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10. Fachberufe im Gesundheitswesen Das Feld der Gesundheitsberufe umfasst neben den 18 gesetzlich und drei durch Aus- bildungsordnungen geregelten Berufen auch eine große Zahl von Qualifikationen auf der Ebene des Landesrechts und im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Hinzu kom- men zunehmend Bildungsgänge des tertiären Sektors, insbesondere in der Pflege sowie den Berufen im Heilmittelbereich. Die vielen an den Übergängen zu Pädagogik, Sport, Handwerk, Technik, Hauswirtschaft, Wellness, Hygiene, Management und Körperpfle- ge angesiedelten Qualifizierungsmöglichkeiten machen das Feld mittlerweile in hohem Maße unübersichtlich. Zu den Aufgaben der Bundesärztekammer gehört es, die Ent- wicklungen zu beobachten und aktiv zu begleiten oder zu gestalten, wie bspw. im Berichtsjahr bei der Aus- und Fortbildung von Medizinischen Fachangestellten, der Aka- demisierung der Fachberufe, beim Europäischen/Deutschen Qualifikationsrahmen und der Entwicklung neuer Qualifizierungen in der ambulanten und stationären Ver- sorgung. Dies geschieht häufig gemeinsam mit den Landesärztekammern bzw. diese unterstützend und koordinierend und/oder in Kooperation mit anderen Institutionen des Gesundheitswesens oder des Bildungssektors. Wichtiges Augenmerk in dem sich ständig weiter differenzierenden und spezialisieren- den Feld der Berufe gilt den Schnitt- und Nahtstellen zum Arztberuf und der Identifi- kation von Zuständigkeiten, Überschneidungen, Qualifikationsbedarfen und Koopera- tionsmöglichkeiten. Damit sollen die Gefahren, die sich aus der weiter wachsenden – z. T. ökonomisch bedingten – Arbeitsteilung ergeben können, kompensiert und zu- gleich die Erfordernisse einer komplex organisierten wie „ganzheitlichen“ Patientenver- sorgung, in der medizinische und pflegerische Versorgungsqualität „rund um den Patienten“ an erster Stelle stehen, angemessen zur Geltung gebracht werden. Bereits das Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz 2004 stieß ergänzende Kooperations- möglichkeiten zwischen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen an, mit denen der Gesetzgeber glaubte, Grenzen zwischen den Professionen und Sektoren überwinden zu können. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2006 sowie das Pflege-Weiterentwick- lungsgesetz 2008 zielen auf eine stärkere Vernetzung von medizinischer und pflegeri- scher Versorgung nach SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) und SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) im Bereich der Integrierten Versorgung sowie die Einführung einer zusätzlichen Verwaltungs- und Beratungsebene in Form von Pflegestützpunkten und Pflegeberatern. Zugleich wird die Möglichkeit eröffnet, ärztliche Tätigkeiten wie z. B. das Case Management und die Versorgungssteuerung den Krankenkassen oder anderen Gesundheitsberufen bzw. heilkundliche Tätigkeiten Pflegekräften zuzuweisen. Dies könnte gewachsene, vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehungen, den Primat der medizinisch orientierten Betreuung und die Qualität der medizinischen Versorgung nach Facharztstandard gefährden. Die Bundesärztekammer hat in diesem Sinne mit der Ausbildungsverordnung für Medizinische Fachangestellte von 2006, mit fünf weiteren Fortbildungscurricula für Medizinische Fachangestellte in 2007 und dem neuen Aufstiegsberuf nach Berufsbil- dungsgesetz „Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung“ (Erarbeitung in 337 10 Kapitel Fachberufe im Gesundheitswesen

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10. Fachberufe im Gesundheitswesen

Das Feld der Gesundheitsberufe umfasst neben den 18 gesetzlich und drei durch Aus-bildungsordnungen geregelten Berufen auch eine große Zahl von Qualifikationen aufder Ebene des Landesrechts und im Bereich der Fort- und Weiterbildung. Hinzu kom-men zunehmend Bildungsgänge des tertiären Sektors, insbesondere in der Pflege sowieden Berufen im Heilmittelbereich. Die vielen an den Übergängen zu Pädagogik, Sport,Handwerk, Technik, Hauswirtschaft, Wellness, Hygiene, Management und Körperpfle-ge angesiedelten Qualifizierungsmöglichkeiten machen das Feld mittlerweile in hohemMaße unübersichtlich. Zu den Aufgaben der Bundesärztekammer gehört es, die Ent-wicklungen zu beobachten und aktiv zu begleiten oder zu gestalten, wie bspw. imBerichtsjahr bei der Aus- und Fortbildung von Medizinischen Fachangestellten, der Aka-demisierung der Fachberufe, beim Europäischen/Deutschen Qualifikationsrahmenund der Entwicklung neuer Qualifizierungen in der ambulanten und stationären Ver-sorgung. Dies geschieht häufig gemeinsam mit den Landesärztekammern bzw. dieseunterstützend und koordinierend und/oder in Kooperation mit anderen Institutionendes Gesundheitswesens oder des Bildungssektors.

Wichtiges Augenmerk in dem sich ständig weiter differenzierenden und spezialisieren-den Feld der Berufe gilt den Schnitt- und Nahtstellen zum Arztberuf und der Identifi-kation von Zuständigkeiten, Überschneidungen, Qualifikationsbedarfen und Koopera-tionsmöglichkeiten. Damit sollen die Gefahren, die sich aus der weiter wachsenden – z. T. ökonomisch bedingten – Arbeitsteilung ergeben können, kompensiert und zu-gleich die Erfordernisse einer komplex organisierten wie „ganzheitlichen“ Patientenver-sorgung, in der medizinische und pflegerische Versorgungsqualität „rund um denPatienten“ an erster Stelle stehen, angemessen zur Geltung gebracht werden. Bereitsdas Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz 2004 stieß ergänzende Kooperations-möglichkeiten zwischen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen an, mit denen derGesetzgeber glaubte, Grenzen zwischen den Professionen und Sektoren überwinden zukönnen. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2006 sowie das Pflege-Weiterentwick-lungsgesetz 2008 zielen auf eine stärkere Vernetzung von medizinischer und pflegeri-scher Versorgung nach SGB XI (Soziale Pflegeversicherung) und SGB V (GesetzlicheKrankenversicherung) im Bereich der Integrierten Versorgung sowie die Einführungeiner zusätzlichen Verwaltungs- und Beratungsebene in Form von Pflegestützpunktenund Pflegeberatern. Zugleich wird die Möglichkeit eröffnet, ärztliche Tätigkeiten wie z. B. das Case Management und die Versorgungssteuerung den Krankenkassen oderanderen Gesundheitsberufen bzw. heilkundliche Tätigkeiten Pflegekräften zuzuweisen.Dies könnte gewachsene, vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehungen, den Primat dermedizinisch orientierten Betreuung und die Qualität der medizinischen Versorgungnach Facharztstandard gefährden.

Die Bundesärztekammer hat in diesem Sinne mit der Ausbildungsverordnung fürMedizinische Fachangestellte von 2006, mit fünf weiteren Fortbildungscurricula fürMedizinische Fachangestellte in 2007 und dem neuen Aufstiegsberuf nach Berufsbil-dungsgesetz „Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung“ (Erarbeitung in

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2008) wichtige Beiträge zur Stärkung der ambulanten Versorgung geleistet. Parallelhierzu ist die Entwicklung neuer Konzepte und Modellversuche im Nachgang zumSachverständigenratsgutachten 2007 zur „Stärkeren Einbeziehung nichtärztlicher Heil-berufe in Versorgungskonzepte“ kritisch-konstruktiv zu begleiten. Hinsichtlich sekto-ren- und/oder berufsgruppenübergreifender Modelle sind absehbare Nachteile zu ver-meiden und die Zusammenarbeit mit Anbietern von Leistungen, die die ärztliche Ver-sorgung flankieren können, zu suchen. Dazu hat die Bundesärztekammer imBerichtsjahr durch die Veröffentlichung des Gutachtens „Zur Frage der stärkeren Ein-beziehung von nichtärztlichen Gesundheitsberufen in Versorgungskonzepte am Bei-spiel Case Management“ und ihre Initiative für die Entwicklung eines entsprechendenmultiprofessionellen Curriculums einen wichtigen Beitrag geleistet; sie hat darüberhinaus im Rahmen der „Förderinitiative Versorgungsforschung“ weitere Projekte zurbesseren Kooperation der Gesundheitsberufe angestoßen. Darüber hinaus wurde durchdie neugefasste Stellungnahme von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundes-vereinigung zur „Persönlichen Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen derDelegation ärztlicher Leistungen“ von August 2008 der Rechtsrahmen für delegierbareLeistungen aktualisiert (siehe hierzu www.bundesaerztekammer.de > Ärzte > Ambulan-te Versorgung > Delegation ärztlicher Leistungen).

Ein besonderes Augenmerk muss zukünftig auf der medizinisch-pflegerischen Versor-gung alter und/oder pflegebedürftiger Menschen und Patienten mit chronischenErkrankungen liegen, um den großen Herausforderungen, die auf Grund der demogra-fischen, medizinischen und ökonomischen Entwicklung auf alle westlichen Industrie-staaten zukommen, zu begegnen.

10.1 Entwicklungen in der beruflichen Bildung

10.1.1 Nationaler Ausbildungspakt/Modernisierung des Berufsbildungssystems

Seit März 2007 beteiligen sich der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) und die Ärz-tekammern an dem um drei Jahre verlängerten „Nationalen Pakt für Ausbildung undFachkräftenachwuchs in Deutschland (2007 – 2010)“. Damit bringen die Freien Berufezum Ausdruck, dass sie sich nicht nur verstärkt in die Diskussion um bildungspoliti-sche Entwicklungen einschalten wollen, sondern die Notwendigkeit sehen, sich ange-sichts des demografischen Wandels, der in den nächsten Jahren zu einem Rückgang derSchulabgängerzahlen führen wird, verstärkt um Auswahl und Ausbildung ihrer Mitar-beiter zu kümmern. Der 110. Deutsche Ärztetag 2007 hat die Mitwirkung begrüßt undtrotz der demotivierenden gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen seine Bereitschaft zur Übernahme von sozial- und gesellschaftspolitischer Ver-antwortung erklärt. Um den niedergelassenen Ärzten die Schaffung neuer Ausbil-dungsplätze überhaupt zu ermöglichen, sei es allerdings dringend erforderlich, die jah-relange Unterfinanzierung der ambulanten medizinischen Versorgung zu beenden und

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die Personalkosten in den Arztpraxen kalkulatorisch bei der Finanzierung durch dieKrankenkassen stärker zu berücksichtigen.

Der BFB steuert und koordiniert die Beteiligung aller zuständigen Stellen am Pakt direkt.Die erwartete Zielgröße bei allen Freien Berufen von 4.000 neuen Ausbildungsplätzenwurde bereits im September 2007 (durch einen Zuwachs um fast 6 Prozent) deutlichüberschritten. Auch im Jahre 2008 ist es in den Freien Berufen gelungen – trotz weiter-hin schwieriger Rahmenbedingungen – das hohe Niveau zu halten. Die alljährliche Sta-tistik zum 30. September (Berufsbildungsbericht der Bundesregierung) zeigt nach jahre-langer rückläufiger Entwicklung zum zweiten Mal ein positives Ergebnis bei den Medizi-nischen Fachangestellten: Zum 30.09.2008 wurden 14.952 neue Ausbildungsverträgeabgeschlossen und damit im Vergleich zum Vorjahr nochmals eine Steigerung um 0,3 Prozent erreicht. Bei den Freien Berufen insgesamt wurden 43.947 neu abgeschlos-sene Ausbildungsverträge registriert. Das bedeutet ein leichtes Minus von 1,4 Prozent.

Über rein quantitative Fragen hinaus befassen sich die Spitzenorganisationen der deut-schen Wirtschaft, Bundesregierung und -länder sowie die Gewerkschaften derzeit mitder notwendigen Modernisierung des deutschen dualen Berufsbildungssystems inAnbetracht demografischer, wirtschaftlicher, technologischer und internationaler Ent-wicklungen. Vorgeschlagen werden zahlreiche qualitative und quantitative Maßnah-men, um das duale deutsche Berufsbildungssystem und das ihn tragende Berufeprinzipim europäischen Wettbewerb weiter zu entwickeln. Dazu gehörten u. a.

– der Nationale Ausbildungspakt und der Ausbau von Ausbildungsstrukturförderung;– die Optimierung von Förderstrukturen zur Vorbereitung, Begleitung von Ausbildung,

die Nachqualifizierung und Förderung von Langzeitarbeitslosen;– die bessere Anrechnung von Teilqualifizierungen, die Entwicklung von Ausbildungs-

bausteinen;– die Modernisierung der beruflichen Bildung nach Zahl und Art der Ausbildungsbe-

rufe durch Strukturierung in Berufsgruppen mit gemeinsamen Grundqualifikatio-nen und darauf aufbauender Spezialisierung;

– die Entwicklung eines deutschen Qualifikationsrahmens und eines nationalen Leis-tungspunktesystems (siehe 10.1.2).

Die Bundesregierung hat am 09.01.2008 eine Nationale Qualifizierungsoffensive„Aufstieg durch Bildung“ gestartet. Damit macht sie Qualifizierung und Bildung zueinem neuen Themen- und Programmschwerpunkt, um Deutschland als Wirtschafts-nation in Zeiten der Globalisierung besser zu positionieren. Bildung und Qualifizie-rung sollen als Kernelemente von Zukunftsvorsorge begriffen und das deutsche Aus-und Weiterbildungssystem in Qualität und Wirkungsbreite grundlegend verbessert wer-den. Ziele der Initiative sind u. a.

– die Verbesserung der Rate der Abschlüsse am Ende von Bildungswegen, insbesonde-re bei jugendlichen Altbewerbern um Ausbildungsplätze, bei Schulabbrechern undMigranten;

– Förderung des Aufstiegs durch Bildung, insbesondere für bildungsferne Familien,durch Verbesserung der Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Zweigen desBildungssystems sowie Aufstiegsstipendien für Absolventen von dualen Ausbil-dungsgängen;

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– Erleichterung des Übergangs von der Schule in die Hochschule zur Erhöhung derAkademikerquote bei den Fachkräften;

– Förderung der Weiterbildung im Sinne Lebenslangen Lernens insbesondere durchStärkung der regionalen Strukturen der Weiterbildung.

Eine konkrete Maßnahme daraus ist der sog. Ausbildungsbonus, mit dem durch eineErhöhung der Quote formaler Berufsabschlüsse bei Jugendlichen bis 2010 rund 100.000zusätzliche Ausbildungsplätze für Altbewerber geschaffen werden sollen. Mit dem„Gesetz zur Verbesserung der Ausbildungschancen förderungsbedürftiger junger Men-schen“ vom 29.08.2008 wurden im Sozialgesetzbuch III befristete Regelungen für einenAusbildungsbonus und die Berufseinstiegsbegleitung geschaffen. Der Bonus – gestaf-felt in Höhe von 4.000, 5.000 und 6.000 Euro – soll Arbeitgeber dazu veranlassen,zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Das Programm wird über die Arbeitsagen-turen abgewickelt. Die Wirtschaftsverbände sowie der Bundesverband der Freien Beru-fe stehen speziell dieser Maßnahme sehr kritisch gegenüber, weil sie sie wegen derbefürchteten Mitnahmeeffekte für kein geeignetes Förderinstrument halten. Auch imArbeitskreis „Berufsbildung und Jugendpolitik“ des Bundesverbandes der Freien Beru-fe am 21.01.2008 wurde diese Einschätzung geteilt. Gleichzeitig bestand die Auffassung,dass (wie auch bei den sog. Einstiegsqualifizierungen – EQ) das geplante Programm sei-tens der Kammern nicht aktiv beworben werden solle.

Mit dem „Bildungsgipfel“ am 22.10.2008 wurden weitere Maßnahmen des Bundes imSinne der Qualifizierungsinitiative, außerdem Maßnahmen der Länder sowie gemein-same Maßnahmen gestartet. Dabei wurden auch quantitative Zielvorgaben konsentiert,wie z. B. die Halbierung der Schulabbrecherquote von 8 % bis 2015, die Halbierung derZahl der Jugendlichen ohne Berufsabschluss von 17 % auf 8,5 % und die Anhebung derStudienanfänger auf 40 %. Das soll z. B. durch Vergleichsarbeiten, Lernstandserhebun-gen und systematische Kompetenzprofilerstellung erreicht werden, darüber hinausdurch Stärkung der sog. MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaftenund Technik), durch mehr Durchlässigkeit und mehr Ausbildungsberufe für praktischbegabte Jugendliche.

Die deutsche Wirtschaft hat das Aufgreifen dieser wichtigen Problemfelder begrüßt,zugleich aber das Fehlen weiterreichender Reformansätze wie z. B. bei der Lehrerbil-dung moniert. Im Jahr 2010 soll über den erreichten Stand berichtet werden.

– Vgl. hierzu www.freie-berufe.de/Ausbildungspakt bzw. www.bundesaerztekammer.de> Ambulante Versorgung > Arzthelferin/Medizinische Fachangestellte > Ausbildung/Fortbildung.

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10.1.2 Europäischer Qualifikationsrahmen/Europäisches Leistungspunkte-system/Deutscher Qualifikationsrahmen

Seit 2005 stellen die europäischen Entwicklungen im Bildungsbereich ein wichtigesThemenfeld dar, das von der Bundesärztekammer, teilweise gemeinsam mit demBundesverband der Freien Berufe und im Kuratorium der deutschen Wirtschaft fürBerufsbildung intensiv begleitet wird. (Berichte erfolgten seitdem regelmäßig in ver-schiedenen Gremien der Bundesärztekammer.) Im Mittelpunkt steht dabei der Europä-ische Qualifikationsrahmen (EQR), der durch eine Empfehlung der Europäischen Kom-mission vom April 2008 abschließend beraten wurde. Der EQR soll im Sinne einesMetarahmens für nationale Qualifikationsrahmen die Vergleichbarkeit von Abschlüs-sen und Qualifikationen in der allgemeinen/hochschulischen sowie der beruflichen Bil-dung in allen Mitgliedsstaaten ermöglichen. Als ein Bildungsbereich übergreifendesVorhaben, das eng in den Lissabon-Prozess, aber auch in den gesamteuropäischenBologna-Prozess eingebunden ist, verfolgt er die Makroziele Transparenz, Durchlässig-keit, Kompetenzorientierung von Qualifikationen, Mobilität sowie Gleichwertigkeit vonallgemeiner/hochschulischer und beruflicher Bildung. Den Kern des EQR bildet einModell von acht Referenzniveaus, mit denen Lernergebnisse beschrieben werden, sowieein komplexes outcome-orientiertes Deskriptorenset zur Beschreibung von Qualifika-tionen. Alle formalen und informellen Qualifikationen, die im Verlaufe einer Lernbio-grafie im Bereich der Aus- und Weiterbildung erworben werden, sind darin abzubilden.

