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277 17. Streß und Coping als Einflußfaktoren Meinrad Perrez, Anton-Rupert Laireiter und Urs Baumann Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Begriffe «Streß» und «Streßprozeß» . . . . . . 278 3. Stressoren und ihre Zusammenhänge mit psychischen Störungen . . . . . . . . . . . . 280 3.1 Mögliche Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . 280 3.2 Kritische Lebensereignisse (Makrostressoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3.2.1 Begriff «Kritische Lebensereignisse» . . . . 280 3.2.2 Zusammenhänge mit psychischen Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3.3 Traumatische Ereignisse und traumatischer Streß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3.3.1 Die Begriffe «Trauma» und «traumatischer Streß» . . . . . . . . . . . . . . . . 283 3.3.2 Zusammenhänge mit psychischen Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3.4 Alltagsbelastungen (Mikrostressoren) und ihre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3.5 Chronische Belastungen und ihre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4. Faktoren, die den Zusammenhang von Stressoren mit psychischen Störungen moderieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.1 Persönlichkeitsmerkmale als Vermittlungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.2 Merkmale der Belastungsverarbeitung (Coping) als Vermittlungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4.2.1 Konzepte der Belastungsverarbeitung . . . 287 4.2.2 Einflüsse der Belastungsbewältigung auf Wohlbefinden und psychische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4.3 Merkmale der sozialen Umwelt als Belastungsmoderatoren . . . . . . . . . . . . . 291 4.3.1 Soziales Netzwerk, Soziale Unterstützung . . . 291 4.3.2 Einflüsse des Sozialen Netzwerkes und der Sozialen Unterstützung auf Wohlbefinden und psychische Störungen . . . . . . . . . . . . 292 5. Erfassung von Belastungen, Belastungsreaktionen, Belastungsverarbeitung (Coping) und Sozialem Netzwerk, Sozialer Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . 295 5.1 Erfassung von Stressoren . . . . . . . . . . . . . . 295 5.2 Erfassung von Belastungsreaktionen . . . . . 297 5.3 Belastungsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5.4 Soziales Netzwerk, Soziale Unterstützung . . . 299 6. Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 7. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Einleitung Daß vorübergehende schwere oder kleinere und mittlere chronische Belastungen Ursache oder Auslöser psychischer Störungen sein können, ist keine Erkenntnis der neueren Forschung. Robert Burton, ein gelehrter Oxforder Kanoni- kus, hat bereits 1621 in seinem Buch über die «Anatomie der Melancholie» die noxischen Einflüsse von Ereignissen wie unglückliche Hei- rat, Verarmung usw. auf depressive Störungen beschrieben. Dieses Wissen gehört zum Erfah- rungsschatz aller Kulturen, die deswegen für die Bewältigung schwerer Belastungen wie z. B. den Tod von Angehörigen oder den Abschied von geliebten Personen Rituale entwickelt haben. Unklar ist indessen, ob solche Ereignisse wirk- lich Ursache oder Auslöser sind; wie die große Variabilität der Reaktionen auf Belastungen zu Herrn Lic. phil. Marius Zbinden danken wir für hilfrei- che Hinweise bei der Vorbereitung dieses Kapitels.

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277

17. Streß und Coping als EinflußfaktorenMeinrad Perrez, Anton-Rupert Laireiter und Urs Baumann

Inhaltsverzeichnis1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

2. Begriffe «Streß» und «Streßprozeß» . . . . . . 278

3. Stressoren und ihre Zusammenhängemit psychischen Störungen . . . . . . . . . . . . 280

3.1 Mögliche Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . 2803.2 Kritische Lebensereignisse

(Makrostressoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2803.2.1 Begriff «Kritische Lebensereignisse» . . . . 2803.2.2 Zusammenhänge mit psychischen

Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2813.3 Traumatische Ereignisse und

traumatischer Streß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2833.3.1 Die Begriffe «Trauma» und

«traumatischer Streß» . . . . . . . . . . . . . . . . 2833.3.2 Zusammenhänge mit psychischen

Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2843.4 Alltagsbelastungen (Mikrostressoren) und

ihre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2843.5 Chronische Belastungen und

ihre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

4. Faktoren, die den Zusammenhang vonStressoren mit psychischen Störungenmoderieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

4.1 Persönlichkeitsmerkmale alsVermittlungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

4.2 Merkmale der Belastungsverarbeitung (Coping)als Vermittlungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

4.2.1 Konzepte der Belastungsverarbeitung . . . 2874.2.2 Einflüsse der Belastungsbewältigung

auf Wohlbefinden und psychischeStörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

4.3 Merkmale der sozialen Umweltals Belastungsmoderatoren . . . . . . . . . . . . . 291

4.3.1 Soziales Netzwerk, Soziale Unterstützung . . . 2914.3.2 Einflüsse des Sozialen Netzwerkes und der

Sozialen Unterstützung auf Wohlbefindenund psychische Störungen . . . . . . . . . . . . 292

5. Erfassung von Belastungen,Belastungsreaktionen, Belastungsverarbeitung(Coping) und Sozialem Netzwerk,Sozialer Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . 295

5.1 Erfassung von Stressoren . . . . . . . . . . . . . . 2955.2 Erfassung von Belastungsreaktionen . . . . . 2975.3 Belastungsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . 2985.4 Soziales Netzwerk, Soziale Unterstützung . . . 299

6. Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

7. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

1. EinleitungDaß vorübergehende schwere oder kleinere undmittlere chronische Belastungen Ursache oderAuslöser psychischer Störungen sein können,ist keine Erkenntnis der neueren Forschung.Robert Burton, ein gelehrter Oxforder Kanoni-kus, hat bereits 1621 in seinem Buch über die

«Anatomie der Melancholie» die noxischenEinflüsse von Ereignissen wie unglückliche Hei-rat, Verarmung usw. auf depressive Störungenbeschrieben. Dieses Wissen gehört zum Erfah-rungsschatz aller Kulturen, die deswegen für dieBewältigung schwerer Belastungen wie z.B. denTod von Angehörigen oder den Abschied vongeliebten Personen Rituale entwickelt haben.Unklar ist indessen, ob solche Ereignisse wirk-lich Ursache oder Auslöser sind; wie die großeVariabilität der Reaktionen auf Belastungen zu

Herrn Lic. phil. Marius Zbinden danken wir für hilfrei-che Hinweise bei der Vorbereitung dieses Kapitels.

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278 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

erklären ist; warum gewisse Personen sehrschnell mit Beeinträchtigungen gewisser psy-chischer und/oder somatischer Funktionen rea-gieren und andere es verstehen, aus Nöten Tu-genden zu machen oder sich als resistenterweisen. Ebenso besitzt das Alltagswissen kei-ne klaren und abgesicherten Taxonomien vonBelastungsarten. Derartige Fragen sucht diemoderne Streßforschung zu beantworten.

Die Streßforschung hat unterschiedlicheWurzeln und Stationen, auf die hier nichteingegangen werden kann. Einige Stichwortesollen dies verdeutlichen: tierexperimentelleForschung von Cannon, psychosomatischeStreßforschung von Wolff, endokrinologischeForschung von Selye, Life-event-Forschungvon Holmes und Rahe, psychologisches Streß-modell von Lazarus, ökologische Ansätze zumEinfluß der Umwelt auf den Menschen, Er-forschung der Arbeitsbelastungen, Trauma-forschung (insbesondere Kriegstrauma), Er-forschung interpersonaler Belastungen, Angst-forschung, Aktivierungsforschung, Krankheits-bewältigung (vgl. Goldberger & Breznitz, 1993;Lazarus, 1991). Der folgende Text soll einenEinblick in den Stellenwert der Streßkonzeptefür die Ätiologie und Bedingungsanalyse psy-chischer Störungen geben.

2. Begriffe «Streß» und«Streßprozeß»Der Begriff «Streß» ist mehrdeutig. Mit Nitsch(1981) kann man zwischen wenigstens vier ver-schiedenen Bedeutungen unterscheiden:

• Streß als belastendes Ereignis (UV): Streß als si-tuatives oder Reizphänomen im Sinne vonmöglichen belastenden Ereignissen, teilweiseauch Stressor genannt.

• Streß als Reaktion (AV): Streß als Reaktion aufbestimmte Ereignisse, zum Teil Streßreaktion,Streßemotion oder Streßerleben genannt.

• Streß als intervenierende Variable: Streß als Zu-stand zwischen Reiz (UV) und Reaktion (AV)bzw. als vermittelnder Prozeß.

• Streß als transaktionaler Prozeß: Streß als Pro-zeß der Auseinandersetzung des Individuums

mit seiner Umwelt. Lazarus und Launier (1981)gehen davon aus, daß der transaktionale Prozeßmit einer spezifischen Bewertung eines Ereig-nisses und der eigenen Bewältigungsressourcenbeginnt, woraus gegebenenfalls Streßemotionenresultieren. Auf diese Phase des Prozesses folgenadaptive Reaktionen (Coping). Streß repräsen-tiert keinen statischen Zustand, sondern stelltein dynamisches Geschehen dar, das in ständi-ger und reziproker Interaktion (= Transaktion)zwischen Individuum und Umwelt abläuft.

Eine weitere wichtige Differenzierung wurdevon Selye (1986) durch die Begriffe «Eustress«und »Distress« vorgenommen. Als Eustress wirdein Gleichgewichtsverlust dann bezeichnet,wenn das Subjekt eine Entsprechung von Be-anspruchung und verfügbaren Ressourcen er-lebt. Der Begriff Distress ist für jene psychischenZustände und Prozesse vorbehalten, bei denenmindestens vorübergehend die Relation zwi-schen Beanspruchung und Ressourcen zu Un-gunsten der Ressourcen als gestört erscheint.

Auf der Ebene der Stressoren können die Er-eignisse nach dem Ausmaß ihrer negativen Va-lenz und nach der für die Adaptation erforder-lichen Zeit systematisiert werden (vgl. Abb. 1). Jenachdem spricht die Streßforschung eher vonkritischen Lebensereignissen, traumatischenBelastungen, Alltagsstressoren oder von chro-nischen Stressoren.

Stressoren können die physische, psychischeoder soziale Integrität beeinträchtigen. Ein ge-brochenes Bein bedroht zunächst die physischeIntegrität, wogegen eine schwere Beleidigungdie psychische und die soziale Integrität beein-trächtigt. Auf der Reaktionsseite können emo-tionale, physiologische und behaviorale Streß-reaktionen unterschieden werden. Typischeemotionale Streßreaktionen sind Angst, Traueroder Ärger; als behaviorale Reaktionen spielenFlucht und Attacke eine besondere Rolle. Diephysiologischen Reaktionsmuster sind hochkom-plex und können hier nicht abgehandelt wer-den (vgl. Birbaumer & Schmidt, 1996; Debus,Erdmann & Kallus, 1995).

Über das komplexe Zusammenwirken derverschiedenen psychologischen Faktoren, die dasStreßerleben beeinflussen, gibt es zahlreicheModelle (z.B. Filipp, 1990). Belastende Ereig-nisse allein verursachen selten psychische Stö-rungen (vgl. Abschnitt 3.2.2). Erst im Zusam-

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 279

Abbildung 1: Systematisierung der Stressoren nach negativer Valenz und der erforderlichen Readaptationszeit(Perrez, Berger & Wilhelm, 1998)

Kritische Lebensereignisse/Traumatische Ereignisse

Alltags-widrig-keiten

ChronischeStressoren

hoch

gering

Minuten Monate Jahre

NegativeValenz

Erforderliche Readaptationszeit

menspiel mit verschiedenen inneren und äus-seren Faktoren führen Stressoren zur mißlun-genen Adaptation. Über einige dieser Faktorenliegen heute empirische Befunde vor. Abbildung 2zeigt – in Anlehnung an Cohen (1992) undFolkman und Lazarus (1988) – die wichtigstenpsychologischen Faktoren, die das Streßgesche-hen vermitteln und moderieren.

Ausgangspunkte sind streßvolle Ereignisse(Stressoren). Zentrale vermittelnde Faktoren aufSeiten des Individuums sind die Bewertungs-

prozesse, die die Beurteilungen der Ereignissenach verschiedenen Gesichtspunkten (Kontrol-lierbarkeit, Ursachenzuschreibungen etc.) re-präsentieren. Diese determinieren die Art undIntensität der Streßreaktionen wesentlich mit,ebenso wie die individuellen Anpassungs- undBewältigungsprozesse des Umgangs mit denBelastungen. Dieser Prozeß wird durch Persön-lichkeitsfaktoren, Bewältigungstendenzen und-stile und Variablen der Sozialen Unterstützungund vorhandener Bezugspersonen auf komple-

Abbildung 2: Schema der Struktur des Belastungserlebens und -verarbeitens und moderierender Einflußfaktoren

Persönlichkeits-faktoren

SozialesNetzwerk,

SozialeUnterstützung

StressorValenzDauer

etc.

BewertungsprozeßKontrollierbarkeitKausalattributionRessourcen etc.

Psych. ReaktionenStreßemotionen

Physiol. ReaktionenHormonale

Hämodermale etc.

(Mal)adaptiveReaktionen

Individ. CopingInterindividuelles

Coping

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280 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

xe Weise moderiert (vgl. dazu ausführlicher Co-hen, 1992). Persönlichkeits- und soziale Merk-male können zu einer Intensivierung wie auchzu einer Reduktion in der Art, Intensität undDauer der Streßreaktion beitragen (Cohen,1992; Lazarus & Folkman, 1984). Ob diese Fak-toren Belastungen erhöhen oder puffern,hängt von vielen Bedingungen ab, u.a. vonihrer Beschaffenheit, aber auch von der Artder Belastung und ihrer Interaktion mit denanderen Moderator- und Vermittlungsvaria-blen. Die folgenden Ausführungen orientierensich an diesem Schema: Zunächst werden zen-trale Formen von Stressoren und deren Folgendargestellt. Anschließend werden Faktoren er-örtert, die das Streßerleben moderieren:Persönlichkeitsfaktoren, Copingtendenzen undMerkmale des Sozialen Netzwerkes und der So-zialen Unterstützung. Schließlich werdenUntersuchungsverfahren zur Erfassung vonStressoren, Streßreaktionen, Copingtendenzenund Netzwerk- und Unterstützungsmerkmalenvorgestellt.

