesetzt durch § 7a Nr. 5 Abs. 2 UA 2 VOL/A), wonach der Auftraggeber den Bieter auffordern kann, unzureichende Erklärungen und Nachweise zu vervollständigen (OLG Düsseldorf, B. v. 30.11.2009 - Az.: VII-Verg 41/09).

107.5.1.2.3.3.4.3 Eindeutige Forderung und Hinweis auf die Ausschlusssanktion Die Rechtsprechung hierzu ist nicht eindeutig. Nach einer Auffassung muss auf die zwingende Vorlage bestimmter Unterlagen, z.B. eines Bauzeitenplans, schon mit dem Angebot und darüber hinaus auch unter Hinweis auf die Sanktion des Angebotsausschlusses im Fall der Nichtvorlage deutlich, vorzugsweise im Angebotsanschreiben gem. § 10 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOB/A hingewiesen werden (VK Lüneburg, B. v. 11.06.2004 - Az.: 203-VgK-18/2004). Nach der Gegenmeinung kommt es nicht darauf an, ob die Verdingungsunterlagen den Ausschluss vom Verfahren als Konsequenz explizit benennen, sofern entsprechende Erklärungen (z.B. über Nachunternehmerleistungen) nicht vorliegen. Diese Konsequenz ergibt sich zwingend aus dem Gesetz und hat, sofern sie in den Verdingungsunterlagen genannt wird, lediglich deklaratorische Bedeutung. Es kommt nur darauf an, dass entsprechende Erklärungen eingefordert werden (VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.08.2004 - Az.: VK-SH 19/04).

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Ergibt eine Auslegung der Vergabeunterlagen, dass z.B. eine Nachunternehmererklärung nicht eindeutig gefordert wurde, kommt ein zwingender Ausschluss des insoweit unvollständigen Angebots nicht in Betracht (VK Baden-Württemberg, B. v. 20.05.2009 - Az.: 1 VK 18/09; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007).

107.5.1.2.3.3.4.4 Fehlende oder unvollständige Preisblätter nach dem VHB Werden in den Ausschreibungsunterlagen Erklärungen nach den Formblättern EFB-Preis 1a, 1b und 2 gefordert, dann sind diese Erklärungen als Umstände ausgewiesen, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, so dass die Nichtabgabe dieser Erklärungen mit dem Angebot zwingend zum Ausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b VOB/A führt. Soweit die Auffassung vertreten wird, die Nichtabgabe der genannten Formblätter führt nicht zum Ausschluss des betreffenden Angebots von der Wertung, ist dies mit dem von § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b, § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB angestrebten Zweck, ein transparentes und alle Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren zu gewährleisten, in dem ohne weiteres vergleichbare Angebote auf der Grundlage der Ausschreibungsunterlagen vorliegen, nicht zu vereinbaren (BGH, Urteil vom 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04; Urteil v. 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg 05/06; OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2006 - Az.: VII - Verg 4/06; OLG Frankfurt, B. v. 23.12.2005 - Az.: 11 Verg 13/05; OLG Naumburg, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 12/05; 1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; VK Lüneburg, B. v. 26.04.2007 - Az.: VgK-16/2007; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 06.03.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 3/06; VK Nordbayern, B. v. 24.02.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 04/06; VK Thüringen, B. v. 07.02.2006 - Az.: 360-4002.20-063/05-EF-S; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05; 1. VK Bund, B. v. 14.12.2005 - Az.: VK 1 - 143/05; VK Südbayern, B. v. 19.01.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-56-12/05; B. v. 07.11.2005 - Az. Z3-3-3194-1-40-09/05). Für die Rechtsfolge des zwingenden Angebotsausschlusses spielt es auch keine Rolle, wenn auf einem Formblatt der Hinweis vermerkt ist, dass die Nichtabgabe zum Ausschluss führen kann (OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg 05/06; OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2006 - Az.: VII - Verg 4/06; 1. VK Bund, B. v. 08.03.2006 - Az.: VK 1 - 07/06). Dies gilt auch dann, wenn die Formblätter nur unvollständig ausgefüllt werden (2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 06.03.2006 - Az.: VK 2-LVwA LSA 3/06). Diese Rechtsprechung gilt auch für das Formblatt EFB-Preis 1c (OLG Düsseldorf, B. v. 12.04.2006 - Az.: VII - Verg 4/06; 1. VK Bund, B. v. 08.03.2006 - Az.: VK 1 - 07/06), wobei dieses Formblatt auch von Generalunternehmern auszufüllen ist (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2006 - Az.: VII - Verg 4/06), gegebenenfalls auch zusätzlich zum Formblatt EFB-Preis 1a (OLG Düsseldorf, B. v. 12.04.2006 - Az.: VII - Verg 4/06). Diese Rechtsprechung gilt auch für das Formblatt EFB-Preis 1d (VK Schleswig-Holstein, B. v. 21.12.2005 - Az.: VK-SH 29/05; VK Südbayern, B. v. 07.11.2005 - Az. Z3-3-3194-1-40-09/05) und zwar auch dann, wenn das der Ausschreibung beigefügte Formblatt EFB-Preis 1d auf „Leistungen für Maschinenbau und Elektrotechnik“ bezogen ist, für die ausgeschriebenen Leistungen der Medizintechnik aber das Formblatt EFB-Preis 1c „Sonstige Leistungen“ zutreffend ist (VK Lüneburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VgK-49/2005). Der Vergabestelle steht bei der Entscheidung über den Ausschluss kein Ermessensspielraum zu. Dem steht auch nicht entgegen, dass die entsprechende Bestimmung in § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A als Sollvorschrift formuliert ist. Der

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Sollcharakter der Vorschrift bezieht sich lediglich darauf, dass das Angebot keine weiteren als die geforderten Erklärungen enthält. Der Auftraggeber hat jedoch bei Nichtvorliegen der verlangten Erklärungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Verfahrensweise. Dies gilt nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ohne jede Einschränkung (OLG München, B. v. 07.04.2006 - Az.: Verg 05/06; VK Lüneburg, B. v. 26.04.2007 - Az.: VgK-16/2007; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK-SH 29/05; 1. VK Bund, B. v. 14.12.2005 - Az.: VK 1 - 143/05). Ein Bieter ist nicht verpflichtet, die Formblätter EFB-Preis 1 und EFB-Preis 1b ausgefüllt beizufügen. Der Bieter ist vielmehr verpflichtet, die seiner Kalkulationsmethode entsprechenden Formblätter ausgefüllt mit seinem Angebot abzugeben. Je nach gewählter Kalkulationsmethode des Bieters sind entweder Angaben zur Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen (dann: Vordruck EFB-Preis 1a) oder aber Angaben zur Kalkulation über die Endsumme (dann: Formblatt EFB-Preis 1b) zu machen. Die Preisblätter 1a und 1b haben unterschiedliche Kalkulationsmethoden zum Gegenstand und sind deshalb alternativ auszufüllen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08; VK Lüneburg, B. v. 26.04.2007 - Az.: VgK-16/2007). Nach Auffassung der 1. VK des Bundes ist ein Ausschluss aber nicht zwingend geboten, wenn für den Bieter nicht deutlich wird, welches Formblatt er eigentlich ausfüllen soll - EFB-Preis 1a, 1b oder 1c - (2. VK Bund, B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 159/05; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 156/05 – in diesem Punkt aufgehoben!). Dieser Auffassung kann man zwar zustimmen; sie wird aber erst dann entscheidungserheblich, wenn ein Bieter diese Unklarheit entsprechend früh rügt. Füllt ein Bieter zwar das EFB-Preisblatt 1a nicht aus, fügt er aber ein vollständig ausgefülltes EFB-Preisblatt 1b (Angaben zur Kalkulation über die Endsumme) bei, schadet dies nichts, wenn der Bieter aus den Vergabeunterlagen den Schluss ziehen darf, dass er die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten EFB-Preisblätter alternativ ausfüllen muss (VK Lüneburg, B. v. 22.03.2006 - Az.: VgK-05/2006). Auch wenn man annimmt, dass die Formblätter EFB Preis 1 a und 1 b alternativ auszufüllen sind, weil sie verschiedene Kalkulationsmethoden zum Gegenstand haben, nämlich die „Kalkulation mit vorbestimmten Zuschlägen“ und die „Kalkulation über die Endsumme“, erstreckt sich das Alternativverhältnis nicht auf das Formblatt EFB Preis 1 c. Denn dieses fordert über die Formblätter 1 a und b hinaus die Angabe von Kalkulationszuschlägen für die Leistungen des Ausbaugewerbes, weshalb es in jedem Falle zusätzlich auszufüllen ist. Der Auftraggeber will damit in Erfahrung bringen, welche Zuschläge die Bieter auf die vielfältigen Ausbauleistungen berechnen. Dies ist für ihn unter mehreren nachvollziehbaren Gesichtspunkten von Interesse, namentlich für die Beurteilung der Preisermittlungsgrundlagen im Falle späterer Preisverhandlungen nach § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2006 - Az.: VII - Verg 4/06). Fügt der Bieter an Stelle des Formulars des Auftraggebers ein selbst entworfenes EDV-Formblatt , z.B. versehen mit der Überschrift "Angaben zur Preisermittlung bei Endsummenkalkulation EFB-Preis 1b" bei, ist ein solcher Eigenentwurf eines Bieters nur dann vergaberechtlich unbedenklich, wenn er alle im amtlichen EFB-Preisvordruck enthaltenen Angaben enthält und somit mit diesem identisch ist (1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; VK Lüneburg, B. v. 26.04.2007 - Az.: VgK-16/2007).

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107.5.1.2.3.3.4.5 Fehlende oder unvollständige oder widersprüchliche Angabe der Nachunternehmerleistungen

107.5.1.2.3.3.4.5.1 Grundsatz

Insbesondere die Bundesländer fordern - auf der rechtlichen Grundlage von Tariftreue- oder Landesvergabegesetzen (vgl. die Kommentierung zu § 97 Abs. 4 GWB RZ 392) - von den Bewerbern die Angabe, welche Leistungen an Nachunternehmer vergeben werden. Öffentliche Auftraggeber können auch nach § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A die Bieter auffordern, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 10 VOB/A RZ 4349). Zu den "Erklärungen" im Sinn von § 21 VOB/A gehören auch Angaben dazu, welche Leistungen der Bieter nicht selbst erbringen, sondern durch Nachunternehmer erbringen lassen will. Liegt eine solche Erklärung nicht vor , ist das Angebot zwingend auszuschließen (BGH, Urteil vom 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04; OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08; OLG Düsseldorf, B. v. 30.11.2009 - Az.: VII-Verg 41/09; VK Arnsberg, B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08; 2. VK Bund, B. v. 30.05.2008 - Az.: VK 2 – 55/08; VK Nordbayern, B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; VK Südbayern, B. v. 31.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/07). Bei Nachunternehmererklärungen kann ein Einfluss auf den Wettbewerb auch nicht ausgeschlossen werden. Denn Art und Umfang einschließlich der Frage der Tariftreuebindung eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes stellen eine kalkulationserhebliche Erklärung dar, die sich auf die Wettbewerbsstellung auswirkt. Für den Bieter ist bei der Angebotskalkulation von erheblicher Bedeutung, welche Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt und welche z.B. aus betriebswirtschaftlichen oder technischen Gründen auf Nachunternehmen übertragen werden. Wegen dieser Preiswirksamkeit kann eine Vergabestelle deshalb durchaus ein Interesse daran haben, dass bereits mit dem Angebot die Art und der Umfang des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes eindeutig zu erklären und Nachunternehmererklärungen vorzulegen sind (LG Hannover, Urteil v. 17.09.2007 - Az.: 10 O 63/07; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07). Gerade bei größeren Projekten besteht ein erhebliches Interesse der Vergabestelle daran, über die Vertragspartner und deren Subunternehmer Bescheid zu wissen. Die zuverlässige Ausführung der Leistung hängt nicht nur von der Fachkunde und Leistungsfähigkeit des Bieters ab, sondern auch von der Eignung der von ihm eingeschalteten Nachunternehmer, welche die Leistung faktisch erbringen. Darum ist der Vergabestelle grundsätzlich zuzubilligen, vor der Zuschlagserteilung die Eignung der Nachunternehmer überprüfen zu können (OLG München, B. v. 22.01.2009 - Az.: Verg 26/08). Es ist auch hinsichtlich der Forderung nach Angabe der Nachunternehmer Sache des Auftraggebers, auf eine eindeutige und transparente Formulierung der Forderungen zu achten. So muss er z.B. eine Definition des Begriffs der "(anderen) Unternehmen" in dem Sinne in die Vergabeunterlagen aufnehmen, dass sämtliche, selbständigen, aber auch konzernverbundenen Unternehmen, wie z.B. ein Schwester- oder Tochterunternehmen oder eine Muttergesellschaft, im europarechtlichen Sinne "Unternehmen" sind. Schließlich muss er

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klarstellen, dass ein "Sich der Fähigkeiten bedienen" nicht nur in der Ausführung eines Teils der Hauptleistung, sondern auch in der (notwendigen) Ausführung einer Nebenleistung durch ein drittes Unternehmen liegt. Alternativ hat der Auftraggeber auch im Wege einer negativen Abgrenzung die Tätigkeiten aufzählen können, für die er eine Benennung eines Unternehmers und Verpflichtungserklärungen nicht fordert (etwa Hilfstätigkeiten wie Speditionsleistungen oder die Lieferung von Baustoffen durch den Hersteller). Dies verlangt vom Auftraggeber nichts Unzumutbares. Sind die Verdingungsunterlagen in Verbindung mit den Umständen in diesem Punkt unklar und hat dies der Auftraggeber zu verantworten, darf ein Ausschluss des Angebots wegen Unvollständigkeit der Nachunternehmerliste auf diese Bewerbungsbedingung nicht gestützt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08; im Ergebnis ebenso VK Hessen, B. v. 10.11.2008 - Az.: 69 d VK – 53/2008).

107.5.1.2.3.3.4.5.2 Forderung nach Angabe der Nachunternehmer „der zweiten Reihe“

Zur Forderung bzw. Verpflichtung nach Angabe der Nachunternehmer „der zweiten Reihe“ vgl. die Kommentierung RZ 376.

107.5.1.2.3.3.4.5.3 Auslegung einer Nachunternehmererklärung

Die Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz sind nach § 133 BGB auszulegen. Nur solche Umstände dürfen dabei berücksichtigt werden, die bei dem Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren. Auf dessen Horizont und Verständnismöglichkeit ist bei der Auslegung abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat. Entscheidend ist im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (BGH, Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07; OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08). In diesem Zusammenhang ist auf die Sicht eines "verständigen Auftraggebers in dessen damaliger Situation" abzustellen. Beachtet werden muss bei der Interpretation von Bietererklärungen schließlich auch das in § 97 Abs. 1 und 2 GWB aufgestellte Gebot der Auftragsvergabe im Rahmen eines transparenten Wettbewerbs und der Gleichbehandlung der Bieter (BayObLG, B. v. 11.2.2004 - Az.: Verg 1/04; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05). Muss ein Bieter aufgrund der Gestaltung der Verdingungsunterlagen erkennen, dass mit den beiden grundlegenden Alternativen (z.B. nach den Mustern des VHB) verschiedene und sich gegenseitig ausschließende Unternehmenseigenschaften abgefragt waren, denn entweder konnte ein Unternehmen darauf eingerichtet oder nicht darauf eingerichtet sein, die angebotenen Leistungen im eigenen Betrieb zu erbringen, hat ein Schweigen eines Bieters in diesem Punkt keinen Erklärungswert. Es ist erst recht nicht dahin auszulegen, er habe erklären wollen, die Leistungen vollständig im eigenen Unternehmen zu erbringen. Für ein derartiges Verständnis fehlt es an zureichenden Anhaltspunkten. So bleibt denkbar, dass Angaben versehentlich unterblieben waren. Genauso wenig ist auszuschließen, dass ein Bieter Angaben bewusst unterlässt und eine Zustimmung des Auftraggebers erwartet, wenn sich in der Ausführungsphase herausstellen sollte, dass Nachunternehmer zuziehen sein würden. Ausdrückliche Erklärungen zur Ausführung im eigenen Betrieb werden abgefordert, damit in der Phase der Auftragsausführung klare Verhältnisse darüber herrschen, ob der Auftragnehmer die Leistungen selbst oder durch einen Nachunternehmer erbringt. Darum sind Angaben zur Ausführung im eigenen Unternehmen – sofern sie bei der Angebotsabgabe

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abgefragt werden – vom Bieter zwingend zu machen. Das Unterlassen einer dahingehenden Erklärung kann nicht durch eine Auslegung ersetzt werden, der zufolge es so angesehen werden soll, als sei das Unternehmen des Bieters auf eine Selbstausführung eingerichtet und werde die Leistungen im eigenen Unternehmen erbringen (OLG Düsseldorf, B. v. 30.06.2004 - Az.: VII – Verg 22/04). Es ist jedoch insoweit weder Aufgabe der Vergabestelle, noch ist es für sie zumutbar, erst durch intensive Durchsicht der Angebotsunterlagen herauszufinden, in welchem Umfang der Bieter den Einsatz von Nachunternehmern angeboten hat. Dies würde zu einer unzulässigen Umkehr der Pflichten von Vergabestelle und Bietern führen. Die Verpflichtung der Vergabestelle, den Leistungsinhalt eindeutig und erschöpfend zu beschreiben (vgl. § 9 Nr. 1 VOB/A), entspricht auf der anderen Seite die Verpflichtung der Bieter, die geforderten Erklärungen zum Eigenleistungs- und Nachunternehmeranteil in einer präzisen und unmissverständlichen Weise abzugeben. Der Auftraggeber kann von diesem Erfordernis auch nicht absehen, da dies eine Verletzung der Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung zur Folge haben würde. Die Angebotsbedingungen gelten gleichermaßen für alle Bieter des Vergabeverfahrens. Der öffentliche Auftraggeber hat hier keinen Ermessensspielraum (VG Neustadt an der Weinstraße, B. v. 20.02.2006 - Az.: 4 L 210/06; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 16.03.2005 - Az.: VK 05/04). Das Schleswig-Holsteinische OLG vertritt im Gegensatz dazu eine eher moderate Position. Nach dieser Auffassung ist die zu einzelnen Positionen erfolgte Angabe, Nachunternehmer nur "anteilig" beauftragen zu wollen, nicht unbestimmt. Soweit sie sich auf Leistungspositionen bezieht, die sich "querschnittsartig" im Leistungsverzeichnis finden (z.B. Baustelleneinrichtung), ist sie - sinnvoll - dahin zu verstehen, dass die "anteilige" Zuordnung dieser Querschnittspositionen in Bezug auf die jeweils betroffene Nachunternehmerleistung erfolgen soll. Im Übrigen ergibt sich bei der gebotenen Auslegung der Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters (§ 133 BGB), dass die "anteilige" Tätigkeit von Nachunternehmern sich auf die - schlagwortartig bezeichnete - Teilleistung (z.B. "Fräsarbeiten") aus einer Position bezieht, die jeweils an einen Nachunternehmer vergeben werden soll. Es mag sein, dass eine andere Auslegung denkbar ist (z. B. hinsichtlich der Mengensätze), wenngleich dies nicht als nahe liegend erscheint. Allein wegen dieser Möglichkeit kann aber nicht von einer mangelhaften Erklärung i. S. d. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A ausgegangen werden. Zum einen ist dazu im Rahmen des § 24 VOB/A eine Aufklärung zulässig, ohne dass insoweit der Angebotsinhalt verändert wird. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass von der Angabe "anteilig" nur wenige Bereiche des sehr umfangreichen Leistungsverzeichnisses betroffen sind. Der "Wert" der Nachunternehmerleistung bleibt bei verständiger Angebotsauslegung ermittelbar. Die Nachunternehmererklärung ermöglicht es der Vergabestelle, sich über den Inhalt einer (unterstellt) zu Gunsten der Beschwerdeführerin erfolgenden Vergabeentscheidung hinreichende Gewissheit verschaffen kann (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 10.03.2006 - Az.: 1 (6) Verg 13/05). Auch nach Auffassung der VK Brandenburg greift die „scharfe“ Sanktion eines zwingenden Angebotsausschlusses dann nicht, wenn z.B. bei einer unvollständigen Verpflichtungserklärung die fehlenden Ordnungsziffern weniger als 0,1 % der Gesamtleistung ausmachen und deshalb weder kalkulationserheblich noch wettbewerbsrelevant sind (1. VK Brandenburg, B. v. 11.07.2007 - Az.: 1 VK 23/07).

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Der BGH bleibt in einer neueren Entscheidung bei seiner sehr konsequenten Linie, die eine Auslegung zu Gunsten eines Bieters kaum einen Spielraum lässt (BGH, Urteil vom 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04).

107.5.1.2.3.3.4.5.4 Fehlende „Verfügbarkeitserklärung“ hinsichtlich der Nachunternehmerleistungen

Mit Blick insbesondere auf die Rechtsprechung des EuGH zum Einsatz von Nachunternehmern und die Pflicht des Bieters, auch ohne besondere Erklärung darzulegen, inwieweit die Ressourcen des Nachunternehmers dem Bieter tatsächlich zur Verfügung stehen (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 353), hat u.a. der Bund das VHB geändert und sieht im Formblatt EFB U EG 317 (317 EG) – für Vergaben ab den Schwellenwerten – vor, dass Nachweise darüber vorzulegen sind, dass dem Bieter die erforderlichen Mittel der Nachunternehmer zur Verfügung stehen, ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen dem Bieter und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen. Die Vorlage einer Erklärung des Nachunternehmers, dass dieser dem Bieter im Falle der Auftragserteilung zur Verfügung steht, eröffnet der Vergabestelle eine größere Sicherheit bei der Überprüfung der Angaben der Bieter. Denn es ist durchaus möglich, dass ein Bieter einen Nachunternehmer benennt, ohne sich dessen Mitwirkung zu versichern. Ein solcher Bieter würde sich auf Kosten der übrigen Bieter, die mit ihren Nachunternehmern möglicherweise bereits Vorverträge geschlossen haben, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Vergabestelle kann bei der Angebotswertung aufgrund der Papierform eine Verifizierung der Angaben der Bieter aber nicht vornehmen. Es ist daher aus ihrer Sicht sinnvoll, sich für den Fall des Einsatzes von Nachunternehmern bei der Angebotsabgabe gleichzeitig eine Erklärung bzw. einen Nachweis vorlegen zu lassen, dass der Bieter über die genannten Ressourcen auch verfügt (2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 - 80/06). Fehlt eine solche Verfügbarkeitserklärung , ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 20.10.2008 - Az.: VII - Verg 41/08; B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07; OLG München, B. v. 22.01.2009 - Az.: Verg 26/08; B. v. 06.11.2006 - Az.: Verg 17/06; VK Brandenburg, B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.10.2007 – Az.: VK-SH 20/07; VK Nordbayern, B. v. 08.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 05/07; VK Münster, B. v. 13.02.2007 - Az.: VK 17/06; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 09.02.2007 - Az.: 1 VK LVwA 43/06; VK Südbayern, B. v. 31.05.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-17-04/07; B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; B. v. 23.10.2006 - Az.: 30-09/06; VK Thüringen, B. v. 23.03.2007 - Az.: 360-4002.20-874/2007 - 002-SÖM; B. v. 11.10.2006 - Az.: 360-4002.20-026/06-SLF; 1. VK Bund, B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 12/08; B. v. 14.02.2008 - Az.: VK 1 - 9/08; B. v. 22.09.2006 - Az.: VK 1 - 103/06; 2. VK Bund, B. v. 03.07.2007 - Az.: VK 2 - 45/07, VK 2 - 57/07; B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 - 80/06). Ein Nachreichen ist nicht zulässig (1. VK Bund, B. v. 22.09.2006 - Az.: VK 1 - 103/06). Ein Nachunternehmerverzeichnis ist als bieterseitige Auflistung der im Zuschlagsfall zum Einsatz kommenden Nachunternehmen nicht mit der Erklärung dieser Unternehmen gleichzusetzen, dass diese zur Erbringung der Nachunternehmerleistung auch tatsächlich in der Lage und willens sind (VK Sachsen-Anhalt, B. v. 12.09.2008 - Az: 1 VK LVwA 11/08).

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Für den zwingenden Ausschluss eines Angebotes ist es unerheblich, ob das Fehlen der Verpflichtungserklärung eines anderen Unternehmens für die Übernahme von Teilleistungen einen mehr oder weniger bedeutenden Teil der ausgeschriebenen Leistungen betrifft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der die Vergabesenate der Oberlandesgerichte gefolgt sind, kommt es auf die Bedeutung bzw. die Wettbewerbsrelevanz einer mit Angebotsabgabe geforderten und gleichwohl im Angebot fehlenden Erklärung nicht an, weil nur bei formenstrenger Angebotswertung die Gleichbehandlung aller Bieter gewährleistet ist (OLG Naumburg, B. v. 04.09.2008 – Az.: 1 Verg 4/08). Die 2. VK Bund lässt von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu, wenn der Auftraggeber einen Vertrauenstatbestand gesetzt hat, aufgrund dessen der Bieter davon ausgehen konnte, keine Verfügbarkeitserklärung vorlegen zu müssen, z.B. wenn der Auftraggeber in einem Verhandlungsverfahren den Bietern eine Liste der nachzureichenden Unterlagen übersendet und in dieser Liste den Verfügbarkeitsnachweis vergisst (2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 48/07). Nach allgemeinen Grundsätzen versteht man unter einer Verpflichtungserklärung die Verpflichtung eines Rechtsträgers zur Vornahme eines Tuns, Duldens oder Unterlassens. Im Normalfall bedeutet diese Verpflichtung, dass ein anderer Rechtsträger dieses Tun, Dulden oder Unterlassen von dem Verpflichteten einfordern kann, d. h., es entsteht ein Anspruch gegen den Verpflichteten. Hierzu genügen keinesfalls unverbindliche Absichtserklärungen. Vielmehr muss der Bieter von seinem benannten Nachunternehmer nach Zuschlagserteilung die Durchführung des Werkvertrages fordern können. Dies bedeutet, dass für eine Verpflichtungserklärung nur aufschiebend bedingte, verbindliche Vorverträge oder rechtlich verbindliche Einstandsverpflichtungserklärungen (harte Patronatserklärung) von der Vergabestelle akzeptiert werden können. Nur so kann die "wirtschaftliche Einheit" von Bieter und Nachunternehmer für den Auftraggeber gewährleistet werden (VK Brandenburg, B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07; VK Südbayern, B. v. 23.10.2006 - Az.: 30-09/06). Die Berufung auf die Leistungen eines anderen Unternehmens im Rahmen des Nachweises der Leistung und Fachkunde ist zulässig; sie ist aber davon abhängig, dass der Bieter den Nachweis darüber führt, dass ihm die erforderlichen Mittel des anderen Unternehmens bei der Erfüllung des Auftrages zur Verfügung stehen. Aus der Erklärung muss hervorgehen, dass ein Zugriffsrecht auf fremde Ressourcen tatsächlich besteht; die Erklärung muss sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auch gerade auf die für die Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel beziehen. Diesen Anforderungen genügt eine Erklärung nicht, wenn dort zwar uneingeschränkt die Vorlage der Nachweise der Muttergesellschaft zugunsten der Tochtergesellschaft gebilligt wird, eine verbindliche Vereinbarung über die Überlassung bestimmter, zur Erfüllung des Auftrages erforderlicher Mittel jedoch nicht getroffen, sondern einer späteren Vereinbarung vorbehalten wird. Die Personenidentität des Betriebsstättenleiters und des Geschäftsführers zweier Unternehmen ist zur Erfüllung der in § 7a Nr. 3 Abs. 6 S. 2 normierten Anforderungen nicht geeignet, weil sie nicht zwingend den Schluss auf die Verpflichtung eines der Unternehmen zur Überlassung technischer oder personeller Mittel an das andere Unternehmen zulässt (OLG Brandenburg, B. v. 09.02.2010 - Az.: Verg W 10/09; B. v. 09.02.2010 - Az.: Verg W 9/09). Gegenüber der Vergabestelle ist die Verpflichtungserklärung lediglich eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung (OLG München, B. v. 22.01.2009 - Az.: Verg 26/08).

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Führen die Nachunternehmer in den Nachunternehmererklärungen lediglich aus, dass ihnen selbst die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, genügt eine solche Erklärung nicht, insbesondere dann, wenn sie ohne jeden Hinweis auf die für den konkreten Ausführungszeitraum vorhandene Vertragsgestaltung mit den Nachunternehmern, auf die der Bieter dann verbindlich zurückgreifen könnte, sind (VK Südbayern, B. v. 23.10.2006 - Az.: 30-09/06). Eine fachlosbezogene Angabe der Arbeiten wie auch die Angabe des Bauzeitraumes sind in der Verfügbarkeitserklärung zwar möglich, aber nicht erforderlich (OLG München, B. v. 06.11.2006 - Az.: Verg 17/06). Wird ein Angebot durch eine Bietergemeinschaft abgegeben, müssen die Nachunternehmer eine Verpflichtungserklärung auch gegenüber der Bietergemeinschaft abgeben; eine Erklärung nur einem Mitglied der Bietergemeinschaft gegenüber genügt nicht (VK Thüringen, B. v. 23.03.2007 - Az.: 360-4002.20-874/2007 - 002-SÖM). Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 S. 2 der Vergabekoordinierungsrichtlinie nennen zwar als Beispiel für den Nachweis die Vorlage von Zusagen der Unternehmen, deren Mittel der Bieter einzusetzen beabsichtigt und stellen insoweit auf einen Fremdbeleg ab, doch ist damit keine abschließende Regelung hinsichtlich der Art des Nachweises getroffen. Eigenbelege dürften deshalb grundsätzlich zulässig sein, wenn sich der Auftraggeber mit dieser Form der Verfügbarkeitserklärung begnügt (2. VK Bund, B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 – 131/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 - 128/06; B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 2 - 125/06). Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, die Vorlage einer Verpflichtungserklärung bereits in der Bekanntmachung der Ausschreibung zu verlangen. Nach Artikel 47 Abs. 2 und 4, Artikel 48 Abs. 3 und 6 der Vergabekoordinierungsrichtlinie vom 31.3.2004 können Nachweise zu Nachunternehmern sowohl in der Bekanntmachung als auch in den Vergabeunterlagen gefordert werden. Auch wenn in Artikel 48 Abs. 6, anders wie in Artikel 47 Abs. 4, die Passage über Nachunternehmer nicht in Bezug genommen ist, bleibt es, abgesehen davon, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen handeln könnte, dabei, dass, wenn schon die diesbezüglichen Angaben des Bieters selbst erst mit den Vergabeunterlagen gefordert werden können, dies erst recht für entsprechende Nachweise zum Nachunternehmer gilt. Im Übrigen ergibt sich auch aus Artikel 36 der Richtlinie in Verbindung mit Anhang VII Teil A zur Richtlinie, dass Verpflichtungserklärungen nicht bereits in der Bekanntmachung gefordert werden müssen (OLG Naumburg, B. v. 04.09.2008 – Az.: 1 Verg 4/08; OLG München, B. v. 06.11.2006 - Az.: Verg 17/06; 1. VK Bund, B. v. 30.10.2007 - Az.: VK 1 - 113/07; B. v. 24.10.2007 - Az.: VK 1 - 116/07; VK Düsseldorf, B. v. 26.06.2007 - Az.: VK - 18/2007 – B). Nach Auffassung der 1. VK Bund ist vergaberechtlich weder die Forderung in der Bekanntmachung noch den Verdingungsunterlagen geboten. Denn die Verpflichtung, dass ein Bieter, der zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit einen Nachunternehmer einsetzen will, dem Auftraggeber nachzuweisen hat, dass er über die Mittel des als Nachunternehmen benannten Unternehmens verfügen kann, ergibt sich unmittelbar aus § 8a Nr. 10 VOB/A bzw. aus § 7 a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A. Die Nachweispflicht besteht nach diesen Vorschriften unabhängig davon, ob die Vorlage von Verpflichtungserklärungen vom Auftraggeber (in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen) gefordert worden ist. Auch aus dem Transparenzgebot folgt angesichts des klaren Wortlauts der genannten

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Vorschriften nicht , dass der Auftraggeber die sich unmittelbar aus der Norm ergebende Verpflichtung des Bieters/Bewerbers noch einmal in der Bekanntmachung wiederholen muss. Dagegen spricht auch nicht § 7 a Nr. 3 Abs. 3 VOL/A. Nach dieser Vorschrift gibt der Auftraggeber in der Bekanntmachung an, welche Nachweise vorzulegen sind. Dies kann sich nach Sinn und Zweck sowie dem Normzusammenhang der Vorschrift jedoch nur auf solche Nachweise beziehen, zu deren konkreter Vorlage der Bieter nicht bereits aufgrund einer vergaberechtlichen Vorschrift ohnehin verpflichtet ist. Das ist bei der Verfügbarkeitserklärung gemäß § 8a Nr. 10 VOB/A bzw. § 7a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A jedoch der Fall. Für die Verpflichtung, den Verfügbarkeitsnachweis hinsichtlich der von dem Bieter benannten Nachunternehmen zu erbringen, ist es daher unerheblich, wenn ein Auftraggeber weder in der Bekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen einen entsprechenden Nachweis gefordert hat (1. VK Bund, B. v. 30.10.2007 - Az.: VK 1 - 113/07; B. v. 24.10.2007 - Az.: VK 1 - 116/07; B. v. 02.10.2007 - Az.: VK 1 – 104/07). Dies gilt auch für einen Teilnahmewettbewerb. Für den VOL-Bereich besagt § 7a Nr. 4 Satz 1 VOL/A, dass der Auftraggeber anhand der in Nr. 2 Abs. 2 und Nr. 3 geforderten, mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Unterlagen die zur Angebotsabgabe aufzufordernden Bewerber auswählt. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass das Fehlen eines nicht vom Auftraggeber in der Bekanntmachung geforderten Nachweises in jedem Fall für die Eignungsprüfung unbeachtlich ist. Andernfalls hätte § 7a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A, der eine Verpflichtung zur Vorlage eines Verfügbarkeitsnachweises unabhängig von einer Anforderung des Auftraggebers begründet, keinen Sinn. Denn dann dürfte der Auftraggeber einen von einem Bieter/Bewerber gemäß seiner Verpflichtung aus § 7a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A vorgelegten Nachweis nicht berücksichtigen, wenn der Auftraggeber die Vorlage eines solchen Nachweises nicht auch in der Bekanntmachung gefordert hat. Das kann nicht richtig sein. § 7a Nr. 4 Satz 1 VOL/A ist daher im Normzusammenhang so zu verstehen, dass die dort genannten Nachweise, die für die Teilnehmerauswahl herangezogen werden, nicht abschließend aufgezählt sind. Vielmehr darf der öffentliche Auftraggeber auch solche Nachweise berücksichtigen, die vom Bewerber aufgrund einer sich aus den vergaberechtlichen Vorschriften ergebenden gesetzlichen Verpflichtung vorgelegt werden. Ebenso muss der Auftraggeber auch solche Nachweise berücksichtigen, die nicht mit dem Teilnahmeantrag vorgelegt werden, sondern vergaberechtlich zulässig zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden dürfen (z.B. wenn in der Bekanntmachung angegeben ist, dass geforderte Unterlagen erst auf Verlangen des Auftraggebers einzureichen sind). Demnach ist ein Bieter/Bewerber gemäß § 7 a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A verpflichtet, Verfügbarkeitserklärungen seiner Nachunternehmer vorzulegen (1. VK Bund, B. v. 24.10.2007 - Az.: VK 1 - 116/07; B. v. 02.10.2007 - Az.: VK 1 – 104/07). Dies gilt auch für den VOB-Bereich. Die Verpflichtungserklärungen müssen auch inhaltlich ausreichend sein. Verpflichtungserklärungen, die lediglich die Bezeichnung des anderen Unternehmens und die Unterzeichnung enthalten, jedoch bezüglich der Firma, der gegenüber bzw. für die die Verpflichtung erklärt werden soll, nicht ausgefüllt sind und auch ansonsten keine Anhaltspunkte, die eine Auslegung als Verpflichtungserklärung gegenüber der bzw. für die Antragstellerin tragen würden, bieten, reichen nicht aus. Ohne Bezeichnung des Unternehmens, bei dessen Beauftragung der Nachunternehmer sich seinerseits verpflichten will, kann jedoch nicht von einer rechtlich beachtlichen Erklärung gesprochen werden. Ebenso sind Verpflichtungserklärungen, in denen nur eine Teilleistung (z.B. „Kabelbau“) angegeben sind und in denen nicht alle einschlägigen Ordnungsziffern des Leistungsverzeichnisses wiederholt werden, nicht ausreichend. Im Falle einer „Mischbenennung“ einer Teilleistung muss deutlich werden, welches Unternehmen welche „Teil – Teilleistung“ durchführen will, was aussagefähig nur anhand der Splittung der

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Ordnungsziffern erfolgen kannte. Nur dann kannte der Auftraggeber feststellen, ob der gesamte Bereich abgedeckt ist (VK Düsseldorf, B. v. 26.06.2007 - Az.: VK - 18/2007 – B). Die Erklärung des Nachunternehmers muss auch verbindlich sein; gerade darin besteht deren eigentlicher Sinn. Die Vorlage einer Erklärung des Nachunternehmers, wonach dieser dem Bieter im Falle der Auftragserteilung zur Verfügung steht, eröffnet der Vergabestelle eine größere Sicherheit bei der Überprüfung der Angaben der Bieter. Denn es ist durchaus möglich, dass ein Bieter einen Nachunternehmer benennt, ohne sich dessen Mitwirkung zu versichern. Ein solcher Bieter würde sich auf Kosten der übrigen Bieter, die mit ihren Nachunternehmern möglicherweise bereits Vorverträge geschlossen haben, einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Dies bedeutet, dass für eine Verpflichtungserklärung nur aufschiebend bedingte, verbindliche Vorverträge oder rechtlich verbindliche Einstandsverpflichtungserklärungen von der Vergabestelle akzeptiert werden können. Dem Auftraggeber muss die Prüfung möglich sein, ob dem Bieter während des Auftragszeitraums tatsächlich die Mittel aller Art zur Verfügung stehen, auf die er sich beruft (VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.10.2007 – Az.: VK-SH 20/07). Ein Stempel allein – ohne Unterschrift - verschafft der Erklärung nicht die notwendige Rechtsverbindlichkeit. Er bezeichnet lediglich – zur Vereinfachung der Schreibarbeit – das „andere Unternehmen“. Dass es sich zweifelsfrei um eine rechtsverbindliche Erklärung des Nachunternehmers handelt, ergibt sich daraus nicht (VK Brandenburg, B. v. 21.11.2007 - Az.: VK 45/07). Reicht ein Bieter die Verpflichtungserklärung des von ihm vorgesehenen Unternehmens nur in Fax-Kopie ein, d.h. ohne eine Originalunterschrift eines Bevollmächtigten dieses anderen Unternehmens, kann ein Ausschluss auf eine fehlende Originalunterschrift jedoch nicht gestützt werden, wenn es jedenfalls an einem eindeutigen Verlangen einer original unterschriebenen Erklärung des dritten Unternehmens fehlt (OLG Naumburg, B. v. 05.12.2008 - Az.: 1 Verg 9/08). Zur Frage der Auslegung einer Verfügbarkeitserklärung vgl. die Kommentierung zu § 21 VOB/A RZ 5005. Zur Frage, ob Verfügbarkeitsnachweise Eignungsnachweise darstellen, vgl. die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 483/1. Weder § 8a VOB/A noch § 7a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A sagen allerdings etwas darüber aus, zu welchem Zeitpunkt die Verfügbarkeitsnachweise zu führen sind (OLG München, B. v. 22.01.2009 - Az.: Verg 26/08). Insbesondere gebieten diese Vorschriften nicht, dass die Nachweise mit dem Teilnahmeantrag oder vor Ablauf der Bewerbungsfrist vorzulegen ist, so dass ein zwingender Ausschluss wegen eines unvollständigen Teilnahmeantrages hiernach nicht in Betracht kommt (außer wenn der Auftraggeber die Vorlage mit dem Angebot angeordnet hat). In einem solchen Fall kann ein Bieter bzw. Bewerber seiner Nachweispflicht aus § 8a Nr. 10 VOB/A bzw. § 7a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A auch nach Ablauf der Bewerbungsfrist nachkommen (1. VK Bund, B. v. 24.10.2007 - Az.: VK 1 - 116/07; B. v. 02.10.2007 - Az.: VK 1 – 104/07). Geben die Nachunternehmer der zweiten Reihe Verpflichtungserklärungen nur zugunsten des Nachunternehmers der ersten Reihe, nicht jedoch gegenüber dem Generalunternehmer ab, rechtfertigt dies einen Ausschluss des Angebotes des Generalunternehmers nicht. Für alle eingeschalteten Nachunternehmer im ersten und

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zweiten Glied liegt eine Verpflichtungserklärung vor, die sich auf den Generalunternehmer zurückführen lassen. Dies reicht für die Annahme aus, dass dem Generalunternehmer als Bieterin die Leistungen der Nachunternehmer zur Verfügung stehen. Das Vertragsgefüge zwischen Haupt- und Nachunternehmern ist derart, dass sich der Auftraggeber an den Bieter, der Bieter an den Subunternehmer und der Sub-Subunternehmer seinerseits sich an seinen Subunternehmer bindet. Dies ist auch jedem öffentlichen Auftraggeber bekannt. Wenn er hiervon abweichend unabhängig von den vertraglichen Strukturen Verpflichtungserklärungen zugunsten des Bieters hätte verlangen wollen, hätte er hierauf besonders hinweisen müssen. Geschieht dies nicht, sind die Erklärungen der Sub-Subunternehmer gegenüber dem Generalunternehmer ausreichend (OLG Brandenburg, B. v. 19.02.2008 - Az.: Verg W 22/07). Unschädlich ist es auch, wenn ein Nachunternehmer der zweiten Reihe in seiner Verpflichtungserklärung auf sein Angebot Bezug nimmt, das nicht vorgelegt wird. Der Auftraggeber fordert die Vorlage einer Verpflichtungserklärung eines Nachunternehmers, um sicher zu gehen, dass der Generalunternehmer bzw. seine Nachunternehmer über die Leistungen des Nachunternehmers der zweiten Reihe verfügt. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung hat der betreffende Nachunternehmer der zweiten Reihe abgegeben. Er hat erklärt, dass er sich verpflichtet, die entsprechenden Leistungsverzeichnispositionen auszuführen. Für die Frage der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bieters ist es ohne Bedeutung, welche Konditionen er mit seinem Nachunternehmer vereinbart hat. Das Angebot des Nachunternehmers ist deshalb nicht Bestandteil der im Rahmen eines Vergabeverfahren vom Auftraggeber geforderten Subunternehmer-Verpflichtungserklärung und muss auch nicht vorgelegt werden, damit von einer Vollständigkeit des Angebotes ausgegangen werden kann (OLG Brandenburg, B. v. 19.02.2008 - Az.: Verg W 22/07). Finden sich weder in der Bekanntmachung noch in der Aufforderung zur Angebotsabgabe Angaben darüber, wie in dem Sonderfall des Nachunternehmerwechsels mit Zustimmung des Auftraggebers weiter zu verfahren ist und wird insbesondere nicht gefordert, dass spätestens bei Angebotsabgabefrist entsprechende Nachweise für im Vergleich zum Teilnahmewettbewerb ausgewechselte Nachunternehmer vorzulegen sind und lässt sich auch aus § 8a Nr. 10 VOB/A für den Zeitpunkt der Vorlage von Nachunternehmernachweisen nichts entnehmen, ist also nicht vorgegeben, dass die Erklärungen/Nachweise zwingend mit Angebotsabgabefrist vorliegen müssen. Mangels konkreter Regelungen kann ein Bieter dann nicht unter Berufung auf eine verspätete Vorlage vom Verfahren ausgeschlossen werden (VK Baden-Württemberg, B. v. 20.05.2009 - Az.: 1 VK 18/09).

107.5.1.2.3.3.4.5.5 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b iVm § 21 Abs.1 bis 3 VOB/A und § 21 Nr. 2 S. 3 VOB/A sind Angebote zwingend auszuschließen, die nicht alle geforderten Erklärungen enthalten. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH für alle eindeutig und zumutbar gefordert Erklärungen und gilt auch für uneindeutige Erklärungen . Das Angebot der Antragstellerin ist danach unvollständig, weil sie im Angebotschreiben teilweise Bruttopreise angegeben hat statt Nettopreisen, keine Verpflichtungserklärung für den deklarierten Nachunternehmer für die Instandhaltung vorgelegt hat und keinerlei Gleichwertigkeitsnachweise beim Angebot abweichender Produkte (VK Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09)

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• wenn die Vergabestelle hinreichend bestimmte Erklärungen bzw. Dokumente von den Bietern fordert (im Entscheidungsfall „vergleichbare Referenzen“) und ein Bieter zusätzliche Dokumente vorlegt, die der Vorgabe nicht entsprechen, so trägt der jeweilige Bieter das Risiko, welches mit der Vorlage nicht abgefragter Erklärungen verbunden ist. Der Vergabestelle steht es in einem solchen Falle frei, alle vorgelegten Dokumente so aufzufassen, als ob sie aus Sicht des vorlegenden Bieters der Vorgabe entsprechen sollen. Insbesondere ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, sich aus einer Vielzahl vorgelegter Unterlagen die der Vorgabe entsprechenden Dokumente zusammenzusuchen (VK Berlin, B. v. 15.07.2009 - Az.: VK - B 1 - 16/09)

• geht aus den Verdingungsunterlagen nicht deutlich hervor, dass eine Verpflichtungserklärung auch für eine Materialprüfa nstalt, die für den Bieter Druckprüfungen durchführen soll, vorgelegt werden soll, ist ein Ausschluss nicht gerechtfertigt (VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.07.2009 - Az.: VK-SH 05/09 – instruktive Entscheidung)

• bleibt das Erfordernis der – z.T. nochmaligen – Vorlage von Verpflichtungserklärungen der jeweils benannten Nachunternehmer (hier: im laufenden Verhandlungsverfahren bei Aufforderung zur Abgabe eines überarbeiteten Angebotes) zumindest undeutlich, so kann auf die Nichtvorlage dieser Fremderklärungen ein Ausschluss des Angebotes jedenfalls nicht gestützt werden (OLG Naumburg, B. v. 29.01.2009 - Az.: 1 Verg 10/08)

• zur Beurteilung der Frage, ob die notwendigen Bestimmtheitserfordernisse für die Angabe der Nachunternehmerleistungen eingehalten sind, ist eine Gesamtschau des Angebots vorzunehmen und auf die objektive Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen. Die Angaben "Montagearbeiten" bzw. Demontagearbeiten" sind zur Bestimmung von Nachunternehmerleistungen grundsätzlich nicht ausreichend, denn aus ihnen kann - auch im Rahmen einer Gesamtschau des Angebots - nicht klar und bestimmt genug entnommen werden, welche Arbeiten der Bieter selbst und welche der Nachunternehmer ausführen soll. Um einen konkreten Bezug der Nachunternehmerleistungen zum Leistungsverzeichnis herstellen zu können, bedarf es des Verweises auf einzelne Titel bzw. Untertitel oder Ziffern des Leistungsverzeichnisses oder aber einer gesonderten Erklärung über den genauen Umfang der Arbeiten (LG Hannover, Urteil v. 17.09.2007 - Az.: 10 O 63/07)

• der Verpflichtung zur Abgabe vollständiger und klarer Nachunternehmererklärungen bzw. Verpflichtungserklärungen kommt ein Bieter nicht nach, wenn die Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz unklar und widersprüchlich sind, weil die Verpflichtungserklärung nicht zu dem von ihm benannten Nachunternehmer passt (OLG München, B. v. 22.01.2009 - Az.: Verg 26/08)

• fordert der Auftraggeber Nachunternehmer namentlich zu benennen und die jeweils zu erbringende Teilleistung durch Angabe der Ordnungsziffer so wie einer verbalen Umschreibung der Tätigkeit zu bezeichnen, muss sich der genaue Umfang der beabsichtigten Nachunternehmerleistung zumindest aus dem Zusammenspiel zwischen der ziffernmäßigen Bezeichnung der Teilleistung und ihrer konkreten Tätigkeitsbeschreibung so eindeutig bestimmen lassen, dass dem Auftraggeber eine konkrete Zuordnung jeder einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zu einem bestimmten Nachunternehmer möglich ist (OLG Celle, B. v. 02.10.2008 - Az.: 13 Verg 4/08)

• sind in der Verpflichtungserklärung die zu übernehmenden Leistungspflichten nicht nur verbal bezeichnet, sondern enumerativ aufgezählt, ist dieser eindeutige

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Wortlaut einer anderen, insbesondere erweiterenden Auslegung nicht zugänglich. Insbesondere ist keineswegs zwingend darauf zu schließen, dass ein Unternehmen, welches die statische Berechnung und die Ausführungsplanung sowie die Kerntätigkeiten des Rohrvortriebes übernimmt, also qualifizierte und eine spezielle Fachkunde erfordernde Tätigkeiten, immer auch die Absicherung des Baustellenbereichs und den Aushub der beiden Arbeitsgruben übernehmen will. Es ist zumindest auch vorstellbar, dass ein Bieter, dessen Betrieb selbst auf die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen eingerichtet ist, nicht mehr Fremdleistungen in sein Angebot einbezieht, als er es unbedingt für notwendig erachtet, und dass er deswegen Teilleistungen eines Titels arbeitsteilig auf sich und das andere Unternehmen verteilt (OLG Naumburg, B. v. 04.09.2008 – Az.: 1 Verg 4/08)

• enthält ein dem Angebot beigefügtes Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmen Teilleistungen mit den entsprechenden Ordnungsziffern 05.09.0001 bis 05.09.0007 und enthält die ebenfalls mit dem Angebot beizubringende Verpflichtungserklärung jedoch lediglich die Ordnungsziffern 05.09.0002, 05.09.0003, 05.09.0006 und 05.09.0007, sind nicht allein die im Verzeichnis anderer Unternehmen gemachten Angaben maßgebend. Zwar sind in der Verpflichtungserklärung die Angaben von Ordnungsziffern grundsätzlich entbehrlich; findet jedoch dort lediglich eine einschränkende Nennung von Ordnungszahlen statt, so ist der Erklärungsinhalt des potentiellen Nachunternehmers ebenfalls nur ein eingeschränkter. Denn erst mit der Unterschrift unter der Verpflichtungserklärung dokumentiert das entsprechende Unternehmen seine Bereitschaft und Kapazität zur Leistungserbringung nach Außen. Können daher weder die Vergabestelle noch die erkennende Kammer aufgrund der mangelnden Kongruenz der Darlegung in den betreffenden Formblättern eindeutig ermitteln, welche Leistungen das benannte Nachunternehmen tatsächlich zu erbringen bereit ist, hat der Bieter seine Verpflichtung zur Abgabe vollständiger und in ihrem Erklärungsinhalt unmissverständlicher Angebote nicht erfüllt. Dies zieht zwingend den Ausschluss des Angebotes nach sich (VK Sachsen-Anhalt, B. v. 06.06.2008 - Az.: 1 VK LVwA 07/08)

• auf die wettbewerbliche Relevanz fehlender Angaben zu Nachunternehmerleistungen kommt es nicht an. Ein Ausschluss kommt nur dann nicht in Betracht, wenn sich die strittige Angabe eindeutig durch Auslegung ermitteln lässt (VK Arnsberg, B. v. 30.05.2008 – Az.: VK 10/08)

• der Umstand, dass in der Nachunternehmerliste die von Nachunternehmern zu erbringenden Arbeiten zwar nach Ziffern des Leistungsverzeichnisses, nicht aber textlich im einzelnen in Spalte 2 aufgeführt werden, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Nachunternehmerliste unvollständig ist. Die Antragstellerin war nicht gehalten, die textlichen Bestandteile der entsprechenden Leistungsverzeichnispositionen noch einmal in die Subunternehmerliste abzuschreiben. Die schlagwortartige Bezeichnung reichte hier aus, weil die Angabe der Leistungsverzeichnispositionen nach Ordnungsziffern die Subunternehmerleistung hinreichend konkretisiert (OLG Brandenburg, B. v. 19.02.2008 - Az.: Verg W 22/07)

• benennt ein Bieter im Formblatt EFB U EG 317 eine Reihe von Nachunternehmern und legt hierfür entsprechende Verpflichtungserklärungen vor und ist diese Auflistung jedoch nicht deckungsgleich mit den Nachunternehmerleistungen, welche der Bieter in der Aufgliederung wichtiger Einheitspreise (EFB - Preis 2) angegeben hat und können deshalb bestimmte Leistungen keinen im Formblatt EFB U EG 317 benannten Nachunternehmen zugeordnet werden, so fehlt dementsprechend die verlangte

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Nachunternehmerverpflichtungserklärung. Fehlt es aber an einer Zuordnung, welche Nachunternehmer welche konkreten Leistungen erbringen, ist das Angebot auszuschließen. Auch beim Fehlen der vom öffentlichen Auftraggeber verlangten Verpflichtungserklärung für Nachunternehmer ist das Angebot eines Bieters zwingend wegen unvollständiger Erklärungen von der Wertung auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07)

• widersprechen sich die Angaben eines Bieters im Begleitschreiben zum Angebot und im Angebot hinsichtlich der Nachunternehmerleistungen, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07)

• entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt die geforderte Erklärung auch nicht in der von Seiten des beabsichtigten Nachunternehmers unterzeichneten Erklärung über die Einhaltung der am Ort der Leistungserbringung geltenden Lohn- und Gehaltstarife oder der weiteren Erklärung über die Einhaltung der tarifvertraglichen und öffentlich-rechtlichen Bestimmungen bei der Ausführung von Bauaufträgen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin weisen diese Erklärungen keinen Erklärungswert dahingehend auf, dass die Antragstellerin für den Fall der Auftragserteilung tatsächlich über die Mittel des Nachunternehmens verfügen kann. Insofern fehlt es an einer Erklärung, dass der Nachunternehmer im Falle der Zuschlagserteilung zugunsten der Antragstellerin für das konkrete gegenständliche Bauprojekt tatsächlich zur Auftragsausführung verpflichtet ist (VK Schleswig-Holstein, B. v. 10.10.2007 – Az.: VK-SH 20/07)

• werden in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklärungen hinsichtlich der Nachunternehmer nicht abgegeben, führt dies zwingend dazu, dass ein solches Angebot von der Wertung auszuschließen ist (KG Berlin, B. v. 07.05.2007 - Az.: 23 U 31/06)

• bereits das bloße Ankreuzen der für den Fall hier relevanten Formblätter 212EG und 317EG im Aufforderungsschreiben zur Abgabe eines Angebotes macht für den hier einzig und allein relevanten billig und gerecht denkenden Dritten hinreichend deutlich, dass die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer im Bedarfsfall dem Angebot beizufügen waren. Ob der Bedarfsfall vorliegt kann durch den Auftraggeber nicht vorgegeben werden. Dies liegt einzig und allein im Ermessen des Anbietenden, der sein Angebot in Eigenverantwortung zu erstellen und abzugeben hat. … Allein der Umstand, dass das Formblatt 317EG von der Antragstellerin ihrem Angebot ausgefüllt beigefügt wurde, lässt vielmehr den Rückschluss zu, dass es sich bei dem entsprechenden Vortrag um eine bloße Schutzbehauptung der Antragstellerin handelt. Denn auch in diesem Formblatt wird auf das Erfordernis der Vorlage der Verpflichtungserklärung der Nachunternehmer verwiesen. Darüber hinaus ist diese Verpflichtung in Ziffer 7 Satz 2 der Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212EG) ebenfalls ausdrücklich vorgegeben. Dort findet sich zusätzlich der Hinweis zur Vorlageverpflichtung mit dem Angebot (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 09.02.2007 - Az.: 1 VK LVwA 43/06)

• aus der bloßen Zugehörigkeit zu einem Unternehmensverbund ergibt sich noch keine Verfügungsmöglichkeit des Bewerbers über die Mittel anderer Mitglieder des Unternehmensverbundes. Eine solche Verfügungsmacht wird dann anzunehmen sein, wenn der Bieter die Drittunternehmen, auf die er sich beruft, beherrscht (2. VK Bund, B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 – 131/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 - 128/06; B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 2 - 125/06)

• aus einer Personalunion z.B. zwischen Mitgliedern der Geschäftsführung von Mutter- und Tochtergesellschaft kann sich gegebenenfalls eine Verfügbarkeit ergeben; sie muss aber entsprechend dargelegt werden (2. VK Bund, B. v. 29.12.2006

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– Az.: VK 2 – 131/06; B. v. 29.12.2006 – Az.: VK 2 - 128/06; B. v. 29.12.2006 - Az.: VK 2 - 125/06)

• beschreibt ein Bieter in der Spalte Teilleistungen die von ihm zur Übertragung an Nachunternehmer vorgesehenen Leistungen jeweils mit „Teilleistungen dieser Positionen als Lohnleistung ca. XX.XXX,XX EUR netto“, lässt diese Bezeichnung nicht eindeutig erkennen, ob sämtliche der in den aufgeführten Positionen enthaltenen Lohnleistungen an Nachunternehmer vergeben werden sollen oder nur ein Teil der Lohnleistungen. Welche dies sind, bleibt offen, zumal es sich um Leistungen handelt, auf die der Betrieb der Beigeladenen eingerichtet ist (1. VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06)

• ist aus einer beigelegten Liste der Nachunternehmer objektiv für den Auftraggeber nicht erkennbar, ob es sich bei dem dort dargestellten Nachunternehmereinsatz um solche Nachunternehmerleistungen handelt auf die das eigene Unternehmen des Antragstellers nicht eingestellt ist oder um solche, die auch durch das Unternehmen des Antragstellers erbracht werden können, hat das Fehlen dieser alternativ abzugebenden, sich gegenseitig ggf. ausschließenden Erklärungen zur Folge, dass das Angebot seinem Inhalt nach weder eindeutig noch bestimmbar und damit nicht annahmefähig ist (1. VK Sachsen, B. v. 22.07.2005 - Az.: 1/SVK/080-05)

• weist ein Bieter in einem Aufklärungsgespräch erstmals darauf hin, dass er selbst nicht im Besitz des großen Schweißnachweises ist und somit die entsprechenden Leistungen an einen Nachunternehmer übertragen muss, hat er das Formblatt 5.2 in seinem Angebot unvollständig ausgefüllt. Es fehlen darin Leistungen, auf die sein Betrieb nicht eingerichtet ist; das Angebot ist zwingend auszuschließen (VK Südbayern, B. v. 02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-48-10/05)

• ein Angebot ist gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A zwingend auszuschließen, wenn geforderte Angaben zum tatsächlichen Nachunternehmereinsatz nicht in zweifelsfreier und vollständiger Art und Weise gemacht wurden. Dies betrifft auch im Leistungsverzeichnis abgeforderte Planungsleistungen (hier im konstruktiven Ingenieurbau als gesonderter Titel des Leistungsverzeichnisses geforderte Ausführungs- und Tragwerksplanung), wenn der Bieter auf diese Leistungen im eigenen Betrieb unstreitig nicht eingerichtet war und ist (1. VK Sachsen, B. v. 08.06.2005 - Az.: 1/SVK/051-05)

• durch die Angabe "Teilleistungen" (ohne Angabe der Ordnungszahlen der Leistungsbeschreibung) auf Nachunternehmer übertragen zu wollen, ist Art und Umfang der zu übertragenden Arbeiten nicht hinreichend bestimmbar und das Angebot zwingend auszuschließen (VK Hamburg, B. v. 27.10.2005 - Az.: VK BSU-3/05; VK Hamburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: VK BSU-3/05; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.04.2005 - Az.: 1 VK LVwA 17/05)

• durch die Angabe, die "Holzarbeiten" und die "Hilfs- und Transportarbeiten " (ohne Angabe der Ordnungszahlen der Leistungsbeschreibung) auf Nachunternehmer übertragen zu wollen, ist Art und Umfang der zu übertragenden Arbeiten nicht hinreichend bestimmbar und das Angebot zwingend auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 09.08.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 27/05)

• bei Widersprüchen hinsichtlich der Nachunternehmerleistungen durch unterschiedliche Angaben im Formblatt EVM NU bzw. EFB-Preis ist das Angebot zwingend auszuschließen (VG Neustadt an der Weinstraße, B. v. 20.02.2006 - Az.: 4 L 210/06; VK Nordbayern, B. v. 04.04.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 09/06; B. v. 08.03.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 05/05; VK Brandenburg, B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 4/05; B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 3/05)

• fehlt die von der Vergabestelle geforderte Erklärung darüber, welche Leistungen denn an Nachunternehmer vergeben werden sollen, ist der Umfang der an

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Nachunternehmer zu vergebenden Leistungen unklar und behält sich der Bieter vor, Teile dieser Leistungen selber auszuführen, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Thüringen, B. v. 28.04.2005 - Az.: 360-4002.20-005/05-MGN)

• bei der Übertragung der ingenieurtechnischen Leistungen eines Bauauftrages kann es sich um einen Nachunternehmereinsatz handeln. Fordert der Auftraggeber bei dieser Ausschreibung die Angabe der wesentlichen Nachunternehmeranteile, sind auch die ingenieurtechnischen Leistungen anzugeben; fehlt diese Angabe, ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG Naumburg, B. v. 26.01.2005 - Az.: 1 Verg 21/04; B. v. 09.12.2004 - Az.: 1 Verg 21/04)

• die fehlende Angabe von Ordnungsziffern in der Nachunternehmererklärung soll in den Fällen nicht zum Angebotsausschluss führen, in denen sich aus der schlagwortartigen Bezeichnung der Leistung eindeutig ergibt, welche Arbeiten an Nachunternehmer übertragen werden sollen. Bei der Gesamtvergabe eines Titels an einen Nachunternehmer kann auf die zusätzliche Bezeichnung sämtlicher einzelner Ordnungsziffern verzichtet werden, sofern diese Absicht des Bieters nachvollziehbar ist (OLG Dresden, B. v. 11.04.2006 - Az.: WVerg 0006/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05)

• fehlt die geforderte Zuordnung der Nachunternehmerleistungen zu den Ordnungsziffern, ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG Dresden, B. v. 11.04.2006 - Az.: WVerg 0006/06; OLG Koblenz, B. v. 13.02.2006 - Az.: 1 Verg 1/06; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 08.12.2005 - Az.: 6 Verg 12/05; OLG Naumburg, B. v. 25.10.2005 - Az.: 1 Verg 5/05; B. v. 18.07.2005 - Az.: 1 Verg 5/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05; VK Thüringen, B. v. 09.09.2005 - Az.: 360-4002.20-009/05-SON; VK Sachsen, Beschluss vom 14.02.2006 - Az.: 1/SVK/005-06, 1/SVK/005-06G; B. v. 23.08.2005 - Az.: 1/SVK/098-05; VK Arnsberg, B. v. 27.07.2005 - Az.: VK 10/2005; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 16.03.2005 - Az.: VK 05/04; B. v. 29.11.2004 - Az.: VK 20/04; VK Südbayern, B. v. 03.06.2004 - Az.: 36-05/04); nur ausnahmsweise kann die fehlende Angabe von Ordnungsziffern in der Nachunternehmererklärung nicht zum Angebotsausschluss führen und zwar in den Fällen, in denen sich aus der schlagwortartigen Bezeichnung der Leistung eindeutig ergibt, welche Arbeiten an Nachunternehmer übertragen werden sollen (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 08.12.2005 - Az.: 6 Verg 12/05; VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06; VK Hamburg, B. v. 27.10.2005 - Az.: VK BSU-3/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05; B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05; VK Arnsberg, B. v. 27.07.2005 - Az.: VK 10/2005; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 16.03.2005 - Az.: VK 05/04)

• angesichts der in tatrichterlicher Würdigung der Ausschreibungsunterlagen getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts, die Bieter hätten Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen und die Namen der vorgesehenen Nachunternehmer angeben müssen, war das Angebot der Klägerin jedenfalls deshalb gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A auszuschließen, weil die Klägerin nicht einmal angegeben hatte, welche Arbeiten sie durch Nachunternehmer ausführen lassen würde (BGH, Urteil vom 16.03.2004 - Az.: X ZR 23/03)

• die unterbliebene Vorlage des Nachunternehmerverzeichnisses zieht zwingend den Ausschluss des Angebots nach sich (OLG Düsseldorf, B. v. 30.7.2003 - Az.: Verg 32/03)

• verwendet ein Bieter bei der Auflistung der von ihm zur Übertragung an Nachunternehmer vorgesehenen Leistungen unter anderem den Begriff „Baumeisterarbeiten“, lässt sich diesem Begriff aufgrund seines nicht eindeutigen Aussagegehalts keine konkreten Positionen des mit den Verdingungsunterlagen

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übersandte Leistungsverzeichnis zuordnen; das Angebot ist auszuschließen (1. VK Bund, B. v. 14.07.2004 - Az.: VK 1 - 81/04)

• ergibt die Prüfung der Nachunternehmererklärung, dass einige Positionen widersprüchlich und unklar sind (der Bieter gibt an, 140 m² an Nachunternehmer weiter zu geben, von der Vergabestelle wurden jedoch nur 18 m² ausgeschrieben, vom Bieter wird eine Zahl in m² angegeben, von der Vergabestelle jedoch Stückzahlen verlangt), handelt es sich keineswegs um einzelne Ungereimtheiten, die "von der Vergabestelle ohne weiteres als Schreibfehler erkennbar gewesen sind", vielmehr ist diese Nachunternehmererklärung widersprüchlich und unklar (VK Südbayern, B. v. 17.05.2004 - Az.: 17-03/04)

• werden die zu vergebenden Teilleistungen nicht eindeutig beschrieben, Ordnungszahlen nicht benannt und die Nachunternehmer nicht benannt, ist das Angebot auszuschließen (2. VK Bund, B. v. 14.04.2004 - Az.: VK 2 - 34/04)

• dem Angebot der Antragstellerin fehlt die Nachunternehmererklärung. Nach der ständigen neueren Rechtsprechung ist dieser als wettbewerbsrelevant anzusehen. Das Angebot ist auszuschließen (VK Arnsberg, B. v. 05.04.2004 - Az.: VK 1-4/04)

• die fehlende Angabe über den Umfang der Nachunternehmerleistungen zieht zwingend den Ausschluss des Angebots nach sich (1. VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; VK Nordbayern, B. v. 17.7.2003 - Az.: 320.VK-3194-24/03; VK Münster, B. v. 15.10.2004 - Az.: VK 28/04; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.08.2004 - Az.: VK-SH 19/04, B. v. 5.3.2004 - Az.: VK-SH 04/04)

• wird im Angebot für einzelne Leistungsbereiche ein Nachunternehmereinsatz bis zu 30% des Gesamtauftragswertes erklärt, stellt diese Angabe wegen der fehlenden konkreten Zuordnung keine vollständige Erklärung zu Art und Umfang des geplanten Nachunternehmereinsatzes dar; das Angebot ist auszuschließen (BayObLG, B. v. 25.10.2003 - Az.: Verg 14/03)

• erklärt ein Bieter, dass "wie branchenüblich die Versetzarbeiten durch Nachunternehmen ausgeführt werden", ist die Erklärung unklar , weil sie eine konkrete Festlegung zum Umfang der Nachunternehmerleistung nicht enthält (VK Nordbayern, B. v. 12.2.2004 - Az.: 320.VK-3194-1/04)

• erklärt der Bieter, die Lohnleistungsanteile bestimmter LV-Gruppen weiter zu vergeben, ist diese Erklärung unklar, weil sie eine konkrete Festlegung zum Umfang der Nachunternehmerleistung nicht enthält. Es ist nicht erkennbar, welcher Lohnanteil in diesen LV-Gruppen enthalten ist. Damit kann der Umfang der Nachunternehmerleistung nicht ermittelt werden. Ist der Umfang des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes unzureichend feststellbar, kann das Angebot unberücksichtigt bleiben (VK Nordbayern, B. v. 13.11.2003 - Az.: 320.VK-3194-40/03)

• ein wertbares Angebot verlangt zwingend die Angabe der Ordnungsziffern. Die namentliche Beschreibung der Teilleistung allein reicht nicht aus. Für die Vergabestelle ist ohne Angabe der Ordnungsziffern nicht eindeutig erkennbar, in welchem Umfang Leistungen durch Nachunternehmer erbracht werden sollen. Um den Nachunternehmer-Angebotsinhalt auf der Grundlage der Ausschreibungsbedingungen hinreichend zu ermitteln, müsste die Vergabestelle von sich aus sämtliche Positionen des Leistungsverzeichnisses darauf hin überprüfen, ob sie einen Anteil an Erdarbeiten, Entwässerung, Straßenbau, Abbruch etc. aufweisen. Es ist jedoch weder Aufgabe der Vergabestelle noch ist es für sie zumutbar, erst durch intensive Durchsicht der Angebotsunterlagen herauszufinden, in welchem Umfang der Bieter den Einsatz von Nachunternehmern angeboten hat. Dies würde zu einer unzulässigen Umkehr der Pflichten von Vergabestelle und Bietern führen. Die Verpflichtung der Vergabestelle, den Leistungsinhalt eindeutig und

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erschöpfend zu beschreiben (vgl. § 9 Nr. 1 VOB/A), entspricht auf der anderen Seite die Verpflichtung der Bieter, die geforderten Erklärungen zum Eigenleistungs- und Nachunternehmeranteil in einer präzisen und unmissverständlichen Weise abzugeben (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 10.10.2003 - Az.: VK 18/03)

• durch die Angabe, "teilweise Beton- und Stahlarbeiten", "teilweise Metall- und Schlosserarbeiten" und "teilweise Vereisung" auf Nachunternehmer übertragen zu wollen, ist allenfalls in Grundzügen die Art der zu übertragenden Arbeiten, jedenfalls nicht deren Umfang ersichtlich. Der Auftraggeber kann nicht abschätzen, welche konkreten Teilleistungen aus den angegebenen Bereichen nicht vom Bieter durchgeführt werden können. Insbesondere der exakte Umfang der zu übertragenden Leistungen steht nicht fest; das Angebot ist zwingend auszuschließen (2. VK Bund, B. v. 6.10.2003 - Az.: VK 2 - 80/03)

• das EFB-Preis 1a-Formblatt weist nur aus, welchen Anteil die Nachunternehmerleistungen am Angebotsendpreis haben, besagt aber nicht, welche Arbeiten übertragen werden sollen und in welchem Umfang. Das EFB Preis 2-Formblatt , das die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise beinhaltet, enthält zwar die Angaben, ob die entsprechenden Positionen an Nachunternehmer vergeben werden. Wie die Bezeichnung schon sagt, beinhaltet das Preisblatt jedoch nur wichtige Einheitspreise, nicht jedoch sämtliche Positionen des Leistungsverzeichnisses. Hinsichtlich der übrigen, nicht abgedeckten Positionen bleibt damit offen, ob und wenn ja inwieweit ein Bieter hier Nachunternehmer zu beauftragen gedenkt. Er bleibt damit die geforderte Nachunternehmererklärung schuldig; das Angebot ist zwingend auszuschließen (3. VK Bund, B. v. 13.10.2004 - Az.: VK 3 – 194/04; 1. VK Bund, B. v. 17.9.2003 - Az.: VK 1 - 75/03)

• ergibt sich trotz der Verwendung eines falschen Formblattes aus handschriftlich angemerkten Begründungen, dass Nachunternehmer nur für Leistungen eingesetzt werden, auf die das Unternehmen nicht eingerichtet ist, liegt ein offensichtlicher Irrtum des Bieters beim Verwenden der Formblätter vor; dieser Irrtum ist unbeachtlich (BayObLG, B. v. 1.3.2004 - Az.: Verg 2/04)

• unterlässt ein Bieter es, den Anteil der Nachunternehmer im Formular EFB – Preis 2 312 (Aufgliederung wichtiger Einheitspreise) anzugeben, obwohl für diese Position ausweislich des Formulars EFB NU 317 ein Nachunternehmer benannt ist, muss das Angebot zwingend ausgeschlossen werden (2. VK Bund, B. v. 18.03.2004 - Az.: VK 2 – 152/03)

• macht ein Bieter zwar deutlich, dass er beabsichtigt, Teile der Leistung durch Nachunternehmer erbringen zu lassen, füllt er aber ein vom Auftraggeber vorgegebenes Formblatt (z. B. EFB NU - 317, in welchem in der Folge anzugeben war, welche Leistungsteile auf Nachunternehmer übertragen werden sollen) nicht aus und macht er die erforderlichen Angaben zu Art und Umfang der Nachunternehmerleistungen auch nicht - was die fehlende Erklärung EFB NU - 317 möglicherweise hätte kompensieren können - an anderer Stelle, ist das Angebot zwingend auszuschließen (1. VK Bund, B. v. 17.9.2003 - Az.: VK 1 - 75/03)

• gibt ein Bieter in Bezug auf den Eigenanteil an den ausgeschriebenen Leistungen dadurch ein widersprüchliches Angebot ab, dass er nach den mit dem Angebot eingereichten Angaben zur Preisermittlung (Vordruck EFB-Preis 1 b) den weit überwiegenden Anteil der Leistungen als Subunternehmerleistung angeboten hat, während er im Angebotsschreiben ausdrücklich erklärt, dass er für Leistungen, auf die sein Betrieb eingerichtet ist, nach § 4 Nr. 8 VOB/B die Leistung im eigenen Betrieb ausführen wird und hinsichtlich von Leistungen, auf die sein Betrieb nicht eingerichtet ist, keine Angaben macht, ist das Angebot zwingend auszuschließen

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(VK Lüneburg, B. v. 15.7.2003 - Az.: 203-VgK-15/2003, B. v. 12.8.2003 - Az.: 203-VgK-15/2003)

• erklärt der Bieter im Angebot, keine Nachunternehmer einzusetzen, und gibt er im Formblatt EFB-Preis dennoch einen Zuschlag für Nachunternehmerleistungen an, ist die Erklärung im Angebot entscheidend (VK Südbayern, B. v. 14.1.2004 - Az.: 62-12/03)

• eine nachträgliche Spezifizierung der in der Liste der Nachunternehmerleistungen enthaltenen Leistungen (ohne die durch konzernrechtlich verbundene Unternehmen zu erbringenden Leistung) im Sinne einer Zuweisung der Leistungen zu Leistungen im "eigenen Betrieb" im Sinne der Ziffer 10.2 EVM (B) BVB (= Leistung konzernrechtlich verbundener Unternehmen) einerseits und "echten" Nachunternehmerleistungen andererseits greift unmittelbar in die vorgenommene Bestimmung des Nachunternehmereinsatzes (im Sinne einer Reduzierung) ein und übersteigt das durch § 24 VOB/A vorgegebene Maß der informatorischen Aufklärung bereits insoweit, als die Antragstellerin als Bieterin entscheiden könnte, ob sie ihr Angebot zuschlagsgeeignet werden lassen will oder nicht. Dies würde aber gerade dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) widersprechen (VK Hessen, B. v. 21.3.2003 - Az.: 69 d VK - 11/ 2003)

• erklärt der Bieter, dass er derzeit den Umfang des Nachunternehmereinsatzes nicht absehen kann, dieser aber optional zwischen 0% und maximal 30% liegen werde, gibt er damit eine geforderte Erklärung - nämlich die Nennung des Umfangs eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes - nicht ab. Er hält sich vielmehr vor, erst nach Auftragserteilung, je nach Auslastung des eigenen Personals, variabel zu entscheiden, ob er Nachunternehmer einsetzen will oder nicht. Er schafft sich damit gegenüber den Mitbewerbern einen Wettbewerbsvorteil; das Angebot ist auszuschließen (BayObLG, B. v. 25.10.2003 - Az.: Verg 14/03; VK Südbayern, B. v. 27.8.2003 - Az.: 34-07/03, B. v. 27.8.2003 - Az.: 35-07/03).

107.5.1.2.3.3.4.5.6 Rechtsfolge bei geringfügig unklarem Umfang

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Nach einer Auffassung ist auch dann, wenn die an einen Nachunternehmer zu vergebenden Leistungen nur einen ganz geringfügigen Anteil an dem Gesamtauftrag ausmachen, ein Angebot ohne Angaben zum Nachunternehmereinsatz unvollständig und damit nicht ohne weiteres annahmefähig (BayObLG, B. v. 25.10.2003 - Az.: Verg 14/03; VK Hessen, B. v. 17.10.2007 - Az.: 69 d VK – 43/2007; VK Südbayern, B. v. 02.12.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-48-10/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 5.3.2004 - Az.: VK-SH 04/04). Nach der VK Nordbayern kann dahinstehen, ob ein Angebot ausgeschlossen werden muss, wenn der unklare Umfang der Nachunternehmerleistung nur einen ganz geringfügigen Anteil an dem Gesamtauftrag ausmacht. Bei einem Anteil von rd. 65% des Gesamtauftrages kann das Angebot ausgeschlossen werden (VK Nordbayern, B. v. 13.11.2003 - Az.: 320.VK-3194- 40/03). Ob ein Nachunternehmereinsatz lediglich untergeordneter Natur ist, kann nur aufgrund einer funktionalen Betrachtung des Gesamtauftrags beurteilt werden, für die der auf den Nachunternehmerauftrag entfallende Teil des Angebotspreises oder die an den Nachunternehmer zu entrichtende Vergütung allein nicht ausschlaggebend sind. Auf den

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Streitfall bezogen ist mit Blick hierauf festzustellen, dass die Entsorgungsleistungen ohne einen Behälteränderungsdienst lückenhaft und unvollständig wären. Damit die Entsorgung insgesamt funktioniert, muss auch ein Austausch oder eine Ausgabe von Abfallbehältern, und zwar auch soweit diese bei Änderungen oder Neuansiedlungen von den Einwohnern bei einer Auslieferungsstelle selbst abgeholt werden sollen, reibungslos gewährleistet sein (OLG Düsseldorf, B. v. 22.12.2004 - Az.: VII - Verg 81/04).

107.5.1.2.3.3.4.5.7 Rechtsfolge bei langjähriger Übung der Möglichkeit, Nachunternehmererklärungen nachzureichen

Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Handhabt eine Vergabestelle die Bedingung über den Ausschluss von Angeboten bei Nichtvorlage einer entsprechenden Erklärung mit dem Angebot nicht wortgetreu, sondern lässt sie Nachunternehmerklärungen auch dann zu, wenn sie nicht bereits dem Angebot beigefügt waren, dort nur angekündigt und auf Anforderung der Vergabestelle nachgereicht wurden, erweckt die Vergabestelle beim betroffenen Bieterkreis, der als Auftragnehmer von Bauleistungen der in Rede stehenden Art (z. B. Straßen- und Brückenbau) in Betracht kommt, den nachhaltigen Eindruck, durch die vorgenannte Vorgehensweise dem Erfordernis der Vorlage eines Nachunternehmerverzeichnisses genügen zu können. Unter den Bietern wird damit ein entsprechendes Vertrauen geschaffen. Der Vergabestelle ist es daher nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Vergaberecht gilt, verwehrt, ohne eine entsprechende rechtzeitige und deutliche Vorankündigung gegenüber dem Bieterkreis sich auf den Wortlaut der Bewerbungsbedingungen zu berufen und in Abweichung von ihrer bisherigen Vergabepraxis ein Angebot als unvollständig zu betrachten, weil die Nachunternehmererklärung dem Angebot nicht beigefügt, sondern nur angekündigt war (OLG Düsseldorf, B. v. 23.7.2003 - Az.: Verg 24/03, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 9/03, B. v. 20.3.2003 - Az.: Verg 08/03). Nach einer anderen Auffassung können Usancen in der Geschäftsverbindung von Parteien zwar als zu berücksichtigende Begleitumstände die Auslegung der konkreten Willenserklärung beeinflussen. Ob hiervon angesichts von nur punktuellen Kontakte des Bieters mit der Vergabestelle überhaupt gesprochen werden kann, mag dahinstehen. Jedenfalls wird die zivilrechtliche Auslegung überlagert durch das vergaberechtliche Transparenzgebot. Dieses verlangt, dass nur solche Begleitumstände in die Auslegung einbezogen werden können, die nicht nur für die beteiligten Vertragspartner, sondern darüber hinaus zumindest auch für alle noch für die Auftragsvergabe in Frage kommenden Bieter erkennbar sind. Denn andernfalls wären Manipulationsmöglichkeiten für öffentliche Auftraggeber und die von ihnen bevorzugten Bieter eröffnet, die durch die Gestaltung des Vergabeverfahrens gerade verhindert werden sollen. Vor diesem Hintergrund muss auch die Berufung auf ein gewachsenes Vertrauen Einschränkungen erfahren (BayObLG, B. v. 16.9.2002 - Az.: Verg 19/02). Noch weiter geht die 2. VK des Bundes: danach vermag eine fehlerhafte Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften in früheren Verfahren keinen Vertrauenstatbestand zugunsten eines Bieters zu begründen. Der Vergabestelle steht es grundsätzlich frei, die Anforderungen für jedes Vergabeverfahren neu zu definieren. Dies muss umso mehr bei einer Korrektur einer vergaberechtswidrigen Praxis gelten. Nur in den Fällen, in denen die bisherige Praxis nicht vergaberechtswidrig war, kann durch eine langjährige und gegenüber

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allen Bietern gleichermaßen praktizierte Übung ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Bieter entstehen. Auch aus Gründen der Transparenz des Verfahrens – insbesondere im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen von Erstbietern – ist eine Fortführung von vergaberechtswidrigen Praktiken nicht zu tolerieren (2. VK Bund, B. v. 14.04.2004 - Az.: VK 2 - 34/04; im Ergebnis ebenso VK Nordbayern, B. v. 13.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/07). Zum Grundsatz von Treu und Glauben im Vergaberecht vgl. die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 267.