Der Bundesverband der Freien Berufe hat bereits in einer Stellungnahme von Dezember2005, an der die Bundesärztekammer maßgeblich mitgewirkt hat, auf die Besonderheitender akademischen Bildung und die vorrangige Geltung der Berufsanerkennungsrichtliniefür reglementierte Berufe (2005/36/EG) (BAR) abgehoben und eine primäre Anwen-dungsmöglichkeit bei den „dualen“ Ausbildungsberufen im Gesundheitswesen gesehen.Offensichtlich als Reaktion auf die weiterhin von verschiedenen Seiten als unklar emp-fundene Relation von EQR und BAR hat die Europäische Kommission in einer aktuellenMitteilung vom 23.04.2008 eindeutig Stellung bezogen und klargestellt, dass der EQRnicht für die Fälle gilt, in denen die Richtlinie 2005/36/EG zur Anwendung kommt.

Als Konsequenz zum EQR und parallel dazu hat die Europäische Kommission im Ok-tober 2006 den Entwurf eines Europäischen Leistungspunktesystems für die beruflicheBildung (ECVET) vorgelegt, das ein System für Übertragung, Akkumulierung undAnerkennung von Lernleistungen darstellt. Dem einzelnen Bürger soll ermöglicht wer-den, seinen Bildungsweg im Rahmen grenzüberschreitender Mobilität und unter-schiedlicher Lernkontexte zu übertragen und anerkannt zu bekommen.

In der Stellungnahme des BFB vom 26.08.2008 zum Vorschlag einer Empfehlung desEuropäischen Parlaments und des Rates vom April 2008 wird – unter Zustimmung zu denallgemeinen Zielen – deren Erreichbarkeit durch das Instrumentarium eines Leistungs-punktesystems in Frage gestellt. Letztlich liefe eine ECVET-Prüfung auf eine typisierteEinzelfallprüfung mit hohem Verwaltungsaufwand für die Kammern hinaus. Das Bench-marking, ggf. sogar der Konvergenzprozess nationalstaatlicher Bildungssysteme, werdeverstärkt. Die von der Kommission angekündigte organisierte Überwachung erzeugeeinen hohen Druck auf die Einzelstaaten. Mit der gleich gerichteten Kritik wird auch derVorschlag der Europäischen Kommission zur Einrichtung eines Europäischen Bezugs-

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rahmens für die Qualität in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (EQARF) von denSpitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft einschließlich BFB als deutlich über-zogen zurückgewiesen, was die Detailliertheit, das Berichtswesen und die Steuerungs-und Überwachungskompetenzen durch die EU betrifft. Sie fordern darüber hinaus einezeitliche Verschiebung auf die Zeit nach der Einführung von EQR und ECVET.

Zur Umsetzung des EQR wurde im Januar 2007 mit der Erarbeitung eines deutschenQualifikationsrahmens (DQR) durch das Bundesministerium für Bildung und For-schung und die Kultusministerkonferenz einerseits und eine Arbeitsgruppe des Haupt-ausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung andererseits begonnen. Dabei wer-den akademische und berufliche Bildungsabschlüsse unterschiedlich gewichtet. BeideAnsätze sollten sinnvoller Weise miteinander verknüpft und eine ausreichende Erpro-bungsphase vorgeschaltet werden. Gemäß der Zielsetzung des DQR, über eine Defini-tion der Bildungsleistungen in Deutschland diese dem EQR angemessen zuzuordnenund somit die deutschen Bildungsergebnisse EU-kompatibel zu machen, sind die imdeutschen Bildungssystem erworbenen und angebotenen Qualifikationen – bildungs-bereichsübergreifend – in Relation zu den acht Niveaustufen des EQR zu setzen. Der-zeit werden zunächst alle formalen Qualifikationen abgebildet; in einem zweiten Schrittsollen auch Ergebnisse des informellen Lernens berücksichtigt werden.

Der DQR ist ein deskriptives, kein legislatives Instrument und hebt keine Zugangsbe-rechtigungen auf. Mögliche Zusammenhänge zur Berufsanerkennungsrichtlinie2005/36/EG und zur Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG sollen geprüft werden. DerDQR soll bis Frühjahr 2009 fertig gestellt und bis Anfang 2010 erprobt sein, bevor eineBeschlussfassung erfolgt. Ab 2012 müssen alle neuen Qualifikationsbescheinigungenseitens der zuständigen Stellen einen Verweis auf das DQR-Niveau enthalten. Es ist zuerwarten, dass die sich langsam vollziehende Ablösung der deutschen Tradition von„Bildung“ und „Beruf“ hin zu den neuen europäischen Prinzipien „lebensbegleitendesLernen“ und „Beschäftigungsfähigkeit“ nicht nur im deutschen Bildungswesen, son-dern auch im Gesundheitswesen vieles in Bewegung bringt.

– Vgl. hierzu www.deutscherqualifikationsrahmen.de.

10.2 Medizinische Fachangestellte

Der Beruf der Medizinischen Fachangestellten gehört zu den z. Zt. rund 350 „aner-kannten“ Ausbildungsberufen in Deutschland. Hierfür wurde nach § 4 Berufsbildungs-gesetz (BBiG) im Jahre 2006 eine Ausbildungsordnung erlassen, die die Ausbildungs-ordnung für Arzthelferinnen von 1985 abgelöst hat. Nach § 71 BBiG sind für die Berufs-bildung der Gesundheitsdienstberufe die Ärztekammern jeweils für ihren Bereich„zuständige Stelle“. Sie haben demnach zahlreiche gesetzlich geregelte Aufgaben wahr-zunehmen, die aus dieser originären Zuständigkeit erwachsen.

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10.2.1 Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation

Zum Zwecke der Planung und Ordnung der Berufsbildung gemäß §§ 87 und 88 BBiGerfolgt alljährlich eine Umfrage des Statistischen Bundesamtes bei den zuständigenStellen. Die auf diesen Auswertungen beruhende nachfolgende Tabelle liefert Angabenüber die Zahl der Auszubildenden, differenziert nach Ausbildungsjahren, neu abge-schlossenen Ausbildungsverträgen, ausländischen Auszubildenden und Teilnehmernan Abschlussprüfungen zum Stichtag 31.12.2007.

Gemäß Berufsbildungsstatistik beträgt der erneute Rückgang bei den Ausbildungsplät-zen zum 31.12.2007 über alle Ausbildungsjahre und bundesweit – 4,4 % und hat sichdamit auf Vorjahresniveau fortgesetzt. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungs-verhältnisse in 2007 ist allerdings erfreulicherweise sowohl in den westlichen Bundes-ländern (7,7 %) als auch in den neuen Bundesländern (15,3 %) gestiegen (siehe S. 345).

Damit sind seit 1992 die Ausbildungszahlen insgesamt um 20,7 % zurückgegangen.Allerdings liegt die Medizinische Fachangestellte/Arzthelferin mit 6,2 % Anteil an allenweiblichen Auszubildenden bundesweit immer noch auf Rang 3 der zahlenmäßigbedeutsamsten Ausbildungsberufe für Frauen. Derzeit erlernen auch 343 junge Männerdiesen Beruf.

Die Statistiken belegen, dass sich die schulische Vorbildung der Auszubildenden in denletzten Jahren wieder deutlich verbessert hat. Bei den in 2007 14.467 neu abgeschlosse-nen Ausbildungsverhältnissen ist die Verteilung gegenüber dem Vorjahr mit rund 18 %Hauptschülerinnen, 69 % Realschülerinnen und 11 % Abiturientinnen (wie schon seit1997 erkennbar) zu Gunsten des Anteils der Realschülerinnen (fast) unverändert undhat damit einen erfreulich hohen Stand erreicht (1993: 44 %). 16 Jahre und jünger sinddemgemäß nur 15 % der Auszubildenden, rund 24 % sind 17 Jahre alt, 45 % sind 18 bis 20 Jahre alt und 16 % noch älter. Nichtsdestotrotz häufen sich auch in der Ärzte-schaft seit mehreren Jahren die Klagen über mangelnde Ausbildungsreife der Jugend-lichen, womit im Wesentlichen ein Defizit in grundlegenden Kulturtechniken wieLesen, Schreiben, Rechnen, aber auch bei Konzentration und Verhalten gemeint sind.Häufig wird hierin mit ein Grund für das nachlassende Ausbildungsengagement insbe-sondere bei Freien Berufen gesehen. Der Anteil der vorzeitigen Vertragslösungen istbezogen auf die Neuabschlüsse mit 17 % gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig; ca.die Hälfte aller Vertragslösungen finden innerhalb des ersten Ausbildungsjahres statt,davon knapp zwei Drittel innerhalb der Probezeit. Mit 3.437 = 5,0 % ist der Anteil derausländischen Auszubildenden gegenüber dem Vorjahr zurück gegangen.

Der Anteil der Ausbildungsverhältnisse der Freien Berufe an den Gesamtausbildungs-verhältnissen in Deutschland ist mit 7,2 % zum 31.12.2007 gegenüber dem Vorjahr (7,8 %) noch weiter zurückgegangen. Noch im Jahr 1992 betrug der Anteil 10,6 % unddies bei einer deutlich niedrigeren Zahl von selbstständigen Freiberuflern (Zuwachszwischen 1992 und 2008 von 85,6 %).

Die Zahl der arbeitslosen Medizinischen Fachangestellten/Arzthelferinnen hat sich zwi-schen Juli 2007 und Juli 2008 bundesweit von 18.076 (davon West: 14.556, Ost: 3.520)auf 14.084 (davon West: 11.221, Ost: 2.863) um 28,3 % verringert. Die Zahl der offenenStellen ist in diesem Zeitraum gleichzeitig bundesweit um 27,5 % gestiegen.

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Seit 2004 beteiligen sich die Ärztekammern zunehmend am Programm „Einstiegsqua-lifizierung für Jugendliche“ (EQ). EQ ist ein betriebliches Langzeitpraktikum und dientals Brücke in die Berufausbildung. Es gilt nicht nur für solche Jugendliche, die nochnicht im vollen Umfang ausbildungsreif sind, sondern auch für bis zum 30.09. unver-sorgt geltende Jugendliche sowie solche unter 25 Jahren, die nicht mehr der allgemein-bildenden Schulpflicht unterliegen. Der Bundesverband der Freien Berufe hält das EQ-Programm im Vergleich zu SGB-III-Maßnahmen oder schulischen Warteschleifen füreffizienter. Seit 2004 wurden von mittlerweile 14 Ärztekammern insgesamt 644 EQ-Verträge angeboten, von denen rund 40 wieder durch Kündigung beendet wurden.Die Resultate werden von den teilnehmenden Kammern positiv beurteilt.

– Vgl. hierzu www.destatis.de sowie www.bundesaerztekammer.de > Ambulante Versor-gung > Arzthelferin/Medizinische Fachangestellte > Ausbildung/Fortbildung > Ausbil-dungszahlen.

10.2.2 Ausbildungsverordnung und ihre Umsetzung

Am 05.05.2006 ist die Verordnung über die Berufsausbildung zum MedizinischenFachangestellten/zur Medizinischen Fachangestellten vom 26.04.2006 im Bundesgesetzblatt INr. 22 veröffentlicht worden. Sie trat am 01.08.2006 in Kraft. Gleichzeitig trat die Ver-ordnung über die Berufsausbildung zum Arzthelfer/zur Arzthelferin vom 10.12.1985außer Kraft. (Detaillierte Darstellungen der Vorgeschichte der Verordnung mit allen Sit-zungen der Fachberufegremien und ihren jeweiligen Beschlüssen hierzu enthalten dieTätigkeitsberichte 1986, S. 326 ff. und 1999, S. 430 ff.; eine ausführliche Darstellung desNovellierungsverfahrens seit 2004, insbesondere der Kontroverse zwischen Arbeitneh-mer- und Arbeitgeberseite zur Dauer und Struktur der praktischen Prüfung und denBeschlüssen der Gremien und des Vorstandes der Bundesärztekammer hierzu sieheTätigkeitsbericht 2005, S. 425 ff.).

Die Ausbildungsverordnung für Medizinische Fachangestellte ist eine Antwort auf dieveränderten medizinischen, technischen, strukturellen und wirtschaftlichen Anforde-rungen in der medizinischen Versorgung: Das Krankheitsspektrum, die Patienten-struktur und das Patientenverhalten haben sich verändert; es gibt mehr ältere, multi-morbide, chronisch kranke Patienten und ein gestiegenes Informations- undAnspruchsniveau. EDV und Telematik durchdringen alle Anwendungsbereiche. Dermedizinisch-technische Fortschritt verändert permanent die medizinische Behandlung.Medizinische Erfordernisse und wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfordern neueOrganisations- und Kooperationsformen; Arbeits- und Betriebsorganisation sowie Ver-waltung werden mit den Instrumenten des Qualitätsmanagements modernisiert undeffektuiert.

Die Medizinische Fachangestellte als kompetente Mitarbeiterin des Arztes in verschie-denen Betriebsformen ist ausführend und gestaltend in alle Behandlungs- und Verwal-tungsprozesse eingebunden. Ihr Qualifikationsprofil war deshalb auf die gegenwärtigenwie zukünftigen Anforderungen in der Patientenversorgung auszurichten. Das bewähr-te Berufbild mit gleichgewichtigen Ausbildungsanteilen in den Bereichen Behand-lungsassistenz und Betriebsorganisation und -verwaltung wurde beibehalten, ebenso

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das Ziel einer Allround-Fachkraft, die in allen ärztlichen Fachgebieten einsetzbar ist.Folgende „Neuerungen“ sind darüber hinaus zu nennen:

– Die neue Berufsbezeichnung spiegelt das Selbstverständnis eines modernen Gesund-heitsfachberufes und den gestiegenen Anspruch wider. Gleichzeitig kommt darin derstärkere Dienstleistungscharakter und das erweiterte Einsatzspektrum auch im sta-tionären Bereich und in anderen medizinischen Versorgungseinrichtungen zumAusdruck (§1 AusbVO).

– Die Ausbildungsinhalte wurden in Umfang und Niveau an die Erfordernisse einermodernen, qualitativ hoch stehenden Patientenversorgung angepasst: Kommunika-tion mit Patienten und im Team, insbesondere der Umgang mit Konflikten,Beschwerden und Störungen sowie die Patientenbetreuung, -koordinierung und -beratung wurden deutlich ausgeweitet. Die Ausbildungsbereiche Praxismanage-ment, Verwaltung und Abrechnung, Dokumentation, Datenschutz und Datensicher-heit sowie Informations- und Kommunikationstechnologien wurden deutlich moder-nisiert bzw. neu aufgenommen. Qualitätsmanagement, Zeit- und Selbstmanagementsowie Marketing sind ebenfalls völlig neue Inhalte. Im Bereich der Behandlungsassis-tenz bleibt die Medizinische Fachangestellte „rechte Hand“ des Arztes im bekanntenUmfang: Sie assistiert bei Maßnahmen der Diagnostik und Therapie und führt vomArzt angeordnete Maßnahmen durch. Sie begleitet den Patienten vor, während undnach der Behandlung und erläutert ärztliche Maßnahmen, Verordnungen und Ver-schreibungen. Handeln in Notfällen, Gesundheitsförderung und Prävention sindneue Schwerpunkte. Die Bereiche Hygiene und Arbeitsschutz wurden gemäß dergewachsenen Bedeutung neu akzentuiert (§ 4 AusbVO).

– Ziel der Ausbildung ist die berufliche Handlungsfähigkeit. Damit ist ein Handeln imbetrieblichen Gesamtzusammenhang gemeint, das selbstständiges Planen, Durch-führen und Kontrollieren/Bewerten umfasst. Es geht damit über die Beherrschungrein fachlicher Fertigkeiten und Kenntnisse hinaus. Dem entsprechend sind die Aus-bildungsziele im Ausbildungsrahmenplan handlungsorientiert bzw. in der Formeines zu erreichenden Endverhaltens beschrieben (§ 3 AusbVO).

– Die Ausbildung ist nicht mehr durch Wochenrichtwerte, sondern durch die neueZeitrahmenmethode zeitlich gegliedert. Dies ermöglicht eine flexible Anpassung aufdie praxisspezifischen Besonderheiten, z. B. das ärztliche Fachgebiet oder dieBetriebsform (§ 5 AusbVO).

– Inhalt, Struktur, Niveau und Zeitumfang der Abschlussprüfung sowie die Bestehens-regelung wurden den allgemeinen Standards in der beruflichen Bildung angepasst.Das Prinzip der handlungsorientierten Ausbildung hat Konsequenzen insbesonderefür den praktischen Prüfungsteil, der neu strukturiert und aufgewertet wurde. Er istwie die schriftliche Prüfung obligatorischer Prüfungsteil und umfasst bei höchstens75 Minuten Dauer eine komplexe Prüfungsaufgabe inkl. eines höchstens 15-minüti-gen Fachgespräches. Der Prüfling soll komplexe praxisbezogene Arbeitsabläufe simu-lieren, demonstrieren, dokumentieren und präsentieren. Die Prüfungsaufgabenmüssen in ihrer Konstruktion diesen Anforderungen Rechnung tragen (§ 9 AusbVO).

