1. jahresversammlung der „deutschen gesellschaft für geschichte und theorie der biologie e.v.”

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MrrTEILUNGEN- NEWS 1. Jahresversammlung der ,,Deutschen Gesellschaft far Geschichte und Theorie der Biologie e.V." Hans-JOrg Rheinberger Vom 25. bis 28. Jmai 1992 fand in Marburg die erste Jahresversammlung der,,Deutschen Gesellschaft ftir Geschichte und Theorie der Biologie e.V." statt. Die Gesellschaft war im Jahr zuvor, am 29. Jmai 1991, in Jena von rand 70 Biologen mad Wissenschaftshistorikem gegriinclet worden mad z~hlt heute etwa 200 Mitglieder. Sie hat das Ziel, den biologiehistorisch mad biologietheoretisch interessierten Arbeitsgruppen mad Wissenschaftlem aus den alten mad den neuen Bundesliindern ein gemeinsames Forum der Verst/indigung und des Austausches zu bieten. Auch Biologiehistoriker aus England, Holland, Italien, Osterreich, der Schweiz and den USA haben ihr Interesse an einer Gesellschaft in Deutschland bekmadet, die Forschung und Lehre tiber Geschichte und Theorie aller Fachgebiete der heute stark differenzierten Biowissenschaften f6rdem sowie in der Offenflichkeit, an Hochschulen und Forsehungseinrichtungen wirksamer als bisher vertreten will. In Jena wurde eine Satzmag verabschiedet sowie ein Vorstand (dem ein Delegierter der ,,Gesellschaft zur Grfindung mad F6rde- rung eines Museums far Biologiegeschichte e.V." angeh6rt) auf zwei Jahre gewahlt (Vorsitzende: Univ.Doz. Dr. Ilse Jahn). Die Gesellschaft steht allen Interessierten often. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 30.- DM (10.- DM far Studenten) festgelegt. Zur ersten Mitgliederversammlung und Jahrestagung batten sich 90 Teilnehmer in Marburg zusammengefunden. Die Tagmag wurde dureh den Prodekan des Fachbereichs Biologie der Philips- Universit~it Marburg, Prof. Dr. Senger, und den Vorsitzenden tier Union deutscher biologischer Gesellschaften, Prof. Dr. Duncker aus Gie~n in der Alten Aula der Universitat er~ffnet. In seiner BegrfiBmagsansprache formulierte Prof. Dr. Ernst Mayr aus Cambridge (USA) drei Aufgaben far die neugegrtindete Gesellschaft: Erstens soilte es das Anliegen der Biologiehistoriker sein, besonders die biologische Tradition des 19. Jahrhunderts, die zu einem betr~htiichen Anteil ,,deutsch geschrie- ben" sei, zu erschliel]en und ins historische Bewul3tsein zu heben. Zweitens mtigten die biologischen Wissenschaften in ihrer Brfickenfunktion zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften gesehen werden. Daraus erwachse ein spezifischer interdisziplin~'er Auftrag an die Biologiehisto- riker mad -theoretiker zur Oberwindang jener geistigen Spaltung, die ihren Audruck im geflUgelten Won von den ,,zwei Kulturen" gefmaden hat. Drittens gelte es, die immer noch von den sogenannten ,,exakten Wissenschaften" dominierte ,,philosophy of science" durch die Hereirmahme der Biologie auf eine neue Stufe der Reflexion zu heben mad damit auf lange Sicht das herrschende Bild der Wissenschaften ,,umzubauen". Die anschlie~nden Fachsitzungen fanden im Tagungslokal des Universitatsmuseums (Ernst- von-Hiilsen-Haus) statt. Auf Wunsch der Griindungsversammlung gab es auf dieser ersten Jahres- tagung keine Themenbeschr~kung. Ks sollte das garlze Spektrum der in der Gesellsehaft vertretenen Interessen zu Wort kommen k6nnen. Dennoch liegen sich die 25 gehaltenen Referate einer Reihe von Schwerpunkten zuordnen: das Verh~Imis der Biologie zur Philosophie, zu Literatur, Kmast mad Sprachwissenschaften; der Versuch einer Orientierung darfiber, was man unter ,,Theorie der Biolo- gie" zu verstehen habe; die Methodenreflexion tiber eine Biologiegeschichte, die den Anspruch hat, aus den engen Grenzen einer biologischen ,,Hausgeschichtsschreibung" herauszutreten; Beitr~ge zu einzelnen Forscherpers6nlichkeiten und zur institutionellen Entwicklung cler Biologie an einzelnen Universit~iten and Forschungsst~itten; die Entwicklung einzelner biologischer Disziplinen, For- schungsbereiche mad ihr Verh~ltnis zueinander, die RoUe der Biologiegeschichte in der Didaktik der Biologie. Trotz lebhafter Diskussion empfanden es viele Tagungsteilnehmer als Mangel, dal3 sich die breitgestreuten Beitr~ge nicht immer auf eine tibergreifende Thematik beziehen liegen. Dem Wunsch nach thematischer Zentrierung soU aufder n~ichsten Jahresversammlung Rechnmag getragen werden. Die Beitr~ige wie das Spektrum der Mitglieder zeigen, dab sich die neugegrtindete Gesellschaft einer vierfachen Herausforderung zu stellen hat: Zum einen mul$ sie anstreben, sich mit dem Stand 68

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Page 1: 1. Jahresversammlung der „Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e.V.”