107.5.1.2.3.3.4.5.8 Rechtsfolge bei langjähriger Übung, bestimmte Nachunternehmerleistungen nicht als Nachunternehmererklärungen aufzufassen

Die Bindung eines Auftraggebers an von ihm begründete Vertrauenstatbestände kann so weit gehen, dass er objektiv vorliegende Ausschlussgründe nicht beachten darf, wenn er sich damit in Widerspruch zu seiner ständigen Vergabepraxis setzt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Auftraggeber z.B. in seiner bisherigen Ausschreibungspraxis nicht die Angabe der anerkannten Prüfstelle als Nachunternehmen verlangt hat und der Auftraggeber keine einzige Ausschreibung benennen kann, in der eine solche Forderung erhoben wurde und ein Bieter dagegen unwidersprochen zahlreiche Ausschreibungen anführen kann, an denen er sich beteiligt hat, die eine Fremdüberwachung erforderten und in denen der Auftraggeber gleichwohl keine negativen Folgen daraus gezogen hat, dass die Bieter die anerkannte Prüfstelle nicht als Nachunternehmer benannten. Zu berücksichtigen ist auch, wenn die Vergabekammer aus eigener Sachkunde, insbesondere unter Berücksichtigung der Erfahrungen des als VOB-Sachverständiger tätigen ehrenamtlichen Beisitzers, feststellen kann, dass es die bisherige Vorgehensweise des Auftraggebers ist, Prüfinstitute nicht als Nachunternehmer anzusehen die auch der ganz überwiegenden Praxis der Bauauftraggeber entspricht. Der einzige Umstand, der eine beabsichtigte Abweichung des Auftraggebers von seinem bisherigen Vorgehen andeuten konnte, war die Aufnahme einer eigenständigen Position für die Prüfleistung in das Leistungsverzeichnis. Diese Änderung gegenüber der bisherigen Ausschreibungspraxis lässt indes nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass die anerkannte Prüfstelle nunmehr – anders als bei den vorausgegangenen Ausschreibungen – als Nachunternehmen anzugeben sei. Die Aufnahme der eigenständigen Leistungsposition war vielmehr der formalen Überlegung geschuldet, dass für besondere Leistungen, zu denen die Fremdüberwachung seit der Änderung der VOB/C im Jahre 2006 gehört, nach ATV regelmäßig eigene Leistungspositionen zu bilden sind, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Änderung der VOB/C bereits zwei Jahre zurückliegt, ohne dass der Auftraggeber bislang die Erforderlichkeit der Benennung der anerkannten Prüfstelle als Nachunternehmen hieraus abgeleitet hat. Um die Wertbarkeit der Angebote nicht von der Zufälligkeit abhängig zu machen, ob ein Bieter bei anderen Vergabestellen bereits die Erfahrung gemacht hat, dass die anerkannte Prüfstelle als Nachunternehmen benannt werden soll, wäre es nach alledem erforderlich gewesen, ausdrücklich zu verlangen, dass die anerkannte Prüfstelle als Nachunternehmen zu benennen und ein entsprechender Verfügbarkeitsnachweis vorzulegen ist. Mangels einer solchen hinreichend deutlichen Forderung des Auftraggebers fehlt es an der notwendigen Voraussetzung dafür, das Fehlen einer solchen Erklärung bzw. eines solchen Nachweises im Angebot mit dessen Ausschluss ahnden zu können. In solchen Fällen wird der Auftraggeber dem Bieter vielmehr Gelegenheit zu geben haben, seine Erklärungen und Nachweise hinsichtlich der Überwachung durch eine anerkannte Prüfstelle zu ergänzen (2. VK Bund, B. v. 26.05.2008 - Az.: VK 2 – 49/08).

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Dies gilt sowohl für die Fremdüberwachung durch eine anerkannte Prüfstelle nach DIN 1045-3 als auch für die Eigenüberwachung (2. VK Bund, B. v. 26.05.2008 - Az.: VK 2 – 49/08).

107.5.1.2.3.3.4.5.9 Nachträgliche Vorlage oder Änderung der Nachunternehmererklärung

Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Werden die Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz von der Vergabestelle zwingend (muss benennen) abgefragt und sind sie von dem Bieter mit dem Angebot abzugeben (§ 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A), ist die Nachholung oder Änderung der Erklärung nicht zulässig (§ 24 Nr. 3 VOB/A), da diese kalkulationserheblichen Inhalts ist (OLG Düsseldorf, B. v. 05.05.2004 - Az.: VII - Verg 10/04). Das Fehlen der Erklärungen zum Nachunternehmereinsatz bzw. deren Unvollständigkeit und nachfolgende Vervollständigung bzw. Erweiterung führt zum Ausschluss des Angebotes gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A (VK Schleswig-Holstein, B. v. 5.3.2004 - Az.: VK-SH 04/04; VK Thüringen, B. v. 29.8.2003 - Az.: 216-4002.20-015/03HIG). Das OLG Celle ist anderer Auffassung: wenngleich die Frage des Nachunternehmereinsatzes für die Beurteilung der Eignung des Bieters von entscheidender Bedeutung ist, rechtfertigt die Nichteinreichung eines Nachunternehmerverzeichnisses jedenfalls nicht ohne weiteres den Ausschluss vom Vergabeverfahren. Die Vergabestelle hätte die Antragstellerin zunächst auffordern müssen, die fehlende Liste einzureichen (OLG Celle, B. v. 22.5.2003 - Az.: 13 Verg 10/03; ebenso VK Lüneburg, B. v. 11.06.2004 - Az.: 203-VgK-18/2004).

107.5.1.2.3.3.4.5.10 Nachträgliche Vorlage der Nachunternehmererklärung bei entsprechender Vorgabe der Verdingungsunterlagen

Räumt ein öffentlicher Auftraggeber in seinen Bewerbungsbedingungen ausdrücklich die Möglichkeit ein, die zunächst nur angekündigte Nachunternehmererklärung auf Anforderung nachzureichen, bestehen dagegen auch vergaberechtlich keine durchgreifenden Bedenken. Dem Auftraggeber steht es nämlich frei, die Nachunternehmererklärung mit dem Angebot zu fordern oder deren Vorlage auch noch in einem späteren Stadium des Vergabeverfahrens zuzulassen. Zwar könnte die zweitgenannte Möglichkeit von den Bietern dazu genutzt werden, den Umfang und/oder den Gegenstand des Nachunternehmereinsatzes anders als ursprünglich vorgesehen zu deklarieren. Dies allein rechtfertigt indes nicht die Annahme, dem Auftraggeber sei es vergaberechtlich versagt, den Bietern die Nachreichung des Nachunternehmerverzeichnisses zu gestatten (OLG Düsseldorf, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 9/03, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 8/03).

107.5.1.2.3.3.4.5.11 Fehlen eines an sich durch den Auftraggeber vorgesehenen Formblattes

Wird in einem formularmäßig vorgefertigten Anschreiben ein Hinweis auf das Formblatt "EFB NU-317" zur Nachunternehmererklärung vor Versendung an die Bewerber durchgestrichen und befindet sich die Streichung vor dem Text des Anschreibens in der Anlagenliste, ist dies unschädlich. Die Streichung enthält damit objektiv nur die Mitteilung,

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dass das bezeichnete Formblatt dem Anschreiben nicht beigefügt ist. Eine (konkludente) Aussage, dass eine entsprechende Erklärung entgegen z.B. den Bewerbungsbedingungen in keinem Fall erforderlich sein soll, lässt sich der Streichung weder für sich noch in Verbindung mit der Nichtbeifügung des Formblatts entnehmen. Einer solchen Annahme fehlte schon deswegen die Grundlage, weil die Angaben zum Nachunternehmereinsatz nicht von der Verfügbarkeit eines bestimmten Formulars abhängig sind (OLG Koblenz, B. v. 07.07.2004 - Az.: 1 Verg 1 und 2/04). Das Formular hat außerdem lediglich den Sinn und Zweck der Arbeitserleichterung. Auf Seiten der Bieter wird die Abgabe der geforderten Erklärung erleichtert, weil die konkreten Inhalte der Erklärungen formularmäßig vorgegeben werden. Auf Seiten der Vergabestelle wird der Vergleich der Angebote erleichtert (VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.08.2004 - Az.: VK-SH 19/04). Das bloße Fehlen eines an den Bieter seitens des Auftraggebers zu übermittelnden Vordrucks zur Abgabe einer Erklärung berechtigt einen Bieter grundsätzlich nicht dazu, die geforderte Erklärung zu unterlassen (1. VK Sachsen, B. v. 13.04.2006 - Az.: 1/SVK/028-06).

107.5.1.2.3.3.4.5.12 Fehlendes Ankreuzen des Formblatt 317 EG - Nachunternehmer – im Formblatt "Angebotsschreiben" durch die Vergabestelle

Das Unternehmerverzeichnis Formblatt 317 EG ist einschließlich der Verfügbarkeitsnachweise mit dem Angebot vorzulegen, wenn in der Angebotsaufforderung die Formblätter 317 EG und 320 als in Abhängigkeit vom Angebot zurückzugebende Unterlagen gekennzeichnet sind. Die Vorbemerkung im Formblatt 317 bestätigt dies durch den Hinweis, dass mit dem Angebot die Unternehmen, deren Fähigkeiten sich der Bieter im Auftragsfall bedienen wird, zu benennen und die Nachweise vorzulegen sind, dass dem Bieter die erforderlichen Mittel dieser Unternehmen zur Verfügung stehen. Dass im Formblatt „Angebotsschreiben“ das Unternehmerverzeichnis 317 EG nebst Anlagen nicht bereits vom Auftraggeber als eine vom Bieter im Einzelfall bei Bedarf beizufügende Unterlage angekreuzt worden war, steht nicht im Widerspruch zu den genannten Vorgaben, sondern erklärt sich daraus, dass die Aufzählung der Unterlagen unter der Hauptüberschrift „1 Mein/Unser Angebot umfasst:“ steht, so dass ein Ankreuzen der nur im – vom Angebot des Bieters abhängigen - Bedarfsfall beizufügenden Unterlagen durch den Auftraggeber den Eindruck hätte erwecken können, der Bieter müsse diese Unterlagen in jedem Fall vorlegen, auch wenn er sich keiner anderen Unternehmen bedienen will. Ein solches Verständnis wäre zwar nicht zwingend. Denn das Ankreuzen des Formblatts 317 EG im Formular „Angebotsschreiben“ durch den Auftraggeber hätte nicht notwendigerweise bedeutet, dass der Vorbehalt „bei Bedarf beizufügen“ unbeachtlich geworden wäre, zumal die Hauptüberschrift „1 Mein Angebot umfasst:“ wiederum eingeschränkt ist durch die nachfolgende Formulierung „1.1 Vertragsbestandteile, die soweit erforderlich ausgefüllt wurden und beigefügt1 sind“. Es ist daher ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Auftraggeber, um solchen Unklarheiten vorzubeugen, das Formular 317 EG im Formblatt „Angebotsschreiben“ nicht angekreuzt, sondern es dem Bieter überlassen hat, dies im Falle des Einsatzes von Nachunternehmern zu tun. Angesichts der klaren Formulierungen in der Angebotsaufforderung sowie im Formblatt 317 EG selbst konnte dies von einem Bieter verständigerweise nicht dahin ausgelegt werden, er müsse die Unternehmererklärung auch dann nicht mit dem Angebot vorlegen, wenn er Nachunternehmen einzusetzen beabsichtigt (2. VK Bund, B. v. 26.05.2008 - Az.: VK 2 – 49/08).

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107.5.1.2.3.3.4.5.13 Auslegung der Forderung des Auftraggebers nach Angabe der Namen der Nachunternehmer und eines Formblattes

Ob die Bieter den Vergabeunterlagen in der Zusammenschau entnehmen oder nicht entnehmen müssen, sie hätten die vorgesehenen Nachunternehmer bereits im Angebot namentlich zu benennen, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist es Sache des öffentlichen Auftraggebers, auf eine eindeutige und transparente Vorformulierung der von den Bietern verlangten, für die Vergabeentscheidung relevanten Erklärungen zu achten. Ein hierarchisches Zusammenspiel in den einzelnen Bestandteilen der Vergabeunterlagen zu erkennen, erfordert eine vertragsrechtlich versierte Gesamtschau, die von den Bietern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß aber nicht geleistet wird und die von ihnen auch nicht erwartet werden kann. Auch allein dadurch, dass ein Vordruck auch eine Spalte für vorgesehene Nachunternehmer enthält, müssen die Bieter nicht das Verlangen einer verbindlichen Benennung der Nachunternehmer im Angebot erkennen. Das gilt umso mehr, wenn der für die Auslegung in erster Linie bedeutsame Wortlaut z.B. der Bewerbungsbedingungen das Verständnis nahelegt, der Auftraggeber wolle sich vorbehalten, die ausführenden Nachunternehmer zu gegebener Zeit nach Angebotseröffnung gegebenenfalls benannt zu bekommen (BGH, Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07).

107.5.1.2.3.3.4.5.14 Zumutbarkeit der Nachunternehmererklärung in Form der Nennung der Nachunternehmer

Ein typisches Beispiel für die Frage, ob die Erklärung den Bieter - im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - unzumutbar belastet, ist die Forderung des Auftraggebers nach Benennung der Nachunternehmer. Insoweit fasst die VK Sachsen in einer älteren Entscheidung die Interessenlage folgendermaßen zusammen: Die Eintragung eines Bieters "o.glw." bei der Benennung ihrer Nachunternehmer führt nicht zum zwingenden Ausschluss aus dem Bieterfeld. Zwar behält sich der Bieter mit dieser Bezeichnung vor, den namentlich genannten Nachunternehmer eventuell durch einen anderen zu ersetzen, und sich in soweit nicht zu 100% an ihr Angebot gebunden. Dies muss jedoch nicht zu einem zwingenden Ausschluss von der Wertung führen. Ein zwingender Ausschluss ist nur dann geboten, wenn sich das Angebot durch die fehlenden bzw. nicht zu 100% zugesicherten Nachunternehmer-Angaben insgesamt nicht mehr werten lasse. Dies muss erst recht gelten, wenn nur ein verschwindend geringer Anteil der ausgeschriebenen Leistung an Nachunternehmer vergeben werden soll. Es ist dem Auftraggeber zuzumuten, dass die von dem Bieter zunächst benannten Nachunternehmer gegebenenfalls noch ausgetauscht werden. Vor Erteilung des Zuschlags auf einen Bieter ist es diesem unmöglich, verbindliche Vertragsverhandlungen mit seinen Nachunternehmern zu führen. Es widerspräche den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, wenn ein Bieter in jedem Fall einen Nachunternehmer binden müsste und dieser dann bis zur Entscheidung über den Zuschlag die entsprechenden Kapazitäten frei halten müsste. Dies ist schon deswegen nicht zu fordern, weil Unternehmen bekanntermaßen an einer Vielzahl von Auslobungsverfahren gleich welcher Art teilnehmen (müssen), um in einem oder zwei Fällen tatsächlich den Zuschlag zu erhalten. Es müsste dann eigentlich ständig fest gebundene Nachunternehmer "vorhalten", um rechtlich einwandfr eie Nachunternehmerlisten abgeben zu können (1. VK Sachsen, B. v. 6.5.2002 - Az.: 1/SVK/ 034-02; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B. v. 8.11.2001 - Az.: 13 Verg 12/01).

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Das OLG Düsseldorf hingegen (B. v. 28.04.2008 - Az.: VII - Verg 1/08; B. v. 05.05.2004 - Az.: VII - Verg 10/04) vertritt die Auffassung, dass dann, wenn der Bieter in seinem Angebot einen Nachunternehmer benennt, er mit Ablauf der Angebotsabgabefrist hieran gebunden ist. Er kann für die betreffenden Arbeiten weder einen anderen noch einen zusätzlichen Nachunternehmer anbieten. Ebenso wenig darf der öffentliche Auftraggeber eine dahingehende Angebotsänderung gestatten. Der Bieter ist in gleicher Weise gehindert, sein Angebot dahin abzuändern, dass die in Rede stehenden Arbeiten nicht mehr durch einen Nachunternehmer, sondern im eigenen Betrieb ausgeführt werden sollen (OLG Düsseldorf, B. v. 05.05.2004 - Az.: VII - Verg 10/04; 1. VK Bund, B. v. 09.10.2009 - Az.: VK 1 - 176/09). Dies gilt auch dann, wenn die Mindestanforderungen z.B. an ein Nebenangebot es dem Bieter neben dem Einsatz von selbständigen oder unselbständigen Nachunternehmern auch den Rückgriff auf bestimmte, in den Vergabeunterlagen benannte Nachunternehmer erlauben, wenn dadurch z.B. Unternehmen, die nicht über eine eigene vollständige Kompetenz verfügen, ermöglicht werden soll, sich an der Ausschreibung im Interesse eines echten Wettbewerbs zu beteiligen. Davon ist aber die Frage rechtlich zu trennen, ob in dem Austausch eines – wie gefordert – mit dem Angebot benannten Nachunternehmers gegen einen anderen Nachunternehmer eine Änderung des Angebotes zu sehen ist, nämlich eine Änderung der vom Bieter abgegebenen Erklärungen zum Nachunternehmerereinsatz (OLG Düsseldorf, B. v. 28.04.2008 - Az.: VII - Verg 1/08). Sehen Verdingungsunterlagen vor, dass Nachunternehmer nur „auf Verlangen“ der Vergabestelle zu benennen sind, müssen die Nachunternehmer nicht zwingend bei Angebotsabgabe benannt werden. Aus einem den Verdingungsunterlagen beigefügten Formular, das Spalten zur Angabe von Nachunternehmern enthält, ergibt sich nichts Anderes (BGH, Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.10.2005 - Az.: VK-SH 27/05). Anderer Auffassung sind insoweit die VK Brandenburg und die VK Rheinland-Pfalz. Der Auftraggeber spricht bereits durch die Übersendung des Vordrucks „Verzeichnis der Nachunternehmerleistungen“ sein Verlangen aus, die Nachunternehmer zu bezeichnen (1. VK Brandenburg, B. v. 30.06.2005 - Az.: VK 29/05; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 24.02.2005 - Az.: VK 28/04). Die alternative Angabe von mehreren Nachunternehmern zu einer Teilleistung ist nicht eindeutig, wenn „der“ Name des Nachunternehmers, also desjenigen Unternehmens, das im Auftragsfalle auch den Auftrag ausführen soll, anzugeben ist. Durch Alternativangaben ist für den Auftraggeber nicht eindeutig, welches Unternehmen im Auftragsfalle eingesetzt werden soll, denn durch die Angabe mehrerer Nachunternehmer behält sich der Bieter die Option vor, den einen oder anderen Nachunternehmer einzusetzen. Hierdurch behält er zum einen die Möglichkeit, noch einen preisrelevanten Wettbewerb innerhalb der Nachunternehmer mit Kostenvorteilen durchzuführen. Zum anderen kann er – anders als Bieter mit eindeutig angegebenen Nachunternehmern, denen bei Wegfall des vorgesehenen Nachunternehmers der Einsatz eines gleichwertigen anderen Nachunternehmers oder ein Umschwenken auf nunmehrige Eigenleistung versagt ist - dem Ausschluss seines Angebotes entgehen und dennoch im Wettbewerb verbleiben. Der Auftraggeber kann zudem bei solchen mehrdeutigen Angaben die Eignung der Nachunternehmer nicht überprüfen. Nicht eindeutig ist darüber hinaus die Benennung mehrerer Unternehmen, wenn gleichzeitig mehrere Teilleistungen beschrieben werden (z.B. „Erdarbeiten/Rohrgräben/Baustraßen/Abbruch“ oder „HDI, Verbau, Grundwasserhaltung“).

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In diesem Zusammenhang ist unklar, ob ein Unternehmen sämtliche Teilleistungen einer genannten Position ausführen soll oder ob die Einzelleistungen von verschiedenen der alternativ benannten Nachunternehmer erbracht werden. Welcher Nachunternehmer im letzteren Fall jeweils für welche Einzelleistung eingesetzt werden soll, bleibt ebenfalls fraglich (1. VK Brandenburg, B. v. 30.06.2005 - Az.: VK 29/05). Der BGH beurteilt die Interessenlage – und damit auch die Zumutbarkeit , ohne allerdings daran rechtliche Konsequenzen zu knüpfen – dergestalt, dass die VOB/A selbst lediglich - fakultativ - vorsieht, dass der Auftraggeber die Bieter auffordern kann, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen (§ 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A). Diese Angaben reichen zunächst aus, um den Auftraggeber darüber ins Bild zu setzen, wie der einzelne Bieter den Auftrag zu erfüllen gedenkt. Den Bietern ist es zuzumuten, schon in diesem Stadium des Vergabeverfahrens Auskunft darüber zu geben, ob für bestimmte Leistungsteile eine Subunternehmereinschaltung vorgesehen ist. Anders kann es sich verhalten, wenn sie schon bei der Angebotsabgabe verbindlich mitteilen müssen, welche Subunternehmer sie bei der Ausführung einschalten wollen. Um dazu wahrheitsgemäße Erklärungen abzugeben, müssten sich alle Ausschreibungsteilnehmer die Ausführung der fraglichen Leistungen von den jeweils ins Auge gefassten Nachunternehmern bindend zusagen lassen. Eine solche Handhabung kann die Bieter insgesamt in Anbetracht des Umstands, dass der Zuschlag naturgemäß nur auf ein Angebot ergeht, in einem Maße belasten, das in der Regel nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen dieser Vorgehensweise für die Vergabestellen steht. Sie ersparen sich damit lediglich den zusätzlichen organisatorischen und zeitlichen Aufwand, zu gegebener Zeit nach Angebotseröffnung von einem engeren Kreis der Bieter - etwa von denjenigen, deren Angebote in die engere Wahl gelangt sind (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOB/A) - die gegebenenfalls vorgesehenen Nachunternehmer zu erfragen. Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich das Risiko der Auftraggeber, lukrative Angebote wegen unvollständiger Abgabe von geforderten Erklärungen ausschließen zu müssen, nach den Beobachtungen des Senats mit der steigenden Zahl dieser vorgesehenen Erklärungen und außerdem dann erhöht, wenn die Abgabe verbindlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt, also mit dem Angebot vor dem Eröffnungstermin verlangt wird (BGH, Urteil v. 10.06.2008 - Az.: X ZR 78/07). Der BGH berücksichtigt bei seinen Erwägungen zu den Vorteilen für die Vergabestelle nicht, dass die Forderung nach Nennung der Nachunternehmer bereits mit Angebotsabgabe gegebenenfalls die einzige Möglichkeit ist, zu einem fairen Vertragsverhältnis zwischen Hauptunternehmer und Nachunternehmer beizutragen. Ein solches ausgewogenes Verhältnis kommt dem Auftraggeber im Zuge der Bauausführung nach aller Erfahrung in erheblichem Maße zugute. Der vom BGH konzedierte zusätzliche Aufwand bedingt wiederum eine längere Zuschlags- und Bindefrist, die kaum im Vorhinein zu bestimmen ist und bei einer etwaigen Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist zu eventuellen Nachtragsforderungen des Auftragnehmers führt. Demgegenüber müssen die Bieter für eine saubere Kalkulation während der Angebotsbearbeitung sowieso mit Nachunternehmern sprechen und verhandeln, sodass auch eine Namensnennung zumutbar ist. Die VK Sachsen versteht die Entscheidung des BGH sogar dahingehend, dass eine Forderung in den Ausschreibungsunterlagen, die für die Subvergabe vorgesehenen Unternehmen bereits im Angebot konkret zu benennen und eine entsprechende Verpflichtungserklärung vorzulegen, die Bieter in der Regel unverhältnismäßig belastet. Diese Vorgabe ist deshalb unzumutbar mit der Folge, dass Angebote, die sie nicht einhalten, nicht ausgeschlossen werden dürfen. Dies gilt erst recht im Stadium eines

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Teilnahmewettbewerbs, in dem zum Zeitpunkt der geforderten Vorlage der Verpflichtungserklärung noch nicht einmal ein Leistungsverzeichnis vorliegt. In Anbetracht der Kenntnis von einer nur grob umrissenen Leistungsbeschreibung ist dies im Lichte der Rechtsprechung des BGH erst recht als unzumutbar anzusehen (1. VK Sachsen, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1/SVK/051-08). Auch das OLG München geht in diese Richtung. Von der Frage, ob es grundsätzlich unzumutbar ist, Nachunternehmer namentlich zu benennen und Verpflichtungserklärungen vorzulegen, ist das weitere Problem zu unterscheiden, zu welchem Zeitpunkt dies zumutbar verlangt werden kann. Weder Art. 43 Abs. 3 und Abs. 6 noch Art. 25 VKR noch § 8a Nr. 10 VOB/A nennen hier einen Zeitpunkt. Es kann unzumutbar sein, bereits mit Angebotsabgabe die Benennung der Nachunternehmer und die Verpflichtungserklärung vorzulegen, wenn z.B. keine besondere technische Leistung oder kein außergewöhnliches Bauprojekt ausgeschrieben sind. Gegenüber der Vergabestelle ist die Verpflichtungserklärung lediglich eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung. Dennoch ist es für den Bieter, der sich regelmäßig und auch für sich überschneidende Zeiträume an Ausschreibungen beteiligt, unzumutbar, bereits bei Angebotsabgabe diese Erklärungen vorzulegen. Entweder ist er gezwungen, rechtlich verbindliche Erklärungen vorzuspiegeln, oder er ist möglicherweise gezwungen, auf bewährte Vertragspartner zu verzichten. Er kann auch nicht die Auswechslung der einmal benannten Subunternehmer von vornherein vorsehen, weil dies nur mit Zustimmung des Auftraggebers möglich ist, vgl. § 4 Nr. 8 VOB/B. Um dem Interesse der Vergabestelle an der Eignungsprüfung der benannten Nachunternehmer Genüge zu tun, sind die geforderten Erklärungen aber spätestens bis zu dem Zeitpunkt einzureichen, in welchem die Vergabestelle ihre geplante Zuschlagserteilung treffen will. In diesem Fall ist es dem Bieter zuzumuten, sich nun um eine Zusage des Nachunternehmers zu bemühen (OLG München, B. v. 22.01.2009 - Az.: Verg 26/08). Nach Auffassung des OLG Düsseldorf kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dahingehend verstanden werden, ein Bieter dürfe darauf vertrauen, bis zum Auftragsbeginn Unterauftragnehmer nicht benennen zu müssen. Denn die Vergabestelle muss in die Lage versetzt werden, noch vor Zuschlagserteilung die Eignung der Nachunternehmer des in die engere Auswahl gelangten Angebots zu prüfen. Jedenfalls das Erfordernis der Benennung der Nachunternehmer zumindest in der Phase der Angebotswertung entspricht dem erkennbaren Interesse eines Auftraggebers, der z. B. die Eignung der Nachunternehmer in personeller und technischer Hinsicht für die Ausführung des Schülerspezialverkehrs und die Zuverlässigkeit einer Prüfung unterziehen will (OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08).

107.5.1.2.3.3.4.5.15 Berechnung des Nachunternehmeranteils

Vgl. zur Berechnung des Nachunternehmeranteils die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 334.

107.5.1.2.3.3.4.5.16 Leistungen, auf die ein Betrieb eingerichtet ist

In der Vergabepraxis knüpft die Zulässigkeit eines Nachunternehmereinsatzes davon ab, ob ein Bieter Leistungen anbietet, auf die sein Betrieb eingerichtet ist oder nicht. Was im Einzelnen darunter zu verstehen ist, dass ein Betrieb nicht auf eine Leistung eingerichtet ist, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt. Während zum Teil

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angenommen wird, ein Betrieb sei dann nicht auf eine Leistung eingerichtet, wenn „betriebsfremde Leistungen“ durchgeführt werden sollen bzw. der Auftragnehmer nach seiner betrieblichen Tätigkeit und Einrichtung zur Leistung nicht imstande ist, stellen andere auf ein funktionales Verständnis ab. Danach soll ein Betrieb dann auf eine Leistung eingerichtet sein, wenn der Bieter das in seinem Betrieb beschäftigte Personal und die ihm zur Verfügung stehenden Sachmittel zur Erbringung der geschuldeten Bauleistung auf der Baustelle, in seiner Betriebsstätte oder sonst wo einsetzen kann. Nach Auffassung des Vergabesenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist ein Betrieb dann auf eine Leistung eingerichtet, wenn er nach seiner Struktur, seiner Organisation und seinen internen Betriebsabläufen generell darauf ausgerichtet ist (BayObLG, B. v. 27.07.2004 - Verg 014/04).

107.5.1.2.3.3.4.6 Fehlende Fabrikatsangaben

107.5.1.2.3.3.4.6.1 Allgemeines

Grundsätzlich sind nach der Rechtsprechung des BGH Angebote mit fehlenden Fabrikatsangaben von der Wertung auszuschließen (OLG Thüringen, B. v. 11.01.2007 - Az.. 9 Verg 9/06; VG Neustadt an der Weinstraße, B. v. 06.04.2006 - Az.: 4 L 544/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; 2. VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; 2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09; B. v. 30.05.2008 - Az.: VK 2 – 55/08; B. v. 30.05.2007 - Az.: VK 2 - 39/07; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; B. v. 09.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/06; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; 1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; VK Südbayern, B. v. 13.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/08; B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06; B. v. 19.01.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-56-12/05; B. v. 11.05.2005 - Az.: 17-04/05). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich – bezogen auf die Gesamtleistung - um eine untergeordnete Fabrikatsangabe handelt (BGH, Urteil v. 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; VG Neustadt an der Weinstraße, B. v. 06.04.2006 - Az.: 4 L 544/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; 1. VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; VK Hessen, B. v. 20.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 61/2004; VK Münster, B. v. 15.10.2004 - Az.: VK 28/04; VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; B. v. 09.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/06; B. v. 16.02.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 02/05; VK Thüringen, B. v. 08.09.2005 - Az.: 360-4002.20-028/05-SLF; B. v. 22.03.2005 - Az.: 360-4002.20-002/05-MGN). Die VK Nordbayern lockert die strikte Rechtsprechung des BGH etwas. Nach Auffassung der VK Nordbayern schaden fehlende Fabrikats- oder Typangaben nicht, wenn sie völlig unbedeutend sind (VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08). Trägt ein Bieter den Namen eines Lieferanten und nicht den des Herstellers ein, obwohl dieser abgefragt wurde, fehlt ein eindeutiges Fabrikat; das Angebot ist zwingend auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 09.08.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 27/05). Die Forderung nach einer Fabrikatsangabe wird durch die Nennung zweier Hersteller mit jeweils einer Palette von Fabrikaten nicht erfüllt . Es fehlen insoweit produktidentifizierende Angaben (VK Arnsberg, B. v. 02.10.2005 - Az.: VK 18/2005).

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Wenn der vom Bieter benannte Hersteller unter dem angegebenen Fabrikat mehrere geeignete Produkte anbietet, ist weder die erforderliche Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Positionen in einem insoweit vollständigen Angebot eines anderen Bieters gewährleistet noch die Möglichkeit von nachträglichen Manipulationen ausgeschlossen; das Angebot ist deshalb mangels produktidentifizierender Angaben zwingend auszuschließen (VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; 2. VK Bund, B. v. 30.05.2007 - Az.: VK 2 - 39/07; VK Südbayern, B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06; VK Nordbayern, B. v. 09.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/06). Noch weiter geht die VK Südbayern. Die Vergabekammer erkennt keinen Ermessensspielraum für den Auftraggeber, ein Angebot schon deshalb zu werten, weil es von der vom Bieter benannten Herstellerfirma nur ein Produkt gibt, das die Systemparameter des Leistungsverzeichnisses erfüllt („produktidentifizierende Angabe“). Es kann insoweit auch nicht auf den "objektiven Empfängerhorizont" abgestellt werden, wonach entscheidend ist, wie ein mit den Umständen des Einzelfalles vertrauter Dritter in der Lage des Auftraggebers die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen muss oder darf. Der Auftraggeber hat eine Erklärung zum "Fabrikat (insbesondere Herstellerangabe und genaue Typenbezeichnung)" gefordert, die vom Bieter so nicht abgegeben wurde, weil er lediglich die Herstellerfirma benannt hat. Das Angebot ist somit auszuschließen (VK Südbayern, B. v. 19.01.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-56-12/05). Ähnlich argumentiert die 2. VK Bund. Auf eine Produktidentifizierung abzustellen, erscheint bereits vom Ansatz her bedenklich. Denn die dem Bieter abverlangten Hersteller- und Typenangaben sollen das Produkt genau bezeichnen, damit der Auftraggeber überprüfen kann, ob dieses tatsächlich den Anforderungen der Leistungsbeschreibung genügt. Die Auswahl des Produkts hat dabei der Bieter zu treffen, der dementsprechend das Risiko trägt, ein Produkt anzubieten, das den Anforderungen aus Sicht des Auftraggebers nicht genügt. Wenn ein Bieter dagegen lediglich den Hersteller benennt und es dem Auftraggeber überlässt, sich aus der Angebotspalette des Herstellers das geeignete Produkt auszusuchen, verlagert er das Auswahlrisiko auf den Auftraggeber. Er stellt sich damit besser als derjenige Bieter, der tatsächlich alle geforderten Angaben selbst vornimmt und deshalb das Auswahlrisiko trägt. Auf diese Weise verschafft er sich einen Wettbewerbsvorteil, der ihm nach den in der Ausschreibung festgelegten Regeln nicht gebührt. Zudem birgt eine Recherche des Auftraggebers, welches Produkt bzw. wie viele Produkte des benannten Herstellers dem Ausschreibungstext genügen, ein erhebliches Risiko, dass die Angebotspalette des Herstellers nur unvollständig zur Kenntnis genommen und das Produkt als durch die Herstellerangabe eindeutig identifiziert betrachtet wird, obwohl tatsächlich noch andere Erzeugnisse der Herstellers der Positionsbeschreibung entsprechen und es daher an der Eindeutigkeit der Produktangabe fehlt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das vorhandene Prospektmaterial nicht vollständig ist oder der Internetauftritt des Herstellers nur eine Auswahl der lieferbaren Produkte verzeichnet. Unsicherheiten über den Angebotsgegenstand, die durch die vom Bieter zu machenden Angaben vermieden werden sollten, bleiben in diesem Falle zunächst unbemerkt. Darüber hinaus ist es denkbar, dass der Auftraggeber ein anderes Produkt für ausschreibungskonform hält als der Bieter. Liefert dieser dann ein anderes als das vom Auftraggeber erwartete Erzeugnis, so entstehen im Rahmen der Vertragsausführung genau jene Meinungsverschiedenheiten, denen mit der geforderten Produktidentifizierung in der Angebotsphase hätte vorgebeugt werden können (2. VK Bund, B. v. 30.05.2007 - Az.: VK 2 - 39/07).

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Es ist nicht die Aufgabe der Vergabestelle, anhand von Prospekten und Datenblättern, einzelne Positionen des Angebots zu ergänzen, um festzustellen, was der Bieter eventuell angeboten haben könnte. Es ist die Aufgabe des Bieters, bei der Abgabe des Angebots das Produkt auszuwählen, das den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht (VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08). Anderer Auffassung ist insoweit die VK Sachsen. Legt der Auftraggeber oder der Bieter zur Überzeugung de Vergabekammer dar, dass durch die Angabe bestimmter technischer Parameter im Leistungsverzeichnis im Ergebnis nur ein einziges Produkt übrig bleibt, ist damit die vom BGH geforderte Vergleichbarkeit des streitgegenständlichen Angebotes mit anderen gewährleistet. Ein Ausschlussgrund ist unter diesem Gesichtspunkt nicht festzustellen (1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06). Trägt ein Bieter das Fabrikat mit dem Zusatz „o. glw.“ ein, ist diese Angabe nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Nach den gesamten Umständen kann sie dahin verstanden werden, dass der Bieter das jeweils angegebene Fabrikat anbieten, dem Auftraggeber aber die Möglichkeit einräumen will, bei der Bauausführung den Einsatz eines gleichwertigen Alternativherstellers bzw. -produkts zu bestimmen. Diese Erklärung zum Auswählen ist nach dem bürgerlichen Recht in Verbindung mit § 28 Nr.2 VOB/A ausgeschlossen, weil eine derartige Erklärung kein „Angebot“ ist. Ein Vertrag kommt dadurch zustande, dass der Bauherr auf ein Angebot eines Bieters die vorbehaltslose Annahme des Angebotes erklärt. In § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A wird ergänzend festgelegt, dass der Vertrag geschlossen ist, wenn auf ein Angebot ohne Abänderungen der Zuschlag erteilt wird. Ein Angebot muss also so konkret sein, dass ohne weitere Festlegung, Ergänzung oder Differenzierung der angebotenen Leistungen der Zuschlag durch ein einfaches „Ja“ erteilt werden kann (VK Hessen, B. v. 01.11.2005 - Az.: 69 d VK - 68/2005; VK Südbayern, B. v. 16.07.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-28-06/07; B. v. 11.05.2005 - Az.: 17-04/05). Gibt ein Bieter bei einem zwingend einzutragenden Erzeugnis zwei bzw. drei Hersteller bzw. Produkte an, behält er sich offen, was vergaberechtlich nicht zulässig ist, welchen Hersteller bzw. welches Produkt seiner Wahl er nach Zuschlagserteilung einbauen wird. Ein Offenhalten des Erzeugnisses stellt eine Abweichung von den Ausschreibungsunterlagen dar, die dazu führt, dass kein ausschreibungskonformes Angebot vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn alle eingetragenen Hersteller oder Produkte die im Leistungsverzeichnis genannten Parameter erfüllen. Eine Wahlmöglichkeit des Herstellers bzw. des Erzeugnisses für den Bieter lässt sich auch aus der Formulierung im Leistungsverzeichnis "oder gleichwertig, nach Wahl des AN" nicht ableiten. Das Angebot ist seinem Inhalt nach weder eindeutig noch bestimmt und damit weder als Hauptangebot noch als Nebenangebot annahmefähig. Die Wettbewerbsrelevanz ergibt sich aus dem Vorteil, mit preiswerteren Fabrikaten kalkulieren und damit einen niedrigeren Gesamtpreis anbieten zu können. In dem sich der Bieter eine Wahlmöglichkeit z.B. im Hinblick auf die zu liefernden Fabrikate bis zur Ausführung vorbehält, hat er einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Bietern, die sich auf ein einzelnes Produkt festgelegt haben, denn dieser Bieter kann nach Beauftragung zwischen mehreren Produkten wählen und so möglicherweise auf geänderte Marktbedingungen reagieren und günstigere Preise erzielen. Eine Mehrfachnennung ist zudem auch gemäß den Ausschreibungsbedingungen oftmals nicht zulässig. Nach Ziffer 3.3 der Bewerbungsbedingungen (EVM (B) BwB/E EG 212 EG) beispielsweise „muss das Angebot vollständig sein; unvollständige Angebote werden ausgeschlossen. Enthält die Leistungsbeschreibung bei einer Teilleistung eine Produktangabe mit Zusatz "oder gleichwertiger Art" und wird vom Bieter dazu eine Produktangabe verlangt, ist das Fabrikat

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(insbesondere die Herstellerangabe und genaue Typenbezeichnung) auch dann anzugeben, wenn der Bieter das vorgegebene Fabrikat anbieten will. Fehlt diese Angabe, ist das Angebot unvollständig." Diesen Formulierungen (im Singular) ist eindeutig zu entnehmen, dass der Auftraggeber die Abgabe einer Produktangabe gefordert hat und nicht die Abgabe mehrerer Produktangaben (VK Südbayern, B. v. 16.07.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-28-06/07). Verlangt die Vergabestelle für den Fall, dass das Angebot ein anderes Fabrikat als das Leitfabrikats enthält, dass Gleichwertigkeitsnachweise mit dem Angebot zwingend abzugeben sind und liegen dem Angebot keine derartigen Gleichwertigkeitsnachweise bei, ist das Angebot zwingend im Ergebnis der Prüfung der Vollständigkeit der Angebote gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A auszuschließen (VK Thüringen, B. v. 11.06.2009 - Az.: 250-4002.20-2532/2009-002-SOK).

107.5.1.2.3.3.4.6.2 Unbedingte Forderung nach Fabrikatsangaben

Fordert der Auftraggeber im Leistungsverzeichnis, dass der Bieter in bestimmten Positionen unbedingt das Fabrikat der dort benannten Leistung angibt (z. B. Kunststoff-Sockelleisten) und weist er ausdrücklich darauf hin, dass das Angebot sonst nicht gewertet werden könne, führt das Fehlen der Fabrikatsangabe zum zwingenden Angebotsausschluss (VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; B. v. 7.7.2003 - Az.: VK 35/03; 2. VK Bund, B. v. 21.09.2009 - Az.: VK 2 – 126/09; VK Südbayern, B. v. 13.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-14-04/08; im Ergebnis ebenso OLG Koblenz, B. v. 09.06.2004 - Az.: 1 Verg 4/04; 1. VK Sachsen, B. v. 18.6.2003 - Az.: 1/SVK/042-03). Es liegt keine klare und eindeutige Forderung des Auftraggebers vor, welche Positionen des Leistungsverzeichnisses zu beschreiben sind, wenn zum einen auf den drei Seiten der Leistungsbeschreibung die der Positionsnummer im Leistungsverzeichnis entsprechenden Ordnungszahlen fehlen, es also dem Bieter überlassen wird, aus dem ursprünglich 106 Seiten umfassenden Leistungsverzeichnis diejenigen 18 Positionen herauszusuchen, für die Hersteller- bzw. Typangaben gemacht werden sollten, womit der Auftraggeber selbst die Gefahr geschaffen hat, dass Unklarheiten und Missverständnisse entstehen. Er hätte beispielsweise - um die geforderten Hersteller- und Typangaben eindeutig in Bezug zu den Positionen des Leistungsverzeichnisses zu setzen - unter der im Vordruck vorgesehenen Überschrift „OZ“ die entsprechenden Nummern eintragen können. Zum anderen ist auch die Tatsache, dass keiner der übrigen Bieter diese Leistungsbeschreibung vollständig ausgefüllt hat, ein Indiz dafür, dass diese Art des Vordrucks seitens des Auftraggebers fehleranfällig gestaltet ist. Es ist auch kein eindeutiges System dahingehend zu erkennen, dass die auszufüllenden Positionen in der Leistungsbeschreibung immer einer optisch hervorgehobenen Überschrift im Leistungsverzeichnis entsprächen (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08).

107.5.1.2.3.3.4.6.3 Fabrikatsangaben im Kurz-Leistungsverzeichnis

Wenn der Bieter ein Kurz-Leistungsverzeichnis abgibt, ist er ebenfalls verpflichtet, geforderte Fabrikatsangaben zu machen. Er kann ohne weiteres im Kurz-Leistungsverzeichnis integriert oder auf einer gesonderten Auflistung die im Leistungsverzeichnis über die Preiseintragungen hinaus geforderten Erklärungen machen, da sie über die Ordnungsziffern des Leistungsverzeichnisses eindeutig zugeordnet werden

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können. Fehlen die Angaben, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Düsseldorf, B. v. 30.9.2003 - Az.: VK - 25/2003 - B).

107.5.1.2.3.3.4.6.4 Fiktion der Angabe der Leitfabrikate

Der öffentliche Auftraggeber kann vorschreiben, dass bei Nichtabgabe von eigenen Erklärungen über angebotene Fabrikate bei Vorhandensein eines "Leitfabrikates" das Leitfabrikat als angegeben gilt. Dann sind fehlende Fabrikatsangaben gemäß den Ausschreibungsbedingungen nicht als fehlende Erklärung, sondern als Angebot des Leitfabrikates anzusehen (1. VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; VK Thüringen, B. v. 22.03.2005 - Az.: 360-4002.20-002/05-MGN; VK Düsseldorf, B. v. 30.9.2003 - Az.: VK - 25/2003 - B). In einer neueren Entscheidung vertritt hingegen die VK Thüringen die Auffassung, dass fehlende Fabrikatsangaben trotz Nennung von Leitfabrikaten und der Klausel, dass dann, wenn der Bieter keine Fabrikatsangabe macht, das Leitfabrikat als angeboten gilt, zum zwingenden Ausschluss des Angebots führen (VK Thüringen, B. v. 03.03.2006 - Az.: 360-4002.20-004/06-ABG). Mit Erlass vom 23.11.2004 (Az.: B 15 – O 1080 – 114) hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Nr. 3.3 EVM (B) BwB/E 212 das VHB dergestalt geändert, dass bei Ausschreibungen, denen das VHB des Bundes zugrunde liegt, auch bei Vorgabe eines Leitfabrikats das angebotene Fabrikat eingetragen werden muss; ansonsten ist das Angebot auszuschließen (VK Südbayern, B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06; B. v. 19.01.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-56-12/05). Ist vom Bieter die Angabe von einzubauenden Fabrikaten gefordert und bietet ein Bieter ein Leitfabrikat oder ein gleichwertiges Fabrikat an, fehlt zwar eine geforderte Angabe, weil sich der Bieter nicht - obwohl gefordert - auf ein Fabrikat festlegt. Die fehlende Angabe kann aber durch eine Aufklärung nachgetragen werden. Die Stellung des Angebots in der Wertung kann sich nicht verändern, weil der Bieter sich hinsichtlich der Eigenschaften des Fabrikats durch die Bezugnahme auf das Leitfabrikat festgelegt hat. Das Angebot muss nicht zwingend ausgeschlossen werden (VK Lüneburg, B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005). Anderer Auffassung ist insoweit die VK Baden-Württemberg. Die Kammer hält das Verhalten eines Bieters, das von ihm anzubietende Fabrikat durch Angabe von zwei Fabrikaten mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ nicht definitiv anzugeben, also offen zu halten, vergaberechtlich nicht für zulässig, weil der Bieter nach Zuschlagserteilung ein Fabrikat seiner Wahl anbieten könnte, über welches Streit hinsichtlich der Gleichwertigkeit entstehen kann. Ein Offenhalten des Fabrikats stellt eine Abweichung von den Ausschreibungsunterlagen dar, die dazu führt, dass kein ausschreibungskonformes Angebot vorliegt. Es darf auch nicht durch Nachverhandlungen annahmefähig gemacht werden (VK Baden-Württemberg, B. v. 25.05.2005 - Az.: 1 VK 25/05). Eine Angabe des Bieters mit dem Inhalt „wie ausgeschrieben“ bzw. „Element wie ausgeschrieben“ ist eine Willenserklärung der Antragstellerin. Diese Eintragung verhindert, dass eine Fiktion z.B. einer Typenangabe eintritt (1. VK Sachsen, B. v. 09.05.2006 - Az.: 1/SVK/036-06; B. v. 20.04.2006 - Az.: 1/SVK/029-06).

107.5.1.2.3.3.4.6.5 Keine Fabrikatsangabe durch die Angabe des Herstellers

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Weist ein Angebot insofern Defizite bei den geforderten Fabrikatsangaben auf, als nur immer der Hersteller und bei einigen Positionen zusätzlich noch die Zulassungsnummer angegeben wird und fehlen weitere Angaben zu den tatsächlich angebotenen Fabrikaten/Produkten, ist das Angebot hinsichtlich dieser Positionen nicht eindeutig; gerade wegen der fehlenden weiteren Angaben zu den angebotenen Fabrikaten ist eine eindeutige Identifizierung und vergleichende Beurteilung nicht möglich. Dieses Manko kann auch nicht durch eine eventuelle Nachverhandlung behoben werden (VK Hannover, B. v. 10.05.2004 - Az.: 26045 - VgK 02/2004).

107.5.1.2.3.3.4.6.6 Keine Fabrikatsangabe durch Bezug zur Vorposition

Die Auslegung des Angebotsinhaltes kann grundsätzlich auch nicht dergestalt erfolgen, dass wegen des Bezuges einer Position, in der ein Bieter ein Fabrikat angeben muss, zur Vorposition auch jeweils das Fabrikat der Vorposition angeboten wird, da die Vorposition jeweils dem vorgegebenen Fabrikat folgt und ein Wechsel der Fabrikate weder sinnvoll noch üblich ist. Dagegen kann z.B. der Inhalt von Angeboten sprechen, in denen Bieter in einigen Vorpositionen ein Leitfabrikat und in der Folgeposition jedoch ein anderes Fabrikat anbieten (1. VK Brandenburg, B. v. 05.07.2006 - Az.: 1 VK 23/06). Anderer Auffassung ist insoweit die VK Nordbayern . Auch im Vergaberecht besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Auslegung von Angeboten (§ 133 BGB). Ergibt sich z.B. aus der Gesamtschau des vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsverzeichnisses mit dem von dem Bieter gefertigten Kurz-Leistungsverzeichnis (Positionsliste), dass in allen Positionen bei bestimmten Arbeiten die bauseits vorgegebenen Leitprodukte angeboten werden sollten, ist insoweit vorrangig der objektive Erklärungswert, abgestellt auf die Sicht eines verständigen Auftraggebers in deren damaliger Situation zu ermitteln. Ist dabei festzuhalten, dass der Bieter in einer identischen Positions-Nr. ebenfalls das vorgegebene Leitprodukt anbietet , kann hieraus abgeleitet werden, dass auch unter der unvollständigen Positions-Nr. das Leitprodukt angeboten werden soll. Hierfür spricht insbesondere auch, wenn der Bieter in seiner Positionsliste unter beiden Positionen das verlangte Produkt zum identischem Einheitspreis anbietet. Der fehlende Eintrag stellt daher ein unbeachtliches Schreibversehen dar (VK Nordbayern, B. v. 08.05.2007 - Az.: 21.VK – 3194 - 20/07).

107.5.1.2.3.3.4.6.7 Keine Fabrikatsangabe durch Bezug zu einem technisch identischen Los

Fehlende Produktangaben bei einem Fachlos sind nicht ohne weiteres anhand eines Rückschlusses aus den Produktangaben zu einem technisch identischen Fachlos der Ausschreibung zu beheben. Denn trotz der identischen technischen Ausstattung ist aus dem objektiven Empfängerhorizont der Vergabestelle, der für die Auslegung des Angebots maßgebend ist, ein eindeutig artikulierter Bindungswille insoweit nicht erkennbar. Die Verwendung identischer Produkte war den Bietern freigestellt, aber nicht vorgeschrieben. Denn an keiner Stelle der Verdingungsunterlagen findet sich ein Hinweis, dass eine fachlosübergreifende Produktidentität erforderlich ist. Die stillschweigende Erstreckung der zu einem Fachlos gemachten Angaben auf die Ausstattung des anderen Fachloses im Angebot eines Bieters stellt damit nur eine unter mehreren denkbaren Auslegungsvarianten im Rahmen einer rechtsgeschäftlichen Auslegung nach §§ 133, 157 BGB dar. Eine andere ist, dass der Bieter sich im Falle des Zuschlagserhalts möglicherweise gerade auf sein Schweigen in diesem Punkt beruft und verlangt, den Inhalt nach seinem

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Ermessen gestalten zu dürfen (vgl. § 315 BGB). In Betracht kommt auch die Annahme einer Vertragslücke, die unbeschadet der Einigung der Parteien im Übrigen eine gesonderte Nachverhandlung über die offenen Fragen notwendig macht. Selbst wenn man auf der rechtsgeschäftlichen Ebene – unter Berücksichtigung des jeweiligen Für und Wider aufgrund eines Abwägungsprozesses – im Ergebnis möglicherweise der erstgenannten Auslegungsvariante den Vorzug einräumen wollte, reicht das in vergaberechtlicher Hinsicht nicht aus (OLG Thüringen, B. v. 11.01.2007 - Az. 9 Verg 9/06).

107.5.1.2.3.3.4.6.8 Mehrere Produktangaben

Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A sollen Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten. Das Vertragsangebot soll klar, vollständig und in jeder Hinsicht zweifelsfrei sein. Unzulässig ist es, wenn der Bieter innerhalb desselben Angebots zwei oder mehrere Produkte zur Wahl stellt. Die Erklärung ist dann nicht zweifelsfrei. Gegebenenfalls kann es sich bei soolchen Fällen jedoch um mehrere Hauptangebote handeln, was jedenfalls dann zulässig ist, wenn es sich um eine funktionale Ausschreibung handelt. Insoweit können die Bieter nämlich unterschiedliche Produkte anbieten, um den Anforderungen der Leistungsbeschreibung nachzukommen. Es ist in solchen Fällen möglich, dass mehrere Produkte auf die Leistungsbeschreibung passen (2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 48/07).

107.5.1.2.3.3.4.6.9 Keine näheren Erläuterungen zu einem Produkt

Die Angabe des Fabrikats sowie des Typs dient der Identifikation des angebotenen Produkts und soll die Vergabestelle in den Stand versetzen, sich davon zu überzeugen, ob das Produkt der Ausschreibung entspricht. Der Bieter ist an seine diesbezüglichen Angaben gebunden. Der Vergabestelle steht es frei, über die Fabrikats-/Typenbezeichnung hinausgehende Erläuterungen zu dem angegebenen Produkt zu fordern, soweit sie dies für notwendig hält. Es bleibt ansonsten jedem Hersteller überlassen, zu entscheiden, in welcher Weise er seine Produkte durch die Beifügung von Typenbezeichnungen kennzeichnet und damit identifizierbar macht. Einen allgemeinen Grundsatz, wonach die Typenbezeichnung bestimmte Mindestinhalte zu den wesentlichen Merkmalen des Produkts vermitteln müsste, gibt es nicht. Angesichts des Spezialisierungsgrades und der Komplexität des z.B. Anlagenbaus lassen sich die wesentlichen technischen Identifizierungsmerkmale auch schwerlich in einer Typenbezeichnung unterbringen. Es bleibt jedem Auftraggeber unbenommen, sich die benötigten Informationen im Rahmen eines Aufklärungsgesprächs nach § 24 VOB/A zu beschaffen. Die Vorschrift nennt ausdrücklich das Angebot selbst als möglichen Gegenstand von Aufklärungsgesprächen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08).

107.5.1.2.3.3.4.7 Fehlende Typen- und Herstellerangaben Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbar sind. Fehlende Typenangaben eines Bieters beeinträchtigen die Vergleichbarkeit seines Angebots mit den Angeboten anderer Bieter. Dem Angebot ist letztlich nicht zu entnehmen, ob er mit den von ihm zur Verwendung vorgesehenen Produkten die abstrakten Anforderungen des

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Leistungsverzeichnisses wird erfüllen können, weil seine Angaben zur Produktidentifizierung nicht ausreichen. Das Angebot ist zwingend auszuschließen (BGH, Urteil v. 07.06.2005 - Az.: X ZR 19/02; OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; B. v. 16.9.2003 - Az.: 11 Verg 11/03; OLG Dresden, B. v. 10.7.2003 - Az.: WVerg 0015/02; VK Thüringen, B. v. 11.10.2006 - Az.: 360-4002.20-026/06-SLF; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.11.2005 - Az.: 1 VK LVwA 44/05; VK Lüneburg, B. v. 26.07.2005 - Az.: VgK-31/2005; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.06.2005 - Az.: 1 VK 32/05; VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; B. v. 28.06.2005 - Az.: VK 20/05; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; B. v. 16.02.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 02/05; B. v. 04.11.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 41/04; B. v. 08.09.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 31/04; VK Hessen, B. v. 24.10.2005 - Az.: 69 d - VK - 62/2005; B. v. 20.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 61/2004; B. v. 19.09.2005 - Az.: 69 d VK - 42/2005; 2. VK Südbayern, B. v. 06.10.2006 - Az.: 26-08/06; B. v. 13.07.2004 - Az.: 46-06/04; 2. VK Bund, B. v. 30.05.2008 - Az.: VK 2 – 55/08; B. v. 21.1.2004 - Az.: VK 2 - 126/03; 1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; B. v. 18.6.2003 - Az.: 1/SVK/042-03). Die Angabe einer unzutreffenden, weil nicht einer (offiziellen) Bezeichnung des Herstellers folgenden Typenangabe liegt ähnlich. Die Angabe einer vom Hersteller nicht verwendeten und damit nicht existierenden Typenbezeichnung wirft die gleichen Probleme auf wie eine fehlende Typenbezeichnung, weil die Vergabestelle das angebotene Produkt nicht identifizieren kann und die Angabe damit für die Wertung unbrauchbar ist. Aus dem Leistungsverzeichnis heraus kann der Auftraggeber nicht ersehen, mit welchem konkreten Produkt der Auftragnehmer den Vertrag erfüllen wird. Unvollständige und deshalb unbrauchbare Erklärungen stehen fehlenden gleich (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09). Es ist nicht die Aufgabe der Vergabestelle, anhand von Prospekten und Datenblättern, einzelne Positionen des Angebots zu ergänzen, um festzustellen, was der Bieter eventuell angeboten haben könnte. Es ist die Aufgabe des Bieters, bei der Abgabe des Angebots das Produkt auszuwählen, das den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08). Dies gilt nicht bei einer Fiktion der Angabe der Typenangaben (2. VK Bund, B. v. 12.02.2004 - Az.: VK 2 – 128/03). Fordert der Auftraggeber trotz der Vorgabe von Leitfabrikaten eine Angabe von Hersteller- bzw. Typangaben – auch durch Wiederholung der Leitangaben – so ist der Vermerk „LV“ bei den geforderten Hersteller- bzw. Typangaben grundsätzlich ausreichend (VK Lüneburg, B. v. 26.07.2005 - Az.: VgK-31/2005). Eine ausdrückliche Angabe von Hersteller- und Typangaben kann auch in der Weise erfolgen, dass der Bieter durch Wiederholungszeichen vorstehende Textpassagen in Bezug nimmt. Bei Wiederholungszeichen- umgangssprachlich auch "Gänsefüsschen" genannt – handelt es sich um in der deutschen Schriftsprache übliche Zeichen, die die allgemein bekannte Aussage beinhalten, dass der über ihnen stehende Text wiederholt wird. Ihre Verwendung führt auch zu eindeutigen Erklärungen, wenn der Bieter die Wiederholungszeichen nicht fortlaufend benutzt, so dass zweifelhaft sein kannte, auf welche Textpassage sie sich überhaupt beziehen, und wenn der Bieter diese Zeichen stets mittig unter die Textpassage setzt, die wiederholt werden soll. Wenn zu den einzelnen Leistungspositionen jeweils der Hersteller und die Typbezeichnung des angebotenen Produkts anzugeben sind, ist

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bei verständiger Auslegung auch offensichtlich, dass die Wiederholungszeichen sowohl die darüber stehende Angabe des Herstellers als auch die darüber stehende Angabe der Typbezeichnung und nicht etwa nur eines von beidem in Bezug nehmen (2. VK Bund, B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 159/05; B. v. 20.12.2005 - Az.: VK 2 – 156/05). Im Gegensatz zur unter RZ 5453 dargestellten Rechtsprechung vertritt das OLG Düsseldorf in einer neueren Entscheidung die Auffassung, dass bei Angabe des ausgeschriebenen Leitfabrikats durch den Bieter und lediglich zwei fehlenden Typenbezeichnungen die Vergabestelle davon ausgehen kann, dass auch der vorgegebene Typ angeboten wird; das Angebot ist also vollständig und nicht auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 04.07.2005 - Az.: VII - Verg 35/05; 2. VK Bund, B. v. 12.05.2005 - Az.: VK - 2 - 24/05). Eine weitere Ausnahme von der Rechtsfolge des zwingenden Angebotsausschlusses macht die VK Brandenburg für den Fall, dass der Bieter das vom ihm angebotene Gerät durch eine Vielzahl von sachgerecht geforderten Spezifikationen beschreibt, jedoch auf eine detaillierte Typ-Angabe verzichtet, weil z.B. der angebotene Herd eine Sonderanfertigung sein wird und er als Typangabe „Herd“ angibt (2. VK Brandenburg, B. v. 28.06.2005 - Az.: VK 20/05). Ein verständiger Bieter, der ein Leitfabrikat anbietet, kann davon ausgehen, dass das vom Antragsgegner ausgewählte Leitfabrikat sonstige zusätzlich genannte Funktionen z.B. als Notabdichtung erfüllt und es der Vorlage einer Herstellererklärung nicht bedarf. Ein anderes Verständnis muss in den Verdingungsunterlagen unmissverständlich und klar zum Ausdruck kommen, wenn nach den Vorstellungen des Auftraggebers auf eine unterlassene Vorlage der Erklärung des Herstellers des Leitfabrikats der Ausschluss eines Angebots gestützt werden soll (OLG Düsseldorf, B. v. 05.04.2006 - Az.: VII - Verg 3/06). Nach Auffassung der VK Hessen muss ein Bieter, wenn er der Auffassung ist, er brauche deshalb den jeweiligen Typ nicht zu nennen, weil es von dem Hersteller keine Typbezeichnung gibt, die Vergabestelle hierauf hinweisen bzw. die Forderung nach Nennung eines Typs bei der Position des Leistungsverzeichnisses rügen (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; VK Hessen, B. v. 04.04.2005 - Az.: 69 d VK - 05/2005). Es schadet einem Angebot nicht, wenn der Bieter teilweise statt der in den Leistungsverzeichnissen verlangten Typenbezeichnungen lediglich die Fabrikate angibt und mit Stempelaufdruck auf deren “Beschrieb“ verweist und er vorträgt, dass es sich bei den betreffenden Leistungspositionen um solche Fabrikate handle, die vom Hersteller überhaupt nur in einer einzigen und typenmäßig nicht näher benannten Ausführung (unter dem Fabrikatsnamen) vertrieben würden. – typidentifizierende Angaben (OLG Thüringen, B. v. 11.01.2007 - Az.: 9 Verg 9/06). Zur Frage, ob neben der Typenbezeichnung noch weitere Angaben des Bieters notwendig sind, vgl. die Kommentierung RZ 5452/5. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ist dann, wenn Angebote Erklärungen z.B. zum Fabrikat und zum Typ einer geforderten Pollerleuchte enthalten sollen und der Antragsteller im Angebot zwar die verlangte Fabrikatsangabe, jedoch nicht den Typ der angebotenen Leuchte benennt, das Angebot wegen dieses Mangels nicht von der Wertung auszunehmen, wenn der Auftraggeber unter dieser Ordnungsziffer des Leistungsverzeichnisses unstatthafte produktspezifische Vorgaben angebracht hat. Wer so ausschreibt, erwirbt keine rechtliche Handhabe, Angebote, die im Zuge einer solchen

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Ausschreibung nicht alle verlangten Angaben oder Erklärungen enthalten, von der Wertung auszunehmen. Die Aufnahme des Zusatzes "oder gleichwertig" führt aus dem Verbot der produktspezifischen Ausschreibung nicht hinaus. Ein solcher Zusatz ist in Verbindung mit dem Verweis auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft nur zugelassen, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann (OLG Düsseldorf, B. v. 14.10.2009 - Az.: VII-Verg 9/09).

107.5.1.2.3.3.4.8 Fehlender Versicherungsnachweis Ein Angebot muss zwingend ausgeschlossen werden, wenn es nicht den geforderten Nachweis der Haftpflichtversicherung mit der verlangten Mindestdeckungssumme enthält und die Vergabestelle bereits in der Bekanntmachung darauf hingewiesen hatte, dass Angebote ohne diesen Nachweis ausgeschlossen werden (VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-12/09). Ein fehlender aktueller Nachweis über die Gültigkeit der Haftpflichtversicherung führt zwingend zum Ausschluss des Angebots (1. VK Sachsen, B. v. 12.6.2003 - Az.: 1/SVK/054- 03; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 31.07.2008 - Az.: 1 VK LVwA 04/08).

107.5.1.2.3.3.4.9 Fehlende Tariftreueerklärung Vgl. zu den Tariftreuegesetzen der Bundesländer und der Rechtsprechung insbesondere zu fehlenden Tariftreueerklärungen die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 584. Insoweit ist die neue Rechtsprechung des EuGH zu beachten, wonach im Ergebnis die Forderung nach einer Tariftreueerklärung nur noch unter bestimmten Bedingungen zulässig ist un eine Bezugnahme auf die allermeisten Tariftreuegesetzen der Bundesländer nicht mehr zulässig ist; vgl. die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 582/1.

107.5.1.2.3.3.4.10 Fehlender Bauzeitenplan Die fehlende Vorlage des unverbindlichen Bauzeitenplans im Submissionstermin ist dann unschädlich, wenn sie nicht eindeutig in den Verdingungsunterlagen zu diesem Zeitpunkt gefordert wird. Sie eröffnet darüber hinaus auch keine Manipulationsmöglichkeiten. Denn die in ihm genannten Fristen sind keine vertraglichen. Das Angebot bleibt davon unberührt und damit auch seine Vergleichbarkeit. Gebunden ist der Bieter unabhängig von der Vorlage des Bauzeitenplans nämlich an die im Formblatt EVM BVB aufgeführten Fristen und an die Verpflichtung, noch vor Baubeginn einen verbindlichen Bauzeiten- und Ablaufplan unter Berücksichtigung der zeitlichen Vorgaben in Nr. 17 der Baubeschreibung aufzustellen (BayObLG, B. v. 28.5.2003 - Az.: Verg 6/03; VK Lüneburg, B. v. 11.06.2004 - Az.: 203-VgK-18/2004; VK Nordbayern, B. v. 1.4.2003 - Az.: 320.VK-3194-08/03).

107.5.1.2.3.3.4.11 Fehlender Nachweis der Entsorgung Bei der Beseitigung chemischer Altlasten ist der lückenlose Nachweis einer vorschriftsmäßigen Entsorgung unverzichtbar. Denn bei diesen Erklärungen und

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Nachweisen handelt es sich um unverzichtbare Grundlagen des Angebotes, ohne die es nicht angenommen werden kann (OLG Naumburg, B. v. 11.6.2003 - Az.: 1 Verg 06/03; im Ergebnis ebenso KG Berlin, B. v. 21.12.2009 - Az.: 2 Verg 11/09). Wird in den Verdingungsunterlagen die Vorlage eines Zertifikates des Bieters erfordert, so hat eine Bietergemeinschaft für jedes einzelne ihrer Mitglieder ein aktuell gültiges Zertifikat vorzulegen (KG Berlin, B. v. 21.12.2009 - Az.: 2 Verg 11/09). Auch fehlende Annahmeerklärungen von Entsorgungsanlagen führen zum zwingenden Ausschluss des Angebots (3. VK Bund, B. v. 20.03.2006 - Az.: VK 3 - 09/06).

107.5.1.2.3.3.4.12 Fehlende bauaufsichtliche Zulassung Legt ein Bieter die von der Vergabestelle geforderte bauaufsichtliche Zulassung nicht vor, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Magdeburg, B. v. 24.6.2003 - Az.: 33-32571/07 VK 05/03 MD).

107.5.1.2.3.3.4.13 Fehlende Eignungsnachweise

107.5.1.2.3.3.4.13.1 Allgemeines

Angebote, denen die nach der Bekanntmachung geforderten Eignungsnachweise nicht beigefügt waren, sind zwingend von der Wertung auszuschließen. Das folgt aus § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A 2. Abschnitt. Nach dieser Vorschrift sind anhand der vorgelegten Nachweise nur die Angebote derjenigen Bieter auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet. Dementsprechend darf auch das Angebot eines Bieters nur dann gewertet werden, wenn ihm sämtliche geforderten Eignungsbelege beigefügt gewesen sind. Der entsprechende Nachweis obliegt dem Bieter. Denn er trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ein vollständiges Angebot eingereicht hat (OLG Koblenz, B. v. 04.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; OLG Düsseldorf, B. v. 09.03.2007 - Az.: VII - Verg 5/07; B. v. 28.06.2006 - Az.: VII - Verg 18/06; B. v. 07.03.2006 – Az.: VII – Verg 98/05; B. v. 14.10.2005 - Az.: VII - Verg 40/05; B. v. 16.11.2003 - Az.: VII - Verg 47/03; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; 2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07; 1. VK Bund, B. v. 29.10.2007 - Az.: VK 1 - 110/07; B. v. 21.05.2007 - Az.: VK 1 - 32/07; VK Düsseldorf, B. v. 19.04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07; 3. VK Bund, B. v. 17.12.2008 - Az.: VK 3 - 167/08; B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08; B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 3 - 31/07; B. v. 19.03.2007 - Az.: VK 3 – 16/07; B. v. 07.02.2007 - Az.: VK 3 – 07/07; B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; B. v. 12.12.2006 - Az.: VK 3 - 141/06; B. v. 29.07.2005 - Az.: VK 3 – 76/05; B. v. 22.11.2004 - Az.: VK 3 – 203/04; VK Hessen, B. v. 30.11.2005 - Az.: 69 d VK - 83/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 14.09.2009 - Az.: 1/SVK/042-09; VK Südbayern, B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-03/06; B. v. 24.11.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-42-09/05). Ein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung von Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters bezieht sich lediglich auf die Frage, ob auf der Grundlage der geforderten und entsprechend vorgelegten Eignungsnachweise die Eignung eines

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Bieters bejaht werden kann. Hingegen kommt dem Auftraggeber kein Ermessen dahingehend zu, von den bekannt gemachten Eignungsanforderungen abzuweichen und auch bei Fehlen geforderter Eignungsnachweise die Eignung aus anderen Gründen anzunehmen, z.B. weil ihm der betreffende Bieter aus früheren Geschäftsbeziehungen bekannt ist (3. VK Bund, B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; 2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07). Es kommt auch nicht darauf an, ob die fehlenden Eignungsangaben wettbewerbserheblich oder objektiv wertungsrelevant sind. Dadurch, dass die Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen die Vorlage von Eignungsnachweisen fordert, werden diese als Umstand ausgewiesen, der für sie auf jeden Fall wertungsrelevant ist (3. VK Bund, B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08). Die zum Nachweis der Eignung geforderten Belege unterfallen nicht dem Begriff der „Erklärungen“ in § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A (OLG Düsseldorf, B. v. 13.08.2007 - Az.: VII - Verg 16/07; B. v. 28.06.2006 - Az.: VII - Verg 18/06; B. v. 14.10.2005 - Az.: VII - Verg 40/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; VK Düsseldorf, B. v. 24.04.2007 - Az.: VK - 11/2007 – L; 3. VK Bund, B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08; B. v. 07.02.2007 - Az.: VK 3 – 07/07; B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; 1. VK Sachsen, B. v. 14.09.2009 - Az.: 1/SVK/042-09; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v. 24.05.2007 - Az.: 1/SVK/029-07; B. v. 13.04.2006 - Az.: 1/SVK/028-06; 3. VK Saarland, B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; VK Hessen, B. v. 30.11.2005 - Az.: 69 d VK - 83/2005; VK Südbayern, B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-03/06; B. v. 24.11.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-42-09/05). Anderer Auffassung ist insoweit die VK Baden-Württemberg. Die Kammer geht davon aus, dass § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A die Nicht-Vorlage geforderter Erklärungen sanktionieren und damit formal unvollständige Angebote betreffen. Die Eignungsprüfung betrifft dagegen die materielle Beurteilung, ob anhand der vorgelegten Unterlagen die Eignung zu bejahen ist. Es besteht kein Anlass, die zum Nachweis der Eignung geforderten Belege nicht dem Begriff der "Erklärungen" in § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A zuzuordnen (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.06.2008 - Az.: 1 VK 18/08; im Ergebnis im Einzelfall ebenso OLG Karlsruhe, B. v. 25.04.2008 - Az.: 15 Verg 2/08). Einem Bieter, der im Vertrauen auf die Festlegung in der Angebotsanforderung, wonach Angaben bzw. Nachweise nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A (nur) auf Verlangen vorzulegen sind, auf die Übersendung von Unterlagen zu seiner Eignung bei Angebotsabgabe verzichtet und eine Anfrage seitens der Vergabestelle abwartet, kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe unvollständige oder verspätete Angaben gemacht. Nur eine eindeutige und unmissverständliche Festlegung, dass Erklärungen/Nachweise bereits mit Angebotsabgabe vorzulegen sind, rechtfertigt bei Unterlassen der Vorlage einen zwingenden Angebotsausschluss (OLG München, B. v. 21.08.2008 - Az.: Verg 13/08). Unterlagen, deren Vorlage vom Auftraggeber im Sinn einer Teilnahmebedingung gefordert ist, sind also nach der zugrunde zu legenden Auffassung eines verständigen Bieters mit dem Angebot einzureichen. Nur so ist auch sicherzustellen, dass die Eignungsprüfung sinnvoll durchgeführt werden kann (OLG Düsseldorf, B. v. 13.01.2006 - Az.: VII - Verg 83/05).

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Fordert der Auftraggeber z.B. die Bilanzen für je drei aufeinander folgende Geschäftsjahre und legt der Bieter lediglich zwei Bilanzen vor, erfüllt der Bieter die geforderten Nachweise nicht. Die fehlende dritte Bilanz wird auch nicht dadurch ersetzt, dass in einer Bilanz auch die Zahlen des Vorjahres angegeben sind. Die Angaben der entsprechenden Vorjahreszahlen des Vorjahres sind vielmehr zwingender Bestandteil einer vollständigen Bilanz. Eine komplette Bilanz muss die Aktiva, Passiva und die jeweiligen Vorjahresdaten ausweisen. Darauf muss der Auftraggeber die Bieter nicht etwa in den Verdingungsunterlagen hinweisen, dieser Mindestgehalt folgt vielmehr unmittelbar aus § 265 Abs. 2 Satz 1 HGB (VK Lüneburg, B. v. 06.09.2004 - Az.: 203-VgK-39/2004). Fordert der Auftraggeber z.B. ein Gütezeichen oder einen bestehenden Vertrag über eine Fremdüberwachung, ist die Vorlage eines Antrags auf Fremdüberwachung beim Güteschutz nicht ausreichend und das Angebot zwingend auszuschließen (1. VK Sachsen, B. v. 29.10.2004 - Az.: 1/SVK/101-04). Fordert z.B. der Auftraggeber als Teilnahmebedingung von den Teilnehmern, dass sie zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit Referenzen vorlegen, die u.a. Angaben zur Leistungszeit und zum Rechnungswert enthalten und legt ein Bieter mit seinem Angebot jedoch nur eine – wenn auch umfangreiche - Liste mit den Namen und einer kurzen Beschreibung des Vertragsinhalts bei, lassen sich weder die Leistungszeit noch der Rechnungswert diesen Angaben entnehmen, sodass das Angebot zwingend auszuschließen ist (3. VK Bund, B. v. 29.07.2005 - Az.: VK 3 – 76/05; im Ergebnis ebenso 1. VK Sachsen, B. v. 05.05.2009 - Az.: 1/SVK/009-09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 30.08.2006 - Az.: VK-SH 20/06; VK Südbayern, B. v. 24.11.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-42-09/05). Dies gilt auch für den Fall, dass die verlangten Leistungen den Geschäftsjahren nicht zuordenbar sind, obwohl die Zuordenbarkeit ausdrücklich verlangt war (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07). Die VK Schleswig-Holstein lässt von diesem Grundsatz eine Ausnahme für den Fall zu, dass sämtliche fristgerecht eingegangenen Angebote hinsichtlich der geforderten Nachweise (mehr oder weniger) unvollständig sind; dann erscheint es der Kammer unter Berücksichtigung einer objektiven Dringlichkeit der Beschaffung gerechtfertigt, von dem dem Grunde nach angezeigten Ausschluss aller Angebote – mit der Folge einer Aufhebung der Ausschreibung – abzusehen, da dieses – auch im Angesicht des Gleichbehandlungsgrundsatzes – unverhältnismäßig wäre (VK Schleswig-Holstein, B. v. 18.12.2007 - Az.: VK-SH 25/07; B. v. 08.07.2005 - Az.: VK-SH 18/05). Eine weitere Ausnahme lässt die VK Düsseldorf bei geforderten, aber im Angebot nicht enthaltenen Auftragswerten zu. Bei Referenzangaben im Reinigungsgewerbe handelt es sich nicht um zeitaufwendig differenziert auf den jeweils ausgeschriebenen Auftrag abzustellende und individuell zu erstellende Listen, sondern in aller Regel um Computerdateien, die in jedem Unternehmen zur Vorbereitung von Angeboten oder zu Reklamezwecken gespeichert und häufig auch im Internet einzusehen sind. Vor diesem Hintergrund ist dem Umstand, dass die Referenzliste der Antragstellerin keine Auftragswerte enthielt, kein wettbewerbsverzerrender Zeitvorteil bei der Angebotserstellung zu entnehmen, der zum Ausschluss des Angebotes zwingen würde. Die im Hinblick auf den zwingenden Ausschluss unvollständiger Angebote sehr strenge Rechtsprechung bezieht sich auf die geforderten Angaben zur Wertung der Angebote, bei den geforderten Nachweisen zur Eignung besteht nach wie vor die Grenze dort, wo die Chancengleichheit der Bieter oder der Wettbewerbsgrundsatz berührt wird. Beides ist in

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dieser Fallkonstellation nicht ersichtlich (VK Düsseldorf, B. v. 11.01.2006 - Az.: VK - 50/2005 – L) Verhindert ein Bieter z.B. durch eine Geheimhaltungsbedingung, dass der Auftraggeber vom Inhalt eines Eignungsnachweises (z.B. einer Bilanz) Kenntnis nehmen kann, sind solche Vorbehalte oder Bedingungen vom öffentlichen Auftraggeber zu beachten. Der Auftraggeber ist nicht befugt, die von einem Bieter eingereichten Unterlagen oder Erklärungen gegen dessen erklärten Willen zu öffnen und einzusehen. Er ist an die diesbezüglichen Vorgaben eines Bieters – z.B. an die Bedingung, dass dabei ein Vertreter anwesend sein muss – rechtlich gebunden. Solche Vorgaben, Bedingungen und Vorbehalte sind vergaberechtlich indes nicht zugelassen und nicht hinzunehmen. Werden sie von einem Bieter dennoch gemacht, ist die mit einer Bedingung oder einem Vorbehalt belegte Angabe, Erklärung oder Unterlage im Rechtssinn als nicht eingereicht zu werten. Die eingegangenen Angebote müssen dem öffentlichen Auftraggeber in jeder durch die Vergabebekanntmachung und die Verdingungsunterlagen vorgegebenen Hinsicht zur vorbehaltlosen Kenntnisnahme und Prüfung offen stehen. Anders ist nicht sicherzustellen, dass in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden und die Vergabeentscheidung das im Vergabeverfahren zu beachtende Gebot der Gleichbehandlung der Bieter wahrt (OLG Düsseldorf, B. v. 13.01.2006 - Az.: VII - Verg 83/05). Fordert der Auftraggeber, dass bestimmte Eignungserklärungen an einer bestimmten Stelle im Angebot einzutragen sind und befinden sich diese Erklärungen nicht an dieser Stelle, aber dennoch inhaltlich unmissverständlich und eindeutig an einer anderen Stelle des Angebots, scheidet ein Ausschluss wegen der Unvollständigkeit der in Rede stehenden Angaben aus (OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2007 - Az.: VII – Verg 28/07; im Ergebnis ebenso VK Münster, B. v. 30.04.2009 - Az.: VK 4/09).

107.5.1.2.3.3.4.13.2 Inhaltlich falsche Eignungsnachweise

Die 3. VK Bund differenziert danach, ob Eignungsnachweise insgesamt fehlen oder inhaltlich unzutreffend bzw. unvollständig sind. In einer inhaltlich unzutreffenden Angabe ist kein Fehlen von Eignungsnachweisen zu sehen. Zu differenzieren ist nämlich zwischen dem vollständigen Fehlen von Eignungsnachweisen, was ohne weiteres zum zwingenden Angebotsausschluss führt und der inhaltlich unzutreffenden Angabe von Eignungsdaten andererseits. Im zweitgenannten Fall sind Angaben vorhanden, nur sind sie inhaltlich falsch. Auch wenn in falschen Angaben als "Minus" das Unterlassen und damit das Fehlen richtiger Angaben inbegriffen ist, können inhaltlich unzutreffende Angaben nicht der formellen Ebene des Fehlens von Eignungsangaben zugeordnet werden, zumal die inhaltliche Fehlerhaftigkeit bei Prüfung der Angebote durch den Auftraggeber oftmals gar nicht auf den ersten Blick erkennbar sein wird. Richtig ist vielmehr, die inhaltliche Fehlerhaftigkeit von Eignungsangaben der materiellen Eignungsprüfung zuzuordnen, indem sie als Basis für die Beantwortung der Frage dienen, ob der Bieter die erforderliche Eignung materiell auch tatsächlich aufweist. Macht ein Bieter beispielsweise bewusst wahrheitswidrige Angaben, um seine Eignung zu positiv darzustellen, so kann die Tatsache der bewussten Falschangabe seitens des Auftraggebers als Indiz für fehlende Zuverlässigkeit gewertet werden (VK Bund, B. v. 19.03.2007 - Az.: VK 3 – 16/07).