– Die Bestehensregelung gem. Abs. 7 ist deutlich verschärft worden und folgt jetzt all-gemeinen Standards in der beruflichen Bildung; sowohl der praktische als auch derschriftliche Teil müssen mit „ausreichend“ bestanden sein. Innerhalb des schrift-lichen Teiles darf nur einer der drei Bereiche mit „mangelhaft“ bewertet sein. Der

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praktische Teil der Prüfung wird zukünftig zu 50% im Rahmen der Bestehensrege-lung gewichtet, im Gegensatz zur früheren 1/6-Regelung. Damit wird der praktischeTeil indirekt zum „Sperrfach“ (§ 9 AusbVO).

Die neuen Inhalte und Strukturelemente der Ausbildung verlangen allen Beteiligten(ausbildenden Ärzten und Medizinischen Fachangestellten, Auszubildenden, Kammernund Berufsschulen) verstärkte Anstrengungen ab. Die Gestaltung des Übergangs in dennächsten Jahren muss intensiv und verantwortlich begleitet werden, damit die Neuord-nung die Ergebnisse hervor bringt, die von allen gewünscht werden. Bundesärztekam-mer und Landesärztekammern haben folgende Umsetzungsaktivitäten initiiert:

– Die Ärztekammern arbeiten mit den Berufsschulen konstruktiv zusammen, auchdurch Schulung der ärztlichen Lehrer. Dabei stellt die Neuorientierung im Berufs-schulunterricht hin zu einer lernfeldorientierten Didaktik, wie sie sich im Rahmen-lehrplan der Kultusministerkonferenz niederschlägt, zusätzlich zu den gestiegenenAnforderungen an die Ausbildung in den Arztpraxen, eine besondere Herausforde-rung dar: Der Wegfall klassisch-curricularer Lerninhalte führt in der Konsequenz zueiner Auflösung des herkömmlichen fächerbezogenen Unterrichts, verlangt nachneuen Vermittlungs- und Unterrichtsformen und bedeutet letztlich die Gefahr einerIndividualisierung der Inhalte auf Schul- bzw. sogar Lehrerebene, wenn keine sinn-volle „Gegensteuerung“ erfolgt.

– Eine Musterabschlussprüfungsordnung sowie Regelungen zur Durchführung vonZwischenprüfungen wurden vom Vorstand der Bundesärztekammer bereits am 27.04.2006 zur einheitlichen Anwendung empfohlen.

– Die neuen Regelungen zur Praktischen Prüfung stellen die Prüfungsaufgabenerstel-lungsausschüsse, die Prüfungsausschüsse und die Kammern vor erhebliche organi-satorische, personelle und finanzielle Herausforderungen. Insbesondere an derenErgebnissen wird sich sehr viel stärker als bisher die Qualität der Ausbildung in denArztpraxen ablesen lassen. Deshalb fand zur rechtzeitigen Abstimmung unter denKammern im Zuge der Implementierung am 30./31.05.2006 ein 2-tägiger Workshop,Schwerpunkt Praktischer Teil, statt, um gemeinsam Strategien, Vorgehensweisenund Musterlösungen zu erarbeiten. Der Workshop mit ca. 45 Teilnehmern aus Kam-mern, Berufsbildungs- und Aufgabenerstellungsausschüssen hat hoch erfreulicheErgebnisse erbracht: Die Teilnehmer erarbeiteten eine einheitliche Ausgangsbasis fürdie weiteren Umsetzungsschritte auf Basis der Bestimmungen der Verordnung,erzielten einen Konsens über eine Ablaufstruktur des Praktischen Teils sowie dieinhaltliche und formale Gestaltung der Aufgaben und beschlossen den Aufbau einesgemeinsamen Aufgabenpools für die praktischen Aufgaben aufgrund einvernehm-lich festgelegter medizinischer Themenstellungen. Dieser Pool wurde durch dieBundesärztekammer auch im Berichtsjahr weiter ergänzt. Damit steht aufgrund die-ser erfreulichen Kooperation ein Fundus von Prüfungsaufgaben bereits seit der Win-terprüfung 2006/2007 zur Verfügung.

– Eine Imagebroschüre „Die Medizinische Fachangestellte“ für den Einsatz bei Schul-abgängern, bei Ausbildungsmessen und -veranstaltungen wurde in Abstimmung mitder Kassenärztlichen Bundesvereinigung erstellt und in einer Auflage von 32.000Stück vom Deutschen Ärzteverlag produziert; sie stand den Kammern einschließlicheiner CD-ROM für Posterpräsentationen im Oktober 2006 zur Verfügung. ImBerichtsjahr erfolgte eine bearbeitete Neuauflage in Höhe von 10.000 Stück.

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– Die Bundesärztekammer publizierte im November 2006 eine erläuternde Broschürezur Ausbildungsverordnung, in der der Paragrafenteil, die Lernziele des Ausbil-dungsrahmenplanes und die Prüfungsbestimmungen kommentiert und konkreti-siert werden. Dieser Handreichung primär für auszubildende Ärzte dürfte auch mitBlick auf die gestiegenen (Prüfungs-)Anforderungen sowie die offenen Vorgaben desschulischen Rahmenlehrplanes von Nutzen sein. Parallel hierzu war die Bundesärz-tekammer auch an einer Publikation des Bundesinstituts für Berufsbildung gemein-sam mit Vertretern des Verbandes medizinischer Fachberufe, ver.dis und von Berufs-schulseite beteiligt, die in 2007 veröffentlicht wurde.

– Gemäß Berufsbildungsgesetz haben Auszubildende seit dem 01.04.2005 Anspruchauf ein Prüfungszeugnis in englischer oder französischer Sprache. Die Bundesärzte-kammer hat hierfür allen Kammern entsprechende Muster zur Verfügung gestellt,und zwar im Dezember 2005 für Arzthelferinnen und im Oktober 2007 für Medizini-sche Fachangestellte.

– Mit Schreiben vom 01.02.2007 sowie 14.02.2008 an die Mitglieder des Sachverständi-genrates zur Begutachtung der Entwicklungen im Gesundheitswesen und alle Lan-desministerien für Gesundheit hat die Bundesärztekammer auf das neugestalteteBerufsbild, die neu entwickelten Fortbildungen und das Potential der Berufsgruppeaufmerksam gemacht, das es stärker in die medizinische Versorgung einzubeziehengelte.

Mit all diesen Maßnahmen hat die Bundesärztekammer in hohem Maße zu einer zeit-nahen und abgestimmten Vorgehensweise bei der Implementierung der Neuregelungbeigetragen. Im Rahmen verschiedener Veranstaltungen im Berichtsjahr hat sich deut-lich gezeigt, dass Medizinische Fachangestellte als Mitarbeiterinnen des Arztes zu des-sen Unterstützung und Entlastung zunehmend Beachtung und Anerkennung als wich-tige Säule des Gesundheitswesens erfahren und das Qualifizierungs- und Koopera-tionskonzept der Bundesärztekammer zur Stärkung der ambulanten Versorgung impolitischen und fachlichen Umfeld entsprechend wahrgenommen wird.

10.2.3 Fortbildungscurricula für die ambulante Versorgung

Als Beitrag zur Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung und zur Steigerung derAttraktivität des Berufs haben Fachberufegremien und Vorstand der Bundesärztekam-mer seit 1996 verschiedene spezialisierende Fortbildungscurricula für Arzthelferin-nen/Medizinische Fachangestellte beschlossen, die unter Beteiligung der betroffenenFachkreise erarbeitet wurden:

– 1996: Curriculum „Arzthelferin in der Onkologie“ gemäß „Vereinbarung über beson-dere Maßnahmen zur Verbesserung der onkologischen Versorgung“ [§ 4 (2)] (sieheauch Tätigkeitsbericht 1997, S. 559-565);

– 1997: Curriculum „Ambulantes Operieren“ (siehe auch Tätigkeitsbericht 1998, S. 653-666);

– 1999: Curriculum „Gastroenterologische Endoskopie“ (Federführung: BayerischeLandesärztekammer); (siehe auch Tätigkeitsbericht 1999/2000, S. 322);

– 2002: Curriculum „Pneumologie“ (siehe auch Tätigkeitsbericht 2002/2003, S. 407);

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– 2002: Curriculum „Dialyse“ einschl. begleitender „Umsetzungsempfehlungen“ (sie-he auch Tätigkeitsbericht 2002/2003, S. 407);

– 2004: Curriculum „Ambulantes Operieren in der Augenheilkunde“ (siehe auch Tätig-keitsbericht 2003/2004, S. 381);

– 2007: Curricula Patientenbegleitung und Koordination, Ernährungsmedizin, Ambulan-te Versorgung älterer Menschen, Prävention im Kindes- und Jugendalter und Präven-tion bei Jugendlichen und Erwachsenen (siehe auch Tätigkeitsbericht 2007, S. 379 ff.).

Alle Curricula sind nicht als obligatorische Maßnahmen, sondern als sinnvolle undzweckmäßige Angebote zu verstehen, um mit bundesweiten Standards die erforder-lichen Voraussetzungen für einheitliche Qualifikationen des Personals zu schaffen. IhreEntwicklung entweder durch die Bundesärztekammer oder dezentral durch eine Lan-desärztekammer wird von den Kammern begrüßt und hat sich als zweckmäßiges undgut akzeptiertes Verfahren bewährt. Die Curricula können im medizinischen Wahlteildes Aufstiegsberufs „Arztfachhelferin“ (ab 2009 geplant: Fachwirtin für ambulantemedizinische Versorgung) sinnvoll eingesetzt werden.

Eine rasche flächendeckende Umsetzung insbesondere der neuen, handlungs- undkompetenzorientierten Curricula ist aus Versorgungsgründen dringend notwendig. Vorallem in den neuen Bundesländern sollten sie als Gegenentwurf zu „Schwester AGnES“aus der ärztlichen Selbstverwaltung heraus entsprechend gefördert werden. Der Erfolgdes Konzeptes wird politisch sicherlich auch daran gemessen werden, in wieweit Maß-nahmen angeboten bzw. letztlich auch wahrgenommen werden. Die neue Regelungnach dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz in § 87 Abs. 2b SGB V eröffnet hierfür neueMöglichkeiten: Danach „…(ist)…bis spätestens zum 31. Oktober 2008 (...) mit Wirkungzum 1. Januar 2009 eine Regelung zu treffen, nach der ärztlich angeordnete Hilfeleis-tungen anderer Personen, (…), die in der Häuslichkeit der Patienten in Abwesenheit desArztes erbracht werden, vergütet werden.“ Gerade durch die neue modulare Strukturder Curricula eignen sich diese als einheitliche Basis für entsprechende Strukturvorga-ben der KBV, die mit den Krankenkassen zum 01.01.2009 zu entwickeln sind.

– Vgl. hierzu www.bundesaerztekammer.de > Ambulante Versorgung > Arzthelferin/Medizinische Fachangestellte > Ausbildung/Fortbildung.

10.2.4 Aufstiegsfortbildung nach § 54 BBiG „Fachwirt/in für ambulante medizinische Versorgung“

Ausschuss und Ständige Konferenz „Medizinische Fachberufe“ sahen am 23.03.2006die Notwendigkeit, nach Inkrafttreten der Ausbildungsverordnung Medizinische Fach-angestellte auch den Aufstiegsberuf der Arztfachhelferin anzupassen und hierfür einKonzept durch eine Arbeitsgruppe der Landesärztekammern erarbeiten zu lassen.Dabei sollten insbesondere auch Ergebnisse aus dem Blended-Learning-Projekt Learn-ART (siehe Tätigkeitsbericht 2007: S. 381 ff.) übernommen werden sowie die Abgren-zung zur „Betriebswirtin“ (siehe S. 353 f.) erfolgen. Am 04.07.2006, 21.11.2006 und22.08.2007 fanden hierzu Sitzungen mit der an LearnART beteiligten bzw. weitereninteressierten Kammern statt. Trotz zunächst unterschiedlicher Vorstellungen hinsicht-lich Struktur, Inhalten, Umfang der Module sowie der Bezeichnung bestand Überein-

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stimmung in dem Ziel, die Arztfachhelferin unter den geänderten Strukturbedingun-gen (Morbidität, Altersstruktur, Vernetzung, Arbeitsteilung, Entlastung für den Arzt,Effizienzsteigerung, Finanzierung) sowohl als Führungskraft mit Durchführungsver-antwortung im Bereich Verwaltung zu stärken als auch im medizinischen Bereich zuprofilieren. Auch die bewährte Struktur von Pflicht- und Wahlteil im Gesamtumfangvon ca. 400 Stunden mit einem Verhältnis von weiterhin ca. 280:120 Stunden sollte bei-behalten werden.

Ausschuss und Ständige Konferenz „Medizinische Fachberufe“ haben am 12.09.2007das vorgeschlagene Konzept gebilligt und mit der weiteren Ausarbeitung einschließlicheiner Musterprüfungsordnung und einem handlungs- bzw. kompetenzorientierten Cur-riculum erneut eine Arbeitsgruppe beauftragt, bestehend aus Vertretern der Ärztekam-mern Schleswig-Holstein, Westfalen-Lippe, Hessen, Sachsen, Bayern, Nordrhein sowieder Bezirksärztekammer Nordwürttemberg. Die Arbeitsgruppe kam zu fünf ganztägi-gen Sitzungen am 05.12.2007, 05.03.2008, 26.06.2008, 16.09.2008 und 06.11.2008zusammen. Vertreterinnen des Verbandes medizinischer Fachberufe waren als Gästebeteiligt. Als einstimmiges Ergebnis der Beratungen legte die Arbeitsgruppe den Ent-wurf einer Fortbildung zum/zur Fachwirt/in für ambulante medizinische Versorgungvor.

Ausschuss und Ständige Konferenz „Medizinische Fachberufe“ haben am 11.12.2008dem Entwurf der Aufstiegsfortbildung Fachwirt/in für ambulante medizinische Versor-gung zugestimmt. Die endgültige textliche Gestaltung des Richtlinien- und des Prü-fungsordnungsteils sollen in einer Redaktionsgruppe abgestimmt werden. Auf dieserGrundlage wird der Entwurf Anfang 2009 dem Vorstand der Bundesärztekammer zurBeschlussfassung vorgelegt werden.

Das Konzept besteht aus

– einem Einleitungsteil mit Vorbemerkung, Funktions- und Aufgabenbeschreibung(Berufsbild), Durchführungs- und didaktischen Hinweisen;

– einem Rahmencurriculum mit acht Handlungs- und Kompetenzfeldern (ein Modul á20 Stunden und sieben Module á 40 Stunden) im Gesamtumfang von 300 Stunden,

– einem Richtlinien- und Prüfungsordnungsteil zur Durchführung und Prüfung vonFortbildungen.

Die Konzeption lässt sich wie folgt kennzeichnen:

1. Mit der vorgeschlagenen neuen Bezeichnung wird die übliche Begrifflichkeit imIndustrie- und Handelskammerbereich übernommen. Gleichzeitig wird damit auchdie Kompatibilität mit Blick auf eine zukünftige Einordnung in einen deutschenQualifikationsrahmen vorbereitet und damit die Zuständigkeit der Ärztekammernfür anspruchsvolle Fortbildungen unterstrichen.

2. Die Erhöhung des Stundenumfangs im Pflichtteil auf 300 Stunden und damit derGesamtstundenzahl auf 420 durch ein neues Modul Arbeits- und Lerntechnikenbetont den Aspekt des lebenslangen Lernens im Rahmen einer Aufstiegsfortbildung,trägt pädagogischen Erwägungen im Rahmen der Erwachsenenbildung Rechnungund entspricht den Förderkriterien des Entwurfs der Novelle des Aufstiegsfortbil-dungsförderungsgesetzes (AFBG) vom 25.07.2008 bzw. Gesetzentwurf der Bundes-regierung vom 20.11.2008 (Drucksache: 16/10996).

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3. Pflicht- und Wahlteil enthalten medizinische und betriebswirtschaftlich sowie aufVerwaltung und Organisation ausgerichtete Fortbildungsinhalte von je 200 Stunden.Dies entspricht dem Profil des Ausbildungsberufs sowie den Bedarfen der ambulan-ten medizinischen Versorgung und unterstreicht die Zuständigkeit der Ärztekam-mern für einen Gesundheitsfachberuf.

4. Kern der Konzeption ist das Rahmencurriculum des Pflichtteils mit acht Modulen inForm von Handlungs- und Kompetenzfeldern. Sie machen das spezifische Berufs-profil der Fachwirtin aus. Die Module gliedern sich in drei Ebenen: Die erste Ebenebeschreibt die gewünschte Endqualifikation, die zugleich das jeweilige Prüfungszielfür die Fortbildungsprüfung darstellt. Die zweite Ebene stellt die konkreten zu erwer-benden Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten dar, was durch die Verwendungbestimmter Verben, die das Lernniveau abbilden, zum Ausdruck gebracht wird. Diedritte Ebene enthält die Kerninhalte, die die Kompetenzen im Sinne einer curricula-ren/fachsystematischen Gliederung unterlegen. Insbesondere diese dritte Ebenedient dazu, die Ausgestaltung des Konzeptes in den verschiedenen Landesärztekam-mern zu vereinheitlichen. Die Systematik und die Begrifflichkeit entsprechen natio-nalen und europäischen Standards der Curriculumkonstruktion.

5. Das spezifische Profil der Fachwirtin als Führungskraft in kleinen und mittlerenBetrieben war so festzulegen, dass sich eine erkennbare Stufung zur Grundausbil-dung bzw. Ausbildungsverordnung einerseits und zur 800-Stunden-Betriebswirtinim Bereich Management andererseits ergibt. Insoweit dient die Fortbildung nicht zurKompensation oder Auffrischung von Inhalten der Ausbildung, sondern zur Spezia-lisierung und Höherqualifizierung.Eine besondere Attraktivität des Profils besteht auch in der spezifischen Kombina-tion unterschiedlicher Qualifikationen, die erforderlichenfalls jeweils einzeln erwor-ben bzw. nachgewiesen werden müssten, nämlich in den Bereich Datenschutz, Qua-litätsmanagement, Ausbildung und Medizinproduktegesetz.