MrrTEILUNGEN- NEWS

1. Jahresversammlung der ,,Deutschen Gesellschaft far Geschichte und Theorie der Biologie e.V."

Hans-JOrg Rheinberger

Vom 25. bis 28. Jmai 1992 fand in Marburg die erste Jahresversammlung der,,Deutschen Gesellschaft ftir Geschichte und Theorie der Biologie e.V." statt. Die Gesellschaft war im Jahr zuvor, am 29. Jmai 1991, in Jena von rand 70 Biologen mad Wissenschaftshistorikem gegriinclet worden mad z~hlt heute etwa 200 Mitglieder. Sie hat das Ziel, den biologiehistorisch mad biologietheoretisch interessierten Arbeitsgruppen mad Wissenschaftlem aus den alten mad den neuen Bundesliindern ein gemeinsames Forum der Verst/indigung und des Austausches zu bieten. Auch Biologiehistoriker aus England, Holland, Italien, Osterreich, der Schweiz and den USA haben ihr Interesse an einer Gesellschaft in Deutschland bekmadet, die Forschung und Lehre tiber Geschichte und Theorie aller Fachgebiete der heute stark differenzierten Biowissenschaften f6rdem sowie in der Offenflichkeit, an Hochschulen und Forsehungseinrichtungen wirksamer als bisher vertreten will. In Jena wurde eine Satzmag verabschiedet sowie ein Vorstand (dem ein Delegierter der ,,Gesellschaft zur Grfindung mad F6rde- rung eines Museums far Biologiegeschichte e.V." angeh6rt) auf zwei Jahre gewahlt (Vorsitzende: Univ.Doz. Dr. Ilse Jahn). Die Gesellschaft steht allen Interessierten often. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 30.- DM (10.- DM far Studenten) festgelegt.

Zur ersten Mitgliederversammlung und Jahrestagung batten sich 90 Teilnehmer in Marburg zusammengefunden. Die Tagmag wurde dureh den Prodekan des Fachbereichs Biologie der Philips- Universit~it Marburg, Prof. Dr. Senger, und den Vorsitzenden tier Union deutscher biologischer Gesellschaften, Prof. Dr. Duncker aus Gie~n in der Alten Aula der Universitat er~ffnet. In seiner BegrfiBmagsansprache formulierte Prof. Dr. Ernst Mayr aus Cambridge (USA) drei Aufgaben far die neugegrtindete Gesellschaft: Erstens soilte es das Anliegen der Biologiehistoriker sein, besonders die biologische Tradition des 19. Jahrhunderts, die zu einem betr~htiichen Anteil ,,deutsch geschrie- ben" sei, zu erschliel]en und ins historische Bewul3tsein zu heben. Zweitens mtigten die biologischen Wissenschaften in ihrer Brfickenfunktion zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften gesehen werden. Daraus erwachse ein spezifischer interdisziplin~'er Auftrag an die Biologiehisto- riker mad -theoretiker zur Oberwindang jener geistigen Spaltung, die ihren Audruck im geflUgelten Won von den ,,zwei Kulturen" gefmaden hat. Drittens gelte es, die immer noch von den sogenannten ,,exakten Wissenschaften" dominierte ,,philosophy of science" durch die Hereirmahme der Biologie auf eine neue Stufe der Reflexion zu heben mad damit auf lange Sicht das herrschende Bild der Wissenschaften ,,umzubauen".

Die anschlie~nden Fachsitzungen fanden im Tagungslokal des Universitatsmuseums (Ernst- von-Hiilsen-Haus) statt. Auf Wunsch der Griindungsversammlung gab es auf dieser ersten Jahres- tagung keine Themenbeschr~kung. Ks sollte das garlze Spektrum der in der Gesellsehaft vertretenen Interessen zu Wort kommen k6nnen. Dennoch liegen sich die 25 gehaltenen Referate einer Reihe von Schwerpunkten zuordnen: das Verh~Imis der Biologie zur Philosophie, zu Literatur, Kmast mad Sprachwissenschaften; der Versuch einer Orientierung darfiber, was man unter ,,Theorie der Biolo- gie" zu verstehen habe; die Methodenreflexion tiber eine Biologiegeschichte, die den Anspruch hat, aus den engen Grenzen einer biologischen ,,Hausgeschichtsschreibung" herauszutreten; Beitr~ge zu einzelnen Forscherpers6nlichkeiten und zur institutionellen Entwicklung cler Biologie an einzelnen Universit~iten and Forschungsst~itten; die Entwicklung einzelner biologischer Disziplinen, For- schungsbereiche mad ihr Verh~ltnis zueinander, die RoUe der Biologiegeschichte in der Didaktik der Biologie.