107.5.1.2.3.3.4.13.3 Fehlende Eignungsnachweise nach Aufforderung

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Ein Angebotsausschluss wegen unvollständiger Eignungsnachweise muss ferner auch dann erfolgen, wenn diese Nachweise nicht bereits mit dem Angebot, sondern erst auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers vorzulegen waren. Die Rechtsfolge, Angebote mit unvollständigen Eignungsnachweisen auszuschließen, folgt unmittelbar aus § 25 Nr. 2 Abs. 1 S. 2 VOB/A. Sie steht daher auch nicht dadurch zur Disposition der Auftraggeber, dass diese sich die Anforderung der Eignungsnachweise vorbehalten hat. Durch die Anforderung der bekannt gemachten Eignungsnachweise wurden diese somit zu Nachweisen, zu deren Vorlage der betreffende Bieter verpflichtet war (3. VK Bund, B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08). Da sich die Rechtsfolge, Angebote mit unvollständigen Eignungsnachweisen zwingend von der Wertung auszuschließen, unmittelbar aus § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A ergibt, ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, die Bieter auf die Rechtsfolgen nach § 25 VOB/A hinzuweisen und ein Angebot muss auch dann ausgeschlossen werden, wenn dem betreffenden Bieter diese Rechtsfolge unbekannt war (3. VK Bund, B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08). Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, einen Bieter ein zweites Mal zur vollständigen Vorlage der Eignungsnachweise aufzufordern. Nach der entsprechenden Anforderung des Auftraggebers obliegt es dem Bieter, die verlangten Nachweise vollständig vorzulegen. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet , sich die vom Bieter vorzulegenden Angaben selbst zusammenzusuchen oder sogar selbst - z.B. im Internet - nach den verlangten Auskünften zu recherchieren (3. VK Bund, B. v. 26.06.2008 - Az.: VK 3 - 71/08).

107.5.1.2.3.3.4.13.4 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• ein Angebot ist zwingend vom Verfahren auszuschließen, wenn der Bieter mit seinem Teilnahmeantrag keine Eigenerklärung über die Ausschlussgründe nach § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A vorlegt, obwohl sie eindeutig gefordert war. Bei dieser Erklärung handelt es sich um eine geforderte Erklärung gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.06.2008 - Az.: 1 VK 18/08)

• haben die Bieter mit dem Angebot Nachweise vorzulegen, dass Ausschlussgründe nach § 8 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A nicht vorliegen, lässt diese allgemein gehaltene Forderung offen, um welche Art von Nachweis es sich dabei handeln soll. Für den geforderten Nachweis, dass kein Insolvenzverfahren eröffnet, beantragt oder abgelehnt worden ist, reicht ein Ausdruck aus dem Handelsregister aus. Der Ausdruck eines vom zuständigen Amtsgericht erstellten Handelsregisterblattes ist als Beweismittel grundsätzlich geeignet, den Nachweis der Tatsache der Eintragung in das Handelsregister zu führen (VK Nordbayern, B. v. 18.03.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/08)

• weist der Versicherungsschein für die Betriebshaftpflichtversicherung lediglich einen bestehenden Versicherungsschutz bis einschließlich 15.04.2007 nach, war jedoch ein diesbezüglicher Nachweis bis Ende 2007 dem Angebot beizufügen, ist das Angebot unvollständig. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf eine vom Versicherungsschein ausgewiesene automatische Verlängerung bei Nichtkündigung des Vertrages verweist, kann dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Es fehlt hier am Nachweis, dass die Verlängerungsoption auch tatsächlich eingetreten ist. Die Antragstellerin hätte einen Beleg des Versicherungsgebers

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vorlegen müssen, aus dem die Nichtkündigung des fraglichen Vertrages folgt. Erst dann hätte sie ihren Obliegenheiten entsprochen. Ob die Verlängerungsoption tatsächlich wirksam wurde, ist hier mangels Rechtzeitigkeit der Nachweiserbringung ohne Belang (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 19.12.2007 - Az.: 1 VK LVwA 28/07)

• ein Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung bedarf der Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Versicherungsgebers, die selbstverständlich vollständig und nicht in ausgewählten Teilen vorzulegen ist, da ihr Erklärungsinhalt auftraggeberseitig ansonsten nicht mit der gebotenen Sicherheit erfasst und beurteilt werden kann. Sind z.B. die allgemeinen Vertragsbedingungen nicht beigefügt, kann der Eindruck entstehen, dass der entsprechende Nachweis nur formelhaft und nicht in seiner inhaltlichen Ausgestaltung durch den Auftraggeber geprüft wurde. Dies reicht jedoch für eine ordnungsgemäße Prüfungstätigkeit nicht aus (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 22.01.2008 - Az.: 1 VK LVwA 32/07)

• fehlt im Angebot eines Bieters die geforderte Vorlage einer Handwerkskarte, scheidet aus diesem Grunde eine Zuschlagserteilung aus. Der Bieter kann sich nicht durch den Hinweis auf eine seit Jahren bestehende IHK-Mitgliedschaft darauf zurückziehen, dass für ihn diesbezüglich keine Vorlagepflicht bestehe. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn das Erfordernis zur Beantragung einer Handwerkskarte trotz der durch den Splittingbescheid nachgewiesenen 18 %-igen Tätigkeit auf dem Gebiet eines Vollhandwerkes durch die bloße Mitgliedschaft bei der IHK ausgeschlossen wäre. Genau dies ist aber gerade nicht der Fall. So machen die Regelungen der §§ 11, 12 Handwerksordnung (HWO) nur allzu deutlich, dass sich die Mitgliedschaft in einer IHK und die Eintragung in die Handwerksrolle nicht ausschließen. Auch wer nur untergeordnet auf dem Gebiet eines Vollhandwerkes tätig ist und entsprechende Handwerksleistungen anbietet, trifft demnach - wie jeden 100 %-igen Handwerksbetrieb - die Verpflichtung, um die Eintragung in die Handwerksrolle nachzusuchen bzw. die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Eine andere Sicht der Dinge würde zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Bietern führen, deren Geschäftsgebiet zu 100 % ein handwerkliches ist und jenen, bei denen diesem Bereich nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 22.01.2008 - Az.: 1 VK LVwA 32/07)

• danach hat der Bieter zu allen angebotenen Produkten aussagekräftige technische Unterlagen inklusive vorhandener Prüfprotokolle und GS-Zeichen dem Angebot beizulegen. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die oben bereits erwähnten Stand- und Unterbaukühlschränke verwiesen. Hierzu finden sich keinerlei technische Unterlagen. Soweit für Laborabzüge eine Konformitätserklärung der Antragstellerin vorgelegt wurde, verweist die Kammer auch hier darauf, dass dem Vergaberecht ein sich Verlassen auf Beteuerungen eines Wettbewerbers grundsätzlich fremd ist. Verlangt ein Auftraggeber technische Nachweise, so trifft einen am Zuschlag ernsthaft interessierten Bieter die Verpflichtung zur rechtzeitigen Beibringung ebenso zwingend, wie den Auftraggeber die Verpflichtung zur Überprüfung derselben (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.09.2007 - Az: 1 VK LVwA 18/07)

• die Nichtvorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialversicherungsträger hat zwingend zur Folge, dass die Beschwerdeführerin als ungeeignet anzusehen und ihr Angebot deshalb auf der 2. Wertungsstufe (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A) auszuschließen ist (OLG Koblenz, B. v. 04.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07)

• fordert der Auftraggeber zum Nachweis der Eignung mit dem Angebot die Vorlage geeigneter Unterlagen, sind diese mit dem Angebot einzureichen. Unterbleibt dies,

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unterliegt das Angebot in der zweiten Wertungsphase einem Ausschluss von der weiteren Wertung. Aufgrund der fehlenden bzw. unvollständigen Eignungsnachweise für die Nachunternehmer waren diese Angebote deshalb auszuschließen (VK Düsseldorf, B. v. 19.04.2007 - Az.: VK - 10/2007 – B)

• der Auftraggeber hatte in Ziff. 6 der Angebotsaufforderung u.a. gefordert, dass die Bieter mit dem Angebot Erklärungen einzureichen hatten, dass über das Vermögen kein Insolvenzverfahren oder vergleichbares gesetzliches Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt ist oder dieser Antrag mangels Masse abgelehnt worden ist und dass sich der Bieter nicht in Liquidation befindet. Zumindest die Erklärung, dass sich die ASt nicht in Liquidation befindet, war ausweislich der Vergabeakte in den Angeboten der ASt auf die Lose … nicht enthalten (3. VK Bund, B. v. 08.05.2007 - Az.: VK 3 - 37/07)

• der Bieter ist wegen nicht nachgewiesener Eignung gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Die hier streitgegenständlichen Eignungsnachweise (Erklärung, dass kein Insolvenz- oder Liquidationsverfahren anhängig ist sowie Erklärung, dass keine rechtskräftig festgestellten schweren Verfehlungen vorliegen), die mit dem Angebot vorzulegen waren, wurden von dem Bieter unstreitig nicht vorgelegt (1. VK Bund, B. v. 21.05.2007 - Az.: VK 1 - 32/07)

• wie die Vergabekammer in den Gründen ihrer Entscheidung – von der Beschwerde unbeanstandet – festgestellt hat, wiesen die Angebote der Beigeladenen keine Angaben über eigene Umsätze bei vergleichbaren Leistungen, über bisher ausgeführte Leistungen (diese jeweils in den drei letzten abgeschlossenen Geschäftsjahren) und über die Zahl der beschäftigten Arbeitskräfte auf. Diesbezügliche Angaben waren in der Vergabebekanntmachung ausdrücklich gefordert worden (OLG Düsseldorf, B. v. 09.03.2007 - Az.: VII - Verg 5/07)

• verlangt der öffentliche Auftraggeber als Eignungsnachweis einen Bundeszentralregisterauszug der Einzelunternehmer bzw. sämtlicher natürlicher Vertreter der juristischen Person, müssen diejenigen Bieter, die nicht Einzelunternehmer sind, einen Bundeszentralregisterauszug hinsichtlich ihrer Vertreter, was wiederum natürliche Personen sind, vorlegen. Fehlt ein solcher Auszug, ist das Angebot zwingend auszuschließen. Ein Gewerbezentralregisterauszug kann nicht in einen Bundeszentralregisterauszug umgedeutet werden, weil die Inhalte sehr unterschiedlich sein können (VK Münster, B. v. 27.04.2007 - Az.: VK 06/07)

• fehlt es an einem aktuellen und beglaubigten Handelsregisterauszug, wie in der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen gefordert, hat der Bieter einen geforderten Eignungsnachweise nicht erbracht und ist mit seinem Angebot zwingend auszuschließen (1. VK Bund, B. v. 04.04.2007 - Az.: VK 1 – 23/07)

• in den der Kammer übersandten Angebotsunterlagen der Beigeladenen finden sich zwar alle geforderten bieterbezogenen Nachweise eines Mitgliedes der Bietergemeinschaft, hier der …, jedoch trifft dies nicht für den weiteren Bietergemeinschaftspartner zu. Von der … GmbH liegen keine Angaben über die vorhandenen Arbeitskräfte gegliedert nach Berufsgruppen der letzten drei Jahre sowie zur technischen Ausrüstung vor. Der Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen ist somit zwingend (VK Sachsen-Anhalt, B. v. 11.01.2007 - Az.: 1 VK LVwA 41/06)

107.5.1.2.3.3.4.14 Fehlende Eignungsnachweise bei Sektorenauftraggebern

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Zwingende Ausschlussgründe sind im 4. Abschnitt der VOB/A nicht geregelt. Allerdings gelten die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze des § 97 GWB, also insbesondere das Transparenzgebot (Abs. 1) und der Gleichbehandlungsgrundsatz (Abs. 2), auch in Vergabeverfahren nach dem 4. Abschnitt (VK Südbayern, B. v. 28.10.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-44-09/05). So kann ein Angebotsausschluss zwingend geboten sein, wenn das Angebot an so schwerwiegenden Mängeln leidet, dass sein Nichtausschluss andere Bieter benachteiligen würde und hierdurch der Bieterwettbewerb beeinträchtigt würde. Dies kann der Fall sein, wenn das Angebot die in der Ausschreibung geforderten Mindestbedingungen nicht einhält (2. VK Bund, B. v. 14.12.2004 - Az.: VK 2 – 208/04).

107.5.1.2.3.3.4.15 Fehlende Wartungsanweisung und fehlender Entwurf eines Wartungsvertrages Fehlt es einem Angebot an einer ausführlichen Wartungsanweisung und der vorläufigen Fassung eines Wartungsvertrages, ohne die eine sachgerechte und ordnungsgemäße Wertung nicht möglich ist und die daher Einfluss auf die Preiskalkulation und damit auf das Wettbewerbsergebnis haben, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 1.4.2004 - Az.: VK-SH 05/04).

107.5.1.2.3.3.4.16 Fehlende Angaben zu Schutzmaßnahmen und Lackierung Fehlen beim Angebot eines Bieters die geforderten Eintragungen zu den Schutzmaßnahmen und zu der Lackierung (Grundierung und Endlackierung), ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 04.08.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 28/04).

107.5.1.2.3.3.4.17 Fehlende Prüfzeugnisse

107.5.1.2.3.3.4.17.1 Allgemeines

Sind geforderte Prüfzeugnisse (z.B. für einen Dachaufbau) nicht erforderlich, kann das Angebot wegen des Fehlens der Prüfzeugnisse nicht ausgeschlossen werden (BayObLG, B. v. 15.09.2004 - Az.: Verg 026/03). Werden vom Auftraggeber bestimmte Qualitätsanforderungen gestellt, kann er auch angebotene Produkte akzeptieren, die für die Zertifizierung erfolgreich geprüft, für die aber die Zertifikate zum Zeitpunkt des Angebotes noch nicht ausgestellt sind, sofern er nicht die Abgabe der Zertifikate zusammen mit dem Angebot eindeutig gefordert hat (2. VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 62/05). Ein gefordertes Prüfzeugnis wird im Falle der Zuschlagserteilung (selbst) nicht Vertragsbestandteil. Es dient nur dem Nachweis der vertraglich geforderten Leistungsqualität nach DIN EN 1317-2. Indem ein Bieter eine dieser DIN entsprechende Schutzeinrichtung angeboten hat, hat er die für die angebotene Leistung "geforderte Erklärung" im Sinn von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A abgegeben. Das Prüfzeugnis kann auch nachgereicht werden, weil damit gemäß § 24 VOB/A nur aufgeklärt wird, ob das angebotene Produkt die Anforderungen der DIN EN 1317-2 erfüllt. Der Angebotsinhalt wie

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auch der Bieterwettbewerb werden dadurch nicht nachträglich verändert (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 10.03.2006 - Az.: 1 (6) Verg 13/05).

107.5.1.2.3.3.4.17.2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• zu den nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A geforderten Erklärungen gehören auch Prüfzeugnisse über bestimmte Eigenschaften und Qualitätsanforderungen eines Produktes. Prospekte des jeweiligen Herstellers oder Produktdatenblätter genügen nicht den Anforderungen an ein Prüfzeugnis. Dieses soll der Vergabestelle die Feststellung der Eignung des angebotenen Produktes für den vorgesehenen Einsatz ermöglichen, sein Fehlen beeinträchtigt also die Vergleichbarkeit der Angebote und ist damit „wertungsrelevant“. Beim Fehlen eines geforderten Prüfzeugnisses ist das Angebot daher nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) in Verb. mit § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 in Verb. zwingend von der Wertung auszuschließen (VK Hessen, B. v. 06.07.2009 - Az.: 69 d VK – 20/2009)

• das Angebot der Beigeladenen ist zwingend auszuschließen, weil verlangte Erklärungen, nämlich das geforderte Prüfzeugnis zum Schalldämmmaß der Türen/Türelemente, fehlen (VK Nordbayern, B. v. 21.06.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/07)

107.5.1.2.3.3.4.18 Fehlende Garantieerklärung Eine von der Vergabestelle geforderte Garantieerklärung ist in dem dafür vorgegebenen Formblatt abzugeben. Müssen bestimmte Werte, die die Bieter im Rahmen einer Garantieerklärung abzugeben haben, von der Vergabestelle noch errechnet und in das dafür vorgesehene Formblatt übertragen werden, liegt keine Garantieerklärung vor, mit der Folge, dass das betreffende Angebot von der Wertung auszuschließen ist (OLG Frankfurt, B. v. 08.02.2005 - Az.: 11 Verg 24/04; VK Hessen, B. v. 12.07.2004 - Az.: 69 d - VK – 31/2004). Gerade wegen der verschärften Haftungsfolgen bei Annahme einer Garantie muss eine Garantiezusage klar und eindeutig erfolgen (OLG Frankfurt, B. v. 08.02.2005 - Az.: 11 Verg 24/04).

107.5.1.2.3.3.4.19 Fehlende Angaben über die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben Die Rechtsprechung hierzu ist nicht eindeutig. Ob das Fehlen von geforderten Erklärungen zum Ausschluss eines Angebotes führen muss, richtet sich danach, ob es sich um Nachweise handelt, die ohne Einfluss auf das Ergebnis des Wettbewerbs nachträglich eingeholt werden können. Noch ausstehende Erklärungen über die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben haben keine Auswirkungen auf die Preisangaben und weiteren Leistungsinhalte des Angebotes. Der Bieter kann seine Position durch die nachträgliche Vorlage der Nachweise nicht mehr verbessern, allenfalls kann er, wenn der Nachweis nicht erbracht werden kann, seine Position zugunsten der übrigen Wettbewerber wieder verlieren. Es ist daher kein Verstoß gegen Vergabebestimmungen,

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wenn der Bieter nicht wegen fehlender Erklärungen mit ihrem Angebot ausgeschlossen wird (VK Düsseldorf, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L). Nach anderer Auffassung (VK Münster, B. v. 09.03.2004 - Az.: VK 02/04; ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 09.06.2004 - Az.: VII - Verg 11/04; 1. VK Sachsen, B. v. 13.04.2006 - Az.: 1/SVK/028-06; 1. VK Bund, B. v. 28.04.2005 - Az.: VK 1 - 35/05) führt eine verspätet vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes zum zwingenden Ausschluss des Angebots.

107.5.1.2.3.3.4.20 Fehlende Gliederung des Angebots entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers Stellt die Vergabestelle in den Bewerbungsbedingungen ausdrücklich klar, dass das Angebot jedes Bieters analog den Verdingungsunterlagen zu gliedern ist und fehlt es einem Angebot daran, ist das Angebot unvollständig und zwingend auszuschließen (OLG Frankfurt, B. v. 08.02.2005 - Az.: 11 Verg 24/04).

107.5.1.2.3.3.4.21 Fehlende bzw. fehlerhafte Vertragsentwürfe Fordert der Auftraggeber die Vorlage des Entwurfs eines Forfaitierungsvertrages und legt der Bieter ein Formular für die Abtretung von Mietzinsforderungen zu Sicherungszwecken, also eine so genannte fiduziarische Abtretung bzw. Sicherungszession vor, ist die Forderung des Leistungsverzeichnisses nicht erfüllt. Die Forfaitierung ist ein Ankauf der Forderung (z.B. der Mietzinsforderung) unter Verzicht auf den Rückgriff gegen den bisherigen Gläubiger, das heißt es findet ein Gläubigerwechsel statt, der private Investor haftet nach dem Forderungsverkauf, bei dem die Abtretung der Forderung Erfüllungshandlung ist, nur für den rechtlichen Bestand der Forderung, nicht für deren Einbringlichkeit (OLG Naumburg, B. v. 11.10.2005 - Az.: 1 Verg 10/05).

107.5.1.2.3.3.4.22 Fehlende Darstellung zum Personal- und Geräteeinsatz Entspricht die Darstellung zum Personal- und Geräteeinsatz nicht den Anforderungen der Verdingungsunterlagen, führt dies zum (zwingenden) Ausschluss der Antragstellerofferte gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 30.08.2006 - Az.: VK-SH 20/06).

107.5.1.2.3.3.4.23 Forderung nach unerfüllbaren Erklärungen Zwar ordnen § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A an, dass Angebote ausgeschlossen werden müssen bzw. können, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Hierzu gehören auch Erklärungen Dritter, die als Nachweis für die Qualität der angebotenen Leistung im Hinblick darauf gefordert werden, dass nach § 97 Abs. 5 GWB der öffentliche Auftraggeber die Wirtschaftlichkeit eines Angebots zu prüfen und festzustellen hat. § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A gehen aber davon aus, dass die geforderten Angaben und Erklärungen Vorgaben betreffen, die erfüllt werden können. Denn etwas, was für jedermann unmöglich ist, kann

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schlechterdings nicht durchgesetzt werden. Das verbietet, aus der Nichterfüllung eines hierauf gerichteten Verlangens nachteilige Folgen für die Bieter herzuleiten. Bei einer unerfüllbaren Anforderung leidet das Vergabeverfahren vielmehr an einem grundlegenden Mangel, dessentwegen es nicht in Betracht kommt, überhaupt auf dieser Grundlage einen Auftrag für die nachgefragte Leistung zu erteilen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass die Erbringung der nachgefragten Leistung selbst ganz oder teilweise objektiv unmöglich ist, sondern gleichermaßen, wenn bestimmte Nachweise über die Beschaffenheit der angebotenen Leistung verlangt werden, aber nicht rechtzeitig beigebracht werden können. Denn auch dann fehlt eine vom öffentlichen Auftraggeber für wesentlich gehaltene Grundlage für den Vergleich der abgegebenen Angebote und damit für die sachgerechte Entscheidung, der das eingeleitete Vergabeverfahren dienen soll. In einem unter anderem durch eine unmöglich zu erfüllende Vorgabe gekennzeichneten Vergabeverfahren darf deshalb auch in einem solchen Fall kein Auftrag vergeben werden. Kann der grundlegende Mangel des eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht durch transparente und diskriminierungsfreie Änderung der betreffenden Vorgabe behoben werden und/oder macht der öffentliche Auftraggeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist er deshalb gehalten, die Ausschreibung wegen des ihr anhaftenden Mangels aufzuheben. Die Handhabe hierzu bietet § 26 Nr. 1 VOL/A, wobei mangels hiervon abhängender unterschiedlicher Rechtsfolgen dahinstehen kann, ob eine unerfüllbare Anforderung die Alternative a oder die Alternative d ausfüllt. Ein Ausschluss bloß einzelner Bieter und die Erteilung des Auftrags an einen anderen Bieter, der ebenfalls den gewünschten Nachweis nicht rechtzeitig vorgelegt hat, kommen jedenfalls nicht in Betracht (BGH, Beschluss v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; OLG Karlsruhe, B. v. 06.02.2007 - Az.: 17 Verg 5/06; OLG München, B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 12/08; LG Frankfurt (Oder), Urteil v. 14.11.2007 - Az.: 13 O 360/07; 1. VK Bund, B. v 22.09.2006 - Az.: VK 1 - 103/06; VK Düsseldorf, B. v. 29.03.2007 - Az.: VK - 08/2007 – B; 1. VK Sachsen, B. v. 10.04.2007 – Az.: 1/SVK/020-07; im Ergebnis ebenso VK Brandenburg, B. v. 19.12.2008 - Az.: VK 40/08). Ist es einem Bieter auf Grund der Praxis einiger Finanzämter, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen grundsätzlich nicht mehr zu erteilen, objektiv unmöglich, diesen geforderten Nachweis beizubringen, genügt der Nachweis durch eine Eigenerklärung des Bieters (1. VK Bund, B. v 22.09.2006 - Az.: VK 1 - 103/06).

107.5.1.2.3.3.4.24 Fehlende geforderte Muster Angeforderte Muster der angebotenen Leistung sollen nähere Erklärungen der Bieter, wie diese beschaffen ist, ersetzen. Das gebietet, sie den vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Erklärungen vergaberechtlich gleich zu behandeln. Fehlen Muster, deren Vorlage der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Angebots wünscht, oder ist das verlangte Muster unvollständig, ist mithin die Anwendung von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOB/A eröffnet (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06).

107.5.1.2.3.3.4.25 Fehlende Ethikerklärung Die in einer Ethikerklärung geforderte Angabe, ob ein Bieter in den letzten 18 Monaten für den Auftraggeber Beratungsleistungen erbracht hat, stellt keinen Eignungsnachweis dar. Denn dieser Umstand betrifft nicht die Eignung eines Bieters. Vielmehr kann er trotz – oder gerade aufgrund – einer solchen Beratungstätigkeit fachkundig, leistungsfähig und

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zuverlässig sein. Die Ethikklausel dient vielmehr der Sicherung des Wettbewerbs. Indem der Auftraggeber den Abschluss von Verträgen mit solchen Bietern ausschließt, die innerhalb des genannten Zeitraums beratend für ihn tätig waren, wird vermieden, dass diese Bieter aufgrund eines durch ihre Beratungstätigkeit erlangten Informationsvorsprungs Kalkulationsvorteile gegenüber anderen Bietern haben oder im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit bei der Ausgestaltung der ausgeschriebenen Maßnahme mitgewirkt und infolge dessen die jeweiligen Anforderungen eher erfüllen als andere Bieter (2. VK Bund, B. v. 27.03.2007 - Az.: VK 2 – 18/07).

107.5.1.2.3.3.4.26 Fehlende Ergänzende Vertragsbedingungen und Leistungsbeschreibung Schickt ein Bieter die Ergänzenden Vertragsbedingungen mit seinem Angebot zwar nicht in Papierform zurück , obwohl der Auftraggeber deren Rückgabe in der Angebotsaufforderung und in dem von ihm vorformulierten Angebotsschreiben durch Ankreuzen der entsprechenden Kästchen gefordert hat, ist das Angebot dennoch nicht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 S. 5 VOB/A von der Wertung auszuschließen, weil die Ergänzenden Vertragsbedingungen Bestandteil des Angebots sind und somit im Falle eines Vertragsschlusses auch Vertragsinhalt sind, wenn der Bieter in dem von ihm ordnungsgemäß unterschriebenen Angebotsformular gemäß Ziffer 1.1 erklärt, dass u.a. diese Vertragsbedingungen von seinem Angebot umfasst werden. Im Falle der Zuschlagserteilung nimmt der Auftraggeber dieses Angebot so an, der Vertrag kommt also mit dem von dem Auftraggeber ausgeschriebenen Inhalt, also einschließlich der von ihm vorgegebenen Ergänzenden Vertragsbedingungen, zustande gekommen (§§ 145 ff. BGB). Die Rückgabe der Ergänzenden Vertragsbedingungen ist daher für deren verbindliche Geltung nicht erforderlich. Die physische Beifügung dieser Vertragsbedingungen zum Angebot hat keinen hierüber hinausgehenden Erklärungswert. Dies gilt auch für die Leistungsbeschreibung (OLG Düsseldorf, B. v. 25.06.2008 - Az.: VII - Verg 22/08; 3. VK Bund, B. v. 18.03.2008 - Az.: VK 3 - 35/08; VK Nordbayern, B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 55/08; VK Südbayern, B. v. 05.02.2010 - Az.: Z3-3-3194-1-66-12/09).

107.5.1.2.3.3.4.27 Fehlende Deutschsprachigkeit von Unterlagen Die Forderung eines Auftraggebers, dass das Angebot in all seinen Bestandteilen in deutscher Sprache einzureichen ist, schließt nicht von vornherein die Vorlage fremdsprachiger, nicht von einer Übersetzung in das Deutsche begleiteter Nachweise aus. § 8a Nr. 1 Abs. 2 bzw. § 8b Nr. 1 Abs. 2 VOB/A lässt z.B. Urkunden ausländischer Gerichte oder Verwaltungsbehörden (die vielfach nicht in Deutsch ausgestellt sind) zu, ohne zu erwähnen, dass sie von einer Übersetzung in das Deutsche – etwa möglicherweise sogar durch einen öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher – begleitet sein müssen. Art. 45 Abs. 3 Richtlinie 2004/18/EG bzw. Art. 52 Abs. 2 UA 2 und Abs. 3 UA 3 Richtlinie 2004/17/EG lassen in anderen EU-Mitgliedsstaaten erteilte Zertifikate zu. Dass Angebote auf Deutsch erfolgen müssen, bedeutet – vergleichbar bei den vergleichbaren Vorschriften der § 184 GVG und § 23 Abs. 1 VwVfG – nicht, dass Unterlagen, die im Original fremdsprachig sind, von vornherein von einer Übersetzung in das Deutsche begleitet sein müssen. Nach § 142 Abs. 3 ZPO ist es Sache des Gerichts, ob es die Übersetzung einer Urkunde anordnet; erst nach fruchtlosem Ablauf einer gesetzten Frist kann es eine fremdsprachige Urkunde unberücksichtigt lassen. § 23 Abs. 4 VwVfG lässt auch bei fristgebundenen Anträgen die Vorlage von Unterlagen in einer Fremdsprache zu, wobei es der

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Behörde überlassen bleibt, ob sie eine Übersetzung (gegebenenfalls durch einen bestellten oder beeidigten Dolmetscher) verlangt (was bei ihr verständlichen Sprachen insbesondere im technischen Bereich unterbleiben kann. Es wäre eine unnötige Verteuerung, von vornherein Übersetzungen technischer Unterlagen zu verlangen, obwohl Auftraggeber und Bieter der benutzten Sprache (insbesondere des Englischen) hinreichend mächtig sind (OLG Düsseldorf, B. v. 30.11.2009 - Az.: VII-Verg 41/09).

107.5.1.2.3.3.4.28 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• die von der Vergabestelle vorformulierten Angebotsdaten, der Gegenstand der Ausschreibung mit den Angebotsbedingungen und die Wertungskriterien sowie die Vertragsbedingungen der Vergabestelle sind Unterlagen, die an keiner Stelle vom Bieter individuell auszufüllen oder zu ergänzen sind; sie enthalten also keine eigenständigen Erklärungen der Bieter. Erklärt der Bieter die Anerkennung dieser Unterlagen und gilt die Unterschrift für alle Bestandteile des Angebots, ist aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers die Gültigkeit der entsprechenden Ausschreibungsunterlagen anerkannt. Ein solches Angebot kann daher von der Vergabestelle auch ohne Beifügung der fraglichen Unterlagen in jeder Hinsicht mit den Angeboten anderer Bieter verglichen und bewertet werden (VK Nordbayern, B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 55/08)

• fordert die Vergabestelle mit Angebotsabgabe Angaben zum beabsichtigten Bauablauf und im Falle der Auftragserteilung die Anfertigung eines mit dem Auftraggeber abgestimmten Bauzeitenplans, so ist der Bieter verpflichtet, innerhalb der Angebotsfrist seine Vorstellungen zur beabsichtigten Reihenfolge bei der Ausführung der Bauarbeiten darzustellen. Fehlen diese Angaben, ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG Naumburg, B. v. 04.09.2008 – Az.: 1 Verg 4/08)

• das Fehlen eines wirksam geforderten Lageplans hat den zwingenden Ausschluss des Angebots zur Folge (OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07)

• das Fehlen einer wirksam geforderten Baubeschreibung hat den zwingenden Ausschluss des Angebots zur Folge (OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07)

• das Fehlen von wirksam geforderten Erläuterungsberichten hat den zwingenden Ausschluss des Angebots zur Folge (OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07)

• das Angebot ist unvollständig, weil die in Position 3.6.170 wirksam geforderte Ausführungsbeschreibung nicht beigefügt war. Bei der in Position 3.6.170 erwähnten Ausführungsbeschreibung handelt es sich um eine zum Angebot abzugebende Beschreibung der Art und Weise der Ausführung einer Leistung und damit um eine Erklärung im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A (B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07)

• legt ein Bieter mit dem Angebot nicht die geforderte technische Dokumentation vor, ist das Angebot zwingend auszuschließen (2. VK Bund, B. v. 03.07.2007 - Az.: VK 2 - 45/07, VK 2 - 57/07)

• das Fehlen von wirksam und eindeutig geforderten Maßnahmen zur Sicherung der Einhaltung des Fertigstellungstermins hat zwingend den Ausschluss des Bieters zur Folge (VK Lüneburg, B. v. 17.04.2007 – Az.: VgK-11/2007)

• das Fehlen eines wirksam und eindeutig geforderten Baustelleneinrichtungsplans hat zwingend den Ausschluss des Bieters zur Folge (VK Lüneburg, B. v. 17.04.2007 – Az.: VgK-11/2007)

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• das Fehlen einer wirksam und eindeutig geforderten Erklärung zum Bauablauf hat nach der Rechtsprechung des BGH - jedenfalls in der Regel - zwingend den Ausschluss des Bieters zur Folge (OLG Karlsruhe, B. v. 09.03.2007 - Az.: 17 Verg 3/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 31.01.2007 - Az.: 1 VK 83/06)

• aus dem Umstand, dass Blatt 1 des Angebotsvordrucks EVM (B) Ang EG 213 EG fehlt, lässt sich im konkreten Fall nicht die rechtliche Konsequenz ziehen, dass das Angebot als solches wegen fehlender Nachweise oder Erklärungen zwingend als "unvollständig" im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des BGH gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A von der Wertung auszuschließen ist. Der Bieter hat seinem Angebot sämtliche von der Vergabestelle vorgegebenen Anlagen und Erklärungen beigefügt. Er hat auch auf Blatt 3 des Angebotsschreibens mit Unterschrift u.a. bestätigt, dass die Unterschrift für alle Teile des Angebotes Geltung haben soll. Dies folgt aus Nr. 8 der Angebotserklärung. Insofern hat er damit zweifelsfrei und rechtsverbindlich erklärt, dass die dem Angebot beigefügten Anlagen Bestandteil des Angebotsinhalts werden so wie es - zusätzlich - auch Nr. 1.1 des Angebotsvordrucks (Seite 1) als Erklärungsinhalt verlangt. Einzige Rechtfertigung und Zielsetzung des dreiseitigen Angebotsvordrucks ist es, unmissverständlich deutlich zu machen, dass sich die Unterschrift des Bieters auf alle Teile des Angebots bezieht. Bei dem Angebot des Bieters ist dies nach den konkreten Umständen dieses Einzelfalles so erfüllt. Es wäre eine unerträgliche Förmelei, trotz der unterschriebenen Erklärung: "die nachstehende Unterschrift gilt für alle Teile des Angebots" das Angebot des Bieters allein wegen Fehlens der Liste der von der Vergabestelle verlangten und dem Angebot des Beters tatsächlich beigefügten Anlagen als unvollständig auszuschließen (VK Köln, B. v. 30.08.2006 - Az.: VK VOB 27/2006)

• der Antragsgegner hat die Bieter wirksam dazu aufgefordert, mit ihrem Angebot einen Bauablaufplan, einen Baustelleneinrichtungsplan und eine Erläuterung zum Gerüst abzugeben. Die Antragstellerin ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Jede einzelne fehlende Erklärung rechtfertigt bereits den Ausschluss der Antragstellerin vom Vergabeverfahren (VK Düsseldorf, B. v. 07.10.2005 - VK - 22/2005 – B)

• die in der Objektbeschreibung geforderte Dokumentation der dort genannten Einbauten durch Prospekte und Farbfotos zählt auch zu den in § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A genannten "geforderten Erklärungen". Hierzu zählen nämlich nicht nur Willenserklärungen im rechtlichen Sinne, sondern beispielsweise auch die Unterlagen, die ein Bieter zum Nachweis seiner Eignung vorzulegen hat, sowie Nachweise, die zur näheren Bewertung der Angebote nach § 25 VOB/A erforderlich sind (VK Köln, B. v. 24.01.2005 - Az.: VK VOB 47/2004)

107.5.1.2.3.3.5 Durch den Auftraggeber eingeräumte Möglichkeit der Ergänzung fehlender Unterlagen in den Verdingungsunterlagen Wenn der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen selbst die Relevanz der z. B. zum Eignungsnachweis geforderten Erklärungen und Unterlagen relativiert, indem er, falls er die Notwendigkeit dafür sieht, eine Vervollständigung oder Erläuterung fordern will , ist ein zwingender Ausschluss beim Fehlen z. B. von Eignungsunterlagen nicht geboten. Der Auftraggeber bestimmt, welche Angaben und Nachweise er z. B. für die Eignungsüberprüfung benötigt. Eine Verselbständigung der Anforderung dergestalt, dass alle genannten Angaben und Nachweise mit dem Angebot vorzulegen sind ohne Berücksichtigung weiterer Aussagen, die der Auftraggeber selbst dazu trifft, erscheint deshalb auch aus den

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Grundsätzen der Wertungstransparenz und Gleichbehandlung nicht ableitbar; insbesondere dann nicht, wenn der Auftraggeber gleichzeitig die - für ihn - zwingenden Ausschlussgründe deutlich macht und bei der Auswertung nach seinen aufgestellten Vorgaben auch tatsächlich verfährt (VK Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 - L).

107.5.1.2.3.3.6 Durch den Auftraggeber eingeräumte Möglichkeit der Ergänzung fehlender Unterlagen (ohne Benennung in den Verdingungsunterlagen) An dem zwingenden Ausschluss von Angeboten, bei denen Preise oder Erklärungen fehlen, ändert auch der Umstand nichts, dass ein Auftraggeber selbst um das Nachreichen der fehlenden Erklärungen und Nachweise bittet. Denn der Ausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A ist zwingend. Es spielt keine Rolle, ob der Auftraggeber ihn erkennt und berücksichtigt (OLG Naumburg, B. v. 11.6.2003 - Az.: 1 Verg 06/03).

107.5.1.2.3.3.7 Fehlende Preise oder Erklärungen in einem Nebenangebot Auch Nebenangebote sind gemäß den oben dargestellten Grundsätzen wegen Fehlens wesentlicher geforderter Erklärungen gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A Abschnitt 2 zwingend von der Wertung auszuschließen (OLG Koblenz, B. v. 29.8.2003 - Az.: 1 Verg 7/03). Auch wenn ein Bieter in einem Nebenangebot eine zum Teil technisch abweichende Leistung anbietet, muss er die in "Sammelpositionen" enthaltenen Leistungen im Einzelnen nach Einheits- und Gesamtpreisen getrennt ausweisen. Solche Angaben sind auch nicht unzumutbar. Schon wegen der Kalkulation etwaiger Mehrvergütungen gemäß § 2 Nr. 3 bis 7 VOB/B sind die Preise nicht ohne Einfluss auf die Kalkulation und damit auf den Wettbewerb (OLG Koblenz, B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 Verg. 3/03; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 11.4.2003 - Az.: VK 4/03).

107.5.1.2.3.3.8 Vollständigkeit der geforderten Erklärungen und Angaben Angaben und Erklärungen, die der Bieter laut den Ausschreibungsbedingungen vorzulegen hat, müssen vollständig sein. Ein Recht des Bieters zu entscheiden, welcher Teil des geforderten Dokuments für den Auftraggeber von Bedeutung ist und welcher zur Ersparung von Kopierkosten oder zum Schutz von Betriebsgeheimnissen weggelassen werden kann, besteht nicht. Die Vergabestelle umgekehrt kann von sich aus nicht beurteilen, ob der fehlende Teil für sie wesentliche Informationen enthält (OLG München, B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07; B. v. 29.03.2007 - Az.: Verg 02/07; VK Südbayern, B. v. 09.10.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-45-08/07).

107.5.1.2.3.3.9 Unvollständigkeit der geforderten Erklärungen und Angaben wegen Geheimhaltungsbedürfnis des Bieters Ein Geheimhaltungsbedürfnis besteht gegenüber der Vergabestelle nicht. Zum einen hat die Vergabestelle die eingereichten Angebote samt Unterlagen vertraulich zu behandeln, § 22

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Nr. 8 VOB/A bzw. § 22 Nr. 6 VOL/A, so dass keine Gefahr besteht, dass die Unterlagen in die Hände der Mitbewerber gelangen. Dieser Gefahr kann ein Bieter im Vergabeverfahren und im Nachprüfungsverfahren dadurch noch verstärkt vorbeugen, dass er die entsprechenden Unterlagen als geheimhaltungsbedürftig kennzeichnet, § 111 Abs. 3 GWB. Zum anderen setzt ein Vertragsschluss gegenseitiges Vertrauen voraus. Dieses wäre von Beginn an zerstört, wenn ein Vertragspartner dem anderen vertragswesentliche Unterlagen vorenthält. Dem Bieter steht auch kein Recht zu, eine Entscheidung darüber zu treffen, welcher Teil der geforderten Unterlagen für den Auftraggeber von Bedeutung ist und welcher als irrelevant weggelassen werden kann. Es ist Sache des Auftraggebers, die Relevanz der Unterlagen für seine Vergabeentscheidung zu beurteilen (OLG München, B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07; VK Südbayern, B. v. 09.10.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-45-08/07).

107.5.1.2.3.3.10 Beweislast für die Vollständigkeit eines Angebots Der Nachweis für die Vollständigkeit eines Angebots obliegt dem Bieter. Denn er trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ein vollständiges Angebot eingereicht hat (OLG Düsseldorf, B. v. 16.11.2003 - Az.: VII - Verg 47/03; VK Baden-Württemberg, B. v. 23.03.2006 - Az.: 1 VK 6/06). Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes (z.B. wegen Unvollständigkeit) trägt derjenige, der sich auf den Ausschlussgrund beruft, also z.B. der Auftraggeber oder ein Antragsteller, der sich im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens auf die Unvollständigkeit des Angebots eines anderen Bieters beruft (OLG Karlsruhe, B. v. 11.05.2005 - Az.: 6 W 31/05; VK Sachsen, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1/SVK/054-08). Lässt sich nicht klären, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, einen Bieter auszuschließen, geht diese Nichterweislichkeit jedenfalls dann nicht zu Lasten des Bieters, wenn sie im Verantwortungsbereich der Vergabestelle liegt (VK Sachsen, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1/SVK/054-08).

107.5.1.2.3.4 Ältere mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vereinbare Entscheidungen

107.5.1.2.3.4.1 Fehlende Preise

107.5.1.2.3.4.1.1 Ergänzung fehlender Preise durch Bildung von Mittelpreisen Eine Lösung, einen Mittelpreis aus dem Zweit- und Drittplazierten in die Positionen einzusetzen, bei denen Preise eines mindestfordenden Angebotes fehlen, ist ebenfalls nicht praktikabel, da nicht rechtsverbindlich (1. VK Sachsen, B. v. 12.3.2003 - Az.: 1/SVK/ 015-03).

107.5.1.2.3.4.1.2 Fehlende Preise und Zusammenfassung in einer einzigen Position Das Unterlassen von Preisangaben in einer Vielzahl von Leistungspositionen führt dazu, dass das Angebot preislich unvollständig abgegeben wird. Ist der Auftraggeber auf der

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einen Seite verpflichtet, die Verdingungsunterlagen klar, eindeutig und erschöpfend aufzustellen (§ 9 VOB/A), so entspricht dies auf der anderen Seite der Verpflichtung der Bieter, ihren Angeboten die Angaben des Leistungsverzeichnisses vollinhaltlich zugrunde zu legen. Erst dies ermöglicht dem Auftraggeber in der Prüfungs- und Wertungsphase die Angebote miteinander zu vergleichen. Das Vermischen von Leistungspositionen mit den dazu gehörigen Preisen beseitigt die Vergleichbarkeit mit den Angeboten der anderen Bieter, beeinträchtigt die Transparenz der Vergabeentscheidung und verletzt den Grundsatz des fairen Wettbewerbs der Bieter (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 11.4.2003 - Az.: VK 4/03).

107.5.1.2.3.4.1.3 Fehlender Einheitspreis und Eintragung "kein Angebot" Enthält ein Angebot anstelle des Einheitspreises den Eintrag "kein Angebot", kann das unvollständige Hauptangebot nicht gewertet werden, weil die Grundposition - im Gegensatz zu Alternativpositionen - unbedingt in die Wertung einbezogen werden muss (VK Hannover, B. v. 5.7.2002 - Az.: 26045 - VgK - 4/2002).

107.5.1.2.3.4.1.4 Fehlende Preisangaben bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm Verlangt der öffentliche Auftraggeber bei einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm über den Endpreis hinaus die Angabe von Einheitspreisen, ist der Bieter verpflichtet, diese Preisangaben auch zu tätigen. Macht er dies nicht, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Magdeburg, B. v. 23.8.2001 - Az.: 33-32571/07 VK 16/01 MD).

107.5.1.2.3.4.1.5 Fehlende Preisuntergliederung in Material- und Lohnkosten Fordert der Auftraggeber die aufgegliederte Angabe von Einheitspreisen in Material- und Lohnkosten, so muss der Bieter das grundsätzlich befolgen, zumal solche Preisbestandteile durchaus hilfreich für die Ermittlung veränderter Preise nach Vertragsabschluss sein können. Folgt der Bieter dieser Vorgabe nicht, ist das Angebot auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 08.05.2007 - Az.: 21.VK – 3194 - 20/07; VK Südbayern, B. v. 03.06.2004 - Az.: 36-05/04; 2. VK Bund, B. v. 19.2.2002 - Az.: VK 2 - 02/02).

107.5.1.2.3.4.1.6 Fehlende Preise im schriftlichen Angebot, die sich aber auf einem Datenträger befinden Im schriftlichen Angebot fehlende Preise können auch nicht dadurch geheilt werden, dass gegebenenfalls beigefügte Disketten die Preise enthalten, da das Gebot der Schriftlichkeit nicht erfüllt ist. Die EMV-Erg DV, die Bestandteil der Verdingungsunterlagen sein können, bestimmen in Übereinstimmung mit diesen rechtlichen Rahmenbedingungen in Ziffer 1.3 ausdrücklich, dass dem schriftlichen Angebot beigefügte Disketten lediglich als Arbeitsmittel dienen und bei inhaltlichen Widersprüchen zwischen Diskette und schriftlicher Fassung ausschließlich das schriftliche Angebot gilt (1. VK Bund, B. v. 6.2.2001 - Az.: VK 1 - 3/01, B. v. 16.5.2002 - Az.: VK 1 - 21/02).

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107.5.1.2.3.4.2 Fehlende sonstige Angaben oder Erklärungen

107.5.1.2.3.4.2.1 Fehlender oder veralteter Gewerbezentralregisterauszug Zur Zulässigkeit einer Forderung nach Vorlage eines Gewerbezentralregisterauszugs vgl. die Kommentierung zu § 8 VOB/A RZ 3901/1. Die Rechtsprechung zu fehlenden oder veralteten Gewerbezentralregisterauszügen ist nicht einheitlich. Nach einer Auffassung ist nach dem Wortlaut des § 25 Nr. 1 Abs. Buchstabe b) VOB/A im Fall eines fehlenden Gewerbezentralregisterauszuges der Ausschluss des Angebots zwingend. Insoweit steht der Vergabestelle kein Ermessensspielraum zu. Soweit die Auffassung vertreten wird, es sei unerheblich, wenn Erklärungen fehlten, die ohne Einfluss auf die Preise und auf das Wettbewerbsergebnis seien, so kann dem nicht gefolgt werden. Hiergegen spricht schon der Wortlaut der Regelung, die insoweit keine Einschränkung beinhaltet. Vielmehr ordnet die Regelung den Ausschluss des Angebotes unabhängig von der Art der fehlenden Erklärungen an (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b VOB/A). Allein entscheidend ist vielmehr, dass das Angebot den Anforderungen aus § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entspricht. Die Vergabestelle ist vor diesem Hintergrund nicht befugt, die fehlenden Erklärungen nachzufordern. Es ist hierbei zu bedenken, dass eine Nachforderung dieser Unterlagen sehr wohl einen Einfluss auf den Wettbewerb hätte. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass weitere Bieter die Forderungen der Vergabestelle diesbezüglich erfüllt hatten (OLG Frankfurt, B. v. 23.12.2005 - Az.: 11 Verg 13/05; 2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07; 3. VK Bund, B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; VK Hessen, B. v. 27.03.2006 - Az.: 69 d VK - 10/2006; VK Südbayern, B. v. 07.04.2006 - Az.: 07-03/06; 1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; B. v. 12.05.2005 - Az.: 1/SVK/038-05; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.04.2005 - Az.: 1 VK LVwA 17/05; VK Magdeburg, B. v. 5.3.2003 - Az.: 33-32571/07 VK 02/03 MD). Der in § 97 Abs. 2 GWB normierte Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt von dem Ausschreibenden verlangt, dass alle Bieter gleich behandelt werden. Ein transparentes und auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder, sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht, vergleichbare Angebote gewertet werden. Fordert daher der Auftraggeber z.B. in der Bekanntmachung bestimmte wirtschaftliche und technische Mindestanforderungen von den Bietern, die mit der Vorlage von den dort geforderten Nachweisen erfüllt werden sollen, dann zwingt allein die verspätete Vorlage der geforderten Nachweise die Vergabestelle zum Ausschluss eines entsprechenden Angebotes. Ihr steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 22.05.2006 - Az.: 1 Verg 5/06; OLG Frankfurt, B. v. 23.12.2005 - Az.: 11 Verg 13/05; 1. VK Sachsen, B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; 3. VK Bund, B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; VK Hessen, B. v. 27.03.2006 - Az.: 69 d VK - 10/2006; VK Schleswig-Holstein, B. v. 31.01.2006 - Az.: VK-SH 33/05; B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05). Dies gilt auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber einen solchen Gewerbezentralregisterauszug für die benannten Nachunternehmer fordert (2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07).

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Dies gilt ebenfalls, wenn der öffentliche Auftraggeber einen Gewerbezentralregisterauszug für eine Gesellschaft fordert und der Bieter einen Gewerbezentralregisterauszug für einen Gesellschafter vorlegt. Denn ein einwandfreier Auszug aus dem Gewerbezentralregister bezüglich nur eines der Gesellschafter bzw. Geschäftsführer vermittelt keinen Aufschluss über die Zuverlässigkeit der Gesellschaft insgesamt. Erst recht aber kann er dann nicht als hinreichender Zuverlässigkeitsnachweis gelten, wenn auch dieser Auszug selbst weit älter als drei Monate ist (2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07). Wird in der Vergabebekanntmachung ein "Auszug aus dem Gewerbezentralregister als Nachweis, dass keine Einträge für das Unternehmen bzw. die Unternehmensführung vorliegen (§ 150 GewO)", ist diese Vorgabe nicht zwangsläufig so zu verstehen, dass neben dem Auszug für das Unternehmen auch Auszüge für die Unternehmensführung zwingend vorzulegen sind. Dafür spricht zunächst der Gebrauch des Singular. Dazu kommt, dass der Gewerbezentralregisterauszug für das Unternehmen durchaus auch Einträge über die Unternehmensführung enthalten kann (wenn auch nicht unbedingt vollständig). Ein verständiger Bieter konnte also davon ausgehen, dass mit der Vorlage des Auszugs für das Unternehmen der geforderte Nachweis sowohl für das Unternehmen als auch für die Unternehmensführung erbracht ist. Es ist angesichts dessen schon fraglich, ob die Anerkennung des Gewerbezentralregisterauszuges für das Unternehmen als vollständiger Eignungsnachweis nicht ohnehin die einzig vergaberechtskonforme Auslegungsmöglichkeit ist (3. VK Bund, B. v. 24.01.2008 - Az.: VK 3 - 151/07). Wird dagegen eindeutig sowohl für den Bieter als juristische Person, als auch für die Geschäftsführer entsprechende Gewerbezentralregister-Auszüge zur Vorlage mit dem Angebot verlangt, ist ein Angebot auszuschließen, bei dem Auszüge für einen der Geschäftsführer fehlen (VK Nordbayern, B. v. 26.02.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 02/08). Andere Vergabekammern tendieren zu einer anderen Ansicht: der Gewerbezentralregisterauszug dient zur Prüfung der Zuverlässigkeit und damit der Eignung eines Bieters. Es handelt sich um eine bieterbezogene Erklärung. Für die Vergleichbarkeit der Angebote an sich ist der Gewerbezentralregisterauszug nicht erforderlich . Er ist nicht preiswirksam und insoweit ohne Einfluss auf die Wettbewerbsposition der Bieter (1. VK Bund, B. v. 27.9.2002 - Az.: VK 1 - 63/02; VK Thüringen, B. v. 29.8.2002 - Az.: 216-4002.20-036/02-J-S). Weist ein Auftraggeber den Bieter darauf hin, einen fehlenden Gewerbezentralregisterauszug bis zu einem bestimmten Datum nachzureichen, kann der Bieter nicht darauf vertrauen, nach diesem Zeitpunkt nochmals Gelegenheit zum Nachreichen weiterer Unterlagen zu erhalten. Legt er dann - entgegen einer ausdrücklichen Vorgabe des Leistungsverzeichnisses - einen veralteten Auszug aus dem Gewerbezentralregister vor, erfüllt er damit eine wesentliche Forderung nicht. Dem Auftraggeber ist es somit nicht möglich, die Zuverlässigkeit und damit die Eignung des Bieters zeitnah und abschließend zu beurteilen. Der Auftraggeber ist auch nicht verpflichtet, hierüber weitere Nachforschungen anzustellen. Auf Grund der kurzen Fristen im Vergabeverfahren ist der administrative Aufwand der Vergabestelle bei der Eignungsprüfung in vertretbaren Grenzen zu halten. Darüber hinaus begründet das Vergaberecht hinsichtlich des Nachweises der Eignung Obliegenheiten für Bieter und Bewerber, deren Nichtbeachtung zu ihren Lasten gehen. Die Darlegungslast über die Erfüllung der Eignungskriterien liegt deshalb beim Bieter (VK Südbayern, B. v. 10.11.2003 - Az.: 49-10/03).

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Entscheidend für die Aktualität eines Gewerbezentralregisterauszuges ist weder der Zeitpunkt der Abgabe des Angebots noch der Submissionstermin, sondern der Zeitpunkt des Endes der Angebotsfrist (1. VK Sachsen, B. v. 28.07.2008 - Az.: 1/SVK/037-08; B. v. 16.01.2008 - Az.: 1/SVK/084-07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 27.07.2006 - Az.: VK-SH 17/06).

107.5.1.2.3.4.2.2 Fehlende Urkalkulation

107.5.1.2.3.4.2.2.1 Rechtsprechung

Die Rechtsprechung ist unterschiedlich. Schon aus § 24 Nr. 1 Abs. 1 am Ende sowie § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOB/A folgt, dass Kalkulationen nur im Ausnahmefall vorzulegen sind, wenn sie nötig sind, um die Angemessenheit der Preise zu überprüfen. Danach ist es ausreichend, dass die erforderlichen Unterlagen für den Fall der Auftragserteilung nachgereicht werden, da die in der Urkalkulation und der Preisaufgliederung enthaltenen Angaben erst im Rahmen des § 2 VOB/B nach Vertragsschluss relevant werden können (VK Brandenburg, B. v. 25.8.2002 - Az.: VK 45/02). Dies gilt selbst dann, wenn die Vorlage der Urkalkulation ausdrücklich mit der Angebotsabgabe gefordert wird (VK Thüringen, B. v. 15.1.2004 - Az.: 360-4003.20-030/03-GTH; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 21.1.2004 - Az.: VK 2 - 126/03). Eine Urkalkulation des Nachunternehmers kann aus der Interessensituation heraus nicht verlangt werden (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05); vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 24 VOB/A RZ 5262. Nach einer anderen Auffassung fallen unter Erklärungen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A alle Erklärungen, die sowohl den Inhalt als auch die rechtlichen und sonstigen Rahmenbedingungen der zu erbringenden Leistung betreffen. Hierzu gehört auch die Urkalkulation , die die Preisermittlung im Detail festhält. Die Urkalkulation anders als EFB-Preisblätter zu behandeln, erscheint nicht gerechtfertigt. Die Bieter werden durch die Vorlage der Urkalkulation auch nicht unzumutbar in ihren Rechten beeinträchtigt, weil ihnen nach den Gesamtumständen gestattet war, die Preisermittlung ggf. in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, der von der Vergabestelle nach Nr. 11.4 BB verschlossen aufbewahrt wird. Fehlt deshalb die geforderte Urkalkulation, ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 08.12.2009 - Az.: VII-Verg 52/09; OLG Karlsruhe, B. v. 24.07.2007 - Az.: 17 Verg 6/07; B. v. 04.05.2007 - Az.: 17 Verg 5/07; 2. VK Bund, B. v. 22.05.2007 - Az.: VK 1 - 35/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 17.03.2007 – Az.: 1 VK 07/07, 08/07).

107.5.1.2.3.4.2.2.2 Literatur

• Brieskorn, Eckhard / Stamm, Jürgen, Die vergaberechtliche Renaissance der Urkalkulation und deren Bedeutung für das Nachtragsmanagement, NZBau 2008, 414

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107.5.1.2.3.4.2.3 Fehlende Hersteller- und Typangaben Eine Typangabe verlangt die individuelle und unverwechselbare Kennzeichnung eines ganz bestimmten Objekts, wodurch dieses eindeutig identifizierbar ist. Wird dieselbe Angabe bei einer Mehrzahl ganz verschiedener Beschaffungsgegenstände/Positionen vorgenommen (und zudem auch bei Gegenständen, für die nur die Fabrikats-/ Herstellerangabe gefordert war), so kann sich diese Angabe keinesfalls zugleich als eindeutige Bezeichnung des Typs und damit zur Identifizierung des Artikels eignen und lässt somit für den Auftraggeber auch keine eindeutige Beurteilung zu, ob der angebotene Artikel der Ausschreibung entspricht (VK Hessen, B. v. 07.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 60/2004). Mit Hilfe von Hersteller- und Typangaben will sich der Auftraggeber eine Überprüfungsmöglichkeit dafür schaffen, ob das, was angeboten wird, auch wirklich den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht. Die Informationen über Hersteller und Typ der angebotenen Komponenten haben für den Auftraggeber insoweit Bedeutung, als sie Auseinandersetzungen bzw. Rechtsstreitigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt auf der vertraglichen Ebene darüber vermeiden helfen, ob auch wirklich vertragsgerecht geliefert wurde. Entscheidet der Auftraggeber, sich in bestimmten Punkten nicht darauf verlassen zu wollen, dass der Bieter gemäß dem Leistungsverzeichnis anbietet, sondern will er sich auch mittels Hersteller- und Typenangabe schon im Angebot davon überzeugen, so ist dies vor dem Hintergrund der geschilderten Interessenlage als legitim anzuerkennen und eine diesbezügliche Nachfrage im Leistungsverzeichnis zulässig. Sachlich geht es dabei um eine Überprüfungsmöglichkeit auf einer der Wertung im engeren Sinn vorrangigen Stufe, nämlich um die Prüfung, ob das Angebot dem Leistungsverzeichnis entspricht oder aber von diesem abweicht. Der Gefahr, dass mit den Hersteller- und Typenangaben Wertungskriterien eingeführt werden, die zuvor nicht bekannt gegeben wurden, kann gegebenenfalls mit einem Nachprüfungsantrag entgegengetreten werden, wenn die Wertungsentscheidung auf derartige Gründe gestützt wird. Die Hersteller- und Typenangaben sind folglich erforderlich im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A; fehlen sie, ist das Angebot auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 04.11.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 41/04; 1. VK Bund, B. v. 10.12.2002 - Az.: VK 1 - 91/02).

107.5.1.2.3.4.2.4 Zumutbarkeit der Beschaffung von Nachweisen Soweit die Vorlage eines Nachweises (z.B. eines Gewerbezentralregisterauszuges) mit dem Angebot verlangt wird, wird eine Obliegenheit des Bieters begründet, deren Nichterfüllung zu seinen Lasten geht. Es kann zwar durchaus Fälle geben, in denen die Beschaffung eines Nachweises (z.B. eines Gewerbezentralregisterauszuges) für den Bieter mit einem sehr großen Aufwand verbunden ist. Lässt sich aber entnehmen, dass hinsichtlich der Beschaffung keine Unmöglichkeit besteht, muss der Bieter ein entsprechendes Engagement zur Beschaffung der Nachweise aufwenden (VK Schleswig-Holstein, B. v. 27.07.2006 - Az.: VK-SH 17/06).

107.5.1.2.3.5 Literatur • Kus, Alexander, Der Auftraggeber gibt die Spielregeln vor, NZBau 2004, 425

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• Maier, Clemens, Der Ausschluss eines unvollständigen Angebots im Vergabeverfahren, NZBau 2005, 374

• Luber, Hermann, Der formalistische Angebotsausschluss, das Wettbewerbsprinzip und der Grundsatz der sparsamen Mittelverwendung im Vergaberecht, VergabeR 2009, 14

• Möllenkamp, Christian, Ausschluss unvollständiger Angebote, NZBau 2005, 557 • Noch, Rainer, Wann beginnt die "Förmelei"? - Formale Angebotsprüfung: Auch

Vergabestelle sind gefordert, Behörden Spiegel Oktober 2007, 28 • Stolz, Bernhard, Die Behandlung von Angeboten, die von den ausgeschriebenen

Leistungspflichten abweichen, VergabeR 2008, 322 • Stoye, Jörg / Hoffmann, Jens, Nachunternehmerbenennung und Verpflichtungserklärung

im Lichte der neuesten BGH-Rechtsprechung und der VOB/A 2009, VergabeR 2009, 569 • Weihrauch, Oliver, Unvollständige Angebote, Praktische Relevanz – Rechtsfolgen –

offene Fragen, VergabeR 2007, 430

107.5.1.2.4 Angebote mit nicht verlangten Eintragungen

107.5.1.2.4.1 Nicht verlangte Kalkulationsposten Macht ein Bieter durch das Einsetzen der Kalkulationsposten in den Unterbeschreibungen des Leistungsverzeichnisses mehr, als von ihm verlangt ist, wird dadurch sein Angebot aber weder im Sinne des § 21 Nr. 1 VOB/A geändert, noch hat er Änderungen vorgenommen. Das Angebot ist auch in sich nicht missverständlich, wenn der geforderte Preis ohne weiteres aus den Einzelpositionen zu errechnen ist (BGH, Urteil vom 6.2.2002 - Az.: X ZR 185/99).

107.5.1.2.4.2 Irrtümlich enthaltene Positionen Ist offensichtlich, dass ein Bieter bestimmte Positionen versehentlich in das Angebot (Kurz-Leistungsverzeichnis) eingefügt hat, ist dies unschädlich, weil der Fehler für jedermann leicht erkennbar ist (OLG Celle, B. v. 13.3.2002 - Az.: 13 Verg 4/02).

107.5.1.2.4.3 Aufnahme eines Wahlrechtes zugunsten des Auftraggebers durch den Bieter Die Bedingung in § 21 Nr.1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A: "Die Angebote sollen nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten", schließt eine Herstellerauswahl zugunsten des Auftraggebers nicht per se aus. Eine Erklärung zum Auswählen eines Herstellers ist aber nach dem bürgerlichen Recht in Verbindung mit § 28 Nr. 2 VOB/A ausgeschlossen, weil eine derartige Erklärung kein "Angebot" ist . Ein Vertrag kommt dadurch zustande, dass auf ein Angebot die vorbehaltslose Annahme des Angebotes erklärt wird. In § 28 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A wird ergänzend festgelegt, dass der Vertrag geschlossen ist, wenn auf ein Angebot ohne Abänderungen der Zuschlag erteilt wird. Ein Angebot muss also so konkret sein, dass ohne weitere Festlegung, Ergänzung oder Differenzierung der angebotenen Leistungen der Zuschlag erteilt werden kann. Diese Qualität haben Angebote nicht, die eine Herstellerauswahl zugunsten des Auftraggebers enthalten (VK Hannover, B. v. 16.01.2004 - Az.: 26045 - VgK 14/2003).

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107.5.1.2.5 Angebote mit mehrdeutigen Angaben, mit unklärbaren Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen Angebote mit mehrdeutigen Angaben, mit unklärbaren Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen (also unklare Angebote) führen zum Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A bzw. VOL/A. Dies gilt namentlich auch im Bereich von Nachunternehmererklärungen (BayObLG, B. v. 27.07.2004 – Az.: Verg 014/04; B. v. 11.2.2004 - Az.: Verg 1/04; 2. VK Bund, B. v. 30.12.2009 - Az.: VK 2 - 222/09; im Ergebnis ebenso VK Nordbayern, B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07 – für unklare Lohnangaben in den Formblättern EFB-Preis 1a bzw. EFB-Preis 2; B. v. 12.04.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 16/07; 1. VK Sachsen, B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07; B. v. 29.12.2005 - Az.: 320.VK - 3194 – 40/05). Ergeben mehrfach vorgelegte Formblätter einen widersprüchlichen Erklärungsinhalt, so dass ein eindeutiger objektiver Erklärungswert für den Auftraggeber nicht zu ermitteln ist, muss das Angebot ausgeschlossen werden (2. VK Bund, B. v. 30.12.2009 - Az.: VK 2 - 222/09).

107.5.1.2.6 Doppelangebote Ein Doppelangebot ist grundsätzlich vergaberechtswidrig und daher zwingend vom Verfahren auszuschließen. Es handelt sich nämlich um ein Angebot, das nicht den Anforderungen des § 21 Nr. 1 VOB/A entspricht und nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A nicht am Verfahren teilnehmen darf. Sofern nicht vor dem Abgabetermin ein Angebot zurückgezogen wird, sind beide Angebote auszuschließen, da nicht klar ist, welcher Preis maßgebend sein soll. Dies ist so zu werten, wie wenn der Bieter eine Änderung an seinem Angebot vornimmt, die nicht zweifelsfrei ist (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A). Eine Anwendung dieser Vorschrift auch für den Fall, dass ein Bieter sein Angebot dadurch ändert, dass er neben diesem ein weiteres Angebot mit anderem Preis einreicht, ist vom Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass sich ein Bieter nicht auf Kosten des Wettbewerbs und zu Lasten seiner Mitbewerber unzulässige Vorteile verschafft. Andernfalls verschafft sich der Bieter, der mehrere Angebote einreicht, wettbewerbswidrige Vorteile, indem er seine Zuschlagschancen gegenüber anderen in unlauterer Weise erhöht. Denn er könnte sich einerseits auf den höheren Preis berufen, sofern dieser der günstigere wäre, zum anderen den niedrigeren Preis heranziehen, wenn ein Konkurrent ein Angebot abgibt, das zwischen den beiden Preisen liegt (VK Berlin, B. v. 10.02.2005 - Az.: VK - B 2 – 74/04). Verlangt der Auftraggeber eindeutig für ein Angebot entweder die Abgabe eines Angebots für ein Misch- oder Gesamtlos oder die getrennte Abgabe für eins der beiden Einzellose, hat der Bieter mithin die Wahl, seine Preise für ein Gesamtangebot zu kalkulieren oder Angebote für die einzelnen Fachlose abzugeben. Bei dieser Form der Ausschreibung will und muss die Vergabestelle bei allem Bestreben, möglichst viele Kombinationsmöglichkeiten zu erschließen, vermeiden, dass Doppelangebote für dieselbe Leistung abgegeben werden, die ggf. im Preis differieren können. Deshalb ist die Abgabe von Doppelangeboten in diesen Fällen nicht zulässig. Bei Doppelangeboten ist nämlich ein eindeutiger Wille des Anbietenden nicht mehr sicher ermittelbar, wenn der Angebotsinhalt grundsätzlich differieren kann (VK Arnsberg, B. v. 23.06.2005 - Az.: VK 5/2005).

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107.5.1.2.7 Angebote mit nicht zweifelsfreien Änderungen an den Eintragungen

107.5.1.2.7.1 Allgemeines Zwingend auszuschließen sind auch Angebote, in denen Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen nicht zweifelsfrei sind. Die Regelung soll verhindern, dass sich ein Bieter nach Erhalt des Zuschlags darauf berufen kann, er habe etwas ganz anderes an Leistung oder Preis angeboten. Manipulationen sollen ausgeschlossen werden (OLG München, B. v. 23.06.2009 - Az.: Verg 08/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09). Als Änderungen an den Eintragungen sind nach dem weiten Begriffsverständnis jegliche Korrekturen und/oder Ergänzungen am Angebotsinhalt anzusehen. Dabei ist der gesamte Inhalt des Angebots und seiner Bestandteile in den Blick zu nehmen. Die Vorschrift erfasst damit gerade die bis zur unwiderruflichen Einreichung des Angebots - gewissermaßen von vorneherein - vom Bieter angebrachten inhaltlichen Änderungen, wohingegen nachträgliche Änderungen am Angebotsinhalt unstatthafte Nachverhandlungen sind, die nicht zum Ausschluss des Angebots führen, sondern nach § 24 VOB/A bzw. VOL/A nur bei der Wertung außer Betracht zu bleiben haben (OLG Düsseldorf, B. v. 13.08.2008 - Az.: VII - Verg 42/07). Die Eindeutigkeit einer Abänderung setzt voraus, dass sie den Abändernden unzweifelhaft erkennen lässt sowie den Zeitpunkt der Abänderung deutlich macht. Dies ist bei bloßen Durchstreichungen und der Verwendung von "Blanko-Fluid" (einem „Tipp-Ex“ vergleichbaren Produkt) oder „Blanco-Roller“ ohne namentliche Abzeichnung samt Datumsangabe nicht gegeben. Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen müssen daher zumindest mit einem Signum der ändernden Person und sollten zusätzlich noch mit einer Datumsangabe versehen sein (VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.01.2006 - Az.: VK-SH 31/05). Angebote, die unklare Eintragungen aufweisen, können mit den übrigen Angeboten per se nicht verglichen werden. Sie sind ohne unzulässige Nachverhandlungen ebenso wenig für den Auftraggeber annahmefähig (OLG Düsseldorf, B. v. 13.08.2008 - Az.: VII - Verg 42/07). Zur Ermittlung seines Erklärungsgehalts auf etwaige (insbesondere unklare) Änderungen ist das Angebot nach den für Willenserklärungen maßgebenden Grundsätzen entsprechend den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Der öffentliche Auftraggeber ist zur Auslegung eines Angebots berechtigt und verpflichtet. Maßstab der Auslegung ist, wie ein mit den Umständen vertrauter Dritter in der Lage des öffentlichen Auftraggebers das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Dabei ist der dem Angebot zugrunde liegende wahre Bieterwille zu erforschen (OLG Düsseldorf, B. v. 13.08.2008 - Az.: VII - Verg 42/07).

107.5.1.2.7.2 Angebote unter Verwendung von „Tipp-ex“ Die Rechtsprechung ist insoweit nicht eindeutig.

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Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen müssen zweifelsfrei sein. „Tipp-ex-Eintragungen sind nicht zweifelsfrei, weil bereits bei normalem Gebrauch sich der Korrekturlack ablösen kann und damit der überschriebene (ebenfalls „dokumentenechte“) Einheitspreis zur Wertung kommt. Der mit Korrekturlack überdeckte Einheitspreis ist damit hinsichtlich der Änderung des Antragstellers durch überdecken und Eintrag eines neuen „dokumentenechten“ Einheitspreises nicht mehr zweifelsfrei (VK Südbayern, B. v. 14.12.2004 - Az.: 69-10/04). Nach einer anderen Auffassung sind – allerdings in einem Einzelfall - die mit Tipp-Ex vorgenommenen Änderungen nach den Feststellungen der Vergabekammer zweifelsfrei. Zwar lässt sich durch den aufgetragenen Tipp-Ex-Streifen ein zunächst angegebener Preis "erahnen" . Jedoch ist aus dem Preisblatt eindeutig erkennbar, dass dieser – ursprüngliche – Preis nicht mehr maßgeblich sein sollte, sondern der neue, über den Tipp-Ex-Streifen geschriebene Preis. Dieser ist auch eindeutig lesbar (3. VK Bund, B. v. 29.06.2006 - Az.: VK 3 - 48/06; B. v. 29.06.2006 - Az.: VK 3 - 39/06)

107.5.1.2.7.3 Angebote unter Verwendung von Korrekturband Bei Benutzung von Korrekturband kann sich das Korrekturband selbst bei intensiverer mechanischer Behandlung nicht ablösen lassen, ohne das darunter befindliche Papier (mit den ursprünglichen Eintragungen) mit zu entfernen; bei diesen Fällen greift die unter RZ 5528 dargestellte Begründung nicht. Dennoch besteht auch in diesen Fällen die Forderung der VOB/A und der VOL/A, dass Änderungen an den Eintragungen des Bieters nicht nur als solche sondern auch als vom Bieter stammend erkennbar sein müssen Ist dies nicht der Fall, ist das Angebot unter Manipulations- und Korruptionsgesichtspunkten auszuschließen. Zwar sollen z.B. durch § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 VOL/A auch Missverständnisse oder Mehrdeutigkeiten hinsichtlich des vom Bieter Erklärten vermieden werden, da nicht zweifelsfreie Änderungen ein Angebot mehrdeutig und damit für den Vergleich mit den anderen Angeboten unbrauchbar machen. Es ist im Lichte der Korruptionsprävention jedoch ebenfalls ein anerkennenswertes Bedürfnis des öffentlichen Auftraggebers, dass über die Frage, ob die vorgenommenen Änderungen schon vor Angebotsabgabe oder erst im Nachhinein vorgenommen wurden, kein Streit entsteht. Das Interesse des Auftraggebers an einer Bekämpfung möglicher Korruptions- und Manipulationsmöglichkeiten ist grundsätzlich anerkennenswert (VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.01.2006 - Az.: VK-SH 31/05). Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (B. v. 11.08.2006 - Az.: 1 Verg 1/06) relativiert diese Auffassung. Ist die Person, die die auf dem Korrekturband geschriebenen Zahlen eingetragen hat, mittels der verwendeten Handschrift zu ermitteln, werden dadurch theoretisch denkbare nachträgliche Manipulationen zumindest erschwert. Das Interesse des Auftraggebers, (unter Umständen korruptionsbeeinflusste) nachträgliche Angebotsmanipulationen auszuschließen, ist zwar grundsätzlich anzuerkennen. Der Auftraggeber muss hierfür aber die entsprechenden Vorkehrungen ergreifen (Forderung nach einem Angebotsdoppel, interne Kontrollmechanismen usw.). Soweit dennoch Möglichkeiten rechtswidriger oder (gar) strafbarer Manipulationen theoretisch denkbar bleiben, kann allein der Hinweis auf derartige Möglichkeiten nicht zu Lasten des Bieters gehen. Nach Auffassung des OLG München ist eine Korrektur mittels TippEx-Korrekturroller zweifelsfrei, wenn sich aus der Multiplikation der Mengenzahl mit dem korrigierten

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Einheitspreis der unkorrigierte Gesamtpreis ergibt und eine Manipulation ausgeschlossen ist, weil der Bieter sein Angebot im verschlossenen Umschlag abgegeben hatte, das Angebot von der Vergabestelle gelocht und in Verwahrung genommen wurde. Eine Manipulation könnte höchstens noch durch die Vergabestelle erfolgen, welche daran aber keinerlei Interesse haben dürfte (OLG München, B. v. 23.06.2009 - Az.: Verg 08/09). Ebenso argumentiert die VK Baden-Württemberg. Hat ein Bieter in einer Position des Leistungsverzeichnisses eine Ziffer bei der Fabrikatsangabe durchgestrichen und eine andere Zahl deutlich lesbar darüber geschrieben und wurde bei einer anderen Position der ursprüngliche Preis mit Tipp-Ex-Korrekturband ü berklebt und neue Zahlen leserlich eingetragen und wurden in anderen Positionen Preise durchgestrichen und die korrigierten Zahlen oberhalb der Durchstreichung hingeschrieben, ohne dass zusätzlich vermerkt wurde, von wem die Änderungen zu welchem Zeitpunkt vorgenommen wurden, lässt sich jedoch eindeutig feststellen, dass der Bieter sein Angebot selbst vor Angebotsabgabe korrigiert hat, weil es sich um die gleiche Handschrift unter Verwendung desselben Stiftes handelt, ist das Angebot nicht wegen nicht zweifelsfreier Änderungen an den Eintragungen auszuschließen. Die Regelung der §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 6 VOB/A soll verhindern, dass sich ein Bieter nach Erhalt des Zuschlags darauf berufen kann, er habe etwas anderes an Leistung oder Preis angeboten. Manipulationen sollen ausgeschlossen werden. Hat der Bieter sein Angebot im verschlossenen Umschlag abgegeben und wurde das Angebot von der Vergabestelle gelocht und verwahrt, ist eine Manipulation durch den Bieter daher ausgeschlossen. Ein Ausschlussgrund besteht insoweit nicht, da die Änderungen eindeutig von dem Bieter stammen und zweifelsfrei erkennen lassen, welche Preise angeboten und welche Fabrikate verwendet werden (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.06.2009 - Az.: 1 VK 27/09).

107.5.1.3 Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 3 nicht entsprechen - Änderungen an den Verdingungsunterlagen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b)) Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A sind Änderungen an den Verdingungsunterlagen durch den Bieter unzulässig. Sie haben nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A zur Folge, dass das Angebot, welches nicht der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers entspricht, von der Wertung ausgeschlossen werden muss (OLG Düsseldorf, B. v. 14.10.2009 - Az.: VII-Verg 9/09; B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08; OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08; VK Berlin, B. v. 20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09; 3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; B. v. 03.02.2010 - Az.: VK 3 – 1/10; B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09; VK Niedersachsen, B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009; B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008; VK Nordbayern, B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/09; B. v. 10.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/08; VK Sachsen, B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; VK Südbayern B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07). Dies gilt auch für Vergabeverfahren nach dem Abschnitt 3 der VOB/A (3. VK Bund, B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09).

107.5.1.3.1 Sinn und Zweck der Vorschrift des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A

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§ 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A bzw. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A soll sicherstellen, dass das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; 3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 23.02.2007 - Az.: VgK-06/2007; VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; VK Niedersachsen, B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009; B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; VK Südbayern, B. v. 11.04.2006 - Az.: 08-03/06). Es geht nicht allein darum, dass der Auftraggeber eigenverantwortlich bestimmt, zu welchen Bedingungen er den Vertrag abschließen möchte, sondern auch darum, dass die übrigen Teilnehmer an der Ausschreibung nicht durch eine Änderung der Verdingungsunterlagen durch einen Mitbieter einen Wettbewerbsnachteil erleiden (VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; VK Niedersachsen, B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009; 1. VK Sachsen, B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; VK Südbayern, B. v. 11.04.2006 - Az.: 08-03/06). Der durch die öffentliche Ausschreibung eröffnete Wettbewerb der Bieter kann nur gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden, weil andernfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet (OLG Frankfurt am Main, B. v. 08.02.2005 - Az.: 11 Verg 24/04; VK Baden-Württemberg, B. v. 20.01.2009 - Az.: 1 VK 69/08; 2. VK Brandenburg, B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 6/05; B. v. 10.06.2004 - Az.: VK 21/04; B. v. 20.8.2001 - Az.: 2 VK 80/01; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; 3. VK Bund, B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09; B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; B. v. 21.07.2004 - Az.: VK 3 – 83/04; VK Halle, B. v. 16.1.2001 - AZ: VK Hal 35/00; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007; B. v. 29.05.2007 - Az.: VgK-19/2007; B. v. 23.02.2007 - Az.: VgK-06/2007; B. v. 05.11.2004 - Az.: 203-VgK-48/2004; B. v. 09.07.2004 - Az.: 203-VgK-22/2004; VK Münster, B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05; B. v. 05.10.2005 - Az.: VK 19/05; B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK Niedersachsen, B. v. 27.08.2009 - Az.: VgK-35/2009; B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009; B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008; VK Nordbayern, B. v. 10.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/08; B. v. 08.05.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 17/08; B. v. 15.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 49/07; B. v. 10.01.2008 – Az.: 21.VK – 3194 – 56/07; B. v. 04.04.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 09/06; B. v. 16.02.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 02/05; B. v. 11.02.2005 - Az.: 320.VK-3194-51/04; B. v. 01.02.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 56/04; B. v. 04.11.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 41/04; B. v. 04.08.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 28/04; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; B. v. 31.01.2006 - Az.: 1 VK 05/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07; B. v. 11.01.2007 - Az.: 1/SVK/116-06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06; B. v. 16.09.2005 - Az.: 1/SVK/114-05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; B. v. 28.04.2006 - Az.: VK-SH 05/06; B. v. 13.12.2004 - Az.: VK-SH-33/04; VK Südbayern, B. v. 17.02.2004 - Az.: 03-01/04, B. v. 17.02.2004 - Az.: 67-12/03). Außerdem soll der Auftraggeber davor geschützt werden, den Zuschlag auf ein unbemerkt geändertes Angebot in der möglicherweise irrigen Annahme zu erteilen, dieses sei das wirtschaftlichste (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; BayObLG, B. v. 16.9.2002 - Az.: Verg 19/02; 3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; VK Brandenburg, B. v. 27.03.2008 - Az.: VK 5/08; VK Nordbayern, B. v. 04.08.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 28/04).