6. Der Paragrafenteil besteht aus Musterregelungen zur Durchführung der Maßnahmeund zur Prüfung. Eine Musterfortbildungsprüfungsordnung der Bundesärztekam-mer für Fortbildungsprüfungen gab es bisher nicht. Sie wurde wegen der neuenEmpfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstitutes für Berufsbildung vom27.06.2008 als sinnvoll erachtet. Die Regelungen bilden nicht nur den formalen Rah-men des Prüfungsgeschehens ab, sondern legen auch den konkreten Inhalt der Prü-fung gemäß Rahmencurriculum fest. Darüber hinaus ist hier die Fachwirte-spezifi-sche Konstruktion von Pflicht- und Wahlteil und die gegenseitige Anerkennung vonFortbildungsteilen geregelt.

7. Die im Modellprojekt LearnArt entwickelten rund 500 Unterrichtsstunden zu denThemen Qualitätsmanagement, Praxismanagement und Kommunikation sind aufdie Fachwirtin weitestgehend übertragbar. LearnArt wurde ausdrücklich mit der Ziel-setzung durchgeführt, die Aufstiegsfortbildung unter pädagogischen und Effizienz-gesichtspunkten und den Aspekten der Zeit- und Ortsunabhängigkeit zu moderni-sieren. Bei der Weiterentwicklung von E-Learning-Angeboten der Ärztekammern –auch im Hinblick auf die Initiative des Senats für ärztliche Fortbildung der Bundes-ärztekammer – sollte das vorhandene Repertoire von LearnArt aktiv für die Fachwir-tin genutzt werden.

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Durch die Fachwirtin ist ein weiterer systematischer „Baustein“ der Berufsentwicklungder Medizinischen Fachangestellten seit 2006 grundlegend modernisiert und zukunfts-fest ausgestaltet worden. Eine Fortsetzung bis hin zu einem Übergang in den fachhoch-schulischen Bereich ist durch die „Betriebswirtin“ möglich (siehe 10.2.5).

10.2.5 Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen

Der Erfolg und die Nachfrage nach der Fortbildungsmaßnahme „Praxismanagerin“ derÄrztekammer Schleswig-Holstein, zunächst als durch das Bundesinstitut für Berufsbil-dung gefördertes Modellprojekt von 2001 bis 2003, seit 2004 als Regelangebot, zeigt denBedarf in den Praxen nach hoch qualifizierten Mitarbeiter/-innen mit besonderenKenntnissen und Fähigkeiten im Managementbereich. Insbesondere die neuen Koope-rationsstrukturen im ambulanten Bereich und die Vernetzung ambulant/stationär ver-langen zunehmend nach Personal, das den Arzt bei organisatorischen und betriebs-wirtschaftlichen Aufgaben entlastet. Im zahnärztlichen Bereich zeichnet sich eine paral-lele Entwicklung ab. Medizinische Fachangestellte und Zahnmedizinische Fachan-gestellte sind auf Grund ihrer Kenntnis der realen Bedingungen im ambulantenGesundheitswesen mindestens genauso gut wie vergleichbar fortgebildete Mitarbeiter/-innen aus überwiegend kaufmännischen/verwaltenden Disziplinen für diese Funktio-nen geeignet.

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dieser Fortbildung wurde auf der Basis desschleswig-holsteinischen Modells unter Federführung des Bundesinstituts für Berufs-bildung gemeinsam mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein und der Zahnärztekam-mer Westfalen-Lippe unter Beteiligung des Verbandes medizinischer Fachberufe eingemeinsames Weiterbildungskonzept mit der neuen Berufsbezeichnung „Betriebswir-tin für Management im Gesundheitswesen“ für die drei dualen Fachangestelltenberufeentwickelt. Die neue Prüfungsordnung „Betriebswirtin für Management im Gesund-heitswesen“ wurde in Schleswig-Holstein durch den dortigen Berufsbildungsausschussam 19.10.2005 und von der Kammerversammlung der Ärztekammer Schleswig-Hol-stein am 30.11.2005 beschlossen.

Von 2005 bis 2008 waren die Ärztekammer Schleswig-Holstein und die Zahnärztekam-mer Westfalen-Lippe als Kooperationspartner an dem vom Bundesministerium für Bil-dung und Wissenschaft (BMBW) finanzierten Modellprojekt „Anrechnung beruflicherworbener Qualifikationen und Kompetenzen in Gesundheitsberufen“ auf den Bache-lor-Studiengang „Pflege und Gesundheit“ der Fachhochschule Bielefeld beteiligt. Damitsollte die Durchlässigkeit untersucht und die Attraktivität der Gesundheitsberufe erhöhtwerden. Die Ergebnisse des Projektes, die am 05.09.2008 der Fachöffentlichkeit präsen-tiert wurden, zeigten eine relativ geringe Schnittmenge mit diesem Studiengang auf, sodass es in Folge zu einem optimierten veränderten Studiengang (Bachelor-Studiengang„Betriebswirtschaftslehre“) mit besserer Anrechnungsmöglichkeit kam.

Mit dem Ziel, Bedingungen, Einsatzmöglichkeiten und Qualifikationserfordernisse vonFachwirten im Gesundheits- und Sozialwesen zu eruieren, führte das Bundesinstitut fürBerufsbildung im Berichtsjahr mit Unterstützung der Bundesärztekammer einebundesweite repräsentative Erhebung bei potentiellen Arbeitgebern in der ambulanten

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und stationären Versorgung und im Sozialwesen durch. Die Untersuchung ist eine Vor-studie für die vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag beim Bundesministe-rium für Bildung und Forschung beantragte Bundesverordnung für einen Aufstiegsbe-ruf nach § 53 BBiG. Die Präsentation der Ergebnisse am 08.12.2008 in Bonn zeigte, dassein signifikanter Bedarf für eine betriebswirtschaftliche Fortbildung im mittlerenManagement vor allem in größeren Organisationseinheiten der primären ambulantenund stationären medizinischen Versorgung besteht. Wegen der bereits existierendenBetriebswirte-Fortbildungen für Management im Gesundheitswesen bei den Ärztekam-mern Schleswig-Holstein und Hamburg und der Zahnärztekammer Westfalen-Lippemachen die Vertreter der (Zahn)Ärzteschaft und des Bundesverbands der Freien Berufeden Anspruch der Ärztekammern auf eine Beteiligung am Verfahren geltend. DieGespräche hierzu mit dem DIHK sollen im Frühjahr 2009 aufgenommen werden.

– Vgl. hierzu die Homepage der Ärztekammer Schleswig-Holstein, www.aeksh.de undder Fachhochschule Bielefeld, www.fh-bielefeld.de.

10.2.6 E-Learning in der Aus- und Weiterbildung

Auf Initiative der Bundesärztekammer genehmigte das Bundesministerium für Bildungund Forschung Fördermittel für das Projekt LearnART – „Multimediale Lerneinheitenzur Aktiven und Reaktiven Nutzung im Arzthelfer/innen-Training“ – aus dem Pro-gramm der Bundesregierung „Neue Medien in der beruflichen Bildung“, kofinanziertdurch den Europäischen Sozialfonds. Von Juni 2004 bis Mai 2007 wurden internetba-sierte Lernkonstellationen im Umfang von rund 470 Stunden für die berufliche Aus-,Fort- und Weiterbildung von Arzthelferinnen (seit 01.08.2006: Medizinische Fachange-stellte) zu den Themen Qualitätsmanagement, Praxismanagement und Kommunika-tion entwickelt und in Fortbildungskursen und Berufsschulen erprobt. Die Ergebnissestehen allen Interessenten als Open Source unter www.learnart-online.de zur Verfü-gung. Die Bundesärztekammer hat damit erfolgreich das Blended-Learning-Verfahrenfür die wichtigste Mitarbeiterin des Arztes im ambulanten Gesundheitswesen erschlos-sen und ihr neue Flexibilisierungsmöglichkeiten des Lernens eröffnet.

Projektpartner der Bundesärztekammer und zuständig für das Projektmanagement, dieEntwicklung der Lerneinheiten, ihre Erprobung und Evaluierung war das Institut fürBerufs-, Wirtschafts- und Sozialpädagogik (IBW) an der Universität zu Köln. Projektbe-teiligte waren die Ärztekammern Nordrhein, Westfalen-Lippe und Hessen, die Bezirks-ärztekammer Südwürttemberg, das Zentrum für Qualitätsmanagement im Gesund-heitswesen (ZQ) der Ärztekammer Niedersachsen, das Barbara-von-Sell-BerufskollegKöln, die Heidelberger Akademie für Gesundheitsberufe sowie das Bildungswerk fürGesundheitsberufe des Verbandes medizinischer Fachberufe. Im begleitenden Projekt-beirat wirkten darüber hinaus das Bundesbildungsministerium, der Projektträger(Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt) und weitere Experten aus Wissen-schaft und Berufsbildung mit (siehe Artikel im Deutschen Ärzteblatt vom 22.06.2007, S. A1808; ausführliche Darstellung im Tätigkeitsbericht 2007, S. 381 ff.).

Der Vorstand des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung hat im Juli 2007 eine„Initiative E-Learning“ ins Leben gerufen, die als Informations- und Kooperationsplatt-

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form für E-Learning-Projekte der Kammern und Akademien dienen und Ergebnisse,Erfahrungen und das Know-how des Projektes LearnART aufgreifen und fortentwickelnsoll. Auch die Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung kann zumindest teil-weise im Blended-Learning-Verfahren umgesetzt werden.

– Vgl. hierzu www.learnart-online.de, www.bundesaerztekammer.de > Ambulante Ver-sorgung > Arzthelferin > Medizinische Fachangestellte.

10.2.7 Neukonzeption der Berufsbildungsstatistik

Das novellierte Berufsbildungsgesetz von 2005 enthält Neuregelungen zur Erfassungder Medizinischen Fachangestellten-Auszubildenden im Verzeichnis der Ausbildungs-verhältnisse der zuständigen Stellen und für die Erstellung der Berufsbildungsstatistik:

Zunächst sind seit dem 01.04.2005 gemäß § 34 Abs. 2 (§ 31 a. F.) erstmals die wesent-lichen Inhalte des Berufsausbildungsvertrages, die die zuständigen Stellen einzutragenhaben, für jedes Ausbildungsverhältnis durch die Nummern 1 bis 8 festgelegt. DieRegelung korrespondiert nunmehr mit den Vorschriften in § 88 (inhaltlich identisch mitBerufsbildungsförderungsgesetz § 5 a. F.) zur jährlichen Bundesstatistik. Dies dientezunächst lediglich einer Klarstellung sowie Vereinheitlichung und schaffte bei den meisten Ärztekammern keine zusätzlichen Erhebungstatbestände.

Gemäß Artikel 2a in Verbindung mit Artikel 8 des Berufsbildungsreformgesetzes wur-den die §§ 34 und 88 zum 01.04.2007 mit ausgeweiteten Erhebungstatbeständen in Kraftgesetzt; zugleich wurde in 2007 die Erhebungsmodalität von bisher aggregierten Tabel-len auf Individualdatenerhebung umgestellt. Die neuen Daten beziehen sich im We-sentlichen auf Auszubildende in berufsvorbereitenden Maßnahmen sowie auf Arten derFörderung bei überwiegend öffentlich geförderten Berufsausbildungsverhältnissen.Diese Daten wurden bisher von den meisten Ärztekammern nicht erhoben.

Die Neukonzeption der Statistik war Gegenstand von fünf Sitzungen des ArbeitskreisesBerufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes von September 2004 (bereits imVorfeld der Reform) bis Dezember 2006 in Wiesbaden. Dabei ging es darum, möglicheUmsetzungsprobleme bei den zuständigen Stellen systematisch zu bearbeiten und denKammern ggf. Hilfen zur Verfügung zu stellen. Im Mittelpunkt standen Fragen zuÜbertragungswegen, Schnittstellen und Datensicherheit. Durch Beratung in der Stän-digen Konferenz „Medizinische Fachberufe“, durch Rundschreiben sowie durch Infor-mation des Arbeitskreises „Informationstechnologie“ der Bundesärztekammer seit2005 wurden die Ärztekammern kontinuierlich und umfassend über den Fortgang derArbeiten informiert. Das Statistische Bundesamt hat im Juli 2006 sein EDV-Konzept(Liefervereinbarung und Schnittstellenbeschreibung) vorgelegt. Zum Januar 2007 muss-ten auf dieser Basis die Programme der Landesärztekammern umgestellt und die Orga-nisation der Erfassung der ergänzenden Merkmale abgeklärt sein, denn die erste Erhe-bung mit Individualdatensätzen und zusätzlichen Merkmalen fand zum 31.12.2007statt, und zwar für die in 2007 neu begonnenen Ausbildungsverhältnisse. Das Statisti-sche Bundesamt führte Schulungsworkshops für die Kammern im November 2006 undJanuar 2007 durch.

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In einer weiteren Sitzung des Statistischen Bundesamtes am 09.10.2008 ging es um denErfahrungsaustausch und die Vorbereitung der Erhebung 2008. Die Bundesärztekam-mer hat hierfür eine Rundfrage bei den Landesärztekammern zu vorliegenden Proble-men durchgeführt und die Ergebnisse dem Statistischen Bundesamt übermittelt. Alshäufigste Fehlerquellen wurden von den Ärztekammern die ungenaue Beschreibungder zu erfassenden Daten, die technischen Probleme mit dem neuen Eingabeprogramm(CORE.reporter) sowie Probleme bei der Übertragung der Datensätze an das Statisti-sche Bundesamt genannt. Als durchweg positiv wurde die konstruktive Zusammenar-beit mit den Statistischen Landesämtern bzw. dem Statistischen Bundesamt sowiederen Hilfestellung beim neuen Verfahren bewertet. Es wurde angeregt, weitere Bespre-chungen auf Landesebene durchzuführen.

10.2.8 Zentraler Aufgabenpool für Prüfungen

Einige Landesärztekammern haben im Jahre 2006 die Einrichtung eines zentralen Auf-gabenpools für die schriftliche Abschlussprüfung vorgeschlagen, da durch die neueAusbildungsverordnung die Erarbeitung und Verfügbarkeit komplexer, handlungs-orientierter schriftlicher Prüfungsaufgaben notwendig wird. Eine Arbeitsgruppe hatsich mit Rahmenbedingungen, rechtlichen Fragen und Organisationsmodellenbeschäftigt und als Sachstandsbericht in die Ständige Konferenz „Medizinische Fachbe-rufe“ am 12.09.2007 eingebracht. Am 04.12.2007 wurden in einer Informationsveran-staltung bei der Bundesärztekammer unter Beteiligung von rund 28 Vertretern von 14 Kammern die pädagogisch-didaktischen, (edv)-organisatorischen und finanziellenAspekte dieses Projektes dargestellt und erörtert.

Unter Federführung der Ärztekammer Schleswig-Holstein wurde im Berichtsjahr dieKooperation der beteiligten Kammern vertraglich geregelt und mit dem Aufbau desPools begonnen. In einer weiteren Veranstaltung am 18.09.2008 bei der Bundesärzte-kammer wurde das weitere Vorgehen hinsichtlich der vertraglichen Grundlagen, derKatalogisierung der Prüfungsfragen für die drei Prüfungsbereiche sowie die techni-schen Regelungen für den Datenbankzugang konsentiert. Darüber hinaus wurden wei-tere Festlegungen zur Weiterentwicklung ab 2009 getroffen. Dazu gehört im Wesent-lichen die Bildung von Expertenteams aus benannten Sachverständigen aller Kammer-bereiche zur Begutachtung und Weiterentwicklung der eingereichten Fragen für diePrüfungsbereiche gemäß Prüfungsordnung. Die Expertenteams sollen nach ihrerZusammenstellung Anfang 2009 für ihre Aufgaben

– Analyse/Bewertung des existierenden Aufgabenbestandes,– Festlegung von Gütekriterien für Prüfungsfragen,– Entwicklung von Bewertungsinstrumenten und– Einrichtung eines Informationsportals für die beteiligten Kammern unter Berück-

sichtigung entsprechender Schnittstellen zum Aufgabenpool

professionell geschult werden. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass zukünftig auchAufgaben der praktischen Prüfung Bestandteil des Aufgabenpools werden sollen.

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10.3 Weitere Fachberufe im Gesundheitswesen

10.3.1 Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen bei der Bundesärzte-kammer

Gemäß dem Ziel der im Jahr 1989 gegründeten Konferenz, die interprofessionelleZusammenarbeit aller Gesundheitsberufe zu verbessern, wurden bereits in derAnfangsphase „10 Thesen zur Kooperation der Berufe im Gesundheitswesen“ beschlos-sen (1989) sowie Vereinbarungen zwischen Bundesärztekammer und fünf Verbändender Pflegeberufe zur „Kooperation zwischen Ärzten und Pflegeberufen“ (1993) sowiezum Thema „Kooperationsmodelle“ (dem sich allerdings die Verbände der Pflegeberu-fe nicht anschlossen) erarbeitet (1994). Seit Mitte der 90er Jahre ist die Qualitätssiche-rung ein Dauerthema der jährlichen Zusammenkünfte. In jeder Sitzung hatte sich dieKonferenz bisher mit den jeweils geplanten Gesundheitsreformen und den in diesemZusammenhang stets neu ins Gespräch gebrachten Varianten zur Kostendämpfungund der zunehmenden Rationierung zu beschäftigen.

In der 20. Sitzung am 12.03.2008 standen die Konsequenzen des Gutachtens „Koopera-tion und Verantwortung“ des Sachverständigenrates für die Begutachtung der Entwick-lungen im Gesundheitswesen von Juni 2007 sowie die im Entwurf des Pflege-Weiter-entwicklungsgesetzes vorgesehenen Kompetenzerweiterungen bei der Pflege und derPhysiotherapeuten im Zentrum. Nach Auffassung der Vorsitzenden, Prof. Dr. Dr. h. c.Jörg-Dietrich Hoppe und Dr. Cornelia Goesmann, sind im Kontext einer gefordertenneuen Aufgabenverteilung der Gesundheitsberufe Fragen der Delegation und Substitu-tion das zentrale interprofessionelle Thema, wobei haftungsrechtliche und budgetäreFragen eine wichtige Rolle spielen. Die starke zentralistische Ausrichtung des Gesund-heitswesens ab 2009 und die wachsende, selbst zugeschriebene Steuerrolle der Bundes-regierung dürften den Zusammenhalt der Gesundheitsberufe aber nicht stören. DieFachberufe begrüßten ihrerseits die Öffnung für mehr Eigenständigkeit der Leistungs-erbringung durch die neuen geplanten Bestimmungen im Pflege-Weiterentwicklungs-gesetz § 63 Abs. 3b und c und forderten neue Modelle der Zusammenarbeit. Es wurdevereinbart, eine gemeinsame Klausurtagung zur Thematik Kooperation durchzuführen.

