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Mikrobiologie angewandte Mikrobiologie 1/19 C.N. 16.10.2004 0. Allgemeiner Überblick, Einführung zur Mikrobiologie 0.1. historisch bedeutende Persönlichkeiten und Entdeckungen: Antony van Leeuwenhoek (1632-1723) hat ab 1674 zahlreiche Briefe an die Royal Society in London geschrieben in denen detailierte Zeichnungen seiner Beobachtungen zu finden waren, die, auch nach heutiger Interpretation, eindeutig Bakterien zeigten (Folie). Unglücklicherweise berichtet Leeuwenhoek zwar über seine Beobachtungen, nicht aber über seine Methodik. In dieselbe Zeit fällt auch Robert Hooke´s (1635-1703) erste Beschreibungen von Pflanzenzellen (Beobachtungen am Kork, "box of cells"). Obwohl Leeuwenhoek anscheinend Bakterien beobachtete die sich bewegten (siehe fig: B auf der Folie) wurde erst Ende des 19.Jahrhunderts einwandfrei gezeigt, daß Mikroorganismen die selben fundamentalen Eigenschaften haben wie andere Lebewesen auch. Lange vor den systematischen Arbeiten von Pasteur oder Koch beobachtete der englische Landarzt Edward Jenner (1749-1823) als erster die Immunität gegen Pocken von Menschen, die Vieh hüteten, das an Kuhpocken erkrankt war. Er versuchte um 1795 durch den Kontakt mit infektiösem Kuhpocken-Lesionen Menschen gegen Pocken (smallpox) zu immunisieren. Es gelang ihm, weil das Kuhpockenvirus ähnlich jenem ist, welches beim Menschen die Krankheit verursacht. Diese Ähnlichkeit reichte aus um das Immunsystem so gegen Pocken zu stimulieren, dass die Krankheit trotz Infektion nicht ausbricht. Edward Jenner Edward Jenner etablierte somit die erste Impfung noch lange bevor der Zusammenhang zwischen Krankheit und Keim bewiesen war; fraglich ist allerdings ob er die Effektivität seiner Impfung durch den Versuch mit Pocken zu infizieren überprüfte. Heute ist das ein Fall für die Ethikkomission. Wenn auch seine Methodik angeblich zu ungenau war und deshalb kritisiert wurde, so löste seine Entdeckung doch den Beginn der immunologischen Forschung aus. 1837 erkennen Schwann und Kützing, dass die alkoholische Gärung durch Hefen verursacht wird. 1847 sieht Ignaz Philipp Semmelweis die Übereinstimmung der Symptome bei Sepsis und Kindbettfieber. Die Ursache waren bakterielle Infektionen (z.B. mit Streptococcus pyogenes) die durch Ärzte, die Leichen sezierten, übertragen wurde (Konflikt Männer als Ärzte gegen Hebammen !!). Mit diesen Arbeiten wurde Desinfektion zum Thema, aber die Problematik der Wundinfektion wurde erst durch Joseph Lister (1864), der das großflächige Desinfizieren (Karbol) des Operationsgebietes als Routine einführte, gelöst. Ignaz Semmelweis Die Theorie der "spontanen Entstehung" von Leben aus toter (verfaulter Materie) die zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch verbreitet war und die unter anderem erklärte warum Nahrungsmittel verderben konnten, wurde erst um 1860 durch die systematischen Arbeiten von Pasteur (1822-1895) widerlegt.

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Page 1: 0. Allgemeiner Überblick, Einführung zur Mikrobiologie · nicht gefunden (es ist ein Virus), aber er hatte infiziertes Material (Rückenmark) getrocknet und der Luft ausgesetzt,