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Die Vorschrift soll auch sicherstellen, dass der Auftraggeber von jeder umständlichen Nachprüfung der Verdingungsunterlagen auf Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Text entbunden wird (VK Brandenburg, B. v. 27.03.2008 - Az.: VK 5/08). Ein derartiges Angebot muss auch schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil es wegen der sich nicht deckenden Willenserklärungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nicht zu dem beabsichtigten Vertragsabschluss führen kann (VK Berlin, B. v. 20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09; 1. VK Brandenburg, B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07; B. v. 31.08.2006 - Az.: 1 VK 33/06; 3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; VK Münster, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK Nordbayern, B. v. 08.05.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 17/08; B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07; B. v. 15.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 49/07; B. v. 13.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/07; B. v. 10.01.2008 – Az.: 21.VK – 3194 – 56/07; B. v. 15.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 06/07; B. v. 27.02.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 04/07; B. v. 13.02.2007 – Az.: 21.VK - 3194 - 02/07; B. v. 16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/06; B. v. 04.04.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 09/06; B. v. 16.02.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 02/05; VK Südbayern, B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07; B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06). Hat ein Bieter die Absicht, von den Verdingungsunterlagen abweichende Angebote einzureichen, muss er dies in Form eines Nebenangebotes tun. Änderungen an den Verdingungsunterlagen selbst sind jedoch in jedem Fall, also auch im Falle von Nebenangeboten unzulässig, da sie die Vergleichbarkeit der Angebote gefährden. Gehen die Bieter von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, fehlt es an der Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote (VK Brandenburg, B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 6/05; VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008; B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007; B. v. 29.05.2007 - Az.: VgK-19/2007; B. v. 21.09.2004 - Az.: 203-VgK-42/2004; VK Niedersachsen, B. v. 27.08.2009 - Az.: VgK-35/2009; B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009; B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008). Auch soll durch diese Regelung verhindert werden, dass Bieter bewusst mehrdeutige Änderungen an ihren Eintragungen vornehmen, in der Absicht, die Vergabestelle werde sie schon zu ihrem Gunsten auslegen (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05). Welche Teile der Verdingungsunterlagen geändert oder ergänzt werden, ist dabei unbeachtlich. Denn die Verdingungsunterlagen als Ganzes und in allen ihren Teilen sind Grundlage der Angebote der sich beteiligenden Bieter; diese müssen also - um vergleichbar zu bleiben - von dem gleichen unveränderten Text, wie ihn der Auftraggeber aufgrund der VOB/A bzw. VOL/A erarbeitet und an die Bieter verschickt hat, ausgehen (OLG Düsseldorf, B. v. 28.07.2005 - Az.: VII - Verg 45/05; B. v. 18.07.2005 - Az.: VII - Verg 39/05; OLG Frankfurt, B. v. 21.04.2005 - Az.: 11 Verg 1/05; LG Göttingen, Urteil v. 28.02.2008 - Az.: 8 O 184/06; 1. VK Brandenburg, B. v. 27.03.2008 - Az.: VK 5/08; B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07; B. v. 31.08.2006 - Az.: 1 VK 33/06; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; 3. VK Bund, B. v. 08.02.2008 - Az.: VK 3 - 29/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08; B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; B. v. 06.06.2005 - Az.: VK 3 – 43/05; VK Lüneburg, B. v. 18.12.2003 - Az.: 203-VgK-35/2003; VK Münster, B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; B. v. 31.01.2006 - Az.: 1 VK 05/2005; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; B. v.

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13.12.2004 - Az.: VK-SH-33/04; VK Südbayern, B. v. 03.08.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-32-07/07; B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06). Schon aus Gründen der Gleichbehandlung und Transparenz (§ 97 Abs. 2 und Abs. 1 GWB) ist es dem Auftraggeber im Vergabeverfahren nicht gestattet, Anforderungen in der Leistungsbeschreibung nachträglich fallen zu lassen und damit Bieter, die sich an die Vorgaben gehalten haben, zu benachteiligen (3. VK Bund, B. v. 11.03.2010 - Az.: VK 3 - 18/10).

107.5.1.3.2 Begriff der Änderungen der Verdingungsunterlagen

107.5.1.3.2.1 Allgemeines Der Begriff der Änderung ist weit auszulegen (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; Urteil v. 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot geändert worden sind, ist durch Vergleich des Inhalts des Angebots mit den in den Verdingungsunterlagen geforderten Leistungen festzustellen (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Frankfurt, B. v. 14.10.2008 - Az.: 11 Verg 11/2008; B. v. 25.07.2008 - Az.: 11 Verg 10/08; OLG Naumburg, B. v. 29.01.2009 - Az.: 1 Verg 10/08; VK Brandenburg, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 42/09). Änderungen können in Ergänzungen und Streichungen bestehen; sie können sich aber auch auf den (technischen) Inhalt der Leistungen beziehen. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen liegt daher vor, wenn der Bieter die zu erbringende Leistung abändert und eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08; B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg 1/07; B. v. 12.03.2007 - Az.: VII - Verg 53/06; B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; B. v. 28.07.2005 - Az.: VII - Verg 45/05; B. v. 20.05.2005 - Az.: VII - Verg 19/05; OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; B. v. 21.04.2005 - Az.: 11 Verg 1/05; B. v. 08.02.2005 - Az.: 11 Verg 24/04; OLG Koblenz, B. v. 05.12.2007 - Az.: 1 Verg 7/07; OLG München, B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 10/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 20.01.2009 - Az.: 1 VK 69/08; B. v. 26.07.2005 - Az.: 1 VK 39/05; VK Berlin, B. v. 20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09; VK Brandenburg, B. v. 30.01.2008 - Az.: VK 56/07, VK 58/07; 1. VK Bund, B. v. 27.06.2006 - Az.: VK 1 - 40/06; 3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 3 - 53/08; B. v. 06.06.2005 - Az.: VK 3 – 43/05; VK Lüneburg, B. v. 23.02.2007 - Az.: VgK-06/2007; VK Münster, B. v. 16.01.2008 - Az.: VK 28/07; B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; B. v. 05.04.2006 - Az.: VK 5/06; B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05; B. v. 05.10.2005 - Az.: VK 19/05; B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK Nordbayern, B. v. 10.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 25/08; B. v. 08.05.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 17/08; B. v. 15.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 49/07; B. v. 10.01.2008 – Az.: 21.VK – 3194 – 56/07; B. v. 12.04.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 16/07; B. v. 13.02.2007 – Az.: 21.VK - 3194 - 02/07; B. v. 16.01.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/06; B. v. 09.05.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/06; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; B. v. 31.01.2006 - Az.: 1 VK 05/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08; B. v. 25.06.2008 - Az.: 1/SVK/029-08; B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; B. v.

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05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06; B. v. 07.07.2005 - Az.: 1/SVK/061-05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK-SH 04/09; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08; B. v. 11.04.2006 - Az.: 08-03/06; VK Thüringen, B. v. 07.05.2009 - Az.: 250-4003.20-2304/2009-007-SHK; B. v. 25.09.2006 - Az.: 360-4002.20-017/06-NDH; B. v. 06.07.2006 - Az.: 360-4003.20-010/06-HIG). Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot geändert worden sind, ist im Wege eines Vergleiches des Inhalts des Angebots mit den in den Verdingungsunterlagen geforderten Leistungen festzustellen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08; B. v. 02.05.2007 - Az.: VII - Verg 1/07; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Dies ist dann anders zu beurteilen, wenn der Auftraggeber keine eindeutigen Vergabeunterlagen herausgibt, der Bieter die Widersprüche in der Leistungsbeschreibung (z.B. zwischen Plänen und Textbeschreibung) durch eine Anfrage beim Auftraggeber zu klären versucht und der Auftraggeber diese Anfrage nicht beantwortet (VK Baden-Württemberg, B. v. 26.07.2005 - Az.: 1 VK 39/05). Dieses Verständnis deckt sich mit der Interpretation, die die Verfasser der VOL/A dem Begriff der Änderungsvorschläge und Nebenangebote in den Erläuterungen zu § 17 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A beigelegt haben. Verändert ein Bieter inhaltlich die in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Anforderungen des Auftraggebers, ist sein Angebot ohne Rücksicht darauf, ob der Auftraggeber diesen Mangel selbst erkannt und sanktioniert hat, zwingend von der Wertung auszunehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 28.07.2005 - Az.: VII - Verg 45/05). Auch Abweichungen von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen ändern die Verdingungsunterlagen in unzulässiger Weise (BGH, B. v. 26.09.2006 - Az.: X ZB 14/06; Urteil v. 01.08.2006 - Az.: X ZR 115/04; OLG Naumburg, B. v. 02.07.2009 - Az.: 1 Verg 2/09; 3. VK Bund, B. v. 11.03.2010 - Az.: VK 3 - 18/10; VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; 1. VK Sachsen, B. v. 11.01.2007 - Az.: 1/SVK/116-06; VK Nordbayern, B. v. 24.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 52/07; B. v. 15.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 49/07; B. v. 10.01.2008 – Az.: 21.VK – 3194 – 56/07; B. v. 13.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/07; B. v. 21.08.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 36/07; B. v. 04.04.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 09/06; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; VK Südbayern, B. v. 26.06.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-16-04/08). Die Unterzeichung und physische Rücksendung eines Vertragsentwurfs an den Auftraggeber stellen eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Bieters dar. Der Umstand, dass beides unterbleibt, dokumentiert aus Sicht des Empfängers, dass der Vertragsentwurf und die (geänderten) Vertragsbedingungen von dem Bieter nicht akzeptiert werden sollen und führt zu einer Änderung der Verdingungsunterlagen (OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08). Vgl. zu dem Fall eines nur subjektiven Abweichens von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen und des daraus folgenden Ausschlusses wegen mangelnder Zuverlässigkeit die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 427/1. Änderungen können aber auch in der Person des Anbietenden entstehen, z.B. der Ersetzung einer Bietergemeinschaft durch einen Einzelbieter oder der Änderung der Mitglieder einer Bietergemeinschaft (OLG Düsseldorf, B. v. 24.05.2005 - Az.: VII - Verg 28/05 – für den Fall, dass sich durch das Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern einer Bietergemeinschaft die Identität des Bieters ändert, weil dadurch die Gesellschaft endete und aus der Bietergemeinschaft ein Einzelbieter wurde; vgl auch die Kommentierung RZ

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5542/0,4) oder der Bieteränderung durch Gesellschaftsauflösung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (OLG Düsseldorf, B. v. 25.05.2005 - Az.: VII - Verg 08/05; 3. VK Bund, B. v. 26.07.2005 - Az.: VK 3 – 73/05) oder der Umwandlung durch Verschmelzung (OLG Düsseldorf, B. v. 18.10.2006 – Az.: VII – Verg 30/06, B. v. 11.10.2006 – Az.: VII – Verg 34/06 – jeweils mit sehr ausführlicher Darstellung der Problematik). Keine Änderung in diesem Sinne liegt vor, wenn entweder der Auftraggeber oder die Bietergemeinschaft selbst diese Rechtsprechung missbräuchlich nutzt. Nur so kann dem die Vergabeverfahren beherrschenden Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot mit der nötigen Rechtssicherheit zum Durchbruch verholfen werden, indem sowohl Manipulationsmöglichkeiten des Auftraggebers (Auftraggeber verspricht einem Bietergemeinschaftsmitglied nach der Kündigung derselben einen Auftrag als Subunternehmer des erstplatzierten Bieters und eliminiert so das ebenfalls aussichtsreiche Angebot der Bietergemeinschaft) als auch der Bietergemeinschaft (Bietergemeinschaft will nicht mehr an ihr Angebot gebunden sein und “lässt sich durch ein Mitglied kündigen“) erfolgreich „ein Riegel vorgeschoben“ wird (3. VK Saarland, B. v. 09.03.2007 - Az.: 3 VK 01/2007). Keine Änderung in diesem Sinne liegt ebenfalls bei einer formwechselnden Umwandlung gemäß § 202 Abs. 1 UmwG vor. Denn kennzeichnend für die formwechselnde Umwandlung gemäß § 202 Abs. 1 UmwG ist, dass an ihr nur ein Rechtsträger beteiligt ist, und es weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen kommt noch dass es der Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände bedarf. Die formwechselnde Umwandlung wird durch das Prinzip der Identität des Rechtsträgers, der Kontinuität seines Vermögens (wirtschaftliche Identität) und der Diskontinuität seiner Verfassung bestimmt. Der wesentliche Unterschied des Formenwechsels gegenüber den anderen Arten der Umwandlung liegt in dieser wirtschaftlichen Kontinuität des Rechtsträgers vor und nach dem Formenwechsel. Bleibt die rechtliche Identität des Bieters erhalten, so hat die Vergabestelle in derartigem Fallgestaltungen zu prüfen, ob der Bieter weiterhin leistungsfähig ist. Es hat also kein zwingender Ausschluss des Angebots zu erfolgen, sondern die Vergabestelle hat die Eignung dieses Bieters erneut zu prüfen (VK Münster, B. v. 28.08.2007 - Az.: VK 14/07, VK 15/07). Keine Änderung beinhaltet die reine Umfirmierung eines Bieters unter Beibehaltung der Struktur und der Identität z.B. der Gesellschaft (OLG Düsseldorf, B. v. 12.03.2008 - Az.: VII - Verg 56/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 28.10.2008 - Az.: 1 VK 39/08; VK Brandenburg, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK 59/07; VK Lüneburg, B. v. 08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006). Ändert sich die Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft, ändert sich damit nicht automatisch auch das Angebot (je nach Fallkonstellation umstritten, vgl. auch die Kommentierung RZ 5541). Spätestens seit der Entscheidung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der (Außen)GbR steht fest, dass eine Bietergemeinschaft, die ja eine GbR ist, als Teilnehmerin am Rechtsverkehr selbst Trägerin von Rechten und Pflichten und in diesem Rahmen (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig ist. Mit ihrer Teilnahme am Wettbewerb um die streitgegenständliche Auftragsvergabe stellt sich eine Bietergemeinschaft danach als teilrechtsfähiges Zuordnungsobjekt der vergaberechtlichen (und u. U. künftigen werkvertraglichen) Rechtsbeziehungen mit der Auftraggeberin dar mit der zwangsläufigen Folge, dass ein Wechsel im

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Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (OLG Celle, B. v. 05.09.2007 - Az.: 13 Verg 9/07). Die Besonderheiten des Vergaberechts gebieten es nicht, Bietergemeinschaften in Vergabeverfahren abweichend zu behandeln. Um ein faires und transparentes Vergabeverfahren zu gewährleisten, sind Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist an ihr Angebot gebunden und dürfen dementsprechend ihr Angebot danach nicht mehr ändern. Scheidet ein insolventer Gesellschafter aus der Bietergemeinschaft aus, ändert sich dadurch - wie ausgeführt - die Identität des Bieters nicht. Was sich möglicherweise ändert, sind Umstände, die für die Beurteilung der Eignung des - in seiner Identität unveränderten - Bieters von Bedeutung sind. Könnten solche neuen Umstände eingeführt werden, die sich positiv auf seine Stellung im Wettbewerb auswirken, wären Manipulationen zu befürchten. Hier gilt indessen für Bietergemeinschaften dasselbe wie für andere gesellschaftsrechtlich organisierte Bieter auch: Wird beispielsweise ein unzuverlässiger Gesellschafter, der die Eignung des Bieters in Frage stellen könnte, nachträglich ausgetauscht, so darf die Vergabestelle dies nicht mehr berücksichtigen, um nicht gegen den Grundsatz des fairen Wettbewerbs zu verstoßen. Anders stellt sich die Situation dar, wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die die Eignung des Bieters in Frage stellen. In einem solchen Fall kann und muss die Vergabestelle erneut in die Eignungsprüfung eintreten und ggf. einen ungeeignet gewordenen Bieter nachträglich ausschließen. Dies ist für den Fall eines vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs in § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A sogar ausdrücklich vorgesehen. Die Vergabestelle kann nicht gezwungen sein, sehenden Auges einen ungeeigneten Bieter zu beauftragen. Konkurrierende Bieter können dadurch nie benachteiligt werden, weil es für sie nur vorteilhaft sein kann, wenn ein nachträglich ungeeignet gewordener Konkurrent ausgeschlossen wird. Schließlich würde es auch einen nicht hinnehmbaren Widerspruch bedeuten, dass die Insolvenz eines Einzelbieters lediglich zu einer erneuten Eignungsprüfung Anlass gibt, während die Insolvenz eines Mitgliedes einer Bietergemeinschaft - infolge eines zwingenden Ausscheidens des Gesellschafters aus der Bietergemeinschaft - stets und ohne Rücksicht auf den Einzelfall den zwingenden Ausschluss der Bietergemeinschaft zur Folge hätte. Die Möglichkeit für mittelständische Unternehmen, sich erfolgreich an Ausschreibungen öffentlicher Bauleistungen zu beteiligen (vgl. § 97 Abs. 3 GWB), würde in ungerechtfertigter Weise wesentlich eingeschränkt. Für große und bedeutende Bauprojekte bestünde die Gefahr, dass sich nur noch ganz wenige Großunternehmen mit Aussicht auf Erfolg bewerben könnten. Das Ziel eines möglichst breit angelegten Wettbewerbs würde erheblich erschwert (OLG Celle, B. v. 05.09.2007 - Az.: 13 Verg 9/07). Abzustellen ist bei der Prüfung eventueller Änderungen auf Bieterseite auf den Zeitpunkt der Handelregistereintragung. Der Ausschluss eines Angebots ist eine weitreichende Beeinträchtigung eines Bieters, der nur durch feststehende Tatsachen gerechtfertigt sein kann. Genau daran fehlt es, wenn dieser Bieter weiterhin im Handelsregister eingetragen ist. Zudem handelt es sich bei dem Ausschluss aufgrund gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen um einen zwingenden Ausschlussgrund, der sich bereits aus dem Nachverhandlungsverbot in § 24 VOB/A bzw. VOL/A ergibt. Denn durch die Veränderungen eines wesentlichen Vertragselementes, wie die Benennung der konkreten Vertragsparteien, wird nicht erst die auf der zweiten Stufe zu prüfende Eignung des Bieters in Frage gestellt, sondern das Angebot ist insgesamt formal nicht in Ordnung und kann damit nicht zur Wertung zugelassen werden. Es fehlt an der richtigen Bezeichnung der Vertragspartner. Allerdings muss dieser Formmangel dann auch tatsächlich festgestellt werden können, was anhand des Handelsregisterauszuges möglich ist (VK Münster, B. v. 26.10.2007 - Az.: VK 25/07).

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Vgl. dazu auch die Kommentierung RZ 5585/1. Die Feststellung der Abweichung eines Bieterangebots von den in den Verdingungsunterlagen gemachten Vorgaben setzt voraus, dass der Gegenstand und Inhalt der Leistung eindeutig beschrieben sind und die am Auftrag interessierten Unternehmen daran klar erkennen können, wann jeweils die Grenze zu einer inhaltlichen Änderung der Leistungsanforderungen des Auftraggebers überschritten ist. Unter welchen Voraussetzungen das Angebot die Rechtsfolge eines wegen einer Änderung der Verdingungsunterlagen zwingenden Angebotsausschlusses § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b, § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A trifft, muss für die am Auftrag interessierten Unternehmen aus Gründen der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz des Vergabeverfahrens anhand der Verdingungsunterlagen selbst klar und unmissverständlich zu erkennen sein (OLG Düsseldorf, B. v. 20.05.2005 - Az.: VII - Verg 19/05; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; VK Nordbayern, B. v. 12.05.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 11/09). Ergibt sich aus den Vergabeunterlagen kein Anhalt dafür, dass der Bieter die Leistung nicht entsprechend der Ausschreibung angeboten hat, gehen ansonsten eventuelle Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen zu Lasten der Vergabestelle, können also nicht zum Ausschluss des Angebots des betreffenden Bieters führen (VK Nordbayern, B. v. 12.05.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 11/09). Streitig ist, ob die nachträgliche Korrektur eines Preises oder eines sonstigen Angebotsbestandteils eine Änderung des Angebots im Sinn von § 25 VOB/A darstellt. Selbst wenn dies so gesehen wird, führt dies lediglich dazu, dass das Angebot nicht mit dem korrigierten, sondern mit dem ursprünglichen Angebotspreis zu bewerten ist. Einen Angebotsausschluss kann dieses Verhalten jedoch nicht nach sich ziehen (3. VK Bund, B. v. 19.07.2005 - Az.: VK 3 - 58/05). Auch ein Begleitschreiben gehört zu den Verdingungsunterlagen (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Düsseldorf, B. v. 13.08.2008 - Az.: VII - Verg 42/07; OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08; B. v. 23.11.2006 - Az.: Verg 16/06; VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008; VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07; VK Nordbayern, B. v. 19.03.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/09; B. v. 15.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 – 59/08). Das Begleitschreiben des Bieters ist also regelmäßig Bestandteil seines Angebots. Dies wird besonders deutlich, wenn das Angebot mit dem Begleitschreiben übersandt und auf das Angebot als Anlage Bezug genommen wird. Dann ist das Begleitschreiben dem beigefügten Angebot vom objektiven Empfängerhorizont her zuzuordnen. Dass dies die Vergabestelle auch so versteht, zeigt sich bereits dadurch, wenn das Begleitschreiben zusammen mit den von der Vergabestelle vorgegebenen Angebotsunterlagen bei Angebotseröffnung gelocht und in die formale Prüfung einbezogen wird (VK Nordbayern, B. v. 19.03.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/09). Die Vorschrift des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A soll allgemein verhindern, dass etwaige Änderungen oder Ergänzungen bei der Prüfung der Angebote unbemerkt bleiben und der Zuschlag auf ein solches Angebot in der irrigen Annahme, es sei das Wirtschaftlichste, erteilt wird. Diese Gefahr ist bei Änderungen, die in einem Begleitschreiben enthalten sind, das Anmerkungen enthält, die mit den Intentionen des Auftraggebers möglicherweise nicht übereinstimmen, eher noch größer als in dem Fall, dass sichtbare Änderungen in der Leistungsbeschreibung oder anderen Verdingungsunterlagen vorgenommen werden. Dabei ist auch unerheblich, ob im Einzelfall der „Ergänzungsversuch“ des Bieters deswegen ins Leere geht, weil die Verdingungsunterlagen des Auftraggebers lückenlos sind. Es ist ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse zu verhindern, dass über die Geltung von

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Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht bzw. von vornherein einen solchen Streit dadurch zu unterbinden, dass ergänzende Bedingungen als Abweichung von den Verdingungsunterlagen behandelt werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06; VK Arnsberg, B. v. 04.08.2008 - Az.: VK 15/08; VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07; B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; 1. VK Brandenburg, B. v. 03.04.2007 - Az.: 1 VK 9/07; VK Nordbayern, B. v. 26.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 32/06; 1. VK Sachsen, B. v. 16.09.2005 - Az.: 1/SVK/114-05; VK Brandenburg, B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 6/05). Inhaltlich kann sich das Schreiben auf reine Höflichkeitsfloskeln beschränken, dann ist es rechtlich bedeutungslos. Sofern das Schreiben angebotsrelevante Inhalte wie Angebotspreis, Lieferfristen, oder auch Allgemeine Geschäftsbedingungen umfasst, muss die Vergabestelle diese Erklärungen sei es zugunsten oder zuungunsten des Bieters berücksichtigen. Es ist dann eine Frage der Auslegung des Angebotes, wie die im Begleitschreiben aufgeführten Inhalte sich in den Gesamtkontext des Angebots einfügen (OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08; VK Nordbayern, B. v. 19.03.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/09). Ein Bieter ändert die von der Vergabestelle geforderte Verbindlichkeitserklärung der Angebote bis zum Ende der Zuschlags- und Angebotsbindefrist dadurch ab, dass er Teile seines Angebotes mit „Richtpreisen“, also unverbindlichen Preisen versieht. Darin liegt eine unzulässige Veränderung der Verdingungsunterlagen vor (aus verbindlichen Preisen werden unverbindliche Richtpreise), die zwingend zum Ausschluss führt (VK Thüringen, B. v. 03.03.2006 - Az.: 360-4002.20-004/06-ABG). Auch die Änderung des Standorts eines Krans oder die Änderung von Montagemodalitäten bedeuten eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 07.07.2005 - Az.: 1/SVK/061-05). Auch die Verwendung einer veralteten Version der Vergabeunterlagen ist eine unzulässige Änderung und führt zum zwingenden Angebotsausschluss (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08; 3. VK Bund, B. v. 08.02.2008 - Az.: VK 3 - 29/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08). Voraussetzung ist allerdings, dass dem Bieter der aktualisierte Text der Verdingungsunterlagen übersandt wird und ihm unmissverständlich mitgeteilt wird, dass die geänderten Seiten gegen die vorhandenen Seiten der Verdingungsunterlagen ausgetauscht und mit dem Angebot in aktualisierter Fassung eingereicht werden sollen (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.04.2008 - Az.: 1 VK 12/08). Zur Beweislast in solchen Fällen vgl. die Kommentierung zu § 9 VOB/A RZ 4298/3. Wenn gemäß § 21 Abs. 3 VOL/A die Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen im Angebot zweifelsfrei sein müssen, gilt dies erst recht für das Angebot selbst. Gibt der Bieter durch zweifelhafte Erklärungen Anlass zu der Befürchtung, er wolle von den Verdingungsunterlagen abweichen, so darf er jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass der Auftraggeber ihm durch Aufklärungsersuchen die Gelegenheit einräumt, die Zweifel am Inhalt seines Angebotes auszuräumen. Im Ergebnis ist daher der Ausschluss eines solchen Angebotes nicht zu beanstanden (2. VK Bund, B. v. 06.06.2008 - Az.: VK 2 – 46/08). Keine unzulässigen Änderungen sind in einem Begleitschreiben enthaltene Klarstellungen, Kalkulationsannahmen und Erklärungen des Bieters, die lediglich Hinweise auf die von ihm vorgenommene Preisermittlung geben. Solche Angaben werden nicht Vertragsinhalt,

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sondern bleiben interne Kalkulationsgrundlagen (BGH, Urteil v. 20.01.2009 - Az.: X ZR 113/07). Ein Bieter, der zusätzliche Zahlungsbedingungen des Nachunternehmers unberichtigt übernimmt, macht diese zum Gegenstand seines Angebotes, dies jedenfalls dann, wenn die Nachunternehmerleistungen im Angebot nach den Positionen der Leistungsbeschreibung gesondert aufgegliedert werden. Er ändert damit die Vergabeunterlagen (VK Brandenburg, B. v. 16.12.2009 - Az.: VK 42/09).

107.5.1.3.2.2 Änderungen zugunsten des Auftraggebers (z.B. Verlängerung der Mängelanspruchsfrist) Bietet ein Unternehmen ausdrücklich, sogar unter Hinweis auf die Abweichung von den Ausschreibungsbedingungen, eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist um ein Jahr an, liegt in dieser Verlängerung der Gewährleistungsfrist folglich rein formal betrachtet ein Abweichen von den Vorgaben, welche der Auftraggeber für den Vertragsinhalt gesetzt hat. Diese Abweichung ist unabhängig davon gegeben, ob sie zum Vorteil oder zum Nachteil des Auftraggebers gereicht. In der Verlängerung der Gewährleistungsfrist liegt auch ein Abweichen von den Verdingungsunterlagen im Rechtssinne des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A. Zwar beinhaltet die 5-jährige Frist als Minus die vom Auftraggeber vorgegebene 4-jährige Frist, aber dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die verlängerte Gewährleistungsfrist bei einer rein formalen Betrachtungsweise abweicht von den hier auftraggeberseitig zur Vertragsgrundlage gemachten Vorgaben der VOB/B. Eine rein formale Betrachtungsweise, die unabhängig von der materiellen Bedeutung und unabhängig von der Auswirkung auf das Wertungsergebnis allein auf den Umstand der Diskrepanz mit den Vorgaben des Auftraggebers abstellt, ist aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, da ein vergleichbar strenger Maßstab ebenso beim Ausschlusstatbestand des Fehlens von Erklärungen und Eignungsnachweisen gilt. Auch dort kommt es nach der jüngeren Rechtsprechung nicht darauf an, von welchem substantiellen Gehalt fehlende Erklärungen sind oder ob sie sich in irgendeiner Weise auf das Wettbewerbsergebnis ausgewirkt haben. Die identischen, formalen Maßstäbe sind auch beim Tatbestand des Abweichens von den Verdingungsunterlagen heranzuziehen, da die Heranziehung ungleicher Maßstäbe zu ungleichen Ergebnissen bei vergleichbaren Sachverhalten und damit zu ungerechtfertigter Ungleichbehandlung führen würde, je nachdem, welcher Ausschlusstatbestand zufälligerweise gerade einschlägig ist (3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 2 - 195/09). Die zwingende Rechtsfolge – Angebotsausschluss – erfasst das Angebot insgesamt, nicht z.B. lediglich ein "überschießendes" Gewährleistungsjahr. §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b), 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A beinhalten keine Möglichkeit eines partiellen Angebotsausschlusses (3. VK Bund, B. v. 20.06.2007 - Az.: VK 3 - 55/07).

107.5.1.3.2.3 Nachunternehmererklärungen Eine Erklärung, die ein potentieller Nachunternehmer eines Bieters diesem gegenüber im Zusammenhang mit der Angebotsbearbeitung abgibt, ist keine Erklärung im Vergabeverfahren. Eine solche Erklärung hat zunächst einmal nur Auswirkungen auf die Rechtsbeziehung zwischen dem Nachunternehmer und dem Bieter. Nur soweit sich dieser die Erklärung des Nachunternehmers auch in Bezug z. B. auf eine - unterstellte -

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Einschränkung der Gewährleistung beziehungsweise den Leistungsumfang allgemein zu Eigen und damit zum Teil seines Angebots macht, stellt sich die Frage, ob der Bieter die Verdingungsunterlagen unzulässig geändert hat (VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.03.2008 - Az.: VK-SH 02/08).

107.5.1.3.2.4 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• das Abweichen der Werte des Modulabstands der Kühlmäander und des Betriebsgewichts von den vorgegebenen technischen Parametern der Heiz-/Kühldecke stellen Abänderungen der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses dar. Die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses waren bei diesen Parametern gerade nicht so formuliert, dass etwaige technische Schwankungsspielräume gestattet waren oder etwa nur Mindestanforderungen darstellten (3. VK Bund, B. v. 11.03.2010 - Az.: VK 3 - 18/10)

• ist ein Vordruck von den Bietern nur im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs zu verwenden, nicht aber im Rahmen der Angebotsabgabe und hält sich der Bieter nicht an diese Vorgabe, sondern verwendet den Vordruck auch zur Angebotsabgabe, führt dieser Verstoß bereits zum Ausschluss von der Wertung (3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10)

• bringt ein Bieter auf dem verschlossenen Umschlag der Urkalkulation den Vorbehalt an, der Umschlag dürfe nur in seinem Beisein geöffnet werden und soll der Auftraggeber nach den Bewerbungsbedingungen vorbehaltlos und uneingeschränkt berechtigt sein, den Umschlag zu öffnen und die Urkalkulation einzusehen, schränkt ein solcher Vermerk auf dem Umschlag dieses Recht des Auftraggebers ein, indem die Öffnung unter einen Vorbehalt gestellt wird. Damit verstößt der Bieter mit der nicht statthaften Änderung der Verdingungsunterlagen gegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A. Das Angebot muss ausgeschlossen werden (3. VK Bund, B. v. 03.02.2010 - Az.: VK 3 – 1/10)

• gibt der Auftraggeber bestimmte Formblätter (z.B. als Tabellen) vor und benutzt der Bieter stattdessen eigene Formblätter, bedeutet dies eine Änderung der Vergabeunterlagen; das Angebot ist zwingend auszuschließen (VK Arnsberg, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 32/09)

• ist die angebotene Mittelspannungsanlage mit einem Druckentlastungskanal, aber nicht mit dem geforderten Druckreduktionssystem ausgestattet, entspricht eine solche Mittelspannungsanlage, die einem Störlichtbogen durch einen Druckentlastungskanal begegnet, nicht der Leistungsbeschreibung. Der Antragsgegner hat eine Anlage ausgeschrieben, die auf einen möglichen Störlichtbogen reagiert. Ein Störlichtbogen kann infolge eines ungewollten Spannungsüberschlags bei ungenügendem Abstand oder ungenügender Isolation zwischen zwei elektrischen Potenzialen entstehen. Er gibt Energie an seine Umgebung ab, Leiter- und Isoliermaterialien verdampfen und verbrennen. Dies kann zu einer thermischen und mechanischen Belastung der Anlage führen. Die Aufheizung des Umgebungsgases führt zu einer Druckerhöhung. Diese gilt es, zum Schutz von Personen und zur Minimierung von Schäden zu beherrschen. Hierzu hat der Antragssteller in seinem Leistungsverzeichnis die Varianten Unterdrückung eines Störlichtbogens oder Druckreduktionssystem im Leistungsverzeichnis zur Auswahl gestellt. Die Antragsstellerin hat demgegenüber eine Variante angeboten, die nicht Gegenstand der Ausschreibung gewesen ist. Sie hat dabei die vom Antragsgegner vorgegebenen Varianten zutreffend verstanden, glaubte aber, die

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von ihr angebotene Lösung sei baulich umsetzbar und im Grunde besser geeignet als die ausgeschriebenen Varianten. Die von ihr angebotene Anlage mit Druckentlastungskanal sieht vor, dass die durch Störlichtbögen erzeugten Gase abgekühlt und durch einen Druckentlastungskanal auf kürzestem Weg ins Freie oder einen benachbarten Raum geführt werden. Eine Entlastung ins Freie ist nach Einschätzung des Antragsgegners aber aufgrund der räumlichen und baulichen Situation nicht möglich. Dies hat er im Ausschreibungstext hinreichend deutlich gemacht (VK Berlin, B. v. 20.04.2009 - Az.: VK - B 2 - 10/09)

• die Verwendung eigener Formulare durch den Bieter an Stelle der Formulare des Auftraggebers ohne inhaltliche Änderung stellt keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar (1. VK Sachsen, B. v. 26.06.2009 - Az.: 1/SVK/024-09)

• das Angebot der Beigeladenen ist von der Wertung auszunehmen, weil es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen aufweist (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b, § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A). Unter OZ 3.16 und 3.17 des Leistungsverzeichnisses waren nach näherer Spezifizierung Lieferung, Aufstellung und Anschluss von Drehstrom-Trocken-Transformatoren mit Leitmaterial (Wicklung) aus Kupfer ausgeschrieben. Die Beigeladene hat - u.a. dadurch erklärt sich die Preisdifferenz zum Angebot der Antragstellerin - jedoch Transformatoren mit Aluminium-Leitmaterial angeboten. Zwar hat sich die Beigeladene in Nachverhandlungen bereit gefunden, zum Angebotspreis Transformatoren mit Kupfer-Wicklung zu liefern und einzubauen. Dies ist indes das Ergebnis unstatthafter Nachverhandlungen gewesen (§ 24 Nr. 3 VOB/A). Das Angebot der Beigeladenen ist inhaltlich abgeändert worden, mit der Folge, dass die Änderungen nicht zu berücksichtigen sind. Unzulässig nachverhandelte Angebotsinhalte können - dies verbieten schon die vergaberechtlichen Prinzipien der Gleichbehandlung und der Transparenz - keinesfalls Grundlage des Zuschlags sein (OLG Düsseldorf, B. v. 14.10.2009 - Az.: VII-Verg 9/09)

• die ASt kann bei der Wertung nicht berücksichtigt werden, weil sie kein ausschreibungskonformes Angebot eingereicht hat. Das Angebot bietet abweichend von der Leistungsbeschreibung - Herstellung der Spannbewehrung aus Spanngliedern mit nachträglichem Verbund - den Einbau des Spannstahles im sofortigen Verbund an (VK Nordbayern, B. v. 28.10.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/09)

• eine unmissverständliche, einer Aufklärung nach § 24 VOB/A nicht mehr zugängliche Abweichung von den Verdingungsunterlagen liegt jedoch in dem unter 3.4 aufgenommenen Zahlungsplan und den dort prozentual festgelegten „Zahlungsmeilensteinen“ vor. Die dortigen Zahlungsziele für den Zeitraum nach Auftragsvergabe bis zur endgültigen vertraglichen Abnahme sind zwar in der Praxis der Bauvergabe nicht unüblich. Sie legen jedoch Zahlungsmodalitäten und damit Bedingungen fest, die in den hier vorliegenden Verdingungsunterlagen gerade nicht geregelt wurden (VK Niedersachsen, B. v. 27.08.2009 - Az.: VgK-35/2009)

• dann, wenn die Bieter Streichungen oder inhaltliche Änderungen an den Verdingungsunterlagen vornehmen, sind die betreffenden Angebote wegen einer Änderung an den Verdingungsunterlagen von der Wertung auszuschließen. Die Unterzeichnung und Zurücksendung des unveränderten Vertragenwurfs stellt aber keine (erneute) Änderung der Vertragsbedingungen dar, da ersichtlich der Vertragsentwurf in der Fassung des Schreibens der Antragsgegnerin zu 1 vom 15. Juli 2008 maßgeblich sein sollte. Mit einer Rücksendung des unterschriebenen Vertragsentwurfs - ggf. unter Beifügung des Schreibens der Antragsgegnerin vom 15. Juli 2008 – hätte die Antragstellerin zu erkennen gegeben, dass sie mit dem Vertragsentwurf in der Fassung des Schreibens vom 15. Juli 2008 einverstanden war

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und ein Angebot auf Abschluss des Vertrages unterbreitet. Die Unterzeichung und physische Rücksendung des Vertragsentwurfs stellten eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Bieters dar. Der Umstand, dass beides unterblieb, dokumentiert aus Sicht des Empfängers, dass der Vertragsentwurf und die (geänderten) Vertragsbedingungen von dem Bieter nicht akzeptiert werden sollen und führt zu einer Änderung der Verdingungsunterlagen (OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08)

• im Rahmen eines auf die Montage von Schutzplanken gerichteten Auftrags steht es dem Auftraggeber frei, scharfkantige Pfosten mit I-Profil grundsätzlich nicht zuzulassen und damit ausschließlich abgerundete Pfosten zu verlangen. Das Angebot von scharfkantigen Pfosten bedeutet dann eine Änderung der Verdingungsunterlagen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 22.07.2009 - Az.: VK-SH 06/09)

• fordert der Auftraggeber, dass „zur Ausführung der Umkehrdachabdichtung/Warmdachabdichtung ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis für das Elastomerbitumen (Kautschukbitumen) vorzulegen ist und dass der Aufbau in seinen Eigenschaften als Systemprüfung durch ein unabhängiges Prüfamt nachzuweisen ist, sind von den Bietern mit dem Angebot einzureichen ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis für das angebotene Elastomerbitumen und zusätzlich eine Prüfung des Aufbaus des angebotenen Dachabdichtungssystems durch ein unabhängiges Prüfamt. Bestandteil des angebotenen Dachabdichtungssystems müssen alle Bestandteile sein, die Gegenstand der Systemprüfung waren. Ein Austausch einzelner Komponenten ist nicht zulässig. Bietet z.B. ein Unternehmen für die Elastomerbitumen-Grundierung ein Fabrikat an, welches nicht Bestandteil einer Systemprüfung war, verändert er dadurch faktisch den Willen der Vergabestelle nach entsprechenden Fabrikaten für das Abdichtungssystem, die im Rahmen einer Systemprüfung durch ein unabhängiges Prüfamt geprüft wurden. Durch das Auseinanderfallen des Willens der Vergabestelle und dem Angebotsinhalt erfolgt faktisch, aber auch praktisch, eine unzulässige Veränderung der Verdingungsunterlagen (VK Thüringen, B. v. 05.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2398/2009-002-ABG)

• fordert der Auftraggeber eine von einem zugelassenen Kreditinstitut oder Kreditversicherer abzugebende „Bereitschaftserklärung Sicherheitsleistung“ und legt der Bieter ein Bestätigungsschreiben einer Sparkasse über ein „Termingeld Konto-Nr. 1xxxxx" vor, hat der Bieter die mit der A bgabe des Angebots geforderten Erklärung damit nicht abgegeben (formale Nichterfüllung der geforderten Nachweis- und Erklärungsführung). Die abgegebene Erklärungen und der beigefügte Nachweis genügen auch inhaltlich nicht den Anforderungen, die die Vergabestelle mit ihren Forderungen nach entsprechenden Nachweisen und Erklärungen gestellt hat (materielle Nichterfüllung der geforderten Nachweis- und Erklärungsführung). Das Termingeldkonto mit dem Verwendungszweck „Ausschreibung“ stellt substantiell etwas anderes dar, als das, was die Vergabestelle mit der Ausschreibung gefordert hat. Sie stellt ein „aliud“ dar, das deshalb nicht dazu führt, dass der Biter mit seinem Angebot den Anforderungen genügt hat (VK Thüringen, B. v. 07.05.2009 - Az.: 250-4003.20-2304/2009-007-SHK)

• eine Preisangabe mit Bezugnahme auf die „tariflichen Zulagen NRW“ stellt keine Änderung der Verdingungsunterlagen dar (1. VK Bund, B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 1 - 180/08)

• wenn ein Bieter in dem ihm mit den Verdingungsunterlagen ausgereichten und auszufüllenden Formblatt „Bieterangaben Energieverbrauch / Kosten Haupt-Kälteanlage“, die sog. „feste Vorgabe“, dem in Spalte 23 ausgewiesenen „Faktor /

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Anteil: 0,69“ streicht und dafür eine „1“ einsetzt, ändert er in unzulässiger Weise diese Verdingungsunterlage ab (VK Thüringen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 360-4002.20-772/2008-001-SM)

• für das Verständnis einer Leistungsposition ist nicht darauf abzustellen was die Vergabestelle mit dieser Position ausschreiben wollte, sondern wie die Bieter diese LV-Position verstehen konnten oder verstehen mussten. Ein Bieter erfüllt mit einem Schutzvlies, dessen mittleres Gewicht ca. 600 g/m² beträgt, das über eine Schichtdicke von ca. 5 mm verfügt und auch die Robustheitsklasse 5, ausweislich der dem Angebot beigefügten BAM-Zulassung, hat, die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses, auch wenn eine Schichtdicke von ca. 8 mm im Positionstext gefordert ist. Bei einem Schutzvlies mit einem Flächengewicht ≤1200 g/m² entscheidet allein die BAM-Zulassung darüber, ob die angebotene Schutzvliese die Robustheitsklasse 5 erfüllt und damit geeignet ist, die ihr zukommenden Funktionen bei der Baumaßnahme zu erfüllen. Darüber hinaus trifft die BAM-Zulassung aber auch Aussagen zu den hydraulischen Eigenschaften, der Alterungsbeständigkeit und zu den Schutzschichten von Geokunststoffen und Geotextilien (VK Thüringen, B. v. 10.04.2008 - Az.: 360-4002.20-709/2008-003-ABG)

• weist der Bieter im Begleitschreiben pauschal auf die Geltung der DIN 18365 - Bodenbelagarbeiten hin, wogegen im Leistungsverzeichnis auch die DIN 18202 sowie die DIN für Estricharbeiten und Unfallverhütung genannt sind, hat sich der Bieter zwar durch seinen pauschalen Hinweis an die DIN 18365 - Bodenbelagarbeiten an diese gebunden. Durch die Formulierung ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass er auch die weiteren DIN-Vorschriften, die im Übrigen nicht ins Gewicht fallen, nicht auch anerkennt. Der Bieter selbst erklärte während der mündlichen Verhandlung, dass die Vorschriften der DIN 18202 für ihn verbindlich sind und er daher keine weiteren Nachträge bei der Verklebung stellen wird. Ein Ausschluss auf dieser Grundlage stellt nach Ansicht der Vergabekammer ein übertriebenes Maß an Formalismus dar und ist nicht gerechtfertigt, weil eine Änderung der Verdingungsunterlagen nicht erkennbar ist (VK Südbayern, B. v. 20.03.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-04-02/07)

• bietet ein Unternehmen für Lüfterhauben das Fabrikat „Y; ..." an und weist es zugleich darauf hin, die Lüfterhauben der Fa. Y seien nur als „... F 30“ lieferbar , kann die Vergabestelle die Erklärung nur so verstehen, dass der Bieter abweichend von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses (F 90) die Zulage zur Entlüfterhaube nur mit der Feuerwiderstandsklasse F 30 anbietet (OLG Frankfurt, B. v. 14.10.2008 - Az.: 11 Verg 11/2008; B. v. 25.07.2008 - Az.: 11 Verg 10/08)

• das Angebot der Antragstellerin weicht in den Anforderungen an den Wirkbereich von den Vorgaben im Leistungsverzeichnis ab. Der geforderte Wirkbereich ist ein Leistungsmerkmal, nämlich eine Anforderung an die Leistungsfähigkeit der Schutzplanken. Ausgeschrieben ist eine doppelseitige Schutzeinrichtung mit den Anforderungen H2/W4 und alternativ hierzu für bestimmte Strecken eine doppelt einseitige Schutzeinrichtung mit den Anforderungen H2/W7. Das System der Antragstellerin ist letztlich eine doppelt einseitige Schutzeinrichtung, die aber – nach Angaben der Antragstellerin - wie eine doppelseitige Schutzeinrichtung wirkt. Sieht man das angebotene System der Antragstellerin als doppelt einseitige Schutzeinrichtung an, erreicht das System nicht den Wert W7. Aus dem Angebot der Antragstellerin ergibt sich, dass die Schutzeinrichtung den Wert W 8 aufweist (Verformung Wn 2,70m). Sieht man die angebotene Schutzeinrichtung als doppelseitiges System an, weil sich wegen des geringen Abstandes zwischen den beiden Planken bei einem Anprall beide Planken verbiegen, erreicht das System nicht

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den Wert W4. In beiden Fällen wird also das geforderte Niveau nicht erreicht (OLG München, B. v. 28.07.2008 - Az.: Verg 10/08)

• das Angebot der ASt ist auszuschließen, weil der angebotene GLT-Anlagendaten-Server in der Pos. 01.1 nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht. Im Leistungsverzeichnis war ein GLT-Server mit einem redundanten Speichersystem ausgeschrieben. In der vom Bieter ausgefüllten Produkte-/Typenliste ist das Fabrikat … eingetragen. Als Typ ist die aktuelle Hardware am Tag der Montage angeboten. Dieser Eintrag ist nicht eindeutig. Darüber hinaus beinhaltet das von der ASt vorgelegte und als "Beispiel" gekennzeichnete Datenblatt des GLT-Servers einen Server mit geringerer Leistung. Gemäß der Spezifikation der nachgereichten Datenblätter ist darüber hinaus ein "redundantes Speichersystem" nicht vorhanden und eine Festplatte mit geringerer Speicherkapazität (eine Festplatte mit 80 GB, gefordert 2 Festplatten mit je 500 GB) enthalten (VK Nordbayern, B. v. 08.05.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 17/08)

• das Angebot der ASt ist des Weiteren auszuschließen, weil das in der Pos. 01.3 angebotene Produkt nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht. Die entsprechende LV-Position sieht einen ISDN-Controller mit CAPI 2.0 Treibersoftware (14.4kBit/s) und zusätzlicher Kompressionssoftware für die schnellere digitale Datenübertragung vor. Angeboten wurde ein ISDN-Modem 56 k. Die Datenübertragung erfolgt hier gemäß Datenblatt mit einem modulierten analogen Signal. Die Gleichwertigkeit in der Datenübertragung der beiden Systeme ist nicht gegeben (VK Nordbayern, B. v. 08.05.2008 - Az.: 21.VK - 3194 – 17/08)

• besteht im Gegensatz zur Forderung der Verdingungsunterlagen für die angebotenen Dachbahnen kein Nachweis einer 25-jährigen Gebrauchserwartung durch eine "neutrale Prüfanstalt", hält der Bieter eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht ein. Der beauftragte Privatsachverständige ist, wie die Vergabekammer zutreffend erkannt hat, keine mit einer Prüfanstalt gleichzusetzende Stelle. Mit den als ungeprüft anzusehenden Dachbahnen bietet der Antragsteller etwas anderes an als die Vergabestelle haben will. Darauf, ob die Dachbahn die vorausgesetzte Gebrauchsdauer tatsächlich erfüllt, kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob dem Zertifikat der BBA oder dem vorgelegten Privatgutachten der höhere Beweiswert zukommt (OLG Koblenz, B. v. 03.04.2008 - Az.: 1 Verg 1/08)

• ausweislich der Leistungsbeschreibung waren Tränkeflaschen aus Polysulphon gefordert. Nachdem die Klägerin ihr Angebot abgegeben hatte, ergab sich für die Beklagte Aufklärungsbedarf aufgrund des von einem Konkurrenten erteilten Hinweises. Die Aufklärung des Angebotsinhalts ist nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zulässig. Eine solche Aufklärung hat die Beklagte durch Einholung der Bestätigung vom 19.10.2005 vorgenommen. Aus dieser Bestätigung ergibt sich eindeutig, dass die im Angebot geforderten Tränkeflaschen des Typs FL-700-quadratisch ausschließlich von der Firma ... geliefert werden sollten. Eine Nachfrage bei der ... hat allerdings ergeben, dass diese gar keine Tränkeflaschen aus Polysulphon herstellt. Dass die ... GmbH Getränkeflaschen in allen Materialien herstellt, ist dabei nicht von Belang, da die Bestätigung ausdrücklich jeder der beiden GmbHs bestimmte Flaschentypen zuordnet. Die der ... GmbH zugeordneten Flaschentypen entsprechen aber gerade nicht dem in der Ausschreibung geforderten Typ. Aus der vorgelegten Bestätigung, die als Ergänzung des ursprünglich angegebenen Angebots anzusehen ist, ergibt sich, dass die Klägerin letztlich tatsächlich keine Tränkeflaschen aus Polysulphon angeboten hat. Dabei ist unerheblich, ob dieser Umstand bereits aus dem ursprünglichen Angebot ersichtlich ist oder sich im Rahmen des nach § 24 VOB/A durchgeführten Aufklärungsverfahrens erst aus der weiteren Bestätigung ergibt. Diese ist letztlich Teil des Angebotes (LG Göttingen, Urteil v. 28.02.2008 - Az.: 8 O 184/06)

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• die ASt hat auf Nachfrage der Ag ihr Angebot mit Schreiben vom 23. August 2007 konkretisiert und ist dabei von den Erfordernissen des Leistungsverzeichnisses Position 2.1.10 abgewichen. Gemäß dem von der ASt vorgelegten „Technischen Datenblatt“ betrug die Breite der angebotenen Leuchte 90 mm statt der im Leistungsverzeichnis geforderten höchstens 85 mm. Dass die Maßangabe im technischen Datenblatt auf einem Fehler beruhte, ist insoweit unerheblich. Entscheidend ist, wie ein objektiver und sachverständiger Erklärungsempfänger die Angaben verstehen musste. Danach hat die ASt - nachdem sie ihr Angebot aufgrund des Aufklärungsersuchens der Ag konkretisiert hatte - zweifelsfrei eine Leuchte angeboten, deren Abmessungen von den Erfordernissen des Leistungsverzeichnisses abweichen (1. VK Bund, B. v. 19.11.2007 - Az.: VK 1 - 128/07)

• das Angebot der Antragstellerin ist auszuschließen, weil der angebotene PVC-Boden in der Pos. 1.2.10 nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht, wonach eine Nutzschichtdicke von 1 mm vorgegeben ist (VK Nordbayern, B. v. 10.01.2008 – Az.: 21.VK – 3194 – 56/07)

• das Leistungsverzeichnis forderte in XXX- Nr. 1.501 eine Kühlzellenkombination mit einer Elementstärke von XXX mm sowie Böden mit angeformtem Radius. Als Leitfabrikat wurde XXX, XXX angegeben. Im Begleitschreiben zum Angebot führte die Antragstellerin aus, dass dies nicht standardmäßig von der Fa. XXX angeboten wird. Mit einer Elementstärke von XXX mm werde nur XXX ohne abgerundete Ecken angeboten. Die Antragstellerin hat einen Typ ohne abgerundete Ecken angeboten. Dies stellt eine Änderung an den Verdingungsunterlagen dar. Zwar war das vorgegebene Leitprodukt nicht standardmäßig von der Fa. XXX lieferbar. Die Aussagen in der mündlichen Verhandlung haben jedoch ergeben, dass die Fa. XXX im Verhandlungsverfahren Bereitschaft gezeigt hat, das im XXX geforderte Produkt zu liefern. Selbst wenn das Produkt nicht lieferbar gewesen wäre, so bleibt es dabei, dass die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen geändert hat, da sie mit dem Vortrag, das Produkt sei nicht lieferbar, präkludiert ist (1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07)

• ausweislich der Festlegungen im Leistungsverzeichnis waren Standkühlschränke anzubieten, die entsprechend der beispielhaft herausgegriffenen Position 3.1.8.70 mit einer elektronischen Steuerung samt digitaler Anzeige der Temperatur ausgestattet sein mussten. Gleiches gilt für die u. a. in Position 2.3.4.70 geforderten Unterbaukühlschränke. Da die Antragstellerin entsprechend den Forderungen im Formblatt „Aufstellung der im Leistungsverzeichnis angebotenen Fabrikate“ sowohl die Fabrikats- als auch die jeweilige Typenbezeichnung der Standkühlschränke sowie der Unterbaukühlschränke unter Benennung der einzelnen Leistungspositionen angeben musste und auch angegeben hat, blieb der erkennenden Kammer hier nur die Schlussfolgerung, dass sich das abgeforderte Leistungsprofil mit der angebotenen Leistung nicht deckt. Denn ausweislich des Ergebnisses einer Nachfrage beim Hersteller der benannten Produkte, verfügen diese nicht über die hier geforderten Besonderheiten der elektronischen Steuerung samt digitaler Temperaturanzeige (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.09.2007 - Az: 1 VK LVwA 18/07)

• die strittigen Positionen des Leistungsverzeichnisses haben die Lieferung und Montage von Arbeitstischkombinationen zum Inhalt. Welche Vorgaben die Vergabestelle diesbezüglich gemacht hat, ist anhand des LV sowie der in Bezug genommenen und der in der elektronischen Version beigefügten Detailpläne festzustellen (§ 9 Nr. 7 VOB/A), die Teil der Leistungsbeschreibung sind. Hierbei ist der objektive Erklärungswert unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu ermitteln,

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wobei nicht auf die Sicht eines einzelnen, sondern aller potentiellen Bieter in deren damaliger Situation abzustellen ist. Die Verdingungsunterlagen sind als Ganzes daher so zu verstehen, wie sie von einem fachkundigen und mit einschlägigen Aufträgen vertrauten Bieter aufgefasst werden können. Unter Beachtung der genannten Auslegungsgrundsätze ist die Kammer entgegen der Antragstellerin der Ansicht, dass in den Positionen 42.01.02.001 und 002 des Leistungsverzeichnisses eine Arbeitstischkombination verlangt wird, welche aus einem Arbeitstisch und einem 3-seitig geschlossenen, an der Frontseite offenen Unterbauschrank besteht (VK Südbayern, B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06)

• fügt ein Bieter seinem Angebot ein Begleitschreiben bei, in dem es u. a. heißt "Als Zahlungsziel gelten 14 Tage ohne Abzug nach Rechnungsstellung als vereinbart", gibt er ein nicht der Ausschreibung entsprechendes Angebot ab, wenn in der Leistungsbeschreibung keine Angaben über Zahlungsbedingungen gemacht wurden, und deshalb gemäß § 17 Nr. 1 Satz 3 der Verdingungsverordnung für Leistungen Teil B gilt, dass die Zahlung des Rechnungsbetrages binnen eines Monats nach Eingang der prüfbaren Rechnung zu erfolgen hat. Das Angebot ist auszuschließen (OLG München, B. v. 29.11.2007 - Az.: Verg 13/07); diese Rechtsprechung gilt auch für die VOB

• auch auf mehrfache Nachfragen der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung erklärte der Antragsgegner, dass das angebotene Fabrikat zwar nicht Leistungsverzeichniskonform ist, weil eine Zweifachspülung gefordert war, das System aber tolerierbar ist, da es lediglich ein anderes Verfahren (Dreifachspülung) ist, das aber den gleichen Zweck erfüllt. Aber in der - statt der geforderten Zweifachspülung - von der Beigeladenen angebotenen Dreifachspülung besteht nach Auffassung der Vergabekammer die unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen, die den Ausschluss des Angebots begründet (VK Südbayern, B. v. 11.04.2006 - Az.: 08-03/06)

• ist zwingend eine Drückergarnitur verlangt, welche eine spezielle Ausgleichslagertechnik des Leitfabrikates Y enthält, ist der Leistungsumfang dem Grunde nach festgelegt. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dadurch gestärkt, als alle anderen Bieter hier ebenfalls das Leitfabrikat Y angeboten haben. Die von der Antragstellerin angebotene Drückergarnitur der Firma X kann nicht als gleichwertiges Produkt gegenüber dem im Leistungsverzeichnis angesehen werden. Im LV ist - wie dargelegt - eine Ausgleichslagertechnik des Leitfabrikats FSB gefordert. Das angebotene Produkt X der Antragstellerin weist dieses Leistungsmerkmal nicht auf. Hier werden die auftretenden Kräfte am Türgriff nicht durch Ausgleichslager, sondern, wie von der Antragstellerin selbst dargelegt, durch Kugellager aufgenommen (VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06)

• eine Änderung der Verdingungsunterlagen liegt auch vor, wenn der Bieter die zu erbringende Leistung abändert und eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet, wobei die Änderungen an den Verdingungsunterlagen auch durch die Beifügung von Unterlagen und Begleitschreiben entstehen können, die von den in den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Vorgaben abweichen, z.B. durch Beifügung des Bauzeitenplans, der die Vorgaben der Leistungsbeschreibung abändert (Einplanung für die Erstellung der Brücke von 146 Werktagen, obwohl in der Leistungsbeschreibung die eigentlichen Brückenbauarbeiten in 120 Werktagen ab Erhalt der statischen Unterlagen zu erbringen waren bzw. Zugrundelegung einer 5 Tage Woche, obwohl generell von einer 6 Tage Woche auszugehen war (VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07)

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• auch wenn der Bieter mit der Änderung ohne Mehrkosten eine höherwertige Leistung anbietet, ändert er die Vergabeunterlagen (OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06)

• welche Anforderungen an die Ausführung und die Anzahl der staubdichten Türen gesetzt waren, ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Bieters auszulegen. Zwar könnte man aufgrund des reinen Wortlauts des Schreibens vom 3. Januar die Auffassung vertreten, dass zwar alle Treppenausstiege zu dem abgeschotteten Treppenhaus mit einer staubdichten Tür auszurüsten seien, hingegen die Anzahl der Türen damit nicht vorgeschrieben sei. Das Schreiben steht jedoch im unmittelbaren Zusammenhang mit den Gerüstbau-Positionen 2.1.10 ff. und modifiziert diese. Die Vorgaben können daher sinnvoller Weise nur im Zusammenhang gelesen werden (2. VK Bund, B. v. 03.05.2007 - Az.: VK 2 – 27/07 – instruktives Beispiel)

107.5.1.3.3 Berücksichtigung des Umfangs der Änderungen und der wirtschaftlichen Auswirkungen Es spielt keine Rolle, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale und wichtige oder eher unwesentliche Leistungspositionen betreffen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Abweichungen letztlich irgendeinen Einfluss auf das Wettbewerbsergebnis haben können. Dafür spricht schon der Wortlaut der genannten Vorschriften. Weder § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A noch § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A bzw. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A noch § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A ist eine Beschränkung auf sachlich oder betragsmäßig ins Gewicht fallende Leistungsposition zu entnehmen. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A bzw. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A untersagt jedwede Abänderung der Verdingungsunterlagen und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A ordnet den Angebotsausschluss zwingend für jeden Fall einer unzulässigen Änderung der Verdingungsunterlagen und ohne Rücksicht auf die Bedeutung der betroffenen Leistungspositionen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der vorgenommenen Änderung an. Nur ein solches Verständnis wird auch dem Normenzweck der Vorschriften gerecht, durchsichtige, in den ausgewiesenen Leistungspositionen identische und miteinander ohne weiteres vergleichbare Vertragsangebote zu gewährleisten, um so einen echten fairen Wettbewerb unter den Bietern sicherzustellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 03.07.2007 - Az.: 11 U 54/06; OLG Düsseldorf, B. v. 28.07.2005 - Az.: VII - Verg 45/05; B. v. 15.12.2004 - Az.: VII - Verg 47/04; B. v. 14.3.2001 - Az.: Verg 32/00; VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006; B. v. 31.01.2006 - Az.: 1 VK 05/2005; 2. VK Bund, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 2 - 195/09; 3. VK Bund, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 3 - 53/08; B. v. 06.06.2005 - Az.: VK 3 – 43/05; VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07; B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 6/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH 05/05; B. v. 13.12.2004 - Az.: VK-SH-33/04; VK Brandenburg, B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 6/05; B. v. 10.06.2004 - Az.: VK 21/04; B. v. 18.6.2003 - Az.: VK 31/03, B. v. 31.1.2003 - Az.: VK 37/02, VK 39/02, VK 41/02; VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06; B. v. 10.05.2005 - Az.: 14-03/05; B. v. 3.4.2003 - Az.: 10-03/03, B. v. 25.3.2002 - Az.: 05-02/02, B. v. 20.6.2001 - Az.: 15-05/011; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; B. v. 27.06.2006 - Az.: VK 1 - 40/06; B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02; VK Nordbayern, B. v. 15.01.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 49/07; B. v. 13.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/07; B. v. 29.5.2001 - Az.: 320.VK-3194- 08/01).

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Einem Angebotsausschluss steht auch nicht entgegen, wenn eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nur minimal überschritten wird. Ein Rechtsmissbrauch kann darin keinesfalls gesehen werden, eher würde gegen den Gleichbehandlungsrundsatz verstoßen, wenn nur hinsichtlich eines Bieters von der vorgegebenen Norm abgewichen werden würde. Es steht im übrigen im Ermessen des Auftraggebers, welche Anforderungen er an die ausgeschriebene Leistung stellen will. Will er die Einhaltung bestimmter Vorgaben, dann haben sich die Bieter bei der Erstellung der Angebote danach zu richten, wenn ihr Angebot in die Wertung gelangen soll (OLG München, B. v. 02.03.2009 - Az.: Verg 01/09).

107.5.1.3.4 Auslegung entsprechender Erklärungen Die Erklärung eines Bieters zu seinem Angebot, die gegebenenfalls eine Änderung bedeutet, ist so auszulegen, wie sie von einem verständigen Empfänger in der Lage des Auftraggebers objektiv aufzufassen war, es kommt also nicht darauf an, wie der Auftraggeber sie im vorliegenden Einzelfall tatsächlich verstanden hat (1. VK Sachsen, B. v. 13.2.2002 - Az.: 1/SVK/002-02). Vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 21 VOB/A RZ 5003.

107.5.1.3.5 Begriff der Verdingungsunterlagen Die Verdingungsunterlagen sind definiert in § 10 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) VOB/A. Ob ein Begleitschreiben zu den Verdingungsunterlagen gehört, ist in der Rechtsprechung streitig. Nach einer Auffassung gehört das Anschreiben gehört nicht zu den Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 7.5.2002 - Az.: 1/SVK/035-02, B. v. 4.6.2002 - Az.: 1/SVK/049-02). Nach einer anderen Meinung stellt ein Angebot insgesamt mit allen eingereichten Bestandteilen, zu denen auch das mit eigenem Briefkopf versehene und unterzeichnete Begleitschreiben gehört, die rechtsgeschäftliche Erklärung des Anbieters dar, zu den dort genannten Bedingungen zur Übernahme des ausgeschriebenen Auftrags bis zum Ablauf der Bindefrist bereit zu sein. Für den Inhalt dieser empfangsbedürftigen rechtsgeschäftlichen Willenserklärung, deren Auslegung sich an § 133 BGB zu orientieren hat, ist es nicht entscheidend, an welcher Stelle jeweils welches Detail des Angebots schriftlich oder bildlich dargestellt ist (VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07; VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07). Sowohl das Begleitschreiben als auch der Angebotstext werden zeitgleich eingereicht und stehen miteinander in einem engen Zusammenhang. Beide Unterlagen werden nach Öffnung gekennzeichnet und werden somit wesentlicher Teil des Angebotes. Wenn ein Bieter seinem Angebot selbst verfasste rechtsverbindliche Erklärungen, beispielsweise in einem Begleitschreiben beifügt, dann sollen diese in der Regel auch Inhalt des Angebotes sein. Einen anderen Sinn können diese Erklärungen jedenfalls aus der Sicht eines Bieters nicht haben. So werden in Begleitschreiben häufig Preisnachlässe oder andere Vorteile von den Bietern genannt. Solche Angaben sollen und können rechtserhebliche Auswirkungen haben. Auch die Beifügung eigener Geschäftsbedingungen durch den Bieter, zum Beispiel auf der Rückseite des Angebotsschreibens, ist als eine rechtsverbindliche Erklärung einzustufen, die – obwohl nur im Anschreiben- dennoch im Kontext mit dem Angebot steht und regelmäßig zum Ausschluss des Angebotes führt. Soweit sich rechtserhebliche Erklärungen in dem Anschreiben zum Angebot befinden, mit denen der

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Bieter Vorteile einräumt, steht es völlig außer Frage, dass auch diese Erklärungen Inhalt des Angebotes werden. Wird der Zuschlag auf ein solches Angebot erteilt, so kann der Bieter nicht anschließend das Anschreiben als nicht rechtsverbindlich, da nicht Inhalt des Angebots, darstellen. Gleiches gilt aber auch für den umgekehrten Fall (VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07). Vgl. dazu auch die Kommentierung zu § 10 VOB/A RZ 4309.

107.5.1.3.6 Nebenangebot als Änderung? Da es zum Wesen eines Nebenangebotes gehört, von den Vorgaben der Leistungsbeschreibung zumindest teilweise abzuweichen (Thüringer OLG, B. v. 19.03.2004 - Az.: 6 U 1000/03; B. v. 18.03.2004 - Az.: 6 Verg 1/04) und die VOB/A von der grundsätzlichen Möglichkeit der Abgabe und Wertung von Nebenangeboten ausgeht (vgl. etwa § 25 Nr. 5 Satz 1 VOB/A), können § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A nicht für Nebenangebote gelten (1. VK Bund, B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02).

107.5.1.3.7 Änderung durch Beifügen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Bieter Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. Eine Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Angebot scheitert nicht daran, dass in dem Angebotsschreiben EVM (B) Ang EG 213 EG unter der Formulierung „Mein Angebot umfasst“ die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bieters nicht eingetragen sind, wenn keine entsprechende Einschränkung enthalten ist. Aus der maßgeblichen Sicht einer verständigen Vergabestelle kann die Erklärung in dem Formblatt nicht so verstanden werden, dass der Bieter sein Angebot nur auf die dort benannten Unterlagen beschränkt und weitere beigefügte Unterlagen nicht Bestandteil des Angebots sein sollen. Die Vergabestelle muss davon ausgehen, dass ein Bieter sein Angebot sorgfältig erstellt und die von ihm beigefügten Erklärungen und Unterlagen in das Angebot einbezogen wissen will. Die Vergabestelle kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellen, dass der Bieter eine Erklärung irrtümlich abgegeben hat oder nur versehentlich dem Angebot Unterlagen beigefügt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Beifügung von Unterlagen offensichtlich und für Dritte ohne weiteres erkennbar nur ein Versehen darstellen kann oder ein gefestigter Rechtssatz besteht, dass die vorgelegten Erklärungen die Einbeziehung der Unterlagen des Bieters ausschließen (OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08; VK Nordbayern, B. v. 19.03.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/09). Ein Rechtssatz, dass auf der Rückseite eines Schreibens abgedruckte Allgemeine Geschäftsbedingungen ohne weiteren Hinweis nicht in ein Angebot bzw. ein Vertragswerk einbezogen werden können besteht nicht. Die Obliegenheit eines ausdrücklichen Hinweises gilt nach § 310 Abs 1 BGB nicht gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Daran hat sich auch durch die Fassung des § 310 Abs. 1 BGB zum 01.01.2009 nichts geändert. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt unverändert. Auch gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts muss aber der Wille des Verwenders, bestimmte AGB zum Vertragsbestandteil werden zu lassen, in irgendeiner Weise

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schlüssig zum Ausdruck kommen. Ob der Abdruck Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf der Rückseite eines Schreibens ohne weiteren Hinweis der Empfänger hierfür ausreicht, ist strittig. Die Verkehrssitte und oder der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet kein Verständnis des Empfängers, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen im behördlichen oder kaufmännischen Verkehr bei Abdruck auf der Rückseite eines Schreibens nicht Bestandteil des Angebots sein können. Vielmehr hatte die Vergabestelle davon auszugehen, dass die Antragstellerin alle das Angebot betreffenden Erklärungen berücksichtigt wissen will (OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08; VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008; VK Nordbayern, B. v. 19.03.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/09). Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nachträgliche Erklärungen der Parteien bei der Auslegung berücksichtigt werden. Es ist jedoch stets zu prüfen, ob die nachträgliche Erklärung tatsächlich einen zuverlässigen Rückschluss auf den Inhalt des Angebots erlauben. Nachträgliche Äußerungen können nur insoweit berücksichtigt werden, insoweit sie einen Rückschluss auf das maßgebliche Verständnis des Angebots zulassen. Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont. Die nachträglichen Erklärungen müssen daher nicht nur einen Rückschluss auf den wahren Willen des Erklärenden zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe, sondern auch auf das Verständnis des Empfängers des Angebots zu dem Zeitpunkt des Zugangs des Angebots zulassen. Die Auslegung, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowohl nach dem Willen des Erklärenden als auch nach dem Willen der Vergabestelle von vorneherein keine Anwendungen finden sollten, müssen objektiv nachvollziehbar sein (OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08). Hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen wirksam einbezogener Allgemeiner Geschäftsbedingungen schaden nach einer Auffassung Allgemeine Geschäftsbedingungen für Leistungen eines Bieters auf der Rückseite des Anschreibens zum Angebot nicht. Ein solches Anschreiben enthält keine Bestandteile/Informationen, die auf das Angebot wirken. Es ist nach Aufmachung und Inhalt ein reines Übersendungsschreiben. Das Angebot selbst ist das von dem Bieter zum Eröffnungstermin abgegebene Einheitliche Verdingungsmuster - EVM (B) Ang 213 mit den darin aufgeführten und beigefügten Anlagen. Unter Nr. 1.6 dieses EVM's hätte der Bieter die Möglichkeit gehabt, eigene Geschäftsbedingungen mit zum Vertragsbestandteil zu erklären, hiervon ist jedoch kein Gebrauch gemacht worden. Aus diesen Gründen sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Bauverträge, die auf der Rückseite des Übersendungsschreibens abgedruckt sind, nicht als Änderung an den Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A bzw. der VOL/A zu betrachten (VK Brandenburg, B. v. 16.12.2004 - Az.: VK 70/04; VK Hannover, B. v. 6.9.2002 - Az.: 26045 - VgK - 11/2002). Im Gegensatz dazu führt nach anderer Meinung die Einbeziehung eigener Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch einen Bewerber als unzulässige Ergänzung der Verdingungsunterlagen grundsätzlich zum Ausschluss des Angebots. Es kann offen bleiben, ob dieser Rechtssatz auch dann gilt, wenn die Verdingungsunterlagen keine Ausschließlichkeit erkennen lassen; ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, wann ein solches Schweigen als Einverständnis der Vergabestelle mit Auftragnehmerbedingungen zu werten ist. Jedenfalls dort, wo die Vergabestelle Ergänzungen ausdrücklich mit dem Ausschluss des Angebots sanktioniert, ist für zusätzliche Vertragsbedingungen des Auftragnehmers kein Raum, so dass ein mit solchen Bedingungen ausgestattetes Angebot die Verdingungsunterlagen ändert. Dabei ist auch unerheblich, ob im Einzelfall der "Ergänzungsversuch" des Bieters deswegen ins Leere geht, weil die Verdingungsunterlagen

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des Auftraggebers lückenlos sind. Es ist ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse, zu verhindern, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht bzw. von vornherein einen solchen Streit dadurch zu unterbinden, dass ergänzende Bedingungen als Abweichung von den Verdingungsunterlagen behandelt werden (OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08; Thüringer OLG, B. v. 17.3.2003 - Az.: 6 Verg 2/03; 1. VK Brandenburg, B. v. 03.04.2007 - Az.: 1 VK 9/07; 3. VK Bund, B. v. 18.09.2008 – Az.: VK 3 – 122/08; B. v. 18.09.2008 - Az.: VK 3 – 119/08; B. v. 21.07.2004 - Az.: VK 3 – 83/04; VK Hessen, B. v. 20.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 61/2004; VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008; VK Nordbayern, B. v. 19.03.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 08/09; B. v. 12.04.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 16/07; B. v. 27.02.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 04/07; VK Saarland, B. v. 01.03.2005 - Az.: 1 VK 01/2005; VK Sachsen, B. v. 16.11.2006 - Az.: 1/SVK/097-06; B. v. 14.1.2004 - Az.: 1/SVK/153-03; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; B. v. 07.03.2005 - Az.: VK-SH 03/05; VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF). Auch nach Meinung der VK Magdeburg ist ein Angebot bereits deshalb nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe b) i. V m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A bzw. VOL/A vom Vergabeverfahren auszuschließen, weil die Verdingungsunterlagen abgeändert wurden. Der Bieter hat seinem Angebot eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen beigelegt. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die seitens der Vergabestelle den Verdingungsunterlagen beigelegten Besonderen Vertragsbedingungen - EVM (B) BVB, die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen - EVM (B) ZVB/E, die in der Leistungsbeschreibung angegebenen Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen, die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) sowie die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C), die Vertragsbestandteil werden sollen, nicht anerkannt. Die vom Bieter beigelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen weichen in mehrfacher Hinsicht wesentlich von den Vertragsbedingungen der Vergabestelle ab (VK Magdeburg, B. v. 16.10.2002 - Az.: 33-32571/07 VK MD 11/02; ähnlich VK Arnsberg, B. v. 20.11.2001 - Az.: VK 2-14/2001). Nach Auffassung der VK Nordbayern ist dann, wenn ein Bieter sein Angebot auf seinem Briefpapier abgibt, auf dem die eigenen Zahlungsbedingungen vorgedruckt sind, und diese eigenen Zahlungsbedingungen den Vorgaben der Vergabestelle widersprechen, das Angebot wegen unzulässiger Änderungen an den Verdingungsunterlagen auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 27.02.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 04/07; B. v. 21.07.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 24/04). Hat ein Bieter auf jeder Seite der von ihm mit einem EDV-Ausdruck selbst gefertigten Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses "Zahlbar innerhalb 8 Tagen ohne Abzug" angegeben, ist diese Zahlungsfrist Wille des Bieters zur Angebotsabgabe und Inhalt des Angebots. Ein verständiger Empfänger muss diese eindeutige Formulierung jedenfalls so verstehen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass diese Zahlungsfrist auf dem EDV-Papier vorgedruckt ist. Eine Erklärung ist immer so zu verstehen wie sie formuliert ist (VK Nordbayern, B. v. 21.9.2001 - Az.: 320.VK-3194-32/01). Die eigenen Verkaufs- und Lieferbedingungen verlieren auch nicht ihre Gültigkeit, wenn der Bieter in der Bietererklärung durch rechtsverbindliche Unterschrift die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für Lieferungen und Leistungen der Vergabestelle anerkennt. Dadurch wird zumindest unklar, welche Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Ausführung der Lieferleistungen gelten sollen. Der Auftraggeber ist jedoch verpflichtet eine eingehende, vergleichende Wertung durchzuführen. Dies ist nur mit klaren, in sich unwidersprüchlichen Angeboten möglich (VK Nordbayern, B. v. 26.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 32/06; B. v. 21.07.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 24/04).

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Eine Änderung an den Verdingungsunterlagen ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Vertragsbedingungen des Auftraggebers in der Regel eine AGB-rechtliche Abwehrklausel enthalten. Im Zweifel enthalten auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers solche Abwehrklauseln, so dass dies nach der Rechtsprechung zur Folge hat, dass bei zwei widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine dieser Vertragsbedingungen gilt. Es liegt dann ein Dissens vor, der dazu führt, dass die vom Auftraggeber gewollte Vertragsbedingung gerade nicht zum Vertragsbestandteil wird, wenn es zur Zuschlagserteilung kommt (VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008; B. v. 20.08.2004 - Az.: 203-VgK-41/2004; VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF). Fügt der Bieter entgegen den ausdrücklichen Vergabeunterlagen eigene allgemeine Geschäftsbedingungen bei, ist das Angebot zwingend auszuschließen (VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF; B. v. 14.04.2005 - Az.: 360-4003.20-017/05-G-S; B. v. 22.07.2004 - Az.: 360-4003.20-047/04-EF-S). Der Auffassung, dass allein das Beifügen von allgemeinen Geschäftsbedingungen eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen beinhaltet, ist zuzustimmen. Neben den bereits genannten Argumenten ist aus Sicht des Auftraggebers hervorzuheben, dass es eine unzumutbare Überforderung des oftmals nicht juristisch ausgebildeten bzw. unterstützten Auftraggebers bedeutet, solche unklaren Angebote rechtlich zu bewerten; außerdem bringen diese unklaren Angebote immer Verzögerungen der Auftragsvergabe mit sich, die mit dem Ziel der schnellen und reibungslosen Umsetzung von Investitionsvorhaben – einem neben dem Bieterschutz wesentlichen Hauptanliegen des Vergaberechts – nicht vereinbar sind (OLG München, B. v. 21.02.2008 - Az.: Verg 01/08; VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008). Wenn aber die Beifügung eigener Geschäftsbedingungen eine Änderung der Verdingungsunterlagen darstellt, kann überhaupt gar kein Zweifel daran bestehen, dass auch die ausdrückliche Weigerung, die Geschäftsbedingungen des Auftraggebers sowie die Mindestbedingungen der Leistungsbeschreibung anzuerkennen, die Folge eines zwingenden Angebotsausschlusses verwirklicht (VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06). Die 2. VK Bund hingegen verpflichtet den Auftraggeber, zu prüfen, ob die beigefügten AGB überhaupt rechtlich wirksamer Bestandteil des Angebots geworden sind. Grundsätzlich gilt, dass AGB des Verwenders nur dann in das Angebot einbezogen werden, wenn der Verwender ausdrücklich darauf hinweist, dass der Vertrag unter Zugrundelegung seiner AGB abgeschlossen werden soll (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Nicht ausreichend ist beispielsweise der bloße Abdruck der AGB auf der Rückseite des Vertrages oder in einem Katalog (2. VK Bund, B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 2 - 11/06).

107.5.1.3.8 Änderung durch Abweichung von den Kalkulationsgrundlagen Gibt der öffentliche Auftraggeber Vorgaben für die Kalkulation der Bieter (z. B. eine bestimmte Räumleistung pro Tag bei einem mit Altmunition verseuchten Gelände), ist der Bieter an diese Vorgaben gebunden. Auch wenn der Bieter der Auffassung ist, dass die vom Auftraggeber genannten Vorgaben nicht sachgemäß sind und nur der Bieter selbst die durchschnittliche Räumleistung bestimmen könne, so darf er diese zwingenden Vorgaben -

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selbst wenn seine Einschätzung in der Sache zutreffend sein sollte - nicht eigenmächtig im Rahmen seines Hauptangebotes verändern. Denn würde man einzelnen Bietern eine eigenmächtige Abänderung zubilligen, würden die Bieter benachteiligt, die sich an die Vorgaben halten. Der Bieter hat lediglich die Möglichkeit, im Rahmen der Angebotserstellung auf die Fehlerhaftigkeit der zwingend einzuhaltenden Vorgaben hinzuweisen. Die Vergabestelle kann dann auf diese Vorschläge reagieren und die gegebenenfalls daraufhin vorgenommenen Änderungen an der Leistungsbeschreibung allen Bietern gleichermaßen zugänglich machen (2. VK Bund, B. v. 14.10.2003 - Az.: VK 2 - 90/03, B. v. 14.10.2003 - Az.: VK 2 - 96/03; 3. VK Bund, B. v. 03.05.2005 - Az.: VK 3 – 19/05; B. v. 5.4.2004 - Az.: VK 3 - 38/04). Fordert eine Leistungsbeschreibung für jede der betreffenden Leistungspositionen die Einhaltung einer technischen Vorgabe (z. B. eines Schallleistungspegels von 80 dB), sind die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses folglich schon dann nicht erfüllt, wenn bei bloß einer Position der zugelassene Maximalwert überschritten wird . An die Überschreitung dieses vorgegebenen Höchstwertes knüpft sich - und zwar ohne Rücksicht, in welchem Umfang der Maximalwert nicht eingehalten wird - zwingend der Ausschluss des Angebots (OLG Düsseldorf, B. v. 8.5.2002 - Az.: Verg 4/02). Gibt der Auftraggeber zwingend bestimmte Zeitfenster vor, in denen die Leistung erbracht werden muss, und weicht ein Bieter hiervon ab, ist das Angebot auszuschließen (OLG Naumburg, B. v. 6.4.2004 - Az.: 1 Verg 3/04; 1. VK Bund, B. v. 21.4.2004 - Az.: VK 1 - 45/04). Hat der Auftraggeber unstreitig Mengenänderungen vorgenommen und diese den Bietern mitgeteilt, kalkuliert jedoch ein Bieter noch mit den alten Mengenangaben, liegt eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen vor (2. VK Bund, B. v. 28.07.2006 - Az.: VK 2 - 50/06).