Im fachlichen Teil der Konferenz, die erneut von einer interprofessionellen Planungs-gruppe vorbereitet worden war, ging es um Zukunftsaufgaben in der Qualitätssiche-rung. In einem Überblickreferat zur Entwicklung und Rolle interprofessioneller Leitli-nien in der Qualitätssicherung stellte der Leiter des Ärztlichen Zentrums für Qualität inder Medizin (ÄZQ), Prof. Dr. Dr. Günter Ollenschläger, das im Jahr 2002 von derBundesärztekammer initiierte Programm der Nationalen Versorgungsleitlinien vor. ImKontext seiner Darstellung der Entwicklung und der zukünftig notwendigen Schwer-punkte des Programms hob er auf die zunehmende systematische Beteiligung der Fach-berufe ab und lud diese zur Zusammenarbeit ein.

Herr Eckhardt Böhle, Deutscher Verband für Physiotherapie – Zentralverband derPhysiotherapeuten/Krankengymnasten, beantwortete in seinem Referat die Frage:Kann die Qualität der Heilmittelversorgung durch die Anwendung Nationaler Versor-

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gungsleitlinien verbessert werden? mit einem uneingeschränkten „Ja“. Auf der Basisder Ergebnisse des Heilmittelreports 2007 der Gemünder Ersatzkasse plädierte er füreine leitliniengestützte Behandlung des Rückenschmerzes unter Verzicht auf monopro-fessionelle Leitlinien, um ein verbessertes Versorgungsmanagement bzw. eine verbes-serte Behandlungsqualität zu erreichen.

Zum Thema „Elektronischer Heilberufs- und Berufsausweis“ referierten Dr. PhilippStachwitz, Leiter des Projektbüros „Elektronischer Arztausweis“ der Bundesärztekam-mer sowie Dr. Monika Rausch, Präsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logo-pädie, Andreas Westerfellhaus, Vizepräsident des deutschen Pflegerates, in ihrer Funk-tion als Sprecher der Interessengemeinschaft Elektronisches Gesundheitsberuferegister(eGbR) der Gesundheitsberufe (IGGB), gegründet im Januar 2008. Dr. Stachwitz stellteumfassend die Funktionalitäten, historische Entwicklung und den aktuellen Verfah-rensstand des Heilberufsausweises und der elektronischen Gesundheitskarte dar, wobeier auch auf die Kritik des Deutschen Ärztetages 2007 zu Fragen der Sicherheit und desorganisatorischen Aufwandes einging. Frau Dr. Rausch und Herr Westerfellhausbegründeten die Forderungen der Gesundheitsberufe nach einer angemessenen Berück-sichtigung im Verfahren und nach einem eigenständigen Zugang zur Gesundheitskar-te. Die Ausgabe und Überwachung sollen nach Auffassung der Gesundheitsfachberufedurch Einrichtung eines länderübergreifenden, zentralen Gesundheitsberuferegistersreguliert werden. Über den aktuellen Stand neuer Versorgungsformen sowie Perspektiven informierteumfassend der Beitrag von Dr. Thomas Heil, stellv. Vorsitzender der Deutschen Gesell-schaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen (DGIV). Neue Formen wiehausarztzentrierte Versorgung, Disease-Management-Programme, Medizinische Ver-sorgungszentren, Gesundheitszentren und Integrierte Versorgung stellten Optionenfür die zukünftige Versorgung der wachsenden Anzahl chronisch kranker Patienten beizunehmend knappen Ressourcen dar. Insbesondere die Case-Management-Verträgeböten den Gesundheitsfachberufen Chancen für zusätzliche Koordinierungsaufgaben.

Die 21. Fachberufekonferenz wird am 18.03.2009 als Jubiläumsveranstaltung anlässlichihres 20-jährigen Bestehens stattfinden.

– Vgl. hierzu www.bundesaerztekammer.de > Institutionen > Gremien > Konferenz derFachberufe im Gesundheitswesen.

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10.3.2 Stärkere Einbeziehung nichtärztlicher Heilberufe in die medizinischeVersorgung

Der 111. Deutsche Ärztetag 2008 in Ulm hat sich sowohl in den gesundheitspolitischenLeitsätzen (Ulmer Papier) als auch in einem eigenen Tagesordnungspunkt mit der The-matik einer stärkeren Einbeziehung nichtärztlicher Heilberufe in die medizinische Ver-sorgung befasst.

Das Ulmer Papier stellt hierzu fest:

– Der steigende Versorgungsbedarf macht eine stärkere Einbeziehung nichtärztlicherGesundheitsberufe sinnvoll. Im Mittelpunkt der Bildung multiprofessioneller Teamsund berufsgruppenübergreifender Versorgungskonzepte muss die Synergie der ver-schiedenen Kompetenzen stehen.

– Der Schutzgedanke, der der ärztlichen Letztverantwortung für Diagnostik und Thera-pie und dem Rechtsanspruch der Patienten auf Facharztstandard in der medizini-schen Versorgung innewohnt, darf nicht untergraben werden.

– Zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung hat die deutsche Ärzteschaft eigeneVorschläge für arztunterstützende und arztentlastende Maßnahmen sowie Positio-nen zur Delegationsfähigkeit ärztlicher Leistungen entwickelt.

Durch den Tagesordnungspunkt „Arztbild der Zukunft und Zusammenarbeit mit ande-ren Gesundheitsberufen“ hat der Ärztetag zum einen deutlich gemacht, dass er der The-matik eine hohe Bedeutung zumisst, zum anderen, dass er bereits bei der Standortbe-stimmung der Arztrolle und des ärztlichen Selbstbilds einen engen Bezug zu komple-mentären Aufgaben und Rollen anderer Berufe in der Gesundheitsversorgung herstellt.Entsprechend der Grundpositionierung im Ulmer Papier wurden durch 19 Beschlüsseund Entschließungen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen der Kooperation disku-tiert und in weiterführenden Aufträgen an die Bundesärztekammer formuliert.

In diesem Zusammenhang spielte die kritische Bewertung der Empfehlungen des Gut-achtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheits-wesen vom Juli 2007 zu „Kooperation und Verantwortung“, u. a. zu der Zusammenar-beit der Gesundheitsberufe, eine wichtige Rolle. Der Sachverständigenrat kommt zudem Schluss, dass die derzeitige Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe weder denVeränderungen im Morbiditätsspektrum noch den neuen strukturellen Anforderungeneiner sektorübergreifenden Versorgung entspricht, dass sie durch Rechtsunsicherheit,mangelnde interprofessionelle Standardisierung, nicht immer effiziente Arztzentriert-heit und Ausbildungsmängel gekennzeichnet sei. Der Sachverständigenrat empfiehltzur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit u. a.

– eine gesetzliche Modellklausel bzw. Modellversuche zur stärkeren Einbeziehungnichtärztlicher Gesundheitsberufe durch erweiterte Delegation oder Aufgabenüber-tragung,

– die Übertragung von bisher unzureichend abgedeckten Tätigkeiten auf nichtärztlicheGesundheitsberufe, z. B. in der Prävention,

– größere Handlungsautonomie der nichtärztlichen Berufe (z. B. Verordnung von Pfle-gebedarfsartikeln durch die Pflege), auch auf der Basis eines neuen Heilkundebe-griffs,

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– Poolkompetenzen für Tätigkeiten, die von mehreren Berufsgruppen ausgeführt wer-den können sowie

– die Ausbildung auch nichtärztlicher Gesundheitsberufe an den medizinischen Fakul-täten.

Der Referent des Vorstands der Bundesärztekammer zum Tagesordnungspunkt„Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen“, Dr. Theodor Windhorst, zugleichPräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hat in seinen Ausführungen die Bereit-schaft der Ärzteschaft zur notwendigen Weiterentwicklung der Kooperationsformen fürdie Bewältigung anstehender Versorgungserfordernisse dargelegt, jedoch als Prüfkrite-rien für neue Formen des Zusammenwirkens Qualifikation, Qualität und Sicherheit derVersorgung, Haftungsrecht, Zufriedenheit der beteiligten Berufsgruppen, Effizienz undWirtschaftlichkeit geltend gemacht. Er hat damit die mehrfachen Stellungnahmen derBundesärztekammer, z. B. gegenüber den Gesundheitsministerien der Länder und demSachverständigenrat, bei Gesetzentwürfen und in zahlreichen Veranstaltungen auch imBerichtsjahr unterstrichen, in denen zunächst eine Folgenabschätzung insbesondere inmedizinischer, ökonomischer und rechtlicher Hinsicht gefordert wird, auch was dieEinführung weiterer Versorgungsebenen betrifft.

Unbestritten machen Änderungen der Rahmenbedingungen der gesundheitlichen Ver-sorgung, wie z. B. der gesellschaftliche Wandel, die Auflösung traditioneller sozialerund familiärer Netze, die demografische Entwicklung, das geänderte Krankheitsspek-trum, die gestiegene Komplexität der medizinischen Versorgung, die begrenzten finan-ziellen und personellen Ressourcen und das geänderte Selbstverständnis der Berufsan-gehörigen und der Patienten eine Anpassung von Strukturen sowie neue Versorgungs-konzepte notwendig. Allerdings darf dabei eine Übertragung ärztlicher Kompetenzen,wie z. B. Diagnose, Indikation, Therapieentscheidung und -planung, nicht zur Disposi-tion stehen. Diese wird aus Gründen der Patientensicherheit und der Versorgungsqua-lität abgelehnt. Der Deutsche Ärztetag hat dies in seiner Entschließung „Delegation ja –Substitution nein!“ unmissverständlich abgelehnt, ebenso wie Konzepte und Modell-vorhaben, die auf Lockerung des Arztvorbehalts und Unterschreitung des Facharztstan-dards in Diagnostik und Therapie hinauslaufen.

Nur eine aufeinander abgestimmte Professionsentwicklung der Berufe im Gesund-heitswesen, die die Gegebenheiten des gesellschaftlich akzeptierten deutschen Versor-gungssystems ausreichend berücksichtigt, kann zur Bewältigung der anstehenden Fra-gen beitragen. In diesem Zusammenhang müssen Strukturen und Prozesse an geän-derte Bedarfe angepasst werden: Behandlungs- bzw. Betreuungskonzepte sind aufLangfristigkeit auszurichten, Prävention, Rehabilitation, Palliativversorgung gewinnengegenüber der akutmedizinischen Versorgung an Bedeutung, psychosoziale Hilfen undPflege sind zu integrieren und zu regionalisieren, die sektorenübergreifende Versor-gung, die Kooperation zwischen den Gesundheitsberufen, die Organisation von Prozes-sen sowie die Aufgabenverteilung und die Delegation ärztlicher Leistungen sind zu opti-mieren. Von möglichen Entlastungseffekten könnte auch die ambulante ärztliche Ver-sorgung in strukturschwachen Regionen, insbesondere in den neuen Bundesländern,profitieren.

Multiprofessionellen Teams in der ambulanten Versorgung kommt hierbei eine nochwichtigere Rolle als bisher zu. Vorrangig ist es, die Zusammenarbeit von Hausärzten,

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Medizinischen Fachangestellten und Pflegekräften unter Berücksichtigung der recht-lichen und strukturellen Rahmenbedingungen neu zu justieren. Dabei muss es umKompetenzsteigerung, Schärfung von Profilen sowie Spezialisierung im Kontext vonKooperation gehen.

Der Rolle des Arztes kommt bei der Koordination der Versorgung der Patienten heraus-ragende Bedeutung zu. Die Hausarztpraxis bietet sich für die Bewältigung insofern an,als in § 73 Abs. 1 SGB V die umfassende Aufgabenstellung für die hausärztliche Versor-gung festgelegt ist, nämlich: die ärztliche Betreuung von Patienten bei Kenntnis seineshäuslichen und familiären Umfeldes, die Koordination diagnostischer, therapeutischerund pflegerischer Maßnahmen, die Dokumentation und Zusammenführung derwesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und statio-nären Versorgung und die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitati-ver Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen.

Zur Arztunterstützung und -entlastung bei der Durchführung dieser komplexen Aufga-ben sollen nach Auffassung der deutschen Ärzteschaft die Medizinischen Fachange-stellten – auf der Basis der neugestalteten Grundausbildung von 2006, der ergänzendenFortbildungscurricula von 2007 sowie der ab 2009 geplanten Aufstiegsfortbildung zur„Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung“ – stärker für delegierbare undkoordinierende Aufgaben eingesetzt werden. Dies ist z. B. gegeben bei der Versorgungchronisch Kranker, innerhalb von Disease-Management-Programmen oder IV-Verträ-gen, im Bereich der Patientenberatung und -schulung insbesondere im Rahmen vonGesundheitsförderung, Früherkennung, Prävention, Rehabilitation, bei der Versorgungälterer Patienten und im Rahmen von Hausbesuchen. Sie können auch bei der Versor-gung Pflegebedürftiger den Arzt überall dort gezielt entlasten, wo im Vorfeld pflegeri-scher Versorgung ein Tätigwerden von Pflegediensten (noch) nicht notwendig ist.

Durch die Neufassung der Grundsätze zur „Persönlichen Leistungserbringung – Mög-lichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen“ von Bundesärztekammerund Kassenärztlicher Bundesvereinigung per Beschluss des Vorstands der Bundesärz-tekammer am 29.08.2008 wurden die Spielräume für Delegation erweitert. Auch dasPflege-Weiterentwicklungsgesetz vom April 2008 eröffnet speziell für delegierbare Auf-gaben im häuslichen Umfeld von Patienten erweiterte Delegationsmöglichkeiten (§ 87Abs. 2 b SGB V).

Für den Bereich der stationären Versorgung hat der Vorstand der Bundesärztekammerim November 2008 einen Studienauftrag zur Delegation und Kooperation vergeben mitdem Ziel, ca. 10 bis 15 repräsentative praxisnahe Szenarien für multiprofessionelleKooperation/Delegation im Behandlungsablauf auf der Basis des Beschlusses des 111. Deutschen Ärztetages in Ulm „Delegation ja – Substitution nein“ und der o. g. aktu-alisierten Delegationsrichtlinie zu entwerfen. Dabei sollen konkrete, praktikable, inter-professionell abgestimmte Prozeduren, die geltendes (Haftungs-)Recht berücksichtigenund die von hoher Relevanz für den Versorgungsalltag im Krankenhaus sind, entwickelt werden. Die Ergebnisse der qualitativen Studie sollen Ende 2009 vorliegen.

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10.3.3 Case Management in der medizinischen Versorgung

Der 111. Deutsche Ärztetag 2008 in Ulm hat im Rahmen der Beratungen zum Tages-ordnungspunkt „Arztbild der Zukunft und Zusammenarbeit mit anderen Gesundheits-berufen“ eine Entschließung zur stärkeren Einbeziehung von Gesundheitsfachberufenin das Case Management gefasst. Danach ist eine verstärkte sektoren- und berufsüber-greifende Koordination und Integration diagnostischer, therapeutischer, rehabilitativer,pflegerischer und sozialer Leistungen insbesondere bei komplexen Krankheitsbildernbzw. bestimmten Patientengruppen notwendig und wünschenswert, wobei dem „CaseManagement“ oder „Versorgungsmanagement“ im Sinne eines effektiven, einzelfall-orientierten Prozessmanagements ein immer höherer Stellenwert zukommt. Der Ärz-tetag plädiert hinsichtlich der Frage, wer zum Case Manager prädestiniert ist, für einegenaue Analyse der Case-Management-Funktionen und differenziert dabei zwischenzwei Arbeitsbereichen im Case Management, nämlich dem medizinisch-therapeuti-schen Bereich und dem Management- bzw. Koordinierungsbereich: Der medizinisch-therapeutische Arbeitsbereich, der die Initiierung, die Steuerung und die Übernahmeder Therapie- und Ergebnisverantwortung umfasst, seien genuine Aufgaben des Arztes,insbesondere des Hausarztes; bei der Durchführung und Steuerung des Case-Manage-ment-Prozesses werde der Arzt im Sinne einer professionsübergreifenden Versorgungim Delegationsverfahren von zusätzlich qualifizierten Gesundheitsfachberufen wie derMedizinischen Fachangestellten, aber auch Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Kran-kenschwestern und -pflegern sowie psychosozialen Berufen unterstützt.

Die Bundesärztekammer hat auf Beschluss des Vorstands im Jahre 2006 durch ein wis-senschaftliches Gutachten Schnittstellen und Kooperationsmöglichkeiten analysierenlassen, um Empfehlungen hieraus zu diskutieren und ggf. umzusetzen (siehe hierzuwww.bundesaerztekammer.de > Ärzte > Ambulante Versorgung > Delegation ärztlicherLeistungen > Gutachten). Das Gutachten, in dem rund 50 aktuelle Case-Management-Projekte untersucht wurden und das im August 2008 als Broschüre veröffentlicht undbreit in den Institutionen des Gesundheitswesens gestreut wurde, hat gezeigt, dass

– Case Management bisher vor allem im Rahmen von Integrierten Versorgungsverträ-gen, d. h. mit zusätzlicher Finanzierung durch die GKV eingesetzt wird;

– eine enorme Unschärfe des Case-Management-Begriffs bei gleichzeitig allgemeinanerkannter Methodik der Umsetzung besteht;

– die Indikationsbereiche hauptsächlich chronische, zerebro- und kardiovaskuläreKrankheiten sowie psychische und onkologische Erkrankungen sind, aber auch dieVersorgung älterer und hochbetagter, allein lebender Menschen mit zum Teil chroni-schen altersbedingten Krankheiten und ungenügenden sozialen und familiären Hil-fenetzen in den Blick zu nehmen ist;

– die therapeutische Verantwortung, die Ergebnisverantwortung und die Verantwor-tung für die Initiierung des Case-Management-Prozesses Ärzten obliegt;

– eine hohe Divergenz bzgl. der Ausbildung, Zusatzqualifikation und des Aufgaben-spektrums von Case Managern besteht.