Mikrobiologie angewandte Mikrobiologie 1/19 C.N. 16.10.2004

0. Allgemeiner Überblick, Einführung zur Mikrobiologie 0.1. historisch bedeutende Persönlichkeiten und Entdeckungen: Antony van Leeuwenhoek (1632-1723) hat ab 1674 zahlreiche Briefe an die Royal Society in London geschrieben in denen detailierte Zeichnungen seiner Beobachtungen zu finden waren, die, auch nach heutiger Interpretation, eindeutig Bakterien zeigten (→ Folie). Unglücklicherweise berichtet Leeuwenhoek zwar über seine Beobachtungen, nicht aber über seine Methodik. In dieselbe Zeit fällt auch Robert Hooke´s (1635-1703) erste Beschreibungen von Pflanzenzellen (Beobachtungen am Kork, "box of cells"). Obwohl Leeuwenhoek anscheinend Bakterien beobachtete die sich bewegten (siehe fig: B auf der Folie) wurde erst Ende des 19.Jahrhunderts einwandfrei gezeigt, daß Mikroorganismen die selben fundamentalen Eigenschaften haben wie andere Lebewesen auch. Lange vor den systematischen Arbeiten von Pasteur oder Koch beobachtete der englische Landarzt Edward Jenner (1749-1823) als erster die Immunität gegen Pocken von Menschen, die Vieh hüteten, das an Kuhpocken erkrankt war. Er versuchte um 1795 durch den Kontakt mit infektiösem Kuhpocken-Lesionen Menschen gegen Pocken (smallpox) zu immunisieren. Es gelang ihm, weil das Kuhpockenvirus ähnlich jenem ist, welches beim Menschen die Krankheit verursacht. Diese Ähnlichkeit reichte aus um das Immunsystem so gegen Pocken zu stimulieren, dass die Krankheit trotz Infektion nicht ausbricht.

Edward Jenner

Edward Jenner etablierte somit die erste Impfung noch lange bevor der Zusammenhang zwischen Krankheit und Keim bewiesen war; fraglich ist allerdings ob er die Effektivität seiner Impfung durch den Versuch mit Pocken zu infizieren überprüfte. Heute ist das ein Fall für die Ethikkomission. Wenn auch seine Methodik angeblich zu ungenau war und deshalb kritisiert wurde, so löste seine Entdeckung doch den Beginn der immunologischen Forschung aus. 1837 erkennen Schwann und Kützing, dass die alkoholische Gärung durch Hefen verursacht wird. 1847 sieht Ignaz Philipp Semmelweis die Übereinstimmung der Symptome bei Sepsis und Kindbettfieber. Die Ursache waren bakterielle Infektionen (z.B. mit Streptococcus pyogenes) die durch Ärzte, die Leichen sezierten, übertragen wurde (Konflikt Männer als Ärzte gegen Hebammen !!). Mit diesen Arbeiten wurde Desinfektion zum Thema, aber die Problematik der Wundinfektion wurde erst durch Joseph Lister (1864), der das großflächige Desinfizieren (Karbol) des Operationsgebietes als Routine einführte, gelöst.

Ignaz Semmelweis

Die Theorie der "spontanen Entstehung" von Leben aus toter (verfaulter Materie) die zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch verbreitet war und die unter anderem erklärte warum Nahrungsmittel verderben konnten, wurde erst um 1860 durch die systematischen Arbeiten von Pasteur (1822-1895) widerlegt.

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Zwar war die Möglichkeit der Hitzesterilisation schon länger beobachtet worden, doch man vermutete, daß durch die Hitzebehandlung ein essentieller Stoff, der für die spontane Entstehung von Leben notwendig war, verloren ginge. Pasteur widerlegte diese Vermutungen durch seine Versuche mit Schwanenhals-Kolben. Die Infektionen kamen eindeutig durch "Teil-chen" aus der Luft zustande. (→ wissenschaftstheoretischer Vermerk: Darwin publizierte "On the origin of species by means of......" 1859). Pasteur kann als einer der Begründer der modernen Mikrobiologie gelten, der erstmals so altbekannte Prozesse wie die Produktion von Wein oder Bier, Käse etc. genau charakterisierte und auf die Besiedlung durch Mikroorganismen zurückführte (→ Folie Pasteur). Diese Arbeiten hatten auch enorme wirtschaftliche Bedeutung, denn die Zusammenhänge beim Verderb von Lebensmitteln wurden erstmals verstanden. Pasteur arbeitete aber auch über die optische Aktivität der Traubensäure und entdeckte die optische Isomerie des Kohlenstoffs. Pasteurs Arbeiten zur Sterilisation wurden durch Tyndall dahingehend erweitert, daß die manchmal fehlgeschlagenen Versuche, durch Hitzebehandlung etwas haltbar zu machen, durch Hitze resistente Bakterienformen erklärt werden konnten. Man kann diese resistenten Formen durch mehrmaliges Erhitzen und zwischenzeitliche Abkühlung (Bebrütung), ein Prozeß den man heute Tyndallisation nennt, abtöten (Sporen werden in den Bebrütungsphasen zur Keimung angeregt).