3. Stressoren und ihreZusammenhänge mitpsychischen Störungen

3.1 Mögliche Zusammenhänge

Stressoren können unterschiedliche Effekte aufpsychische Störungen ausüben (vgl. auch Kap.9/Ätiologie, Bedingungsanalyse: methodischeGesichtspunkte):

• Ursache: Stressoren als Ursache stellen einenotwendige und hinreichende Bedingung fürdie Entstehung einer Störung dar; andere Ein-flußfaktoren können nicht festgestellt werden(Katschnig, 1980). Typische Beispiele wärenchronifizierte Anpassungs- und Belastungs-reaktionen wie abnorme Trauer oder die post-traumatische Belastungsstörung (s.u.).

• Teilursache oder Kodeterminante: Diese Varianteliegt dann vor, wenn andere Faktoren zusätzlichfür die Entstehung von Störungen erforderlichsind. So wird z.B. bei der Diathese-Streß-Hypo-these angenommen, daß neben den Stressorennoch eine besondere Vulnerabilität des Indivi-

duums für die Entstehung einer bestimmtenStörung vorhanden sein muß.

• Moderierende Wirkung: Stressoren können einevorhandene Störungsbedingung intensivierenund den Prozeß über einen bestimmten Grenz-wert heben, so daß die Störung offensichtlichwird. Bei vielen Pubertäts- und Adoleszenz-problemen kann eine solche moderierendeFunktion angenommen werden.

• Auslösende Wirkung: Stressoren können dieStörung auch nur auslösen, indem sie alsTriggerereignis im Vorfeld einer Störung wirkenoder am Ende einer längeren Belastungsperiodeals Ereignis den Belastungspegel über die Resi-stenzschwelle heben und so zu einer Störungs-manifestation beitragen. Zum Teil werden der-artige Funktionen im Zusammenhang mit derAuslösung schizophrener Schübe angenom-men. Das Hinzukommen eines belastendenEreignisses könnte in diesem Fall zu einer Akti-vierung maladaptiver Bewältigungs- und Ver-arbeitungsprozesse und dem Überschreiten ei-ner kritischen Schwelle bei bereits bestehendenprodromalen Symptomen führen.

• Störungsprotektive Funktionen: Das Auftreteneines belastenden Ereignisses kann aber auchzu einer Aktivierung personaler und sozialerRessourcen und dabei auch zu einer Verände-rung im Umgang mit dem vohandenen psychi-schen Problem führen.

Neben einfachen linearen Funktionen bela-stender Ereignisse sind auch komplexere Zu-sammenhänge unter Berücksichtigung andererVariablen von Bedeutung. Ebenso könnenStressoren auch eine verlaufssteuernde Funkti-on bei Vorhandensein einer Störung überneh-men (z.B. moderierender Effekt).

3.2 Kritische Lebensereignisse(Makrostressoren)

3.2.1 Begriff «Kritische Lebensereignisse»

Unter kritischen Lebensereignissen – Life Events– versteht man Ereignisse im Erlebensstrom ei-nes Menschen, die nach Filipp (1990, S. 24f)mindestens die drei folgenden Kriterien erfül-len müssen: (1) Sie sind raumzeitlich datier-

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 281

und lokalisierbar, was sie von chronischen Str-essoren abhebt. (2) Sie machen eine qualitativ-strukturelle Neuorganisation des Person-Um-weltgefüges erforderlich, was sie von passagerenAdaptationsleistungen unterscheidet. (3) Dieaffektiven Reaktionen sind nachhaltig und stel-len nicht nur kurzfristige Emotionen dar, wiesie im Alltag regelmäßig vorkommen. Dement-sprechend erfordern sie eine mittlere bis gele-gentlich längere Adaptationszeit und einen hö-heren Adaptationsaufwand als Alltagsstressoren(vgl. Abb. 1). Wir nennen sie deshalb Makro-stressoren (s. auch Katschnig, 1980; Filipp,1990; Plancherel, 1998).

Als normative kritische Lebensereignisse wer-den sie bezeichnet, wenn sie wegen ihrer biolo-gischen oder kulturellen Grundlage vorhersag-bar sind (z.B. die Pubertät, Einschulung) undbei allen Mitgliedern einer Kultur mehr oderweniger sicher auftreten. Entsprechend sind dienicht-normativen kritischen Lebensereignissedurch ihre Plötzlichkeit und Nichtvorhersag-barkeit charakterisiert, wie z.B. der plötzlicheTod einer nahen Person. Als kritische Lebens-ereignisse können sowohl positive (= erwünsch-te, mit sozial deutlich positiven Valenzen ver-knüpfte Ereignisse, wie Heirat, Geburt einesKindes etc.) wie auch negative (= unerwünschte,vorrangig mit negativen Emotionen wie Trau-er, Angst, Deprimiertheit einhergehende) Ereig-nisse in Frage kommen. In beiden Fällen wird –wenn auch in unterschiedlicher Weise – daspsychische System nachhaltig für eine Adapta-tionsleistung beansprucht. UnterschiedlicheFolgen können ebenfalls erwartet werden jenach dem, ob es sich um sogenannte abhängi-ge (dependent) bzw. unabhängige (indepen-dent) Ereignisse handelt. Bei abhängigen Ereig-nissen können die Ursachen mindestensteilweise eigenen Handlungen oder Unterlas-sungen des Individuums zugeschrieben werden(z.B. schwere zwischenmenschliche Zerwürf-nisse). Unabhängige Ereignisse beruhen auf äu-ßeren Ursachen, wie z.B. dem Verlust des Ar-beitsplatzes aufgrund einer Firmenschließung.

Neben den genannten Aspekten (Normativi-tät, Valenz, Abhängigkeit) entscheiden nocheine Reihe anderer Merkmale von Lebensereig-nissen und Stressoren über ihren Effekt auf dasBefinden und die Gesundheit eines Menschen.Die bisherige Forschung hat folgende, zum Teilvoneinander abhängige sieben Dimensionen

als wichtig erscheinen lassen (vgl. dazu auchLazarus & Folkman, 1984; Thoits, 1983): (1) dieIntensität und Dauer eines Ereignisses; (2) dasVorliegen eines Einzelereignisses vs. die Kumu-lation von Ereignissen und Belastungen; (3) dasAusmaß an Veränderung, welches ein Ereignisnach sich zieht, und der Aufwand der Wieder-anpassungsleistung nach seinem Auftritt; (4)die Vorhersagbarkeit und die Wahrscheinlich-keit des Auftretens sowie des Zeitpunktes desAuftretens (= Ereignis und zeitliche Sicherheit/Unsicherheit des Ereignisses) und damit ver-bunden die Möglichkeit zur präventiven Anpas-sung an das Ereignis und zur vorbereitendenBewältigung; (5) die Neuheit und Unkenntnisdes Ereignisses; (6) die Ambiguität und man-gelnde Präzision und (7) seine Kontrollierbar-keit.

Goodyear (1994) macht auf verschiedeneKonstellationen von Lebensereignissen auf-merksam, die im Vorfeld von Störungen unter-schieden werden können. Lebensereignissekönnen gleichzeitig oder sequentiell auftreten.Ihre Wirkung kann additiv oder multiplikativsein. Bezüglich der Wirkungspfade belastenderEreignisse sind verschiedene theoretische Mo-delle entwickelt worden. Plancherel, Bologniniund Nunez (1994) geben einen Überblick überdie sogenannten «Puffer Modelle», die die Res-sourcen als protektive Faktoren miteinbeziehen(s. Abb. 3).

Je nach Konstellation können unterschied-liche Wirkungen erwartet werden. Das gilt auchfür die Wirkung der chronischen und der All-tagsstressoren. Auf moderierende Faktoren (z.B.Persönlichkeitsmerkmale) wird in Abschnitt 4eingegangen.

3.2.2 Zusammenhänge mit psychischenStörungen

Zusammenhänge mit kritischen Lebensereig-nissen wurden bisher bei verschiedenen Störun-gen – am intensivsten bei den depressiven (vgl.Kessler, 1997) – untersucht. Im folgenden wirddaher primär auf diese eingegangen; Angst- undschizophrene Störungen werden nur am Randeabgehandelt (andere Störungen s. z.B. Fiedler,1995; Goldberger & Breznitz, 1993). Da diesogenannten posttraumatischen Belastungs-störungen vor allem mit traumatischen Lebens-

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282 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

ereignissen in Verbindung gebracht werden,werden diese in einem eigenen Abschnitt (trau-matische Ereignisse) behandelt.

Verschiedene Untersuchungen zeigen eineerhöhte Auftretensrate von kritischen Lebens-ereignissen im Vorfeld von depressiven Störun-gen. Bereits Brown und Harris (1978) konntenin einer methodisch vorbildlichen, aber retro-spektiven Studie, die u.a. chronischen Streßund soziale Unterstützung kontrollierte, eineim Vergleich zu Kontrollpersonen erhöhte Häu-fung von bedrohlichen oder Verlustereignissenals Antezedentien von depressiven Störungenfeststellen, was in späteren Arbeiten bestätigtwurde. Kessler (1997) faßt die heutige Befund-lage wie folgt zusammen: (1) Die Assoziationzwischen dem Erleben kritischer Lebensereig-nisse und dem Auftreten von major-depressi-ven Episoden kann konsistent festgestellt wer-den. (2) Das Ausmaß der Verknüpfung variiertzwischen den Studien in Abhängigkeit von denverwendeten Verfahren zur Erfassung derLebensereignisse und (3) in Abhängigkeit vonder negativen Valenz der Ereignisse. Kontex-tuelle Informationen zu den Ereignissen erhö-

hen die Assoziationsstärken. Analoge Ergebnis-se berichtet Johnson (1986) in seiner Übersichtfür depressive Störungen bei Jugendlichen. Kri-tische Lebensereignisse im Vorfeld von depres-siven Episoden scheinen auch einen gewissenVorhersagewert für den Verlauf der Therapie zuhaben. Die Befundlage darf aber nicht darüberhinweg täuschen, daß die allermeisten ein-schlägigen Studien von der Versuchsanlage hernicht ausreichen, um einen kausalen Zusam-menhang schlüssig zu beweisen (z.B. retrospek-tive Studien).

Wenngleich klinische Erfahrungen und Be-obachtungen, aber auch theoretische Über-legungen (z.B. Eysenck’s Theorie der Angst-entstehung; die psychophysiologische Theorieder Panikstörung) darauf hinweisen, daß vieleAngststörungen durch belastende Ereignisse aus-gelöst werden, ist die empirische Evidenz imVergleich zur Depression weniger einheitlich.Darüber hinaus fehlen für verschiedene Angst-störungen methodisch akzeptable Studien(auch hier vor allem retrospektive Studien); le-diglich für die Panikstörung, die Agoraphobieund die Zwangsstörung liegen ausreichend kla-

Abbildung 3: Verschiedene Wirkungsmodelle (Plancherel, Bolognini & Nunez, 1994)

R

S D+

R

S D+

+

R

S D+

R

S D+

R S D+

(1) Moderationsmodell (2) Unterdrückungsmodell(oder counteractive model)

(3) Mediationsmodell(oder deterioration model)

(4) Kompensationsmodell(oder independent model)

(5) Präventionsmodell(oder stress-supressing model)

S StressorR RessourcenD Negative Effekte

+ Faktor vergrößert– Faktor reduziert

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 283

re Befunde vor (vgl. Edelmann, 1992). Dem-nach können kritische Lebensereignisse – beiVorhandensein entsprechender Prädispositionder Betroffenen – vor allem als traumatischeLebensbelastungen Angststörungen oder ande-re psychopathologische Symptome auslösen(Edelmann, 1992).

Umfassender sind die Beiträge zur Schizophre-nie, zu der verschiedene methodisch befrie-digende Studien (u.a. prospektive) vorliegen;doch ist auch hier die Befundlage nicht eindeu-tig. Bebbington (1996) kommt aufgrund seinesÜberblicks über 17 retrospektive und prospek-tive Studien zum Ergebnis, daß es keinesicheren Hinweise dafür gebe, daß kritischeLebensereignisse an der Auslösung einer Schi-zophrenie beteiligt seien. Es finden sich aberHinweise, daß kritische Lebensereignisse einenzwar geringen, aber nicht immer eindeutigenEinfluß auf den Verlauf einer Schizophreniehaben. Von Bedeutung für Auslösung und Ver-lauf sind aber auch kleinere alltägliche Lebens-belastungen (s. unten). So sind vor allem chro-nische familiäre Belastungen zu nennen, wiesie im Konzept der «Expressed Emotions» (Leff,1996) diskutiert werden. Weiter kommtBebbington (1996) zum Schluß, daß bei derAuslösung und Verlaufssteuerung der Schizo-phrenie – im Gegensatz zu depressiven Störun-gen und Angststörungen – chronische Bedin-gungen sowie alltägliche Lebensbelastungenvon größerer Bedeutung sind als kritischeLebensereignisse.