107.5.1.3.9 Änderung durch die Preisangabe "in Pos …. enthalten" Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Nach einer Meinung stellt die Preisangabe "in Pos. … enthalten" keine Änderung der Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 b in Verbindung mit 21 Nr. 3 VOB/A dar. Dies folgt daraus, dass Verdingungsunterlagen gem. § 10 Nr. 1 bis Nr. 4 VOB/A ausschließlich vom Auftraggeber hergestellt werden. Aus ihnen fertigt der Bieter durch seine Angaben gem. § 21 Nr. 1 VOB/A sein Angebot. Die Eintragung "In Pos. … enthalten" in der Spalte "Preis" kann daher schon begrifflich keine Änderung der Verdingungsunterlagen sein (1. VK Sachsen, B. v. 24.7.2002 - Az.: 1/SVK/ 063-02). Nach einer anderen Auffassung ist durch die Vermengung von Leistungspositionen, die entgegen den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses vorgenommen wurde (Einrechnung von Positionen in andere Positionen), die Vergleichbarkeit der Angebote in den Einheitspreisen nicht mehr möglich. Der Bieter hat dadurch die Verdingungsunterlagen in unzulässiger Weise geändert (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 11.4.2003 - Az.: VK 4/03; VK Südbayern, B. v. 15.6.2001 - Az.: 18-05/01). Nur in Ausnahmefällen kann durch Hinweis auf Sammelpositionen abgewichen werden und zwar allenfalls dann, wenn es sich um geringfügige Verstöße handelt, die keinerlei Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition des Bieters haben und keine

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Beeinträchtigung der Vergleichbarkeit der Angebote nach sich ziehen (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 11.4.2003 - Az.: VK 4/03).

107.5.1.3.10 Änderungen durch nicht verlangte Preisangaben Macht ein Bieter durch das Einsetzen der Kalkulationsposten in den Unterbeschreibungen des Leistungsverzeichnisses mehr, als von ihm verlangt ist, wird dadurch sein Angebot aber weder im Sinne des § 21 Nr. 1 VOB/A geändert, noch hat er Änderungen vorgenommen. Das Angebot ist auch in sich nicht missverständlich, wenn der geforderte Preis ohne weiteres aus den Einzelpositionen zu errechnen ist (BGH, Urteil vom 6.2.2002 - Az.: X ZR 185/99).

107.5.1.3.11 Änderungen durch nicht angebotene Teile der ausgeschriebenen Leistung Bietet ein Unternehmen wesentliche Teile der ausgeschriebenen Leistung nicht an, hat er damit die Vorgaben der Leistungsbeschreibung nicht anerkannt. Auch dies stellt eine Veränderung der Verdingungsunterlagen dar. Damit ist auch insoweit ein Vergleich mit den Angeboten anderer Bieter ausgeschlossen (VK Thüringen, B. v. 06.07.2006 - Az.: 360-4003.20-010/06-HIG; VK Magdeburg, B. v. 23.8.2001 - Az.: 33-32571/07 VK 16/01 MD). Dies ist dann anders zu beurteilen, wenn der Auftraggeber keine eindeutigen Vergabeunterlagen herausgibt, der Bieter die Widersprüche in der Leistungsbeschreibung (z.B. zwischen Plänen und Textbeschreibung) durch eine Anfrage beim Auftraggeber zu klären versucht und der Auftraggeber diese Anfrage nicht beantwortet (VK Baden-Württemberg, B. v. 26.07.2005 - Az.: 1 VK 39/05).

107.5.1.3.12 Änderungen durch Nichtabgabe von verlangten Erklärungen Gibt ein Bieter mit seinem Angebot eine vom Auftraggeber geforderte Erklärung (z. B. "Ausschreibungsanerkennung") nicht ab, obwohl diese Erklärung Bestandteil der Verdingungsunterlagen ist und hat der Bieter dahingehend, ob diese Erklärung überhaupt verlangt werden durfte, keine Rügen erhoben, hat der Bieter dadurch die Verdingungsunterlagen unzulässig geändert (VK Südbayern, B. v. 10.11.2003 - Az.: 49-10/03). Dies gilt auch, wenn der Bieter eine geforderte Erklärung der gesamtschuldnerischen Haftung nicht abgibt (OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; OLG Naumburg, B. v. 31.3.2004 - Az.: 1 Verg 1/04).

107.5.1.3.13 Änderungen durch Streichungen im Leistungsverzeichnis Nimmt ein Bieter mehrfach Streichungen an dem vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsverzeichnis vor und sind diese von erheblichem Gewicht, liegt darin eine Änderung der Verdingungsunterlagen. Auch aufgrund dieser Änderung ist ein Vergleich mit allen anderen Angeboten, in denen die Vorgaben der Verdingungsunterlagen eingehalten werden, nicht möglich (VK Magdeburg, B. v. 23.8.2001 - Az.: 33-32571/07 VK 16/01 MD).

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107.5.1.3.14 Änderungen durch Nichtzurücksendung des Leistungsverzeichnisses Mangelt es den Angebotsunterlagen an der beizufügenden Leistungsbeschreibung, liegt hierin eine unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen, welche die Vergleichbarkeit der Angebote gefährdet. Kennzeichnend für den Inhalt einer Leistungsbeschreibung sind individuell aufgestellte Regelungen zur Bauausführung, zur Verwendung und zum Einbau von Materialien und Stoffen, die sich in einer solchen Ausführlichkeit nicht im Leistungsverzeichnis wiederfinden. Die Leistungsbeschreibung ist daher unverzichtbarer Erklärungsinhalt jeden Angebotes (1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 17.04.2007 - Az.: 1 VK LVwA 04/07).

107.5.1.3.15 Änderungen durch Angaben zum Ausführungstermin Macht ein Bieter die Leistungszeit von der Verhandlung und Klärung aller technischen Einzelheiten abhängig, hält sich der Bieter in seiner Eigenschaft als potentieller Auftragnehmer objektiv einen Punkt des Vertrags, über den nach der Erklärung des Auftraggebers eine Vereinbarung getroffen werden soll, zunächst offen (§ 154 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dass in dem Anschreiben der Vergabestelle nach § 10 Nr. 5 VOB/A die Frist für die Ausführung dagegen nur mit "voraussichtlich" umschrieben ist, ist unerheblich, weil das Anschreiben nicht zu den Verdingungsunterlagen gehört und damit nicht Vertragsbestandteil wird. Ein entsprechendes Angebot ist wegen Änderung auszuschließen (BayObLG, B. v. 16.9.2002 - Az.: Verg 19/02).

107.5.1.3.16 Änderung durch Widersprüche zwischen Muster und schriftlichem Angebot Widersprechen sich Muster und schriftliches Angebot, so ergibt sich für den Auftraggeber das Risiko, nicht sicher sein zu können, wonach sich die Leistung bei einer Beauftragung dieses Bieters richten würde, da unklar ist, was genau angeboten wird. Bei einer Beauftragung bestünde die Gefahr, dass der Bieter unter Berufung auf sein Muster Leistungen erbringt, die von dem Leistungsverzeichnis des Auftraggebers abweichen, so dass der Auftraggeber etwas anderes als das eigentlich ausgeschriebene erhält. Aus diesem Grund ist ein durch die abweichende Bemusterung als widersprüchlich zu kennzeichnendes Angebot aus der Wertung auszuschließen (VK Baden-Württemberg, B. v. 4.12.2003 - Az.: 1 VK 64/03).

107.5.1.3.17 Änderung der Mängelanspruchsfrist Unzulässig ist eine Änderung der vom Auftraggeber vorgegebenen Mängelanspruchsfrist (2. VK Bund, B. v. 23.1.2004 - Az.: VK 2 - 132/03).

107.5.1.3.18 Änderung durch Beifügung einer eigenen Tariftreueerklärung Legt der Bieter dem Angebot eine selbst verfasste und unterzeichnete „Erklärung zur Einhaltung des tariflichen Mindestlohnes im Baugewerbe (Mindestlohnerklärung)“ mit einem anderen Wortlaut als die Tariftreueerklärung des Auftraggebers bei, verändert

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er den Inhalt der Verdingungsunterlagen. Auch die Argumentation, dass die eigene „Tariftreueerklärung“ nichts Gegenteiliges zu derjenigen der Vergabestelle beinhaltet, führt nicht dazu, dass keine Veränderung der Verdingungsunterlage vorliegt. Welchen Sinn würde es machen, wenn eine eigene verfasste Erklärung extra dem Angebot beigefügt wird, wenn nicht den, dass dessen Inhalt zum Gegenstand des Angebotes wird - im Gegensatz zu derjenigen Erklärung, die die Vergabestelle bereits vorgab (VK Thüringen, B. v. 01.11.2004 - Az.: 360-4002.20-033/04-MGN).

107.5.1.3.19 Änderung durch Ersetzung von Eigengeräten durch Fremdgeräte Allein in der Durchführung der zu vergebenden Leistungen mit Fremdgeräten anstatt mit Eigengeräten liegt keine vergaberechtlich unzulässige Angebotsänderung, weil die Identität der für die Leistungsausführung durch die Bietergemeinschaft einzusetzenden Geräte vollständig erhalten bleibt. Das Angebot in Verbindung z.B. mit der Geräteliste enthält die Erklärung des Anbietenden, dass das Gerät (und Personal) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Ausführung der Leistung zur Verfügung steht. Diese Erklärung ist nach wie vor richtig, wenn sich nur die rechtlichen Verhältnisse bezüglich der Eigentümerstellung – wie zum Beispiel im Falle einer Sicherungsübereignung von Geräten an eine Bank – geändert haben. Die Änderung der Eigentümerstellung unter Erhalt ihrer Verfügbarkeit berührt den Inhalt des Angebots nicht (OLG Düsseldorf, B. v. 26.01.2005 - Az.: VII - Verg 45/04).

107.5.1.3.20 Änderung durch Nichtbeachtung von tariflichen Entlohnungsregelungen Gibt eine Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen vor, dass die Bieter bei der Kalkulation ihrer Angebote von einem bestimmten Tarif auszugehen haben und entspricht ein Angebot z.B. in einem Stundensatz nicht dem tariflich vorgegebenen Stundensatz, kommt dies einer Änderung der Verdingungsunterlagen gleich. Der Bieter verschafft sich damit gegenüber anderen Bietern, die sich an die diesbezüglichen Vorgaben halten, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil; das Angebot ist zwingend auszuschließen (2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 01.09.2004 - Az.: VK 2 – LVwA 26/04).

107.5.1.3.21 Änderung durch Modifizierungen der Leistungsbeschreibung Wird eine Lösung (als Hauptangebot) angeboten, die von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen – und zwar der Leistungsbeschreibung – abweicht und damit die Anforderungen der Verdingungsunterlagen nicht erfüllt, stellen diese Änderungen der Leistungsbeschreibung als Teil der Verdingungsunterlagen Verstöße gegen § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A dar; dementsprechend sind Angebote, denen abgeänderte Leistungsbeschreibungen zugrunde liegen, zwingend auszuschließen (1. VK Bund, B. v. 27.01.2005 - Az.: VK 1 - 225/04).

107.5.1.3.22 Änderung der Zuschlags- und Bindefrist

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Die Zuschlagsfrist wird einseitig durch den Auftraggeber gegenüber dem Bieter festgesetzt. Der Auftraggeber muss einen einheitlichen Zeitpunkt für den Fristablauf festlegen, weil er den Zuschlag nur auf ein Angebot erteilen kann und es insbesondere wegen des geltenden Gleichbehandlungsgrundsatzes darauf ankommt, dass für sämtliche Bieter dieselbe Annahmefrist gilt. Ein Bieter ist nicht berechtigt, die in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Zuschlags- und Bindefrist einseitig abzuändern. Der aus einer entsprechenden Verletzung resultierende Angebotsausschluss ist zwingend (2. VK Bund, B. v. 03.04.2006 - Az.: VK 2 - 14/06; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 10.12.2004 - Az.: VK 23/04). Dies gilt auch im Verhandlungsverfahren, weil es auch im Verhandlungsverfahren eines bindenden und damit annahmefähigen Angebots als Grundlage weiterführender Verhandlungen bedarf (2. VK Bund, B. v. 03.04.2006 - Az.: VK 2 - 14/06).

107.5.1.3.23 Änderungen in der Person des Bieters

107.5.1.3.23.1 Rechtsprechung Vgl. zunächst die Kommentierung RZ 5541. Vergaberechtlich führt z.B. die Beendigung der Bietergemeinschaft und die „Übernahme“ des Angebots durch ein ehemaliges Mitglied er Bietergemeinschaft zu einem Wechsel in der Person des Bieters, denn die Person (die Identität) des Bieters ist Bestandteil des Angebots. Inhalt des Angebots ist nicht nur die Beschaffenheit der versprochenen Leistungen, sondern auch die Person des Leistenden (oder deren Mehrheit). Im Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Zuschlagserteilung sind jedoch einseitige Angebotsänderungen in sachlicher wie auch in personeller Hinsicht grundsätzlich unstatthaft. Das Verbot einer (nachträglichen) Änderung des Angebots erstreckt sich auch auf die Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft. Bietergemeinschaften können nur bis zur Angebotsabgabe gebildet und geändert werden. Die Angebotsabgabe bildet hierfür eine zeitliche Zäsur. Nach der Angebotsabgabe sind Änderungen - namentlich Auswechslungen - grundsätzlich nicht mehr zuzulassen, da in ihnen eine unzulässige Änderung des Angebots liegt (OLG Karlsruhe, B. v. 15.10.2008 - Az.: 15 Verg 9/08 – für den Teilnahmewettbewerb; OLG München, B. v. 21.05.2008 - Az.: Verg 05/08). Eine Änderung an der Person des Bieters und an der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft nach Angebotseinreichung und -eröffnung und vor Zuschlagserteilung kommt wegen der ansonsten gegebenen, erheblichen Wettbewerbseinflüsse auf den ordnungsgemäßen Vergabewettbewerb nicht in Betracht. Das gilt selbst dann, wenn das Angebot inhaltlich unverändert bleibt und an die Stelle der bisherigen zweigliedrigen Bietergemeinschaft nach dem Ausscheiden der verbleibende Gesellschafter an die Stelle der Bietergemeinschaft tritt. Änderungen an der Person eines Bieters oder der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft können außerdem nicht grundsätzlich unter Hinweis darauf, dass sie den Vergabewettbewerb nicht beeinträchtigten, gutgeheißen werden (OLG Düsseldorf, B. v. 24.05.2005 - Az.: VII - Verg 28/05; VK Hessen, B. v. 28.06.2005 - Az.: 69 d VK - 07/2005). Auch die Auflösung einer Kommanditgesellschaft und die Ersetzung durch eine GmbH erweist sich nicht eine als bloß „strukturelle“, d. h. wettbewerbsneutrale Maßnahme, sondern als vollständiger Austausch des bislang bietenden Rechtsträgers. An die Stelle der bislang beteiligten Kommanditgesellschaft tritt eine andere Rechtsperson. Daran ändert nichts, dass die GmbH zuvor Gesellschafterin in der KG war und deren Vermögen übernommen hat. Sofern derartige Maßnahmen nach Zuschlagserteilung vergaberechtlich

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unbedenklich sein sollen, greift dieser Gesichtspunkt im hier nachzuprüfenden Vergabeverfahren schon im Ansatz nicht durch. Denn nach Zuschlagserteilung ergriffene Maßnahmen sind schon per se nicht geeignet, einen eingeleiteten Bieterwettbewerb zu stören. Insofern macht es einen durchgreifenden Unterschied, ob die Änderung der Rechtspersönlichkeit eines Bieters „eine juristische Sekunde vor oder nach Zuschlagserteilung“ vorgenommen worden ist. Nur im ersten Falle ist der noch unentschiedene Bieterwettbewerb in Gefahr. Ein Wertungswiderspruch zwischen Zivil- und Vergaberecht im Falle eines Angebotsausschlusses besteht für einen solchen Fall in Wirklichkeit nicht. Zivilrechtsordnung und Vergaberecht schützen unterschiedliche Rechtsgüter. Die zivilrechtliche Vertragsfreiheit, die sich in der Fortwirkung des Angebotes der S. GmbH & Co. KG äußert, stößt hier vielmehr – wie nicht selten - an die Grenzen des Vergaberechts, das einen fairen, gleichen und transparenten Bieterwettbewerb zu gewährleisten hat (OLG Düsseldorf, B. v. 25.05.2005 - Az.: VII - Verg 08/05; 3. VK Bund, B. v. 26.07.2005 - Az.: VK 3 – 73/05). Der Austausch einer Vertragspartei stellt also eine besonders tief greifende Angebotsänderung dar, weil ein Kernelement des anzubahnenden Vertragsverhältnisses – Parteien, Leistung, Gegenleistung – verändert wird (OLG Düsseldorf, B. v. 06.10.2005 - Az.: VII - Verg 56/05; B. v. 16.11.2005 - Az.: VII - Verg 56/05). Vgl. dazu auch die Kommentierung RZ 3833. Sieht die Ausschreibung eine Übertragung von Rechten und Pflichten auf eine Projektgesellschaft vor, wird die Bieter- und Vertragspartnerstellung desjenigen, der ein Angebot abgegeben hat, nicht berührt. Ansonsten ist eine Übertragung der Vertragspartnerstellung nur mit Zustimmung des Auftraggebers zulässig (OLG München, B. v. 21.05.2008 - Az.: Verg 05/08).

107.5.1.3.23.2 Literatur

• Burbulla, Rainer, Die Beteiligung von Objektgesellschaften an Vergabeverfahren, NZBau 2010, 145

• Heiermann, Wolfgang, Der vergaberechtliche Grundsatz der Unveränderlichkeit der Bietergemeinschaft im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZfBR 2007, 759

• Kirch, Thomas / Kues, Jarl-Hendrik, Alle oder keiner? - Zu den Folgen der Insolvenz eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft im laufenden Vergabeverfahren, VergabeR 2008, 32

• Prieß, Hans-Joachim / Sachs, Bärbel, Irrungen, Wirrungen: Der vermeintliche Bieterwechsel - Warum entgegen OLG Düsseldorf (NZBau 2007, 254) im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge die Bieteridentität regelmäßig fortbesteht, NZBau 2007, 763

• Rittwage, Ralf, Unternehmensverschmelzung als unzulässiger Bieterwechsel?, NZBau 2007, 232

• Roth, Frank, Änderung der Zusammensetzung von Bietergemeinschaften und Austausch von Nachunternehmern im laufenden Vergabeverfahren, NZBau 2005, 316

• Schmidt, Lars, Wider den Ausschlussautomatismus: Kein zwingender Ausschluss einer Bietergemeinschaft bei Insolvenz eines Mitgliedsunternehmens, NZBau 2008, 41

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107.5.1.3.24 Änderung von Mengenangaben im Kurz-Leistungsverzeichnis Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Sinn macht die Möglichkeit der Abgabe eines eigenen Kurz-Leistungsverzeichnis nur dann, wenn zum einen die angestrebte Arbeitserleichterung beim Bewerber eintritt und zum anderen aber die Vergabestelle die Leistungen angeboten bekommt, die sie in ihrem Lang-Leistungsverzeichnis ausgeschrieben hat. Da bei selbst erstellten Kurz-Leistungsverzeichnissen Flüchtigkeitsfehler auftreten oder unter Umständen Verkürzungen gewählt werden können, die die ausgeschriebene Leistungen nur unvollkommen und vielleicht sogar fehlerhaft ausdrücken, trug der Verordnungsgeber diesem mit der vom Bewerber abzugebenden Verbindlichkeitserklärung des Lang-Leistungsverzeichnisses Rechnung. Damit wurde mittels der Abgabe der Erklärung abgesichert, dass Angebotsgegenstand nur die ausgeschriebene Leistung der Vergabestelle und eben nicht der Text des Kurz-Leistungsverzeichnisses ist. Konsequenz ist damit, dass im Fall von geänderten Mengenansätzen diese als Teil des Leistungsverzeichnisses auf die Menge des Lang-Leistungsverzeichnisses der Vergabestelle zu korrigieren und im Rahmen der Wertung diese zu verwenden sind. Auch für den Fall des Widerspruches von Angaben im Leistungstext des Kurz-Leistungsverzeichnisses sind diese unerheblich. Eine Veränderung der Verdingungsunterlagen in Verbindung mit der Abgabe eines Kurz-Leistungsverzeichnisses liegt nur dann vor, wenn der Bieter im Lang-Leistungsverzeichnisses der Vergabestelle ausdrücklich Änderungen vorgenommen hätte oder in Ergänzung zum Kurz-Leistungsverzeichnis die ausdrücklich abgegebene Anerkennung des Langtextes durch zusätzliche Erklärungen einschränkt, abändert oder in Frage stellt (VK Thüringen, B. v. 09.09.2005 - Az.: 360-4002.20-009/05-SON; im Ergebnis ebenso 1. VK Sachsen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1/SVK/021-08, 1/SVK/021-08-G). Nach einer anderen Auffassung ist bei einer Mengenänderung das Angebot preislich nicht mit den übrigen Angeboten vergleichbar. Daran ändert die Anerkennung der „alleinigen Verbindlichkeit“ des Langtextes nichts, da dieses nur die Leistung beschreibt, während der Bieter den Preis bildet. Eine „Berichtigung“ des Angebotsinhaltes ist weder einseitig durch den Auftraggeber noch durch Aufklärung (§ 24 VOB/A) möglich. Die Erklärung zur „alleinigen Verbindlichkeit“ des Lang textes stellt kein Einverständnis dar, dass die Gegenleistung vom Vertragspartner (Vergabestelle) selbst bestimmt werden dürfte in der Form der Errechnung eines „richtigen“ Angebotspreises. Sie kann allenfalls den Anbieter an seine Erklärung binden. Bei Ablauf der Angebotsfrist müssen die Preise und sonstigen Angebotsinhalte vom Bieter selbst vorgelegt worden sein. Auch wenn der Mengenansatz dieser Position durch einen bloßen Irrtum und nicht in manipulativer Absicht falsch in das Kurz-Leistungsverzeichnis übertragen worden sein sollte, muss die Transparenz des Vergabeverfahrens vorrangig berücksichtigt werden. Die objektiv bestehende Möglichkeit für einen Bieter, sein Angebot nachträglich entweder „richtig zu stellen“ oder das Angebot durch Aufrechterhaltung der Unstimmigkeit aus der Welt zu schaffen, kann in einem Offenen Verfahren nicht hingenommen werden. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, aus welchem Grund eine Unrichtigkeit im Angebot entstanden ist (VK Düsseldorf, B. v. 14.08.2006 - Az.: VK - 32/2006 – B). Ob in einer prima vista vom vorgegebenen Leistungsverzeichnis abweichenden Angabe auch ein Abweichen von den Verdingungsunterlagen im Rechtssinne der Vorschriften der VOB/A zu sehen ist, ist anhand des gesamten Erklärungsinhalts des Angebots durch Auslegung

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zu ermitteln. Mit der Aussage, wonach der „gesamte Inhalt des ... Leistungsverzeichnis-Langtextes“ gelte, sowie der Erklärung, wonach die Urschrift des Leistungsverzeichnisses als allein verbindlich anerkannt wird und der verwendete Kurztext nicht als Änderung des Wortlautes der Urschrift gilt, entspricht der Bieter den üblichen Bewerbungsbedingungen, die ein solches ausdrückliches schriftliches Anerkenntnis des Wortlauts der Urschrift des Leistungsverzeichnisses verlangen. Diese Bewerbungsbedingungen wiederum geben das wieder, was § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A verlangt: Auch in dieser Vorschrift wird die Zulässigkeit der Verwendung einer selbstgefertigten Kurzfassung durch die Bieter an die Voraussetzung geknüpft, dass die Vorgaben des Lang-LV als allein verbindlich anerkannt werden. Allerdings bedeutet diese Vorgabe der VOB/A nicht, dass sämtliche Abweichungen eines Bieters in seinem Kurz-LV von den Vordersätzen des Lang-LV völlig unbeachtlich sind, wenn nur pauschal die Verbindlichkeit des Lang-LV anerkannt wurde. Wollte man die Bestimmung des § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A dergestalt interpretieren, so wäre der Konflikt vorprogrammier t, der durch die strengen Vorgaben des Vergaberechts gerade vermieden werden soll, nämlich Streitigkeiten und Auslegungsunsicherheiten nach Zuschlagserteilung über den Vertragsinhalt. Ein Auftraggeber, der auf ein in den Vordersätzen abweichendes Kurz-LV den Zuschlag erteilt, wäre zumindest der Gefahr ausgesetzt, dass der Auftragnehmer sich bei Durchführung des Vertrages auf sein abweichendes Kurz-LV beruft. Dies gilt auch bei einem Einheitspreisvertrag, da bei Änderung eines Mengenvordersatzes der angegebene Einheitspreis für die angebotene Menge gilt, mithin die Gefahr besteht, dass der Auftragnehmer sich bei Durchführung des Vertrags mit dem Verlangen nach einer Preisanpassung auf § 2 Nr. 3 VOB/B beruft. Exakt diese Gefährdungslage soll vermieden werden, auch im Interesse der Vergleichbarkeit der Angebote und damit letztendlich der Gerechtigkeit des Wettbewerbs. Das Erfordernis der Anerkenntnis des Lang-LV in § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOB/A kann folglich nur dahin verstanden werden, dass hier ausschließlich die Positionstexte, die im Kurz-LV im Gegensatz zum Lang-LV nicht auftauchen und folglich reine Weglassungen von Text darstellen, in Bezug genommen werden; diese Positionstexte sollen gelten, obwohl sie im Kurz-LV nicht ausdrücklich wiederholt werden. Diese reine Formvorschrift beinhaltet jedoch keine Ausnahme von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A dergestalt, dass über die Auslassungen hinaus weitergehend konkrete Änderungen von Vordersätzen sanktionslos zulässig werden. Dies würde im Ergebnis Manipulationsmöglichkeiten eröffnen und das System der formellen Ausschlusstatbestände untergraben. Auch Grenzen des Nachverhandlungsverbots, § 24 VOB/A, würden überschritten, wenn man in Aufklärungsgesprächen nachträgliche und von den im Submissionstermin verlesenen Angebotsendpreisen nachträgliche Mengen- und damit Preiskorrekturen zulassen wollte (3. VK Bund, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 3 - 53/08). Vgl. zur notwendig vollständigen Erklärung eines Bieters zur Übereinstimmung den instruktiven Fall der 2. VK Bund, B. v. 28.07.2006 - Az.: VK 2 - 50/06.

107.5.1.3.25 Änderung durch Weglassen einer als Ausschlusskriterium gekennzeichneten Anforderung Bei der unvollständigen Ausfüllung eines Leistungsverzeichnisses in der Weise, dass eine als Ausschlusskriterium gekennzeichnete Anforderung nicht nur oberflächlich oder ausweichend beantwortet, sondern komplett ignoriert oder ausgelassen wird bzw. schlicht unausgefüllt bleibt, handelt es sich um eine Änderung des Bieters an den Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, die gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A zwingend einen Ausschluss des Angebots zur Folge hat, da sie die

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Vergleichbarkeit der Angebote gefährdet. Denn die Nichtbeachtung eines Ausschlusskriteriums kann nicht anders gewertet werden als seine ausdrückliche Kennzeichnung als "nicht erfüllt", was ebenso zum Ausschluss des Angebots aus der Wertung führen würde. Dementsprechend werden als Änderungen an den Verdingungsunterlagen nicht nur Streichungen oder Ergänzungen angesehen, sondern auch z. B. die Herausnahme von Teilen aus den Verdingungsunterlagen. Die Änderungen können sich sowohl auf den technischen Inhalt (Abänderung der zu erbringenden Leistung) als auch auf die vertraglichen Regelungen (z. B. Ausführungsfristen, Gewährleistungsfristen, Sicherheitsleistungen, Zahlungsweise) beziehen (VK Thüringen, B. v. 14.04.2005 - Az.: 360-4003.20-017/05-G-S; 2.VK Bund, B. v. 5.3.2003 - Az.: VK 2 - 04/03).

107.5.1.3.26 Änderung durch Einrechnung von wesentlichen Preisangaben in andere Positionen Rechnet ein Bieter Einheitspreise einer Teilleistung in andere Positionen des Leistungsverzeichnisses ein, ist durch diese Vermengung von Leistungspositionen, die vom Bieter entgegen den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses vorgenommen wurde, die Vergleichbarkeit der Angebote in den Einheitspreisen nicht mehr möglich. Dadurch ändert der Bieter die Verdingungsunterlagen in unzulässiger Weise (VK Südbayern, B. v. 27.8.2003 - Az.: 33-07/03).

107.5.1.3.27 Änderung durch Nichtangabe des zur Vergabe an Nachunternehmer vorgesehenen Leistungsumfangs Die Änderung der Verdingungsunterlagen ist hierbei darin zu sehen, dass der Bieter - entgegen seiner bestehenden Verpflichtung - mit der Abgabe des Angebotes auf die Benennung des dazu zu übertragenden Leistungsumfanges verzichtet. Er schafft damit nicht nur die Möglichkeit des falschen Eindrucks von dem Umfang der zu übertragenden Leistung, sondern bezeichnet darüber hinaus den zu übertragenden Leistungsumfang nicht zutreffend (VK Thüringen, B. v. 14.04.2005 - Az.: 360-4003.20-017/05-G-S).

107.5.1.3.28 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• fügt ein Bieter das Angebot eines Nachunternehmers, das Änderungen der Vergabeunterlagen enthält, seinem Angebot an den Auftraggeber bei, ändert er ebenfalls die Vergabeunterlagen. Selbst wenn man das Angebot des Nachunternehmers lediglich als informatorisches Begleitschreiben betrachtete, wäre es dennoch als Teil des Angebots anzusehen (2. VK Bund, B. v. 30.11.2009 - Az.: VK 2 - 195/09)

• ein Angebot ist auszuschließen, wenn bei der angebotenen Schrankwand die Niveauregulierer nicht vom Korpusinneren bedienbar sind, so wie im Leistungsverzeichnis gefordert (VK Nordbayern, B. v. 13.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/07)

• ein Angebot ist auszuschließen, wenn die angebotenen Hochschränke mit einem Zwei-Scharnier-System ausgestattet sind und die Vorgaben auf Seite 29 des

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Leistungsverzeichnisses ein Vier-Scharnier-System beinhalten (VK Nordbayern, B. v. 13.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 46/07)

• enthält ein Angebot hinsichtlich eines Einzelpreises einen klar und eindeutig formulierten Preisvorbehalt z.B. mit folgendem Wortlaut: Bemerkung: „inkl. Barrierefreiheit gem. § 10 HmbGGbM, Preisvorbehalt wegen fehlender Konkretisierung der Anforderungen“, handelt es sich um eine unzulässige Änderung (VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07)

• ist sowohl in der Vergabebekanntmachung als auch in den Verdingungsunterlagen gefordert, dass der Bieter sich nur auf ein Los bewerben darf (Loslimitierung ) und wird in den Verdingungsunterlagen darauf hingewiesen, dass die Abgabe von mehr als einem Los zum zwingenden Ausschluss führt, ändert ein Bieter, der die Verdingungsunterlagen dahingehend nicht beachtet hat, die Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 14.03.2007 - Az.: 1/SVK/006-07)

• wenn ein Bieter in zeitlicher Hinsicht einen anderen Personaleinsatz anbietet, als ausweislich der Verdingungsunterlagen vom Auftraggeber nachgefragt, ändert er die Verdingungsunterlagen unzulässigerweise. Das Angebot ist daher zwingend von der Wertung auszuschließen (3. VK Bund, B. v. 14.07.2006 - Az.: VK 3 - 63/06)

• das Angebot einer teilweisen Unterbringung von Asylbewerbern in Wohnungen stellt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar, wenn diese eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft vorsehen (VK Thüringen, B. v. 06.07.2006 - Az.: 360-4003.20-010/06-HIG).

• definiert der Auftraggeber als Arbeitstage auch die Samstage und fordert ein Bieter Zuschläge für Samstagsarbeit, ändert er die Vergabeunterlagen; das Angebot ist zwingend auszuschließen (VK Saarland, B. v. 15.03.2006 - Az.: 3 VK 02/2006)

• eine Ergänzung des Leistungsverzeichnisses durch den Zusatz "in Position … enthalten" stellt eine Anmerkung dar, die offensichtlich zur Erläuterung des mit 0,00 Euro angegebenen Preises gegeben wurde. Auch derartige Erläuterungen dürfen nicht in den Verdingungsunterlagen angebracht werden, sondern sind auf einer besonderen Anlage dem Angebot beizufügen (Saarländisches OLG, B. v. 09.11.2005 - Az.: 1 Verg 4/05)

• benutzt ein Antragsteller bei seinem Angebot veraltete Verdingungsunterlagen, ändert er die Verdingungsunterlagen (OLG Düsseldorf, B. v. 28.07.2005 - Az.: VII - Verg 45/05)

• Angaben eines Bieters zur Erläuterung der Preisermittlung werden nicht Vertragsinhalt, sondern bleiben bloße interne Kalkulationsgrundlagen, solange sie keinen Niederschlag im Vertragstext finden; solche Angaben bedeuten keine Änderung der Vergabeunterlagen (OLG Naumburg, B. v. 22.09.2005 - Az.: 1 Verg 7/05)

• die Verwendung eigener Formulare durch den Bieter an Stelle der Formulare des Auftraggebers ohne inhaltliche Änderung stellt keine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen dar (VK Thüringen, B. v. 23.09.2005 - Az.: 360-4002.20-007/05-NDH)

• ergänzt ein Bieter die in der Leistungsbeschreibung geforderten Leistungen eigenständig um weitere Leistungen, ändert er gleichzeitig das Angebot (1. VK Sachsen, B. v. 21.12.2004 - Az.: 1/SVK/112-04)

• mit dem Angebot eines ungeprüften statt eines in der Ausschreibung geforderten geprüften Filters ändert der Bieter die Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 18.11.2004 - Az.: 1/SVK/108-04)

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• mit dem Zusatz "Mehrwertsteuer in jeweils gesetzlicher Höhe, z. Zt. 16 %" ändert der Bieter nicht die Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 13.09.2004 - Az.: 1/SVK/080-04)

• mit dem Zusatz "zuzüglich der jeweils gültigen Umsatzsteuer (derzeit 16 %") ändert der Bieter nicht die Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 08.06.2006 - Az.: 1/SVK/047-06)

• legt eine Vergabestelle fest, dass die Bezahlung nach Lieferung und Abnahme erfolgt und Abschlags-, Zwischenzahlungen oder Vorauskasse ausgeschlossen sind und bietet ein Interessent als Zahlungsbedingung „20 % Anzahlung bei Vertragsabschluss“ an, ändert er somit die Zahlungsbedingungen der Vergabestelle ab; das Angebot ist zwingend auszuschließen (VK Nordbayern, B. v. 11.02.2005 - Az.: 320.VK-3194-51/04)

• trägt ein Bieter in Positionen des Leistungsverzeichnisses „bauseits“ ein, bedeutet dies, dass die Leistung durch die Vergabestelle zu erfolgen hat; damit wird ein Teil der ausgeschriebenen Leistung auf die Vergabestelle verlagert, ein weniger an Leistung angeboten als ausgeschrieben ist, was eine Leistungsreduzierung bzw. Leistungsverlagerung und eine unzulässige Veränderung der Verdingungsunterlagen darstellt, die gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zum Ausschluss führt (VK Thüringen, B. v. 22.03.2005 - Az.: 360-4002.20-002/05-MGN)

• bietet ein Unternehmen statt eines festen Gesamtpreises auf der Grundlage einer "unverbindlichen" jährlichen Aufwandsschätzung einen "voraussichtlichen" Gesamtaufwand an, ist das Angebot zwingend auszuschließen (OLG Düsseldorf, B. v. 03.01.2005 - Az.: VII - Verg 82/04)

• die Anmerkung in einem Anschreiben, mit dem das Angebot vorgelegt und in dem ausgeführt wird, dass die aufgeführten Preise Gültigkeit bis zu einem bestimmten Datum besitzen, verstößt gegen den Grundsatz der Abgabe klarer und eindeutiger Angebote (VK Baden-Württemberg, B. v. 21.12.2004 - Az.: 1 VK 83/04)

• mit dem Zusatz „(NCS – ohne genaue Farbangabe lt. Hersteller nicht anbietbar!)“ macht der Bieter deutlich, dass er der Forderung des Auftraggebers (NCS-Farbton nach Wahl des Auftraggebers, ohne das dieser vor Angebotsabgabe genau bezeichnet wird) nicht entsprechen will oder kann; bietet er stattdessen einen RAL-Farbton an, ändert er die Angebotsunterlagen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 13.12.2004 - Az.: VK-SH-33/04)

• mit dem Zusatz "Für die Berechnung der Mehrwertsteuer gilt der am Tage der Abnahme gültige Mehrwertsteuersatz" ändert der Bieter nicht unzulässigerweise die Verdingungsunterlagen; dieser Zusatz muss gemäß §§ 133, 157 BGG BGB steuerrechtskonform ausgelegt werden (OLG Schleswig-Holstein, B. v. 22.05.2006 - Az.: 1 Verg 5/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.01.2006 - Az.: VK-SH 32/05; anderer Auffassung ist die 1. VK Sachsen in einem – allerdings nach der Rechtsprechung der 1. VK Sachsen nicht mehr aktuellen - Beschluss (1. VK Sachsen, B. v. 16.09.2005 - Az.: 1/SVK/114-05)

• mit dem Zusatz "Für die Berechnung der Mehrwertsteuer gilt der am Tage der Abnahme gültige Mehrwertsteuersatz" ändert der Bieter unzulässigerweise die Verdingungsunterlagen (VK Thüringen, B. v. 22.03.2005 - Az.: 360-4002.20-002/05-MGN; 1. VK Sachsen, B. v. 12.02.2004 - Az.: 1/SVK/164-03, 1/SVK/164-03G)

• die Änderung der Parameter einer Preisgleitklausel stellt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.02.2004 - Az.: 1 VK 03/04; VK Südbayern, B. v. 17.02.2004 - Az.: 03-01/04)

• das Streichen der LV-Vorgabe Edelstahl in einer Position des Leistungsverzeichnisses ist eine unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen (1. VK Sachsen, B. v. 10.09.2003 - Az.: 1/SVK/107-03)

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• die Änderung einer vorgesehenen Kopplung des Strompreises an den marktüblichen Strompreis stellt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.02.2004 - Az.: 1 VK 03/04)

• die Aufnahme einer verbindlichen Stromabnahmemenge durch den Bieter stellt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.02.2004 - Az.: 1 VK 03/04)

• die Änderung der vorgeschriebenen Vorratshaltung für Heizmaterial durch den Bieter stellt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.02.2004 - Az.: 1 VK 03/04)

• legt der Bieter lediglich dar, dass ihm auf Grund der überaus langen Ausführungsfristen eine reelle Kalkulation nur für einen bestimmten Zeitraum möglich ist und verweist er ferner auf § 9 Nr. 2 VOB/A, nach dem ihm kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf, ist diese Aussage eher als eine Rüge über die Wahl des Ausschreibungszeitraums sowie die vorgesehene Ausführungsfrist zu sehen als eine (einseitige) Einschränkung der Bindefrist (1. VK Sachsen, B. v. 13.2.2002 - Az.: 1/SVK/002-02)

• die Tatsache, dass ein Bieter irrtümlich ein falsches Muster beifügt, das im Übrigen die gleiche Verpackung wie die von ihm angebotene und vom Auftraggeber geforderte Ausführung und sogar eine gemeinsame Abbildung als Etikett aufweist, ist zwar geeignet, beim Auftraggeber entsprechende Zweifel über die Beschaffenheit des Angebotes zu wecken. Ein zwingender Angebotsausschluss - wegen Änderung der Verdingungsunterlagen - lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Vielmehr ist der Auftraggeber gehalten, gem. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A die damit verbundenen Zweifel in einem Aufklärungsgespräch mit dem Bieter aufzuklären (VK Lüneburg, B. v. 15.9.2003 - Az.: 203-VgK-13/2003)

• nimmt der Bieter in sein Angebotsschreiben den Satz auf, dass beim Vorkommen von verunreinigtem Material, das nicht zur Erddeponie verbracht werden kann und/oder dessen Beseitigung zusätzliche Maßnahmen erfordert, jegliche Entsorgungskosten einschließlich Genehmigungsbeschaffung und Gebühren gesondert zu vergüten seien, handelt es sich im Blick auf § 2 Nr. 1 VOB/B um einen klarstellenden Hinweis, der auf keine bestimmte Position des Leistungsverzeichnisses bezogen ist. Der Satz ist als allgemeiner Hinweis auf das Baugrundrisiko für den Fall zu verstehen, dass derzeit nicht bekannte Kontaminationen des Bodens festgestellt werden. Eine einseitige Abänderung des Leistungsverzeichnisses ist nicht gewollt und ergibt sich aus dem Wortlaut selbst nicht (VK Baden-Württemberg, B. v. 31.10.2001 - Az.: 1 VK 36/01)

• ein Verstoß gegen § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A liegt vor, wenn der Bieter einen Kranstandort verändert (VK Brandenburg, B. v. 10.06.2004 - Az.: VK 21/04)

• legt sich eine Ausschreibung durch die Angabe der Bezugsbasis und die den Bietern vorgegebene Gestaltung der Angebotsunterlagen auf eine variable Ausgestaltung etwaiger Preisnachlässe fest, so liegt in der Einreichung eines Angebots mit einem pauschalen Preisnachlass nicht nur eine mathematisch variierte Ausdrucksform für den gleichen Sachverhalt vor, sondern etwas sachlich Verschiedenes, das sich dem Vergleich mit variablen Nachlassofferten letztlich entzieht und daher eine an identischen Wertungsmaßstäben orientierte Angebotsauswahl ausschließt (OLG Dresden, B. v. 8.11.2002 - Az.: WVerg 0018/02); ein solches Angebot ist wegen Änderung der Verdingungsunterlagen auszuschließen; anderer Auffassung VK Münster, B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05

• ein Angebot ist zwingend aus der Wertung auszuschließen, wenn der Bieter das Angebotsschreiben abweichend von den Vorgaben des Auftraggebers ausgefüllt hat, da der Bieter unzulässigerweise die Verdingungsunterlagen geändert hat;

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jedenfalls wird das Angebotsschreiben zu den Verdingungsunterlagen zu zählen sein, so dass Änderungen des Bieters an dessen vorgegebenem Inhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der § 21 Nr. 1 Abs. 3, § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A fallen (OLG Dresden, B. v. 8.11.2002 - Az.: WVerg 0018/02)

• fügt ein Bieter einem unvollständigen Kurzleistungsverzeichnis Unterlagen hinzu, die im Ergebnis eine Änderung der Verdingungsunterlagen beinhalten, muss der Auftraggeber als Empfänger des Hauptangebotes die Beifügung der - später - so genannten Erläuterungen als eine - ebenfalls verbindliche - Ergänzung des Kurzleistungsverzeichnisses interpretieren; dies insbesondere dann, wenn die so genannten Erläuterungen des Angebotes an keiner Stelle etwa als unverbindliche Informationen oder Erläuterungen gekennzeichnet sind. Dann spricht die Unvollständigkeit des Kurzleistungsverzeichnisses dafür, die dort fehlenden obligatorischen Bieterangaben in den beigelegten Unterlagen zu suchen (OLG Naumburg, B. v. 12.6.2001 - Az.: 1 Verg 1/01)

• zwar werden als Änderung der Verdingungsunterlagen typischerweise Streichungen aus oder Ergänzungen der Verdingungsunterlagen angesehen. Jedoch ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch ein Angebot, das nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung entspricht, als eine Abänderung anzusehen. Die Vorschriften über den zwingenden Ausschluss der Angebote bei veränderten Verdingungsunterlagen sollen gerade verhindern, dass Angebote bezuschlagt werden, die nicht den Bedürfnissen des Auftraggebers entsprechen und durch die Berücksichtigung solcher Angebote im Wertungsprozess andere Bieter in ihren Wettbewerbschancen benachteiligt werden (1. VK Bund, B. v. 11.11.2003 - Az.: VK 1 - 103/03)

• die Aufnahme des Hinweises - durch den Bieter - auf die Geltung der VOB in der neuesten Fassung im Fall der Zuschlagserteilung bedeutet keine unzulässige Änderung, wenn Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen ebenfalls die VOB in der neuesten Fassung ist (2. VK Bund, B. v. 21.1.2004 - Az.: VK 2 - 126/03; VK Thüringen, B. v. 20.10.2003 - Az.: 216-4002.20-055/03EF-S-G)

• verwendet der Bieter andere Preisblätter als vom Auftraggeber gefordert , handelt es sich nicht um eine Abänderung der Leistungsbeschreibung. Die Preisblätter selbst werden bei Auftragserteilung nicht selbst Vertragsbestandteil, denn letztlich soll nur die im Leistungsverzeichnis umschriebene Leistung geschuldet werden. Für die Vergabestelle als Auftraggeber ergibt sich aus den Angaben im Preisblatt auch nicht ein Anspruch darauf, dass die einzelnen im Preisblatt aufgeführten Teilleistungen auch zu dem genannten Preis erbracht werden. Soweit veraltete statt neuer Preisblätter dem Angebot beigelegt wurden, ist die Nachforderung der neuen Preisblätter nicht geeignet, dem Bieter einen vergaberechtswidrigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Der Bieter hat sich bereits im Rahmen seines Angebotes hinsichtlich des Gesamtpreises festgelegt und kann damit durch das Nachreichen der Preisblätter nicht mehr sein Angebot manipulieren. Sollte ein Bieter differierende Angaben in den mit dem Angebot abgegebenen und den nachgereichten Preisblättern gemacht haben, kann eine Vergabestelle außerdem die gegebenenfalls bestehenden Abweichungen feststellen. Demnach ist allein durch die Möglichkeit des Nachreichens der aktuellen Preisblätter keine Wettbewerbsverzerrung zu befürchten (2. VK Bund, B. v. 26.9.2003 - Az.: VK 2 - 88/03)

• enthält ein Angebot eine abweichende Erklärung zur Bindefrist, eine abweichende Erklärung zu den Bürgschaftsbedingungen, eigene AGB, abweichende Erklärungen bezüglich. der Regelungen der Vertragsstrafen, sind diese Erklärungen regelmäßig preisrelevant und damit von der Wertung auszuschließen (VK Arnsberg, B. v. 20.11.2001 - Az.: VK 2-14/2001)

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• schreibt ein Bieter in zahlreiche Leistungspositionen handschriftlich Produkte hinein, die insbesondere in technischer Hinsicht von den geforderten Anforderungen des Leistungsverzeichnisses abweichen, ändert er die Verdingungsunterlagen; das Angebots ist zwingend auszuschließen (1. VK Sachsen, B. v. 9.5.2003 - Az.: 1/SVK/034-03)

• das Vermischen von Einheits- und Gesamtpreispositionen mit einer Sammelposition stellt eine nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar. Der Bieter weicht vom Leistungsverzeichnis insoweit ab, als er die Eintragung der geforderten Einheits- und Gesamtpreispositionen unterlässt und diese Positionen stattdessen in eine Sammelposition einrechnet. Durch das Vermengen von Leistungspositionen ist für den Auftraggeber nicht mehr erkennbar, welche Preisgrundlagen für die Leistung z. B. im Falle von Nachträgen gelten bzw. ob angemessene Preise verlangt werden. Leistungspositionen enthalten ein Nachtragspotential und der Auftraggeber kann bei vermischten Preispositionen nicht mehr sicher sein, welcher Preisanteil für die nachgerechnete Leistung gelten soll, ob z. B. 10 oder 90% der Gesamtpreisposition zugrunde zu legen sind. Der Auftraggeber kann daher besonderen Wert darauf legen, dass die Einzelleistungen ausgewiesen sind (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 11.4.2003 - Az.: VK 4/03)

• bietet ein Unternehmen entgegen den Vergabeunterlagen Vorauszahlungen an (z. B. bei Auftragserteilung 30%; bei Lieferung 30%; bei Montageende 30%; nach erfolgreichem Probebetrieb und Abnahme 10%), ändert er damit die Verdingungsunterlagen und das Angebot des Bieters ist gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A auszuschließen (VK Thüringen, B. v. 18.3.2003 - Az.: 216-4002.20-001/03-MHL)

• wollen oder können Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen anbieten, so steht es ihnen frei , besonders gekennzeichnete Nebenangebote abzugeben, sofern diese zugelassen waren. Änderungen der vom Auftraggeber vorgegebenen Fabrikate sind nicht zulässig (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 8.5.2002 - Az.: VK 8/02; VK Nordbayern, B. v. 15.2.2002 - Az.: 320.VK-3194-02/02)

• eine Änderung der Fabrikate nach Angebotsabgabe ist nicht mehr zulässig und bedeutet eine unzulässige Änderung des Angebots, die zum Ausschluss des Angebots führen muss (VK Hannover, B. v. 6.9.2002 - Az.: 26045 - VgK - 11/2002)

• bietet ein Unternehmen sechs Grundpositionen des Leistungsverzeichnisses als Alternativpositionen und eine Position, die überhaupt nicht angefragt war, an, handelt es sich um unzulässige Änderungen der Verdingungsunterlagen. Hierbei ist es unerheblich, ob vom Bieter vorgenommene Änderungen unwesentliche Leistungspositionen betreffen oder nicht. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Abweichung letztlich irgendeinen Einfluss auf das Wettbewerbsergebnis haben kann (VK Südbayern, B. v. 18.12.2002 - Az.: 51-11/02)

• gibt der Bieter im Angebot an, dass er bestimmte Leistungen an Nachunternehmer vergeben will und reicht er ein Formblatt EFB-Preis nach, aus dem zu entnehmen ist, dass er nur Teile von Lohnleistungen an Nachunternehmer vergeben möchte, bedeutet dies eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen (VK Südbayern, B. v. 25.3.2002 - Az.: 05-02/02)

• ein Bieter ist gehalten, die Formulare des Auftraggebers zu akzeptieren und sein Angebot darauf einzustellen. Macht ein Bieter dies nicht und benennt er an Stelle des vorgesehenen (und vorgedruckten) prozentualen Nachlasses eine absolute Zahl, nimmt er damit Änderungen an den Verdingungsunterlagen vor; daher ist das

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Angebot zwingend auszuschließen (1. VK Sachsen, B. v. 13.9.2002 - Az.: 1/SVK/ 082-02)

• als Änderungen an den Verdingungsunterlagen im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A gelten Streichungen oder Ergänzungen bzw. die Herausnahme von Teilen aus den Verdingungsunterlagen. Sie können sich sowohl auf den technischen Inhalt (Abänderung der zu erbringenden Leistung) beziehen, als auch auf die vertraglichen Regelungen. Derart geänderte Angebote dürfen nicht gewertet werden. Unschädlich ist, wenn ein Bieter allgemeine Erläuterungen zum besseren Verständnis seines Angebotes macht. Dies könnte, ohne jegliche Ergänzung oder Abänderung der Verdingungsunterlagen auf einer gesonderten Anlage erfolgen (VK Halle, B. v. 16.1.2001 - AZ: VK Hal 35/00)

• bietet ein Unternehmen sowohl die ausgeschriebenen Versicherungsdienstleistungen als auch eine Mitgliedschaft in seinem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit an, wird mit dem Angebot keine andere als die ausgeschriebene Leistung angeboten (OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; VK Thüringen, B. v. 06.12.2005 - Az.: 360-4003.20-026/05-SLZ)

• bietet ein Unternehmen eine Mitgliedschaft in ihrem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit an, sucht der Auftraggeber jedoch einen Vertragspartner für Versicherungsdienstleistungen, wird mit dem Angebot eine andere als die ausgeschriebene Leistung angeboten; außerdem sind die Angebote wegen der Möglichkeit der Nachschussverpflichtung inhaltlich nicht mit den anderen Angeboten vergleichbar (VK Münster, B. v. 05.10.2005 - Az.: VK 19/05; aufgehoben durch OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05)

• hat ein Bieter ausschreibungswidrig für die Ausrüstung der eingesetzten Busfahrzeuge an den Fahrerterminals keinen Bordrechner mit Tastatur angeboten, bei dem ein spürbarer Druckpunkt vorhanden ist, kann sie dem nicht entgegenhalten, bei der von ihr angebotenen Touch-Screen-Oberfläche sei die Tastatur auf dem Bildschirm vorhanden. Die Touch-Screen-Oberfläche war nicht ausgeschrieben und ist auch nicht gleichwertig; das Angebot ist wegen Änderung der Verdingungsunterlagen auszuschließen (Brandenburgisches OLG, B. v. 27.2.2003 - Az.: Verg W 2/03)

• gibt der Auftraggeber eine Zahlungsfrist von 21 Kalendertagen nach Eingang der Rechnung vor und „erbittet“ die Antragstellerin eine Zahlungsfrist v on 30 Tagen nach Rechnungsdatum, ist diese Zahlungsfrist isoliert gesehen zwar länger. Die Anknüpfung an das Rechnungsdatum kann – je nach Eingang der Rechnung – aber im Einzelfall die Zahlungsfrist von 21 Kalendertagen unterschreiten. Dass der Bieter das Zahlungsziel „erbittet“, ändert an der Beurteilung einer Änderung nichts, weil im Falle der Zuschlagserteilung dieser Bitte entsprochen werden würde und der Vertrag mit dem von dem Bieter „erbetenen“ – und insoweit gestellten – Zahlungsmodalität zustande kommen würde (VK Hessen, B. v. 02.06.2004 - Az.: 69 d - VK - 24/2004)

107.5.1.3.29 Umdeutung eines wegen Änderungen unzulässigen Angebots in ein Nebenangebot Es würde eine Umgehung der eindeutigen Vorschriften der § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A bzw. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A bedeuten, wenn ein Angebot, das unzulässigerweise die Verdingungsunterlagen ändert und deshalb zwingend auszuschließen ist, in ein wertungsfähiges Nebenangebot umgedeutet werden könnte. Dies widerspräche der Zielsetzung des § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A,

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an den ein strenger Maßstab anzulegen ist, um die Vergleichbarkeit der Angebote zu sichern. Eine Qualifizierung als Nebenangebot, das lediglich gegen § 21 Nr. 3 VOB/A verstößt, kommt nur in Betracht, wenn aus einer Erklärung des Bieters oder aus der äußeren Gestaltung des Angebotes erkennbar ist, dass der Bieter ein Nebenangebot abgeben wollte (OLG Koblenz, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 2/08; 1. VK Bund, B. v. 30.1.2004 - Az.: VK 1 - 141/03, B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02; im Ergebnis ebenso VK Brandenburg, B. v. 27.03.2008 - Az.: VK 5/08; 1. VK Sachsen, B. v. 9.5.2003 - Az.: 1/SVK/034-03; VK Südbayern, B. v. 10.11.2003 - Az.: 49-10/03). Hinzu kommt, dass es Sache des Bieters ist, zu entscheiden, ob er ein Haupt- oder ein Nebenangebot abgeben möchte; wollte der Bieter ein Hauptangebot abgeben, so darf die Vergabestelle sich keine Korrekturfunktion anmaßen und ein als solches gewolltes Hauptangebot in ein Nebenangebot umdeuten. Der Wille, ein Nebenangebot abzugeben, muss im Angebot selbst deutlich werden (1. VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06; 1. VK Bund, B. v. 30.1.2004 - Az.: VK 1 - 141/03).

107.5.1.3.30 Änderungen nur in einem Exemplar des Angebots Die Änderung an der Verdingungsunterlage wiegt nicht deswegen weniger schwer, weil sie nur auf einem Exemplar des Angebots vorgenommen wurde. Das Verbot der Änderung an Verdingungsunterlagen gilt für jede Ausfertigung des Angebots. Der Auftraggeber muss sich darauf verlassen können, identische Exemplare zu erhalten, die jeweils das Veränderungsverbot beachten. Bei nicht durchgängig in jedem Angebot vorgenommenen Änderungen ist die Gefahr besonders groß, dass diese zunächst vom Auftraggeber unbemerkt bleiben, weil er nach Durchsicht eines oder mehrerer unveränderter Exemplare darauf vertraut, die übrigen Ausfertigungen seien inhaltlich identisch (2. VK Bund, B. v. 03.04.2006 - Az.: VK 2 - 14/06).

107.5.1.3.31 Zulässige Änderungen durch den Bieter Die Rechtsprechung gibt für seltenste Ausnahmefälle dem Bieter die Befugnis zur eigenmächtigen Änderung der Verdingungsunterlagen:

• es kann nicht zu Lasten des Bieters gehen, wenn er die Verdingungsunterlagen mit gut vertretbarem Ergebnis auslegt, mit diesem Inhalt seinem Angebot zu Grunde legt (z. B. Begriffe in der Leistungsbeschreibung durchstreicht und ändert) und den Auftraggeber darauf hinweist, wie er die Verdingungsunterlagen in diesem Punkt verstanden hat. Solche Hinweise sollten zweckmäßigerweise zwar in Form eines Vermerks angebracht werden, es ist jedoch unschädlich, wenn der Bieter den Weg der Streichung und Ersetzung im Angebotsblankett gewählt hat. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A ist darin bei wertender Betrachtung nicht zu sehen; ein Ausschluss des Bieters bei vom Auftraggeber zu verantwortenden Missverständnissen kommt nicht in Betracht (KG Berlin, B. v. 22.8.2001 - Az.: KartVerg 03/01; 1. VK Bund, B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02)

• ein Bieter kann Änderungen in dem Fall vornehmen, dass es widersprüchliche Leistungsverzeichnis-Vorgaben des Auftraggebers gibt und dieser auf Nachfragen nach den §§ 17 und 17 a VOB/A überhaupt nicht reagiert (1. VK Sachsen, B. v. 15.5.2002 - Az.: 1/SVK/032-02)

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• ein Bieter kann Änderungen vornehmen, wenn er aufgrund einer Abstimmung mit dem Auftraggeber dazu ermächtigt wurde (VK Südbayern, B. v. 18.3.2002 - Az.: 04-02/02)

• eine Ausnahme des Verbots von Änderungen wird nur anerkannt, wenn in seltenen Fällen die Ergänzungen die Vergleichbarkeit des Angebotes nicht beeinträchtigen und lediglich der Erleichterung der Auswertetätigkeit des Auftraggebers dienen (VK Düsseldorf, B. v. 30.9.2002 - Az.: VK - 26/2002 - L)

107.5.1.4 Angebote auf der Basis einer unzulässigen wettbewerbsbeschränkenden Abrede (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe c)) Begriff und wichtige Fälle aus der Rechtsprechung zu Fragen einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung sind in der Kommentierung zu § 97 GWB RZ 97 dargestellt:

• parallele Beteiligung zweier Unternehmen mit identischer Geschäftsführung bzw. konzernverbundener Unternehmen am Wettbewerb

• parallele Beteiligung als Einzelbewerber und Mitglied einer Bewerbergemeinschaft • Ausschluss des Angebots einer Bietergemeinschaft wegen

Wettbewerbsbeschränkung? • (gebietsüberschreitende) Beteiligung eines kommunalen Unternehmens an einem

Vergabeverfahren • Einkaufskooperationen öffentlicher Auftraggeber

107.5.1.5 Nicht zugelassene Nebenangebote (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe d)) Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOB/A sind Nebenangebote auszuschließen, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erklärt, dass er diese nicht zulässt. Dieser Ausschlussgrund gilt auch dafür, dass der Auftraggeber weitere besondere Kriterien für den Ausschluss oder die Zulassung von Nebenangeboten in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich niedergelegt hat und diese Formvorschriften nicht erfüllt werden (VK Lüneburg, B. v. 03.12.2004 - Az.: 203-VgK-52/2004). Die Vorschrift erfasst auch solche Nebenangebote, deren Umfang und/oder Inhalt materiellen Beschränkungen unterliegen sollen, z.B. wenn der Auftraggeber bestimmt, dass Nebenangebote mit negativen Preisen nur gewertet werden, wenn die betroffene Position als Pauschale angeboten wird (VK Thüringen, B. v. 11.01.2007 - Az.: 360-4002.20-024/06-HIG).

107.5.1.6 Zwingender Ausschluss wegen Nichterfüllung der Anforderungen des Leistungsverzeichnisses Zwar ist der Ausschlussgrund der Nichterfüllung der Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht ausdrücklich in der VOB/A oder der VOL/A genannt, doch muss ein derartiges Angebot ausgeschlossen werden, weil es wegen der sich nicht deckenden Willenserklärungen nicht zu dem beabsichtigten Vertragsschluss führen kann

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(OLG München, B. v. 29.03.2007 - Az.: Verg 02/07; BayObLG, B. v. 08.12.2004 - Az.: Verg 019/04; im Ergebnis ebenso VK Schleswig-Holstein, B. v. 14.09.2005 - Az.: VK-SH 21/05; VK Hannover, B. v. 29.09.2004 - Az.: 26045 - VgK 09/2004; VK Nordbayern, B. v. 12.11.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 43/04). Es genügt in diesem Sinne vergaberechtlich auch nicht, dass die für das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme erforderlichen technischen Voraussetzungen eines Gerätes erst zum Zeitpunkt der Lieferung vorliegen. Vielmehr kommt es für die Frage, ob das Gerät der Leistungsbeschreibung entspricht, auf den Zeitpunkt der Angebotslegung an. Wollte man auf den in der Zukunft liegenden Lieferzeitpunkt abstellen, würde in das Vergabeverfahren eine nicht tolerierbare Unsicherheit getragen. Es wäre nämlich nicht sicher, ob die Voraussetzung z.B. der MPG-Konformität jemals vorliegen wird und damit ein Vertrag über die Lieferung des Geräts zustande kommt, für das der Zuschlag erteilt werden soll. Dies gilt auch dann, wenn diese Unsicherheit nur bei einem optional angebotenen Gerät besteht und ggf. auf die Standardposition zurückgegriffen werden kann (OLG München, B. v. 27.01.2006 - Az.: VII - Verg 1/06).

107.5.1.7 Zwingender Ausschluss wegen Unklarheit des Angebots Ein Ausschlussgrund kann sich auch daraus ergeben, dass das Angebot hinsichtlich seines Leistungsinhalts ungenau ist. Das Angebot muss so klar und eindeutig formuliert sein, dass der Auftraggeber nur noch durch einfache Annahmeerklärung (den Zuschlag) einen eindeutigen Vertrag zustande bringen kann, ohne dass er sich der Gefahr aussetzt, dass es im Laufe der Vertragsabwicklung zu Auseinandersetzungen über den Angebotsinhalt kommt. Erfüllt das Angebt diese Vorgaben nicht, so stellt dies einen Ausschlussgrund dar. Wenn schon Änderungen des Bieters an seinen Angaben zweifelsfrei sein müssen, so muss dies nämlich erst recht das Angebot als solches sein (3. VK Bund, B. v. 16.02.2006 - Az.: VK 3 - 03/06). Auch dieser Ausschlussgrund ist nicht ausdrücklich in der VOB/A oder der VOL/A genannt.

107.5.2 Fakultativer Ausschluss (§ 25 Nr. 1 Abs. 2)

107.5.2.1 Fehlende Kennzeichnung eines Nebenangebotes

107.5.2.1.1 Sinn und Zweck der Regelung Ein Nebenangebot muss gemäß § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A bzw. § 21 Nr. 2 VOL/A auf besonderer Anlage gemacht und als solches deutlich gekennzeichnet werden. Ziel dieser Vorschrift ist, Nebenangebote leicht zu erkennen und dadurch ihre Bekanntgabe im Submissionstermin sicherzustellen. Dies trägt wesentlich zur Gewährleistung transparenter Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 1 GWB bei und bewahrt den Auftraggeber vor ungerechtfertigten Manipulationsvorwürfen von Seiten der Bieter (VK Nordbayern, B. v. 26.10.2001 - Az.: 320.VK-3194-37/01).

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Zweck der formalen Trennung von Haupt- und Nebenangeboten ist die Vermeidung von Zweifeln über Tragweite und Umfang des angeforderten Hauptangebots und dessen, was durch Eigeninitiative des Bieters von den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses abweicht (3. VK Bund, B. v. 11.03.2010 - Az.: VK 3 - 18/10). Ein Angebot ist als Nebenangebot deutlich gekennzeichnet, wenn die Anlageblätter z.B. mit den Kennzeichnungen „N1 bis N8“ versehen sind. Die von § 21 Nr. 2 VOL/A verlangte körperliche Trennung des Hauptangebots vom Nebenangebot ist auch gegeben, wenn das Nebenangebot in erster Linie aus den Anlageblättern N1 bis N8 sowie aus den Anlageblättern H1 bis H3 sowie H5 und H6 besteht. Die zuletzt genannten Blätter müssen nicht ein zweites Mal mit dem Nebenangebot eingereicht werden, wenn sie dem Nebenangebot gedanklich und körperlich ohne weiteres zugeordnet werden können (OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05).

107.5.2.1.2 Ermessensregelung Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Eine mangelhafte - oder gar fehlende - Bezeichnung kann nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 VOL/A zum Ausschluss führen. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, derartige Nebenangebote in die Wertung einzubeziehen (VK Nordbayern, B. v. 26.10.2001 - Az.: 320.VK-3194-37/01). Der Verstoß führt also nicht zwingend zum Ausschluss. § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 VOL/A sieht insoweit nur einen fakultativen Ausschlussgrund vor, von dem der Auftraggeber keinen Gebrauch machen muss (OLG Düsseldorf, B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; BayObLG, B. v. 29.4.2002 - Az.: Verg 10/02). Nach einer etwas strengeren Meinung hingegen stellt § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 VOL/A einen Ausschluss zwar in das Ermessen des Auftraggebers, wenn ein Nebenangebot nicht nach § 21 Nr. 2 Satz 2 VOB/A gekennzeichnet ist. Dies soll auch für den Fall gelten, dass ein Hauptangebot in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung abweicht, auf die Kennzeichnung soll es in diesem Fall nicht ankommen. Allerdings ist ein solches Ermessen des Auftraggebers wegen des systematischen Zusammenhangs mit § 21 Nr. 3 Satz 1 VOB/A im Regelfall dahingehend reduziert, das Angebot wegen des bieterschützenden Gebots eines transparenten, chancengleichen Wettbewerbs des § 97 Abs. 1, 2 GWB nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A auszuschließen. § 21 Nr. 3 Satz 1 VOB/A soll die Transparenz gegenüber allen Bietern gewährleisten, indem Nebenangebote als solche erkennbar aufgeführt und im Eröffnungstermin als solche auch identifiziert werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn in Nebenangeboten eine technische Abweichung angeboten wird. Eine solche Abweichung im Angebot eines Bieters ist für die übrigen Bieter bei fehlender Kennzeichnung entgegen § 97 Abs. 1, 2 GWB nicht als solche erkennbar, so dass sie sich darauf und eine diesbezüglich fehlerfreie Durchführung des Vergabeverfahrens nicht von vornherein einstellen können. Gründe, die ausnahmsweise die Berücksichtigung des Angebots als Nebenangebot erfordern können, müssen erkennbar sein (VK Brandenburg, B. v. 12.3.2003 - Az.: VK 07/03; 1. VK Sachsen, B. v. 9.5.2003 - Az.: 1/SVK/034-03). Noch weiter geht die Meinung, dass Nebenangebote nur zu werten sind, wenn sie die Formalien des § 21 Nr. 3 VOB/A erfüllen. Hat ein Bieter sein Nebenangebot nicht so eindeutig bezeichnet, wie es nach § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A sowie in den

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Verdingungsunterlagen (Angebotsschreiben EVM (B) Ang) erforderlich ist, kann wegen dieses gravierenden formalen Verstoßes das Angebot nicht gewertet werden (3. VK Bund, B. v. 21.08.2009 - Az.: VK 3 - 154/09; VK Hannover, B. v. 5.7.2002 - Az.: 26045 - VgK - 3/2002; ähnlich VK Magdeburg, B. v. 20.7.2001 - Az.: VK-OFD LSA- 05/01).

107.5.2.2 Fehlende Nennung der Anzahl von Nebenangeboten an einer vom Auftraggeber bezeichneten Stelle

107.5.2.2.1 Grundsatz Die VOB/A verlangt zwar in § 21 Nr. 3 Satz 1, dass die Anzahl von Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen sind, aber eine Sanktion wie etwa zum § 21 Nr. 3 Satz 2 in § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A bestimmt sie nicht. Der öffentliche Auftraggeber hat also ein Ermessen, ob er etwaige Fehler der Bieter zum Anlass nimmt, das Angebot auszuschließen oder nicht (BayObLG, B. v. 29.4.2002 - Az.: Verg 10/02). Die Vergabekammer kann dieses Ermessen der vergebenden Stelle auf Fehler überprüfen (VK Hannover, B. v. 15.11.2002 - Az.: 26045 - VgK - 15/2002; VK Magdeburg, B. v. 20.7.2001 - Az.: VK-OFD LSA-05/01).

107.5.2.2.2 Beispiele aus der Rechtsprechung

• erkennt der öffentliche Auftraggeber sein in der Frage der Zulässigkeit solcher Angebote eingeräumtes Ermessen nicht, erklärt er aber in der mündlichen Verhandlung des Nachprüfungsverfahrens, dass der "Einsparungsvorschlag" jedoch im Übrigen formal korrekt auf besonderer Anlage in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben wurde und interessante technische Vorschläge enthielt, ist gegen eine Wertung des Angebots nichts einzuwenden (VK Hannover, B. v. 15.11.2002 - Az.: 26045 - VgK - 15/2002).

107.5.2.2.3 Richtlinie des VHB 2008 zu § 25 Nr. 1 Abs. 2 Nebenangebote, die nicht auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sind, werden ausgeschlossen (Richtlinien 212 – Bewerbungsbedingungen – Ziffer 5.5).

107.5.2.3 Tatbestände des § 8 Nr. 5 Für die Entscheidung, wer von der Teilnahme am Wettbewerb überhaupt auszuschließen ist, gilt § 8 Nr. 5 VOB/A. Erklärungen nach § 8 Nr. 5 Abs. 2 VOB/A sind keine Erklärungen im Sinn von § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A; ansonsten würde sich § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A weitgehend erübrigen. Die letztgenannte Bestimmung belegt vielmehr, dass die Vergabestelle Angebote von Bietern bei der Wertung unberücksichtigt lassen darf, die schon mangels Eignung vom Wettbewerb hätten ausgeschlossen werden

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können. Insoweit verlängert § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A den fakultativen Ausschlussgrund des § 8 Nr. 5 VOB/A in die Phase der Angebotswertung (OLG München, B. v. 15.03.2005 - Az.: Verg 002/05; B. v. 27.01.2005 - Az.: Verg 002/05). Zu den einzelnen Tatbeständen des § 8 Nr. 5 vgl. die Kommentierung zu § 8 VOB/A RZ 3926.

107.5.3 Besondere Prüfungspflicht bei einer Häufung von formalen Fehlern der Bieter Wenn bei einem offenen Vergabeverfahren von 21 Angeboten 20 von der Wertung ausgeschlossen werden sollen, ist der Sinn und Zweck des Verfahrens, der oftmals in einem Preis- und Wirtschaftlichkeitsvergleich zu sehen ist, gefährdet. Ein Preisvergleich sowie auch ein Vergleich der Wirtschaftlichkeit verschiedener Angebote sind aber nicht möglich, wenn zuvor schon aus formalen oder auch aus technischen Gründen heraus sämtliche Angebote bis auf ein einziges aus der Wertung ausgeschlossen werden. Aufgrund solcher besonderen Umstände besteht eine verschärfte Prüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers, deren Erfüllung auch nachvollziehbar dokumentiert werden muss (2. VK Bund, B. v. 17.1.2002 - Az.: VK 2 - 46/01).

107.5.4 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu Angeboten von Unternehmen, die vom Auftraggeber keine Aufforderung zur Angebotsabgabe erhalten haben Angebote von Unternehmen, die von der Baudienststelle keine Aufforderung zur Angebotsabgabe erhalten haben,

• sind bei Öffentlicher Ausschreibung wie Angebote der anderen Bieter zu behandeln, • sind bei Beschränkter Ausschreibung wie Angebote der anderen Bieter zu behandeln,

wenn die erforderliche Eignung gegeben ist (Ziffer 2.4 Nr. 2).

107.5.5 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zur Formalprüfung Zunächst sind die Angebote in formaler Hinsicht zu prüfen. Dabei ist gemäß § 21 VOB/A, den Angaben in den "Bewerbungsbedingungen" und in der "Aufforderung zur Angebotsabgabe" insbesondere festzustellen,

• ob die Angebote unvollständig sind (Preise, Erklärungen, Unterschrift, geforderte Unterlagen usw.),

• ob Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen zweifelhaft sind, • ob Hauptangebote mit negativen Einheitspreisen (siehe Nr. 3

"Bewerbungsbedingungen", Teil B) angeboten sind, • ob Preisnachlässe als Betrag (Pauschale), Preisnachlässe als v. H.-Betrag bezogen auf

die Angebots-/Auftragssumme sowie Preisnachlässe, die Nachträge ausschließen, angeboten sind (siehe Nr. 3 "Bewerbungsbedingungen", Teil B),

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• ob eine selbstgefertigte Kurzfassung des Leistungsverzeichnisses dem geforderten Aufbau nicht entspricht,

• ob angebotene Preisnachlässe ohne Bedingungen nicht unter Nr. 4 des "Angebotsschreibens" eingetragen sind (siehe Nr. 3.4 "Bewerbungsbedingungen", Teil A),

• ob Preisnachlässe mit Bedingungen für die Zahlungsfrist (Skonti) (siehe Nr. 3.4 "Bewerbungsbedingungen", Teil A) angeboten sind (Ziffer 2.4 Abs. 5),

• ob sie Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalten, auch ob ein Bieter eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen zum Bestandteil seines Angebotes gemacht hat,

• ob bei Bietergemeinschaften die geforderte Erklärung in der "Erklärung der Bieter-/Arbeitsgemeinschaft" (siehe Nr. 5.1 "Bewerbungsbedingungen", Teil A) fehlt oder unvollständig ausgefüllt ist, und ob auf dem "Angebotsschreiben" Stempel und Unterschrift des bevollmächtigten Vertreters fehlen,

• ob bei Beschränkter Ausschreibung Angebote von Unternehmen vorliegen, die nicht zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert wurden,

• ob ausdrücklich "nicht zugelassene" Nebenangebote/Änderungsvorschläge eingereicht wurden,

• ob die Anzahl der abgegebenen Nebenangebote/Änderungsvorschläge unter Nr. 3 des "Angebotsschreibens" eingetragen wurden,

• ob Nebenangebote oder Änderungsvorschläge nicht auf besonderer Anlage gemacht und ob sie nicht als solche deutlich gekennzeichnet sind,

• ob bei Nebenangeboten mit negativen Preisen die betroffenen Teilleistungen (OZ, Positionen) als Pauschalen (siehe Nr. 4.2 "Bewerbungsbedingungen", Teil B) angeboten wurden (Ziffer 2.4 Abs. 8).

107.5.6 Literatur

• Bode, Henning, Zwingender Angebotsausschluss wegen fehlender Erklärungen und Angaben – Inhalt, Grenzen und Möglichkeiten zur Reduzierung der Ausschlussgründe, VergabeR 2009, 729

• Luber, Hermann, Der formalistische Angebotsausschluss, das Wettbewerbsprinzip und der Grundsatz der sparsamen Mittelverwendung im Vergaberecht, VergabeR 2009, 14

• Noch, Rainer, Wann beginnt die "Förmelei"? - Formale Angebotsprüfung: Auch Vergabestelle sind gefordert, Behörden Spiegel Oktober 2007, 28

107.6 2. Wertungsstufe: Eignungsprüfung (§ 25 Nr. 2)

107.6.1 Allgemeines § 25 Nr. 2 VOB/A deckt sich inhaltlich im Wesentlichen mit § 97 Abs. 4 Halbsatz 1 bzw. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A. Deshalb erfolgt eine einheitliche Kommentierung dieser Wertungsstufe bei § 97 Abs. 4 GWB RZ 392.

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107.6.2 Interpretierende Klarstellung des § 25 Abs. 2 durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz Durch das Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften vom 01.09.2005 (BGBl. I S. 2676) ist § 6 VgV dahingehend geändert worden, dass der bisherige Wortlaut Absatz 1 wird und die Absätze 2 und 3 angefügt werden. Nach Absatz 2 Nr. 1 VgV gelten § 2 Nr. 1 und § 25 Nr. 2 VOB/A bei einer Auftragsvergabe an mehrere Unternehmen mit der Maßgabe, dass der Auftraggeber nur für den Fall der Auftragsvergabe verlangen kann, dass eine Bietergemeinschaft eine bestimmte Rechtsform annehmen muss, sofern dies für die ordnungsgemäße Durchführung des Auftrages notwendig ist. Diese Regelung ist in § 8a Nr. 8 VOB/A umgesetzt worden. Zu den Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 6 VgV RZ 3268 ff.

107.7 3. Wertungsstufe: Prüfung der Angebotspreise (§ 25 Nr. 3)

107.7.1 Richtlinie des VHB 2008 Bei der Wertung ist zu untersuchen, ob das Angebot

• in sich schlüssig ist, also im Kostenaufbau und im Verhältnis der Einheitspreise zueinander eine ordnungsgemäße Kalkulation erkennen lässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Einzel- und Gemeinkosten nicht bei allen Betrieben gleich abgegrenzt werden;

• wesentlich von den anderen Angeboten abweicht. Dabei sind etwaige Kostenunterschiede infolge der von den Bietern gewählten unterschiedlichen Arbeitsverfahren und Ausführungsarten sowie die sich daraus ergebenden Verschiebungen zwischen den einzelnen Kostengruppen (arbeits- und geräteintensive Ausführung, Verwendung vorgefertigter Bauteile oder reine Baustellenfertigung usw.) zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, ist zu prüfen, ob das vorgesehene Arbeitsverfahren technisch möglich und für eine vertragsgemäße Ausführung geeignet ist, die vorgesehenen Maschinen und Geräte dem Arbeitsverfahren entsprechen und der vorgesehene Maschinen- und Geräteeinsatz für die Ausführung der Leistung in der vorgeschriebenen Bauzeit ausreicht (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.1.1).

107.7.2 Angebote mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis (§ 25 Nr. 3 Abs. 1) Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Dieses Verbot dient dem Ziel, die wirklich seriös kalkulierten Angebote in die letzte Wertungsphase einzubeziehen (OLG Düsseldorf, B. v. 19.11.2003 - Az.: VII - Verg 22/03). Die Regelung des § 25 Nr. 3 Abs. 1 und des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A dienen in

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erster Linie dem Schutz des Auftraggebers vor der Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos, nicht jedoch den Schutz des Bieters vor seinem eigenen zu niedrigen Angebot (VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05). Der Auftraggeber läuft bei der Zuschlagserteilung auf ein solches Unterangebot Gefahr, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht mängelfrei, zu Ende führt (BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03; VK Düsseldorf, B. v. 02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 - B).

107.7.2.1 Unangemessen niedriger oder hoher Preis

107.7.2.1.1 Allgemeines Von einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis ist dann auszugehen, wenn der angebotene (Gesamt-)Preis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass eine genauere Überprüfung nicht im einzelnen erforderlich ist und die Unangemessenheit des Angebotspreises sofort ins Auge fällt (OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; B. v. 19.11.2003 - Az.: Verg 22/03; OLG Koblenz, B. v. 28.10.2009 - Az.: 1 Verg 8/09; LG Leipzig, Urteil v. 24.01.2007 - Az.: 06HK O 1866/062; VK Baden-Württemberg, B. v. 29.04.2009 - Az.: 1 VK 15/09; B. v. 11.9.2003 - Az.: 1 VK 52/03, B. v. 30.4.2002 - Az.: 1 VK 17/02; VK Berlin, B. v. 27.07.2009 - Az.: VK - B 1 – 18/09; B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; VK Brandenburg, B. v. 10.11.2006 - Az.: 2 VK 44/06; 3. VK Bund, B. v. 02.08.2006 - Az.: VK 3 - 75/06; VK Hessen, B. v. 20.08.2009 - Az.: 69 d VK – 26/2009; B. v. 30.05.2005 - Az.: 69 d VK - 10/2005; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 05.07.2005 - Az.: VgK-26/2005; B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; B. v. 02.07.2004 - Az.: VK 13/04; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 04.05.2005 - Az.: VK 08/05; B. v. 06.04.2005 - Az.: VK 09/05; B. v. 04.04.2005 - Az.: VK 08/04; 3. VK Saarland, B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; B. v. 10.02.2005 - VK-SH 02/05; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07; B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07; B. v. 27.11.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-33-10/06; B. v. 10.02.2006 - Az. Z3-3-3194-1-57-12/05; VK Thüringen, B. v. 30.01.2006 - Az.: 360-4003.20-055/05-EF-S; B. v. 21.1.2004 - Az.: 360-4002.20- 037/03-MHL). Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist (OLG Schleswig-Holstein, B. v. 26.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; LG Leipzig, Urteil v. 24.01.2007 - Az.: 06HK O 1866/062; 1. VK Brandenburg, B. v. 08.12.2006 – Az.: 1 VK 49/06; 2. VK Brandenburg, B. v. 10.11.2006 - Az.: 2 VK 44/06; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007). Auch ein erheblich unter den Preisen anderer Bieter liegendes Angebot kann sachgerechte und auskömmlich kalkulierte Wettbewerbspreise enthalten (OLG Schleswig-Holstein, B. v. 26.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07). Hinzukommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (LG Leipzig, Urteil v. 24.01.2007 - Az.: 06HK O 1866/062; 1. VK Brandenburg, B. v. 08.12.2006 – Az.: 1 VK 49/06; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt (BGH, B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; B. v. 28.09.2006 - Az.: VII - Verg 49/06; OLG Naumburg, B. v. 22.09.2005 - Az.: 1 Verg 7/05; LG Leipzig, Urteil v. 24.01.2007 - Az.: 06HK O 1866/062; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 05.07.2005 -

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Az.: VgK-26/2005; B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005; B. v. 24.05.2004 - Az.: 203-VgK-14/2004; B. v. 29.04.2004 - Az.: 203-VgK-11/2004, B. v. 24.11.2003 - Az.: 203-VgK-29/2003, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-17/2003, B. v. 10.3.2003 - Az.: 203VgK-01/2003; VK Nordbayern, B. v. 04.12.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/06; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 04.05.2005 - Az.: VK 08/05; B. v. 04.04.2005 - Az.: VK 08/04; 3. VK Saarland, B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 27.04.2005 - Az.: 1/SVK/032-05; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07; VK Thüringen, B. v. 30.01.2006 - Az.: 360-4003.20-055/05-EF-S). Der öffentliche Auftraggeber hat insoweit sorgfältig zu prüfen und zu erwägen, ob ein niedriges Unterkostenangebot berücksichtigt und ggf. bezuschlagt werden kann oder nicht. Hierzu ist zunächst festzustellen, ob ein überprüfungspflichtiges niedriges Angebot vorliegt. Im Weiteren hat er das Angebot auf seine wirtschaftliche Auskömmlichkeit zu überprüfen, wobei der Bieter zu hören ist. Schließlich ist unter Berücksichtigung der Stellungnahme und der Erläuterungen des Bieters zu werten, ob trotz des niedrigen Angebots eine ordnungs- und vertragsgemäße Leistungserbringung zu erwarten ist oder nicht (1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07). Der bloße Hinweis eines Bieters, dass er bereits an der Grenze kalkuliert habe, rechtfertigt keinesfalls den Schluss, dass das günstigere Angebot eines anderen Bieters damit automatisch ein Unterangebot sein muss. Die materielle Beweislast dafür, dass der von einem Konkurrenten angebotene Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht, trägt der Antragsteller, nicht der Auftraggeber (VK Nordbayern, B. v. 17.11.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 50/09; B. v. 28.01.2009 - Az.: 21.VK - 3194 - 55/08).