Zur Evaluation des Case Managements – insbesondere zur gesundheitsökonomischenBewertung – liegen in Deutschland noch keine umfassenden Studien vor. Einzelne Stu-dien weisen auf eine Verbesserung der Kooperation und Kommunikation der beteilig-

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ten Berufsgruppen hin, darüber hinaus auf eine Verringerung der Arbeitsbelastung undeine Erhöhung der Berufszufriedenheit bei Ärzten und anderen Berufen. Eine breitflä-chige Implementierung ist derzeit nicht zu rechtfertigen.

Um Ärzte von Koordinations- und Organisationsaufgaben im Rahmen von CaseManagement zu entlasten und gleichzeitig Zuständigkeiten, Aufgaben und Qualifika-tionen der Akteure zu definieren, empfiehlt das Gutachten die Entwicklung eines Cur-riculums Case Management durch die Bundesärztekammer. Der Vorstand der Bundes-ärztekammer hat in Umsetzung dieser Empfehlung und des darauf beruhenden Ärzte-tagsbeschlusses im Juni 2008 beschlossen, ein interprofessionelles Curriculum unterBeteiligung der betroffenen Berufsgruppen durch das Ärztliche Zentrum für Qualität inder Medizin (ÄZQ) erarbeiten zu lassen. Das ÄZQ ist aufgrund seiner interprofessio-nellen Leitlinienprojekte hierfür bestens qualifiziert. Das Projekt wird Anfang 2009 star-ten.

10.3.4 Kooperation mit den Pflegeberufen

Im Verhältnis zu den Pflegeberufen lässt sich u. a. anhand des Anfang 2003 abge-schlossenen Modellprojekts „Interprofessionelle Kommunikation im Krankenhaus“[InterKiK] (siehe www.bundesaerztekammer.de < Stationäre Versorgung) belegen, dassdie Gestaltung kooperativer Beziehungen seitens der Bundesärztekammer bewusstgesucht wird. Vor dem Hintergrund sich ändernder Bedarfe in Medizin und Pflegesowie neuer Versorgungsstrukturen in Folge des GKV-Modernisierungsgesetzes 2004,des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes 2006 sowie des Pflege-Weiterentwicklungsge-setzes 2008 sind Zusammenarbeitsformen zukünftig verstärkt zwischen den Professio-nen sowie sektorenübergreifend zu realisieren. Hier kann auf die Tradition sog. „Spit-zengespräche“ mit dem Deutschen Pflegerat seit 2001 aufgebaut werden: In einem Dia-log zwischen Vertretern des Deutschen Pflegerates und dem Vorstand derBundesärztekammer 2004 war man sich darin einig, dass die bisherige Zusammenar-beit auf verschiedenen Arbeitsfeldern erfolgreich verlaufe und in der bewährten Formfortzuführen bzw. zu intensivieren sei. Der Vorstand signalisierte Offenheit für dieOptionen, die sich aus einem neuen berufspolitischen, fachlichen und gesellschaft-lichen Selbstverständnis der Pflege und ihrer zukünftigen Bedeutung in der gesund-heitlichen Versorgung ergeben könnten. Die verbesserte Bildung der Pflegeberufe kön-ne gleichzeitig zu einer stärkeren Ausdifferenzierung von Berufsfeldern, zur Speziali-sierung, aber auch zu Dequalifizierungstendenzen führen. Gemeinsam wurdekritisiert, dass die Ressourcen für die Ausbildung in der Pflege zunehmend verknapptwerden und dass heute schon neben einem Ärztemangel ein Mangel an qualifiziertenPflegekräften konstatiert werden muss.Hinsichtlich der von den Pflegeverbänden weiterhin kritisch gesehenen Koordinations-funktion des Arztes wurde vom Vorstand deutlich gemacht, dass insbesondere imBereich des Case Managements als einer komplexen integrierten medizinischenBehandlungsbegleitung die Verantwortung nur von einem Arzt übernommen werdenkönne. Unabhängig davon konstatierten beide Seiten, dass die Situation an der ärzt-lichen und pflegerischen Basis häufig in Form fruchtbarer Kooperation abläuft. Auch

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die in einem Arbeitsgespräch im Januar 2005 vereinbarten konkreten Zusammenar-beitsformen und Abstimmungsprozeduren in verschiedenen Qualitätssicherungsgre-mien auf Bundesebene haben sich im Berichtsjahr bewährt.

Im Spitzengespräch Juni 2006 plädierten die Pflegeberufe für einen neuen Zuschnittvon Berufs- und Arbeitsfeldern, einerseits zur Sicherung des pflegerischen Nachwuch-ses, auch mit Blick auf die Akademisierung, andererseits aber auch mit Blick auf denambulanten Bereich angesichts der im internationalen Vergleich hohen Arztdichte beigleichzeitigen Versorgungsproblemen vor allem in der Fläche bei Chronikern. DasModell der Familiengesundheitsschwester sei zukunftsweisend. Die Pflege fordertemehr Autonomie in den Bereichen Medikamentengabe sowie Pflegeassessment mitVorschlagsrecht und ein pflegerisches Case Management vor allem im Übergang ambu-lant-stationär. Angestrebt wird das Verordnungsrecht für häusliche Krankenpflege. DieVerordnungshoheit des Arztes in Deutschland ist aus Sicht der Pflege anachronistischund mit Blick auf Europa überholt. Neue Qualifizierungen im stationären Bereich wur-den nicht als notwendig erachtet. Seitens der Bundesärztekammer wurde der geforderten neuen Versorgungsebene undder alleinigen Zuständigkeit für Case Management eine Absage erteilt. Hinsichtlich desVerordnungsrechts und der Übernahme ärztlicher Leistungen verwies die Bundesärzte-kammer auf die bestehende Rechtslage. Aufgabenveränderungen seien in Abgrenzungzur neugeordneten Medizinischen Fachangestellten und vor dem Hintergrund neuerOrganisationsformen zu prüfen. Die Gesprächspartner vereinbarten, das Papier„Kooperation zwischen Ärzten und Pflegeberufen“ aus dem Jahre 1993 auf der Basiseines vom Deutschen Pflegerat zu erarbeitenden konkreten Textvorschlages weiter zuberaten.

Ein weiteres Gespräch hat im Dezember 2008 stattgefunden. Dabei ging es insbesonde-re um verbesserte Kooperationsmöglichkeiten im ambulanten und stationären Sektorund neue Zuständigkeiten. Gesprächsbasis war ein Positionspapier von Juni 2008, indem die Pflegeberufe – vor dem Hintergrund neuer Anforderungen der medizinischenund pflegerischen Versorgung – eine erweiterte Verantwortung für die Steuerung thera-peutischer und diagnostischer Prozesse fordern. Die Verantwortungsbereiche aller ander Versorgung beteiligten Berufsgruppen seien neu und partnerschaftlich zu definie-ren, z. B. im Bereich des Dekubitus- oder Sturzrisikos, der Pneumonieprophylaxe, chro-nischer Wunden und des Schmerzmanagements sollte die Pflege die Kompetenz erhal-ten, die notwendigen diagnostischen, therapeutischen und prophylaktischen Maßnah-men zu ergreifen. Darüber hinaus wird die Berechtigung gefordert, Leistungen in Formdes Direktzuganges unabhängig von der ärztlichen Verordnung anzubieten und mitden Krankenkassen abzurechnen.

Der Deutsche Pflegerat gründet seine Forderungen auch auf ein aktuelles Rechtsgut-achten „Weitere öffentlich-rechtliche Regulierung der Pflegeberufe und ihrer Tätigkeit“(September 2008). Darin wird auf der Basis einer breiten Analyse angeregt, das Berufs-,Leistungs- und Haftungsrecht der Pflege so fortzuentwickeln, dass ihrer gestiegenengesellschaftlichen, epidemiologischen und sozialrechtlichen Bedeutung angemessenRechnung getragen wird. Eine Annäherung der Standpunkte konnte nicht erzielt wer-den, so dass die Gespräche zunächst auf Arbeitsebene fortgeführt werden. Die Ergeb-

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nisse sollen in eine geplante Klausurtagung mit den Pflegeberufen und weiteren Fach-berufen im Jahr 2009 eingebracht werden.

In einer weiteren Zusammenkunft mit dem Arbeitgeberverband privater Anbieter sozi-aler Dienste (bpa) im August 2008 wurden übereinstimmend die Heimversorgungdurch Ärzte, die Wundversorgung und die interprofessionelle Leitlinienentwicklung alsKooperationsfelder identifiziert und eine Intensivierung der Kontakte zur Verbesserungder medizinisch-pflegerischen Versorgung vereinbart. Insbesondere Vernetzungsmo-delle mit den Schwerpunkten Vertragsgestaltung sowie Managementberatung sollenbeim nächsten Treffen Anfang 2009 in den Blick genommen werden.

10.3.5 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz

Die ersten Monate des Berichtsjahres waren von der Fortsetzung der intensiven Befas-sung mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz geprägt. Bundesärztekammer und Kas-senärztliche Bundesvereinigung hatten sich gemeinsam bereits zum Referentenent-wurf vom 10.09.2007 und zur Kabinettsfassung vom 18.10.2007 gemeinsam geäußert.Sie gaben auch zum Gesetzentwurf vom 07.12.2007 gegenüber dem Bundesministe-rium für Gesundheit und gegenüber dem Bundestagsausschuss für Gesundheit in einerzweitägigen Anhörung am 21./23.01.2008 eine gemeinsame Stellungnahme ab. DieStellungnahme vom 10.01.2008 wurde bereits im Tätigkeitsbericht 2007, S. 392 ff.,umfänglich dokumentiert. Abgelehnt wurden insbesondere aus haftungsrechtlichen,rechtssystematischen, verfassungsrechtlichen Gründen die geplanten Änderungen derAufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen mit Geltung für das Sozialge-setzbuch V und die Berufsgesetze für Kranken- und Altenpflegeberufe. Die Möglichkeitder (selbstständigen) Heilkundeausübung durch Kranken- und Altenpflegeberufe undPhysiotherapeuten und die unklaren Abgrenzungen zur hausärztlichen Koordinie-rungsfunktion nach § 73 SGB V wurden kritisiert. Die Ärzteschaft lehnte insbesondereeine Abkopplung pflegerischer Tätigkeiten von der ärztlichen Verordnung im Rahmenmedizinischer Behandlung ab. Stattdessen wurde vorgeschlagen, Modellvorhaben zurrechtskonformen Erweiterung von Delegationsmöglichkeiten bei der ärztlichen Versor-gung zuzulassen, in welche Medizinische Fachangestellte zur Arztentlastung und -unterstützung im Rahmen multiprofessioneller Teams stärker einbezogen werden. DieKritik der Ärzteschaft stand dabei in voller Übereinstimmung mit der überaus deut-lichen Stellungnahme des Bundesrates (Drucksache 718/1/07 vom 19.11.2007) zumGesetzentwurf, was die Substitution von bisher dem Arzt vorbehaltenen Tätigkeitenbetrifft.

Im Einzelnen vertraten Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigungin der Anhörung vor dem Bundestagsausschuss folgende Auffassungen zu wichtigenProblemfeldern:

Versorgungsmanagement nach § 11 SGB V/Entlassungsmanagement nach § 115 SGB VBereits im Zuge des GKV-WSG wurde Versorgungsmanagement als neue Leistungsartin das SGB V eingeführt. Versorgungsmanagement soll Schnittstellen abbauen bzw.den Patienten reibungslose Übergänge zwischen akuter Versorgung, Rehabilitation undPflege ermöglichen. Eine Optimierung ist auch aus Sicht der BÄK selbstverständlich

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zweckmäßig und wünschenswert. In der geplanten Form ist es jedoch wegen der unkla-ren Abgrenzung zur Kompetenz z. B. der Vertragsärzte kritisch zu sehen. Insbesonderewird übersehen, dass nach geltendem Recht die Hausärzte eine Koordinierungsfunk-tion auch für die übrigen Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherunghaben (auf § 73 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 SGB V wird verwiesen). Auch lässt § 115 Abs. 2SGB V zu, in dreiseitigen Verträgen Grundsätze eines „Entlassungsmanagements“ zuregeln. Es gibt also eigentlich bereits Möglichkeiten des Versorgungsmanagements, dieausgestaltet und finanziell ausgestattet werden könnten. Die Regelung scheint vor allemim Zusammenhang mit der heilkundekompetenziellen Aufwertung der Krankenpflege-berufe zu stehen. Diese nur politische Motivation steht einer sachgerechten Lösung ent-gegen. Derselbe Einwand gilt im Übrigen auch gegenüber den geplanten Pflegestütz-punkten, denen ebenfalls eine Koordinierungsaufgabe auch mit Blick auf medizinischeHilfs- und Unterstützungsangebote zugewiesen wird, es sei denn, die Pflegestützpunk-te beschränken sich auf reine Koordinierung, ohne Einflussnahme in die Zusammen-hänge beispielsweise der hausärztlichen und fachärztlichen vertragsärztlichen Versor-gung. Es sollte den verpflichteten Einrichtungen außerdem überlassen bleiben, mit wel-chem Personal sie ein „Entlassungsmanagement“ organisieren, und es sollten deshalbnicht nur Pflegekräfte dafür vorgesehen werden. Gerade mit Blick auf eine notwendigeintegrative, steuernde und führende Funktion des Arztes für den „ganzen“ Patientenwäre eine Stärkung dieser Aufgabe zielführender als ein weiteres Auseinanderbrechender Versorgung in unterschiedliche Zuständigkeiten mit den verschiedensten Koordi-natoren unterschiedlicher Berufe und institutioneller Anbindung.

Expertenstandards nach § 113 SGB VZukünftig sollen die Vertragsparteien (Kostenträger und Krankenhausträger) die Ent-wicklung und Aktualisierung von Expertenstandards für die Pflege sicherstellen. Wiemedizinische Leitlinien sollen Expertenstandards für die Pflege dazu beitragen, im Hin-blick auf die Versorgungsqualität unerwünschte Varianzen der Leistungserbringungabzubauen und stattdessen den wünschenswerten „State of the Art“ flächendeckend zuimplementieren. Wie Leitlinien können Expertenstandards niemals unmittelbar ver-bindlich, sondern als Handlungsempfehlungen lediglich entscheidungsleitend sein.Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Vertragspartner zukünftig für einen kontinu-ierlichen Ausbau der Expertenstandards für die Pflege Sorge tragen sollen. Die fachlich-inhaltliche Entwicklung sollte dabei jedoch federführend von den an der medizinisch-pflegerischen Versorgung beteiligten Professionen übernommen werden, d. h. insbe-sondere durch die Pflegeberufe sowie unter Beteiligung der Ärzteschaft. Nach demVorbild des Programms für Nationale Versorgungsleitlinien, das durch das ÄZQ koor-diniert wird, könnte die Koordination der Expertenstandard-Entwicklung zentral durcheine fachlich unabhängige Koordinierungsstelle oder ein fachlich unabhängiges Instituterfolgen. Entscheidend für die Implementierung der Expertenstandards ist außerdem,dass diese nicht nur top-down-mäßig aus wissenschaftlichem Blickwinkel („nice tohave“), sondern orientiert an den Gegebenheiten des Versorgungsalltags und abge-stimmt auf den konkreten Qualitätsweiterentwicklungsbedarf entwickelt werden („needto have“). Um dies sicherzustellen, könnte die Fachgruppenarbeit zur Entwicklung vonQualitätsindikatoren bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung als Vorbild her-angezogen werden.

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Qualitätsprüfungen nach § 114 Abs. 3 SGB XIDie Prüfabstände bzw. der Prüfumfang der Qualitätsprüfungen durch den Medizini-schen Dienst sollen angepasst werden können, sofern Erkenntnisse darüber vorliegen,dass die Qualitätsanforderungen bereits erfüllt worden sind, z. B. durch eine von derPflegeeinrichtung oder dem Einrichtungsträger selbst veranlasste Qualitätsprüfung.Der Regelungsvorschlag ist grundsätzlich zu begrüßen, weil hierdurch Bürokratie ver-ringert und freiwilliges Engagement für mehr Qualität in der Pflege belohnt wird. Esexistieren bereits mehrere Zertifizierungsverfahren für Pflegeverfahren, zum Beispielauch nach KTQ®. Um einen Wildwuchs bei den freiwilligen Qualitätszertifikaten zuverhindern und ein Mindestmass an Qualitätsniveau gewährleisten zu können, solltensich jedoch die Vertragspartner unter Einbeziehung von QS-/QM-Sachverstand aufeinen Kriterienkatalog zur Erfüllung der Qualitätsanforderungen einigen. Die Quali-tätsmangement-Vereinbarung für Krankenhäuser oder die Qualitätsmanagement-Richtlinie für die vertragsärztliche Versorgung könnten hier Vorbild sein. Außerdemsollten sich die freiwilligen Qualitätsprüfungen der Pflegeeinrichtungen nicht auf reineSelbstbewertungen beschränken, sondern auch von außen bewertet werden. Eine Pfle-geeinrichtung, die nicht den Weg einer Fremdbewertung durch ein Zertifizierungsver-fahren gehen will, sollte zumindest an einem Auditverfahren oder einem einrichtungs-übergreifenden Vergleich teilnehmen.