3.3 Traumatische Ereignisse undtraumatischer Streß

3.3.1 Die Begriffe «Trauma» und«traumatischer Streß»

Die Erforschung extremer Belastungserfahrun-gen besitzt vor allem im Zusammenhang mitKriegs- und Kampferfahrungen eine lange Tra-dition. Seit Anfang der achtziger Jahre gibt eseine eigene Forschungsrichtung, die sich mitExtrembelastungen und deren Bewältigungund Konsequenzen beschäftigt und die zurKonzipierung der Begriffe «traumatische Bela-stungen», «traumatischer Streß» oder kurz «psy-chologisches Trauma» führte. Der Begriff Trau-ma ist aber trotz seiner häufigen Verwendung

eher unklar und wird teilweise zirkulär definiertals ein Ereignis hoher Intensität mit gleichzei-tig fehlender adäquater Bewältigungsmöglich-keit und einer Überlastung der Anpassungs-kapazität des Individuums mit Anpassungs-und Belastungsstörungen als Folge (vgl. z.B.Freedy & Hobfoll, 1995). Nach DSM-IV (Ameri-can Psychiatric Association, 1996) ist ein trau-matisches Ereignis dann gegeben, wenn es mitdem Tod, der Androhung des Todes, einerschweren Verletzung oder einer anderen Bedro-hung der körperlichen Integrität assoziiert ist.Dabei kann das betreffende Ereignis die Persondirekt oder indirekt über enge und naheste-hende Bezugspersonen betreffen. Ein Traumakann aber auch dadurch entstehen, daß einePerson Zeuge einer schweren Bedrohung, Ver-letzung oder Tötung einer fremden Personwird. Unter einer traumatischen Belastungkann man daher eine spezifische Klasse kriti-scher Lebensereignisse verstehen, die durch fol-gende Charakteristika zu umschreiben ist: un-erwünscht; äußerst negative Valenz aufgrundder intensiven Bedrohung des (eigenen) Le-bens; hohe Intensität; schwer bis gar nicht kon-trollierbar; in der Regel Überforderung derBewältigungsmöglichkeiten; Vorhersagbarkeitmeist nicht gegeben. Für viele der Betroffenenbesitzen sie ausgesprochene Neuheit und bre-chen oft jäh und unvorhergesehen herein. DieWiederanpassungsleistung ist enorm, da oftnicht nur die Person selbst, sondern auch nochandere nahestehende Personen und – abhängigvon der Art des Ereignisses – auch materielleGüter und gelegentlich die gesamte soziale undpersonale Existenz des Opfers betroffen sind(z.B. Wirbelsturm, erlittenes Gewaltverbre-chen). Insofern kann man auch sagen, daß Op-fer traumatischer Ereignisse Mehrfachbelastun-gen und häufig auch noch einer Reihe vonBelastungsfolgen einschließlich ihrer Viktimi-sierung, d.h. einer negativen, ausgrenzendenBehandlung durch die Umwelt, ausgesetzt sind.Neben Kriegstraumata bei Soldaten und Zivil-bevölkerung werden vermehrt auch «zivile»traumatische Belastungen erforscht (vgl. fürÜberblicke: Freedy & Hobfoll, 1995) wie z.B.Naturkatastrophen (z.B. Erdbeben), technischeKatastrophen (z.B. Bahnunfälle), Gewaltver-brechen (z.B.Vergewaltigung, Geiselnahme),lebensbedrohende Ereignisse (z.B. schwere(Verkehrs-) Unfälle).

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284 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

3.3.2 Zusammenhänge mit psychischenStörungen

Trotz der Intensität der traumatischen Ereignis-se, der extrem negativen Valenz und der inten-siven Anpassungsleistung, die sie von den Be-troffenen abverlangen, sind die Reaktionen aufderartige Ereignisse sehr unterschiedlich; beiden meisten Betroffenen klingen sie nach einerangemessenen Zeit (in der Regel zwischen vierund sechs Wochen) wieder ab bzw. werden ver-arbeitet; das Ereignis und die Erlebnisse werdenin das eigene Selbstkonzept integriert. Dies solljedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daßTraumata bei den Betroffenen in der Regel in-tensive Spuren in Form psychischer Verände-rungen hinterlassen, die sie sich allerdings nurbei einem Teil der Betroffenen zu einer psychi-schen Störung entwickeln. Zu berücksichtigenist, daß derartige Störungen sehr heterogen seinkönnen: direkter (Minuten, Stunden) oder ver-zögerter (nach Tagen, Wochen oder Monaten)Störungseintritt, mittelmäßige bis sehr starkeAusprägung, Variation der betroffenen psychi-schen Systeme, Dauer der Betroffenheit etc.

Sowohl ICD-10, als auch DSM-IV enthaltendiagnostische Kategorien, die Reaktionen auftraumatische Ereignisse klassifizieren. In derICD-10 werden Belastungs- und Anpassungs-störungen in der Störungsgruppe F43 kodiert,wobei unterschieden wird zwischen akuten Be-lastungsreaktionen (F43.0; Dauer: Stunde, Tage),Anpassungsstörungen (F43.2; Dauer: Wochen,<6 Monate), posttraumatischen Belastungsstö-rungen (F43.1; Auftreten mit Latenz; Dauer of-fen). Zusätzlich zur Gruppe F43 ist noch eineweitere Gruppe von Relevanz, die Persön-lichkeitsveränderungen infolge extremer Bela-stungen beschreibt (F62.0). Neben den in derICD-10 und dem DSM-IV angesprochenenBelastungs- und Anpassungsstörungen sind beiOpfern schwerer Belastungen häufig auch an-dere psychische Störungen und Reaktionen zubeobachten.

Am intensivsten beforscht wurde die soge-nannte posttraumatische Belastungsstörung (post-traumatic stress-disorder PTSD; Saigh, 1995; Foa& Meadows, 1997). Nach ICD-10 und DSM-IVist diese Störung u.a. wie folgt charakterisiert:Wiedererleben der traumatischen Erfahrungen(Träume, Gedanken, etc.), Vermeidung von mitdem Trauma verbundenen Reizen (Gedanken,

Menschen, Orten, etc.), Reduktion der allge-meinen Erlebensfähigkeit (sozialer Rückzug,Verlust an emotionaler Reagibilität etc.), Erin-nerungslücken an das Trauma; Symptome wieSchlafstörungen, Konzentrationsprobleme etc.).Die empirische Forschung konnte relativ deut-liche Zusammenhänge zwischen dem Auftre-ten traumatischer Ereignisse und der Auslösungeines PTSD aufzeigen, wobei für Kriegsereignis-se die deutlichsten, aber auch für andere Ereig-nisse Zusammenhänge beobachtet werdenkonnten. Wenig erforscht ist dagegen der Ver-lauf des PTSD ebenso wie die Faktoren, die dieDauer, den Verlauf und den Ausgang der Stö-rung mitbestimmen.

3.4 Alltagsbelastungen (Mikro-stressoren) und ihre Wirkungen

Kanner, Coyne, Schaefer und Lazarus (1981)haben mit dem Hinweis auf ein Gedicht vonCharles Bukovsky eine Trendwende in der Life-Event-Forschung eingeleitet; nicht die großenWidrigkeiten des Lebens treiben demnach ei-nen Menschen zum Irrsinn, sondern die fort-laufende Serie kleiner, sich täglich ereignender«Tragödien». Dabei werden verschiedene Klas-sen von Alltagsbelastungen diskutiert, die aller-dings oft nicht klar voneinander und auchnicht von kritischen Lebensereignissen abge-grenzt werden können, die häufig auch kleine-re Belastungen beinhalten (vgl. Filipp & Brauk-mann, 1990). Kanner et al. (1981) verstehenunter Alltagsbelastungen («daily hassels») stö-rende, frustrierende Ereignisse im Alltagsleben,die das Wohlbefinden beeinträchtigen und alsbedrohlich, kränkend, verlustbezogen oder fru-strierend empfunden werden. Andere Defini-tionen sehen in Alltagsbelastungen kleinereLebensereignisse, die eine hohe Auftretens-wahrscheinlichkeit im Leben eines Menschenbesitzen. Wieder andere, wie z.B. Perrez undReicherts (1992), definieren Alltagsbelastungenals belastende Episoden des alltäglichen Er-lebens und Verhaltens, die mit belastungs-bezogenen Beurteilungen (streßrelevantenKognitionen) und nicht routinemäßigen An-passungsleistungen verbunden sind. Inhaltlichzeigten verschiedene Studien relativ ähnlicheErgebnisse. So wurden z.B. bei Kanner et al.(1981) folgende Probleme am häufigsten ge-

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 285

nannt: Probleme mit dem Körpergewicht unddem eigenen Aussehen, Gesundheitsproblemeeines Familienmitgliedes und daraus resultie-rende Notwendigkeit zur Pflege, Ärgernisse mitder Haushaltsführung, Preissteigerungen bei Le-bensmitteln und Haushaltsgütern, Arbeitsstreß,Geldsorgen und Steuerzahlungen, etc. Überderartige Ereignisse hinaus können Alltags-belastungen auch mit herkömmlichen Begrif-fen erfaßt und kategorisiert werden; als Beispie-le seien genannt Arbeitsbelastungen (zu vielArbeit; Konflikte im Arbeitsleben, Zeitdrucketc.), interpersonale und soziale Belastungen(z.B. Konflikte, Reibereien, Falschheit erlebenetc.; vgl. Lettner, 1994), Rollenbelastungen (z.B.Doppelrollen wie Hausfrau und Berufstätigkeit).

Nach Lazarus und seinen Mitarbeitern gibtes jedoch nicht nur negative Alltagsereignisse,sondern auch sogenannte uplifts, die mit posi-tiven Emotionen und Erlebnissen einhergehen.Diese könnten zu einer Pufferung negativer Er-eignisse und Belastungen (= Reduktion der An-fälligkeit durch Schutz) beitragen. Diese Über-legungen konnten aber nicht bestätigt werden,weshalb dieser Ansatz nicht weiter verfolgt wur-de.

Theoretisch wurden sowohl von der Lazarus-Gruppe wie auch von anderen Forschernverschiedene Modelle erörtert, die sowohlunabhängige, wie auch moderierende Funktio-nen der Alltagsbelastungen beinhalteten. Sowurde z.B. angenommen (vgl. Kanner et al.,1981), daß Alltagsbelastungen direkte und un-abhängige Effekte auf das Befinden und daspsychische und somatische Funktionieren aus-üben können, indem sie unabhängig von grö-ßeren Belastungen auftreten; sie können aberauch Effekte größerer oder chronischer Bela-stungen verstärken; so führt z.B. der Verlustdes Partners zu einer Unzahl an Alltagsbela-stungen, die mit einem Partner nicht gegebensind, wie z.B. Erledigungen selbst durchführenzu müssen, weniger Geld zur Verfügung zu ha-ben etc.

Empirisch kann die störungsvermittelnde Po-tenz belastender Alltagsereignisse als gut bestä-tigt angesehen werden. Probleme zeigten dievorliegenden Studien allerdings bei der Erfor-schung der Richtung des Effekts. Denn es zeig-ten sich sowohl relativ hohe Zusammenhängezwischen dem Auftreten von Alltagsereignissenund nachfolgenden Befindenstrübungen, wie

auch umgekehrt ein gewisser Zusammenhangzwischen vorhandenen psychischen Sympto-men und dem Auftreten von Belastungen zubeobachten ist. Ebenso gibt es gut belegte Hin-weise dafür, daß die pathogene Wirkung derTrait-Angst für das Auftreten psychischer Sym-ptome durch die Alltagsbelastungen moderiertwird (Kohn, Lafreniere & Gurevich, 1991).

Kritisch kann gegen die bisherige Forschungeingewendet werden, daß es letztlich noch kei-ne wirklich verläßliche Taxonomie alltäglicherBelastungen gibt, daß viele Ereignisse eher alsSymptome psychischer Beschwerden denn alsunabhängige Ereignisse angesehen werdenkönnen, daß die Belastung eines Ereignissesnicht unabhängig ist von subjektiven Bewer-tungen und von der Stimmung des Betroffenenund daß Alltagsereignisse ihrerseits in einemsehr komplexen Ursache-Wirkungsgefüge zu-einander stehen.

3.5 Chronische Belastungen undihre Wirkungen

Der Begriff «chronische Belastungen» wirddurch das zeitliche Ausmaß einer Belastung de-finiert (vgl. Abb. 1). Im Gegensatz zu diskretenund in ihrer Auftretensdauer begrenzbarenLebensereignissen und Alltagsbelastungen wer-den dadurch Belastungen beschrieben, die sichüber einen längeren Zeitraum erstrecken und –zumindest nach Ansicht der meisten Autoren(z.B. Pearlin, 1982) – zu wiederkehrenden bela-stenden Erfahrungen führen (z.B. Arbeitsbela-stung, Belastung in der Familie; oft als chronicstrain bezeichnet). Unter chronischen Belastun-gen werden aber auch längerdauernde Bela-stungen bzw. Folgen von diskreten Ereignissen(z.B. langanhaltende Scheidungsbelastung) ver-standen.

Empirische Arbeiten fanden, daß sowohl in-tensive, kürzer dauernde Lebensereignisse, alsauch die lange Dauer der Folgen von diskretenBelastungen und das Vorhandensein chro-nischer Belastungen zu Beeinträchtigungen inGesundheit und Befinden führen können. Dieszeigt sich sowohl bei der Verwendung allgemei-ner Symptommaße (Pearlin, 1982), wie auchbei der Berücksichtigung spezifischer psychi-scher Störungen, bei denen vor allem inter-personelle chronische Belastungen untersucht

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286 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

wurden (z.B. Schizophrenie: Leff, 1996;depres-sive Störungen: Gilbert, 1992).

4. Faktoren, die denZusammenhang vonStressoren mit psychischenStörungen moderieren

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, reagie-ren nicht alle Menschen auf gleiche Stressorenin ähnlicher Weise. Offensichtlich lassen sichdie Wirkungen von Belastungsfaktoren nur sehrbegrenzt vorhersagen. Das bedeutet, daß zwi-schen den Stressoren und ihren Wirkungen nochandere Faktoren eine vermittelnde Funktionausüben müssen. Dazu zählen die im folgen-den dargestellten Persönlichkeitseigenschaften,Belastungsbewältigungskompetenzen (Coping-tendenzen) und soziale Faktoren (Soziales Netz-werk, Soziale Unterstützung).

4.1 Persönlichkeitsmerkmale alsVermittlungsfaktoren

Die Persönlichkeitsforschung hat sich seit lan-ger Zeit mit der Frage befaßt, wieweit Persön-lichkeitsmerkmale zu Störungen prädispo-nieren (vgl. Vollrath, 1997). Die in diesemZusammenhang bekannteste Persönlichkeits-eigenschaft ist die emotionale Stabilität. Hoheemotionale Stabilität stellt einen protektivenFaktor im Umgang mit Stressoren dar; eine ge-ringe Ausprägung dieses Faktors wird die Stö-rung des Verhaltens unter dem Einfluß vonStressoren erleichtern. Diese Annahmen findenin der Neurotizismusforschung eine gewisse Be-stätigung (vgl. Amelang & Bartussek, 1997).

Als weiteres protektives Persönlichkeitsmerk-mal ist die seelische Gesundheit zu nennen(Becker, 1995), die als Fähigkeit zur Bewältigunginnerer und äußerer Anforderungen verstandenwird.