107.7.2.1.2 Gesamtpreis als Ausgangspunkt der Beurteilung der Unangemessenheit Für die Prüfung der Angemessenheit des Angebotes ist nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Düsseldorf, B. v. 09.02.2009 - Az.: VII-Verg 66/08; B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08; OLG Rostock, B. v. 06.07.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; B. v. 17.06.2005 - Az.: 17 Verg 8/05; OLG Schleswig-Holstein, B. v. 26.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05, B. v. 11.9.2003 - Az.: 1 VK 52/03; VK Hessen, B. v. 20.08.2009 - Az.: 69 d VK – 26/2009; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 05.07.2005 - Az.: VgK-26/2005; B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 06.04.2005 - Az.: VK 09/05; 3. VK Saarland, B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; B. v. 09.02.2009 - Az.: 1/SVK/071-08; B. v. 09.12.2005 - Az.: 1/SVK/141-05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07; B. v. 27.11.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-33-10/06). Deshalb liegt noch kein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung vor, wenn ein Bieter für eine bestimmte Einzelleistung entweder keinen oder einen auffallend niedrigen Preis eingesetzt hat, sofern er dies bei entsprechend hoher Kalkulation bei anderen Positionen ausgleichen kann (KG Berlin, B. v. 26.2.2004 - Az.: 2 Verg 16/03, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03; BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03; OLG Celle, B. v. 22.5.2003 - Az.: 13 Verg 10/03; OLG Dresden, B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0005/02; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 06.04.2005 - Az.: VK 09/05; VK Thüringen,

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B. v. 21.1.2004 - Az.: 360-4002.20-037/03MHL; 2. VK Bund, B. v. 10.12.2003 - Az.: VK 1 - 116/03; VK Lüneburg, B. v. 24.05.2004 - Az.: 203-VgK-14/2004; B. v. 29.04.2004 - Az.: 203-VgK-11/2004, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-17/2003; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.4.2002 - Az.: 1 VK 17/02, B. v. 20.3.2002 - Az.: 1 VK 4/02; 1. VK Sachsen, B. v. 16.7.2002 - Az.: 1/SVK/061-02, B. v. 23.5.2002 - Az.: 1/SVK/039-02, B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024-02g).

107.7.2.1.3 Einzelpreise als Punkt der Beurteilung der Unangemessenheit

107.7.2.1.3.1 Grundsatz Der Auftraggeber ist auch berechtigt und verpflichtet, die Preise für einzelne Leistungspositionen zu prüfen (BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03; OLG Naumburg, B. v. 7.5.2002 - Az.: 1 Verg 19/01; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; VK Südbayern, B. v. 27.11.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-33-10/06; 1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024-02g; 2. VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 62/05). Ist bei gewichtigen Einzelpositionen ein Missverhältnis zwischen Leistung und Preis festzustellen, kommt es darauf an, ob an anderer Stelle des Angebots ein entsprechender Ausgleich geschaffen ist und damit das Angebot insgesamt kein Missverhältnis zwischen Leistung und Preis aufweist (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; VK Nordbayern, B. v. 15.1.2004 - Az.: 320.VK-3194-46/03).

107.7.2.1.3.2 Anwendung eines Mittelwertverfahrens Die Ermittlung von Mittelwerten für einzelne Leistungstitel führt ohne Berücksichtigung der Gesamtangebote zu keiner transparenten Beurteilung der Preisunterschiede, um daraus Indizien für die Unangemessenheit eines Preises abzuleiten. Denn maßgebend für die Beurteilung ist zunächst der für die Leistung geforderten Gesamtpreis (Angebotssumme), nicht einzelne Leistungspositionen. Außer Betracht bleibt, ob etwa die Preise für einzelne Positionen in einem Missverhältnis zu entsprechenden Einzelleistungen stehen. Denn der niedrige Preis für Einzeltitel kann durch andere Positionen ausgeglichen werden, sofern keine unzulässige Mischkalkulation stattfindet, das heißt keine überhöhten Spekulationspreise an anderer Stelle „versteckt“ werden (VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09).

107.7.2.1.3.3 Preise von 0,01 € u.ä. Vgl. dazu und insbesondere zur Rechtsprechung des BGH zur Mischkalkulation die Kommentierung RZ 5338. Nach dieser Rechtsprechung sind Einzelpreise von z.B. 0,01 € u.ä. also nur dann nicht zulässig, wenn eine Mischkalkulation stattfindet, Preisbestandteile also in mehreren Positionen enthalten sind. Handelt es sich um einen unangemessen niedrigen oder hohen Preis, der nicht auf andere Positionen „ausstrahlt“, ist das Angebot vollständig und

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entsprechend den nachfolgenden Grundsätzen zu prüfen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.06.2006 – Az.: VK-SH 18/06; VK Hessen, B. v. 25.08.2004 - Az.: 69 d - VK – 52/2004).

107.7.2.1.4 Anhaltspunkte für die Unangemessenheit Als Anhaltspunkt sind grundsätzlich die Preisvorstellungen des Auftraggebers (Haushaltsansatz) und die Angebotssummen der anderen Bieter heranzuziehen (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; Thüringer OLG, B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; VK Berlin, B. v. 27.07.2009 - Az.: VK - B 1 – 18/09; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; VK Nordbayern, B. v. 04.12.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/06; 3. VK Bund, B. v. 02.08.2006 - Az.: VK 3 - 75/06; VK Thüringen, B. v. 30.01.2006 - Az.: 360-4003.20-055/05-EF-S; B. v. 21.1.2004 - Az.: 360-4002.20-037/03-MHL; VK Südbayern, B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07; B. v. 10.02.2006 - Az. Z3-3-3194-1-57-12/05; 1. VK Sachsen, B. v. 11.10.2001 - Az.: 1/SVK/98-01, 1/SVK/98- 01g, B. v. 10.9.2003 - Az.: 1/SVK/107-03). Die VK Hessen spricht insoweit vom Erwartungswert, der in erster Linie der Kostenschätzung dient, die erforderlich ist, um die für die Vergabe nötigen Mittel in den Haushalt einzustellen und den Auftragswert für die beabsichtigte Ausschreibung zu schätzen (VK Hessen, B. v. 30.05.2005 - Az.: 69 d VK - 16/2005; B. v. 30.05.2005 - Az.: 69 d VK - 10/2005). Bei einem solchen Preisvergleich sind die Angebote, die zwingend ausgeschlossen werden müssen, nicht zu berücksichtigen (OLG Koblenz, B. v. 23.12.2003 - Az.: 1 Verg 8/03; anderer Auffassung OLG München, B. v. 02.06.2006 – Az.: Verg 12/06; VK Nordbayern, B. v. 27.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/08). Liegt eine große Differenz (mehr als 10%) zwischen dem Angebot des preisgünstigsten Bieters und dem des nachfolgenden Bieters vor, ist auch die Aussagekraft der zweiten Vergleichsgröße, der Kostenberechnung, kritisch zu hinterfragen (mögliche Projektänderungen nach Aufstellung der Kostenberechnung, war es überhaupt eine Kostenberechnung oder nur Kostenschätzung, Beachtung der Genauigkeit der Kostenermittlung (Kostenberechnung, Kostenschätzung oder anderes), aktuelle Basisdaten, Gruppenbildung von Angeboten unterhalb der Kostenberechnung, usw.). Erst nach diesen Betrachtungen kann die Kostenberechnung als aussagekräftige Vergleichsgröße herangezogen, oder ausgeschlossen werden. Hilfsweise kann nach Ausschluss der Kostenberechnung, im Falle des Vorliegens einer Angebotsgruppe (Angebote, die eng beieinander liegen) deren Mittelpreis als Vergleichsgröße (möglicher Marktpreis) angenommen werden. Liegen bei diesen Vergleichen die Differenzen zum preisgünstigsten Angebot weit über 10% ist von den Bietern Aufklärung zu verlangen (VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; VK Südbayern, B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07; VK Thüringen, B. v. 30.01.2006 - Az.: 360-4003.20-055/05-EF-S; B. v. 6.7.2001 - Az.: 216-4002.20-020/01-NDH). Demgegenüber besagt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz der prozentuale Abstand zu Angebotspreisen besser platzierter Bieter für sich allein nichts darüber, ob ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung besteht. Es ist vielmehr mangels entgegenstehender Indizien davon auszugehen, dass jeder im Wettbewerb stehende und ernsthaft am Auftrag interessierte Bieter ein marktorientiertes Angebot abgibt. Dass es angesichts unterschiedlicher betriebsindividueller Verhältnisse dabei auch zu größeren Preisunterschieden kommen kann, liegt in der Natur der Sache (OLG Koblenz, B. v. 23.12.2003 - Az.: 1 Verg 8/03; im Ergebnis ebenso OLG Schleswig-Holstein, B. v.

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26.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; VK Nordbayern, B. v. 04.12.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/06). Unterschreitet bei losweiser Ausschreibung der Angebotspreis des Bieters, dem der Zuschlag erteilt werden soll, den unteren Durchschnittspreis der vom Auftraggeber festgestellten Bandbreite um knapp 8 %, ist diese Preisunterschreitung kein überzeugungskräftiges Anzeichen dafür, dass der von diesem Bieter angebotene Preis im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Es handelt sich um eine vergleichsweise geringe Abweichung vom Durchschnittspreis, die die Gefahr einer nicht zuverlässigen und vertragsgerechten Erbringung der Leistung nicht zu begründen vermag. Von daher kommt es auch nicht darauf an, dass zwischen dem Angebot des Bieters, dem der Zuschlag erteilt werden soll, und dem des nächstfolgenden Angebots ein preislicher Abstand von etwa 20 % gegeben ist. Der Preisabstand ist kein ausreichendes Indiz für einen ungewöhnlich niedrigen Preis. Denn es spricht nichts dafür, dass gerade das höhere Preisangebot das allein marktgerechte ist (OLG Düsseldorf, B. v. 23.03.2005 - Az.: VII - Verg 68/04; im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06). Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots sind konkrete Anhaltspunkte dafür zu verlangen, dass der niedrige Preis keinen Wettbewerbspreis darstellt, der Ausdruck der konkreten, betriebsindividuellen Verhältnisse und zugleich Reaktion des Unternehmens auf das wettbewerbliche Umfeld ist (1. VK Brandenburg, B. v. 08.12.2006 – Az.: 1 VK 49/06). Ein niedriger Preis kann bei einer arbeitsintensiven Tätigkeit auf ein niedrigeres Gehaltsniveau zurückzuführen sein. Hierbei handelt es sich um einen legitimen Preisvorteil des Anbieters (VK Nordbayern, B. v. 04.12.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/06). Auch in der Erstellung eines Idealpreisspiegels, in den zu jeder Leistungsposition das jeweils niedrigste Angebot aller Bieter eingeflossen ist, liegt kein zulässiger Vergleichsmaßstab. Vielmehr widerspricht es einer betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung, weil die Bieter unterschiedliche Kalkulationssätze verwenden. Die Kalkulation und somit eine für die Teilleistung angebotene Vergütung obliegt ausschließlich dem Aufgabebereich des Bieters. Die Angebotskalkulation berührt den Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb (VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07; B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07). Zur Feststellung eines unangemessen niedrigen oder hohen Angebotes kann auch nicht ein bepreistes Leistungsverzeichnis, das vom Auftraggeber anhand von aktuell recherchierten Marktpreisen erarbeitet wurde, herangezogen werden (VK Südbayern, B. v. 06.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-19-05/07). Grundsätzlich hat der Auftraggeber – im Gegensatz zur Prüfungspflicht bei der Feststellung eines ungewöhnlich niedrigen Preises - einen eigenen Beurteilungsspielraum dahingehend, wie er die Prüfung auf die Unangemessenheit des Preises durchführt. Dabei ist von vornherein einzustellen, dass sowohl die Vergabekammer als auch das zweitinstanzliche Oberlandesgericht lediglich zu einer Kontrolle von Wertungsentscheidungen, nicht aber zu einer eigenständigen Ausübung derselben anstelle des Auftraggebers befugt sind. Der von der Antragstellerin beantragte Vergaberechtsschutz ist beschränkt auf die Umstände, ob insbesondere das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde oder sachgemäße (oder sachwidrige) Erwägungen in die Wertung einbezogen wurden (1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09).

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Ein Antragsteller kann einem Auftraggeber nicht Umfang und Ausgestaltung der Auskömmlichkeitsprüfung diktieren oder zu einem immer weiter und tiefer gehenden Rechtfertigungsszenario zwingen, bis schlussendlich aus Sicht des Antragstellers ein Rechtfertigungsmanko der Beigeladenen zu konstatieren ist (1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09).

107.7.2.1.5 Beispiele aus der Rechtsprechung

107.7.2.1.5.1 Beispiele für die Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises

• das Indiz für einen unangemessen niedrigen Preis, nämlich eine erhebliche Abweichung zum nachfolgenden Angebot der Antragstellerin, wird üblicherweise bei 10% festgemacht (VK Düsseldorf, B. v. 24.11.2009 - Az.: VK – 26/2009 – L; B. v. 08.09.2009 - Az.: VK – 17/2009 – L)

• nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A darf auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot ein Zuschlag nicht erteilt werden, wenn dessen Preis in einem auffälligen Missverhältnis zu der zu erbringenden Leistung steht. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Vergabestellen verpflichtet sind die Angemessenheit der Preise zu prüfen, wenn der Abstand zwischen dem erstplatzierten und dem nächstplatziertem Angebot eines Bieters mehr als 20% beträgt (VK Münster, B. v. 15.09.2009 - Az.: VK 14/09)

• ist ein Bieter zwar mit 3.144.000 € (brutto mit 16 % Mehrwertsteuer) mit Abstand die günstigste Bieterin für das Los 3 und liegen der zweitgünstigste Bieter bei 3.328.000 € und die Beigeladene bei 3.323.000 €, liegt die Differenz zum nächstplazierten Bieter damit unter 10 %. Dies rechtfertigt einen Ausschluss wegen unangemessen niedriger Preise nicht. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil nach der Kostenschätzung des Auftraggebers die Kosten für das Los 3 noch erheblich unter dem von der Antragstellerin angebotenen Preis liegt (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06)

• es spielt keine Rolle, dass ausweislich der Vergabeempfehlung von einem Abstand von 9,5% ausgegangen wurde, dieser tatsächlich jedoch über 11% betrug. Denn selbst eine Abweichung des Preises des niedrigsten Angebotes zu dem nächst höherem Angebot von mehr als 20% rechtfertigt nach der Rechtsprechung für sich allein noch nicht die Annahme, dass ein offenbares Missverhältnis vorliegt. Hinzukommen müssen vielmehr Anhaltspunkte, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist, es sich also um keinen Wettbewerbspreis handelt (VK Hessen, B. v. 30.05.2005 - Az.: 69 d VK - 10/2005)

• geht es um einen Preisunterschied von annähernd 50 % zum Zweitbieter, greift unstreitig die Vermutung für einen unangemessen niedrigen Preis (VK Südbayern, B. v. 10.02.2006 - Az. Z3-3-3194-1-57-12/05)

• in der überwiegenden Anzahl der Fälle ist bei Differenzen von größer 10% die Vermutung für das Vorliegen eines nicht angemessenen Angebotspreises gegeben (VK Thüringen, B. v. 30.01.2006 - Az.: 360-4003.20-055/05-EF-S)

• ein offenbares Missverhältnis ist erst dann anzunehmen, wenn zwischen dem günstigsten Angebot (hier der Beigeladenen) und dem nächsten Angebot ein preislicher Abstand von mehr als 20 % gegeben ist (3. VK Bund, B. v. 02.08.2006 - Az.: VK 3 - 75/06; 2. VK Bund, B. v. 24.08.2004 - Az.: VK 2 – 115/04)

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• eine Nachfrage- bzw. Aufklärungspflicht setzt etwa bei einer Abweichung von mehr als 20 % vom günstigsten der eingegangenen übrigen Angebote an (OLG Frankfurt am Main, B. v. 30.03.2004 - Az.: 11 Verg 4/04, 5/04)

• ein prozentualer Abstand zu Angebotspreisen der besser platzierten Bieter (bis zu knapp 8%) besagt für sich allein nichts darüber, ob ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung besteht. Es ist vielmehr mangels entgegenstehender Indizien davon auszugehen, dass jeder im Wettbewerb stehende und ernsthaft am Auftrag interessierte Bieter ein marktorientiertes Angebot abgibt. Dass es angesichts unterschiedlicher betriebsindividueller Verhältnisse dabei auch zu größeren Preisunterschieden kommen kann, liegt in der Natur der Sache (OLG Koblenz, B. v. 18.12.2003 - Az.: 1 Verg 8/03)

• beträgt die Differenz zu dem nach Angebotseröffnung nächst platzierten Bieter fast 13% und zu dem niedrigsten in der abschließenden Wertung verbliebenen Angebot - ohne Berücksichtigung des eingeräumten Nachlasses - rund 22%, liegt ein Unterangebot vor (BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03)

• liegt ein Angebot 18,4% unter dem nächsthöheren Angebot bzw. beträgt die Differenz zwischen einem Angebot und dem nächsthöheren Angebot 21,35%, ist ein solcher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten für sich genommen kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist oder gar in offenbarem Missverhältnis zu ihr steht (BayObLG, B. v. 3.7.2002 - Az.: Verg 13/02)

• liegt ein Angebot im Preis knapp 35% unter dem nächstniedrigen Angebot und ca. 52% unter dem höchsten Angebot, kann zunächst von einem unangemessen niedrigen Preis ausgegangen werden (OLG Celle, B. v. 18.12.2003 - Az.: 13 Verg 22/03; VK Lüneburg, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-17/2003)

• angesichts eines Preisabstandes von 9% hat der Auftraggeber keine Veranlassung, ein Angebot als ungewöhnlich niedrig einzustufen und einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen (VK Lüneburg, B. v. 14.05.2004 - Az.: 203-VgK-13/2004)

• angesichts eines Preisabstandes von 30% hat der Auftraggeber ein Angebot als ungewöhnlich niedrig einzustufen und einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen (VK Lüneburg, B. v. 02.07.2004 - Az.: VK 13/04; B. v. 29.04.2004 - Az.: 203-VgK-11/2004)

• angesichts eines geringen Preisabstandes von 5,47% hat der Auftraggeber keine Veranlassung, ein Angebot als ungewöhnlich niedrig einzustufen und einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen (VK Lüneburg, B. v. 26.04.2004 - Az.: 203-VgK-10/2004)

• liegt im Hinblick auf den Gesamtpreis (Angebotssumme) das Angebot des Antragstellers um weniger als 1% niedriger als das Angebot des Beigeladenen, ist ein aufklärungsbedürftiges Missverhältnis von Preis und Leistung nicht gegeben (VK Thüringen, B. v. 21.1.2004 - Az.: 360-4002.20-037/03-MHL)

• weicht ein Angebot von dem nächst günstigeren Angebot um ca. 44% nach unten ab, ist eine Angemessenheitsprüfung notwendig (VK Lüneburg, B. v. 24.11.2003 - Az.: 203-VgK-29/2003)

• liegt ein Angebot lediglich 16,9% unter dem nächstfolgenden und berücksichtigt man, dass der Angebotspreis einen Anteil Gewinn und Wagnis beinhaltet, so wird die Differenz zwischen einem auskömmlichen und einem nicht auskömmlichen Angebot nochmals deutlich geringer. Insgesamt betrachtet kann somit erst von einem Angebot gesprochen werden, dessen Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht, wenn sich die Preisabweichung grob darstellt, wovon ausgegangen wird, wenn diese über 20 bis 25% liegt (VK Baden-Württemberg, B. v. 18.7.2003 - Az.: 1 VK 30/03)

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• liegt ein Angebot ca. 15,6% unterhalb des nächsten Angebots und ca. 17% unterhalb des über alle fünf Angebote gemittelten Angebotspreises (1/5 der Summe aller Angebotspreise), ist ein solcher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und dem nachfolgenden Angebot für sich genommen kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zu der angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrig ist oder gar in einem offenbaren Missverhältnis hierzu steht; auch ein auffälliger Abstand kann darauf zurückzuführen sein, dass die anderen Angebote überhöht sind, z. B. weil es sich um Kartellpreise handelt (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.4.2002 - Az.: - 1 VK 17/02); vielmehr müssen in jedem Fall Anhaltspunkte hinzukommen, dass der niedrige Preis wettbewerbrechtlich nicht begründet ist, es sich also nicht um einen echten Wettbewerbspreis handelt (VK Bremen, B. v. 16.7.2003 - Az.: VK 12/03)

• beträgt - bezogen auf den Mittelpreis der vorgelegten Angebote - die Abweichung ca. 18%, darf bei einem solchen Preisunterschied der Auftraggeber gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A den Zuschlag nicht ohne jegliche Prüfung der Angemessenheit des Preises auf dieses Angebot erteilen (VK Lüneburg, B. v. 10.3.2003 - Az.: 203-VgK-01/2003)

• in der Regel werden bei durchschnittlich dynamischen Märkten preisliche Abweichungen von 15 bis 20% als nicht bedenklich einzustufen sein (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.11.2004 - Az.: 1 VK 69/04; 2. VK Bund, B. v. 27.8.2002 - Az.: VK 2 - 60/02)

• eine 10-%-Differenz ist von der Rechtsprechung als Grenzwert entwickelt worden. Die Überschreitung dieser Grenze zieht jedoch nicht automatisch den Ausschluss eines Angebotes nach sich, sondern es wird eine Überprüfung der niedrigen Angebotssumme erforderlich (1. VK Sachsen, B. v. 4.7.2003 - Az.: 1/SVK/073-03, 1/SVK/073-03g, B. v. 13.9.2002 - Az.: 1/SVK/082-02; VK Nordbayern, B. v. 15.1.2004 - Az.: 320.VK-3194-46/03)

• nach herrschender Meinung wird davon ausgegangen, dass eine Differenz des preisgünstigsten Bieters zum zweitgünstigsten Bieter von ca. 10% keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit des Angebotspreises gibt (VK Thüringen, B. v. 25.10.2001 - Az.: 216-4002.20-036/01-G-S)

• eine Aufklärung der Angemessenheit des Gesamtpreises ist nicht geboten, wenn der Preisabstand zum Angebot der Antragstellerin nur etwa 2,5% und zu den nächstplatzierten Angeboten etwa 8,5% ausmacht und die einschlägige Rechtsprechung eine Angemessenheitsprüfung des Preises nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A erst oberhalb von 10% Preisabstand für zwingend hält (VK Münster, B. v. 10.2.2004 - Az.: VK 1/04)

• die Differenz der Endsummen der Angebote beträgt im vorliegenden Fall nur 3,8%. Allgemein wird die kritische Grenze bei einer Abweichung von 10% zum nächst höheren Angebot gezogen (1. VK Sachsen, B. v. 23.5.2002 - Az.: 1/SVK/039- 02)

• der Auftraggeber hat angesichts der Abweichung des Angebots vom nächst günstigeren Angebot um 16% Anlass, dieses Angebot gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A zu prüfen (VK Lüneburg, B. v. 12.11.2001 - Az.: 203-VgK-19/2001)

• der Angebotspreis liegt um 2% vor dem nächstliegenden Angebot und um 4% vor dem Hauptangebot. Von einem unangemessenen niedrigen Angebotspreis kann deshalb nicht ausgegangen werden (VK Nordbayern, B. v. 27.6.2001 - Az.: 320.VK-3194-16/01)

• problematisch ist die Feststellung eines nicht auskömmlichen Preises in einem Fall, in dem es keine Erfahrungswerte für eine wettbewerbliche Preisbildung gibt, weil es sich bei dem nachgefragten Produkt um eine Spezialanfertigung handelt, für die es bisher keinen Markt gibt. Nur der Vergleich mit den Angebotspreisen der anderen

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Bieter ist zur Annahme eines nicht auskömmlichen Preis nicht ausreichend (2. VK Bund, B. v. 22.4.2002 - Az.: VK 2 - 08/02)

107.7.2.1.5.2 Beispiele für die Vermutung eines unangemessen hohen Preises

• Preise, die ca. 16% über einem Durchschnittspreis liegen, sind noch marktüblich (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.04.2009 - Az.: 1 VK 15/09)

• es kann nicht von einem unangemessen hohen Preis ausgegangen werden, wenn der Angebotspreis zwar die Endsumme der Kostenschätzung des von der Antragsgegnerin eingeschalteten Ingenieurbüros um rund 16,6 % übersteigt, die Kostenschätzung aber aus Oktober 2005 stammt, während das Angebot im November 2006 eingereicht wurde und gerade in diesem Zeitraum eine erhebliche Steigerung der Baupreise stattgefunden hat und wenn es zu Massenmehrungen gekommen ist. Auch aus dem von der früheren Beigeladenen errechneten Angebotspreis lässt sich nicht auf eine Überhöhung des Angebotspreises der Antragstellerin schließen. Dabei kann zugunsten der Antragsgegnerin davon ausgegangen werden, dass die frühere Beigeladene - trotz der von der Vergabekammer beanstandeten fehlenden Referenzen - geeignet und ihr Angebot nicht wegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebots auszuschließen ist. Der von ihr angebotene Preis ist nämlich darauf zurückzuführen, dass sie damit versucht hat, sich zu Geschäften mit der Antragsgegnerin durch einen „Kampfpreis“ Zutrit t zu verschaffen (OLG Düsseldorf, B. v. 06.06.2007 - Az.: VII - Verg 8/07)

• zur Feststellung eines unangemessen hohen Angebotes können auch die Ergebnisse vergleichbarer Ausschreibungen und übliche Marktpreise herangezogen werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, anders als bei der Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots nicht auf einen Preisvergleich mit anderen Anbietern abzustellen. Ebenso erscheint die Spanne von 10 % zum nächsten Angebot, die die Rechtsprechung als Kriterium eines unangemessen niedrigen Preises ansieht, als brauchbares Beurteilungskriterium. Damit stellt sich die Frage, welche Vergleichspreise heranzuziehen sind. Ob ein ausgeschlossenes Konkurrenzangebot einen zulässigen Vergleichsmaßstab darstellt oder nicht, wird sich deshalb nur anhand des Einzelfalls entscheiden lassen. Steht ein unangemessen hoher Preis in Rede, ist mithin zu prüfen, ob – in Relation zur angebotenen Leistung – der verlangte Gesamtpreis erheblich übersetzt ist (VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07)

• da in der Praxis Überangebote keine Rolle spielen, gibt es zur Frage, bei welchem relativen Abstand zu einem günstigeren Angebot ein Missverhältnis zur Leistung anzunehmen ist, bezogen auf die VOB/A und auf die VOL/A kaum verwertbare Rechtsprechung. Es sind aber keine Gründe ersichtlich, anders als bei der Feststellung eines unangemessen niedrigen Angebots nicht auf einen Preisvergleich mit anderen Anbietern abzustellen (VK Nordbayern, B. v. 27.06.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 23/08). Ebenso erscheint die Spanne von 10 % zum nächsten Angebot, die die Rechtsprechung als Kriterium eines unangemessen niedrigen Preises ansieht, als brauchbares Beurteilungskriterium. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall auch das zweithöchste Angebot überteuert oder umgekehrt bereits unangemessen niedrig ist (OLG München , B. v. 02.06.2006 - Az.: Verg 12/06; VK Brandenburg, B. v. 14.12.2007 - Az.: VK 50/07 – sehr instruktive Entscheidung für den Ablauf einer Prüfung und Wertung)

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• zwar übersteigt der Angebotspreis des in Rede stehenden Bieters die Preise der anderen Bieter in einer Größenordnung zwischen 66% und 100%. Daraus alleine kann indes nicht auf ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung geschlossen werden (OLG Düsseldorf, B. v. 19.11.2003 - Az.: VII - Verg 22/03).

107.7.2.1.5.3 Richtlinie des VHB 2008 zu Angeboten mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis Auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A). leer Zweifel an der Angemessenheit niedriger Preise ergeben sich insbesondere, wenn die Angebotssummen

• eines oder einiger weniger Bieter erheblicher geringer sind als die übrigen oder • erheblich von der aktuell zutreffenden Preisermittlung des Auftraggebers abweichen.

Solche Zweifel sind grundsätzlich bei einer Abweichung von 10 v.H. oder mehr anzunehmen. Zur Aufklärung der Frage, ob es sich um ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis handelt, sind zumindest die ausgefüllten Formblätter Preisermittlung 221 oder 222 und Aufgliederung der Einheitspreise 223 zu fordern. Ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis darf grundsätzlich nur dann ausgeschlossen werden, wenn zuvor vom Bieter schriftlich Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen verlangt worden ist und der Bieter nicht den Nachweis einer ordnungsgemäßen Kalkulation erbracht hat. Liegen nur Angebote mit unangemessen hohen oder niedrigen Preisen vor, ist die Ausschreibung aufzuheben (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.3).

107.7.2.1.5.4 Richtlinie des VHB 2008 zu Angeboten mit unerwartet hohen Preisen Liegen im Vergleich zur Kostenermittlung des Auftraggebers nur Angebote mit unerwartet hohen Preisen vor, ist die Kostenermittlung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Wird sie im Wesentlichen bestätigt, kann die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1c) VOB/A aufgehoben werden; wegen der Aufhebung siehe Richtlinie zum Formblatt 351 (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.4).

107.7.2.2 Folgerung aus der Feststellung eines unangemessen niedrigen Preises Der Auftraggeber hat nicht allein deshalb, weil ein Angebot im Preis ungewöhnlich niedrig ist, Anlass, es unberücksichtigt zu lassen. Er hat das Angebot aber in den Einzelpositionen

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zu überprüfen und von dem Bieter die erforderlichen Belege zu verlangen (OLG Celle, B. v. 18.12.2003 - Az.: 13 Verg 22/03; OLG Schleswig-Holstein, B. v. 26.07.2007 - Az.: 1 Verg 3/07; Thüringer OLG, B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; VK Arnsberg, B. v. 08.08.2006 - Az.: VK 21/06; 1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05; B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 1 - 08/05; VK Düsseldorf, B. v. 26.08.2004 - Az.: VK – 30/2004 – L; VK Lüneburg, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-17/2003; 3. VK Saarland, B. v 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 11.02.2005 - Az.: 1/SVK/128-04; B. v. 08.02.2005 - Az.: 1/SVK/003-05; B. v. 26.7.2001 - Az.: 1/SVK/73-01;VK Südbayern, B. v. 10.02.2006 - Az. Z3-3-3194-1-57-12/05; VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF; B. v. 04.10.2004 - Az.: 360-4003.20-037/04-SLF; ebenso für Aufträge der europäischen Kommission Europäisches Gericht 1. Instanz, Urteil vom 06.07.2005 - Az.: T-148/04).

107.7.2.3 Prüfungspflicht des Auftraggebers

107.7.2.3.1 Allgemeines Die Vergabestelle verfügt über keinerlei Ermessen dahingehend, ob sie eine Überprüfung durchführt oder davon absieht. Die Aufklärungspflicht setzt ein, sobald die Vergabestelle Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis hat (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 07.07.2006 - Az.: 1 VK LVwA 11/06; VK Südbayern, B. v. 10.02.2006 - Az. Z3-3-3194-1-57-12/05; 1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05). Der Auftraggeber muss das Angebot hinsichtlich seiner Angemessenheit überprüfen und zu diesem Zwecke nicht nur die Einzelpositionen überprüfen, sondern dafür auch vom Bieter die erforderlichen Belege verlangen und ihm gegebenenfalls mitteilen, welche Unterlagen oder Positionen für unannehmbar erachtet werden. Selbst in den Fällen, in denen ein Angebot nach Auffassung des Auftraggebers unrealistisch ist, ist der Bieter dennoch zur Stellungnahme aufzufordern (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; VK Südbayern, B. v. 10.02.2006 - Az. Z3-3-3194-1-57-12/05; 1. VK Sachsen, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1/SVK/003-05; VK Lüneburg, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-17/2003, B. v. 25.8.2003 - Az.: 203-VgK-18/2003; VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF). Bei der Prüfung spielt es insbesondere keine Rolle, ob die Kalkulationsmethode des Bieters branchenüblich ist oder nicht. Entscheidend ist vielmehr ihre Nachvollziehbarkeit aus betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Sicht. Wenn diese Nachvollziehbarkeit gegeben ist, besteht auch kein Grund zur Annahme einer Unauskömmlichkeit z.B. im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A (1. VK Bund, B. v. 09.05.2005 - Az.: VK 2 – 20/05; B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05; B. v. 25.02.2005 - Az.: VK 1 - 08/05 – instruktiver Fall aus der Gebäudereinigung). Zu der Angemessenheit seines Angebotes hat der Bieter grundsätzlich so konkrete Angaben zu machen wie auch Erklärungen abzugeben, dass deren Richtigkeit anhand von Belegen und weiteren Nachweisen ggfs. verifiziert und nachgewiesen werden können. Der Nachweis ist nicht dadurch geführt, dass Angaben und Erklärungen allein wertenden Inhalts abgegeben werden. Der Nachweis der Angemessenheit eines Angebotspreises ist erst geführt, wenn diese Aussagen tatsächlich belegt werden können.

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Schließlich lassen erst die Tatsachen selbst eine solche Schlussfolgerung zu. Der Nachweis der Angemessenheit eines Angebotspreises ist dabei in geeigneter Weise zu führen. Allein allgemein gehaltene Erklärungen abzugeben oder Angaben zu machen, sind - per se - für eine solche Nachweisführung aber ungeeignet. So ist z.B. die Aussage, „über eine hochmoderne Fertigungstechnologie zu verfügen“, nichts sagend (VK Thüringen, B. v. 11.02.2010 - Az.: 250-4002.20-253/2010-001-EF). Der Sinn der Auskömmlichkeitsprüfung liegt darin, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, mit seinen Argumenten darzulegen, dass er in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen (1. VK Sachsen, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1/SVK/003-05). Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Bewertung der dann abgegebenen Antworten um eine Prognoseentscheidung handelt, die der Auftraggeber auf der Grundlage des Angebots und der hierzu von dem Bieter erteilten Auskünfte zu treffen hat. Bei dieser Prognoseentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber zwar keinen Ermessensspielraum, dafür aber einen Beurteilungsspielraum, der einer nur eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterliegt. Eine Verletzung dieses Beurteilungsspielraums liegt nur dann vor, wenn die von der Vergabestelle getroffenen Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen und sachwidrigen Erwägungen beruhen (1. VK Sachsen, B. v. 27.03.2006 - Az.: 1/SVK/021-06).

107.7.2.3.2 Prüfungspflicht aufgrund gesetzlicher Regelungen Verschiedene Bundesländer haben Vergabegesetze bzw. Vergaberichtlinien erlassen, in denen u. a. auch eine Prüfungspflicht hinsichtlich unangemessen hoher oder niedriger Preise geregelt sind.

107.7.2.3.2.1 Niedersachsen Nach § 5 Abs. 1 Landesvergabegesetz Niedersachsen besteht eine Prüfpflicht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich der - eventuellen - Unangemessenheit eines Angebotes, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, wenn dieses Angebot um mindestens 10 vom Hundert vom nächst höheren Angebot abweicht (VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007).

107.7.2.3.2.2 Bremen Nach § 6 Abs. 1 Vergabegesetz für das Land Bremen hat der Auftraggeber ein Angebot vertieft zu prüfen, wenn dieses Angebot, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, unangemessen niedrig erscheint. Von der Vermutung, dass ein unangemessen niedriges Angebot vorliegt, kann im Regelfall immer dann ausgegangen werden, wenn die rechnerisch geprüfte Angebotssumme um mindestens 20 v. H. unter der Kostenschätzung des Auftraggebers liegt oder das zu prüfende Angebot um mehr als 10 v. H. vom nächst höheren abweicht.

107.7.2.3.2.3 Nordrhein-Westfalen

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Nach § 5 Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen hat die Vergabestelle die Kalkulation des Angebots zu überprüfen, wenn bei Angeboten über 50 000 € ein Angebot, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, um mindestens 10 vom Hundert vom nächst höheren Angebot abweicht.

107.7.2.3.2.4 Hamburg Nach § 5 Hamburgisches Vergabegesetz hat die Vergabestelle dann, wenn ein Angebot, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, um mindestens 10 Prozent vom nächst höheren Angebot abweicht, die Kalkulation des Angebots zu überprüfen. Im Rahmen dieser Überprüfung sind die Bieter verpflichtet, die ordnungsgemäße Kalkulation nachzuweisen. Kommen die Bieter dieser Verpflichtung nicht nach, so kann die Vergabestelle sie vom weiteren Vergabeverfahren ausschließen.

107.7.2.3.2.5 Thüringen Nach Ziffer 7.1 der Richtlinie zur Mittelstandsförderung und Berücksichtigung Freier Berufe sowie zum Ausschluss ungeeigneter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Landes Thüringen (Vergabe-Mittelstandsrichtlinie) soll die Prüfung der Angemessenheit insbesondere in den Fällen erfolgen, in denen das preislich billigste Angebot zehn v. H. unter der eigenen Preisvorstellung oder dem preislich folgenden Angebot liegt. Besteht danach die widerlegbare Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises, auf den der Zuschlag nicht erteilt werden darf, ist eine Aufklärung der Gründe für den niedrigen Preis notwendig. Die Gründe für den niedrigen Angebotspreis sind auf ihre Nachvollziehbarkeit zu überprüfen.

107.7.2.3.2.6 Schleswig-Holstein Nach § 6 Abs. 3 des Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Tariftreuegesetz) muss der öffentliche Auftraggeber ungewöhnlich niedrige Angebote, auf die der Zuschlag erfolgen soll, überprüfen, wenn diese um 10% oder mehr vom nächsthöheren Angebot abweichen oder sonstige Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus § 3 Tariftreuegesetz vorliegen.

107.7.2.3.3 Festsetzung eines Schwellenwerts für eine Prüfung durch den Auftraggeber Gegen die Festlegung einer „Aufklärungsschwelle“ durch den öffentlichen Auftraggeber bestehen keine Bedenken (OLG Düsseldorf, B. v. 30.11.2005 - Az.: VII - Verg 65/05; B. v. 23.11.2005 - Az.: VII - Verg 66/05; VK Berlin, B. v. 27.07.2009 - Az.: VK - B 1 – 18/09; 3. VK Bund, B. v. 04.07.2006 - Az.: VK 3 - 60/06; B. v. 29.06.2006 - Az.: VK 3 - 48/06; B. v. 29.06.2006 - Az.: VK 3 - 39/06). So ist es z.B. im Reinigungsbereich bei einer Abweichung einzelner Leistungsmaße von mehr als 25% über dem Durchschnitt der noch im Wettbewerb befindlichen Bieter sachgerecht, die insoweit betroffenen Bieter um konkrete Aufklärung hinsichtlich der Auskömmlichkeit ihres Angebots zu ersuchen. Bei den Reinigungsdienstleistungen handelt es sich nämlich um personalintensive Dienstleistungen, die einer Rationalisierung durch Arbeitsorganisation sowie den Einsatz von Maschinen und

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Geräten zwar zugänglich sind, deren Rationalisierung aber gerade wegen der Personalintensität auch natürliche Grenzen gesetzt sind. Vor diesem Hintergrund ist es vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber zumindest solche Angebote einer Auskömmlichkeitsprüfung unterzieht, bei denen die pro Stunde durch eine Reinigungskraft erbrachte qm-Leistung (das sog. Leistungsmaß) deutlich über dem Bieterdurchschnitt liegt (1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05). Hat sich ein Auftraggeber auf eine Größenordnung zur Festlegung einer Aufgreifschwelle verständigt, bei deren Unterschreiten das Verfahren zur Aufklärung von Angeboten eingeleitet werden soll, tritt mit der Festlegung der Grenzwerte für die Angebotswertung jedoch keine endgültige Bindung in der Frage ein, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Angebot preislich ungewöhnlich niedrig erschien, wenn die Festlegung – z.B. bei einer bundesweiten Ausschreibung - von den Preisen der eingehenden Angebote und von den regional zu erwartenden Schwankungen abhängig ist (OLG Düsseldorf, B. v. 23.11.2005 - Az.: VII - Verg 66/05).

107.7.2.3.4 Besondere Vergleichsrechnung bei Reinigungsdienstleistungen Das offenbare Missverhältnis von Preis und Leistung kann bei Reinigungsleistungen ermessensfehlerfrei mit einer besonderen Vergleichsrechnung festgestellt werden. Die Bieter haben auf der Basis einer raumbezogenen Leistungsbeschreibung Einzelpreise für die Raumarten angeboten. Bei der Prüfung auf Auskömmlichkeit wurden alle Leistungswerte der Raumarten der Voll- und Sichtreinigung miteinander verglichen. Die Gesamtzahl der Prüfungen ergab sich aus der Anzahl der Räume in der Voll- und Sichtreinigung. Die Vorgehensweise und Struktur wird im Folgenden anhand einer Raumart bei der Vollreinigung beschrieben. Die Anwendung bei der Sichtreinigung erfolgte analog. Das beschriebene Verfahren wurde für jede Raumart durchgeführt.

• die Anzahl der Räume, die sich in Vollreinigung befinden wird ermittelt • aus den preislich besten fünf Bietern wird der Mittelwert für die Vollreinigung

gebildet • weicht ein Anbieter 15 von Hundert von diesem Mittelwert nach oben ab (d.h. ist der

Leistungswert im Vergleich zum Leistungsmittel zu hoch), kann von einer unauskömmlichen Angabe ausgegangen werden, der Anbieter erhält für diese Raumart bei der Vollreinigung einen Fehler

• der Fehler wiegt umso schwerer, je mehr Räume sich bei dieser Raumart in der Vollreinigung befinden, dieser Fehler wird mit der Anzahl der Räume der Vollreinigung multipliziert

• nach diesem Verfahren wird bei jedem Leistungswert der Voll- und Sichtreinigung jeder Raumart der Mittelwert der preislich besten fünf Anbieter ermittelt und bewertet

• die Anzahl der Gesamtprüfungen ist die Addition der Prüfungen aller Raumarten bei der Voll- und Sichtreinigung

• werden insgesamt 15 vom Hundert Fehler im Bezug auf die Gesamtprüfungen erreicht, wird von einem Unauskömmlichen Angebot ausgegangen und es erfolgt der Ausschluss des Angebotes.

Die Ermessensausübung hält der Betrachtung Stand. Die Bieter werden bei dem beschriebenen Verfahren gleich behandelt. Die Eingangswerte der Berechnung werden von den Bietern selbst im Angebot bezeichnet und brauchten nur in die Berechnung übernommen

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zu werden. Durch die Begrenzung des Mittelwerts auf die Gruppe der 5 mindestfordernden tauglichen Angebote, wird erreicht, dass das Niveau den wirtschaftlich anbietenden Unternehmern eine echte Chance auf Zuschlag einräumt. Durch die zweiten "15%" wird gewährleistet, dass die Bieter bei der Kalkulation einen Freiraum haben und sich "gute" gegen "schlechte" Positionen in Grenzen ausgleichen können (VK OFD Hannover, B. v. 19.07.2006 - VgK 1/2006).

107.7.2.3.5 Aufklärungsverlangen in Textform (§ 25 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1) Mit der VOB/A 2006 und VOL/A 2006 ist die vorgeschriebene Schriftlichkeit des Aufklärungsverlangens durch die Textform ersetzt worden. Zum Inhalt der Textform vgl. die Kommentierung zu § 18 RZ 4852. Sinn der Vorschrift ist es, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, mit seinen Argumenten darzulegen, dass er in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen, und ihn vor der Willkür des Auftraggebers zu schützen. Es reicht auch nicht, wenn bei Aufklärungsgesprächen ein Hinweis auf Zweifel an der Angemessenheit der Preise erfolgt. Spätestens nach Abschluss des Aufklärungsgespräches muss der Auftraggeber von dem Bieter eine Aufklärung in Textform verlangen (BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03; Thüringer OLG, B. v. 29.08.2008 - Az.: 9 Verg 5/08; 2. VK Bund, B. v. 24.05.2005 - Az.: VK 2 - 42/05; VK Nordbayern, B. v. 15.1.2004 - Az.: 320.VK-3194-46/03). § 25 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 ist letztlich auf Art. 55 Abs. 1 der Vergabekoordinierungsrichtlinie und die gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur ehemaligen Baukoordinierungsrichtlinie zurückzuführen (OLG Naumburg, B. v. 7.5.2002 - Az.: 1 Verg 19/01).

107.7.2.3.6 Zumutbare Frist für eine Antwort des Bieters (§ 25 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1) Dem Bieter ist eine angemessene Frist für zusätzliche Angaben einzuräumen (VK Lüneburg, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK-17/2003).

107.7.2.3.7 Verweigerung einer notwendigen Mitarbeit des Bieters Der Bieter muss zwar die entsprechenden Auskünfte nicht erteilen, er wird der Aufforderung in der Regel aber nachkommen, um einen Ausschluss zu vermeiden (OLG Celle, B. v. 18.12.2003 - Az.: 13 Verg 22/03; VK Lüneburg, B. v. 24.9.2003 - Az.: 203-VgK17/2003). Verweigert der Bieter eine entsprechende Mitarbeit bei der Aufklärung und ist er auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht bereit, dem Auftraggeber eine seriöse Chance zur Prüfung dieser Angaben einzuräumen, ist das Angebot auszuschließen (OLG Naumburg, B. v. 6.4.2004 - Az.: 1 Verg 3/04). Macht ein Bieter keine, nur pauschale oder keine plausiblen Erklärungen für sein Angebot, ist der Nachweis des Vorliegens eines angemessenen Angebotspreises nicht erbracht, ist das Angebot in der vierten Wertungsstufe nicht mit einzubeziehen (VK Südbayern, B. v. 27.11.2006 - Az.: Z3-3-3194-1-33-10/06).

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107.7.2.4 Wertung eines Angebots mit einem unangemessen niedrigen Preis

107.7.2.4.1 Grundsatz Unterkostenangebote sind für sich gesehen nicht unzulässig (OLG Koblenz, B. v. 26.10.2005 - Az.: 1 Verg 4/05; OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2005 - Az.: VII - Verg 37/05; OLG Dresden, B. v. 01.07.2005 - Az.: WVerg 0007/05; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; 1. VK Bund, B. v. 10.11.2009 – Az.: VK 1 – 191/09; VK Münster, B. v. 15.09.2009 - Az.: VK 14/09; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08; 1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09). Auch ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, nur "auskömmli che" Angebote zu berücksichtigen (VK Baden-Württemberg, B. v. 28.07.2009 - Az.: 1 VK 42/09; 1. VK Bund, B. v. 10.11.2009 – Az.: VK 1 – 191/09; VK Hessen, B. v. 20.08.2009 - Az.: 69 d VK – 26/2009; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; VK Münster, B. v. 15.09.2009 - Az.: VK 14/09; 1. VK Saarland, B. v. 8.7.2003 - Az.: 1 VK 05/2003; 1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; B. v. 23.5.2002 - Az.: 1/SVK/039-02), sofern er nach Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Anbieter auch zu diesen Preisen zuverlässig und vertragsgerecht wird leisten können (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2005 - Az.: VII - Verg 37/05; B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 18/02; ; VK Arnsberg, B. v. 08.08.2006 - Az.: VK 21/06; 1. VK Bund, B. v. 10.11.2009 – Az.: VK 1 – 191/09; VK Lüneburg, B. v. 08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006; VK Münster, B. v. 15.09.2009 - Az.: VK 14/09; VK Düsseldorf, B. v. 02.05.2006 - Az.: VK - 17/2006 – B; 1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; ähnlich 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 62/05; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 28.11.2008 - Az.: 2 VK 7/08). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedene Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben (OLG Celle, B. v. 18.12.2003 - Az.: 13 Verg 22/03, B. v. 24.4.2003 - Az.: 13 Verg 4/03; BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03; 3. VK Saarland, B. v. 12.12.2005 - Az.: 3 VK 03/2005 und 3 VK 04/2005; VK Düsseldorf, B. v. 26.08.2004 - Az.: VK – 30/2004 – L; VK Münster, B. v. 15.09.2009 - Az.: VK 14/09; VK Nordbayern, B. v. 21.11.2003 - Az.: 320.VK-3194-38/03; VK Lüneburg, B. v. 01.02.2008 - Az.: VgK-48/2007; B. v. 08.05.2006 - Az.: VgK-07/2006; B. v. 05.07.2005 - Az.: VgK-26/2005; B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005; B. v. 24.05.2004 - Az.: 203-VgK-14/2004; B. v. 29.04.2004 - Az.: 203-VgK-11/2004; B. v. 10.03.2003 - Az.: 203-VgK-01/2003), z. B. einen Deckungsbeitrag zu den eigenen Gemeinkosten zu erlangen - Kapazitätsauslastung – (VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07), oder als "Newcomer" ins Geschäft zu kommen (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2005 - Az.: VII - Verg 37/05; B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 18/02; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; VK Düsseldorf, B. v. 26.08.2004 - Az.: VK – 30/2004 – L; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07); auch besonders günstige Einkaufsmöglichkeiten für Baumaterial oder die Verlagerung eines Teils der Produktion in das Ausland können tragende Gründe sein (1. VK Sachsen, B. v. 26.7.2001 - Az.: 1/SVK/73-01), ebenso der gegenwärtige Arbeitsmarkt für Botenfahrer (VK Hamburg, B. v. 17.12.2002 - Az.: VgK FB 3/02); auch ein nachvollziehbarer Kalkulationsirrtum kann Ursache eines solchen Angebots sein (OLG Rostock, B. v. 06.07.2005 - Az.: 17 Verg 8/05) oder das zur Zeit in der Bauwirtschaft herrschende niedrige Preisniveau (OLG Düsseldorf, B. v. 04.07.2005 - Az.: VII - Verg 35/05). Es würde geradezu einen Verstoß gegen das - für die Auslegung der § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A, § 25

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Nr. 3 Abs. 1 VOB/A verbindliche - europäische Richtlinienrecht bedeuten, wenn man einen öffentlichen Auftraggeber dazu verpflichten würde, nur auskömmliche oder kostendeckende Preise der Bieter zu akzeptieren (OLG Düsseldorf, B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 18/02; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.08.2009 - Az.: 1 VK 40/09; B. v. 17.01.2008 - Az.: 1 VK 52/07; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07). Es ist auch nicht Sinn der Vorschrift aus § 25 Nr. 3 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 VOL/A, den Bietern (mittelbar) kostendeckende Preise zu garantieren (VK Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 – L; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07).

107.7.2.4.2 Ausnahmen Angebote, die in der Absicht abgegeben werden oder die zumindest die Gefahr begründen, andere Marktteilnehmer zu verdrängen (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.08.2009 - Az.: 1 VK 40/09; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; 1. VK Bund, B. v. 20.12.2007 - Az.: VK 1 - 143/07; B. v. 10.08.2005 - Az.: VK 1 – 86/05; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; VK Münster, B. v. 15.09.2009 - Az.: VK 14/09; B. v. 17.06.2005 - Az.: VK 12/05; 1. VK Sachsen, B. v. 1.10.2002 - Az.: 1/SVK/084-02; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07) oder die erwarten lassen, dass der Anbieter den Auftrag nicht wird durchführen können (BSG, B. v. 22.04.2009 - Az.: B 3 KR 2/09 D; KG Berlin, B. v. 26.2.2004 - Az.: 2 Verg 16/03, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03, B. v. 22.8.2001 - Az.: KartVerg 03/01; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.08.2009 - Az.: 1 VK 40/09; VK Berlin, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09; 1. VK Bund, B. v. 20.12.2007 - Az.: VK 1 - 143/07; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.11.2005 - Az.: 2 VK 64/05; VK Nordbayern, B. v. 21.11.2003 - Az.: 320.VK-3194-38/03; VK Südbayern, B. v. 14.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-33-07/07) oder wenn das Angebot von vornherein darauf angelegt ist, den Auftraggeber im Rahmen der Bauausführung zu übervorteilen (VK Düsseldorf, B. v. 26.08.2004 - Az.: VK – 30/2004 – L), schädigen auch die übrigen Bieter, die entweder einem gezielten Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sind oder bei Ausfall des ersten Auftragnehmers nun nicht mehr genügend freie Kapazitäten haben, um den Auftrag zu übernehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 18/02; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.2.2002 - Az.: 1 VK 52/01; VK Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 - L; VK Saarland, B. v. 8.7.2003 - Az.: 1 VK 05/2003). Ein solches Angebot ist auszuschließen. Die Wettbewerbswidrigkeit eines solchen ohne Rücksicht auf die Konsequenzen abgegebenen Angebots ist darin zu erblicken, dass es für die anderen höher und kostendeckend anbietenden Mitbewerber die schädigende Folge haben kann, dass sie in einem Zeitpunkt, in dem sie den Auftrag gut hätten annehmen und durchführen können, den Auftrag nicht erhalten, zu einem späteren Zeitpunkt aber den Auftrag (nachdem der erste Auftragnehmer wegen seines Unterangebots gescheitert ist) wegen der weiteren Entwicklung der geschäftlichen Verhältnisse - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr übernehmen können (OLG Düsseldorf, B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 18/02).

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Die Darlegungs- und Beweislast für eine Marktverdrängungsabsicht liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft, also beim Auftraggeber oder einem konkurrierenden Bieter (OLG Düsseldorf, B. v. 12.10.2005 - Az.: VII - Verg 37/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 15.05.2006 - Az.: VK-SH 10/06; 1. VK Bund, B. v. 10.08.2005 - Az.: VK 1 – 86/05 - sehr instruktiver Beschluss).

107.7.2.4.3 Überhöhte Baustelleneinrichtung Ein deutlich überhöhter Preis für die Baustelleneinrichtung reicht für sich allein genommen nicht aus, um die Nichtberücksichtigung des Angebots - unter Heranziehung haushaltsrechtlicher Gesichtspunkte - zu rechtfertigen. Gerade haushaltsrechtliche Belange legen es nämlich nahe, den Nachteilen einer solchen Überzahlung die Preiswürdigkeit des Angebots im Übrigen gegenüberzustellen und seine Nutzen und Risiken bzw. Nachteile abzuwägen. Die Risiken bestehen im Verlust des auf künftige Leistungen entfallenden Teils der Abschlagzahlung durch etwaige Insolvenz des Auftragnehmers und die sonstigen haushaltsrechtlichen Nachteile im Wesentlichen im drohenden Zinsverlust (KG Berlin, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03). Setzt ein Bieter für die Baustelleneinrichtung einen deutlich überhöhten Preis an, ist dies in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehen. Ordnet nämlich ein Bieter sonstige Kostenanteile dem Baustelleneinrichtungspreis in der Erwartung zu, dass dieser gleich nach Baubeginn ausgezahlt wird, bedeutet dies im wirtschaftlichen Ergebnis für den Auftraggeber eine verfrühte Vergütungszahlung, die mit Zinsverlusten einhergeht. Im Ergebnis ist dies aber unerheblich, wenn durch den möglichen Zinsverlust des Auftraggebers die Preisdifferenz zwischen den beiden mindestfordernden Angeboten nicht annähernd aufgezehrt werden kann (Thüringer OLG, Urteil vom 27.2.2002 - Az.: 6 U 360/01). In solchen Fällen ist auch stets die Möglichkeit einer Mischkalkulation zu prüfen (vgl. dazu die Kommentierung RZ 5338). Die Position "Baustelleneinrichtung" beeinflusst das Wertungsergebnis. Während auf diese Leistungsposition nämlich vom Auftraggeber üblicherweise Abschlagszahlungen gezahlt werden, ist das Entgelt für sonstige Leistungspositionen nicht vor deren Fertigstellung zu entrichten. Diesem Gesichtspunkt kommt bei der Zuschlagsentscheidung zwischen zwei ansonsten gleichen Angeboten auch entscheidendes Gewicht zu. Denn ein Angebot mit einer geringeren Abschlagszahlungslast ist für den öffentlichen Auftraggeber wirtschaftlicher (§ 97 Abs. 5 GWB) als ein vergleichbares Angebot mit einer höheren Abschlagszahlungspflicht (OLG Düsseldorf, B. v. 26.11.2003 - Az.: VII - Verg 53/03).

107.7.2.4.4 Erhebliches Preisrisiko für den Auftraggeber Werden einzelne Einheitspreise bewusst zu niedrig in ein Angebot eingesetzt, kann sich daraus bei Mengenänderungen ein erhebliches Preisrisiko für den Auftraggeber ergeben. Ist das der Fall, kann ein Zuschlag auf ein preislich etwas höheres, aber mit weniger Risiken behaftetes Angebot durchaus wirtschaftlicher sein, da in diesem Fall das niedrigere Angebot unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkts in Wahrheit nicht das wirtschaftlichste ist. Voraussetzung hierfür ist indessen, dass die fraglichen Einheitspreise ganz erheblich aus dem Rahmen fallen, mit größeren Mengenänderungen bei den betreffenden Positionen gerechnet werden muss und das damit verbundene Preisrisiko für den Auftraggeber beträchtlich ist (Thüringer OLG, Urteil vom 27.2.2002 - Az.: 6 U 360/01).

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107.7.2.4.5 Nicht plausibel erklärte Angebote Der Auftraggeber läuft bei der Zuschlagserteilung auf ein Unterangebot Gefahr, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht mängelfrei, zu Ende führt. Vor diesem Hintergrund kann es dem Auftraggeber nicht zugemutet werden kann, ein ihm unauskömmlich erscheinendes Angebot zunächst anzunehmen und bei nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung seine Rechte sodann auf der Ebene der Vertragsdurchführung durchzusetzen. Das Vergaberecht will gerade dies verhindern, indem es Angebote, die erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erwarten lassen, von vornherein aus dem Kreis der zuschlagsfähigen Angebote ausschließt. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die der Auftraggeber auf der Grundlage des Angebots und der hierzu von dem Bieter erteilten Auskünfte zu treffen hat (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; 1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05). Bei dieser Prognoseentscheidung hat der öffentliche Auftraggeber zwar keinen Ermessensspielraum, dafür aber einen Beurteilungsspielraum, der einer nur eingeschränkten Nachprüfbarkeit durch die Vergabekammer unterliegt. Eine Verletzung dieses Beurteilungsspielraums liegt nur dann vor, wenn die von der Vergabestelle getroffenen Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen und sachwidrigen Erwägungen beruhen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; 1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05). Zur Frage der Beweislast vgl. die Kommentierung RZ 5685. Benennt der Bieter z. B. individuelle und nachprüfbare Sonderkonditionen (etwa nachgewiesene Einsparungen, Bezugspreise, Rabatte, abgeschriebene Maschinen und Geräte usw.) nach schriftlicher Aufforderung und legt er sie schlüssig dar, sind diese nachgewiesenen Vorteile (Kosteneinsparpotential) dem Angebot des Bieters im Rahmen einer fiktiven "Internen Addition zum Angebotspreis" hinzuzufügen. Liegt der abschließende fiktive Angebotspreis unter Beachtung nur der glaubwürdigen Einsparpotenziale danach wieder unter 10% zum Nächstbieter, so kann von der Wahrscheinlichkeit eines angemessenen Preises ausgegangen werden. Macht der Bieter demgegenüber keine, nur pauschale (wir stehen zu dem Preis, der Preis ist angemessen, widersprüchliche Angaben usw.) oder keine plausiblen Erklärungen für sein Niedrigstangebot, ist der Nachweis des Vorliegens eines angemessenen Angebotspreises nicht erbracht, das Angebot in der vierten Wertungsstufe nicht mit einzubeziehen (VK Thüringen, B. v. 09.09.2005 - Az.: 360-4002.20-009/05-SON, B. v. 13.11.2002 - Az.: 216-4002.20-057/02-EF-S).

107.7.2.4.6 Überschreitung der 10%-Grenze trotz Erklärung Nach der Rechtsprechung der VK Sachsen darf dann, wenn trotz Einbeziehung der quantifizierten Einsparpotenziale die Lücke nach wie vor über 10 Prozent bleibt, auf das Angebot entsprechend § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A der Zuschlag nicht erteilt werden. Dabei geht die VK Sachsen in ständiger Rechtsprechung auf Grundlage des klaren Wortlauts etwa des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A davon aus, dass es einem Auftraggeber entgegen durchaus anders lautender Rechtsprechung nicht erlaubt ist, ein erkanntes Dumpingangebot dennoch zu

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bezuschlagen. Wollte man dies nämlich anders sehen, so müsste man Selbiges auch bei einer festgestellten Nichteignung eines Bieters nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A oder bei einer Diskriminierung eines Bieters entsprechend § 2 Nr. 2 VOL/A (darf kein Unternehmen diskriminiert werden - darf der Zuschlag nicht erteilt werden, § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A) anerkennen, was in der Rechtsprechung erkennbar ebenfalls nicht vertreten wird (1. VK Sachsen, B. v. 08.07.2004 - Az.: 1/SVK/044-04; B. v. 17.06.2004 - Az.: 1/SVK/038-04, 1/SVK/038-04G).

107.7.2.4.7 Konkrete Gefahr einer Schlechterfüllung Maßgeblich für die Entscheidung des Auftraggebers kann auch sein, ob dieser auch nach Überprüfung der eingeholten Auskünfte noch so erhebliche Zweifel an der Auskömmlichkeit eines Angebots haben konnte, dass ihm ein Zuschlag auf das Angebot wegen der damit verbundenen Risiken nicht zugemutet werden konnte. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die auf der Grundlage des Angebots und der erteilten Auskünfte zu treffen ist. Der öffentliche Auftraggeber hat insoweit einen Beurteilungsspielraum, der lediglich eingeschränkt überprüfbar ist. Eine Verletzung kommt nur in Betracht, wenn die Sachverhaltsermittlungen oder die Anwendung vergaberechtlicher Rechtsbegriffe auf willkürlichen oder sachwidrigen Erwägungen beruht (VK Berlin, B. v. 27.07.2009 - Az.: VK - B 1 – 18/09).

107.7.2.4.8 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• insgesamt beruht die Einschätzung des Auftraggebers, dass das Angebot technisch nicht auskömmlich kalkuliert ist und daher ein Risiko besteht, dass eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung im Falle der Bezuschlagung nicht erfolgen könne, auf einer nachvollziehbaren Beurteilung. Diese Beurteilung, die sich auf die Nachvollziehbarkeit aus betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Sicht bezogen hat, ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltsermittlung unter Würdigung der Stellungnahmen des Bieters mit sachgerechten Erwägungen zustande gekommen (VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07)

• ein Bieter kann einen niedrigen Angebotspreis dadurch erklären, dass er aufgebrochenes Abbruchmaterial im Auftragsfall einer weiteren Verwertung zuführen kann und den erwarteten Erlös in der Kalkulation „gegengerechnet“ hat (OLG Düsseldorf, B. v. 26.07.2006 - Az.: VII - Verg 19/06)

• der Bieter will nach Überzeugung der Vergabekammer mit seinem aggressiven Niedrigstangebot (25% unter allen anderen Bietern) den lokalen Markt gezielt von Konkurrenten frei halten (1. VK Sachsen, B. v. 1.10.2002 - Az.: 1/SVK/084-02)

• führt ein Bieter Restrukturierungsmaßnahmen in der Firma, einen abgeschlossenen günstigen Haustarif für die Fahrer und eingebrochene Gewinnmargen ohne nähere Erläuterungen als Begründung für niedrige Angebote an, kann ein Angebot wegen mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit ausgeschlossen werden (VK Hessen, B. v. 16.1.2004 - Az.: 69 d VK - 72/2003)

• legt ein Bieter bei Gebäudereinigungsleistungen dem Angebot im Vergleich zu den anderen noch im Wettbewerb befindlichen Bietern in der ganz überwiegenden Zahl der Raumgruppen ungewöhnlich hohe Leistungsmaße zugrunde und übersteigen die Leistungsmaße selbst den vom Auftraggeber festgelegten Grenzwert für eine Nachfrage nochmals erheblich, drängen sich

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erhebliche Zweifel an der Auskömmlichkeit des Angebots auf; beschränken sich die Erklärungen des Bieters überwiegend auf generalisierende Aussagen (Organisation der Arbeitsabläufe sowie auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter), kann das Angebot ausgeschlossen werden (1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05).

107.7.2.4.9 Richtlinie des VHB 2008 Die Angemessenheit der Preise für Teilleistungen (Einheitspreise) ist grundsätzlich nicht für sich, sondern im Rahmen der Angebotssumme zu beurteilen. Sind jedoch die Preise für einzelne Teilleistungen erkennbar unangemessen, so kann dies Zweifel an einer sachgerechten Preisermittlung begründen. Dies macht eine Aufklärung nach § 24 VOB/A und eine Prüfung auch der Einzelansätze notwendig (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.1.1). Bei Zweifeln an der Angemessenheit von Angebotspreisen sind die vorliegenden Formblätter Preisermittlung 221 und 222 und Aufgliederung der Einheitspreise 223 gesondert auszuwerten, dabei sind die Einzelansätze zu vergleichen und unter folgenden Gesichtspunkten objekt- und betriebsbezogen zu untersuchen, ob

• die Zeitansätze der Lohnkosten pro Leistungseinheit bzw. die Gesamtstundenzahl den bautechnisch erforderlichen Ansätzen entsprechen,

• sich der Mittellohn sowie die Zuschläge für lohngebundene und lohnabhängige Kosten im Rahmen der tarifvertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Verpflichtungen halten,

• die Stoffkosten den üblichen Ansätzen entsprechen, • die Baustellengemeinkosten ausreichende Ansätze für alle gesetzlich (z. B. Umwelt-,

Arbeits- und Unfallschutz), technisch und betriebswirtschaftlich notwendigen Aufwendungen enthalten sind.

Ein Angebot, das diese Anforderungen nicht erfüllt, begründet die Vermutung, dass der Bieter nicht in der Lage sein wird, seine Leistung vertragsgerecht zu erbringen. Die Vermutung kann nur dadurch widerlegt werden, dass der Bieter nachweist, dass er aus objektbezogenen, sachlich gerechtfertigten Gründen die Ansätze günstiger als die übrigen Bieter kalkulieren konnte. So kann er beispielsweise auf rationellere Fertigungsverfahren, günstigere Baustoffbezugsquellen oder über Produktionsvorrichtungen verweisen (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.1.2.1). Die Prüfung der Einzelansätze hat sich ferner darauf zu erstrecken, inwieweit sich die Ansätze für die Gerätevorhaltekosten, für allgemeine Geschäfts- und Sonderkosten (einschließlich Einzelwagnisse) im wirtschaftlich vertretbaren Rahmen halten. Niedrige Ansätze begründen aber hier nicht ohne weiteres die Vermutung eines zu geringen Preises im Sinne von § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A, weil der Bieter Anlass haben kann, auf die Ansätze teilweise zu verzichten. In diesen Fällen ist daher lediglich zu prüfen, ob dem sachgerechte Erwägungen zugrunde liegen (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.1.2.2).

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Bei Fehlen eines Ansatzes für Wagnis und Gewinn ist keine weitere Aufklärung erforderlich; derartige Angebote bleiben in der Wertung (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 4.1.2.3).

107.7.2.4.10 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zur Prüfung und Wertung der Angemessenheit der Preise Bauleistungen dürfen nur zu angemessenen Preisen vergeben werden (§ 2 Nr. 1 Satz 1, § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A). Die Angemessenheit der Preise für Teilleistungen ist in der Regel nicht für sich, sondern im Rahmen der Angebotsendsumme zu beurteilen. Bei der Prüfung ist zu untersuchen, ob der Preis eine einwandfreie Ausführung gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A erwarten lässt (Ziffer 2.4 Nr. 41). Zweifel an der Angemessenheit können sich insbesondere ergeben, wenn die Angebotsendsumme eines oder einiger weniger Bieter erheblich geringer ist als die der Übrigen. Ob derartige Abweichungen als erheblich anzusehen sind, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Weichen beispielsweise die Angebotsendsummen der aus dem Rahmen fallenden Angebote um mehr als 10 v. H. von den nächsthöheren ab, ist eine Aufklärung der Ursachen im Rahmen des § 24 VOB/A unerlässlich. Dazu ist vom Bieter eine schriftliche Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung zu verlangen (Ziffer 2.4 Nr. 42). Bei solchen Angeboten sind die Einzelansätze unter folgenden Gesichtspunkten objekt- und betriebsbezogen zu untersuchen: "Lohnkosten" für eigene und fremde Arbeitskräfte darauf, ob

• der Zeitansatz pro Leistungseinheit bzw. Gesamtstundenzahl den bautechnisch erforderlichen Ansätzen entspricht,

• der Mittellohn und die lohnabhängigen einschließlich lohngebundenen Kosten sich im Rahmen der tarifvertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Verpflichtungen halten,

"Einzelstoffkosten" darauf, ob sie den üblichen Ansätzen entsprechen, "Baustellengemeinkosten" darauf, ob ausreichende Ansätze für alle gesetzlich (z. B. Umwelt-, Arbeits- und Unfallschutz), technisch und betriebswirtschaftlich notwendigen Aufwendungen enthalten sind. Trifft dies nicht zu, ist zu prüfen, ob der Bieter aus sachlich gerechtfertigten Gründen die Ansätze knapper als die übrigen Bieter kalkulieren konnte, beispielsweise deswegen, weil er rationellere Fertigungsverfahren anwendet oder über günstigere Baustoffbezugsquellen oder über Produktionsvorrichtungen verfügt, die andere Bieter nicht haben oder erst beschaffen müssen, oder weil sich sein Gerät bereits auf oder in der Nähe der Baustelle befindet. Die Prüfung hat sich ferner darauf zu erstrecken, inwieweit sich die Ansätze für die Gerätevorhaltekosten, für allgemeine Geschäfts- und Sonderkosten einschließlich Einzelwagnissen in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen halten. Niedrige Ansätze begründen nicht ohne weiteres die Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises, weil der Bieter Anlass haben kann, auf einzelne dieser Ansätze teilweise zu verzichten. In diesen Fällen ist daher lediglich zu prüfen, ob dem sachgerechte Erwägungen zugrunde liegen. Das Fehlen eines Ansatzes für Wagnis und Gewinn ist unbeachtlich.

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107.7.2.4.11 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zur Prüfung und Wertung der Angebote hinsichtlich Spekulation Sind Mängel (Fehler) in den Ausschreibungsunterlagen auszuschließen und liegt ein Angebot mit spekulativen Einheitspreisen preislich an erster Stelle, sind für dieses Angebot die für den Auftraggeber möglichen finanziellen Risiken zu ermitteln. Ist mit dem spekulativen Angebot ein hohes wirtschaftliches Risiko für den Auftraggeber verbunden, kann ein preislich teureres Angebot als das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A für den Zuschlag vorgesehen werden (Ziffer 2.4 Nr. 46). Können dagegen Mängel in den Ausschreibungsunterlagen (z. B. Fehler in der Mengenermittlung) nicht ausgeschlossen werden und liegt nach der bisherigen Prüfung und Wertung ein Angebot mit spekulativen Einheitspreisen preislich an erster Stelle, sind die aus dem Mangel in der Leistungsbeschreibung resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen für den Auftraggeber abzuschätzen. Dazu werden die Angebote der engeren Wahl mit den korrigierten Mengen und den Angebotspreisen neu berechnet. Ergibt sich dabei ein Wechsel des Mindestbietenden, ist zu prüfen, ob die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 b) oder c) aufzuheben ist (Ziffer 2.4 Nr. 47).

107.7.2.5 Beweislast Der Auftraggeber ist für das Vorliegen eines unangemessenen Verhältnisses zwischen Preis und Leistung darlegungs- und beweispflichtig (VK Nordbayern, B. v. 26.02.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 02/08). Diese Wertung geht davon aus, dass es sich bei § 25 Nr. 3 VOB/A grundsätzlich um eine nicht die Bieter, sondern die Auftraggeber schützende Vorschrift handelt. Die so vorgenommene Verteilung der Beweislast lässt sich auf den Fall nicht anwenden, in dem sich nicht der Auftraggeber vor einem Niedrigangebot schützen will, sondern den Zuschlag auf dieses erteilen will. Eine Verlagerung der Beweislast auf einen diese Entscheidung anfechtenden Bieter wäre nicht sachgerecht, da dieser die (geheim zu haltenden) Kalkulationsgrundlagen des Angebots, auf das der Zuschlag erteilt werden soll, nicht einmal kennen darf. Der Wortlaut des § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A löst jedoch das Problem, denn er verpflichtet den Auftraggeber, sich bei einem unangemessen niedrig anmutenden Angebot beim Bieter nach den Gründen für das Abweichen des Preises zu erkundigen. Dies bedeutet aber logischerweise, dass die Beweislast im Falle der Nachfrage auf diesen Bieter übergeht, denn eine Nachfrage allein beseitigt den Anschein der Unwirtschaftlichkeit nicht. Der Bieter ist gehalten, dem Auftraggeber auf dessen Nachfrage schlüssig darzulegen, dass es sich bei seinem Angebot um die ausgeschriebene Leistung handelt. Alles Andere würde die zwingend in § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A normierte Nachfragepflicht zu einer Farce werden lassen. Der Auftraggeber muss durch die Auskunft des Bieters in die Lage versetzt werden, sich selbst und den Wettbewerb vor unangemessen niedrigen Angeboten zu schützen (1. VK Sachsen, B. v. 11.10.2001 - Az.: 1/SVK/98-01/SVK/ 98-01g; im Ergebnis ebenso VK Schleswig-Holstein, B. v. 06.06.2007 - Az.: VK-SH 10/07; VK Thüringen, B. v. 09.09.2005 - Az.: 360-4002.20-009/05-SON). Bei Zweifeln an der Unauskömmlichkeit eines Angebotes trägt also der Bieter die Beweislast dafür, den Anschein der Unauskömmlichkeit bezogen auf das konkrete Angebot zu widerlegen. Der Bieter ist folglich gehalten, dem Auftraggeber auf dessen Nachfrage schlüssig darzulegen, dass es sich um ein auskömmliches Angebot handelt.

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Diese Beweislastverteilung ist sachgerecht, weil nur der Bieter in der Lage ist, zur (zweifelhaften) Auskömmlichkeit seiner Kalkulation Stellung zu nehmen und die dem Anschein nach berechtigten Bedenken der Vergabestelle zu entkräften. Mit dem pauschalen Hinweis eines Bieters z.B. auf die Einführung eines Leistungslohns, die Verringerung von Fahrzeiten bei derzeit unklarer Personallage und das Vorhandensein der erforderlichen Strukturen wird dem nicht Genüge getan (VK Brandenburg, B. v. 08.12.2006 – Az.: 1 VK 49/06). Diese Beweislastverteilung ist sachgerecht, weil nur der betreffende Bieter in der Lage ist, zur (zweifelhaften) Auskömmlichkeit seiner Kalkulation Stellung zu nehmen und die dem Anschein nach berechtigten Bedenken der Vergabestelle zu entkräften (1. VK Bund, B. v. 20.04.2005 - Az.: VK 1 - 23/05). Ausnahmetatbestände hat der konkurrierende Bieter selbst mit eigenständigen Tatsachen vorzutragen (OLG Dresden, B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0005/02); gegebenenfalls können solche auch aus den weiteren Umständen erkennbar sein (VK Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 - L; VK Bremen, B. v. 16.7.2003 - Az.: VK 12/03). Die materielle Beweislast in einem Nachprüfungsverfahren dafür, dass der von einem Bieter angebotene Preis im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht, trägt der Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens, nicht der Auftraggeber (OLG München, B. v. 11.05.2007 - Az.: Verg 04/07; VK Nordbayern, B. v. 18.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 43/08; B. v. 26.02.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 02/08).

107.7.2.6 Spekulationsangebote Spekulationsangebote sind eine besondere Ausprägung eines unangemessen hohen bzw. niedrigen Angebotes (VK Baden-Württemberg, B. v. 20.3.2002 - Az.: 1 VK 4/02). Deshalb kann die unter RZ 5627ff. dargestellte Rechtsprechung auch für Spekulationsangebote im Grundsatz herangezogen werden.

107.7.2.6.1 Grundsatz Spekulationsangebote und Spekulationspreise liegen dann vor, wenn der im Leistungsverzeichnis eingetragene Preis nicht ausreicht, den mit der einzelnen Leistung verbundenen Aufwand zu decken, oder bei denen der Preis deutlich über dem Wert liegt, der am Markt üblicherweise für eine Leistung der ausgeschriebenen Art erzielt werden kann. Erhofft sich ein Bieter größere Mengen als ausgeschrieben, so setzt er in Erwartung von Nachtragsaufträgen bei diesen Positionen einen hohen Preis an. Geht der Bieter davon aus, dass sich die Menge der ausgeschriebenen Leistungen verringert, setzt er niedrigere Beträge an, weil er dann die Mindermengen dem Bauherren vergüten müsste. Um bei hoch angesetzten Preisen für erwartete Mehrmengen die Chance auf den Auftrag nicht zu verschlechtern, reduziert er den Preis bei anderen Positionen, damit sein Angebot insgesamt das günstigste bleibt (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05). Spekulative, das heißt in ihrer wirtschaftlichen Risikobelastung für den Bieter nicht abschließend geklärte Angebote sind, soweit sie nicht allein in wettbewerbsverdrängender Absicht erfolgen, nicht grundsätzlich verboten (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 -

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Az.: Verg W 9/05; OLG Dresden, B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0005/02; Thüringer OLG, Urteil vom 27.2.2002 - Az.: 6 U 360/01). Da die Preisgestaltung ausschließlich Angelegenheit des Bieters ist (BGH, B. v. 18.05.2004 - Az.: X ZB 7/04; 1. VK Sachsen, B. v. 27.04.2005 - Az.: 1/SVK/032-05), ist es also vom Grundsatz her nicht zu beanstanden, dass ein Bieter - gegebenenfalls unter Ausnutzung einer mangelhaften Leistungsbeschreibung oder besonderer Kenntnisse über die örtlichen Verhältnisse - einzelne Einzelpreise abweichend von einem ordnungsgemäß ermittelten Preis anbietet. Sie sind regelmäßig wertbar und können allenfalls dann zu einer Nichtwertbarkeit führen, wenn zahlreiche Positionen mit Spekulationspreisen versehen sind. Bestehen hierfür keine Anhaltspunkte, hat - selbst wenn es sich um einen spekulativen Preis handelt - das Angebot eines Bieters in der Wertung zu verbleiben (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 10.10.2003 - Az.: VK 19/03).