Trotz lebhafter Diskussion empfanden es viele Tagungsteilnehmer als Mangel, dal3 sich die breitgestreuten Beitr~ge nicht immer auf eine tibergreifende Thematik beziehen liegen. Dem Wunsch nach thematischer Zentrierung soU aufder n~ichsten Jahresversammlung Rechnmag getragen werden.

Die Beitr~ige wie das Spektrum der Mitglieder zeigen, dab sich die neugegrtindete Gesellschaft einer vierfachen Herausforderung zu stellen hat: Zum einen mul$ sie anstreben, sich mit dem Stand

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der Methodenreflexion in der Biologiegeschichtsschreibung insbesondere in Italien, Frankreich, England und den USA auseinanderzusetzen und entsprechende Kontakte auf ihren ktinftigen Versammlungen zu verst~rken. Zum anderen mu6 sie die historische und theoretische Diskussion in den Biowissenschaften zu biindeln versuchen und aktuelle methodische Fragestellungen (Theorien der Selbstorganisation, ,,social conslructivism", historische Anthropologie) und Problemkomplexe (Entwicklung der Evolutionstheorie, Organismuskonzepte, Gentechnologie) aufgreifen. Sie mu6 aber auch often bleiben for einen positiv verstandenen ,,Dilettantismus", der die Tatsache berfick- sichtigt, dab Biologie, historisch und aktuell, nicht nur ein akademisches, sondern auch ein gesell- schaftliches und kulturelles Phanomen darstellt. Hier kann und soil die neugegrtindete Gesellschaft eine Scharnierfunktion haben. Schlie61ich geht es darum, gerade auch den biologiehistorisch interessierten Studenten, die einen ansehnlichen Teil der Mitglieder der Gesellschaft ausmachen, alle verftigbaren M6glichkeiten zur Orientierung und zum Erfahrungsaustausch zu geben.

Kontaktadresse: Deutsche Gesellschaft fOr Geschichte und Theorie der Biologie Dr. Hans-J6rg Rheinberger, Gesch~tsfiihrer Institut fiir Medizin- und Wissenschaftsgeschichte Medizinische Universit~t zu Ltibeck K6nigstr. 42 D-W-2400 Liibeck 1

Tagungsanktindigung

Das Kulturelle Erbe geowissenschaftlicher und montanwissenschaftlicher Bibliotheken - Vergangenheit, Gegenwart und Strategie fiir das neue Jahrtausend.

Die geowissenschaftlichen und montanwissenschaftlichen Bibliotheken Europas (und anderer Kon- tinente) verftigen beztiglich ,,alter" Bticher, Handschriften, Rissen, Karten und Nachl~issen, gele- gentlich auch Mtinzen, Medaillen, Zinnfiguren, Schnitzereien u.v.a., tiber ein reiches Kulturelles Erbe. Die hohe Bedeutung dieser Best~nde kennen Bibliothekare, Historiker, Restauratoren, Anti- quare, Akademien, wissenschaftliche Gesellschaften und Vereine, der Denkmalschutz und viele andere ...

Im September 1993 wird zu oben genannter Thematik in Freiberg (Sachsen) ein mehrtatiges intemationales Symposium stattf'mden. Veranstalter dieser Tagung sind die Abteilung Wissenschaft- licher Altbestand der Bibliothek der Bergakademie Freiberg und die Universit~tsbilbiothek der Montanuniversit~t Leoben.

Im Interesse der effektiven Vorbereitung des Symposiums bitten wir alle, uns schon jetzt ihre diesbeztiglichen Wtinsche, Hinweise und Vortragsangebote etc. mitzuteilen.

FOr Ihre Rtickaut3erungen danken wit lhnen im voraus verbindlich.

Mit vorztiglichem Gltickauf

Dr. Peter Schmidt Bibliothek der Bergakademie Freiberg Schliel3fach 47 D-O-9200 Freiberg (Sachsen) Tel.: 51 32 35

Dr. Liselotte Jontes Universit~tsbibliothek der Montanuniversi~t Leoben Franz-Josef-Stra~ 18 A-8700 Leoben Tel.: (03842) 42 555/275

NTM N.S. 1 (1993) 69