Von Bedeutung ist auch die Widerstandsfähig-keit (hardiness); darunter versteht Kobasa (1979)ein protektives Persönlichkeitsmerkmal, das einkomplexes System von selbst- und umwelt-bezogenen Überzeugungen einschließt, die diePerson in ihrer Auseinandersetzung mit be-lastenden Ereignissen unterstützen. Die das

Konstrukt charakterisierenden Dimensionen«Commitment» (Sinn- und Zielorientierung derPerson), Kontrolle (Kontrollüberzeugung) undHerausforderung (Überzeugung, daß Verände-rungen zum Leben gehören und die Möglich-keit zu Wachstum enthalten) moderieren dieWirkungen von Stressoren, indem sie derenkognitive Interpretation (appraisal) selbstwert-fördernd beeinflussen und die Bewältigungs-ressourcen des Individuums aktivieren (vgl.Maddi, 1990). Das Konzept überlappt sich mitanderen Konstrukten, wie etwa jenem desKohärenzsinnes (sense of coherence), dem derSelbstwirksamkeit (self-efficacy) von Banduraoder auch mit der Optimismus-Variable.

Als moderierende Faktoren für Streßemotio-nen werden State-trait-Merkmale wie z.B. Angstund Ärger diskutiert. Mehrere Studien zeigen,daß hoher Trait-Ärger bzw. chronischer Ärger undHostilität signifikant mit höherem Risiko fürkardiovaskuläre Erkrankungen verbunden sind(Booth-Kewley & Friedman, 1987; vgl auchSchwenkmezger & Hank, 1995).

Endler und Edwards (1982) haben in ihremInteraktionsmodell der Angst postuliert, daßTrait-Angst und Trait-Ärger individuelle Prädis-positionen darstellen, in Streßsituationen miteiner erhöhten Wahrscheinlichkeit mit Angstoder mit Ärger zu reagieren.

Neben den genannten Persönlichkeitseigen-schaften werden auch Abwehrstile als weiterePersönlichkeitsmerkmale gezählt, die das Streß-geschehen beeinflussen. Sigmund Freud hattein seinem Werk das Konzept der Abwehr-mechanismen entwickelt, das von Anna Freud(1936/1964) weitergeführt wurde. In der mo-dernen Persönlichkeitsforschung haben vor al-lem die Verdrängung und die Verleugnung einegewisse Weiterentwicklung im «Repression»-Konstrukt erfahren. Nach Anna Freud (1936/1964) war die Funktionsrichtung der Verdrän-gung zur Beseitigung von bedrohlichen Trieb-impulsen nach innen gerichtet. Die Verleug-nung dagegen schützt das Ich als Vorstufe derAbwehr vor bedrohlichen Aspekten der Außen-welt. Analog stellt die Intellektualisierung einenach innen, die Wachsamkeit eine nach außengerichtete Gefahrenverhütung dar. Die psycho-analytischen Konzepte standen Pate für das Re-pression-Sensitization-Konstrukt. Dieses Kon-strukt basiert auf der von Bruner formuliertenTheorie, wonach der Wahrnehmungsvorgang

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 287

wesentlich durch Hypothesen, d.h. Erwartun-gen, gesteuert wird, mit denen das Subjekt demWahrzunehmenden begegnet. Bezüglich dieserErwartungen können interindividuelle Unter-schiede festgestellt werden. Eriksen (1951) po-stulierte hierfür zwei elementare Grundformen,nämlich vermeidungs- versus aufmerksamkeits-orientierte Angstabwehr bzw. Angstreduzierung,wobei die beiden Abwehrstile als eindimen-sionales bipolares Persönlichkeitskonstrukt ver-standen werden (s. auch Krohne, 1996).

In der gleichen Tradition ist das Monitor/Blunter-Konzept von Miller (1989) zu sehen (tomonitor = überwachen; to blunt = abstump-fen). Hohe Tendenz zum «monitoring» charak-terisiert Personen, die nach viel Informationvor gefahrvollen Situationen (z.B. vor medizi-nischen Eingriffen) suchen. Die sogenannten«blunters» dagegen ziehen es vor, sich in glei-chen Situationen eher zu zerstreuen oder zuentspannen; sie sind Informationsvermeider.Miller (1987) erfaßt die beiden kognitiven Stilemit zwei Skalen, die negativ (r = -.45) korreliertsind. Die beiden Tendenzen sind bei unter-schiedlichen Typen von Situationen unter-schiedlich adaptiv. Wenn die Kontrollierbarkeitder Situation hoch ist, bringen Personen mitstarker «Monitor-» und niedriger «Blunting-Neigung» die adäquaten Voraussetzungen mit.Bei niedriger Kontrollierbarkeit verhält es sichumgekehrt (Miller, 1989). Auswirkungen aufdas Krankheitsverhalten zeigten sich u.a. in derStudie von Miller, Brody und Summerton(1988), indem «Low-monitor»-Personen eherzu spät und «high-monitor»-Personen eher zufrüh zum Arzt gehen.

Unterscheidet sich das Millersche Konzept –abgesehen von der empirischen Erfassungs-weise der Variablen – nicht wirklich vom ur-sprünglichen Repression-Sensitization-Konzept,so geht Krohne (1996) mit seinem Ansatz derBewältigungsmodi innerhalb der Persönlichkeits-forschung neue Wege. Vigilanz und kognitiveVermeidung stellen in seinem Konzept zwei ge-trennte Persönlichkeitsvariablen dar. Die bei-den Konstrukte werden – anders als die deskrip-tive Repression-Sensitization-Dimension – aufeiner explikativen Grundlage eingeführt. DieFunktion von Vigilanz als Aufmerksamkeits-verhalten ist die Reduktion von Unsicherheit.Kognitive Vermeidung zielt dagegen darauf ab,den Organismus von erregungsinduzierenden

Stimuli abzuschirmen und wirkt damit präven-tiv. Erklärt werden die beiden Tendenzen durchspezifische Ausprägungen der Intoleranz gegen-über Unsicherheit und emotionaler Erregung.Zahlreiche Untersuchungen im Labor und Feldzeigen die klinische Relevanz des Modells fürverschiedene Anwendungen, z.B. für Streß-reaktionen vor, während und nach Operatio-nen (Krohne, Fuchs & Slangen, 1994; Kohl-mann, 1997).

4.2 Merkmale derBelastungsverarbeitung (Coping)als Vermittlungsfaktor

4.2.1 Konzepte derBelastungsverarbeitung

Persönlichkeitsmerkmale konzeptualisierenzeitstabile und relativ situationsunabhängigepsychologische Reaktionstendenzen. Die sog.Coping-Konzepte versuchen die Ablaufprozessevon der Informationsverarbeitung über Streß-emotionen bis zu den adaptiven Reaktionen zuerfassen. Dabei wird unter Coping das adaptiveBewältigungsverhalten zur Wiederherstellungdes Gleichgewichtes verstanden.

Auch für die prozessuale Betrachtung war diePsychoanalyse Pionier durch ihre Themati-sierung der Abwehrmechanismen (vgl. Tab. 1).Sigmund Freud und besonders Anna Freud ha-ben verschiedene Abwehrformen beschrieben,die letztendlich alle im Dienste der Angstab-wehr stehen.

Neuere Konzepte beziehen sich vor allem aufden kognitiv-phänomenologischen Ansatz von R.S.Lazarus, der sich von Selyes (1976) physiologi-scher Betrachtung des Streßgeschehens als all-gemeines Adaptationssyndrom (A.A.S.) abhebt.Ebenso unterscheidet sich der Lazarus-Ansatzvon der Makro-Perspektive der kritischen Le-bensereignisforschung, die den Zugang zumStreßerleben zunächst wesentlich über objek-tive Merkmale bedeutsamer Ereignisse gesuchthat. Lazarus und Launier (1981) sehen dieStreßreaktionen als Ergebnis einer Beziehungzwischen Anforderungsmerkmalen und den derPerson verfügbaren Ressourcen. Die Qualitätder Beziehung wird durch kognitive Bewer-tungsprozesse vermittelt. Nicht nur äußereAnforderungen können als Stressoren wirken,

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288 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

sondern auch innere, wie Ziele, Werte, Bewer-tungen, deren Ignorieren oder Nichtrealisie-rung für die Person negative Folgen zu habendrohen. Durch die sogenannte primäre Bewer-tung (primary appraisal) überwacht der Organis-mus im Wachzustand permanent, ob sich Ver-änderungen ereignen, die eine Adaptationzur Erhaltung des Wohlbefindens erfordern.Werden Ereignisse als irrelevant bewertet, so ha-ben sie außer einer Orientierungsreaktion kei-ne weiteren Prozesse zur Folge. Ein zweiter Ty-pus von Ereignissen, der ebenfalls keineadaptiven Prozesse auslöst, besteht in ange-nehmen Situationen, die keinen Bewältigungs-bedarf erkennen lassen (z.B. eine gelungeneLeistung). Der dritte Typus ist durch Adapta-tionsbedarf charakterisiert (vgl. Abb. 4).

Das Bewertungsergebnis wird als Resultanteeiner Wechselwirkung zwischen der primärenund der sekundären Situationsbewertung ange-nommen, die in der Einschätzung der verfüg-baren Ressourcen zur Lösung des Problems be-steht und die simultan stattfinden kann. Zu deninneren Ressourcen zählen Personvariablen wieWiderstandsfähigkeit, emotionale Stabilität,Attributionstendenzen usw., wie sie u.a. in Ab-schnitt 4.1 beschrieben sind; zu den Ressour-

cen aus der Umwelt gehören u.a. Merkmale desSozialen Netzwerkes (s. unten). Wird das Ver-hältnis von Anforderungen und Fähigkeiten alsausgeglichen erlebt, so folgt die Einschätzungder Situation als Herausforderung, was der De-finition von Eustress entspricht. Einschät-zungen des Stressors als Schädigung und/oderVerlust lösen Beeinträchtigungen des Selbst-wertgefühls, Trauer oder eventuell Ärger alsEmotionen aus. Angst wird als Folge der Be-wertung einer Situation als bedrohlich ange-nommen. Die Streßemotionen mobilisieren diePerson in gerichteter Weise im Sinne der Verän-derung ihrer «action readiness» (Frijda, 1987)für bestimmte adaptive Reaktionen (Coping).

Die Copingreaktionen können instrumentelldarauf abzielen, die Umwelt oder das Selbst(oder beides) zu beeinflussen, was vom Anpas-sungsmodus her als systemexterne Assimilationoder systeminterne Akkomodation charakteri-siert werden kann. Dem entspricht partiell dieUnterscheidung von problembezogenem (prob-lem focused) vs. emotionsbezogenem (emotionfocused) Coping als übergeordnete Bewältigungs-modi (Lazarus, 1966). Als spezielle Bewältigungs-modi thematisieren Lazarus und Launier (1981)die Informationssuche und -unterdrückung, die

Tabelle 1: Wichtige psychoanalytische Abwehrmechanismen

Das Ich versucht nach der Vorstellung von Freud unter dem Einfluß der Über-Ich-Ansprüche kompromittierendeTriebansprüche abzuwehren. Den Schutz vor inneren Reizen, der die Funktion hat, dem Bewußtsein bedrohliche Reizefernzuhalten, erwirbt sich der Mensch im Laufe der Entwicklung durch den Aufbau der Abwehrmechanismen.

Projektion

Verleugnung

Rationalisierung

Reaktionsbildung

Verdrängung

Regression

Sublimierung

Identifikation

Angstauslösende Wünsche oder Gefühle werden externalisiert und anderen zugeschrieben.

Eine potentiell traumatisierende Realität wird nicht als solche wahrgenommen.

Angstbesetzte Probleme werden intellektuell erklärt und damit ihres bedrohenden Gehaltesentledigt.

Unakzeptierte, bedrohende Impulse werden durch Transformation ins Gegenteil neutralisiert(z. B. Fürsorge anstelle von Aggression).

Angstauslösende Gedanken, Bilder oder Erinnerungen werden in das Unbewußte abgedrängtoder ihre Repräsentanz im Bewußtsein verhindert.

Übergang einer psychischen Organisationsform zu einer früheren Stufe, die einfachere Struktu-ren aufweist.

Kulturell akzeptierte Umsetzung sexueller Triebe in einen nicht-sexuellen, allgemein akzeptier-ten Entfaltungsbereich (u. a. künstlerische, intellektuelle, soziale Bereiche).

Konfliktlösung erfolgt durch Übernahme der Werte, Anschauungen usw. einer anderen Person.

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 289

direkte Aktion und Aktionshemmung und intra-psychische Bewältigungsformen, wie die Auf-merksamkeitslenkung, Beruhigung usw. Diedurch adaptive Reaktionen erzeugten Folgenwerden einer erneuten Bewertung (re-appraisal)unterzogen, worauf – abhängig vom Ergebnis –gegebenenfalls weitere Bewältigungshandlun-gen folgen. Holahan, Moos und Schaefer (1996)fassen die verschiedenen adaptiven Reaktions-klassen unter den beiden Hauptkategorien An-näherung (approach) und Vermeidung (avoid-ance) zusammen; für beide Kategorienunterscheiden sie eine kognitive und behavio-rale Variante. Schwarzer (1993) erweiterte dasModell von Lazarus und integrierte Kontroll-und Selbstkonzepte in sein Modell.

Im Zusammenhang mit der Bewältigung wer-den häufig auch Abwehrprozesse diskutiert(z.B. Nusko, 1986). Diese können unter denintrapsychischen Copingmodalitäten von La-zarus eingeordnet werden. Viele Autoren stel-len der erlebnisorientierten Abwehr die verhal-tensorientierte Bewältigung gegenüber. Haan(1977) charakterisiert die Copingprozesse alszielgerichtete, flexible und realitätsangemes-sene Adaptationshandlungen, während Ab-wehrprozesse als zwanghafte, rigide undrealitätsverzerrende Varianten verstanden wer-den. Für eigentlich pathologische Anpassungs-formen verwendet sie den Begriff «fragmentaryprocesses» (Fragmentierungsprozesse).