107.7.2.6.2 Wertung von Spekulationspreisen

107.7.2.6.2.1 Rechtsprechung Spekulationspreise können eine Verpflichtung der Vergabestelle begründen, ein für den Auftraggeber aus dieser Spekulation gegebenenfalls folgendes wirtschaftliches Risiko zu prüfen, um auch auf diese Weise ihrer Verpflichtung zur Vergabe auf das wirtschaftlichste Angebot zu genügen. In diesem Zusammenhang mögen auch "sachwidrig" kalkulierte Einzelpreise vergaberechtlich relevant werden, wenn zwar der angebotene Gesamtpreis angemessen ist (etwa weil unter- und überkalkulierte Einzelpreise sich kompensieren), aber absehbar das Risiko der Verschiebung von "billigen" Leistungsanteilen zu für sich gesehen unangemessen hoch kalkulierten anderen Leistungsteilen in der Auftragsabwicklung besteht, die Spekulation des Bieters also - jedenfalls auch - ins Kalkül zieht, dass er ohnehin Nachforderungen werde stellen können, die den Angebotsendpreis letztlich als unrealistisch erscheinen lassen mögen. Wenn der Auftraggeber dieses Risiko sieht, muss er ihm nachgehen und das "Gefahrenpotential" aufklären; er mag auch verpflichtet sein, bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots das Preisrisiko zu berücksichtigen, das im Fall von konkret zu erwartenden Mengenänderungen mit Spekulationsangeboten verbunden ist (OLG Dresden, B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0005/02). Der Auftraggeber ist vergaberechtlich nicht verpflichtet, bei Ungewissheiten durch ein Spekulationsangebot zu Gunsten des spekulierenden Unternehmens seine Hoffnung darauf zu setzen, dass die möglichen Nachforderungen sich in solchen Grenzen halten werden, dass die Preiswürdigkeit seines Angebots am Ende gewahrt bleibt. So können im Rahmen einer Prognoseentscheidung verschiedene spekulative Risiken eines Angebots in ihrer Gesamtheit sowohl in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung als auch hinsichtlich ihres möglichen Ausmaßes groß genug sein, um die anfängliche Preiswürdigkeit des Angebots zu kompensieren und den Auftraggeber zu berechtigen, es nicht als das wirtschaftlichste einzustufen (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05; KG Berlin, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03; VK Südbayern, B. v. 23.08.2004, Az.: 120.3-3194.1-48-07/04; Stemmer, IBR 2005, 233). Lässt sich eine Spekulationsabsicht des Bieters ausmachen, so kann dieser auf Stufe 2 der Wertung bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Bieters Relevanz zukommen. Auf die Unzuverlässigkeit des Bieters kann z.B. geschlossen werden, wenn dieser die

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Unrichtigkeit des vom Auftraggebers aufgestellten Leistungsverzeichnisses erkennt, welches in einer Position weit überhöhte Mengenansätze enthält, auf diese Unwichtigkeit nicht hinweist, sondern statt dessen durch aus dem Rahmen fallende niedrige Einheitspreise eine günstige Stelle im Ausschreibungsverfahren zu erlangen sucht (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05).

107.7.2.6.2.2 Literatur • Konrad, Heinrich, Das Ende so genannter Spekulationsangebote bei öffentlichen

Ausschreibungen nach der VOB/A, NZBau 2004, 524 • Leinemann, Ralf, Umgang mit Spekulationspreisen, Dumpingangeboten und

Mischkalkulationen, VergabeR 2008, 346 • Stemmer, Darf bei spekulativer Preisbildung mit berichtigten Mengen gewertet werden?,

IBR 2005, 233

107.7.2.6.3 Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss

107.7.2.6.3.1 Angebotsausschluss bei Mischkalkulationen Vgl. dazu die Kommentierung RZ 5338. Diese Rechtsprechung greift auch für den Fall, dass ein Bieter einen prozentualen Anteil von Stoffkosten für eine spätere Wartung z.B. sanitärer Anlagen bereits in die Einheitspreise für die Montage übernimmt (VK Hannover, B. v. 17.11.2004 - Az.: 26045 - VgK 11/2004).

107.7.2.6.3.2 Sonstige Fallkonstellationen Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. Erkennt ein Bieter, dass einzelne Positionen im Leistungsverzeichnis mit weit überhöhten Mengenansätzen ausgeschrieben sind und gibt er deshalb für diese Positionen weit aus dem Rahmen fallende niedrige Einheitspreise an, ohne den Auftraggeber entgegen den Bewerbungsbedingungen auf die Unrichtigkeit des Leistungsverzeichnisses hinzuweisen, ist er nicht ausreichend zuverlässig im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A. Bedenken gegen die Vorgaben im Leistungsverzeichnis hat der einzelne Bieter im Ausschreibungsverfahren dem Auftraggeber mitzuteilen, damit dieser noch vor Zuschlag den Fehler beheben und zu einem ordnungsgemäßen Ende des Ausschreibungsverfahrens kommen kann. So weist bereits der erste Satz der Bewerbungsbedingungen darauf hin, dass der Bieter bei Unklarheiten des Leistungsverzeichnisses den Auftraggeber zu informieren hat. Dies muss erst recht für eine vom Bieter als fehlerhaft oder zweifelhaft angesehene Position des Leistungsverzeichnisses gelten. Der Bieter darf den Vertrag nicht unter dem geheimen Vorbehalt schließen, eine bestimmte Leistung gar nicht erbringen zu wollen. Erbringt er sie tatsächlich nicht, begeht er eine Vertragsverletzung, da er nach dem objektiven Erklärungswert seines Angebotes eine

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Leistung angeboten hat, welche dem Leistungsverzeichnis entspricht. Muss er sie aus irgendwelchen Gründen doch erbringen, sei es, wie hier möglich, weil sich die Witterungsverhältnisse anders entwickeln oder der Untergrund doch schlechter ist als angenommen, ist der Auftrag für ihn unwirtschaftlich (BayObLG, B. v. 18.9.2003 - Az.: Verg 12/03). Nach einer anderen Auffassung kann es der Bieterseite auch nicht generell, sondern allenfalls in außergewöhnlichen Sachverhaltsgestaltungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auferlegt werden, die Auftraggeber auf fehlerhaft oder zweifelhaft angesehene Positionen hinzuweisen, ähnlich wie die Auftraggeber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in engen Grenzen verpflichtet sind, die Bieter auf Kalkulationsirrtümer hinzuweisen. Den Bietern kann generell nicht angesonnen werden, den Interessen der Marktgegenseite nur deshalb erhöhte Rücksichtnahme zukommen zu lassen, weil es sich dabei um öffentliche Auftraggeber handelt. Diese können im Vergabewettbewerb keine wie auch immer geartete Sonderbehandlung im Vergleich zu privaten Parteien beanspruchen. Die Gefahr ihrer prinzipiellen unangemessenen Übervorteilung resultiert aus dieser Sicht nicht, weil der Wettbewerb selbst und die damit verbundene Notwendigkeit, das preiswerteste Angebot abzugeben, um einen Auftrag zu erlangen, das immanente Korrektiv gegen eventuelle übermäßige Preisspekulationen bietet (KG Berlin, B. v. 26.2.2004 - Az.: 2 Verg 16/03, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03). Soweit es Angebote mit signifikanten Aufpreisungen bei einzelnen Einheiten betrifft, sind die schützenswerten Interessen der öffentlichen Auftraggeber erst dann erheblich berührt, wenn die Gefahr besteht, dass sich das bei der Wertung vermeintlich wirtschaftlichste Angebot infolge der Aufpreisungen im Nachhinein auf Grund von abrechnungsfähigen Mehrmengen als nachteilig und letztlich teurer erweisen könnte, als ein Angebot mit einem höheren Submissionspreis. Ob diese Gefahr spekulativer Übervorteilung der Vergabestelle besteht, ist regelmäßig im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu beurteilen. Dabei dürfen sich der Auftraggeber oder die Nachprüfungsinstanzen nicht mit bloßen Mutmaßungen zufrieden geben. Vielmehr müssen Umstände festgestellt werden können, die mit einiger Wahrscheinlichkeit die Annahme rechtfertigen, dass es bei diesen Positionen zu erheblichen Nachforderungen kommen kann. Dabei ist das mutmaßliche finanzielle Ausmaß der potentiellen überproportionalen Nachforderungen schon deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die befürchteten nachträglichen Verteuerungen auf Grund des Gebots zur möglichst wirtschaftlichen Beschaffung in Beziehung zu setzen sind zu den Vorteilen, die das auszuschließende Angebot auf Grund des preislichen Abstands zu demjenigen Angebot aufweist, das an seiner Stelle angenommen werden soll. Außerdem ist zu prüfen, ob sich eventuell Vorteile auf Grund der vorgenommenen Abpreisungen bei anderen Positionen ergeben könnten (KG Berlin, B. v. 26.2.2004 - Az.: 2 Verg 16/03, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03). Das KG Berlin hat deshalb die Frage dem Bundesgerichtshof nach § 124 GWB zur Entscheidung vorgelegt. Nach Auffassung des OLG Nürnberg erweist sich ein Bieter schon dann als unzuverlässig i.S. des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A, wenn er eine in der Leistungsbeschreibung vorhandene Unrichtigkeit erkennt und diese durch eine willkürliche Preisgestaltung für sich auszunutzen versucht. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn in einem Leistungsverzeichnis unter der Pos. 1.1.40 die Andeckung von lediglich 350 m³ Oberboden ausgeschrieben ist, die zuvor innerhalb der Baustelle gelagert worden waren und diese Mengenangabe im Widerspruch zu der unter Pos. 1.1.20 ausgeschriebenen

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Abtragung von 780 m³ Oberboden und dessen Anlagerung im Baustellenbereich steht und ein Bieter X diese unrichtige Mengenangabe dadurch nutzt, dass er die Positionen 1.1.20 (780 m³ Oberboden abtragen) und 1.1.30 (710 m³ Oberboden abtragen) zu Einheitspreisen von 0,05 (= 39,--EUR) und 0,09 (= 63,90 EUR) anbietet, dagegen aber für das Andecken von 350 m³ Oberboden einen Einheitspreis von 22,56 (= 7.896,-- EUR) vorsieht und die gleichen Positionen von einem anderen Bieter Y im Rahmen einer stimmigen Preisgestaltung für 7,57 EUR (Pos. 1.1.20), 9,95 EUR (Pos. 1.1.30) und 10,88 EUR (Pos. 1.1.40) angeboten werden mit der Folge, dass die Bewegung des Oberbodens im Angebot des Bieters X mit nur 7.998,90 EUR zu Buche schlägt, während der Bieter Y dafür insgesamt 16.777,10 DM in sein Angebot aufnimmt und nach Ausführung der Arbeiten sowohl die Pos. 1.1.20 als auch die Pos. 1.1.40 mit 813 m³ abgerechnet werden bei der Pos. 1.1.30 lediglich eine Masse von 178,96 m³ ermittelt wird und dies zur Folge hat, dass der Auftraggeber an den Bieter X letztlich für diese Positionen 10.698,20 EUR zu bezahlen hat, während der Bieter Y auf der Grundlage der von ihm angebotenen Preise Anspruch auf nur 10.497,35 EUR gehabt hätte (OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.07.2007 - Az.: 1 U 970/07).

107.7.2.6.4 Wertung von Spekulationspreisen bei Bedarfspositionen Im Rahmen der Prognose über die Wirtschaftlichkeit des (Spekulations-)Angebots der Antragstellerin ist der Auftraggeber berechtigt zu unterstellen, dass die Bedarfsposition in voller Höhe erforderlich werden kann. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Auftraggeber bei seiner Prüfung gleichsam den schlimmsten Fall in den Blick nimmt. Es ist lebensnah anzunehmen, dass ein Bieter, der einen Auftrag erhalten hat, in dem er bestimmte Positionen spekulativ aufgepreist hat, bei der Bauausführung nach Kräften versuchen wird, daraus Nutzen zu ziehen (KG Berlin, B. v. 15.3.2004 - Az.: 2 Verg 17/03; VK Hessen, B. v. 25.08.2004 - Az.: 69 d - VK – 52/2004).

107.7.2.7 Zwingender Ausschluss von ungewöhnlich niedrigen Angeboten bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte, an denen jedoch ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht Ein automatischer Ausschluss von als ungewöhnlich niedrig angesehenen Angeboten auf Aufträge, an denen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, kann eine indirekte Diskriminierung darstellen, soweit in der Praxis Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden, die aufgrund anderer Kostenstrukturen erhebliche Skalenerträge erzielen können oder sich mit kleineren Gewinnmargen begnügen, um auf dem fraglichen Markt besser Fuß zu fassen, und deshalb in der Lage sind, ein wettbewerbsfähiges und gleichzeitig ernsthaftes und verlässliches Angebot zu machen, das der öffentliche Auftraggeber jedoch wegen der genannten Regelung nicht berücksichtigen könnte. Außerdem kann eine solche Regelung zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Absprachen und sogar zu kollusiven Praktiken zwischen Unternehmen auf nationaler oder örtlicher Ebene führen, die darauf abzielen, die öffentlichen Bauaufträge diesen Unternehmen vorzubehalten. Die Anwendung der Vorschrift des automatischen Ausschlusses von als ungewöhnlich niedrig angesehenen Angeboten auf Aufträge, an denen ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, kann daher Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit nehmen, in einen wirksameren Wettbewerb mit den in dem fraglichen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmern zu treten, und beeinträchtigt damit ihren Zugang zum Markt dieses Staates, indem sie die Ausübung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit behindert , was eine Beschränkung dieser

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Freiheiten darstellt. Die Anwendung einer solchen Regelung auf Aufträge von eindeutigem grenzüberschreitendem Interesse hindert die öffentlichen Auftraggeber, denen jede Möglichkeit genommen ist, die Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit von ungewöhnlich niedrigen Angeboten zu prüfen, daran, ihrer Pflicht zur Einhaltung der grundlegenden Vorschriften des Vertrags auf dem Gebiet des freien Verkehrs und des allgemeinen Diskriminierungsverbots nachzukommen. Es läuft auch dem eigenen Interesse der öffentlichen Auftraggeber zuwider, wenn ihnen diese Prüfungsmöglichkeit genommen wird, da sie die bei ihnen eingereichten Angebote nicht unter den Bedingungen eines wirksamen Wettbewerbs beurteilen und den Auftrag somit nicht nach den auch im öffentlichen Interesse aufgestellten Kriterien des niedrigsten Preises oder des wirtschaftlich günstigsten Angebots vergeben können (EuGH, Urteil vom 15.05.2008 - Az.: C-147/06, C-148/06). Selbst wenn ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, könnte ein automatischer Ausschluss bestimmter Angebote wegen ihres ungewöhnlich niedrigen Preises (z.B. auf der Basis der §§ 25 VOB/A bzw. VOL/A) zulässig sein, wenn eine übermäßig hohe Zahl von Angeboten die Anwendung einer entsprechenden Vorschrift rechtfertigt. In einem solchen Fall könnte der betroffene öffentliche Auftraggeber nämlich gezwungen sein, so viele Angebote einer Prüfung zu unterziehen, dass dies seine administrativen Möglichkeiten übersteigen oder durch die Verzögerung, die durch diese Prüfung einträte, die Verwirklichung des Projekts gefährden würde. Fünf gültige Angebote genügen hierfür jedoch nicht (EuGH, Urteil vom 15.05.2008 - Az.: C-147/06, C-148/06). Die Entscheidung des EuGH reiht sich nahtlos in die nationale Rechtsprechung zum Ausschluss von Angeboten mit unangemessen niedrigen Preisen ein. Sie macht deutlich, dass die Vorschriften des § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bzw. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A auch im unterschwelligen Auftragsbereich in den allermeisten Fällen nicht nach ihrem jeweiligen Wortlaut angewendet werden können.

107.7.3 Literatur

• Bechtolsheim, Caroline / Fichtner, Leonie, Stolperstein Angemessenheitsprüfung“ – Die Prüfung von Auskömmlichkeit und Angemessenheit i. S. von § 25 Nr. 2 II und III VOL/A und § 25 Nr. 3 I VOB/A unter Auswertung aktueller Rechtsprechung, VergabeR 2005, 574

107.8 4. Wertungsstufe: Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots (§ 25 Nr. 3 Abs. 3) In die engere Wahl kommen nur solche Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Mängelansprüche erwarten lassen. Unter diesen Angeboten soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.

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In § 25 Nr. 3 Abs. 3 sind im Zuge der VOB/A 2006 die beispielhaft aufgezählten Zuschlagskriterien dahingehend neu gefasst, dass Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist genannt sind. Die Regelung entspricht im Wesentlichen der Vorschrift des Art. 53 Abs. 1 Buchstabe a) der Vergabekoordinierungsrichtlinie. § 25 Nr. 3 VOB/A und § 25 Nr. 3 decken sich inhaltlich im Wesentlichen mit § 97 Abs. 5. Deshalb erfolgt eine einheitliche Kommentierung dieser Wertungsstufe bei § 97 Abs. 5 GWB RZ 607.

107.9 Nachholung einzelner Stufen der Wertung im Nachprüfungsverfahren Eine noch nicht erfolgte Beurteilungsentscheidung kann im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens nachgeholt werden, weil es bei dieser Sachlage eine unnötige Förmelei wäre, wenn man die Vergabestelle verpflichten würde, die Wertung zu wiederholen, die dann möglicherweise wiederum zu einem neuen Nachprüfungsantrag in der gleichen Vergabesache führen würde. Vielmehr kann in diesen Fällen sogleich die von der Vergabestelle im Nachprüfungsverfahren nachgeholte Beurteilung der Vergabestelle einer Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen unterzogen werden (VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07).

107.10 Angebote mit Abweichungen von technischen Spezifikationen (§ 25 Nr. 4) Ein Angebot nach § 21 Nr. 2 ist wie ein Hauptangebot zu werten. Nach § 21 Nr. 2 darf eine Leistung, die von den vorgesehenen technischen Spezifikationen abweicht, angeboten werden, wenn sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig ist. Die Abweichung muss im Angebot eindeutig bezeichnet sein. Die Gleichwertigkeit ist mit dem Angebot nachzuweisen.

107.10.1 Sinn und Zweck der Vorschrift Die Nachweispflicht gemäß § 21 Nr. 2 Satz 3 VOB/A dient dem Schutz des Auftraggebers und der Erleichterung der Prüfung von Änderungsvorschlägen der Bieter. Der Auftraggeber soll in die Lage versetzt werden, rasch und zuverlässig die fachliche Geeignetheit (Gleichwertigkeit) eines Nebenangebots zu beurteilen (OLG Düsseldorf, B. v. 4.7.2001 - Az.: Verg 20/01). § 21 Nr. 2 Satz 3 ist eine Muss-Vorschrift (1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2005 - Az.: VK-SH 37/04).

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107.10.2 Begriff der technischen Spezifikation Zum Begriff der technischen Spezifikation vgl. die Kommentierung zu § 9 VOB/A RZ 4189.

107.10.3 Eindeutige Bezeichnung der Abweichung im Angebot Bei Vorliegen einer Abweichung der "technischen Spezifikation" fordert § 21 Nr. 2 Satz 2 VOB/A die eindeutige Bezeichnung der Abweichung im Angebot. Der Bieter muss nicht nur darlegen, dass er etwas anders macht, sondern auch, was genau er anders macht. Die eindeutige Bezeichnung der Abweichung ist nämlich Grundbedingung für die Prüfung des abweichenden Angebots durch den Auftraggeber (VK Südbayern, B. v. 23.10.2001 - Az.: 34-09/01). In den betreffenden Angebotspositionen, den davon erfassten Positionsgruppen, dem jeweiligen Abschnitt oder unter Umständen im ganzen Angebot ist eindeutig und klar verständlich zu sagen, dass eine Abweichung von den technischen Spezifikationen vorliegt und worin sie liegt (VK Lüneburg, B. v. 21.10.2004 - Az.: 203-VgK-47/2004). Der pauschale Hinweis im Angebotsschreiben, "systembedingt (seien) naturgemäß Abweichungen in der Technik vorhanden", genügt nicht (OLG Koblenz, B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 Verg. 3/03).

107.10.4 Nachweis der Gleichwertigkeit

107.10.4.1 Zeitpunkt des Nachweises Nach § 21 Nr. 2 Satz 3 VOB/A, der als Muss-Vorschrift zu verstehen ist, ist der nach der genannten Bestimmung erforderliche Nachweis der Gleichwertigkeit der abweichenden Leistung mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gleichwertigkeit zusammen mit der Angebotsabgabe zu erbringen, um Transparenz, Nachprüfbarkeit und Diskriminierungsfreiheit des Verfahrens zu gewährleisten. Liegt die Gleichwertigkeit nicht auf der Hand, bedarf es also eines Nachweises der Gleichwertigkeit schon zusammen mit dem Angebot, um der Antragsgegnerin die notwendige Prüfung zu ermöglichen (BayObLG, B. v. 21.11.2001 - Az.: Verg 17/01). Die Nachweise sind dem Angebot beizufügen, da es sonst nicht vollständig ist. Unterlässt der Bieter den Nachweis, so ist sein Angebot unvollständig und aus diesem Grund aus der Wertung auszuschließen (Brandenburgisches OLG, B. v. 12.11.2002 - Az.: Verg W 16/02; 2. VK Brandenburg, B. v. 28.11.2006 - Az.: 2 VK 48/06; VK Südbayern, B. v. 29.05.2006 - Az.: 12-04/06; VK Südbayern, B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06; VK Münster, B. v. 17.06.2005 - Az.: VK 12/05; 1. VK Bund, B. v. 10.04.2007 - Az.: VK 1 - 20/07; VK Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2005 - Az.: VK-SH 37/04; 1. VK Sachsen, B. v. 08.07.2004 - Az.: 1/SVK/042-04; 2. VK Bund, B. v. 24.4.2003 - Az.: VK 2 - 18/03, B. v. 17.1.2002 - Az.: VK 2 - 46/01). Nur wenn die oben genannten Voraussetzungen gegeben sind, ist nach § 25 Nr. 4 VOB/A das Angebot als Hauptangebot zu werten (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 8.5.2002 - Az.: VK 8/02; VK Nordbayern, B. v. 15.2.2002 - Az.: 320.VK-3194-02/02).

107.10.4.2 Inhaltliche Anforderungen Ob die Abweichung gewertet werden kann, hängt davon ab, ob sie dem Vorschlag der ausschreibenden Stelle in qualitativer Hinsicht entspricht . In der Regel kann ein

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Sondervorschlag nur dann zum Zuge kommen, wenn er unter Abwägung aller technischer und wirtschaftlicher gegebenenfalls auch gestalterischer und funktionsbedingter Gesichtspunkten annehmbarer ist als der Auftraggebervorschlag. Annehmbarer heißt, dass der Bietervorschlag entweder eine bessere Lösung darstellt und nicht teurer ist oder eine gleichwertige Lösung darstellt und preislich günstiger ist (VK Baden-Württemberg, B. v. 21.5.2001 - Az.: 1 VK 7/01).

107.10.4.3 Ausnahmen Ist der öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren sachverständig beraten, bestätigt der Berater die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Abweichung der technischen Spezifikation und gehen sowohl der Auftraggeber als auch der Bieter aufgrund ihrer eigenen oder durch Berater vermittelten Fachkunde übereinstimmend davon aus, dass die Abweichung von der technischen Spezifikation der Vorgabe des Leistungsverzeichnisse sachlich gleichwertig ist, darf der Auftraggeber auf den an sich vorgeschriebenen Nachweis einer Gleichwertigkeit selbst ausnahmsweise verzichten (OLG Düsseldorf, B. v. 4.7.2001 - Az.: Verg 20/01; VK Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2005 - Az.: VK-SH 37/04; VK Hessen, B. v. 06.07.2009 - Az.: 69 d VK – 20/2009).

107.10.5 Prüfungspflicht des Auftraggebers

107.10.5.1 Grundsatz Der Auftraggeber muss ein Angebot mit Abweichungen von den technischen Spezifikationen mit einer den Umständen angemessenen Sorgfalt und Genauigkeit prüfen, ob die Abweichungen von den technischen Spezifikationen technisch gleichwertig sind (VK Südbayern, B. v. 23.10.2001 - Az.: 34-09/01). Eine Einzelfallprüfung für jede Einzelposition ist, unter Umständen unter Hinzuziehung von Beratern und Sachverständigen entsprechend § 7 VOB/A, zwingende Voraussetzung für die fehlerfreie Bewertung der technischen Gleichwertigkeit (1. VK Sachsen, B. v. 7.10.2003 - Az.: 1/SVK/111-03, B. v. 3.4.2002 - Az.: 1/SVK/020-02, B. v. 8.4.2002 - Az.: 1/SVK/022-02). Zu eigenen Nachforschungen über die technische Gleichwertigkeit bei Fehlen des Nachweises ist er jedoch nicht verpflichtet (VK Südbayern, B. v. 23.10.2001 - Az.: 34-09/01; VK Halle, B. v. 27.8.2001 - Az.: VK Hal 13/01). Entscheidend ist, ob der Auftraggeber in der Lage ist, die (mögliche) Annehmbarkeit beim ersten Vergleich der Angebote und Nebenvorschläge abschätzen zu können, ohne direkt in Aufklärungsgespräche einsteigen zu müssen (VK Düsseldorf, B. v. 7.6.2001 - Az.: VK - 13/2001 - B).

107.10.5.2 Firmenbroschüren und Produktkataloge Firmenbroschüren sind hinsichtlich technischer Einzelheiten in der Regel nicht aussagekräftig und genügen den Anforderungen des § 21 Nr. 2 VOB/A nicht. Ein Produktkatalog ist ebenfalls kein Nachweis im Sinne von § 21 Nr. 2 VOB/A, wenn er eine Vielzahl von Produktangaben und technischen Daten zu allen möglichen Produktvarianten und Typen, die einem System zugeordnet werden und eingebaut werden

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können, enthält und wenn sich daraus nicht ergibt, welche konkreten Typen mit dem in der Leistungsanforderung geforderten technischen Daten vergleichbar und gleichwertig sind, wenn es also keine Verbindung zwischen dem Produktkatalog, dem Leistungsverzeichnis und dem Angebot gibt, es vielmehr dem Auftraggeber überlassen bleibt, sich die Angaben selbst aus dem Produktkatalog herauszusuchen und mit dem Angebot abzugleichen (VK Münster, B. v. 17.06.2005 - Az.: VK 12/05).

107.10.5.3 Beispiele aus der Rechtsprechung zum Prüfungsumfang

• an einer solchen Prüfung der Gleichwertigkeit fehlt es, wenn weder ein vom Auftraggeber beauftragtes Büro in seiner Zuarbeit noch der Auftraggeber selbst für alle abweichenden Positionen nachvollziehbar ausführen, aus welchen Gründen die technischen Abweichungen akzeptabel sind. Lapidare und formelhafte Begründungen ("trotz der Abweichung wird auf Grund jahrelanger Praxiserprobung dieser Maschinen und der Erreichung guter Ergebnisse von einer technischen Gleichwertigkeit ausgegangen") genügen nicht (1. VK Sachsen, B. v. 3.4.2002 - Az.: 1/SVK/020-02, B. v. 8.4.2002 - Az.: 1/SVK/022-02)

• zu einer Prüfung eines Alternativfabrikats auf Gleichwertigkeit gehört eine Gegenüberstellung der Anforderungen des Leistungsverzeichnisses, gegebenenfalls der Eigenschaften des Leitfabrikats, mit den diesbezüglichen Eigenschaften des Alternativfabrikats, das heißt, dass alle Eigenschaften, die Bezug zu Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit und Gesundheit haben, verglichen werden müssen (VK Brandenburg, B. v. 26.2.2003 - Az.: VK 77/02)

107.10.6 Beispiele aus der Rechtsprechung zu Abweichungen von Spezifikationen

• das Nebenangebot der Antragstellerin ändert durch die Abweichung vom statischen Entwurf der Ausschreibung die technischen Spezifikationen, insbesondere die Statik des ursprünglichen Bauentwurfs. So wird die Pfahlneigung 1 : 10 aus dem Hauptangebot für das Nebenangebot nicht übernommen (s. von der Antragstellerin vorgelegte Skizze). Auch sieht das Nebenangebot vor, das Bauwerk als Biegesteife Rahmenkonstruktion auszuführen, wobei jedoch die Gefahr der Rissebildung besteht. Weil ein statischer Nachweis für die Gleichwertigkeit dieser Konzeption dem Nebenangebot nicht beilag, verstößt die Antragstellerin gegen die Vorgaben der Bewerbungsbedingungen und § 21 Nr. 2 Satz 3 VOB/A. Das Nebenangebot kann somit nicht gewertet werden (VK Südbayern, B. v. 06.04.2006 - Az.: 06-03/06)

• da der Bieter nicht nachgewiesen hat, dass PEX-Rohrleitungen gleichwertig mit den ausgeschriebenen Kupferrohrleitungen sind, ist das Angebot auszuschließen (1.VK Bund, B. v. 4.3.2003 - Az.: VK 1 - 05/03)

• nennt das Leistungsverzeichnis Mindestabmessungen für einzelne Leistungsteile, ist daraus unmissverständlich erkennbar, dass diese Leistungsteile auch größer sein dürfen. Machen Bieter von dieser, im Leistungsverzeichnis eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, beinhaltet das Angebot daher nicht eine "geringfügig abweichende technische Spezifikation" (1. VK Bund, B. v. 1.3.2002 - Az.: VK 1 - 3/02)

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• beruft sich ein Auftraggeber rechtmäßigerweise darauf, dass er die Krankenhausbaurichtlinie anzuwenden hat, welche als Dämmstoff nicht brennbare Baustoffe fordert, darf er ein Nebenangebot, welches lediglich schwer entflammbare Baustoffe anbietet, von der Wertung ausschließen. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die vom Bieter angebotene Konstruktion eine objektiv niedrigere Brandlast (in Übereinstimmung mit der Flachdachrichtlinie) hat, z. B. Ausschreibung einer teilweise bekiesten, teilweise begrünten Betondachkonstruktion (1. VK Sachsen, B. v. 16.7.2001 - Az.: 1/SVK/68-01)

• bietet ein Unternehmen anstelle eines die ganze Baustelle abdeckenden ortsfesten Gerüsts ein verziehbares Arbeits- und Schutzgerüst an, entstehen dadurch, dass das angebotene Gerüst nicht während der gesamten Bauausführung auf der gesamten Länge der Baustelle vorhanden ist, und dadurch, dass das Gerüst verschoben werden muss, Sicherheitseinbußen gegenüber dem ausgeschriebenen Gerüst; damit ist das Nebenangebot im Schutzniveau nicht gleichwertig (VK Münster, B. v. 22.8.2002 - Az.: VK 07/02)

• der Bieter muss die Gleichwertigkeit der Materialien durch Prüfzeugnisse, Gutachten, Qualitätszertifikate etc. nachweisen (OLG Rostock, B. v. 20.8.2003 - Az.: 17 Verg 9/03)

107.10.7 Richtlinie des VHB 2008 zu Abweichungen von technischen Spezifikationen Angebote über Leistungen mit von der Leistungsbeschreibung abweichenden Spezifikationen sind als Hauptangebot daraufhin zu überprüfen, ob sie mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertig sind und die Gleichwertigkeit nachgewiesen ist (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 2.2).

107.11 Wertung von Nebenangeboten (§ 25 Nr. 5 Satz 1) Nebenangebote sind zu werten, es sei denn, der Auftraggeber hat sie in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen nicht zugelassen. Nebenangebote sollen dem Auftraggeber die Kenntnis von anderen, ihm nicht bekannten oder von ihm nicht bedachten Ausführungsmöglichkeiten vermitteln (OLG Celle, B. v. 21.8.2003 - Az.: 13 Verg 13/03). Grundsätzlich kann es also erwünscht sein, dass Bieter im Blick auf den geforderten Leistungsumfang hinsichtlich von Kosten und Nutzen Ideen entwickeln und im Rahmen von Nebenangeboten Einsparungspotentiale anbieten, die eine andere Ausführung der Bauleistung abweichend von der Ausschreibung vorschlagen (VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05).

107.11.1 Hinweis Vgl. zu dem Begriff des Nebenangebotes, den möglichen Inhalten sowie zum Ausschluss von Nebenangeboten die Kommentierung zu § 10 VOB/A RZ 4356 ff.

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107.11.2 Formvorschriften für Nebenangebote (§ 21 Nr. 3, § 25 Nr. 1 Abs. 2) Vgl. insoweit die Kommentierung RZ 5609.

107.11.3 Prüfungsstufen für ein Nebenangebot Bei Nebenangeboten ist zunächst zu prüfen, ob Nebenangebote überhaupt vom Auftraggeber zugelassen sind. Danach ist zu prüfen, ob das Nebenangebot die vorgegebenen Mindestbedingungen erfüllt. Dabei ist im nächsten Schritt zu klären, ob das Nebenangebot in der Fassung der Angebotsabgabe den Nachweis der Gleichwertigkeit erbracht hat. Erst danach ist in einer vierten Stufe zu untersuchen, ob die behauptete Gleichwertigkeit auch objektiv gegeben ist. Erst am Schluss dieses Prüfkanons ist die Vergleichsprüfung vorzunehmen, ob sich das Nebenangebot gegenüber dem wirtschaftlichsten Hauptangebot oder anderen - wertbaren - Nebenangeboten als wirtschaftlicher/vorteilhafter darstellt (1. VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06; B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; B. v. 23.5.2003 - Az.: 1/SVK/030-03). Die Wertung eines Nebenangebots erfordert also einen zusätzlichen, bei Hauptangeboten nicht erforderlichen Prüfungsschritt : Festzustellen ist, ob das Nebenangebot im Verhältnis zu den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses und den daraufhin abgegebenen Hauptangeboten qualitativ und quantitativ gleichwertig ist (OLG Naumburg, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1 Verg 20/04; VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08; VK Hessen, B. v. 16.07.2004 - Az.: 69 d - VK – 39/2004; 1. VK Bund, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 1 - 07/02, B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02). Fehlt es daran, darf das Nebenangebot nicht berücksichtigt werden. Andernfalls würde die Vergabestelle nachträglich das ursprüngliche Anforderungsprofil verändern, was im Widerspruch zum Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter stünde. Gleichwertigkeit setzt auf jeden Fall voraus, dass die Variante den Zweck, den der Auftraggeber mittels der nachgefragten Leistung erkennbar erreichen will, erfüllen kann. Sie muss dem Willen des Auftraggebers in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht gerecht werden. Zur Gleichwertigkeit gehören auch die technische Durchführbarkeit und die baurechtliche Zulässigkeit (VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08). Zum Inhalt der Prüfung und Wertung eines Nebenangebots auf der ersten Wertungsstufe vgl. die Kommentierung RZ 5749/3.

107.11.4 Beurteilungsspielraum bei der Wertung und Grenzen der Überprüfbarkeit der Entscheidung Hinsichtlich der Wertung von Nebenangeboten ist der Vergabestelle ein objektiver und subjektiver Beurteilungsspielraum eingeräumt (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; OLG Frankfurt, B. v. 07.08.2007 - Az.: 11 Verg 3/07, 4/07; OLG Hamm, B. v. 25.10.2005 - Az.: 24 U 39/05; OLG Naumburg, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1 Verg 20/04; OLG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2007 - Az.: 5 U 4/06; VK Arnsberg, B. v. 25.03.2009 - Az.: VK 04/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 25.05.2005 - Az.: 1 VK 25/05; VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; B. v. 21.09.2005 - Az.: 2 VK 54/05; VK Lüneburg, B. v.

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12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007; B. v. 19.04.2005 - Az.: VgK-11/2005; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; VK Niedersachsen, B. v. 08.01.2010 - Az.: VgK-68/2009; VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08; B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07; 1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08). Zwar gilt grundsätzlich, dass die Auslegung und Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen einer vollständigen Nachprüfung unterliegt. Sofern aber im Einzelfall bei der Wertung von Angeboten ein Beurteilungsspielraum bzw. eine Bewertungsprärogative besteht, können die Vergabekammer bzw. der Vergabesenat nicht ihre Wertung an die Stelle der Wertung der Vergabestelle setzen (VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07). Dann wird lediglich geprüft, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen eingehalten und dem Zweck der Ermächtigung entsprechend Gebrauch gemacht hat. Im Blick auf § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A ergibt sich, dass es um die Gesamtschau zahlreicher, die Entscheidung beeinflussender Einzelumstände und somit um eine Wertung geht, die im Gegensatz zur Anwendung bloßer Verfahrensregeln der VOB/A bzw. der VOL/A einen angemessenen Beurteilungsspielraum voraussetzt. Hiernach ist bei der Wertung von Nebenangeboten eine Überschreitung des gegebenen Bewertungsspielraums nur dann anzunehmen, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird, nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewandt wird (OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; VK Arnsberg, B. v. 25.03.2009 - Az.: VK 04/09; VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 25.05.2005 - Az.: 1 VK 25/05; B. v. 23.6.2003 - Az.: 1 VK 28/03, B. v. 20.3.2002 - Az.: 1 VK 4/02, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03; VK Berlin, B. v. 29.06.2004 - Az.: VK - B 1 – 24/04; 2. VK Bremen, B. v. 19.2.2003 - Az.: VK 2/03; VK Hessen, B. v. 14.3.2002 - Az.: 69 d - VK 07/2002; B. v. 16.07.2004 - Az.: 69 d - VK – 39/2004; VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 4.6.2002 - Az.: VK 14/02, B. v. 7.3.2002 - Az.: VK 2/02; 1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; B. v. 26.1.2004 - Az.: 1/SVK/161-03, B. v. 4.7.2003 - Az.: 1/SVK/073-03, 1/SVK/073-03g; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; B. v. 03.11.2004 - Az.: VK-SH 28/04).

107.11.5 Wertungskriterien für Nebenangebote

107.11.5.1 Allgemeines In der Vergangenheit gab es eine sehr umfangreiche Rechtsprechung dazu, unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen Nebenangebote zu werten sind. Im Ergebnis kreist die Diskussion immer darum, ob Nebenangebote zu dem Hauptangebot gleichwertig sind. Das Merkmal der Gleichwertigkeit findet sich allerdings weder in den Basisparagraphen noch in den a-Paragraphen; es ist lediglich in § 21 Nr. 2 für die Fallgruppe der Abweichung von technischen Spezifikationen erwähnt; solche Abweichungen von technischen Spezifikationen gelten aber nach § 25 Nr. 4 gerade nicht als Nebenangebot (ein instruktives Beispiel für die Parallelität der Gleichwertigkeitsprüfung findet sich in der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes, B. v. 20.8.2002 - Az.: Verg W 6/02).

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107.11.5.2 Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist ein öffentlicher Auftraggeber, der nicht ausgeschlossen hat, dass Änderungsvorschläge vorgelegt werden, verpflichtet, in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen zu erläutern, die diese Änderungsvorschläge erfüllen müssen. Denn nur eine Erläuterung in den Verdingungsunterlagen ermöglicht den Bietern in gleicher Weise die Kenntnis von den Mindestanforderungen, die ihre Änderungsvorschläge erfüllen müssen, um vom Auftraggeber berücksichtigt werden zu können. Es geht dabei um eine Verpflichtung zur Transparenz, die die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter gewährleisten soll, der bei jedem von der Richtlinie erfassten Vergabeverfahren für Aufträge einzuhalten ist (1. VK Bund, B. v. 20.08.2008 - Az.: VK 1 - 108/08; 3. VK Bund, B. v. 03.02.2010 - Az.: VK 3 – 1/10; VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07). Hat der Auftraggeber entgegen Art. 24 Abs. 3 der Vergabekoordinierungsrichtlinie keine Angaben zu Mindestanforderungen gemacht, kann folglich ein Nebenangebot selbst dann nicht berücksichtigt werden, wenn die Änderungsvorschläge nicht, wie in Art. 24 Abs. 2 vorgesehen, in der Bekanntmachung für unzulässig erklärt worden sind (EuGH, Urteil vom 16.10.2003 - Az.: C-421/01; OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Rostock, B. v. 05.07.2006 - Az.: 17 Verg 7/06; OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07; B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; B. v. 27.04.2005 - Az.: VII - Verg 23/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 13.08.2009 - Az.: 1 VK 37/09; 2. VK Bund, B. v. 17.07.2008 - Az.: VK 2 – 67/08; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; VK Niedersachsen, B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008; VK Nordbayern, B. v. 18.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/07; B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05; B. v. 11.08.2005 - Az.: 320.VK-3194-25/05; B. v. 21.07.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 24/04; VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09; VK Thüringen, B. v. 15.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2493/2009-003-EIC; B. v. 05.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2398/2009-002-ABG). Der allgemeine Hinweis des Auftraggebers auf das Erfordernis einer Gleichwertigkeit des Nebenangebots mit dem Hauptangebot genügt nicht (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; B. v. 29.03.2006 - Az.: VII - Verg 77/05; VK Nordbayern, B. v. 18.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/07). Für Vergaben ab den Schwellenwerten der VOB/A ist diese Rechtsprechung über die Regelungen der §§ 10a Buchstabe f), 10b Nr. 2, 25a Nr. 3, 25b Nr. 3 in die neue VOB/A 2006 eingefügt worden. Für Ausschreibungen unterhalb der Schwellenwerte soll diese Rechtsprechung damit nicht gelten. Nach Auffassung des OLG Zweibrücken erfordert jedoch das im Bauvergaberecht geltende Transparenzgebot auch bei Aufträgen unterhalb des so genannten Schwellenwertes, dass die Nebenangebote bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Insoweit enthält z.B. das vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebene Vergabehandbuch 2002 für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) in Teil II Nr. 212 EVM (B) BwB/E Nr. 5 Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen, die auch die näheren Einzelheiten zum Inhalt und der Abgabe von Nebenangeboten regeln. Danach sind Nebenangebote, soweit sie Positionen des Leistungsverzeichnisses betreffen, nach Mengenansätzen und Einzelpreisen entsprechend dem Leistungsverzeichnis aufzugliedern, auch wenn sie diese im Ergebnis in einer Pauschalsumme anbieten. Nebenangebote, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind von der Wertung

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auszuschließen, somit unzulässig. Die Regelungen des Vergabehandbuchs sind zwar nur im Bereich von Baumaßnahmen des Bundes verbindliche Arbeitsgrundlage. Sie entsprechen aber den allgemeinen Grundsätzen, welche nach Ansicht des Senats an die inhaltlichen Anforderungen einer Ausschreibung und deren Durchführung zu stellen sind. Nebenangebote dürfen nämlich gemäß § 25 Nr. 3 VOB/A nur dann berücksichtigt werden, wenn sie den in der Ausschreibung geforderten Kriterien technisch und wirtschaftlich gleichwertig sind. Dies ist im Vergabetermin zu prüfen und für alle beteiligten Bieter transparent zu machen. Nur so kann eine Benachteiligung von Mitbietern im Wettbewerb vermieden werden. Dem entspricht auf Seiten des Auftraggebers das Erfordernis, bereits in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen zu erläutern, die von Änderungsvorschlägen oder Nebenangeboten erfüllt werden müssen, und anzugeben, in welcher Art und Weise solche eingereicht werden können, vgl. Art. 19 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge. Auch diese Vorschrift macht deutlich, dass im Hinblick auf das durch die öffentliche Ausschreibung entstehende vorvertragliche Vertrauensverhältnis Aufklärungs- und Hinweispflichten bestehen. Diese dürfen sich nicht nur auf Aufträge oberhalb des Schwellenwertes beschränken, sondern sind entsprechend auf alle öffentlichen Vergabeverfahren anzuwenden (OLG Zweibrücken, Urteil v. 24.01.2008 - Az.: 6 U 25/06).

107.11.5.3 Konsequenzen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes

107.11.5.3.1 Grundsatz Es ist damit nicht mehr zulässig - zumindest für Ausschreibungen ab den Schwellenwerten - Nebenangebote überhaupt zu prüfen oder werten, wenn der Auftraggeber versäumt hat, die Mindestanforderungen zu erläutern, die diese Nebenangebote erfüllen müssen (OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08; B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07; OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Rostock, B. v. 05.07.2006 - Az.: 17 Verg 7/06; OLG Koblenz, B. v. 31.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 15.02.2005 - Az.: 6 Verg 6/04; OLG München, B. v. 11.08.2005 - Az.: Verg 012/05; B. v. 15.07.2005 - Az.: Verg 014/05; B. v. 05.07.2005 - Az.: Verg 009/05; BayObLG, B. v. 22.06.2004 - Az.: Verg 013/04; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; VK Münster, B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05; 1. VK Sachsen, B. v. 09.01.2006 - Az.: 1/SVK/149-05; 1. VK Bund, B. v. 30.09.2005 - Az.: VK 1 – 122/05; VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06; B. v. 10.06.2005 - Az.: 20-04/05, B. v. 03.05.2005 - Az.: 15-03/05, B. v. 23.08.2004, Az.: 120.3-3194.1-48-07/04; VK Arnsberg, B. v. 13.06.2006 - Az.: VK 15/06; B. v. 16.08.2005 - Az.: VK 14/2005; B. v. 16.08.2005 - Az.: VK 13/2005; VK Düsseldorf, B. v. 08.08.2005 - Az.: VK-07/2005-B; 2. VK Bund, B. v. 25.04.2005 - Az.: VK 2 – 21/05; VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 56/05; B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; B. v. 01.03.2005 - Az.: VK 8/05; B. v. 28.02.2005 - VK 02/05; VK Lüneburg, B. v. 19.04.2005 - Az.: VgK-11/2005; VK Thüringen, B. v. 15.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2493/2009-003-EIC; B. v. 05.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2398/2009-002-ABG; B. v. 01.11.2004 - Az.: 360-4002.20-033/04-MGN; VK Nordbayern, B. v. 18.12.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 47/07; B. v. 07.11.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 35/05; B. v. 04.10.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/05; B. v. 11.08.2005 - Az.: 320.VK-3194-25/05; B. v. 18.01.2005 - Az.:

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320.VK - 3194 - 54/04; B. v. 02.12.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 47/04; B. v. 24.08.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 30/04; B. v. 06.08.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 26/04). Ebenso ist die Rechtsprechung der Vergabesenate und Vergabekammern aus der Vergangenheit zur Wertung von Nebenangeboten für Ausschreibungen ab den Schwellenwerten nur sehr eingeschränkt verwertbar.

107.11.5.3.2 Notwendigkeit der Erläuterung der technischen Mindestanforderungen? Streitig ist in der Rechtsprechung, ob zur Erfüllung der vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Forderung genügt, ob – lediglich - formale Mindestanforderungen oder ob auch technische Mindestanforderungen formuliert werden müssen. Der Auftraggeber, der von bestimmten technischen Entwicklungen oder neuen Produkten auf dem Markt keine Kenntnis hat, kann eine Leistungsbeschreibung gar nicht formulieren , die diese Möglichkeiten einbezieht. Das bedeutet, dass der Bieter sein Nebenangebot selbst so planen und kalkulieren muss, dass es keine unabwägbaren Risiken wie z.B. das Mengen- und Preis- oder Realisierungsrisiko enthält. Folgt man der Gegenansicht, würde das Risiko der Leistungsbeschreibung für Nebenangebote dem öffentlichen Auftraggeber zugemutet, was letztlich dazu führen würde, dass aufgrund mangelnder Kenntnis von neuen Produkten oder Entwicklungen Nebenangebote nicht mehr zugelassen werden könnten, wenn der öffentliche Auftraggeber diese nicht schon bei Erstellung der Leistungsbeschreibung im Blick gehabt hätte. Eine derartige Betrachtung würde dem Zweck von Nebenangeboten zuwiderlaufen und ist daher vom EuGH auch so nicht formuliert worden (VK Lüneburg, B. v. 22.03.2006 - Az.: VgK-05/2006; B. v. 20.03.2006 - Az.: VgK-04/2006; B. v. 27.06.2005 - Az.: VgK-23/2005; B. v. 20.05.2005 - Az.: VgK-18/2005; B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005; B. v. 19.04.2005 - Az.: VgK-11/2005; B. v. 11.01.2005 - Az.: 203-VgK-55/2004; B. v. 06.12.2004 - Az.: 203-VgK-50/2004; 2. VK Bund, B. v. 25.04.2005 - Az.: VK 2 – 21/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 03.11.2004 - Az.: VK-SH 28/04). Die durch Artikel 24 Abs. 4 VKR geforderten Mindestanforderungen sollen lediglich gewährleisten, dass sich die Bieter über den Rahmen klar sind, in dem sie von den Festlegungen für das Hauptangebot abweichen dürfen und mit einer Akzeptanz ihrer Nebenangebote rechnen können. Dazu bedarf es grundsätzlich keiner Festlegung von Mindestbedingungen in Form eines "Schattenleistungsverzeichnisses" für Nebenangebote (VK Lüneburg, B. v. 22.03.2006 - Az.: VgK-05/2006; B. v. 20.03.2006 - Az.: VgK-04/2006). Nach anderer Auffassung müssen die Vergabeunterlagen auch technische Mindestanforderungen enthalten (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; OLG Koblenz, B. v. 31.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; BayObLG, B. v. 22.06.2004 – Az.: Verg 13/04; VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07). Rein formelle Vorgaben in den Verdingungsunterlagen, die bei der Abgabe von Nebenangeboten einzuhalten sind, genügen nicht, z.B. Vorgaben zur äußeren Form des Nebenangebots (deutliche Kennzeichnung als Nebenangebot, umfassende Beschreibung etc.) und inwieweit sie auch ohne die Abgabe eines Hauptangebots zugelassen sind. Dem Transparenzgrundsatz ist jedoch nur dann gedient, wenn ein Mindestmaß an inhaltlichen

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Vorgaben, denen die Nebenangebote entsprechen müssen, in den Verdingungsunterlagen enthalten ist (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; OLG Koblenz, B. v. 31.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; OLG München, B. v. 05.07.2005 - Az.: Verg 009/05; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; VK Münster, B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06; B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05; VK Niedersachsen, B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008; VK Nordbayern, B. v. 07.11.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 35/05; VK Düsseldorf, B. v. 08.08.2005 - Az.: VK-07/2005-B; 2. VK Bund, B. v. 25.04.2005 - Az.: VK 2 – 21/05; 1. VK Bund, B. v. 30.09.2005 - Az.: VK 1 – 122/05; B. v. 24.03.2005 - Az.: VK 1 - 14/05; VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 56/05; B. v. 01.03.2005 - Az.: VK 8/05; B. v. 21.12.2004 - Az.: VK 64/04; im Ergebnis ebenso VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09; B. v. 27.04.2006 - Az.: 04-02/06). Mit diesen Vorgaben sollen den Bietern Anhaltspunkte bei der Fertigung von Nebenangeboten gegeben werden und es soll verhindert werden, dass ein Bieter von der Vergabestelle nicht erwünschte Abweichungen erarbeitet, die von vorn herein keine Chance auf Berücksichtigung haben. Für die Abgabe von Nebenangeboten wird den Bietern somit ein Spielraum in der Weise eingeräumt, dass die inhaltlichen Anforderungen an Hauptangebote gelockert und Bedingungen speziell für Nebenangebote beschrieben werden. Der Hinweis, dass das Nebenangebot alle Leistungen umfassen muss, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind, genügt nicht (VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09). Die Mindestbedingungen dürfen nicht lediglich abstrakt und für die Gestaltung von Nebenangeboten „inhaltsleer“ sein, sondern müssen sich auf den Beschaffungsvorgang und die konkrete Ausgestaltung von Nebenangeboten beziehen. Dies ist insbesondere dann zu beachten, wenn die Erstellung von Angeboten und auch von Nebenangeboten für die Bieter teilweise mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist; die Bieter müssen in der Lage sein, klar zu erkennen, was als Nebenangebot zugelassen ist, um diesen Aufwand nicht umsonst zu betreiben. Auf der anderen Seite muss auch klar sein, in welchem Rahmen Nebenangebote zugelassen sind, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, indem ein Bieter von der Abgabe eines ihm durchaus möglichen Nebenangebots Abstand nimmt in der Annahme, ein solches sei nicht zugelassen (3. VK Bund, B. v. 03.02.2010 - Az.: VK 3 – 1/10). Da der europäische Gesetzgeber und der EuGH den Grundsätzen der Transparenz und Chancengleichheit aller Bieter die höchste Priorität einräumen, ist der Einwand der mangelnden Praktikabilität aufgrund eines erheblichen zusätzlichen Planungsaufwandes durch die Vergabestelle in diesem Zusammenhang zurückzuweisen. Auch die Problematik, dass die Forderung von Mindestbedingungen für Nebenangebote dem Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens entgegenstünden, da sonst kostengünstige und innovative Unternehmen nicht mehr zum Zug kämen, ist vor diesem Hintergrund hinzunehmen (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Koblenz, B. v. 31.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; VK Düsseldorf, B. v. 08.08.2005 - Az.: VK-07/2005-B). Die Zielvorstellung des nationalen Rechts (Praktikabilität) ist nicht die der europäischen Vergaberichtlinie. Ihr geht es vielmehr um die Verpflichtung zur Transparenz und die Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Bieter. Diese Bestrebung ist als vorrangig zu akzeptieren. Entscheidend ist daher der Gesichtspunkt, dass alle an der Abgabe von Nebenangeboten interessierten Bieter mit denselben Vorgaben umgehen und nur diejenigen

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Berücksichtigung finden sollen, die mit ihren Angeboten die aufgestellten Anforderungen erfüllen. Nur in diesem Rahmen kann der Zweck der nationalen Vorschriften noch Berücksichtigung finden (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; OLG Koblenz, B. v. 31.05.2006 - Az.: 1 Verg 3/06; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07). Die nationalen Vorschriften werden überlagert von der für Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte geltenden Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 31. März 2004. Unter dem Begriff „Varianten“ ist dort in Art. 24 Abs. 3 zu Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen geregelt, dass die öffentlichen Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen anzugeben haben, welche Mindestanforderungen die Varianten erfüllen müssen und in welcher Art und Weise sie einzureichen sind. Nach Art. 24 Abs. 4 dürfen sie nur Varianten berücksichtigen, die die von ihnen verlangten Mindestanforderungen erfüllen. Der Wortlaut der Richtlinienbestimmungen unterscheidet hinsichtlich der in den Verdingungsunterlagen aufzunehmenden Vorgaben zwischen „der Art und Weise“, in der Nebenangebote einzureichen sind, und den „Mindestanforderungen, die Varianten (Änderungsvorschläge) erfüllen müssen“. Diese Differenzierung zeigt, dass das Aufstellen rein formaler Wertungsvoraussetzungen für Nebenangebote nicht ausreichend sein kann, denn sie beträfen nur die „Art und Weise“ der Einreichung solcher Angebote. Fordern die Richtlinien darüber hinaus Mindestanforderungen, so können damit nur leistungsbezogene, d.h. sachlich-technische Vorgaben gemeint sein (OLG Brandenburg, B. v. 20.03.2007 - Az.: Verg W 12/06; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; VK Südbayern, B. v. 29.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-11-03/09). Die in dem Formblatt EVM(B) BWB/E 212 des Vergabehandbuches enthaltenen Bedingungen für die Einreichung von Nebenangeboten stellen nach dieser Auffassung solche Anforderungen nicht dar (1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; 1. VK Bund, B. v. 30.09.2005 - Az.: VK 1 – 122/05; VK Brandenburg, B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; B. v. 01.03.2005 - Az.: VK 8/05; B. v. 28.02.2005 - VK 02/05). Es kann auch nicht auf die Anforderungen zurückgegriffen werden, welche das Leistungsverzeichnis aufstellt. Denn das Leistungsverzeichnis befasst sich nur mit den Anforderungen, welche an das Hauptangebot gestellt werden. Hingegen ist es Sinn eines Nebenangebotes, eine vom Hauptangebot abweichende Lösung vorzuschlagen. Würde man also die Mindestanforderungen an Nebenangebote mit den Anforderungen an Hauptangebote gleichstellen, könnte es keine Nebenangebote mehr geben, weil diese dem Leistungsverzeichnis gerade nicht entsprechen (1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07). Das Argument, es sei der Vergabestelle in der Praxis unmöglich, im Vorhinein alle Kriterien anzugeben, da sie nicht wisse und auch nicht wissen könne, in welchen Punkten Alternativen angeboten würden, greift nicht durch . Denn der Auftraggeber ist in der Lage, seine Erwartungen an die ausgeschriebene Leistung und die in den einzelnen Unterpunkten enthaltenen Leistungsbeschreibungen zu formulieren. In der Ausschreibung einer Bauleistung dürfte vor allem das vom Auftraggeber erwartete Ergebnis zu formulieren sein (1. VK Bund, B. v. 30.09.2005 - Az.: VK 1 – 122/05). Anderer Auffassung ist insoweit das OLG Düsseldorf. Auch wenn sich die inhaltlichen Mindestanforderungen an Nebenangebote nicht von den auch auf Hauptangebote anzuwendenden Anforderungen unterscheiden, der Auftraggeber aber unter den für Hauptangebote geltenden Bedingungen für Nebenangebote indes eine inhaltliche Auswahl trifft , genügt dies dem Erfordernis der Bestimmung eines Mindestmaßes von

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Anforderungen für Nebenangebote (OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07). Die Anforderungen, wonach Änderungsvorschläge/Nebenangebote den Konstruktionsprinzipien und den vom Auftraggeber vorgesehenen Planungsvorgaben entsprechen müssen, stellen hinreichende inhaltliche Mindestanforderungen dar. Indem der Auftraggeber die Mindestanforderungen auf Planungsvorgaben und Konstruktionsprinzipien beschränkt, trifft der Auftraggeber zugleich eine inhaltliche Auswahl unter den Bedingungen, die für die Hauptangebote gelten sollen. Dieses genügt einem erforderlichen Mindestmaß an Anforderungen für Nebenangebote, die nicht lediglich abstrakt und für die konkrete Gestaltung von Nebenangeboten inhaltsleer sein dürfen (OLG Düsseldorf, B. v. 23.12.2009 - Az.: VII-Verg 30/09; 3. VK Bund, B. v. 03.02.2010 - Az.: VK 3 – 1/10). Einen vermittelnden – und eher praxisgerechten – Ansatz wählt die VK Bund im Einzelfall. Ein Auftraggeber kommt den Anforderungen des § 24 Vergabekoordinierungsrichtlinie nach, wenn er fordert, dass ein Nebenangebot den Konstruktionsprinzipien und den vom Auftraggeber vorgesehenen Planungsvorgaben entsprechen muss. Dies ist ausreichend. Weitergehende Anforderungen an Mindestbedingungen sind aus der Rechtsprechung des EuGH nicht ableitbar. Sinn eines Nebenangebotes ist es, eine vom Hauptangebot abweichende Lösung vorzuschlagen. Damit sollen im Vergabeverfahren innovative Vorschläge berücksichtigt werden können, über welche die Vergabestelle zum Zeitpunkt der Ausschreibung naturgemäß keine weitergehenden Vorstellungen hat. Eine weitergehende Aufnahme von technischen Mindestanforderungen beispielsweise für einzelne Bestandteile des Leistungsverzeichnisses würde den Auftraggeber, der schließlich bereits ein bestimmtes Planungskonzept aufgestellt hat, überfordern. Es bleibt ihm hinsichtlich der Festlegung von Mindestbedingungen für Nebenangebote nur die Möglichkeit, die Gleichwertigkeit mit den allgemeinen Planungsvorgaben und Konstruktionsprinzipien festzuschreiben. Anderenfalls bliebe die Kreativität eines Bieters, über ein Nebenangebot ein anderes (günstigeres) Verfahren oder andere Teile vorzuschlagen, auf der Strecke (2. VK Bund, B. v. 17.07.2008 - Az.: VK 2 – 67/08; B. v. 25.04.2005 - Az.: VK 2 – 21/05; B. v. 14.12.2004 - Az.: VK 2 – 208/04; ähnlich 2. VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 56/05). Nicht ausreichend ist, wenn die Verdingungsunterlagen auf eine nationale Rechtsvorschrift verweisen, nach der Nebenangebote qualitativ gleichwertig mit der ausgeschriebenen Leistung sein müssen. Vielmehr ist erforderlich , dass die Verdingungsunterlagen ein Mindestmaß an inhaltlichen Vorgaben enthalten, die Nebenangebote zu erfüllen haben; die Anforderungen dürfen nicht lediglich abstrakt und für die konkrete Gestaltung von Nebenangeboten „inhaltsleer“ sein, sondern müssen sich auf den konkreten Beschaffungsvorgang und die konkrete Ausgestaltung von Nebenangeboten beziehen (1. VK Bund, B. v. 20.08.2008 - Az.: VK 1 - 108/08; VK Niedersachsen, B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008). Entscheidend und ausreichend ist es also, dass der Auftraggeber u.a. mit der Bezugnahme auf die in Plänen zum Ausdruck kommenden Gestaltungsmerkmale, aber auch mit den weiteren technischen Anforderungen – beispielsweise dem Verbot, das Lichtraumprofil unter der Brücke, die Nutzbreite auf der Brücke und den Rampen, die Tragfähigkeit der Brücke und die Gradiente zu verändern oder ein Abmagerungsangebot zu unterbreiten – den Spielraum für die Bieter so klar definiert hat, dass trotz der Zulassung von Nebenangeboten nicht gänzlich Unvergleichbares miteinander verglichen werden muss, sondern auf transparente Weise eine gemeinsame Basis für den Wettbewerb geschaffen wurde. Dass dabei letztlich ein gewisser Beurteilungsspielraum des Auftraggebers verbleibt,

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ist weder zu beanstanden noch stellt dies ein Spezifikum der Bewertung von Nebenangeboten dar (2. VK Bund, B. v. 17.07.2008 - Az.: VK 2 – 67/08). Ähnlich argumentiert das Schleswig-Holsteinische OLG (B. v. 15.02.2005 - Az.: 6 Verg 6/04),wenn es fordert, dass die Angabe von Mindestbedingungen nur dort erforderlich ist, wo Nebenangebote eine Anforderung betreffen, die nicht schon aus dem Kontext der Verdingungsunterlagen heraus hinreichend klar bestimmbar sind (ebenso VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08). Ähnlich argumentiert das OLG Düsseldorf. Werden inhaltliche Mindestanforderungen, die Nebenangebote zu erfüllen haben, nur negativ umschrieben, ist dies nicht zu beanstanden, sofern dadurch jedenfalls inhaltliche Mindestanforderungen aufgestellt worden sind (OLG Düsseldorf, B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08). Ähnlich argumentiert auch die VK Arnsberg mit der Bewertung, dass der Auftraggeber nur dazu verpflichtet sein kann, die für ihn erkennbaren Rahmen zu umreißen, den die gewünschte Leistung benötigt (VK Arnsberg, B. v. 13.06.2006 - Az.: VK 15/06; B. v. 16.08.2005 - Az.: VK 13/2005). Ähnlich argumentiert auch die VK Münster. Eine Vergabestelle ist nicht verpflichtet, positiv alle möglichen Gesichtspunkte aufzuführen, die von einem Nebenangebot erfüllt werden sollen. Dies kann sie in der Regel auch nicht und dies würde auch dazu führen, dass die Bieter keine innovativen Vorschläge zum Entwurf der ausschreibenden Stelle mehr machen können. Vielmehr ist es völlig ausreichend, wenn eine Vergabestelle eine „Negativabgrenzung“ macht, indem sie klarstellt, welche Besonderheiten oder Mindestanforderungen ein Nebenangebot erfüllen soll. In diesem Sinne hat der öffentliche Auftraggeber in seinen Verdingungsunterlagen aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung zu erläutern, welche grundlegenden Anforderungen die Nebenangebote erfüllen müssen. Schließlich bestimmt der Artikel 24 der Vergabekoordinierungsrichtlinie lediglich, dass Mindestanforderungen gestellt werden, aber es wird nicht verlangt, dass ein öffentlicher Auftraggeber „Mindestinhalte“ für Nebenangebote positiv formuliert und diese den Bietern vorgibt (VK Münster, B. v. 25.01.2006 - Az.: VK 23/05). Folgende Hinweise für Nebenangebote erfüllen diese Voraussetzung: - wenn im Nebenangebot die Ausführungsfrist geändert werden sollte, dann ist aber der

Fertigstellungstermin zu beachten; - die Kostensumme im Nebenangebot ist wie im Hauptangebot nach Einzelpreisen

aufzugliedern; - rechtsverbindliche Unterschrift im Nebenangebot und eine Massengarantie; - andere Rohr- und Schachtmaterialien (wie im Entwurf der ausschreibenden Stelle) werden

nicht zugelassen (VK Münster, B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06; B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05). Soweit für die ausgeschriebenen Leistungen gesetzliche Bestimmungen bzw. Rechtsverordnungen gelten (z. B. KrW-/AbfG, BImSchG, BBodSchG; Berufsgenossenschaftliches Regelwerk (BGR)), bedarf es deren Angabe (Wiederholung) als “Mindestbedingungen” in den Ausschreibungsunterlagen nicht. Der Auftraggeber ist auch nicht gehalten, die aus allgemein geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften abzuleitenden Prozess- oder Produktanforderungen in der Ausschreibung zu benennen (Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 05.04.2005 - Az.: 6 Verg 1/05).

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Die Voraussetzungen der Rechtsprechung des EuGH werden durch Runderlasse, die bestimmte konkrete Anforderungen z.B. im baulichen oder umweltschutztechnischen Bereich stellen, erfüllt (OLG Düsseldorf, B. v. 07.01.2005 - Az.: VII - Verg 106/04). Es genügt auch ein Baugrund- und Gründungsgutachten (VK Baden-Württemberg, B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05). Die „Bewerbungsbedingungen Bauleistungen“ der Deutschen Bahn AG (dort Ziff. 4.4: “Das Nebenangebot muss den Konstruktionsprinzipien und den vom Auftraggeber vorgesehenen Planungsvorgaben entsprechen.“) im Zusammenhang mit der Leistungsbeschreibung erfüllen ebenfalls die Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH, wenn für einen verständigen Bieter aufgrund der umfangreichen Anforderungen in der Leistungsbeschreibung (Einhaltung der Vorgaben eines Planfeststellungsbeschlusses, umfangreiche Vorgaben in Bezug auf Abmessungen, Baustoffe, Entwässerungen etc,) erkennbar ist, welchen baulichen und konstruktiven Anforderungen ein etwaiges Nebenangebot zu entsprechen hat (1. VK Bund, B. v. 14.07.2005 - Az.: VK 1 - 50/05). Nach Auffassung der 3. VK des Bundes wird der Rechtsprechung des EuGH dadurch Rechnung getragen, dass es sich bei den Nebenangeboten um technische Nebenangebote handeln muss. Bei dieser Forderung handelt es sich nicht nur um Vorgaben zur äußeren Form der abzugebenden Nebenangebote. Die Auftraggeber macht mit der Forderung nach technischen Nebenangeboten vielmehr eine Vorgabe zur Ausgestaltung und Konzeption des Nebenangebots – und damit zum Inhalt desselben -, dem Nebenangebote mindestens genügen müssen (3. VK Bund, B. v. 04.05.2005 - Az.: VK 3 – 22/05). Die Mindestanforderungen für Nebenangebot können entweder in der Baubeschreibung, in funktionalen Anmerkungen in der Leistungsbeschreibung oder durch das Formblatt EVM Erg EG Neb 247 angegeben werden (VK Lüneburg, B. v. 06.09.2007 - Az.: VgK-36/2007). Eine Forderung nach Angaben zur Traglast, zur Abdeckung des Baufeldes und zu den technischen Daten der einzusetzenden Mobilkräne ist zulässig und zumutbar. Der Auftraggeber will sich durch entsprechende Angaben im Nebenangebot vor Überraschungen bei der Auftragsabwicklung schützen und sich deshalb in die Lage versetzt sehen, die Einhaltung der aufgestellten Mindestanforderungen, und zwar ohne jede Erläuterung von Bieterseite, allein anhand der Angaben im Angebot zu überprüfen. In der Sache kann eine solche Überprüfung insbesondere mit Blick auf die begrenzte statische Belastbarkeit der für Kräne zur Verfügung stehenden Standflächen sowie auf spezifische Gefahren des Baustellenbetriebs u.a. durch örtlichen und überregionalen Schienenverkehr veranlasst sein (OLG Düsseldorf, B. v. 22.08.2007 - Az.: VII – Verg 20/07). Die Bezugnahme auf bestimmte Regelwerke kann in bestimmten Fällen als ausreichende Angabe von sachlich-technischen Mindestbedingungen für Brückenbauwerke, die Gegenstand der Nebenangebote sind, angesehen werden. Der Bau von Fernstraßen fällt in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dieses Ministerium, dort die Abteilung Straßenbau, Straßenverkehr, hat das maßgebliche Regelwerk, die Richtzeichnungen für Ingenieurbauten in der Sammlung Brücken- und Ingenieurbau, herausgegeben und dort Richtzeichnungen für den Brückenbau aufgenommen. Wird in der Leistungsbeschreibung bzw. in den Bauwerksplänen für Hauptangebote auf die RiZ-ING Flue 1, Bild 1 Bezug genommen, können bei einer derartigen Sachlage Regelwerke als ausreichende Angabe sachlich-technischer Mindestanforderungen für

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Nebenangebote angesehen werden (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08).

107.11.5.3.3 Notwendigkeit der Erläuterung der kaufmännischen Mindestanforderungen? Art. 24 VKR unterscheidet nicht zwischen der Art der Nebenangebote. Deswegen ist es grundsätzlich unerheblich, ob es sich bei einem Nebenangebot um eine technische oder kaufmännische Abweichung von den Verdingungsunterlagen handelt. Auch bei kaufmännischen Nebenangeboten sind bereits in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen die Mindestbedingungen zu erläutern (VK Brandenburg, B. v. 01.03.2005 - Az.: VK 8/05; VK Nordbayern, B. v. 11.02.2005 - Az.: 320.VK-3194-55/04; B. v. 22.12.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 49/04). Nach Auffassung des Thüringer OLG hingegen hat die Vergabestelle nur für solche Nebenangebote, die auch Abweichungen von den Verdingungsunterlagen enthalten, Mindestbedingungen zu stellen, nicht hingegen für bloße Preisnachlässe, für die Mindestbedingungen schon nicht vorstellbar sind (Thüringer OLG, B. v. 21.09.2009 - Az.: 9 Verg 7/09).

107.11.5.3.4 Notwendigkeit der Prüfung der gesamten Vergabeunterlagen Jedenfalls ist der Umfang der Benennung der Mindestanforderungen in wirtschaftlicher, technischer oder formaler Hinsicht nicht festgelegt. Entscheidend für den EuGH und für die europäische Norm ist die Erkennbarkeit für den Bieter . Diese ergibt sich aus dem Wortlaut sowohl der europäischen Richtlinien als auch der Entscheidung selbst aus den (gesamten) Vergabe – und Verdingungsunterlagen (VK Arnsberg, B. v. 16.08.2005 - Az.: VK 13/2005; B. v. 16.08.2005 - Az.: VK 13/2005).

107.11.5.3.5 Notwendigkeit der separaten Festlegung bei losweiser Ausschreibung Bejaht man die Notwendigkeit der Festlegung von technischen Mindestanforderungen an Nebenangebote, bedarf es für eine aus mehreren Losen bestehende Ausschreibung einer separaten Festlegung von Mindestanforderungen, wenn durch ihre Zulassung Leistungspositionen anderer Lose betroffen sein können (VK Brandenburg, B. v. 05.04.2005 - Az.: VK 9/05; B. v. 28.02.2005 - VK 02/05).

107.11.5.3.6 Anwendbarkeit bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte Der öffentliche Auftraggeber ist aufgrund der nationalen Bestimmungen der VOB nicht gehalten, im Vergabeverfahren Mindestbedingungen für Nebenangebote vorzugeben (1. VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06). Auch derjenige Artikel der Vergabekoordinierungsrichtlin ie, aus dem der EuGH seine Forderung nach Erläuterungen von Mindestanforderungen, die Änderungsvorschläge erfüllen müssen, ableitet, findet im nationalen Recht keine Umsetzung; auch deshalb kann

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die darauf fußende Rechtsprechung nicht auf Vergaben unterhalb der Schwellenwerte übertragen werden (1. VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06). Auch das Transparenz- bzw. Gleichbehandlungsgebot ist hinsichtlich nationaler Vergaben nicht soweit auszulegen oder auszudifferenzieren, dass sich aus ihm die Pflicht des Auftraggebers ergibt, in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen zu erläutern, die Änderungsvorschläge erfüllen müssen (1. VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06).

107.11.5.3.7 Verpflichtung des Bieters zur Prüfung der Vereinbarkeit von Nebenangeboten mit den Mindestanforderungen Es obliegt nicht dem Aufgabenbereich des Auftraggebers Sorge dafür zu tragen, dass ein Änderungsvorschlag eines Bieters sich innerhalb der zwingenden Vorgaben bewegt. Vielmehr obliegt es dem Verantwortungsbereich des Bieters, bei der Erarbeitung des Nebenangebots die Vereinbarkeit mit den Festlegungen zu beachten und bei Zweifel ergänzende Informationen von der Auftraggeberseite einzuholen (VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07; im Ergebnis ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1 VK 10/08).

107.11.5.3.8 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• die Baubeschreibung enthält unter Ziff. 6 folgende Mindestbedingungen für Nebenangebote und Sondervorschläge: „Nebenangebote und Sondervorschläge sind zugelassen, sofern die Hauptabmessungen und die Gestaltung des Bauwerkes beibehalten wird und beim Bauverfahren die Belange der DB AG berücksichtigt sind. Nebenangebote sind mit folgenden Unterlagen einzureichen: Vorstatik, Übersichtsplan und Regelquerschnitt, Erläuterungsbericht mit Darstellung des Bauablaufes und prüffähige Mengenermittlung für die betroffenen Leistungen. Damit legt der Auftraggeber die technischen Mindestanforderungen an Nebenangebote für das Brückenbauwerk in der Baubeschreibung nieder (VK Lüneburg, B. v. 06.09.2007 - Az.: VgK-36/2007)

• zur Erfüllung der Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH genügt es, wenn in der Beschreibung der Mindestanforderungen an Nebenangebote die technischen Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss übernommen werden (VK Nordbayern, B. v. 18.07.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/07)

107.11.5.3.9 Literatur • Freise, Harald, Mindestanforderungen an Nebenangebote, - Das „Aus“ für Nebenangebote

oberhalb der Schwellenwerte? -, NZBau 2006, 548 • Müller-Stoy, Der Einfluss des Europäischen Gerichtshofes auf das deutsche Vergaberecht

in Bausachen, ibr-online 12/2004 (www.ibr-online.de/2007-11) (einschließlich einer

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intensiven Auseinandersetzung mit den Argumenten, die aus Sicht der Vergabepraxis gegen eine umfassende Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH sprechen)

• Wagner, Volkmar / Steinkemper, Ursula, Bedingungen für die Berücksichtigung von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen, NZBau 2004, 253

107.11.5.4 Rechtsprechung vor und nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes

107.11.5.4.1 Gleichwertigkeit eines Nebenangebotes Das Kriterium der Gleichwertigkeit ist gesetzlich nicht positiviert. Vielmehr wurde es von der Rechtsprechung zu einer Zeit entwickelt, als es gesetzliche Bestimmungen zu Mindestanforderungen für Nebenangebote noch nicht gab. Mithilfe des Kriteriums der Gleichwertigkeit wurde versucht, einen Maßstab zu kreieren, anhand dessen eine Vergleichbarkeit eines Nebenangebots zum Hauptangebot geprüft werden konnte. Seit 2006 hingegen regelt die Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG in den Artikeln 3 und 4 nunmehr für Vergaben ab den Schwellenwerten zwingend, dass öffentliche Auftraggeber für den Fall der Zulassung von Varianten in den Verdingungsunterlagen die von diesen Varianten einzuhaltenden Mindestanforderungen nennen. Zudem berücksichtigen die öffentlichen Auftraggeber nur solche Varianten, die die von ihnen verlangten Mindestanforderungen erfüllen. Diese Richtlinie hat im Wesentlichen inhaltsgleich Einzug in § 25 a VOB/A gefunden, wonach der Auftraggeber nur Nebenangebote berücksichtigt, „die die von ihm verlangten Mindestanforderungen erfüllen.“ Die obligatorische Vorgabe von Mindestanforderungen bezweckt ebenfalls die Sicherstellung der Gleichwertigkeit von Nebenangeboten. Die Frage, ob es angesichts der nunmehr zwingend von dem öffentlichen Auftraggeber aufzustellenden Mindestbedingungen für Vergaben ab den Schwellenwerten einer Gleichwertigkeitsprüfung überhaupt noch bedarf, erscheint daher eher zweifelhaft (VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08). Nach Meinung des OLG Brandenburg kann der Auffassung, dass bei der Wertung von Nebenangeboten auf das Erfordernis der Gleichwertigkeit verzichtet werden kann, weil die Vorgabe von Mindestbedingungen die Vergleichbarkeit der Angebote sicherstellt, nicht gefolgt werden. Die Erfüllung von Mindestanforderungen sind schon begrifflich kein Äquivalent für die Gleichwertigkeit, sondern lediglich das Minimum dessen, was der Auftraggeber vorgibt, um überhaupt im Übrigen in die Gleichwertigkeitsprüfung einzutreten. Der bloße Umstand, dass das Nebenangebot den vorgegebenen Mindestbedingungen entspricht, führt deshalb nicht zur Annahme seiner Gleichwertigkeit mit dem Amtsvorschlag (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08).

107.11.5.4.1.1 Inhalt der Gleichwertigkeit Für die Frage der Gleichwertigkeit eines angebotenen Fabrikats im Verhältnis zum ausgeschriebenen Fabrikat ist in erster Linie auf die sonstige allgemeine Leistungsbeschreibung abzustellen; denn mit ihr bringt der Auftraggeber für die Bieter erkennbar zum Ausdruck, auf welche Leistungsmerkmale es ihm wesentlich ankommt (BayObLG, B. v. 29.4.2002 - Az.: Verg 10/02; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.03.2006 -

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Az.: VK-SH 02/06; VK Südbayern, B. v. 19.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07; B. v. 24.06.2004 - Az.: 37-05/04). Zu ermitteln ist außerdem die Tauglichkeit des Alternativprodukts zu dem von der Vergabestelle vorgesehenen Gebrauch (VK Bremen, B. v. 15.11.2006 – Az.: VK 2/06). Ansonsten kommt es nicht darauf an, ob einzelne Eigenschaften von Produkten voneinander abweichen oder nicht. Vielmehr ist insoweit eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Andernfalls ist, da eine vollständige Gleichwertigkeit in allen Bereichen und hinsichtlich aller Eigenschaften bei nahezu keinem Produkt zu erreichen sein wird, die vertraglich vorausgesetzte Gleichwertigkeit eines verwandten Produkts mit dem Leitprodukt in den überwiegenden Fällen nicht zu erzielen (OLG Naumburg, Urteil v. 15.03.2005 - Az.: 9 U 135/04; VK Bremen, B. v. 15.11.2006 – Az.: VK 2/06).

107.11.5.4.1.2 Anforderungen an die Gleichwertigkeit

107.11.5.4.1.2.1 Grundsatz Ein Nebenangebot kann nur berücksichtigt werden, wenn er im Vergleich zur ausgeschriebenen Leistung annehmbarer ist. Annehmbarer heißt, dass der Bietervorschlag entweder eine bessere Lösung darstellt und nicht teuerer ist oder eine gleichwertige Lösung darstellt und preislich günstiger ist (VK Nordbayern, B. v. 6.2.2003 - Az.: 320.VK-3194-01/03) oder das Alternativangebot die Qualität der ausgeschriebenen Bauleistung sogar noch übertrifft, dabei aber preislich im Rahmen des Hauptangebots bleibt (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.4.2002 - Az.: 1 VK 16/02, B. v. 8.1.2002 - Az.: 1 VK 46/01). Nach der Definition der VK Brandenburg ist in der Regel davon auszugehen, dass ein Bietervorschlag nur dann zum Zuge kommen kann, wenn er unter Abwägung aller technischen und wirtschaftlichen, gegebenenfalls auch gestalterischen und funktionsbedingten Gesichtspunkten wirtschaftlicher ist als der Auftraggebervorschlag, wobei es hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit nicht nur auf die Baukosten, sondern auch auf die Folgekosten (zum Beispiel Unterhaltungskosten, Betriebskosten, Lebensdauer) ankommt (VK Brandenburg, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 3/02; instruktiv VK Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2005 - Az.: VK-SH 37/04; im Ergebnis ebenso OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; VK Lüneburg, B. v. 12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007; VK Niedersachsen, B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008). Das Nebenangebot muss auch den Zweck, den der Auftraggeber mittels der nachgefragten Leistung erreichen will, erfüllen. Dabei geht es entscheidend um die Frage, ob das Nebenangebot, so wie es vorliegt, mit hinreichender Sicherheit geeignet ist, dem Willen des Auftraggebers in allen technischen und wirtschaftlichen Einzelheiten gerecht zu werden (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03, B. v. 10.3.2003 - Az.: 1/SVK/012-03, B. v. 5.11.2002 - Az.: 1/SVK/096-02; VK Baden-Württemberg, B. v. 29.10.2002 - Az.: 1 VK 50/02; VK Brandenburg, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 3/02). Ein Nebenangebot kann auch nur dann gleichwertig sein, wenn die angebotene und von den Vorgaben abweichende Leistung in tatsächlicher wie technischer und rechtlicher Hinsicht

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durchführbar ist (VK Brandenburg, B. v. 29.5.2002 - Az.: VK 19/02; 1. VK Bund, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 1 - 07/02).