Pflegestützpunkte/Pflegeberatung nach §§ 7a und 92c SGB XIEs soll ein Rechtsanspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung im Zusammen-hang mit Pflegebedürftigkeit eingeführt werden, zu dessen Umsetzung daran gedachtist, ein flächendeckendes Netz von Pflegestützpunkten aufzubauen. Es ist nicht erkenn-bar, warum zur bloßen Koordination von Leistungen der Aufbau einer flächendecken-den „Pflegestützpunkt“-Infrastruktur mit erheblichem Ressourcenaufwand erforderlichsein sollte. Die Etablierung dieser neuen Makrostruktur ausschließlich zum Zweck derOrganisation und Verwaltung von Leistungen für Pflegebedürftige dürfte der originärpflegerischen Versorgung beträchtliche Mittel entziehen. Auch, weil die „Pflegestütz-punkte“ bzw. die dort angesiedelten Pflegeberater zukünftig mehr oder weniger obliga-torisch das umfassende Case Management für Pflegebedürftige einschließlich der Koor-dination der medizinischen Leistungen übernehmen sollen, sollen sich die Kranken-kassen in beträchtlichem Umfang an der Finanzierung beteiligen. Diese Zweck-entfremdung von GKV-Beiträgen zur Finanzierung von pflegerischen Koordinationstä-tigkeiten ist entschieden abzulehnen. Stattdessen sollte vorgesehen werden, entspre-chende Mittel für die Stärkung der hausärztlichen Koordinierungsfunktion vorzusehen,da der Hausarzt der „geborene“ Koordinator für das Management des Übergangs undder Kontinuität der Versorgung in den einzelnen Bereichen ist. Konkret sollten entspre-chende Mittel in das Förderprogramm für Allgemeinmedizin einfließen. Die vorge-schlagene Etablierung eines Monotyps von Case Management für Pflegebedürftige inGestalt der neuen Leistungsart „Pflegeberatung“ steht in Konflikt mit der Koordinie-rungsfunktion des Hausarztes gemäß § 73 Abs. 1 SGB V, die sich auch auf Leistungenaußerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung erstreckt. Case Management sollteeine ganzheitliche Versorgung komplexer Fälle über alle Bereiche und Sektoren sicher-stellen und keinen Sonderbereich nur für „Pflege“ schaffen. Der individuelle und regio-nal jeweils sehr unterschiedliche Versorgungsbedarf sollte deshalb besser im Rahmenvon integrierten Versorgungsverträgen abgebildet werden. Die Studie der Bundesärzte-

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kammer zur Evaluation bereits bestehender Case-Management-Projekte in Deutschland(siehe 10.3.3) zeigt, dass im Rahmen Integrierter Versorgung Case Management berufs-und bereichsübergreifend bereits jetzt schon ohne neue Strukturen funktioniert. Des-halb sollten anstatt der Einführung von kassenabhängigen Pflegebegleitern mit der Ein-bindung an Pflegestützpunkte die Leistungen des Fallmanagements unter Nutzung undStärkung der bestehenden Strukturen erfolgen. Es besteht die Gefahr, dass zu viel Geldin Strukturen und zu wenig in konkrete Leistungen investiert wird. Auch das Potentialder bestehenden Pflegeinrichtungen könnte beispielsweise hierfür genutzt werden.

Modellversuche nach SGB V § 63 Abs. 3 b und c in Vbdg. mit Änderungen des Kran-kenpflege- und Altenpflegegesetzes §§ 4 Abs. 7 neuGegenüber den geplanten Änderungen erheben Bundesärztekammer und Kassenärztli-che Bundesvereinigung massive medizinische und rechtliche Bedenken. Die Ände-rungsvorschläge in § 63 Abs. 3c weiten das Tätigkeitsspektrum von Kranken- und Alten-pflegepersonal in den Bereich heilkundlicher Tätigkeiten aus, ohne dies genauer festzu-legen, im Gegensatz z. B. zum MTA- und Hebammengesetz. § 63 Abs. 3c lässt daskünftige Aufgabenfeld im Bereich der Heilkunde völlig offen, und es wird nicht vomArzt abgegrenzt. Die Entscheidung, welche heilkundlichen Tätigkeiten vermittelt wer-den, wird den Ausbildungsstätten überlassen. Das Bundesministerium für Gesundheit(BMG) erklärt sich selbst bzw. im Einvernehmen mit dem Bundesministerium fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) dafür zuständig, die Ausbildungsplä-ne der Ausbildungsstätten zu genehmigen (eigentlich Landesrecht), so dass letztlich dasBMG indirekt auf die Ausgestaltung der erweiterten Kompetenzen Einfluss nimmt. Esstellt sich die grundsätzliche Frage, ob es verfassungsrechtlich möglich ist, die Aus-übung der Heilkunde grundsätzlich und in der Form von Verwaltungsentscheidungennichtärztlichen Berufsgruppen zuzuweisen.

Auch die Ausweitung der Modellklausel auf die Verordnung von Verbandmitteln undPflegehilfsmittel sowie die Möglichkeit der inhaltlichen Ausgestaltung der häuslichenKrankenpflege nach SGB V § 63 Abs. 3b wird abgelehnt, da diese eine ärztliche Indika-tion und Therapieentscheidung voraussetzen (z. B. kommt es in der Wundversorgungauf industrieunabhängige medizinische Entscheidungen über die Art der Wundaufla-gen an). Die Regelungen sind darüber hinaus inkonsistent im Verhältnis zum beste-henden System der GKV und stellen punktförmige Einzelregelungen und pauschalierteÜbergriffe auf die Heilkunde dar, ohne Überlegungen zu entsprechenden Curriculaoder eine Konkretisierung der Tätigkeiten. Durch solche unsystematischen Einzelrege-lungen lässt sich eine Weiterentwicklung der Krankenpflege- und Altenpflegeberufenicht erreichen. Es werden lediglich unterschiedliche Gruppen von Kompetenzen jenach schulischem Ausbildungsplan bei den jeweiligen Berufsangehörigen geschaffen,was zu einer völlig unübersichtlichen Landschaft im Bereich der Kompetenzen bei denGesundheitsberufen führen wird.

Darüber hinaus werden durch die Vorschläge sowohl die Einheitlichkeit der Heilkunde-ausübung als auch der Facharztstandard massiv berührt. Die flächendeckende wohnort-nahe Gewährleistung des Facharztstandards stellt eine der Errungenschaften des deut-schen Gesundheitswesens dar. Es ist befremdlich, dass im Kontext der Pflegeversiche-rung, die eine Verbesserung der Gesamtsituation zum Ziel hat, Vorschläge zurAbsenkung dieses Standards im gesamten SGB-V-Bereich unterbreitet werden. Mit den

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Vorschlägen zur partiellen Heilkundekompetenz wird ein „Flickenteppich“ von Kompe-tenzen, unklaren sog. „erweiterten“ Kompetenzen, halbmedizinischen Ausbildungenund ausbildungsstättenbezogenen Heilkundekompetenzen geschaffen, die vom BMGbestimmt werden – eine neue und „exotische“ Lösung im deutschen Gesundheitsrecht!Dies muss aus Gründen der Patientensicherheit, des Verbraucherschutzes und der Qua-litätssicherung abgelehnt werden. Gerade in strukturschwachen Regionen muss statt-dessen die Kompetenz des multiprofessionellen Teams gestärkt werden, ohne den gege-benen rechtlichen Rahmen zu verletzen. Auf diese Zielsetzung hat die Bundesärzte-kammer in den letzten zwei Jahren durch Weiterentwicklung der Ausbildung und vorallem Fortbildung der Medizinischen Fachangestellten massiv hingewirkt und Fortbil-dungscurricula zur Koordination, zur Versorgung älterer Patienten, zur Prävention undzur Ernährung entwickelt. Das Gesetz sollte deshalb statt der vorgesehenen Modellver-suchen zur Pflege lieber Modellversuche unter Einbindung der Selbstverwaltung zulas-sen, die die Erweiterung der Delegation ärztlicher Tätigkeiten auf Medizinische Fachan-gestellte, z. B. bei Hausbesuchen, vorsehen und eine wirkliche umfassende Betreuungdurch multiprofessionelle Teams ermöglichen. Die Delegationsmöglichkeiten sindrechtskonform weiterzuentwickeln.

Der Gesetzgeber hat trotz der Hinweise der Ärzteschaft und der Bundesländer mit Wir-kung vom 01.07.2008 die kritischen Bestimmungen in Kraft gesetzt. Danach könnengemäß

– § 63 Abs. 3b SGB V Modellvorhaben zwischen Krankenkassen und Leistungserbrin-gern vorsehen, dass Kranken- und Altenpflegekräfte die Verordnung von Verband-und Pflegehilfsmitteln und die inhaltliche Ausgestaltung der häuslichen Kranken-pflege einschließlich deren Dauer vornehmen können, sofern es sich nicht um selbst-ständige Ausübung von Heilkunde handelt. Physiotherapeuten können die Dauer derphysikalischen Therapie und die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen,sofern es sich nicht um selbstständige Ausübung von Heilkunde handelt. Auch dieseModellvorhaben finden ohne Beteiligung der Ärzteschaft statt;

– § 63 Abs. 3c SGB V Modellvorhaben eine Übertragung ärztlicher Tätigkeiten, dieselbstständige Ausübung der Heilkunde sind, auf Kranken- und Altenpflegekräftevorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) legt in Richtlinien fest, welcheTätigkeiten dies sein können. Vor seiner Entscheidung ist der BundesärztekammerGelegenheit zur Stellungnahme zu geben; sie wird an den Beratungen des G-BAbeteiligt sein;

– den jeweiligen Paragrafen 4 Abs. 7 des Krankenpflegegesetzes sowie Altenpflegege-setzes Regelungen zur zeitlich befristeten Erprobung von Ausbildungsangeboten imRahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V erweiterte Kompetenzen zurAusübung heilkundlicher Tätigkeiten vermittelt werden. Diese Modellversuche lau-fen ohne Beteiligung der Ärzteschaft.

Darüber hinaus wurde in § 87 Abs. 2b SGB V festgelegt, dass bis spätestens zum31.10.2008 mit Wirkung zum 01.01.2009 eine Regelung zu treffen ist, nach der ärztlichangeordnete Hilfeleistungen anderer Personen, die in der Häuslichkeit der Patienten inAbwesenheit des Arztes erbracht werden, vergütet werden. Zu den möglichen delegier-baren Leistungen werden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemeinsam mitdem GKV-Spitzenverband Qualifikationsanforderungen festgelegt. Hierbei sollten nach

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Auffassung der Bundesärztekammer unbedingt die Fortbildungscurricula für Medizini-sche Fachangestellte als Maßstab zu Grunde gelegt werden. Sie sind kurzfristig, flä-chendeckend und kostengünstig realisierbar.

10.3.6 Direktzugang zur Versorgung durch Physiotherapeuten

In der Heilmittelerbringung obliegen (Differenzial-)Diagnose, Indikation und Verord-nung sowie die Gesamtverantwortung dem Arzt, dem Heilmittelerbringer obliegen indiesem Rahmen die eigenverantwortliche Befunderhebung, die Maßnahmenauswahlfür die Therapie sowie die Durchführungs- und Haftungsverantwortung. Die deutschenPhysiotherapieverbände fordern gegenüber der Bundesärztekammer und dem Bundes-gesetzgeber eine Erweiterung ihrer Kompetenzen, und zwar eine

– Änderung des Heilkundebegriffs bzw. Wegfall des Arztvorbehalts einschließlich einerAbschaffung des Heilpraktikergesetzes;

– einen Abbau von „Doppelstrukturen“ im Bereich der Diagnostik;– „freiere“ Vergütungsformen und eine andere Basis der selbstständigen Leistungser-

bringung.

Zur Begründung verweisen die Physiotherapieverbände auf Versorgungsstrukturennach dem Modell des „First Contact Practitioner“ in den Niederlanden und in Australien– hier beschränkt auf privatversicherte Selbstzahler – und auf die Ergebnisse schotti-scher Studien zur verbesserten Versorgung und zu höherer Patientenzufriedenheit beiDirektzugang. Sie fühlen sich in ihrem Drängen nach einer neuen Aufgabenverteilung,die den Direktzugang von Patienten zur Physiotherapie auch in Deutschland ermög-lichen soll, ermutigt durch vereinzelte Rechtsprechung zu einer Segmentzulassung vonPhysiotherapeuten/Heilpraktikern seit 2007 sowie durch das Sachverständigenratsgut-achten 2007. Durch den Direktzugang sollen auch die Schnittstellen und die Koopera-tion mit dem Arzt neu geregelt werden, und es soll in Folge zu einer Aufwertung desPhysiotherapeutenstatus im internationalen Vergleich kommen. Hierfür benötige derFirst Contact Practitioner eine „erweiterte“ Zulassung durch eine staatliche Abschluss-prüfung (auch für akademisch ausgebildete Physiotherapeuten). Darüber wird eineBeschränkung der Indikationsbereiche für den Direktzugang auf den Bereich vonMuskel- und Skeletterkrankungen für notwendig erachtet.

Die neuen Vorschriften des § 63 Abs. 3b SGB V nach Pflege-Weiterentwicklungsgesetzvon Mai 2008 ermöglichen Modellvorhaben, in denen Physiotherapeuten „mit einerErlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes die Aus-wahl und die Dauer der physikalischen Therapie und die Frequenz der Behandlungs-einheiten bestimmen, soweit die Physiotherapeuten auf Grund ihrer Ausbildung quali-fiziert sind und es sich bei der Tätigkeit nicht um selbständige Ausübung von Heilkun-de handelt.“ Dies ist aus Sicht der Bundesärztekammer der erste Schritt in die von denPhysiotherapeutenverbänden angestrebte Aufgabenerweiterung. Die Regelungen sindam 01.07.2008 in Kraft getreten. Die Modellversuche zwischen Krankenkassen und Leis-tungserbringern finden ohne Beteiligung der ärztlichen Selbstverwaltung statt.

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Die Bundesärztekammer lehnt den von den Physiotherapeuten und in Folge auch vonanderen Heilmittelerbringern geforderten Direktzugang ohne ärztliche (Differenzial-)Diagnostik und Indikation ab. Direct Access unterläuft nach ihrer Auffassung die imSGB V vorgesehene Steuerungsfunktion des Arztes für nachfolgende Behandlungenbzw. kehrt sie zumindest in dem von den Physiotherapeuten vorgesehenen Indikations-bereichen um. Durch die Umkehr der Reihenfolge wird unmittelbar der Arztvorbehaltfür diagnostische Entscheidungen und die Indikationsstellung berührt bzw. die bisheri-ge Differenzierung von Diagnostik durch den Arzt und Befunderhebung durch denPhysiotherapeuten aufgelöst.

Die Konsequenzen für die bisher bei den Ärzten liegende Budgetverantwortung sindvöllig offen. Die derzeitig klare Aufgabenstellung: (Differenzial-)Diagnostik/Indika-tionsstellung für Heilmittel (z. B. Physiotherapie) durch den Arzt, Befunderhebung undTherapie durch den Heilmittelerbringer (z. B. Physiotherapeuten) stellt keine überflüs-sige oder kostenträchtige Doppelstruktur dar, sondern ist eine notwendige und nur par-tielle Überschneidung beider Arbeitsfelder, wie sie sich bei einer arbeitsteiligen Vorge-hensweise am Patienten immer zwangsläufig ergibt. Die Übertragbarkeit z. B. schotti-scher Studien auf das deutsche Gesundheitswesen mit seinem hohen Ausgangs-versorgungsniveau ist zu bezweifeln.

Für die Zukunft ist zu überlegen, wie der zweifellos hohen professionellen Kompetenzder Heilmittelerbringer durch adäquate Kooperationsstrukturen evtl. stärker Rechnunggetragen werden kann, z. B. um eine raschere Versorgung mit Anschlussheilbehand-lungen zu ermöglichen. Die Bundesärztekammer steht hier in einem intensiven Dialogsowohl mit den Physiotherapieverbänden als auch den ärztlichen Fachgesellschaftenund Berufsverbänden.

10.3.7 Operationstechnische Assistenz

Die Bundesärztekammer wirkte im Berichtsjahr in einer Expertengruppe beim Ministe-rium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zur Vorbe-reitung einer Bundesratsinitiative für eine gesetzliche Regelung einer Ausbildung zuroperationstechnischen Assistenz (OTA) als Gesundheitsberuf nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19Grundgesetz mit und nahm an zwei Besprechungen hierzu am 1. April sowie 9. Sep-tember 2008 mit Vertretern der Länder, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, desVerbandes der Angestellten-Krankenkassen und des OTA-Schulträgerverbandes teil.

Zwar hält die Bundesärztekammer die Überführung dieser Ausbildung in die dualeAusbildungsform nach Berufsbildungsgesetz für wünschenswert und sinnvoll, so wiedies derzeit auf Landesebene in Schleswig-Holstein geregelt ist. Die duale Ausbildungist insbesondere im berufsschulischen Bereich qualitativ hochstehend, bietet diegewünschten Arbeitsmarktchancen für die Jugendlichen und ist vor allem unter Finan-zierungsaspekten (Finanzierung außerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung)angesichts neuer Entgeltformen im Krankenhaus die bessere Lösung.

Allerdings bieten die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse keine Chancen für eine Reali-sierung dieser Option. Darüber hinaus wurden ausschließlich positive Erfahrungen mit

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der bisherigen Ausbildung zum OTA nach DKG-Richtlinie gemacht (insbesonderewegen des hohen Bildungsstandards der Bewerber).

Deshalb hat die Bundesärztekammer aus pragmatischen Gründen an der Vorbereitungdes Berufsgesetzes konstruktiv mitgearbeitet und dabei folgende Konditionen formu-liert:

– Saubere Schnittstellenlösung zum Arzt in Bezug auf delegierbare Leistungen; der bis-herige Aufgabenbereich des OTA nach DKG-Richtlinie ist beizubehalten.

– Die Finanzierungsfrage darf nicht zu Lasten der Ärzteschaft gelöst werden (etwadurch Beeinträchtigung der Aus-/Weiterbildung, Reduzierung von Stellen oderGehältern); im Zweifelsfalle ist die Erhöhung des Budgets zu fordern.

– Die Qualität der Ausbildung (schulische/praktische Rahmenbedingungen) mussgesichert sein.

– Die Beschäftigung von OTAs darf nicht zur Absenkung des Facharztstandards füh-ren.

Im Ergebnis wurde in der Entwurfsfassung den wesentlichen Forderungen der Bundes-ärztekammer Rechnung getragen. Sie soll nach der Diskussion auf Länderebene disku-tiert und dann in der kommenden Legislaturperiode über den Bundesrat in den Bundes-tag eingebracht werden.