Abbildung 4: Bewertungsprozesse nach R.S. Lazarus

Primäre Bewertung SekundäreBewertung

Ereignis wird alsirrelevant für

Wohlbefinden(Ziele) befunden(Orientierungs-

reaktion)

Ereignis wird alsangenehm/

positiv bewertet;kein Adaptations-

bedarf

Ereignis wird alsgleichgewichts-störend erlebt;Adaptations-

bedarf

VerlustSchaden

Bedrohung Heraus-forderung

Trauer Angstpos.

Aktivierung

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290 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

Perrez und Reicherts (1992) haben einzelneAspekte des psychologischen Streßkonzeptesvon Lazarus auf der Grundlage eines funktiona-len Konzeptes weiterentwickelt. Insbesonderewurde die kognitiv-phänomenologische Per-spektive, die sich für die kognitiven Prozessebeschreibend an Erlebensdimensionen wie Be-drohung, Herausforderung usw. angelehnt hat-te, durch eine Perspektive erweitert, die stärkerden theoretischen Konzepten der Kontroll-,Appraisal-/Emotions- und Attributionstheorienverpflichtet ist. Als theoretisch relevant werdenAppraisal-Merkmale dann verstanden, wenn sieEmotionen vorhersagen lassen und in einemfunktionalen Zusammenhang mit der Adapta-tionsleistung vermutet werden. Ihre Coping-Taxonomie ordnet die Bewältigungshandlun-gen und -reaktionen nach dem Kriterium, obsie (1) situations- (= stressor-), (2) repräsenta-tions- oder (3) evaluationsbezogen sind (s. Tab. 2).Die repräsentationsbezogenen Reaktionen ver-ändern durch Informationssuche oder -unter-drückung die kognitive Repräsentation desStressors, während die evaluationsbezogenendurch Sinnstiftung, Umbewertung oder auch

durch Zielveränderung die Einstellung zumStressor verändern.

Aufbauend auf dieser Taxonomie lassen sichnomopragmatische Hypothesen erstellen (vgl.Kap. 3 und 4/Wissenschaftstheorie); sie lassensich in Verhaltensregeln im Sinne von technolo-gischen Regeln umwandeln, die für bestimmteZiele unter gewissen AusgangsbedingungenHandlungsempfehlungen abgeben. Die folgen-den Aussagen stellen Beispiele für derartigeEmpfehlungen dar: Bei Situationen, die kon-trollierbar, wenig aus sich heraus wandelbar(d.h. die sich mit geringer Wahrscheinlich-keit aus eigener Dynamik zum Guten wan-deln) und deutlich negativ valent sind, stellteine aktive Einflußnahme auf den Stressoreine wirkungsvolle Reaktion für den Abbaudes Stressors und damit für die Wiederher-stellung der Homöostase dar. Bei hoch-wandelbaren Situationen dagegen ist Passivi-tät funktional. Flucht (z.B. Wechsel desschwer erträglichen Arbeitsplatzes) wird alsfunktional postuliert, wenn der Stressor we-der kontrollierbar noch wandelbar, hoch ne-gativ valent und Flucht möglich ist.

Tabelle 2: Taxonomie der Copingreaktionen und -handlungen (Perrez & Reicherts, 1992, S.30)

Aktive Einflußnahme

Situationsorientiertes Coping Flucht/Rückzug

Passivität

Informationssuche

Repräsentationsorientiertes Coping

Informationsunterdrückung

Umbewerten/Sinngebung

Evaluationsorientiertes Coping

Zieländerung

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 291

4.2.2 Einflüsse der Belastungsbewältigungauf Wohlbefinden und psychischeStörungen

In verschiedenen Untersuchungen konntegezeigt werden (Reicherts, 1998; Perrez & Ma-tathia, 1993), daß Personen, die die auf der an-geführten Taxonomie basierenden Verhaltens-regeln häufiger berücksichtigen, Streß effektiverbewältigen und in verschiedenen Kriterien derseelischen Gesundheit höhere Werte aufweisenals Vergleichsgruppen. Es konnte auch gezeigtwerden, daß Depressive erwartungsgemäß be-stimmte Verhaltensregeln zu verletzen neigen,wie z.B. kontrollierbare Stressoren aktiv zu be-einflussen. Major Depressive unterschätzen dieKontrollierbarkeit und Wandelbarkeit vonStressoren und zeigen mehr Passivität (Rei-cherts, Kaeslin, Scheurer, Fleischhauer & Perrez,1987; Perrez, 1988).

Angemessenes Coping setzt auch voraus, daßdie Merkmale der Situation angemessen wahrge-nommen werden. Systematische Fehler derSituationseinschätzung, wie sie bei Depressiven(Unterschätzung der Kontrollierbarkeit) oderÄrgerpatienten (Überschätzung der Internalitätund der Kontrollierbarkeit bei der Ursachen-zuschreibung) festgestellt werden, bezeichnetScherer als «Appraisal Pathologie», die sowohlfür die Bedingungsanalyse des Problems wieauch für die Therapie bedeutungsvoll seinkann. Die inadäquate Bewertung von Situatio-nen führt zu inadäquaten Emotionen, die ih-rerseits den Organismus dysfunktional für dieadaptativen Reaktionen vorbereiten (Kaiser &Scherer, in press). Den Einfluß der Appraisal-variablen auf die Emotionsregulierung hatScherer (1988, 1993) in verschiedenen Studienpräzisiert. Für die Emotion Ärger haben Lauxund Weber (1990) und für depressive Störun-gen Lazarus (1991) vertiefte Analysen der ko-gnitiven Prozesse durchgeführt.

Haben sich die meisten Studien zur Wirkungder Belastungsbewältigung auf das individuelleCoping konzentriert, so konnte Bodenmann(1995) zeigen, daß unterstützende Belastungs-bewältigung – das dyadische Coping – eine mo-derierende positive Wirkung zwischen subjektiverlebten Belastungen des Partners und dessenInteraktionsverhalten hat. Es vermittelt zwi-schen Alltagsbelastungen und Partnerschafts-zufriedenheit und ist ein Prädiktor für die Sta-

bilität der Beziehung. Laux und Schütz (1996)analysierten auf der Ebene von Familien diemoderierende Wirkung des sozialen Copings.

4.3 Merkmale der sozialen Umweltals Belastungsmoderatoren

4.3.1 Soziales Netzwerk,Soziale Unterstützung

Neben Persönlichkeitsmerkmalen und Merk-malen der Bewältigung eines Ereignisses spie-len Merkmale der sozialen Umwelt als Bela-stungsmoderatoren eine wichtige Rolle. DieBedeutung derartiger Faktoren wurde in derempirischen Ätiologieforschung sehr früh er-kannt und führte zur Formulierung verschiede-ner Konzepte wie z.B. soziale Integration, sozialeRessourcen, soziale Anpassung oder soziale Aktiva(social assets) (Laireiter & Baumann, 1988). Zen-trale Bestandteile all dieser Konstrukte sind so-ziale Beziehungen, wie sie vor allem in denKonzepten des Sozialen Netzwerkes und der So-zialen Unterstützung angesprochen werden(Laireiter, 1993a). Wie Laireiter und Baumann(1992) zeigen, stehen die Konstrukte SozialeIntegration, Soziales Netzwerk und die verschie-denen Konstruktkomponenten von SozialerUnterstützung (s. unten) in einem komplexenZusammenhang.

Unter einem Sozialen Netzwerk versteht manallgemein die beziehungsmäßigen Verknüp-fungen eines bestimmten sozialen Aggregats(Schenk, 1984), es besteht also aus Knoten undderen Verbindungen, wobei die Knoten die Per-sonen dieses sozialen Gebildes repräsentierenund die Verbindungen die Beziehungen, diezwischen diesen Personen bestehen. Im Unter-schied zu verschiedenen anderen Disziplinenhaben wir in der Psychologie und Psychiatrieeinen spezifischen Netzwerkbegriff. Unter demSozialen Netzwerk wird hier das System der so-zialen Beziehungen eines einzelnen Menschenverstanden; Begriffe wie «personales SozialesNetzwerk», «persönliches/individuelles Bezie-hungsnetzwerk», «Beziehungssystem» oder «ego-zentriertes Netzwerk» weisen auf diese Bedeu-tung hin. Zur Beschreibung dieses individuellenBeziehungsgefüges eines Menschen werden inder Literatur verschiedene Dimensionen ent-wickelt: strukturelle (z.B. Größe, Teilgruppen),

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292 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

interaktionale (z.B. Dauer der Beziehung) undfunktionale Merkmale (z.B. Unterstützung, Be-lastung; Baumann & Laireiter, 1995). Zur Defi-nition und Operationalisierung werden mei-stens folgende Kriterien entweder einzeln oderkombiniert verwendet: die subjektive Bedeu-tung eines Menschen (affektives Netzwerk),seine Rollenzugehörigkeit (z.B. Partner, Ver-wandter, Nachbar etc.; Rollennetzwerk), die(Unterstützungs-)Funktionen (Austausch- oderUnterstützungsnetzwerk) und die Kontakt-frequenz (interaktives Netzwerk). Häufig wer-den auch bestimmte Einzelrollen mit demNetzwerkbegriff verknüpft und so z.B. dasVerwandtschafts-, das Freundschafts- oder dasArbeitsnetzwerk definiert.

Unter Sozialer Unterstützung ist die Befrie-digung spezifischer sozialer Bedürfnisse nachNähe, Geborgenheit, Information, praktischeHilfe, Entspannung und Beruhigung etc. zu ver-stehen (Veiel & Ihle, 1993). Damit beschreibtder Begriff einen zentralen funktionalen Aspektsozialer Beziehungen und Beziehungsnetzwerke.Die Forschung der achtziger Jahre führte in Ab-hängigkeit der Betrachtungs- und Erfassungs-perspektive zu folgenden weiteren Differenzie-rungen des Begriffes:

• Konstruktkomponenten: wahrgenommene Unter-stützung (perceived support, d.h. Kognitionen/Überzeugungen, unterstützt zu sein); erhalteneUnterstützung oder real applizierte und ausge-tauschte Unterstützung (enacted support); Ver-fügbarkeit unterstützender Personen und Hel-fer in Form des Unterstützungsnetzwerkes bzw.Unterstützungsressourcen (support network).

• Situationsbezug: Alltagsbelastungen versusMakrostressoren (kritische Lebensereignisse).

• Quellen der Unterstützung: RollenträgerInnen(PartnerIn, Verwandte etc.).

• Unterstützungsinhalte: Meist wird zwischenzwei globalen Klassen unterschieden (psycho-logische vs. instrumentelle Unterstützung), dieihrerseits wiederum in verschiedene Subkatego-rien unterteilt werden (psychologische Un-terstützung: emotionale, kognitive, selbstwert-bezogene etc.; instrumentelle: Ratschläge,Informationen, Arbeit, Geld etc.; Laireiter,1993b).

4.3.2 Einflüsse des Sozialen Netzwerkesund der Sozialen Unterstützung aufWohlbefinden und psychische Störungen

Die Erforschung Sozialer Unterstützung undSozialer Netzwerke hat zu einer Vielzahl an Pu-blikationen geführt, die kaum überblickbar, ge-schweige denn integrierbar ist (Sarason, Sarason& Gurung, 1997; Laireiter, 1993a; Veiel & Bau-mann, 1992). Im folgenden sollen daher nureinige wesentliche Aspekte vorgestellt werden.Ursprünglich hat man angenommen, daß So-ziale Unterstützung die negativen Effekte derbelastenden Ereignisse auf das Befinden und diepsychischen und somatischen Systeme mode-riert, indem das Vorhandensein von Unterstüt-zung mit positiverer Befindlichkeit und einerReduktion an psychischen und somatischenSymptomen einhergeht. Dieser Effekt, der sichstatistisch als ein interaktiver Effekt zwischenBelastungs- und Unterstützungsmaß zeigt (vgl.Schwarzer & Leppin, 1989), wurde als Puffer-effekt bezeichnet. Wenngleich die empirischeEvidenz für diesen Effekt uneinheitlich ist, gibtes doch eine Reihe von Studien, die ihn fürbestimmte Komponenten des GlobalkonstruktsSoziale Unterstützung belegen. Sehr viel häu-figer als puffernde Effekte konnten in der For-schung jedoch direkte Effekte – sogenannteHaupteffekte – der Sozialen Unterstützung beob-achtet werden; diese Effekte treten unabhängigvom Ausmaß vorhandener Belastung auf (Röhr-le, 1994). Die Widersprüche zwischen diesenbeiden Effekthypothesen können dadurch ge-löst werden, daß die unterschiedlichen Effekteauf unterschiedliche Teilkomponenten der So-zialen Unterstützung zurückgeführt werden.Aspekte der Integration in ein Soziales Netz-werk wirken allgemein befindensförderlich(Haupteffekt); das Wissen und die Überzeu-gung, bei den speziellen Anforderungen bela-stender Lebensereignisse unterstützt zu sein(kognitive, emotionale, Selbstwert-Unterstüt-zung), und das Verfügen über enge, nahe-stehende unterstützende Bezugspersonen überden Zeitraum der Belastung hinweg, trageneher zur Pufferung der negativen Belastungs-effekte bei (Cohen & Wills, 1985).

Obwohl diese Befunde im Zusammenhangmit verschiedenen Stressoren beobachtet wer-den konnten, ist nicht klar, ob diese Bezügeauch für die Manifestation von Störungen im

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 293

engeren Sinn gelten und ob sie bei unterschied-lichen Störungsgruppen repliziert werden kön-nen (Cohen, 1992). Die am häufigsten ein-gesetzten Instrumente zur Erfassung vonBelastungsreaktionen waren allgemeine Sym-ptomskalen, die ein breites Maß an psychischerund psychophysiologischer Symptomatik erfas-sen. Verschiedene Studien lassen den Schlußzu, daß sich die Dynamik der Zusammenhängebei klinischen Störungen und insbesondere beisomatischen Erkrankungen anders gestaltet. Sokonnten z.B. Schwarzer und Leppin (1989) zei-gen, daß bei psychischen Störungen, insbeson-dere der Depression, viel deutlichere Zusam-menhänge als z.B. bei somatischen Störungenbestehen. Wie Monroe und Johnson (1992)ausführen, dürfte bei psychischen Störungenwiederum die Funktion Sozialer Unterstützungbei der Entstehung und Aufrechterhaltung vonDepression (Henderson, 1992) und Angstzu-ständen eine größere Bedeutung besitzen als beider Schizophrenie.