107.11.5.4.1.2.2 Qualitative und quantitative Gleichwertigkeit Nebenangebote müssen einem Hauptangebot qualitativ und quantitativ gleichwertig sein (OLG Brandenburg, B. v. 29.07.2008 - Az.: Verg W 10/08; OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; VK Münster, B. v. 11.02.2010 - Az.: VK 29/09; VK Thüringen, B. v. 15.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2493/2009-003-EIC). Als nicht quantitativ gleichwertig sind Nebenangebote zu bezeichnen, die einen geringeren als den vom Auftraggeber vorgesehenen Leistungsumfang zum Inhalt haben (VK Nordbayern, B. v. 30.09.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 39/04; B. v. 6.2.2003 - Az.: 320.VK3194-01/03; VK Thüringen, B. v. 15.05.2009 - Az.: 250-4002.20-2493/2009-003-EIC). Eine qualitative Gleichwertigkeit ist nicht schon dadurch gegeben, dass mit dem Alternativangebot lediglich der Zweck der nachgefragten Leistung erreicht werden kann. Vielmehr ist die Alternative dahingehend zu prüfen, ob sie den Mindestbedingungen des Leistungsverzeichnisses entspricht. Eine Gleichwertigkeit zum Vorschlag der ausschreibenden Stelle kann nur dann festgestellt werden, wenn die Alternative die verbindlichen qualitativen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses erfüllt (Thüringer OLG, B. v. 18.03.2004 - Az.: 6 Verg 1/04; VK Lüneburg, B. v. 12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05; VK Niedersachsen, B. v. 24.02.2009 - Az.: VgK-57/2008; VK Nordbayern, B. v. 6.4.2004 - Az.: 320.VK-3194-09/04). Nebenangebote dürfen daher auch nicht von verbindlichen Festlegungen des Leistungsverzeichnisses, die für Haupt- und Nebenangebote gleichermaßen gelten, abweichen. Die Verbindlichkeit kann sich durch Auslegung der Verdingungsunterlagen oder aus allgemeinen Erwägungen ergeben. Bieter, die ein zugelassenes Nebenangebot abgeben, müssen dies berücksichtigen und im Zweifel um Klarstellung bitten (OLG Naumburg, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1 Verg 20/04; VK Lüneburg, B. v. 12.06.2007 - Az.: VgK-23/2007).

107.11.5.4.1.2.3 Abmagerungsangebote "Abmagerungsangebote", die gegenüber dem Hauptangebot lediglich einen geänderten Leistungsumfang aufweisen, sind unzulässig, weil nicht gleichwertig. Nebenangebote, die quantitativ nicht gleichwertig sind, dürfen darüber hinaus vom Auftraggeber nicht gewertet werden, da diese den Wettbewerb verzerren. Dies deshalb, da nicht auszuschließen ist, dass andere Bieter bei Kenntnis des entsprechend veränderten Leistungsumfangs günstigere Angebote abgegeben hätten. Nur für den Fall, dass eine Wettbewerbsverzerrung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, darf ein solcher Bietervorschlag gewertet werden (OLG Hamm, B. v. 25.10.2005 - Az.: 24 U 39/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05; VK Südbayern, B. v. 9.9.2003 - Az.: 38-08/03, B. v. 5.8.2003, Az.: 29-07/03). Um kein abgemagertes Nebenangebot handelt es sich demgegenüber, wenn sich aus der Leistungsbeschreibung erkennen lässt, dass Überkapazitäten gefordert werden, und ein

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Bieter daraufhin nicht diese Überkapazität anbietet, sondern den geschuldeten Erfolg mit einem geringeren Aufwand anbietet und damit denselben Leistungsumfang mit weniger Aufwand realisiert (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.02.2004 - Az.: 1 VK 03/04).

107.11.5.4.1.2.4 Veränderung der Standards einer Ausschreibung Eine einsetzende Wettbewerbsverzerrung kann gegeben sein, wenn durch einen Bieter Standards der Leistung verändert werden und die dadurch veränderte Leistung der Konkurrenzsituation der anderen Bieter entzogen wird, also nicht festgestellt werden kann, welche Angebote die Konkurrenten bei von vornherein geänderten Standards abgegeben hätten. Eine Zulassung solcher Abweichungen von den Standards würde zu einem willkürlichen Verhalten , d. h. einer freien Entscheidung des Auftraggebers führen, die zu einer Ungleichbehandlung der Teilnehmer am Vergabeverfahren führen würde (OLG Hamm, B. v. 25.10.2005 - Az.: 24 U 39/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 17.03.2006 - Az.: VK-SH 02/06; VK Baden-Württemberg, B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05; B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 VK 20/03).

107.11.5.4.1.2.5 Sonstige nachteilige Nebenangebote Im Nebenangebot dargelegte technische Vorschläge, die den gestellten Anforderungen zwar grundsätzlich genügen, aber in anderer Hinsicht, etwa bezüglich Störungsanfälligkeit, Wartungsintensität oder Verschleiß, hinter dem Vorschlag der ausschreibenden Stelle zurückbleiben, sind damit nicht gleichwertig (VK Baden-Württemberg, B. v. 29.10.2002 - Az.: 1 VK 50/02).

107.11.5.4.1.2.6 Massenänderungen Da es bei einer bloßen Reduzierung von Mengenansätzen des Leistungsverzeichnisses (definitionsgemäß) an einem gleichwertigen Nebenangebot fehlt, müssen die (verringerten) Mengenansätze in einem Nebenangebot erkennbar gemacht und der technische Weg zu ihrer Realisierung bei Angebotsabgabe erläutert werden. Zwar können sich Massenreduzierungen als Folge eines technisch durchdachten Nebenangebotes ergeben. Der Bieter muss die Vergabestelle dann aber darüber aufklären, dass die Einsparungen auf der gewählten Alternativkonstruktion und nicht auf bloßen Mengenreduzierungen beruhen, so dass sie von dem Verwaltungsvorschlag nicht in gleicher Weise erzielt werden können. Andernfalls wäre der Auftraggeber nicht in der Lage, eine bloße Massenreduzierung auszuschließen. Auf mögliche und vorhersehbare Bedenken und Einwände der Vergabestelle muss der Bieter aber bereits bei Abgabe des Angebots eingehen. Das setzt voraus, dass die Masseneinsparungen transparent gemacht und erklärt werden. Eine Wertung eines Nebenangebots kann deshalb daran scheitern, dass der Bieter nicht alle Angaben, die zur Feststellung der Gleichwertigkeit erforderlich waren, bei Angebotsabgabe gemacht hat. Soweit ein Bieter verspätet vorträgt, die erzielten Masseneinsparungen seien Folge des von ihm gewählten technischen Konzeptes, muss er sich darauf verweisen lassen, dass er eben dies in der Erläuterung ihres Nebenangebots bei Angebotsabgabe hätte darlegen und eine bloße Massenreduzierung ausschließen müssen (OLG Frankfurt, B. v. 26.3.2002 - Az.: 11 Verg 3/01).

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107.11.5.4.1.2.7 Ausführung nach Wahl des Auftragnehmers Die Einbeziehung eines Nebenangebotes in die Wertung nach § 25 Nr. 5 VOB/A bzw. § 25 Nr. 4 VOL/A setzt voraus, dass sich der Auftraggeber ein klares Bild über die im Rahmen eines Nebenangebotes vorgesehene Ausführung machen kann. Nebenangebote müssen so gestaltet sein, dass der Auftraggeber in der Lage ist, diese zu prüfen und zu werten. Bei der Auslegung des Nebenangebotes ist folglich gemäß den §§ 133, 157 BGB auf den Empfängerhorizont des Auftraggebers abzustellen. Enthält das Nebenangebot die Formulierung "nach Wahl des Auftragnehmers", ist das Nebenangebot aus Sicht des Auftraggebers zu unbestimmt und darf nicht gewertet werden (1. VK Sachsen, B. v. 21.05.2004 - Az.: 1/SVK/036-04; B. v. 14.12.2001 - Az.: 1/SVK/123-01).

107.11.5.4.1.2.8 Gänzlich unterschiedliche Leistungsinhalte Haben konkurrierende Angebote nach Art oder Umfang gänzlich unterschiedliche Leistungsinhalte zum Gegenstand, so ist einem wirtschaftlichen Vergleich der Boden entzogen, weil es an einer gemeinsamen Bezugsgröße fehlt (Thüringer OLG, B. v. 19.03.2004 - Az.: 6 U 1000/03; B. v. 18.03.2004 - Az.: 6 Verg 1/04).

107.11.5.4.1.2.9 Teilweise unterschiedliche Leistungsinhalte Fasst ein Bieter in einem Nebenangebot Teilleistungen aus verschiedenen Losen zusammen und hält er sich im Übrigen bewusst nicht an die Gliederung des Hauptangebotes und bietet er damit eine eigene, abgeschlossene Leistung an, die nach Auffassung des Bieters vollständiger und weniger problematisch als die nach Losen getrennte Ausschreibung, ist die Vergabestelle weder verpflichtet, das unvollständige Angebot, z. B. durch die Hereinnahme von Leistungsteilen durch andere Bieter zu vervollständigen noch darf sie durch Verhandlungen im Rahmen des § 24 VOB/A inhaltlich unklare oder unvollständige Angebote präzisieren oder vervollständigen. Nebenangebote müssen aus sich heraus so gestaltet sein, dass der Auftraggeber anhand des von ihm erstellten Leistungsverzeichnisses ohne weiteres in der Lage ist, das Angebot zu prüfen und zu werten, insbesondere auch festzustellen, ob die Gleichwertigkeit vorliegt (VK Hessen, B. v. 20.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 62/2004).

107.11.5.4.1.2.10 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• ergibt die Prüfung durch den Auftraggeber, dass ein Nebenangebot den festgelegten Mindestbedingungen entspricht und auch im Übrigen im Vergleich zu den Festlegungen des Leistungsverzeichnisses für das Hauptangebot als gleichwertig zu werten ist, muss der Auftraggeber dieses Nebenangebot gemäß § 25 Nr. 5 VOB/A bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A berücksichtigen. Nur ausnahmsweise kann der vergaberechtliche Transparenzgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 GWB oder der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB einer Berücksichtigung derartiger Nebenangebote entgegenstehen. Das ist dann der Fall, wenn das Nebenangebot zwar gleichwertig ist, die angebotene Konstruktion aber derart vom Leistungsverzeichnis abweicht,

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dass sich der Wettbewerb aus der Sicht eines fachkundigen Bieters schlechterdings nicht auf die Akzeptanz derartiger Nebenangebot einstellen konnte (VK Niedersachsen, B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009)

• das verlangte „Beibehalten der Hauptabmessungen“ lässt sich nicht als lediglich ein Mindeststandard verstehen (wie möglicherweise ein bloßes „Einhalten“), so dass davon auszugehen ist, dass eine erhebliche Abweichung von den Hauptabmessungen nicht zulässig ist. Eine allgemein verbindliche Definition, was zu den Hauptabmessungen eines Bauwerks bzw. Brückenbauwerks gehört bzw. nicht gehört, hat die Kammer nicht auffinden können. Maßgeblich muss also das sein, was nach den Vorgaben aus der Baubeschreibung aus dem Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters als „Hauptabmessungen“ verstanden werden konnte. Entgegen der Auffassung der von der Auftraggeberin beauftragten Ingenieure ist die von ihnen zugrunde gelegte, nutzungsorientierte Definition nicht mit dem sprachlichen Verständnis der in der Baubeschreibung formulierten Mindestanforderungen vereinbar. Ein Abstellen auf die unveränderte Nutzung von Straße und Schiene wäre zwar eine denkbare Mindestanforderung, hätte jedoch von der Auftraggeberin so formuliert werden müssen. Demnach kann die Auftraggeberin nicht mit ihrem Vortrag durchdringen, die Fahrbahnbreite und die Randstreifen, der Gehweg, der Abstand zwischen den Geländern, die Neigung der Brücke wie auch die Lichtraumprofile seien im Nebenangebot der Beigeladenen beibehalten worden, so dass sich sowohl für den Verkehrsteilnehmer als auch für die Bahn keinerlei Änderungen in der Nutzungsmöglichkeit ergeben würden. Es ist nach dem Bieterhorizont nicht zulässig, für die Definition des Begriffs „Hauptabmessungen“ nur die die Nutzung bestimmenden Merkmale heranzuziehen. Vielmehr müssen wesentliche Maße des Bauwerks bestimmend sein, zu denen ohne Weiteres die Überbaulänge bzw. die Spann- und Stützweite eines Brückenbauwerks gehören (VK Lüneburg, B. v. 06.09.2007 - Az.: VgK-36/2007)

• hat der Auftraggeber beim Bodenbelag die Farbe basalt festgelegt und weist das von dem Bieter angebotene Produkt diese Farbgebung nicht auf, sondern ist mittelgrau mit granulatfarbigen Einschlüssen, ist das Angebot nicht gleichwertig (1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07)

• der Planung der Innenraumgestaltung von Gebäuden liegt in aller Regel ein gestalterisches Gesamtkonzept zu Grunde, das grundsätzlich keine beliebigen Abweichungen von den Farbvorgaben bei Bodenbelägen erlaubt; deswegen kann ein Nebenangebot wegen Abweichung von der vorgeschriebenen Farbgebung ausgeschlossen werden (OLG Naumburg, B. v. 08.02.2005 - Az.: 1 Verg 20/04)

• ein Nebenangebot, das von der Vorgabe "fabrikneues Material ", die eindeutig, verbindlich und daher weder für die Auftraggeber selbst noch für die Bieter disponibel ist, abweicht, darf nicht gewertet werden (VK Lüneburg, B. v. 12.10.2004 - Az.: 203-VgK-45/2004)

• schreibt ein Auftraggeber Stabparkett aus und wird alternativ ein Hochkantlamellenparkett angeboten, ist dieses Nebenangebot nicht gleichwertig (VK Nordbayern, B. v. 6.4.2004 - Az.: 320.VK-3194-09/04).

• bei verbindlich vorgegebenen Vertragsstrafenregelungen können und dürfen sich die Bieter darauf einstellen, dass Nebenangebote ohne Vertragsstrafenregelungen nicht zulässig sind (VK Lüneburg, B. v. 21.09.2004 - Az.: 203-VgK-42/2004)

107.11.5.4.1.3 Darlegung der Gleichwertigkeit

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107.11.5.4.1.3.1 Umfassende Darlegung Die Gleichwertigkeit muss soweit dargelegt werden, dass der Auftraggeber sie ohne besondere Schwierigkeit prüfen kann (OLG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2007 - Az.: 5 U 4/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 15.09.2006 – Az.: 1 VK LVwA 28/06; 1. VK Sachsen, B. v. 09.01.2006 - Az.: 1/SVK/149-05; B. v. 06.04.2005 - Az.: 1/SVK/022-05; 1. VK Brandenburg, B. v. 24.11.2005 - Az.: 1 VK 69/05; VK Hessen, B. v. 01.11.2005 - Az.: 69 d VK - 68/2005; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1 VK 10/08; B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05; B. v. 25.05.2005 - Az.: 1 VK 25/05; 3. VK Bund, B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.11.2001 - Az.: 2 VK 15/01; VK Niedersachsen, B. v. 08.01.2010 - Az.: VgK-68/2009; VK Südbayern, B. v. 19.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07; VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-4002.20-5693/2009-013-SM). Weicht das Nebenangebot in technischer Hinsicht vom Hauptangebot ab, ist es Aufgabe des Bieters, die Gleichwertigkeit durch entsprechende Unterlagen wie Prüfzeugnisse, Gutachten, Qualitätszertifikate etc. nachzuweisen (OLG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2007 - Az.: 5 U 4/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; 1. VK Brandenburg, B. v. 16.05.2007 - Az.: 1 VK 13/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 1 VK 62/05; B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05; B. v. 25.05.2005 - Az.: 1 VK 25/05; B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 VK 20/03; VK Brandenburg, B. v. 21.12.2004 - Az.: VK 64/04). Dabei ist die Darlegung der Gleichwertigkeit nicht auf die Feststellung einer abstraktgenerellen Eignung der alternativ angebotenen technischen Lösung zur Durchführung des Bauvorhabens zu beschränken, so dass es nicht nur z. B. auf die grundsätzliche Verwendbarkeit von z.B. zwei unterschiedlichen Materialien - duktiles Gusseisen und Polyethylen - in der Wasserversorgung ankommt. Maßgeblich ist die Gesamtschau aller wertbildenden Kriterien , zu denen neben dem technischen Wert und dem Preis insbesondere auch die Betriebs- und Folgekosten gehören. Dementsprechend muss die Beschreibung des Nebenangebots es dem Auftraggeber ermöglichen, im Vergleich der Lösung des Nebenangebots mit der ausgeschriebenen Hauptleistung die relativen Vor- und Nachteile unter allen maßgeblichen Gesichtspunkten zu erkennen (OLG Koblenz, B. v. 5.9.2002 - Az.: Verg 4/02; Brandenburgisches OLG, B. v. 12.11.2002 - Az.: Verg W 16/02; VK Hessen, B. v. 01.11.2005 - Az.: 69 d VK - 68/2005; 2. VK Brandenburg, B. v. 21.09.2005 - Az.: 2 VK 54/05). Die Verantwortung für die Vollständigkeit der Unterlagen zur Prüfung der Gleichwertigkeit liegt in der Zuständigkeit des Bieters (VK Schleswig-Holstein, B. v. 07.05.2008 - Az.: VK-SH 05/08; VK Südbayern, B. v. 19.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07). Aufgabe der Vergabestelle ist es nicht, an Hand gelieferter Fakten und Zahlen Untersuchungen über die Gleichwertigkeit des Nebenangebots - z.B. hinsichtlich einer anderen Gründung - anzustellen. Es kommt nicht auf die Möglichkeit der Nachweiserstellung durch die Vergabestelle mittels gelieferter Daten und Fakten an, sondern darauf, dass bereits geführte Nachweise mit dem Angebot vorzulegen sind (VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-4002.20-5693/2009-013-SM). So muss ein Bieter, der einen anderen Bodenbelag als das ausgeschriebene Leitfabrikat anbietet, bei dem der Auftraggeber aber aufgrund bekannter Untersuchungsergebnisse über die Umweltverträglichkeit berechtigterweise an der Gleichwertigkeit Zweifel hegen darf, die Umweltverträglichkeit des von ihm offerierten Produktes zweifelsfrei nachweisen. Wegen der möglichen Gesundheitsgefährdung, die sich mit einem Bodenbelag verbinden kann, der sich in einem von Schülern genutzten Gebäude befindet und der eine nicht erlaubte Belastung mit N-Nitrosaminen aufweist, und der denkbaren nachteiligen Folgen, die ein u.U.

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deswegen notwendig werdender Austausch des Bodens mit sich bringt, ist einem Angebot mit einem solchen, nicht umweltverträglichen Bodenbelag der Zuschlag zu versagen (OLG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2007 - Az.: 5 U 4/06). Die Forderung der Vergabestelle nach Nachweisen im Fall der Abgabe von Nebenangeboten ist auch nicht unverhältnismäßig. Der zeitliche Wertungsumfang von Hauptangeboten wird dadurch begrenzt, dass dem technischen Inhalt umfangreiche Ermittlungen durch die Vergabestelle, bereits im Vorfeld der Ausschreibung, vorangingen. Diese bilden dann den Ausschreibungsinhalt. Eine Prüfung eines Hauptangebotes, insbesondere zu dessen technischem Inhalt, erübrigt sich somit vom Umfang her fast. Im Gegensatz dazu bedürfen Nebenangebote, insbesondere mit geänderten technischen, konstruktiven Lösungen, eines größeren Prüfungsumfanges, der im dafür notwendigen Zeitaufwand seinen Ausdruck findet. Angesichts der zeitlich eng begrenzten Dauer eines Vergabeverfahrens war es deshalb der Vergabestelle nicht verwehrt, an Stelle der durchaus möglichen Forderung nach Einzeldaten, Nachweise abzufordern. Eine Unverhältnismäßigkeit ist aus der Forderung der Vergabestelle nicht abzuleiten (VK Thüringen, B. v. 04.11.2009 - Az.: 250-4002.20-5693/2009-013-SM).

107.11.5.4.1.3.2 Analoge Anwendung des § 9 Die Verantwortung für die Vollständigkeit der Unterlagen zur Prüfung der Gleichwertigkeit liegt in der Zuständigkeit des Bieters. Stets ist der Zusammenhang zu den Hauptangeboten herzustellen, so dass die Vergabestelle eine eindeutige und nachprüfbare Zuschlagsentscheidung treffen kann. Dazu ist eine klare und in sich geschlossene übersichtliche und erschöpfende Beschreibung des Nebenangebots zwingend erforderlich (VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08; B. v. 21.5.2003 - Az.: 320.VK-3194-14/03, 320.VK-3194-15/03; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.08.2004 - Az.: VK-SH 19/04; VK Hannover, B. v. 15.11.2002 - Az.: 26045 - VgK - 15/2002). Im Besonderen müssen die Leistungsangaben des Bieters den Anforderungen entsprechen, wie sie für das umgekehrte Verhältnis in Teil A § 9 VOB/A bzw. § 8 VOL/A festgelegt sind (VK Südbayern, B. v. 3.9.2003 - Az.: 36-08/03, B. v. 30.8.2002 - Az.: 29-07/02). Den Bieter treffen damit bei Erstellung von Nebenangeboten die gleichen Pflichten wie sie gemäß § 9 VOB/A bzw. § 8 VOL/A an den Auftraggeber bei Abfassung der Leistungsbeschreibung zu stellen sind (OLG Koblenz, B. v. 29.8.2003 - Az.: 1 Verg 7/03, B. v. 15.5.2003, Az.: 1 Verg 3/03, B. v. 5.9.2002 - Az.: Verg 4/02; 1. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 15.09.2006 – Az.: 1 VK LVwA 28/06; 3. VK Bund, B. v. 22.03.2005 - Az.: VK 3 - 13/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 02.08.2005 - Az.: 1 VK 43/05, B. v. 07.04.2004 - Az.: 1 VK 13/04, B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 VK 20/03; VK Hannover, B. v. 05.02.2004 - Az.: 26045 - VgK 15/2003; 1. VK Bund, B. v. 25.3.2003 - Az.: VK 1 - 11/03; VK Thüringen, B. v. 8.4.2003 - Az.: 216-4002.20-002/03-J-S; VK Südbayern, B. v. 03.05.2005 - Az.: 15-03/05; B. v. 5.9.2002 - Az.: 35-07/02; VK Nordbayern, B. v. 22.12.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 49/04; B. v. 28.10.2002 - Az.: 320.VK-3194-32/02; 1. VK Sachsen, B. v. 27.06.2005 - Az.: 1/SVK/064-05; B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03, B. v. 5.11.2002 - Az.: 1/SVK/096-02; VK Brandenburg, B. v. 29.5.2002 - Az.: VK 19/02). Eine eindeutige und erschöpfende, nach Teilleistungen aufgespaltene Beschreibung ist grundsätzlich erforderlich, damit die Vergabestelle überprüfen kann,

• ob ein Nebenangebot vollständig und damit technisch möglich ist oder unvollständig ist,

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• ob ein Nebenangebot den technischen Vorschriften entspricht, • ob ein unvollständiges Nebenangebot durch unumgängliche technische Änderungen

geringen Umfangs (§ 24 Nr. 3 VOB/A) zuschlagstauglich gemacht werden kann, • ob ein Nebenangebot gegen zwingende Vorgaben der Verdingungsunterlagen verstößt, • ob ein Nebenangebot wirtschaftlich und mit einem angemessenen Preis versehen ist,

und • welche wertungserheblichen Vor- und Nachteile ein Nebenangebots gegenüber

anderen Angeboten hat und • im Stadium der Auftragsausführung - ob die Ausführung der Leistung vertragsgemäß

ist. (VK Nordbayern, B. v. 15.10.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 48/08). Außerdem ist das Angebot die Grundlage für die Abrechnung der Leistung. Dafür ist es grundsätzlich ausreichend, dass der Bieter eines Nebenangebots eine Baubeschreibung und ein Leistungsverzeichnis für sein Nebenangebot vorlegt, denn dann ist erkennbar, ob alle erforderlichen Teilleistungen berücksichtigt und mit ausreichenden Mengen angeboten wurden, Materialien und Bauteile die erforderlichen Eigenschaften haben und ggf. welche zusätzlichen Leistungen zur Tauglichkeit des Angebots im Rahmen einer Aufklärung nach § 24 Nr. 3 VOB/A vereinbart werden müssten. Gleichfalls ermöglicht ein Leistungsverzeichnis eine Abschätzung des Preises auf Angemessenheit oder auf Kostenunterdeckung und die Prüfung auf Einhaltung des Vertrags. Der Bieter eines Nebenangebots kann anstelle eines Leistungsverzeichnisses eine andere Art der Leistungsbeschreibung wählen, die o. a. Anforderungen erfüllt und einen gewissen Detaillierungsgrad besitzt. Für Ausschreibungen mit Leistungsprogramm wird dies dadurch verdeutlicht, dass die Beschreibung der Leistung eingehend und zweckmäßig gegliedert sein soll (§ 9 Nr. 12 VOB/A), und ggf. die Angabe von Mengen- und Preisangaben für Teile der Leistung enthalten sein soll (VK Münster, B. v. 22.8.2002 - Az.: VK 07/02). Ein Nebenangebot muss auch die baurechtliche Zulässigkeit erkennen lassen (VK Südbayern, B. v. 03.05.2005 - Az.: 15-03/05; VK Nordbayern, B. v. 22.12.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 49/04). Einem Bieter, der ein neuartiges Produkt anbietet, das in den bestehenden Regelwerken, Zulassungen o.ä. noch nicht erfasst ist, obliegt eine erhöhte Pflicht zum Nachweis der Gleichwertigkeit. So trifft einen Bieter z.B. gerade hinsichtlich einer unklaren Lage in Bezug auf die bauaufsichtliche Zulassung und die Widerstandsfähigkeit ihres Produktes eine Pflicht, mit Angebotsabgabe umfassend zur Gleichwertigkeit vorzutragen und diese nachzuweisen. Schon begrifflich ist unter dem Wort „Nachweis“ jedenfalls ein Mehr an Belegen, Zertifikaten, Gutachten o.ä. zu verstehen, als eine bloße eigene Beschreibung des Produkts (VK Baden-Württemberg, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1 VK 10/08).

107.11.5.4.1.3.3 Darlegung des Umfangs der Ersetzung des Hauptangebots Bei Nebenangeboten, die sich nur auf einen Teil des Hauptangebotes beziehen, muss für die Vergabestelle erkennbar sein, welche Bestandteile des Hauptangebotes durch das Nebenangebot ersetzt oder verändert werden sollen und welche Teile des Hauptangebotes unverändert weiter gelten sollen. Erfüllt ein Nebenangebot diese Anforderungen nicht, ist es

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als unklar und widersprüchlich nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b), § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A auszuschließen (VK Südbayern, B. v. 19.3.2002 - Az.: 06-02/02). Sind nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern, enthält dies die (formale) Anforderung, in einem Nebenangebot im Einzelnen auszuweisen, inwieweit Mengenansätze und Preise bei sämtlichen Positionen, auf die sich ein Änderungsvorschlag bezieht, beeinflusst werden. Dem Auftraggeber ist nicht zuzumuten, im Angebot nach zusätzlichen, durch ein Nebenangebot gegebenen Einsparungen zu forschen. Die Vergabestelle hätte aber, auch wenn sie ein zusätzliches Einsparungspotenzial erkannt hätte, von einer Berücksichtigung absehen müssen. Es ist nicht selbstverständlich oder zwingend, einen zusätzlichen Preisvorteil bei der Bewertung eines Sondervorschlags zu werten. Der Gesamtpreis muss sich nicht gewissermaßen automatisch weiter reduzieren. So konnte sich z. B. der Bieter vorbehalten haben, weitere Einsparungen nicht an den Auftraggeber weiterzureichen, sondern diese erlössteigernd einzusetzen. Dies ist zumal deswegen nicht auszuschließen, wenn der Bieter jene Einsparungen im Angebot nicht genannt hat und er ebenso wenig verpflichtet war, den Auftraggeber davon profitieren zu lassen. Vom Bieter im Zusammenhang mit Nebenangeboten nicht aufgezeigte Einsparungen darf der Auftraggeber daher in der Regel nicht werten (OLG Düsseldorf, B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08). Nebenangebote sind eigenständige Angebote mit dem technischen Inhalt des Hauptangebots, soweit dieses unverändert Gegenstand des Nebenangebots wird, und den Änderungen gegenüber dem Hauptangebot. Wenn ein Bieter dann nicht ankreuzt, dass der zum Hauptangebot eingeräumte Preisnachlass auch für die Nebenangebote gelte, bedeutet dies, dass für diese Nebenangebote in ihrer jeweiligen Gesamtheit kein Nachlass gewährt wird (VK Baden-Württemberg, B. v. 13.08.2009 - Az.: 1 VK 37/09).

107.11.5.4.1.3.4 Zeitpunkt der Darlegung der Gleichwertigkeit Die Rechtsprechung ist insoweit nicht eindeutig. Bei der Prüfung von Nebenangeboten ist nach einer Ansicht zwingend auf den Zeitpunkt der Angebotsabgabe abzustellen. Es ist weder im Rahmen von Aufklärungsgesprächen noch mit Hilfe von nachgereichten Gutachten möglich, ein bei Angebotsabgabe unvollständiges Angebot inhaltlich zu ergänzen. Im Sinne von § 24 Nr. 1 VOB/A können sich Aufklärungsverhandlungen nur auf ein feststehendes, vom Bieter zweifelsfrei formuliertes Angebot beziehen. Verspätet vorgelegte Gleichwertigkeitsnachweise mit den notwendigen inhaltlichen Konkretisierungen des Nebenangebotes können von der Vergabestelle auch im Rahmen ihres grundsätzlich bei der Wertung von Nebenangeboten bestehenden Beurteilungsspielraums nicht mehr berücksichtigt werden (VK Südbayern, B. v. 19.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 31.7.2003 - Az.: VK 16/03; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03). Das Vergabeverfahren steht unter Zeitdruck. Wenn immer wieder - auf Grund nachgereichter Unterlagen - neu in die Prüfung der Angebote eingetreten werden müsste, käme es zu erheblichen Verzögerungen. Es ist deshalb das Risiko des Bieters, wenn er derartige Unterlagen nicht bereits bei Angebotsabgabe, sondern "peu à peu" einreicht

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(Brandenburgisches OLG, B. v. 20.8.2002 - Az.: Verg W 6/02; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03). Nach einer anderen Auffassung bewegen sich Maßnahmen zur Beurteilung der Gleichwertigkeit eines feststehenden Nebenangebotes – auch Nachforderungen von Unterlagen wie z.B. eine Vorstatik - im Rahmen des § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A und sind deshalb zulässig (VK Lüneburg, B. v. 20.05.2005 - Az.: VgK-18/2005).

107.11.5.4.1.3.5 Verzichtbarkeit der Darlegung der Gleichwertigkeit Die Nachweispflicht des Bieters trifft aber nur in dem Rahmen zu, wo für die Vergabestelle bei der Aufklärung/Prüfung des Nebenangebots erhöhter Eigenaufwand erforderlich wird. Keine Nachweise sind in den Fällen erforderlich, wo es sich um Angaben handelt, die im täglichen Gebrauch der Vergabestelle (Planer) Normalität sind, vorhandenes, anwendungsbereites Wissen darstellen (z. B. gängige übliche Materialien, Erzeugnisse und deren Materialkennwerte, Leistungswerte). Hierbei geht ein Bieter aber bei Nichtnachweis immer das Risiko ein, dass er auf einen fachfremden Planer trifft (VK Südbayern, B. v. 19.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07; VK Thüringen, B. v. 18.3.2003 - Az.: 216-4002.20-001/03-MHL). Es handelt sich also um den Ausnahmefall, dass ein Nachweis verzichtbar ist, da die Gleichwertigkeit des Nebenangebotes offensichtlich ist oder ein Auftraggeber sie auf Grund vorhandenen Sachverstands ohne Weiteres erkennen kann (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 31.7.2003 - Az.: VK 16/03).

107.11.5.4.1.3.6 Darlegungs- und Beweislast für die Gleichwertigkeit Ist fraglich , ob ein im Nebenangebot unterbreitetes technisches Alternativangebot in den jeweiligen Kriterien gleichwertig mit dem Vorschlag der ausschreibenden Stelle ist, so geht dies zulasten des Bieters. Auch wenn ausdrücklich Nebenangebote im Vergabeverfahren zugelassen sind, ist es dem Auftraggeber nicht zuzumuten, in jedem Einzelfall dem Bieter den Nachweis über die Nicht-Gleichwertigkeit von dessen Angebot zu liefern (VK Baden-Württemberg, B. v. 23.6.2003 - Az.: 1 VK 28/03, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03, B. v. 29.10.2002 - Az.: 1 VK 50/02).

107.11.5.4.1.3.7 Beispiele aus der Rechtsprechung

• einer vom Auftraggeber für ein Nebenangebot eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung wird es nicht gerecht, wenn der Antragsteller pauschal anbietet, die Unterfangung des Nachbargebäudes im „klassischen Verfahren“ abschnittsweise vorzunehmen, auch wenn damit ein im Bodengutachten angesprochene „klassische Verfahren“ angeboten werden sollte. Es stellt keine erschöpfende Beschreibung der tatsächlich im Einzelnen zur Ausführung gelangenden Leistungen dar, wenn ergänzend hierzu nur allgemein ausgeführt wird, dass die Aushub- und Betonierabschnitte in Höhe, Dicke und Breite (ca. xxx m) angepasst und die einzelnen Abschnitte mittels Temporäranker rückverankert würden. Der Bauherr hat ein legitimes Interesse - und deshalb die Forderung nach einer erschöpfenden

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Beschreibung - die Einzelheiten der vorgesehenen Bauausführung zu erfahren, um beispielsweise auch prüfen zu können, ob die vorgesehene tatsächliche Ausführung den einschlägigen DIN-Vorschriften genügt. Dies soll auch Klarheit schaffen, um bei der späteren Ausführung Streitigkeiten möglichst zu vermeiden (VK Baden-Württemberg, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1 VK 13/09)

• ein verständiger Bieter wird angesichts des Umstandes, dass teerhaltiges Material im Straßenbau seit 1993 nicht mehr eingesetzt werden darf , und in den einschlägigen technischen Richtlinien und Vertragsbedingungen der Begriff "Teer" durch den Begriff "Pech" ersetzt wurde, die Mindestanforderung "Nebenangebote mit der Verwendung von pechhaltigen Straßenbaustoffen sind nicht zugelassen" dahingehend weit auslegen und verstehen, dass von der genannten Mindestanforderung auch gefräster teerhaltiger Asphalt erfasst wird (OLG Düsseldorf, B. v. 10.12.2008 - Az.: VII-Verg 51/08)

• der Auftraggeber ist bezüglich der Nebenangebote 1, 2, 3, 5 und 6 zu Recht davon ausgegangen, dass der angebotene Folienboden nicht mit dem ausgeschriebenen Edelstahlboden (für ein Schwimmbecken) gleichwertig ist. Insbesondere hat der Bieter diesbezüglich eine Gleichwertigkeit nicht nachgewiesen. Unbeschadet der Frage, ob der Gleichwertigkeitsnachweis auch durch eine Eigenerklärung erfolgen kann, ist der Bieter seiner Nachweisobliegenheit nicht ausreichend nachgekommen. Denn er geht in seiner Eigenerklärung davon aus, dass es in den Becken lediglich zur Benutzung von Fremdkörpern wie z.B. Spielzeug aus Plastik kommen werde. In Bezug auf eine solche Benutzung weise das Produkt des Bieters einen ausreichenden Widerstand auf. Damit hat er jedoch nicht dargelegt, ob auch bei der Verwendung metallischer Gegenstände im Becken, wie etwa von Duschliegen oder von Prothesen eine ausreichende Widerstandsfähigkeit gegeben ist. Die Frage, ob der Bieter hier eine Gleichwertigkeit nachgewiesen hat, kann damit dahinstehen, denn er hat in Bezug auf die Frage der Widerstandsfähigkeit in Bezug auf Gegenstände aus Metall nichts dargelegt (VK Baden-Württemberg, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1 VK 10/08)

• gibt es eine als Nebenangebot angebotene Leuchte gegenwärtig nicht, und entspricht sie anhand der vorgelegten Datenblätter auch offensichtlich nicht dem Text des Leistungsverzeichnisses, ist der Nachweis der Gleichwertigkeit nicht erbracht. Dies führt zum Ausschluss des Angebots, weil die Vergleichbarkeit im Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht gegeben ist (VK Südbayern, B. v. 19.06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-18-05/07)

• bei einem Nebenangebot über einen alternativen Baugrubenverbau ist es notwendig, eine eigene statische Berechung beizufügen; diese ist allenfalls bei funktionaler Ausschreibung entbehrlich (1. VK Sachsen, B. v. 21.05.2004 - Az.: 1/SVK/036-04)

• enthält ein Nebenangebot eine erhebliche Bauzeitverkürzung ohne nähere Begründung, ist dieses Angebot mangels jeglicher Konkretisierung und Erläuterung als nicht gleichwertig zu betrachten (VK Arnsberg, B. v. 20.07.2004 - Az.: Az.: VK 1 - 10/2004)

• ein Bieter entspricht seiner Darlegungslast mit dem pauschalen Hinweis auf ein "geeignetes Bindemittel" nicht (VK Rheinland-Pfalz, B. v. 31.7.2003 - Az.: VK 16/03)

• pauschale Äußerungen, wie "es geht schon", oder "es wird eingehalten werden", aber auch "es gibt keine Auswirkungen", reichen nicht als Nachweis der Einhaltung der Forderungen oder der Gleichwertigkeit aus (VK Thüringen, B. v. 8.4.2003 - Az.: 216-4002.20-002/03-J-S)

• ist für den Auftraggeber nicht ohne Weiteres ersichtlich, inwieweit die Vorschläge im Nebenangebot zu einer Einsparung führen können, ist er vielmehr gezwungen, den Angebotsendpreis bei Einbeziehung der beiden Nebenangebote selbst zu

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ermitteln und ist diese Berechnung angesichts der Länge des Leistungsverzeichnisses und der Tatsache, dass die Positionen im Nebenangebot unterschiedlichen Titeln zuzurechnen sind und sich die Zwischensummen auch entsprechend ändern, sehr komplex und bedarf einer erweiterten rechnerischen Überprüfung des gesamten Angebotes für jedes der beiden Nebenangebote, sind die Nebenangebote nicht eindeutig und nicht wertbar. Die Vergleichsrechnung kann der Bieter nicht auf den Auftraggeber abwälzen (1. VK Sachsen, B. v. 12.6.2003 - Az.: 1/SVK/054-03)

• weicht ein Bieter von einem verbindlichen Terminplan ab, ist das Nebenangebot nicht gleichwertig (VK Lüneburg, B. v. 4.7.2003 - Az.: 203-VgK-11/2003)

• den Anforderungen an ein Nebenangebot genügt ein Nebenangebot nicht, wenn der Bieter ein Produkt anbietet, welches noch nicht existiert, sondern sich nur in Prospekten wieder findet (1. VK Sachsen, B. v. 24.4.2003 - Az.: 1/SVK/031-03)

• als Auftraggeberin hat die Vergabestelle letztlich das Risiko für jede von ihr akzeptierte Lösung zu tragen. Es ist daher in ihren Ermessensspielraum gestellt, ob sie sich für eine teurere, dafür aber risikoärmere Lösung oder für eine zwar preiswertere, dafür aber mit nicht absehbaren Risiken verbundene Lösung entscheiden will. Unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Zwecke, denen die Räumlichkeiten mit ihren technischen Einrichtungen dienen sollen, hat sie sich ohne Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften für die sichere Lösung entschieden und die Gleichwertigkeit der von dem Bieter vorgeschlagenen Lösung verneint (2. VK Bund, B. v. 18.7.2002 - Az.: VK 2 - 40/02)

• hat der Auftraggeber ausdrücklich eine Aufschlüsselung des Nebenangebots nach Mengenansätzen und Einheitspreisen gefordert und bestimmt, dass Nebenangebote, die dieser Forderung nicht entsprechen, von der Wertung ausgeschlossen werden können, kann ein Pauschalpreisnebenangebot nicht zur Wertung zugelassen werden, weil Einheitspreise und Mengenangaben fehlen. Der Auftraggeber kann damit das Risiko einer Mehrvergütung nach § 2 Nr. 7 VOB/B - also bei einer erheblichen Abweichung von der vertraglich vorgesehenen Leistung - ebenso wenig prüfen wie das Risiko einer Mehrvergütung nach § 2 Nr. 3 bis 6 VOB/B. Auch bei Pauschalangeboten besteht das Risiko einer nachträglichen Preisanpassung nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B (VK Münster, B. v. 22.8.2002 - Az.: VK 07/02; OLG Frankfurt, B. v. 26.3.2002 - Az.: 11 Verg 3/01)

• in einem Pauschalpreis-Nebenangebot müssen - schon zum Vergleich bei der Angebotswertung nach § 25 VOB/A - alle Fakten enthalten sein, die zur einwandfreien Ausführung der Leistung erforderlich werden. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist es nicht wertbar (1. VK Sachsen, B. v. 13.2.2002 - Az.: 1/SVK/003-02)

• Nebenangebote sind mit den Vorgaben der Lieferung und des Einbaus von ungebrauchten Bauteilen nicht gleichwertig, wenn gebrauchte Materialien verwendet werden, weil z. B. die Qualität von gebrauchten, nicht wiederaufbereiteten Schienen, Schwellen und Bremsprellböcken geringer ist und z. B. wegen der Abnutzung und der Materialermüdung von einer verkürzten Restnutzungsdauer auszugehen ist (1. VK Bund, B. v. 19.4.2002 - Az.: VK 1 - 09/02)

• ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht völlig frei in der Bewertung der Nebenangebote, sondern sein Ermessen kann durch behördliche Genehmigungen, z. B. eine von der Unteren Wasserbehörde vorgegebene Genehmigung, die wesentliche bauliche Festlegungen wie etwa die zweimalige Siebung des Abwassers enthält, eingeschränkt sein. Diese Vorgaben hat der öffentliche Auftraggeber bei der Wertung eines Nebenangebots zu beachten (1. VK Sachsen, B. v. 13.5.2002 - Az.: 1/SVK/ 043-02)

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107.11.5.4.1.4 Rechtsfolge der fehlenden Gleichwertigkeit Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Nach einer Auffassung darf ein nicht gleichwertiges Angebot in die Wertung nur dann einbezogen werden, wenn eine Wettbewerbsverzerrung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Es muss gesichert sein, dass nicht ein anderer Anbieter in Kenntnis des Umstandes, dass der Auftraggeber auch einen geänderten Standard der Leistung akzeptiert, ein noch günstigeres Angebot abgegeben hätte. Zwar geht die VOB/A in § 28 Nr. 2 Abs. 2 selbst davon aus, dass beim Zuschlag u. U. Erweiterungen, Einschränkungen oder Änderungen vorgenommen werden können, eine Leistungsmodifizierung darf jedoch den Regelungssinn des Änderungsverbots nach § 24 Nr. 3 VOB/A nicht unterlaufen, nämlich die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs. Demnach ist eine Leistungsmodifizierung bei Zuschlagserteilung nicht möglich, wenn diese zu einer völligen Umgestaltung der ausgeschriebenen Leistung und damit zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde (VK Nordbayern, B. v. 6.4.2004 - Az.: 320.VK-3194-09/04). Nach einer anderen Auffassung darf dann, wenn die Gleichwertigkeit zu verneinen ist, das Nebenangebot nicht berücksichtigt werden, da andernfalls eine nachträgliche Abwandlung des ursprünglichen Anforderungsprofils durch die Vergabestelle gegeben wäre, die in Widerspruch zum Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter steht (VK Südbayern, B. v. 9.9.2003 - Az.: 38-08/03).

107.11.6 Prüfungspflicht des Auftraggebers

107.11.6.1 Grundsatz Bei Nebenangeboten hat der Auftraggeber eine besonders eingehende und alle Vergabekriterien gewichtende und zueinander ins Verhältnis setzende, vergleichend abwägende Wertung durchzuführen (VK Südbayern, B. v. 3.9.2003 - Az.: 36-08/03, B. v. 30.8.2002 - Az.: 29-07/02; VK Lüneburg, B. v. 29.8.2002 - Az.: 203-VgK13/2002). Der Auftraggeber genügt seiner Aufklärungspflicht, wenn er z.B. mit der Beigeladenen zwei Aufklärungsgespräche führt und sich die Urkalkulationen sowie die Kalkulationen einzelner Einheitspreise vorlegen lässt (1. VK Sachsen, B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024-02g).

107.11.6.2 Einschränkungen Dem öffentlichen Auftraggeber kann im Rahmen der von ihm anzustellenden Ermittlungen nicht abverlangt werden, sämtliche inhaltliche Versäumnisse eines oder mehrerer am Vergabeverfahren teilnehmender Bieter zu heilen; dies verstieße auch gegen die wichtigste Verpflichtung, die das Vergaberechtsänderungsgesetz den öffentlichen Auftraggebern auferlegt hat, den Wettbewerbsgrundsatz aus § 97 Abs. 1 GWB. Bestandteil des

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Wettbewerbs ist auch die vollständige, übersichtliche und nachvollziehbare Präsentation der eigenen Angebote und die Herausstellung der Vor- und ggf. Nachteile abweichender technischer Lösungen gegenüber dem Verwaltungsentwurf unter Berücksichtigung der speziellen subjektiven Anforderungen des Auftraggebers im jeweils vorliegenden Verfahren. Einem öffentlichen Auftraggeber kann keineswegs eine Pflicht auferlegt werden, dass er bei einem nicht vollständig als gleichwertig ausgestalteten Nebenangebot stets auf eine eventuell technisch mögliche Ergänzung zur Gleichwertigkeit hinwirkt ; eine solche Pflicht kann allenfalls im Zuge des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus vorhergehenden entsprechenden Hinweisen an Mitbewerber resultieren (VK Brandenburg, B. v. 29.5.2002 - Az.: VK 19/02). Im Übrigen liegt es in der Risikosphäre des Bieters, ob ein Nebenangebot tatsächlich Gleichwertigkeit erreicht und damit berücksichtigungsfähig bleibt (VK Südbayern, B. v. 30.8.2002 - Az.: 29-07/02). Die Vergabestelle ist also nicht verpflichtet, mit eigenen Mitteln weitere Nachforschungen zur Gleichwertigkeit des Nebenangebots anzustellen. Eigene Nachforschungen obliegen ihr nur im Rahmen der verfügbaren Erkenntnisquellen und innerhalb der zeitlichen Grenzen der Zuschlags- und Angebotsfrist (OLG Koblenz, B. v. 5.9.2002 - Az.: Verg 4/02; Brandenburgisches OLG, B. v. 20.8.2002 - Az.: Verg W 6/02; OLG Rostock, B. v. 5.3.2002 - Az.: 17 Verg 3/02; VK Baden-Württemberg, B. v. 21.04.2008 - Az.: 1 VK 10/08; VK Brandenburg, B. v. 24.11.2005 - Az.: 1 VK 69/05; B. v. 21.12.2004 - Az.: VK 64/04; 1. VK Sachsen, B. v. 27.06.2005 - Az.: 1/SVK/064-05; B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 31.7.2003 - Az.: VK 16/03, B. v. 7.3.2002 - Az.: VK 2/02; 1. VK Bund, B. v. 25.3.2003 - Az.: VK 1 - 11/03).

107.11.6.3 Nebenangebot mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass Nebenangebote nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch hinsichtlich ihrer Vertragsbedingungen vom Hauptangebot abweichen. Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass der Bieter mit Angebotsabgabe die Nebenangebote so unterbreitet, dass der Auftraggeber in der Lage ist, die Gleichwertigkeit der Nebenangebote im Vergleich zu einem ausschreibungskonformen Hauptangebot festzustellen. Der zumutbare Prüfungsaufwand eines Auftraggebers wird bei der Unterbreitung einer kompletten AGB aber überschritten. Es ist ein anerkennenswertes Auftraggeberinteresse zu verhindern, dass über die Geltung von Vertragsbedingungen nachträglich Streit entsteht und den Prüfungsumfang im Vergabeverfahren im Interesse einer schnellen und reibungslosen Umsetzung des Investitionsvorhabens nicht ausufern zu lassen. Eine derartige materielle Prüfung der Bedingungswerke kann der Vergabestelle und den weiteren Bietern nicht zugemutet werden (VK Lüneburg, B. v. 11.03.2008 - Az.: VgK-05/2008).

107.11.7 Unterschiedliche Gutachteräußerungen Es steht im Ermessen der Vergabestelle, im Falle sich widersprechender Gutachteräußerungen sich auf dasjenige Verfahren festzulegen, das die geringsten Risiken birgt. Ein solche Entscheidung ist nicht ermessensfehlerhaft (Hanseatisches OLG in Bremen, B. v. 4.9.2003 - Az.: Verg 5/2003)

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107.11.8 Einheitliche Wertung eines Nebenangebotes? Ein einheitlich abgegebenes Nebenangebot kann, auch wenn es technisch in voneinander unabhängige Teile aufgegliedert werden kann und dies der Vergabestelle erkennbar war, jedenfalls dann nicht teilweise gewertet werden, wenn der Bieter sein Einverständnis hierzu nicht mit dem Angebot zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht hat (OLG Dresden, B. v. 6.6.2002 - Az.: WVerg 0005/02).

107.11.9 Wertung eines Pauschalpreisangebotes als Nebenangebot Preislich vorteilhafter ist für den Auftraggeber eine Pauschalierung in der Regel nur, wenn die Ersparnis in jeder denkbaren Variante einer noch vertragsgerechten Leistungserbringung größer ist, als wenn nach Einheitspreisen abgerechnet würde (BayObLG, B. v. 2.12.2002 - Az.: Verg 24/02). Vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 5 RZ 3741.

107.11.10 Umdeutung eines wegen Änderungen unzulässigen Angebots in ein Nebenangebot Es würde eine Umgehung der eindeutigen Vorschriften der § 21 Nr. 2 VOB/A und § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A bedeuten, wenn ein Angebot, das unzulässigerweise die Verdingungsunterlagen ändert und deshalb zwingend auszuschließen ist, in ein wertungsfähiges Nebenangebot umgedeutet werden könnte; vgl. im Einzelnen die Kommentierung RZ 5599.

107.11.11 Umdeutung eines Nebenangebots in ein zweites Hauptangebot Hat ein Bieter sein Nebenangebot sprachlich als solches eindeutig bezeichnet und auf besonderer Anlage abgegeben, ist es dem Auftraggeber nicht möglich, dieses in ein „zweites Hauptangebot“ umzudeuten. Eine solch eigenmächtige Qualifizierung des Nebenangebotes als Hauptangebot kommt allenfalls in Betracht, wenn aus einer Erklärung des Bieters oder aus der äußeren Gestaltung des Angebotes erkennbar ist, dass der Bieter hier ein zweites Hauptangebot hat abgeben wollen. Hinzu kommt, dass es Sache des Bieters ist, zu entscheiden, ob er ein Haupt- oder ein Nebenangebot abgeben möchte. Willtder Bieter ein Nebenangebot abgeben, so darf die Vergabestelle sich keine Korrekturfunktion anmaßen und ein als solches gewolltes Nebenangebot in ein Hauptangebot umdeuten. Der Wille, ein (zweites) Hauptangebot abzugeben, muss im Angebot selbst deutlich werden (1. VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06).

107.11.12 Richtlinie des VHB 2008 zu Nebenangeboten

107.11.12.1 Richtlinie des VHB 2008

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Nicht auszuschließen sind Nebenangebote, die nicht im Angebotsschreiben an der dafür vorgesehenen Stelle aufgeführt sind. Sie verstoßen gegen § 21 VOB/A bzw. die Bewerbungsbedingungen 212, können jedoch nicht ausgeschlossen werden, da dieser Formfehler kein Ausschlussgrund ist (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 1.2). Nebenangebote müssen auf besonderer Anlage gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet sein, deren Anzahl ist an der im Angebotsschreiben bezeichneten Stelle aufzuführen (212 - Bewerbungsbedingungen – Ziffer 5.1). Sind an Nebenangebote Mindestanforderungen gestellt, müssen diese erfüllt werden; andernfalls müssen sie im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sein. Die Erfüllung der Mindestanforderungen bzw. die Gleichwertigkeit ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen (212 - Bewerbungsbedingungen – Ziffer 5.2). Der Bieter hat die in Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leitungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten. Nebenangebote müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind. Soweit der Bieter eine Leistung anbietet, deren AAusführung nicht in Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen oder in den Verdingungsunterlagen geregelt ist, hat er im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu machen (212 - Bewerbungsbedingungen – Ziffer 5.3). Nebenagbeote sind, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leristungsverzeichnisses beeinflussen (ändern, ersetzen, entfallen lassen, zusätzlich erfordern), nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme) (212 - Bewerbungsbedingungen – Ziffer 5.4). Nebenangebote, die den Nummern 5.1, 1. Halbsatz, 5.2 bis 5.4 nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen (212 - Bewerbungsbedingungen – Ziffer 5.5).

107.11.12.2 Richtlinie des VHB 2008 zu § 25 Bei Nebenangebote sind die möglichen Vorteile einzubeziehen, zu berücksichtigen, welche die vom Bieter im/in Nebenangebot(en) vorgeschlagene andere Art und Weise der Ausführung oder andere Ausführungsfristen und die sich daraus ergebende mögliche frühere oder spätere Benutzbarkeit der Bauleistung bzw. von Teilen davon usw. bieten können (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 2.3.2).

107.11.12.3 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu Besonderheiten der Prüfung und Wertung von Nebenangeboten Nebenangebote, die den Nrn. 5.1 erster Halbsatz, 5.2, 5.3 und 5.4 im Teil A sowie den zu Nr. 5 im Teil B der „Bewerbungsbedingungen“ bzw. der „EG-Bewerbungsbedingungen„ nicht entsprechen, werden von der Wertung ausgeschlossen (Ziffer 2.4 Ziffer 37). Ansonsten sind Nebenangebote, soweit zutreffend, entsprechend den Nrn. (8) – (27) zu prüfen und zu werten. Preisnachlässe mit Bedingungen sind wie Nebenangebote zu behandeln, die jedoch bei der Ermittlung der Wertungssumme nicht berücksichtigt werden. Nicht zu wertende Preisnachlässe (ohne oder mit Bedingungen) bleiben rechtsverbindlicher Inhalt des Angebotes und werden im Fall der Auftragserteilung Vertragsinhalt (siehe Nr. (59)) (Ziffer 2.4 Nr. 38).

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Nebenangebote dürfen bei EG-Vergaben nur gewertet werden, wenn hierzu in der Aufforderung zur Angebotsabgabe (siehe Abschnitt 1.1 „Aufforderung zur Angebotsabgabe“ Nr. (10)) bzw. in der Baubeschreibung (siehe Abschnitt 1.4 „Leistungsbeschreibung“ (Nr. 9)) Mindestanforderungen genannt worden sind). Wird die Erfüllung von Mindestanforderungen mit Angebotsabgabe nachgewiesen, ist das Nebenangebot als wertbar anzusehen (Ziffer 2.4 Nr. 39). Soweit bei Vergaben unterhalb der EG-Schwellenwerte keine Mindestanforderungen genannt wurden, ist zu prüfen, ob das Nebenangebot in technischer, wirtschaftlicher, terminlicher, gegebenenfalls gestalterischer usw. Hinsicht der geforderten Leistung gleichwertig ist. Die Gleichwertigkeit muss sich aus dem Nebenangebot, so wie es vorliegt, ergeben. Zu eigenen Nachforschungen ist der Auftraggeber nur im Rahmen der verfügbaren Erkenntnisquellen und innerhalb der zeitlichen Grenzen der Zuschlagsfrist verpflichtet. Defizite hinsichtlich der vorgelegten Unterlagen braucht der Auftraggeber nicht durch eigene Nachforschungen auszugleichen. Ein Nebenangebot darf nicht durch Nachreichen von Unterlagen nachgebessert und damit gleichwertig gemacht werden (Ziffer 2.4 Nr. 40).

107.11.13 Literatur

• Bartl, Harald, Zur falschen Praxis bei Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen, WRP 2004, 712

• Wagner, Volkmar / Steinkemper, Ursula, Bedingungen für die Berücksichtigung von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen, NZBau 2004, 253

• Wirner, Helmut, Nebenangebote und Änderungsvorschläge bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge in der Entscheidungspraxis der Vergabekammern und Oberlandesgerichte, ZfBR 2005, 152

107.12 Wertung von Preisnachlässen

107.12.1 Begriff Preisnachlass bedeutet einen prozentualen oder als EURO-Betrag angebotenen Abzug von der Angebots- oder Abrechnungssumme (VK Brandenburg, B. v. 21.10.2002 - Az.: VK 55/02).

107.12.2 Verbot der Aufnahme von Preisnachlässen und Skonti in das Angebot Es ist für die Auswirkung eines zulässigen Preisnachlasses ohne Bedingung letztlich ohne Belang, ob dieser von vornherein im Preis mit einbezogen wird oder an gesonderter Stelle auf den Einheitspreis/Endpreis ausdrücklich gewährt wird. Eine Regelung, die von den Bietern verlangt, Preisnachlässe und Skonti in die Einheitspreise einzukalkulieren, beschwert die Bieter daher nicht (VK Lüneburg, B. v. 12.11.2001 - Az.: 203-VgK-19/2001).

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107.12.3 Preisnachlässe mit Bedingungen

107.12.3.1 Preisnachlässe mit Bedingungen, deren Erfüllung im Einflussbereich des Bieters liegen Ein Nachlass, der unter der Bedingung steht, die der Nachlassgewährende bestimmen oder beeinflussen kann (z. B. ein Preisnachlass, der sich an die Durchführung einzelner Teile der vom Bieter auszuführenden Bauleistung knüpft), verfälscht den Wettbewerb und kann nicht hingenommen werden. Das Nebenangebot kann im Wettbewerb mit anderen Bietern nicht herangezogen werden, da eine Wertung zu Wettbewerbsverzerrungen der Vergabeentscheidung führen würde (VK Baden-Württemberg, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03, B. v. 31.10.2001 - Az.: 1 VK 36/01).

107.12.3.2 Preisnachlässe mit Bedingungen, deren Erfüllung im Einflussbereich des Auftraggebers liegen

107.12.3.2.1 Allgemeines Bei der Frage der Berücksichtigung von Preisnachlässen mit Bedingungen kommt es auf die faktische Erfüllbarkeit der Bedingung durch den Auftraggeber an (VK Baden-Württemberg, B. v. 31.10.2001 - Az.: 1 VK 36/01). Diese ist dann nicht gegeben, wenn sich der Eintritt der Bedingung einer exakten Vorhersage (Beurteilung) durch den Auftraggeber entzieht. Denn es vermag nicht zu überzeugen, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner Einschätzung den Preisnachlass wertet, sich dadurch die Bieterrangfolge verschiebt und am Ende vielleicht der Nachlass gar nicht genutzt werden kann, weil die Bedingung nicht eingetreten ist. Konsequenterweise kann deshalb ein Angebot nicht gewertet werden, wenn es die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistung mit Bedingungen verknüpft, deren Eintritt ungewiss ist (VK Brandenburg, B. v. 21.10.2002 - Az.: VK 55/02).

107.12.3.2.2 Skonto

107.12.3.2.2.1 Begriff Skonto bedeutet einen prozentualen Abzug vom Rechnungsbetrag, der bei sofortiger oder kurzfristiger (hinsichtlich des Zeitraums im Einzelnen festgelegter) Zahlung gewährt wird (VK Baden-Württemberg, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03). Bei der Skontoabrede handelt es sich also um einen aufschiebend bedingten Teilerlass der Forderung für den Fall fristgerechter Zahlung. Ausgangspunkt ist stets der von den Parteien des Vertrags ausgehandelte Preis als Forderung für eine bestimmte Leistung. Der Skonto ist die Inaussichtstellung einer Prämie für zügige bzw. fristgerechte Zahlung, also eine Zahlungsmodalität, die weder die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausführung der Leistung noch den Preis als solchen ändert (BayObLG, B. v. 09.09.2004 - Az.: Verg 018/04).

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107.12.3.2.2.2 Eindeutige Skontobedingungen Skontoabzüge können bei der Wertung nur dann berücksichtigt werden, wenn die Bedingungen für den Skontoabzug klar und vollständig sind (2. VK Brandenburg, B. v. 01.02.2007 - Az.: 2 VK 56/06; VK Lüneburg, B. v. 30.09.2004 - Az.: 203-VgK-44/2004; B. v. 21.09.2004 - Az.: 203-VgK-42/2004; VK Baden-Württemberg, B. v. 15.07.2004 - Az.: 1 VK 34/04; 1. VK Sachsen, B. v. 06.04.2009 - Az.: 1/SVK/005-09). Enthält ein Angebot die Bedingung, für die kompletten Leistungen ein Skonto von 3% innerhalb 20 Tage zu gewähren, lässt das Angebot die Art der skontierfähigen Zahlungen (Abschlags- oder Schlusszahlungen), die Skontierungsvoraussetzung (Skonto bei jeder einzelnen Zahlung oder nur bei pünktlicher Entrichtung aller Zahlungen) und den Zeitpunkt des Abzugs (bei jeder einzelnen bedingungsgemäßen Zahlung oder erst bei der Schlusszahlung) offen (VK Nordbayern, B. v. 20.3.2003 - Az.: 320.VK-3194-07/03). Heißt es im Anschreiben des Bieters: "Skonto nach Vereinbarung, z. Bsp.", kann der Auftraggeber nicht davon ausgehen, dass der Rabatt unbedingt gewährt wird und es nicht vielmehr noch weiterer Verhandlungen mit dem Bieter bedarf. Vor diesem Hintergrund hat der Bieter keinen Anspruch auf Wertung des Nachlasses (1. VK Sachsen, B. v. 25.7.2001 - Az.: 1/SVK/71-01). Bei Staffelpreisen ist der höchste Staffelpreis der angebotene Einheitspreis. Die niedrigeren Staffelpreise sind vergaberechtlich als Nachlässe zu behandeln, die in der Regel an Bedingungen (z.B. das Erreichen einer bestimmten durchschnittlichen Tagesmenge von Zustellungen) geknüpft sind (VK Lüneburg, B. v. 30.09.2004 - Az.: 203-VgK-44/2004). Solche Nachlässe können allenfalls dann gewertet werden, wenn zum Zeitpunkt der Wertung die Vergabestelle realistischerweise davon ausgehen kann, dass die Bedingungen tatsächlich eintreten werden. Dies ist dann nicht der Fall, wenn zwar alle Bedingungen, an die die Preiserhöhungen geknüpft sind, objektiv nachprüfbar sind (so kann z.B. durch ein Bodengutachten die Notwendigkeit bestimmter Gründungsmaßnahmen festgestellt werden; die baurechtliche Zulässigkeit der "Varianten" kann im Wege des Bauvorbescheids geklärt werden). Jedoch ist die Vergabestelle nicht verpflichtet, derart intensive und aufwändige Nachforschungen zu betreiben. Eine solche Verpflichtung kommt schon im Hinblick auf die zeitlichen Gegebenheiten eines Vergabeverfahrens nicht in Betracht. Es ist der Vergabestelle nicht zuzumuten, erheblichen zeitliche Verzögerungen und sachlichen Mehraufwand zur Klärung der Bedingungen des Bieters in Kauf zu nehmen (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.06.2008 - Az.: 1 VK 18/08). Bietet ein Unternehmen X % Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen ab Rechnungsdatum, nicht aber ab Eingang der Rechnung beim Auftraggeber, an, ist damit die Frist für die Zahlung nicht eindeutig, weil das Datum der Rechnung nicht mit dem Datum des Rechnungseingangs beim Auftraggeber übereinstimmen wird, sich sogar unter Umständen so weit verzögern kann, dass eine sachgerechte Prüfung der Rechnung und Anordnung der Zahlung innerhalb der gesetzten Frist nicht möglich ist (2. VK Brandenburg, B. v. 01.02.2007 - Az.: 2 VK 56/06). Auch auf Seiten des Auftraggebers verlangt die Wahrung der Transparenz und die Vermeidung von Manipulationen eine Bekanntgabe der Vergabebedingungen, die die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Skontos klar und eindeutig umschreiben. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der Auftraggeber zum Ausdruck bringt, dass nur solche

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Skonti berücksichtigungsfähig sind, deren Voraussetzungen der Ausschreibende realistischerweise erfüllen kann (BGH, Urteil v. 11.03.2008 - Az.: X ZR 134/05).

107.12.3.2.2.3 Wertung Eine grundsätzliche Verpflichtung des Auftraggebers zur Berücksichtigung angebotener Skonti im Rahmen der Bewertung des wirtschaftlichen Angebots gibt es nicht. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber einerseits zur sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel verpflichtet, andererseits ist aber gerade bei einer wirtschaftlichen Betrachtung zu prüfen, ob die vom Auftragnehmer an die Skontogewährung geknüpften Zahlungsfristen für eine ordnungsgemäße Prüfung der Rechnung und Zahlungsabwicklung ausreichen (2. VK Brandenburg, B. v. 01.02.2007 - Az.: 2 VK 56/06; 1. VK Bund, B. v. 22.5.2003 - Az.: VK 1 - 29/03). Nebenangebote mit bedingten Preisnachlässen, deren Erfüllbarkeit fraglich ist und die nicht hinreichend bestimmbar sind, müssen zur Vermeidung von Manipulationsversuchen von der Wertung ausgeschlossen werden. Denn es vermag nicht zu überzeugen, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner Einschätzung den Preisnachlass wertet und sich dadurch die Bieterrangfolge verschiebt, aber am Ende vielleicht der Nachlass gar nicht genutzt werden kann, weil die Bedingung nicht eingetreten ist (VK Brandenburg, B. v. 01.03.2005 - Az.: VK 8/05). Maßgebend für die Wertung ist also, ob die für eine Skontogewährung gestellten Bedingungen realistischerweise eintreten werden (BGH, Urteil v. 11.03.2008 - Az.: X ZR 134/05; VK Baden-Württemberg, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03). Der Ausschreibende hat dabei Risiken und Vorteile abzuwägen, die ihm die Vereinbarung des Skontoabzugs bringt. Nur er ist dazu in der Lage zu beurteilen, ob innerhalb des angebotenen Zeitraums die Prüfung der Berechtigung und die anschließende Erfüllung der Forderung möglich sind. Diese Wertung kann im Schadensersatzprozess nicht durch die Entscheidung des Gerichts ersetzt werden, sondern sie kann nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden, wobei der Bieter die Unvertretbarkeit der Entscheidung des Ausschreibenden als Voraussetzung seines Schadensersatzanspruchs zu beweisen hat. Dabei sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen, die indizielle Bedeutung für die Frage der Realisierbarkeit der Bedingungen haben, an die die Gewährung des Skontos geknüpft ist; unter Umständen auch der weitere tatsächliche Verlauf (BGH, Urteil v. 11.03.2008 - Az.: X ZR 134/05). Dies lässt sich für die angebotene (übliche) Skontofrist von 14 Tagen annehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 1.10.2003 - Az.: Verg 45/03). Der BGH räumt dem Auftraggeber aber auch die Möglichkeit ein, ein Zahlungsziel von 14 Tagen als Skontobedingung als unrealistisch zu betrachten (BGH, Urteil v. 11.03.2008 - Az.: X ZR 134/05).

107.12.3.2.2.4 Wertung, wenn der Preis das ausschließliche Zuschlagskriterium darstellt Der Skonto ist die Inaussichtstellung einer Prämie für zügige bzw. fristgerechte Zahlung, also eine Zahlungsmodalität, die weder die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausführung der Leistung noch den Preis als solchen ändert. Der Eintritt der Bedingung für einen Teilerlass ist zunächst ungewiss. Unter dem Zuschlagskriterium der Wirtschaftlichkeit mag es angehen,

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den Preisnachlass mit der Notwendigkeit abzuwägen, den Zahlungsvorgang zu beschleunigen. Ist hingegen der für die Leistung verlangte Preis allein ausschlaggebendes Kriterium, erscheint es konsequent, in der Zukunft liegende ungewisse Ereignisse, die den Preis beeinflussen können, ohne ihn selbst aber zu ändern, nicht zu berücksichtigen (BayObLG, B. v. 09.09.2004 - Az.: Verg 018/04).

107.12.3.2.2.5 Richtlinie des VHB 2008 zu Skonti Preisnachlässe mit Bedingungen, die vom Bieter bei Einhaltung von Zahlungsfristen angeboten werden (Skonti), sind bei der Wertung nicht zu berücksichtigen (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 2.1). Nicht zu wertende Preisnachlässe bleiben rechtsverbindlicher Inhalt des Angebotes und werden im Fall der Auftragserteilung Vertragsinhalt (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 1.3).

107.12.3.2.2.6 Rechtsprechung zur Richtlinie des VHB 2002 zu Skonti Legt der Auftraggeber seiner Ausschreibung ausweislich der Ausschreibungsunterlagen, die auch von allen Bietern akzeptiert wurden, die Regelung des VHB zu Skonti zugrunde, ist hiergegen nichts einzuwenden (VK Brandenburg, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 4/02).

107.12.3.2.3 Andere Preisnachlässe mit sonstigen Bedingungen Durch die Bedingung darf keine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen bewirkt werden (VK Baden-Württemberg, B. v. 15.07.2004 - Az.: 1 VK 34/04, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03). Die Bedingung - Einräumung eines Nachlasses nur für den Fall, dass der Bieter nicht ohnehin zum Zuge kommt - ist offensichtlich unvereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip und daher schon aus diesem Grund unzulässig (BayObLG, B. v. 21.8.2002 - Az.: Verg 21/02; 1. VK Sachsen, B. v. 21.05.2004 - Az.: 1/SVK/036-04).

107.12.3.3 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu Preisnachlässen mit Bedingung Preisnachlässe mit Bedingungen sind wie Nebenangebote zu behandeln, die jedoch bei der Ermittlung der Wertungssumme nicht berücksichtigt werden. Nicht zu wertende Preisnachlässe (ohne Bedingungen oder mit Bedingungen) bleiben rechtsverbindlicher Inhalt des Angebotes und werden im Fall der Auftragserteilung Vertragsinhalt (siehe Nr. (59)). wie folgt behandelt:

107.12.4 Preisnachlässe ohne Bedingungen (§ 25 Nr. 5 Satz 2)

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107.12.4.1 Begriff Ein unbedingter Preisnachlass liegt vor, wenn der Auftraggeber gegen einen geringeren Preis genau das erhalten soll was er nach dem Inhalt seiner Ausschreibung erwartet (1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.11.2001 - Az.: 2 VK 15/01).

107.12.4.2 Formgrundsatz Gemäß § 21 Nr. 4 VOB/A sind Preisnachlässe ohne Bedingungen an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen. Ist dies nicht der Fall, so dürfen sie nach § 25 Nr. 5 Satz 2 VOB/A nicht gewertet werden (BGH, Urteil v. 20.01.2009 - Az.: X ZR 113/07; 1. VK Sachsen, B. v. 10.11.2006 - Az.: 1/SVK/096-06; VK Thüringen, B. v. 15.06.2006 - Az.: 360-4002.20-024/06-J-S; VK Nordbayern, B. v. 26.10.2001 - Az.: 320.VK-3194-37/01; VK Schleswig-Holstein, B. v. 1.4.2004 - Az.: VK-SH 05/04; VK Südbayern, B. v. 21.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-09-02/09). Dieser Formgrundsatz ist auch für Preisnachlässe, die nur für ein Nebenangebot gelten sollen, zu beachten (VK Münster, B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05; VK Schleswig-Holstein, B. v. 1.4.2004 - Az.: VK-SH 05/04). Wenn eine Vergabestelle - in Kenntnis der Tatsache, dass Preisnachlässe in unterschiedlicher Form gewährt werden können - die Angabe eines Vomhundertsatzes fordert, dann schließt sie damit zunächst die Möglichkeit eines pauschalen Preisnachlasses durch ihre Verdingungsunterlagen aus. Ansonsten muss sie auch für diese Form eines Preisnachlasses den Bietern Eintragungsmöglichkeiten einräumen (VK Thüringen, B. v. 15.06.2006 - Az.: 360-4002.20-024/06-J-S; VK Münster, B. v. 21.12.2005 - Az.: VK 25/05).

107.12.4.3 Sinn und Zweck Diese Regelung dient dem Interesse an einer transparenten Vergabe. Es soll verhindert werden, dass Preisnachlässe in die Angebotswertung Eingang finden können, deren Herkunft und deren inhaltliches und zeitliches Zustandekommen nachträglich nicht mehr eindeutig nachvollziehbar sind (VK Baden-Württemberg, B. v. 4.4.2002 - Az.: 1 VK 8/02; 1. VK Sachsen, B. v. 13.5.2002 - Az.: 1/SVK/043-02). Wie sich aus der Begründung zu den mit der Fassung 2000 in die VOB/A eingefügten Bestimmungen der § 21 Nr. 4 und § 25 Nr. 5 Satz 2 VOB/A ergibt, dienen die Vorschriften der Erleichterung des Eröffnungstermins und der Schaffung von mehr Transparenz in Bezug auf Preisnachlässe. Im Interesse einer transparenten Vergabe sollen diese nur an bestimmten, vorher vom Auftraggeber festgelegten Stellen im Angebotsschreiben zulässig sein. Um dieser Forderung des § 21 Nr. 4 VOB/A, Preisnachlässe ohne Bedingung an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen, Nachdruck zu verleihen, regelt § 25 Nr. 5 Satz 2 VOB/A, dass Preisnachlässe ohne Bedingung, die den formellen Anforderungen des § 21 Nr. 4 VOB/A nicht entsprechen, nicht zu werten sind. Sinn und Zweck der genannten Bestimmungen, mehr Transparenz in einem zügigen und vom Ausschreibenden leicht zu handhabenden Vergabeverfahren zu schaffen, in dem die Gleichbehandlung aller Bieter sichergestellt ist, würden in ihr Gegenteil verkehrt, wenn bei

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der Eröffnung der Angebote ihre Auslegung und Wertung dahingehend gefordert oder ermöglicht wird, ob eine nicht an der vorgesehenen Stelle im Angebot aufgeführte Erklärung in einer dem Transparenzgebot hinreichend Rechnung tragender Weise eindeutig und nicht übersehbar abgegeben worden ist . Die Entscheidung über die Wertung der Angebote von derartigen Unwägbarkeiten im Interesse des Ausschreibenden wie aller Bieter freizuhalten, ist Sinn und Zweck der genannten Vorschriften, für deren "teleologische Reduktion" keine Veranlassung besteht (BGH, Urteil v. 20.01.2009 - Az.: X ZR 113/07).

107.12.4.4 Umfasste Preisnachlässe Die Regelung des § 21 Nr. 4 VOB/A betrifft nicht Nachlässe bei den Einheitspreisen für einzelne Leistungspositionen im Rahmen der Kalkulation, sondern nur Preisabschläge für das Gesamtangebot (OLG München, B. v. 24.05.2006 - Az.: Verg 10/06).

107.12.4.5 Begriff des "Aufführens" Hat ein Bieter an der im Formular (z. B. EVM (B) Ang) für die Abgabe von Nachlässen bezeichneten Stelle eine Zahl eingetragen und die Nachlässe selbst im Angebotsanschreiben formuliert, genügt er den Erfordernissen des § 25 Nr. 5 Satz 2 (1. VK Sachsen, B. v. 13.5.2002 - Az.: 1/SVK/043-02).

107.12.4.6 Beispiele aus der Rechtsprechung

• auch Preisnachlässe bei Losausschreibungen mit Vorbehalt der Einzellosvergabe sind an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen. Ist dies nicht der Fall, so dürfen sie nach § 25 Nr. 5 Satz 2 VOB/A nicht gewertet werden (VK Nordbayern, B. v. 26.10.2001 - Az.: 320.VK-3194-37/01).

107.12.4.7 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu Preisnachlässen ohne Bedingung Preisnachlässe ohne Bedingungen, die nicht unter Nr. 4 des „Angebotsschreibens“ angeboten wurden (siehe Nr. (13)), sowie Nebenangebote, die bei der Wertung der Angebote aus Wettbewerbsgründen nicht berücksichtigt werden konnten (siehe Nrn. 37 – 40)), können bei der Zuschlagserteilung an den Bieter, der im Übrigen das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, berücksichtigt werden. Bei Grund- und Wahlpositionen darf eine teurere Variante (Grund- oder Wahlposition) nur dann beauftragt werden, wenn dies nicht zu einer Änderung der Bieterreihenfolge führt und haushaltsrechtlich begründet werden kann.

107.12.5 Missverständliche und widersprüchliche Preisnachlässe

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107.12.5.1 Grundsatz Gerade weil auslegungsbedürftige Preisnachlässe von Bietern die Transparenz des Vergabeverfahrens beeinträchtigen können, sind missverständliche Preisnachlässe ("Gesamtrabatt") unzulässig und stellen auch einen Verstoß gegen § 21 Nr. 2 VOB/A dar, sodass ein Ausschlussgrund vorliegt (LG Chemnitz, Urteil vom 23.5.2002 - Az.: 1 0 4857/01; im Ergebnis ebenso VK Baden-Württemberg, B. v. 7.3.2003 - Az.: 1 VK 06/03, 1 VK 11/03). Hat ein Bieter in seinem Anschreiben zum Angebot sowie auf dem Formblatt EVM (L) Ang jeweils einen Preisnachlass in Höhe von 10 % eingetragen, aber – dem widersprechend – in seiner Erläuterung zum Komplettangebot die Höhe des Nachlasses mit jeweils 8 % angegeben und das Zustandekommen dieses Preisnachlasses erläutert, handelt es sich um ein widersprüchliches Angebot, das zwingend auszuschließen ist (OLG Naumburg, B. v. 30.07.2004 - Az.: 1 Verg 10/04).

107.12.5.2 Beispiele aus der Rechtsprechung

• bei Unklarheit darüber, ob der Nachlass sich auf einen Brutto- oder Nettobetrag bezieht, kann der Nachlass nicht gewertet werden (VK Thüringen, B. v. 9.4.2002 - Az.: 216-4002.20- 009/02-EF-S)

• bei einem Angebot mit dem Inhalt "bei Vergabe mehrerer Lose gemeinsam gewähren wir einen Nachlass von 3% auf die Angebotssumme" kann aus der Nachlassofferte nicht geschlossen werden, ob der Nachlass für das Gesamtangebot aller Lose gelten soll (VK Nordbayern, B. v. 26.10.2001 - Az.: 320.VK-3194-37/01)

107.12.6 Vom Auftraggeber ausgeschlossene Pauschalnachlässe Gibt ein Auftraggeber nach seinen Bewerbungsbedingungen (z.B. EVM(B) BwB/E EG 212EG) vor, dass Nachlässe ohne Bedingung nur als Vomhundertsatz auf die Abrechnungssumme gewertet werden und gibt ein Beter einen Pauschalnachlass an, entspricht dieser nicht den von der Vergabestelle vorgegebenen Forderungen laut Bewerbungsbedingungen; er ist damit nicht zu werten (VK Thüringen, B. v. 15.06.2006 - Az.: 360-4002.20-024/06-J-S).

107.12.7 Richtlinie des VHB 2008 zu Preisnachlässen Preisnachlässe ohne Bedingungen sind bei der Prüfung und Wertung rechnerisch nur zu berücksichtigen, wenn sie im Angebotsschreiben an der dort bezeichneten Stelle aufgeführt sind. Preisnachlässe mit Bedingungen, die vom Bieter bei Einhaltung von Zahlungsfristen angeboten werden (Skonti), sind bei der Wertung nicht zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für Preisnachlässe mit anderen von den Vergabeunterlagen abweichenden Bedingungen (z.B. Verkürzung/Verlängerung von Ausführungsfristen, andere Zahlungsbedingungen) (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 2.1).

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107.13 Nachträgliche Beseitigung von Wertungsfehlern des Auftraggebers Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 807.

107.14 Bietergemeinschaften (§ 25 Nr. 6) Vgl. zur Eignung einer Bietergemeinschaft die Kommentierung zu § 97 RZ 527 und zum Begriff und der Rechtsform einer Bietergemeinschaft die Kommentierung zu § 8 VOB/A RZ 3826.

107.15 Wertung und Zuschlag im Wege eines Vergleiches Das Vergaberecht ist nicht generell vergleichsfeindlich. In der üblichen Konstellation von einem ausgewählten Bieter und dem Antragsteller in einem Nachprüfungsverfahren kann es durchaus einen wettbewerbsgerechten Ausgleich zwischen den Beteiligten geben. In einer solchen Regelung ist jedoch immer auch die Wettbewerbssituation aller Beteiligten am Verfahren zu berücksichtigen. Soweit der Vergleich in die Wettbewerbsposition Dritter eingreift, sind die Wettbewerbsbelange der Dritten in den Vergleich einzubeziehen, was im Einzelfall durchaus zum Ausschluss einer Vergleichsmöglichkeit führen kann. Sind z.B. alle Angebote wirtschaftlich gleichwertig, sind alle Bieter durch den Vergleich in ihren Chancen in gleichem Maße betroffen. Daher sind die Chancen aller Bieter bei einem Vergleich zu berücksichtigen, z.B. durch die Zusicherung eines vergleichbaren Auftragsanteils (VK Düsseldorf, B. v. 15.10.2003 - Az.: VK - 28/2003).

107.16 Geltung des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) auch im Verhandlungsverfahren (Nr. 7) Nach § 25 Nr. 7 Satz 2 VOB/A sind die Bestimmungen u.a. des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A im Verhandlungsverfahren entsprechend anzuwenden. Wird in einer Verhandlungsrunde von den Bietern die Abgabe einer Erklärung bzw. Vertragsunterlage zwingend innerhalb der Frist zur Abgabe des ersten Angebotes gefordert, so ist das Angebot, welches diese obligatorische Erklärung nicht enthält, zwingend auszuschließen (OLG Naumburg, B. v. 08.09.2005 - Az.: 1 Verg 10/05; 1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07).

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