10.4 Tarifangelegenheiten des Praxispersonals

Im Jahre 1968 wurde die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungender Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten als (AAA) tariffähige Arbeitgeber-vereinigung gebildet. Seit dem 01.04.1969 wurden 33 Gehaltstarifverträge und 13 Man-teltarifverträge mit dem Verband medizinischer Fachberufe (bis 2005: Berufsverband derArzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen), dem Verband weiblicher Arbeitnehmer (bis2002) sowie der Deutschen Angestellten Gewerkschaft und zwischen 1992 und 2002wieder mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr bzw. Verein-ten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) abgeschlossen. Die Geschäftsstelle wurdewegen der überregionalen Bedeutung und der ordnungspolitischen Funktion bei derBundesärztekammer angesiedelt.

Angesichts des vom Verband medizinischer Fachberufe am 15.09.2008 gekündigtenGehaltstarifvertrages vom November 2007 und der Hoffnungen der Fachangestelltenauf deutliche Gehaltserhöhungen aufgrund der Erhöhung des ärztlichen Gesamtbud-gets um 10 % ab 2009 zeigt sich erneut das Dilemma der ärztlichen Arbeitgeber, dass esim ambulanten Gesundheitswesen wegen der fortbestehenden Budgetierung wenigSpielraum für Gehaltserhöhungen gibt. Die regionalen Steigerungsraten des Budgetsliegen in großen KV-Bereichen im Westen bei durchschnittlich 6,9 %, die Grundlohn-summensteigerungsrate für 2009 bei 1,41 %. Anders als im stationären Bereich hat derGesetzgeber keine Möglichkeit vorgesehen, tarifvertragliche Gehaltssteigerungenzumindest teilweise durch die GKV zu refinanzieren. Deshalb wurden auch in einigen

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Ärztetagsbeschlüssen in 2007 Vergütungszuschläge für Personalausgaben gefordert.Leider ist es trotz intensiver Bemühungen gemeinsam mit der KassenärztlichenBundesvereinigung nicht gelungen, in den EBM-Verhandlungen sowie im ErweitertenBewertungsausschuss im Oktober 2007 Krankenkassen und Bundesministerium fürGesundheit dazu zu bewegen, für 2008 die Personalkostenkomponente bei einer Erhö-hung der Gesamtvergütung angemessen zu berücksichtigen.

Andererseits sollten langfristig Lohnsteigerungen für das Personal realisiert werden, dieder Leistung und dem Beitrag von Medizinischen Fachangestellten/Arzthelferinnen zurPatientenversorgung gerecht werden. Mit rund 320.000 Beschäftigten sollen sie zukünf-tig eine verstärkte strukturelle Komponente in der ambulanten Versorgung darstellen;ihr Potential muss angesichts geänderter Versorgungsbedarfe und -strukturen stärkereinbezogen und genutzt werden. Durch die neue Ausbildungsverordnung, die zum01.08.2006 in Kraft getreten ist, wurde der Beruf von den Inhalten her deutlich moder-nisiert und aufgewertet und auf die neuen Erfordernisse der Patientenversorgung aus-gerichtet (Koordinierungs- und Betreuungsfunktion, insbesondere bei älteren, multi-morbiden, chronisch kranken und pflegebedürftigen Patienten, aber auch wachsendeAufgaben in der Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation, im Praxis- undQualitätsmanagement, in der Dokumentation). Dadurch bietet sich der Beruf verstärktfür die Übernahme delegierbarer Leistungen an, insbesondere auch zur Entlastung vonHausärzten. Neue Muster-Fortbildungscurricula sowie die Aufstiegsfortbildung „Fach-wirtin für ambulante medizinische Versorgung“ der Bundesärztekammer sollen diesesZiel unterstützen.

Im letzten Tarifabschluss vom 22.11.2007 hat die AAA mit dem Verband medizinischerFachberufe einen Gehalts- und einen Manteltarifvertrag sowie einen Tarifvertrag zurbetrieblichen Altersversorgung und Entgeltumwandlung abgeschlossen. Sie brachtendeutliche inhaltliche und strukturelle Fortentwicklungen: Medizinische Fachangestell-te/Arzthelferinnen erhielten ab 01.01.2008 2,5 % mehr Gehalt. Der Ostabschlag bei denGehältern in den neuen Bundesländern in Höhe von 14,75 % entfiel. Die Ausbildungs-vergütungen Ost wurden ebenfalls auf Westniveau angehoben; weitere Erhöhungen gabes hier allerdings nicht. Arbeitnehmerinnen und Auszubildende haben seit dem01.04.2008 erstmalig einen Anspruch auf einen Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichenAltersversorgung. Er beträgt für Vollzeitbeschäftigte und Teilzeitbeschäftigte ab 18 Stun-den wöchentlich 20 € monatlich, für Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 18 Stunden wöchent-lich 10 Euro. Der Zuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen wird im Gegenzugzum 31.12.2014 entfallen.

Im Gehaltstarifvertrag ist die seit 1990 bewährte Strukturierung der Gehaltstabelle inTätigkeits- und Berufsjahrgruppen beibehalten worden. Folgende Neuerungen sind zunennen: Der Durchstieg in höhere Tätigkeitsgruppen aufgrund Qualifizierung ist nunrascher als bisher möglich: Die bisherige Wartezeit von drei Jahren für Tätigkeitsgruppe 2ist entfallen, die Wartezeit für die Tätigkeitsgruppen 3 und 4 wurde auf drei Jahre ver-kürzt. Dies trägt der Dynamik in den Arztpraxen und den Erwartungen junger bildungs-und leistungswilliger Frauen Rechnung. Des Weiteren wurde die Tabelle um einezusätzliche Berufsjahrgruppe erweitert, um auch den zunehmend länger im Berufsle-ben verbleibenden Mitarbeiterinnen noch Perspektiven und Anreize zu geben. DieDefinition der Tätigkeitsgruppe 1 wurde gemäß der gestiegenen Anforderungen sowie

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der in den Arztpraxen gelebten Realität angepasst; sie entspricht inhaltlich der früherenTätigkeitsgruppe 2. Die Definitionen der Tätigkeitsgruppen 2 bis 4 wurden entspre-chend modifiziert, sie enthalten aber nach wie vor eine „aufsteigende“ Beschreibungnach zunehmender Selbstständigkeit, Komplexität der Tätigkeiten, abgeleisteter Fortbil-dung und Leitungsaufgaben. Zusätzlich wurde der Umfang absolvierter Fortbildungs-maßnahmen, die einstufungsrelevant sind, quantifiziert, und zwar mit 40 Stunden fürTätigkeitsgruppe II, 120 Stunden für Tätigkeitsgruppe III und 280 Stunden für Tätig-keitsgruppe IV. Wie bisher gilt, dass nicht die Fortbildung an sich, sondern die ausge-führte Tätigkeit Grundlage der Eingruppierung ist.

Als Ordnungsfaktor bei den Arbeitsbedingungen ist die AAA vor 40 Jahren mit demAnspruch gegründet worden, den Mindeststandard in den Beschäftigungsbedingungenfestzulegen und eine normierende Funktion im Gehaltsgefüge auszuüben. Diese Funk-tion hat die AAA rückblickend gesehen mit Erfolg wahrgenommen. Dass sie diese regu-lative Funktion immer noch erfüllt, zeigt nicht nur die Gestaltung der betrieblichenAltersvorsorge seit dem Jahr 2002, sondern auch der noch heute beachtliche Anteil tarif-basierter Arbeitsverhältnisse sowie die weitestgehende Orientierung an den mantelta-riflichen Rahmenbedingungen in den Arbeitsverträgen, obwohl die Tarifwerke nicht all-gemeinverbindlich sind.

In der Mitgliederversammlung am 22.11.2007 wurden der Vorstand und der Tarifbeiratfür vier Jahre neu gewählt sowie Satzungsänderungen beschlossen (Name und Sitz).Neue Vorsitzende ist Dr. Cornelia Goesmann, Hannover, die Stellvertreter sind Dr. Gunter Hauptmann, Saarbrücken, und Dr. Max Kaplan, Pfaffenhausen.

Auch unter den immer schwierigeren wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Rah-menbedingungen der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass Vorstellungen von Arbeitgeber-und Arbeitnehmerseite immer noch konsensfähig sind. Die stabilisierende Wirkungvon Tarifverträgen auf den Arbeits- und Betriebsfrieden sowie auf den innerärztlichenWettbewerb um Arbeitskräfte ist nicht zu unterschätzen. Prozesse der Regionalisierungin anderen freiberuflichen Gesundheitsbereichen (z. B. bei den Zahnärzten) werdendort eher als nachteilig empfunden.

– Vgl. hierzu: www.bundesaerztekammer.de > Ambulante Versorgung > Arzthelferin/Medizinische Fachangestellte > Tarife.

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10.5 Altersversorgung/Pensionskasse der Gesundheits-

berufe (GesundheitsRente)

Nach Vorberatungen der Tarifpartner seit 2000 wurden im Januar 2002 die Eckwerteeines Entgeltumwandlungsvertrages auf der Basis der seit 2001 geltenden gesetzlichenGrundlagen (Altersvermögensgesetz und Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung)festgelegt und die Einrichtung einer spezifischen Altersversorgungseinrichtung für Pra-xispersonal in Form einer Pensionskasse beschlossen, um den rund 92.000 Arztpra-xen/ambulanten Versorgungseinrichtungen in Deutschland eine orientierende Ent-scheidungshilfe für die Durchführung der Altersversorgung ihrer Mitarbeiter zu bietenund einen Beitrag zur Zukunftssicherung im Alter durch den Aufbau einer kapitalge-deckten Altersversorgung zu leisten.

Mit dem „Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung durch Entgeltumwandlung“vom 23.01.2002 nebst Ergänzungen war für alle tariflich orientierten Arbeitsverhält-nisse formalrechtlich der Weg für die betriebliche Altersversorgung ab dem 01.01.2002frei. Der Entgeltumwandlungstarifvertrag setzte die Vorgaben und Fördermöglichkeitendes Altersvermögensgesetzes in einer Form um, die sowohl den gesetzlichen Vorgabengenügt als auch den Bedingungen in den ärztlichen Praxen und den Bedürfnissen derMedizinischen Fachangestellten Rechnung trug. Die Modalitäten sollten gewährleisten,dass mit einem Minimum an Zeit und organisatorischem und finanziellem Aufwandfür den Arzt ein Maximum an Förder- und Versorgungsleistungen für die Mitarbeitererreicht wird.

War die Altersversorgung anfangs noch rein arbeitnehmerfinanziert – die Beiträge soll-ten z. B. aus den vermögenswirksamen Leistungen gespeist werden – wurde mit demTarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung und Entgeltumwandlung vom22.11.2007, der am 01.04.2008 in Kraft trat, erstmalig eine arbeitgeberfinanzierte Ver-sorgung eingeführt.

Auf die neue tarifvertragliche Leistung eines Arbeitgeberbeitrags in Höhe von 20 bzw.10 Euro haben alle Medizinische Fachangestellten/Arzthelferinnen mit einem tarif-orientierten Arbeitsvertrag Anspruch. Dabei haben sie dabei die Wahl zwischen zweiFormen: Sie können zusätzlich zu einem VL-Vertrag einen Altersvorsorgevertragabschließen oder sie können den Arbeitgeberbeitrag mit den VL-Leistungen in einenVertrag zusammenführen: Sollten sie sich für letzteres entscheiden, dann erhalten dieArbeitnehmerinnen einen weiteren Zuschuss von 6 bzw. 3 Euro. Diese Variante istdurch den zusätzlichen Anreiz und die sich weiterhin ergebenden sozialversicherungs-rechtlichen und steuerlichen Vorteile deutlich attraktiver. Die Einbeziehung von Auszu-bildenden bereits nach der Probezeit erfolgte aus sozialpolitische Gründen: Ein frühzei-tiger Beginn ist gerade bei der Altersversorgung wichtig, da nur bei langen Vertrags-laufzeiten auch mit kleinen Sparraten aufgrund des Zinseszinseffektes einenennenswerte zusätzliche Altersversorgung aufgebaut werden kann.

Die Angestellte musste sich innerhalb von drei Monaten ab dem 01.04.2008 bzw. musssich zukünftig bei neuen Arbeitsverträgen oder Ablauf eines VL-Vertrages für eine derbeiden Varianten entscheiden. Tut sie dies nicht, erfolgt automatisch eine Anmeldung

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zur betrieblichen Altersversorgung. Die Pro bAV als Trägerin der im Jahre 2002 gemein-sam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entwickelten Pensionskasse bei der Deut-schen Ärzteversicherung wird das Anmeldeverfahren für die ärztlichen Arbeitgebermöglichst einfach gestalten.

Ab dem 01.01.2015 sind nur noch Verträge zur betrieblichen Altersversorgung möglich.Die vermögenswirksamen Leistungen werden zu diesem Zeitpunkt als tarifvertraglicheLeistung abgeschafft (Ausnahme: auslaufende VL-Verträge, die ggf. bis Ende 2014 zuläs-sigerweise noch abgeschlossen wurden). Dadurch soll sichergestellt werden, dassAltersvorsorge zur Abwendung von Altersarmut flächendeckend in den Arztpraxenimplementiert wird und dass langfristige Vorsorge einen höheren Stellenwert als kurz-fristig orientierter Konsum enthält.

Der Tarifvertrag sieht als Durchführungsweg das Pensionskassenmodell vor. Diese Ent-scheidung wurde unter den Tarifvertragsparteien nach eingehender Prüfung, insbeson-dere hinsichtlich der Kosten für den Arbeitgeber (Wegfall der Insolvenzsicherung undSteuerfreiheit für Arbeitgeberbeiträge) und der (steuerlichen) Vorteile und Fördermög-lichkeiten für die Medizinischen Fachangestellten in 2002 einvernehmlich getroffen.Gleichzeitig wurde die Schaffung einer eigenständigen Versorgungseinrichtung fürPraxispersonal beschlossen. Diese bietet i. S. einer Gruppenversicherung alle wün-schenswerten Vorteile hinsichtlich Rendite, Verwaltungskosten, Logistik und Beratungsowie Ablaufleistung. Mit Unterstützung eines renommierten externen Beraters wurdeauf der Basis eines Ausschreibungs- und Auswahlverfahrens zwischen April und Ok-tober 2002 der Träger dieser Versorgungseinrichtung ausgewählt; die Entscheidung fiel– gemeinsam und einvernehmlich mit dem Arzthelferinnenverband und der Zahnärz-teschaft (Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Zahnarzthel-ferinnen) – zu Gunsten der Deutschen Ärzteversicherung, Köln, gemeinsam mit derDeutschen Apotheker- und Ärztebank, Düsseldorf, aus. Die Vorstände von Bundesärz-tekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung haben dies am 27.09.2002 zustim-mend zur Kenntnis genommen.

Nach Abschluss einer Kooperationsvereinbarung im Oktober 2002 wurde der Geschäfts-betrieb unverzüglich aufgenommen. Die Deutsche Ärzteversicherung (mit ihrem spe-ziell gegründeten Risikoträger Pro bAV) bot zunächst einen Vorsorgetarif in Form einerfondsgebundenen Rentenversicherung an, optional ergänzbar um eine Berufsunfähig-keitszusatzversicherung. Im Sommer 2003 kam als alternative Möglichkeit ein klassi-scher Rententarif mit Garantiezins hinzu.

Die Gründungsmitglieder begleiteten die Implementierung intensiv in Form eines Len-kungsausschusses und seit Oktober 2003 im Rahmen eines neu geschaffenen Beirates,in den durch die Mitgliederversammlung der AAA am 19.09.2006 für die ÄrzteschaftSan.-Rat Peter Sauermann, Hamburg, Dr. Klaus Uffelmann, Gemünden und Dipl.-Volksw. Franz Stobrawa, Bonn, wieder berufen wurden. Die Abschlusszahlen bliebenzunächst trotz der Einbindung von MLP, Heidelberg, in den Vertrieb seit April 2005quantitativ hinter den anspruchsvollen Vorgaben zurück, was im Wesentlichen auf dieZurückhaltung des Verbrauchers im Bereich „Altersversorgung“ aufgrund der wirt-schaftlichen Gesamtsituation zurückzuführen ist; dies betrifft alle Anbieter in Deutsch-land gleichermaßen.

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Seit tarifvertraglich ab April 2008 ergänzend zur Entgeltumwandlung eine „echte“betriebliche Altersversorgung in Form eines Arbeitgeberbeitrages und eines Zuschus-ses zur Entgeltumwandlung geschaffen sowie die Überführung der vermögenswirksa-men Leistungen in die Altersversorgung bis Ende 2014 festgelegt wurde, kam es zu demerhofften Schub der Abschlusszahlen. In 2008 wurden weitere 13.092 Verträge (Stand30.11.2008) von ärztlichen Arbeitgebern für ihre Mitarbeiter abgeschlossen, so dassnunmehr insgesamt bis diesem Zeitpunkt 17.671 Altersvorsorgeverträge vorliegen. Die-ser bemerkenswerte Erfolg – auch aufgrund intensiver Begleitung durch die AAA, z. B.durch Berichterstattung im Deutschen Ärzteblatt (s. Dtsch Arztebl, 2008; 105: A 498 f.,Heft 10) und eines Begleitschreibens für eine Direkt-Mailing-Aktion im März 2008 –zeigt, dass die GesundheitsRente ein guter und attraktiver Weg ist, die sozialpolitischeVerantwortung der Ärzteschaft für ihre Mitarbeiter in den Arztpraxen sowie die perso-nelle Sicherstellung der ambulanten Versorgung durch die Bindung motivierter Ange-stellter umzusetzen.

Angesichts des rasch wachsenden Beitrags- und Anlagenvolumen wird in 2009 über einGesamtkonzept zur Weiterentwicklung der GesundheitsRente beraten und entschiedenwerden. Das Modell „GesundheitsRente“ steht auch anderen Berufsgruppen und Insti-tutionen/Arbeitgebern im Gesundheitsbereich offen.

– Vgl. hierzu www.bundesaerztekammer.de > Ambulante Versorgung > Arzthelferin/Medizinische Fachangestellte > Tarife.

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