Trotz der im allgemeinen positiven Bezügezwischen Merkmalen des Sozialen Netzwerkesund der Sozialen Unterstützung und demWohlbefinden bzw. dem Fehlen psychischerund psychosomatischer Belastungserscheinun-gen, darf nicht übersehen werden, daß der An-teil dieser Variablen an der Varianzaufklärungrelativ gering ist. Die Befunde weisen daraufhin, daß die ätiologische Bedeutung der Sozia-len Unterstützung in einem engen Zusammen-hang mit allgemeinen Bedingungen (Risiko-und Vulnerabilitätsfaktoren) der Entstehungpsychischer und somatischer Störungen gese-hen werden muß.

Eine weitere wichtige Erkenntnis der bisheri-gen Forschung ist die Feststellung, daß die ein-fache Dichotomisierung der Funktionen Sozia-ler Unterstützung bei Belastungen in Haupt-und Puffereffekt als zu kurzgefaßt anzusehenist. Es wurden deshalb weitere Modelle entwik-kelt (vgl. Plancherel, 1998; Schwarzer & Leppin,1989; s. auch Abschnitt 3.2.1), wobei Ansätze,die sich am Bewältigungsmodell von R. Lazarusorientieren, von besonderer Bedeutung sind.Damit kommt man zu einem um die sozialeDimension erweiterten «Streß-Bewältigungs-und Unterstützungsmodell» (Cohen, 1992;Perkonigg, 1993). Diesem Modell zufolge be-sitzt die soziale Umwelt und das sozialeBeziehungsgefüge einer Person nicht nur po-

tentiell protektive, sondern auch belastendeFunktionen. In der folgenden Darstellung wer-den aber primär die protektiven Funktionen er-örtert. Nach Ansicht verschiedener Autorenkönnen insgesamt bis zu fünf positive Effekt-pfade sozialer Beziehungen und Unterstützungdifferenziert werden:

(1) Sozialer Schildeffekt: Die Effektvermittlung istauf der Ebene der (beobachtbaren) sozialenUmwelt anzusiedeln, indem das soziale Bezie-hungsgefüge zu einer Reduktion belastenderEreignisse und zu einer Erhöhung positiver Er-fahrungen und Ereignisse beiträgt (uplifts,positive events), die die Bewältigungskompe-tenz und die Befindlichkeit des Individuumsstabilisieren und sogar erhöhen können.

(2) Kognitiver Schildeffekt: Es kann angenommenwerden (vgl. auch Cohen, 1992), daß die Wahr-nehmung der Verfügbarkeit Sozialer Unter-stützung (im Sinne der wahrgenommenenUnterstützung) zu einer Reduktion der Wahr-scheinlichkeit, streßrelevante Beurteilungenvon Ereignissen zu erfahren, beiträgt undgleichzeitig zu einer Erhöhung sogenannter ir-relevanter oder positiver Umweltwahrnehmun-gen (= «benign appraisals») führt. Dies kann zumehr positiven Einschätzungen objektiverSituationsmerkmale und deren subjektiven Be-deutung veranlassen.

(3) Emotionaler Erleichterungs- und Pufferungs-effekt: Auf der Ebene der emotionalen Reaktio-nen auf die Belastung zeigen viele Studien, daßbereits das Wissen um die Verfügbarkeit vonBezugspersonen, vor allem aber ihre konkreteAnwesenheit (von Schachter, 1959, als «socialaffiliation» bezeichnet) emotionale Reaktionen,insbesondere Angst und Ungewißheit, auf einebevorstehende oder gerade ablaufende Be-lastungssituation reduzieren kann, ihr also ent-gegenarbeitet. Andererseits können Defizite anBezugspersonen und Unterstützung zu einer di-rekten Reduktion der Befindlichkeit und damitzu einer Erhöhung der Anfälligkeit gegenüberBelastungen beitragen (Cohen & Wills, 1985).

(4) Kognitiver Bewältigungs-/Problemlöseeffekt: Die-ser Wirkungsmechanismus verläuft über denkognitiven Prozeß des «secondary appraisal»und beeinflußt sowohl diesen wie auch die da-

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294 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

bei selegierten Bewältigungsziele und Bewälti-gungsstrategien. Bereits das Wissen, jemandenfür die Lösung eines bestimmten Problems ein-setzen oder fragen zu können, bereits die Vor-stellung, daß eine nahestehende Person dasProblem versteht, kann zu einer bewältigungs-bezogenen Veränderung der Belastungsreprä-sentation führen, repräsentiert in diesem Sinnalso eine kognitive Bewältigungsoperation.

(5) Soziale Bewältigung/Bewältigungsassistenz: Einweiterer Effektpfad bezieht sich auf die Funk-tionen der erhaltenen Unterstützung. Es kannangenommen werden, daß real applizierte Un-terstützung – im Sinne einer Bewältigungs-assistenz – drei Funktionen besitzt: Stützung derrelevanten psychologischen Bewältigungssyste-me (z.B. Stärkung der Moral, des Selbstwerts,der Selbsteffizienz), aktive Bewältigungs- undProblemlöseunterstützung (z.B. Hilfestellung beimErarbeiten von Lösungsmöglichkeiten) unddirekte Bewältigungsintervention (z.B. Geben vonGeld, Abnehmen von Besorgungen). Der ErhaltSozialer Unterstützung allein ist allerdings, wiedie Forschung zeigt, noch kein Garant für eineerfolgreiche Bewältigung. So betonen verschie-dene Autoren (z.B. Cohen, 1992), daß es not-wendig sei, sich in den Belasteten einfühlen zukönnen und im Bereich der erlebten Belastungerfahren zu sein. Die Unterstützung sollte dieaus der Belastung resultierenden Anpassungs-und Bewältigungsbedürfnisse adäquat erfüllen.Sind diese Bedingungen erfüllt, kann erst da-mit gerechnet werden, daß Soziale Unterstüt-zung einen entsprechend positiven Effekt aufdas Bewältigungsergebnis ausübt.

Eine Verknüpfung zwischen den allgemeinenFunktions- (Haupt- vs. Puffereffekt) und denfünf spezifischen Vermittlungshypothesen istaufgrund des unterschiedlichen Auflösungs-grades der beiden Modelle nicht ganz einfach.Nach einer strengen Auslegung der Pufferfunk-tion (Schwarzer & Leppin, 1989) sollte nur Va-riante 3 (emotionale Erleichterung/Pufferung)als Puffereffekt akzeptiert werden, allerdingskönnen in einer erweiterten und den Bewälti-gungsprozeß berücksichtigenden Sichtweiseauch Varianten 4 und 5 den Puffereffekten zu-geordnet werden, da in diesen die Unterstüt-zung die Bewältigung der Belastung erleichtert.Allgemein werden die beiden Schildeffekte dem

statistischen Haupteffekt zugeschrieben, da siedie Belastung in ihrem Auftreten reduzierenund nicht moderieren (was vom Puffereffekterwartet wird). Darüber hinaus beinhaltet derstatistische Haupteffekt sogenannte unabhän-gige Effekte Sozialer Unterstützung auf die Be-findlichkeit, die hier nicht erwähnt wurden, dasie nach dem Postulat dieser Hypothese immervorhanden sind, egal ob eine Belastung auftrittoder nicht (Schwarzer & Leppin, 1989).

Die bisher dargestellten Pfade repräsentierendirekte Effekte Sozialer Unterstützung auf dasBefinden und die Gesundheit. Es sind natür-lich auch indirekte Effekte, z.B. eine Vermitt-lung über das Bewältigungsverhalten, anzuneh-men. Ausgehend von einem derart komplexenVerständnis der Wirkung von Sozialer Unter-stützung sind auch bezüglich der Entstehungpsychischer Störungen komplexe Zusammen-hänge zu erwarten.

Eine weitere konzeptuelle Differenzierung be-trifft das Verhältnis zwischen Belastung undUnterstützung, die nicht als unabhängige Er-eignisse anzusehen sind. So führen viele Be-lastungen zu einer Reduktion Sozialer Unter-stützung, z.B. kann der Verlust eines wichtigenMenschen auch zum Verlust von Unterstüt-zung beitragen (Monroe & Steiner, 1986). Wei-ter ist zu berücksichtigen, daß soziale Beziehun-gen auch ein erhebliches Belastungsrisiko insich bergen. Daher finden sich zum Teil höhereZusammenhänge zwischen sozialer Belastungund Wohlbefinden als zwischen positiv kon-notierten Beziehungen und Wohlbefinden(Negativitätseffekt; Rook, 1992). Insbesonderekann die Gabe von Unterstützung direkt mitsozialen Belastungen assoziiert sein, z.B. inadä-quate Unterstützung (z.B. nicht gewünschteUnterstützung, Fehlen positiver Zuwendung),Kritik und Herabsetzung für Bedürfnis nach Un-terstützung, Zuviel an Unterstützung (z.B.Überbehütung/Overprotection) (Lettner, 1994;Lettner, Sölva & Baumann, 1996).

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß dieätiologiebezogene Unterstützungs- und Netz-werkforschung deutlich gemacht hat, daß diesoziale Umwelt an den Bedingungen psychi-scher oder somatischer Störungen nicht nur inForm von belastenden Einwirkungen auf dasIndividuum beteiligt ist, sondern auch als Res-source auf vielfältige Weise die Effekte derarti-ger Einwirkungen moderiert und abschirmt,

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 295

was zur Entwicklung differenzierter ätiolo-gischer Modellvorstellungen geführt hat. Eswird deutlich, daß das Individuum nicht alspassiver Rezipient der (diesmal positiven) Um-weltgüter zu sehen ist, sondern durch seine ak-tive Gestaltung der Bewältigungsbemühungenund des Umgangs mit der Belastung zum Emp-fang von unterstützenden Interventionen ausder Umwelt beitragen kann. Auch diese Kom-petenzen und Merkmale sind als zusätzlicheprotektive Faktoren in der Auseinandersetzungmit Lebensbelastungen, chronischen Einwir-kungen aus der Umwelt und kleineren Alltags-belastungen zu sehen.

5. Erfassung von Belastun-gen, Belastungsreaktionen,Belastungsverarbeitung(Coping) undSozialem Netzwerk,Sozialer UnterstützungBei der Interpretation der Befunde zum Streß-geschehen ist es wichtig zu wissen, daß die ver-schiedenen Konstrukte unterschiedlich opera-tionalisiert werden können; ein Teil der Varianzberuht daher auf Methodenvarianz. Im folgen-den werden Untersuchungsverfahren zur Er-fassung von Stressoren, Streßreaktion, Be-wältigung und Sozialem Netzwerk/SozialerUnterstützung angeführt. In der Regel werdenaus Platzgründen nicht die Originalarbeiten,sondern Überblicksarbeiten zitiert; auf die Er-fassung von Persönlichkeitsfaktoren gem. Ab-schnitt 4.1 wird nicht eingegangen, da dies denRahmen sprengen würde (s. Amelang & Bartus-sek, 1997; Westhoff, 1993).

5.1 Erfassung von Stressoren

• Kritische Lebensereignisse. Mitte der sechzigerJahre wurde das erste normierte Verfahren – dieSocial Readjustment Rating Scale (SRRS) – entwik-kelt, die 43 Lebensereignisse umfaßt, derenWiederanpassungswerte aufgrund einer Bevöl-kerungsstudie festgelegt worden sind (Anker-gewicht bei der Normierung: Heirat 50 Punkte;Wertevorrat = 0 bis 100; Westhoff, 1993). Mit

der Gewichtung sollte das individuelle Risiko,nach der Ansammlung solcher Ereignisse einepsychische oder somatische Störung zu entwik-keln, beurteilt werden. Die vielfache methodi-sche Kritik an der SRRS (Gewichtung theore-tisch nicht stimmig; Ereignisse zum Teil Folgeeiner Störung etc.) führte zur Entwicklung ei-ner kaum mehr zu überblickenden Anzahl vonInstrumenten, die sich zum Teil sehr stark aufdiese Skala beziehen. Die Verfahren unterschei-den sich vor allem in folgenden Spezifikatio-nen:

(1) Methodische Aspekte: Fragebogen vs. Inter-view, Anzahl der erfaßten Ereignisse, standardi-sierte Vorgabe vs. freie Wiedergabe, Zeitraumder Erfassung (Monate bis Jahre), Einschluß-kriterien (Zeitraum, Schwere, Art, etc. s. Pkt. 2).

(2) Inhaltliche Aspekte der Ereignisse: Dauer, Art(Verlust, Gewinn; Bedrohung, Herausforderungusw.), Schwere des Ereignisses, Ausmaß der Ver-änderung, Kumulation von Ereignissen, Inten-sität der Belastung, Betroffenheit, individuellevs. kollektive, normative vs. akzidentelle, neuevs. wiederholte (Erfahrenheit mit dem Ereig-nis), erwünschte vs. unerwünschte, abhängigevs. unabhängige, distinkte vs. chronische Er-eignisse, Kontrollierbarkeit, Konfundierungmit psychischer Störung.

(3) Auswertungsaspekte: Anzahl der Ereignisse(Summenwerte), Anpassungswerte, Belastungs-werte (Gesamt, für Subbereiche); Lebens-bereiche der Ereignisse (Arbeit; Familie etc.),Gewichtung (Schwere, Dauer, Ausmaß der Ver-änderung etc.), Intensitätswerte (Verlust, Ge-winn, Schaden etc.); positive vs. negativeVeränderungswerte etc.

Tabelle 3 führt einige Verfahren an (für weitereÜberblicke: vgl. Cohen, Kessler & Gordon,1995; Westhoff, 1993). Als Beispiel für zwei un-terschiedliche, besonders häufig verwendeteVerfahren seien genannt: Life-Events- andDifficulties Schedule (LEDS) von Brown (Cohenet al., 1995); Münchner Ereignis-Liste (MEL) vonMaier-Diewald, Wittchen, Hecht und Eilert(Westhoff, 1993). Die LEDS basiert auf einemhalbstrukturierten Interview und ist auf die Ex-ploration von Kontextbedingungen der im letz-ten Jahr aufgetretenen Lebensereignissen aus-

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296 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

gerichtet; diese werden nicht vorgegeben, son-dern von den Probanden angegeben. Die MELwird ebenfalls in Rahmen eines Interviews be-arbeitet, kann den Probanden aber auch inForm eines Selbstbeurteilungsfragebogens vor-gelegt werden. Sie besteht aus einer Liste vonEreignissen, die nach verschiedenen Zeit-fenstern (meist 12 Monate) bearbeitet werden.Die Ereignisse werden nach Vorkommen, In-tensität der erlebten Belastung, Kontrollierbar-keit und Erwünschtheit eingeschätzt.

• Traumatische Ereignisse. Zu diesem Bereich lie-gen bisher keine systematisch entwickelten Ver-fahren vor; in Einzelfällen bedient man sichmodifizierter Lebensereignis-Skalen. In denmeisten bisherigen Studien wurden jedoch spe-zifische und vorher definierte Einzelereignisseuntersucht (Kriegserfahrungen, Raubüberfälle,

etc.). In einigen Studien wurden Traumata auchaufgrund der Reaktion der Untersuchten eru-iert (z.B. «Haben Sie im letzten Jahr/in den letz-ten zwei Jahren ein Ereignis erlebt, das für Sieso extrem belastend war, daß Sie es fast nichtbewältigen konnten, oder das in Ihnen Gefüh-le der Überforderung und extremer Hilflosig-keit ausgelöst hat»; vgl. Freedy & Dankervoet,1995).

• Alltagsbelastungen. Verfahren zur Erfassungvon Alltagsbelastungen können – wie die Ver-fahren für kritische Lebensereignisse – bezüg-lich methodischer-, inhaltlicher- und Aus-wertungsaspekte strukturiert werden (Überblicks. Cohen et al., 1995; Westhoff, 1993; s. auchTab. 3). Die bekanntesten Verfahren, die auchim deutschen Sprachraum Verwendung finden,sind die Daily Hassles Scale (auch Hassles and

Tabelle 3: Ausgewählte Verfahren zur Belastungserfassung (Lebensereignisse, Alltagsbelastungen, chronische Belastungen)

Verfahren/Autoren Belastungsart Zeitfenster Itemzahl/Skalen

kritischeLebensereignisse

kritischeLebensereignisse,chronischeBelastungen

kritischeLebensereignisse

Alltagsbelastungen

Alltagsbelastungen

Alltagsbelastungen

Social Readjustment Ratings Scale (SRRS)von Holmes und Rahe (Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Life-Events- and Difficulties-Schedule (LEDS)von Brown und Harris (Cohen et al., 1995)Halbstrukturiertes Interview

Münchner Ereignis Liste (MEL) von Maier-Diewald, Wittchen, Hecht und Eilert (West-hoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen oder standar-disiertes Interview

Daily Hassles Scale von Kanner, Coyne,Schafer und Lazarus (Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen oder standar-disiertes Interview

Daily Stress Inventory DSI von Brantley undJones (Kosarz, Hrabal & Traue, 1997)Selbstbeurteilungsfragebogen, Bilanztage-buch (Eintragung am Abend)

COMES/COMRES von Perrez und Reicherts(1989, 1996)Ereignis-Tagebuch (computergestützte Selbst-aufzeichnung)

variabelretrospektiv

6–12 Monateretrospektiv

variabelretrospektiv

1 Monatretrospektiv

variabelretrospektiv

direkt nachEreignis

43/1(Wiederanpassungswert)

variabel(z.B. Lebensbereich)

49/4 (Anzahl, Intensität, Kon-trollierbarkeit, Erwünschtheit)

117/2 (Anzahl, Belastungs-ausmaß)

60/2 (Anzahl, Intensität)

41 (komplexe Auswertung nachIndikatoren)

Anmerkung: Alle Ver fahren besitzen Angaben zur Reliabilität und Validität.

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 297

Uplifts Scale genannt) von Kanner, Coyne,Schaefer und Lazarus (Westhoff, 1993) und dasDaily Stress Inventory (DSI) von Brantley undJones (Cohen et al., 1995; deutsche Überset-zung von Kosarz, Hrabal & Traue, 1997). DieHassles Scale von Kanner et al. umfaßt 117Items und enthält potentiell unangenehmeAlltagsereignisse (Bsp.: einen Gegenstand ver-lieren); in der Originalform werden die Itemsauf einer dreistufigen Skala beurteilt, wie sehrsie das Leben im Laufe des letzten Monats ge-stört haben. Das DSI von Brantley und Jonesbesteht aus 60 Items (Bsp.: Man hat mich nichtbeachtet), wobei anzugeben ist, ob das Ereignisin dem angegebenen Zeitraum (z.B. ein Tag,ein Monat) aufgetreten ist und wenn ja, wiestark das Ausmaß der Belastung erlebt wurde.Die statistischen Kennwerte der Skala werdenals sehr gut bezeichnet. Im Gegensatz zurHassles Scale besitzt das DSI weniger Items, dieeine Konfundierung der Stressoren mit Streß-emotionen nahelegen. Neben den erwähntenVerfahren sind auch Instrumente zur Bela-stungsbewältigung, die vielfach einen Teil zurErfassung von Alltagsbelastungen enthalten(Bsp. COMES/COMRES von Perrez & Reicherts,1989, 1996), als Skala zur Erfassung von Alltags-belastungen zu nennen (s. unten).

• Chronische Belastungen. Chronische Belastun-gen können über Verfahren für kritische Le-bensereignisse oder für Alltagsbelastungen er-faßt werden, wenn die Dauer der Belastungenmiterhoben wird. Darüber hinaus werden chro-nische Belastungen durch spezielle Instrumen-te bereichsspezifisch gemessen (z.B. Familie,Arbeit, Finanzen; Cohen et al., 1995). Meistenshandelt es sich um Selbstbeurteilungsfrage-bögen, seltener um Interviews. In der Regel sindspezifische Arten von Belastungen, wie auchweitere inhaltliche Bewertungsdimensionenvorgegeben (z.B. Dauer der Belastung, Verän-derbarkeit etc.).

5.2 Erfassung von Belastungs-reaktionen

Zur Erfassung von Belastungsreaktionen wer-den in der Literatur unterschiedliche Verfahreneingesetzt (Cohen et al., 1995). Diese könnenein- bis mehrdimensional sein und als Selbst-

beurteilungsfragebögen oder als Interviewdurchgeführt werden. Inhaltlich können siesich u.a. auf das Wohlbefinden (Sölva, Bau-mann & Lettner, 1995), auf spezifische Be-lastungsemotionen (z.B. Ärger etc.), die Befind-lichkeit (Collegium Internationale PsychiatriaeScalarum, 1996), bis hin zu klinischen Sympto-men/Syndromen (z.B. Angst-, Depressions-skalen; Stieglitz & Baumann, 1994) oder Dia-gnosen (ICD-10; DSM-IV) erstrecken. NebenInstrumenten zur Erfassung der emotionalenReaktionen sind auch Verfahren zur Erfassungvon Belastungsreaktionen auf anderen Daten-ebenen von Bedeutung (z.B. ambulantesMonitoring physiologischer und psychophysio-logischer Reaktionen; Fahrenberg & Myrtek,1996). Für weitere Details wird auf das Kapitel7/Diagnostik und die jeweiligen Kapitel zurKlassifikation und Diagnostik von gestörtenFunktionen, Funktionsmustern und interperso-nellen Systemen verwiesen.

5.3 Belastungsverarbeitung

Verfahren zur Belastungsverarbeitung könnennach verschiedenen Dimensionen beschriebenwerden (Überblick s. Rüger, Blomert & Förster,1990; Westhoff, 1993; Stieglitz & Baumann,1994; Beispiele für Verfahren s. Tab. 4).

Einige wesentliche Dimensionen seien hier an-geführt:

• Erfassungsmodus: Papier/Bleistift (meiste Ver-fahren); computerunterstützt (z.B. COMES/COMRES von Perrez & Reicherts, 1989, 1996;Fahrenberg & Myrtek, 1996).

• Datenebene: Neben Verfahren der psychischenDatenebene werden auch Verfahren zur Erfas-sung psychophysiologischer und biologischerDaten eingesetzt (Fahrenberg & Myrtek, 1996;Cohen et al., 1995).

• Datenquelle: Vielfach Selbstbeurteilungsfrage-bögen; vereinzelt Interviews.

• Beurteilungszeitraum: Vergangenheit (beson-ders belastendes Ereignis der letzten 6 Monate),Gegenwart (aktuelle Situation), Zukunft (wiewürden Sie sich verhalten?).

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298 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

Tabelle 4: Ausgewählte deutschsprachige Verfahren zur Erfassung der Belastungsbewältigung

Verfahren/Autoren Zeitraum, Realität, Belastungs- Itemzahl/SkalenVerhaltensstichprobe bereiche

• Realität der Belastungssituation: HypothetischeBelastungssituation (z.B. Umgang mit Belastun-gen im Verlauf UBV von Reicherts & Perrez,1993); Laborsituationen mit realen oder gefilm-ten Stressoren; konkret erlebte Belastung im All-tag (Vergangene Belastung: z.B. Ways of CopingChecklist WCCL von Folkman und Lazarus;Westhoff, 1993; Belastung der Gegenwart: z.B.COMES/COMRES); «durchschnittliche» Bela-stungssituation ohne Spezifizierung (z.B. Streß-verarbeitungsfragebogen SVF von Janke, Erdmannund Kallus; s. Westhoff, 1993).

• Größe der Verhaltensstichprobe: Ein – konkretesoder hypothetisches – Ereignis (z.B. WCCL);Durchschnitt über Ereignismenge (z.B. SVF);Verhaltenspopulation (z.B. systematische Selbst-

beobachtung des Alltagsverhaltens mittelsComputertagebuch COMES).

• Bereichsspezifität: Allgemeine Belastungen(z.B. SVF); Belastung durch Krankheit oderSchmerz (z.B. Fragebogen zur Erfassung von For-men der Krankheitsbewältigung FEKB von Klauer,Filipp und Ferring; Fragebogen zur Krankheits-verarbeitung FKV von Muthny; Westhoff, 1993).

• Individuelles versus interindividuelles Coping:Die meisten Verfahren beinhalten individuel-les Streßerleben und -verhalten (z.B. SFV,WCCL, COMES). Zur dyadischen Belastung bzw.Verarbeitung bei Partnerbeziehungen hatBodenmann (1995) sowohl ein Laborbeobach-tungsverfahren als auch einen Fragebogen ent-

Fragebogen zur Erfassung des Umgangs mitBelastungen im Verlauf (UBV) von Reichertsund Perrez (1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Ways of Coping Checklist (WCCL) von Folk-man und Lazarus (Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Streßverarbeitungsfragebogen (SVF)* vonJahnke, Erdmann und Kallus (Westhoff,1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Fragebogen zur Erfassung der Formen derKrankheits-Bewältigung (FEKB) von Klauer,Filipp und Ferring (Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Freiburger Fragebogen zur Krankheitsver-arbeitung (FKV)** von Muthny (Westhoff,1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

COMES/COMRES von Perrez und Reicherts(1989, 1996)Ereignis-Tagebuch/Belastung(computergestützte Selbstaufzeichnung)

allgemein

allgemein

allgemein

KrankheitSchmerz

Krankheit

allgemein

79/9 (z. B. Passivität,Rückzug)

64/2 (z. T. 5–8 Skalen;problem- und emotions-zentrier tes Coping)

114/9 (z. B. Bagatelli-sierung, Resignation)(Kurzv. 6 Skalen)

64/5 (Rumination, Suchenach sozialer Einbindung,Bedrohungsabwehr, Suchenach Informationen, Suchenach Halt in Religion)

142/27 (z. B. Informations-suche, Gefühle ausleben)

41/komplexe Auswertungnach Indikatoren

Anmerkungen: Alle Ver fahren besitzen Angaben zur Reliabilität und Validität. * Der SVF liegt auch als situationsbezo-gene Version vor. ** Der FKV hat verschiedene Versionen (u.a. Kurzversion in Form von Fremdbeurteilung).

Zukunft:18 hypothetischeEreignisseAlltag

Vergangenheit:1 reales belasten-des Ereignis

Vergangenheit/Gegenwart:Durchschnitt derrealen Ereignisse

Vergangenheit: realespezif. Krankheit

Vergangenheit: realespezif. Krankheit,Krankheitsereignis(z.B. Diagnosemitt.)od. Zeitraum

Gegenwart: realeEreignisse proZeitintervall

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 299

wickelt. Für die Messung von Familienbelastungund -bewältigung hat sich die Forschung bis heu-te vor allem auf kritische Familienereignisse imSinne von Makrostressoren konzentriert, wobeihäufig nur die Eltern befragt wurden. Perrez,Berger und Wilhelm (1998) haben im Anschlußan das COMES/COMRES-Verfahren eine Me-thode zur computerunterstützten Selbst-beobachtung von Streßerleben und Streß-verarbeitung in Familien vorgelegt, bei dem alleFamilienmitglieder (älter als 13 Jahre) mit Hilfeeines Palmtop-Computers sieben mal pro Tagnach einem Zeit- und EreignisstichprobenplanMerkmale ihres eigenen und des fremden Ver-haltens registrieren. Abgebildet wird dasBelastungserleben wie auch der damit verbun-dene individuelle und interindividuelle Um-gang.

• Altersbereich: Die meisten Verfahren sind fürErwachsene entwickelt worden. Seiffge-Krenke(1989) hat für Jugendliche im Alter von 12 bis20 Jahren einen Coping-Fragebogen konstru-iert, der auf einer Matrix aus 8 jugendtypischenhypothetischen Problemsituationen und 20Copingstrategien beruht.

• Erfaßte Merkmale: Je nach Verfahren werdenStressoren (Art, Dauer, Intensität usw.), Ap-praisal-Merkmale (Kontrollierbarkeit, Kausal-attribution usw.), Merkmale der Streßemo-tionen (Emotionsarten, Intensität, Dauer usw.)und die Bewältigungsmerkmale (Reaktions-typen) erfaßt. Meist findet man bei denBewältigungsformen mehrere Skalen (s. Tab. 4).

Die Vielzahl an Freiheitsgraden macht ersicht-lich, daß der Forschungsstand auch durch dieMethodenevarianz beeinflußt ist (vgl. Rei-cherts, 1988). Bisher standen Selbstbeurtei-lungsfragebogen- und Interviews im Vorder-grund, die letztlich Bewältigung nur kursorischerfassen können. In neuerer Zeit sind computer-unterstützte Ansätze entwickelt worden, die prä-zieser und differenzierter den dynamischen Ver-lauf von Bewältigung erfassen. Es ist zuerwarten, daß durch derartige Ansätze auchwertvolle Impulse zur Theorienbildung gegebenwerden.

5.4 Soziales Netzwerk/Soziale Unterstützung

Zur Erfassung Sozialer Netzwerke und SozialerUnterstützung wurden in der Psychologie einegroße Anzahl an Verfahren entwickelt (Lairei-ter, 1993b). Folgende wichtige Parameter cha-rakterisieren die Varianzquellen der Operatio-nalisierungen Sozialer Netzwerke und SozialerUnterstützung:

(1) Methodische Aspekte: Fragebogen, Interview,Tagebücher (Papier/Bleistift; Computer); schrift-liche vs. graphische Vorgaben (Netzwerk); Zeit-raum der Erfassung (Vergangenheit, Gegenwart,Zukunft); Einschlußkriterien (s. Punkt 2); me-thodische Elaboriertheit und testtheoretischeGüte.

(2) Inhaltliche Aspekte (Erhebungsdimensionen):

(2.1) Soziales Netzwerk: Netzwerktaxonomie;Netzwerkkriterien (Kontaktfrequenz, Rollen,emotionale Qualität, Belastung, Unterstützungetc. als Indikator für Netzwerkperson); zahlen-mäßige Begrenzungen der genannten Perso-nen; Erhebung von strukturellen (z.B. Teilgrup-pen), interaktionellen (z.B. Kontaktfrequenz,Rollenzugehörigkeit) und funktionalen Merk-malen der Netzwerkmitglieder (Unterstützung,Belastung, etc.); Bewertungen (z.B. Zufrieden-heit mit Kontakt).

(2.2) Soziale Unterstützung: Konstruktkompo-nenten (Ressourcen, Wahrnehmung, Verhal-ten/Interaktion usw.); Situationsbezug (Alltag,Belastungen (Stressoren); spezifische Ereignis-se); Unterstützungsquellen (Partner, Freunde/Freundin, Familie etc.); Unterstützungsinhalte(psychologische, instrumentelle, etc.).

Zur Erfassung der Konstrukte wurden bisherhauptsächlich Selbstbeurteilungsfragebögeneingesetzt; im Netzwerkbereich sind aufgrundder Komplexität der Konstrukte Interviews üb-lich. Verschiedene Konstrukte, insbesondere diebelastungsbezogene Alltagsunterstützung unddas interaktionelle Netzwerk werden neuer-dings konstruktadäquat über Tagebuchverfah-ren gemessen (Laireiter & Thiele, 1995).

• Soziale Netzwerke können über Kontakt-, Rol-len-, Interaktions- und Austauschkriterien und

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300 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

über eine Kombination derselben abgebildetwerden; entsprechend werden jeweils sehr un-terschiedliche Teilbereiche des individuellenBeziehungssystems erfaßt. Neuerdings wurdenauch Verfahren zur schwerpunktmäßigen Regi-strierung belastender Beziehungen entwickelt(Lettner, 1994; Lettner, Sölva & Baumann,

1996). Einen Überblick über die wichtigstenVerfahren findet sich in Laireiter (1993b) undBaumann und Laireiter (1995). In Tabelle 5 sinddie wichtigsten deutschsprachigen Verfahrenzusammenfassend dargestellt.

Im deutschsprachigen Raum am häufigstenbenutzt und am intensivsten evaluiert ist das

Tabelle 5: Ausgewählte deutschsprachige Verfahren zur Erfassung Sozialer Netzwerke und Sozialer Unterstützung

Verfahren/Autoren Konstrukte Itemzahl/Skalen

Interview zum Sozialen Netzwerk und zurSozialen Unterstützung (SONET) von Bau-mann et al. (Westhoff, 1993)Standardisiertes Interview

Mannheimer Interview zur Sozialen Unter-stützung (MISU) von Veiel (Westhoff, 1993)Standardisiertes Interview

Social Support Questionnaire (SSQ) 6-Item-Kurzversion von Sarason, Sarason, Shearinund Pierce (Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Beziehungs-Intervalltagebuch SONET-T vonLaireiter, Baumann, Reisenzein und Untner(1998)Bilanztagebuch/Interaktion

Computerisiertes InteraktionstagebuchSONET-CT von Baumann, Thiele, Laireiterund Krebs (1996).Ereignis-Tagebuch/Interaktion (computer-gestützte Selbstaufzeichnung

Fragebogen zur Sozialen Unterstützung(F-SOZU) von Sommer und Fydrich(Kurzversion SOZU-K-22) (Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Interpersonal Support Evaluation List (ISEL)von Cohen und Hoberman (Laireiter, 1996;Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Social Support Appraisal Scale (SS-A) vonVaux (Laireiter, 1996; Westhoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

Inventory of Socially Supportive Behaviors(ISSB) von Barrera (Laireiter, 1996; West-hoff, 1993)Selbstbeurteilungsfragebogen

56/–

38/–

12/2(Unterstützer,Zufriedenheit)

8/1

43/–

54/1 Gesamtskala,6 Einzelskalen

40/1 Gesamtskala,4 Einzelskalen

28/1 Gesamtskala4 Einzelskalen

40/1

Soziales NetzwerkUnterstützungsressourcen

Unterstützungsnetzwerk

Unterstützungsnetzwerk,Zufriedenheit mitUnterstützung

Interaktives Netzwerk

Interaktives Netzwerk

WahrgenommeneUnterstützung

WahrgenommeneUnterstützung

WahrgenommeneUnterstützung

Erhaltene Unterstützung

Anmerkung: Alle Verfahren besitzen Angaben zur Reliabilität und Validität.

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17. Streß und Coping als Einflußfaktoren 301

von Baumann und seinen MitarbeiterInnenentwickelte Interview zum Sozialen Netzwerk undzur Sozialen Unterstützung (SONET) (Laireiter,Baumann, Feichtinger, Reisenzein & Untner,1997; Westhoff, 1993). Das Verfahren geht voneinem Ansatz kombinierter Kriterien (Rollen-,Interaktions- und affektive Kriterien kombi-niert) aus; es hat sich formal und inhaltlich inverschiedensten Studien bewährt (Überblick beiLaireiter et al., 1997).

Bei der Sozialen Unterstützung ergibt sich die Dif-ferenzierung der Verfahren vor allem aus denKonstruktkomponenten (s. oben). Entspre-chend ist zu unterscheiden zwischen Verfah-ren, die Unterstützungsressourcen (Unter-stützungsnetzwerke), wahrgenommene underhaltene Unterstützung erfassen.

(1) Die den ressourcenanalytischen Verfahren zu-grundeliegenden Kriterien führen in den mei-sten Fällen zur Nennung derjenigen Personen,die im Alltag oder bei kleineren Problemen Un-terstützung geben würden (Zeitbezug: Zukunft),in einigen Fällen wird auch aktuell verabreich-te Unterstützung erfragt (Zeitbezug: Gegenwart).Einige wenige Verfahren registrieren auch die-jenigen Personen, die bei größeren Belastun-gen und Krisen Unterstützung geben würden(zukünftiger Zeitbezug). Die im deutschenSprachraum bekanntesten Instrumente sind dasMannheimer Interview zur Sozialen Unterstützung,MISU von Veiel (Westhoff, 1993) sowie diedeutschsprachige Übersetzung der 6-Item-Kurz-form des Social Support Questionnaire SSQ vonSarason, Sarason, Shearin und Pierce (Westhoff,1993). Beide Instrumente besitzen ausreichendgute psychometrische Qualität, ebenso ist ihreValidität belegt. Verschiedene Instrumenteerfassen auch ein belastungsbezogenes Unter-stützungsnetzwerk. Allerdings sind diese In-strumente kaum elaboriert und meist Bestand-teil eines komplexeren Verfahrens, in demneben diesen u.a. auch die Art der erlebtenBelastungen, die Belastungsbewältigung unddie erhaltene Soziale Unterstützung unter-sucht werden.

(2) Aufgrund seiner leichten Operationalisier-barkeit und seiner Konzeption als Persönlich-keitsvariable findet man für das Konstrukt derwahrgenommenen Unterstützung vergleichsweise

viele Instrumente. Sie sind fast ausschließlichals Selbstbeurteilungsfragebogen konzipiertund beziehen sich in der Regel auf Alltagsbela-stungen bzw. nichtbelastungsbezogene Unter-stützungswünsche. Die meisten dieser Verfah-ren orientieren sich an zwei Dimensionen:Quelle und Inhalt der Unterstützung. Es gibtallerdings kein Verfahren, bei welchem beideAspekte systematisch berücksichtigt werden.Die im deutschen Sprachraum bekanntestenInstrumente sind der Fragebogen zur SozialenUnterstützung (F-SOZU) von Sommer undFydrich (Westhoff, 1993) in einer Lang- undeiner Kurzform sowie die aus dem Amerikani-schen übersetzten Bögen Interpersonal SupportEvaluation List ISEL von Cohen und Hobermanund die Social Support-Appraisal Scale SS-A vonVaux (beide: deutsche Übersetzung durch Lai-reiter, 1996; Westhoff, 1993). Psychometrischkonnten vor allem für den F-SOZU und die SS-A-Skala hohe Reliabilitätswerte erbracht wer-den, auch die Validität kann als gut gesichertangesehen werden. Wahrgenommene Belastungs-und Krisenunterstützung wurde bisher nur sehrselten operationalisiert.

(3) Die erhaltene Unterstützung wird teilweise all-gemein (ohne Belastungsbezug), teilweise be-züglich Belastungen erfaßt. Dabei werden Tage-buchverfahren oder Interviews und Fragebögenverwendet. Bei den allgemeinen Verfahren istder auch im deutschen Sprachraum wiederholtverwendete Selbstbeurteilungsfragebogen In-ventory of Socially Supportive Behaviors ISSB vonBarrera am bekanntesten (deutsche Fassung:Laireiter, 1996; Westhoff, 1993). Dieses Inven-tar mißt in 40 Items das Ausmaß der im letztenMonat erhaltenen Unterstützungen für Alltags-bedürfnisse (z.B. Blumengießen, auf die Woh-nung schauen, Einkäufe erledigen). Von denverschiedenen Tagebuchverfahren, die die er-haltene Unterstützung im Rahmen von Inter-aktionen messen, sind vor allem das Beziehungs-tagebuch SONET-T von Laireiter, Reisenzein,Baumann und Untner (1997) sowie das com-puterisierte Interaktionstagebuch SONET-CTvon Baumann, Thiele, Laireiter und Krebs(1996; Weiterentwicklung SONET-CT-96) zunennen.

Wichtig sind Ansätze, die die erhaltene Un-terstützung belastungsbezogen erfassen. Dies er-folgt sowohl bei Alltagsbelastungen wie auch

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302 A. Störungsübergreifender Teil IV: Ätiologie/Bedingungsanalyse

bei kritischen Lebensereignissen. Zur Erfassungalltagsbezogener Belastungsunterstützung wer-den in der Regel Tagebücher (vgl. Laireiter &Thiele, 1995), bei kritischen Lebensereignissenvor allem Interviews, aber auch Selbstbeur-teilungsfragebogen eingesetzt. Ein bewährtesTagebuch für Alltagsbelastungen ist das vonPerrez und Reicherts (1989, 1996) entwickeltecomputerisierte Bewältigungstagebuch COMES/COMRES (Erweiterung mit Sozialer Unterstüt-zung durch Perkonigg, Baumann, Reicherts &Perrez, 1993). Das bekannteste Verfahren zurErfassung krisenbezogener Unterstützung istdas Support-Interview von Brown (vgl. Brown,1992), mit dessen Hilfe die von der Umwelterhaltenen Unterstützungen zur Bewältigungschwerer Lebensbelastungen und chronischerSchwierigkeiten (LEDS; s. oben) exploriert undanhand eines differenzierten Kodierungs-schemas beurteilt werden.

6. BilanzStressoren und Streßbewältigung stehen in en-ger Beziehung zu psychischen und somatischenStörungen. Dieser Bezug betrifft mindestensvier Ebenen (Heim & Perrez, 1994):

(1) Belastungen können (Mit)-Ursachen oder(Mit)-Auslöser von Störungen sein.

(2) Die noxische Wirkung von Belastungs-bedingungen ist abhängig von Persönlichkeits-merkmalen, von der Art und Weise, wie Per-sonen mit Belastungen umgehen und vonMerkmalen der sozialen Umwelt (Soziales Netz-werk, Soziale Unterstützung).

(3) Einzelne psychische Störungen lassen sichu.a. auch als charakteristische Modalitäten imUmgang mit Belastungen verstehen; z.B. bein-halten depressive Störungen ein typisches Mu-ster von Appraisal-Merkmalen und Copingten-denzen.

(4) Psychische Störungen und somatischeKrankheiten stellen normalerweise mehr oderweniger gravierende Belastungen dar, von de-ren Bewältigung die Lebensqualität und mitun-ter auch der Krankheitsverlauf mitbeeinflußtwird.

Diese psychophysiologischen Zusammenhängestellen ein eigenes weites Forschungsfeld dar,das hier nicht beschrieben werden konnte.

Die zahlreich vorliegenden Einzelbefunde er-lauben keine einfachen Antworten auf die mei-sten der gestellten Forschungsfragen. EinigeEntwicklungstrends zeichnen sich – wie gezeigtwurde – aber ab, so daß die Konzepte Streß undCoping wesentliche Kategorien für die Ätiologiebzw. Bedingungsanalyse von Störungen darstel-len. Bedeutsam sind diese Ansätze auch für dieIntervention, was in diesem Kapitel aber nichtdargelegt werden konnte (s. die Interventions-kapitel in diesem Lehrbuch).

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