Louis Pasteur

Pasteur gelangen auch Durchbrüche in der Entwicklung von Impfstoffen gegen Milzbrand, Geflügelcholera und Tollwut, Arbeiten, die zur Zeit von Koch bedeutend dazu beitrugen, dessen Keimtheorie der Krankheiten zu bestätigen. 1885 kündigte Pasteur eine Impfung gegen Tollwut an. Ihren Erreger hatte er zwar nicht gefunden (es ist ein Virus), aber er hatte infiziertes Material (Rückenmark) getrocknet und der Luft ausgesetzt, wodurch die pathogene Wirkung verloren ging, aber die immunisierende Wirkung erhalten blieb. (Attenuation, Inaktivierung). 1888 wurde das noch heute bestehende, weltweit berühmte institute-Pasteur gegründet, das neben verschiedensten Forschungsinstituten auch eine umfassende Stammsammlung betreibt. Um die selbe Zeit als Pasteur die "spontane Urzeugung" widerlegte, entwickelte Robert Koch (1843-1910) Methoden, um Mikroorganismen im Labor in Reinkultur zu züchten. Er ermöglichte dadurch eine Zuordnung von Krankheit und Krankheitserreger: Zwischen 1873 und 1876 studierte er den Milzbrand, konnte den Erreger im Labor anreichern und mit Sporen dieses Erregers wieder Milzbrand auslösen (Bacillus anthracis). Diese

Robert Koch

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Versuche waren der Beweis für die lange vertretene Theorie, dass Krankheiten durch Keime ausgelöst werden können. (Schon 1546 wurde von einem Zeitgenossen des Kopernikus, Girolamo Fracastoro, in dem Buch "De Contagione" die Vermutung publiziert, daß manche Krankheiten durch "Keime" übertragen werden können. Er hatte natürlich noch keine Ahnung von dem mikrobiologischen Hintergrund). 1882 entdeckte Robert Koch den Erreger der Tuberkulose aufgrund der „Säurefestigkeit“ von Mycobacterium tuberculosis und der damit verbundenen Färbbarkeit. Diesen Arbeiten gingen viele Versuche zur Kultivierung des Bakteriums voraus, schließlich gelang die Reinzucht auf durch Agar verfestigtem Blutserum. Zu Koch´s Zeit waren 1/7 der Todesfälle auf Tuberkulose zurückzuführen ! (siehe Folie Todesursachen). 1905 erhielt Koch für diese Arbeit den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Koch identifizierte auch Vibrio cholerae und schlug Maßnahmen zur Wasseraufbereitung vor. Koch´sche Regeln zum Nachweis der Pathogenität (Folie, Brock S23) Die von Koch begründete Reinkulturtechnik war im Prinzip Beginn des Klonierens. Martinus Beijernick (1851-1931) und Sergei Winogradsky (1856-1953) konzentrierten sich in ihren Arbeiten auf die Charakterisierung und Reinzucht von vielen weiteren Mikroorganismen denen im Stoffkreislauf der Natur eine wichtige Bedeutung zukommt. Martinus Beijernick etablierte für die Bakterienzucht erstmals Anreicherungsverfahren, wodurch es möglich wurde, Bakterien mit unterschiedlichsten physiologischen Eigenschaften zu isolieren, anzureichern und zu charakterisieren. Der Methodik der Selektivnährböden liegen diese Arbeiten zugrunde. Beijernick untersuchte als Botaniker auch die Tabakmosaikkrankheit von Pflanzen, wies nach dass es sich nicht um einen bakteriellen Erreger handelt und konnte die Grundregeln moderner Virologie formulieren: Sergei Winogradsky zeigte die große Bedeutung der verschiedensten Bodenbakterien, isolierte von Stickstofffixieren (Clostridium pasteurianum), Nitrifizierern und schwefeloxidierenden Bakterien ein Vielzahl ökologisch wichtiger Gruppen.

Sergeji Winogradsky

Winogradsky formulierte erstmals das Konzept von geochemisch aktiven Bakterien, die in der Lage sind anorganische Verbindungen zu oxidieren und aus diesen Reaktionen Energie bzw. auch Kohlenstoff zu beziehen.

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0.2. Bedeutung der Mikrobiologie im Alltag: # leicht verfügbare Modellorganismen zum Studium von grundlegenden genetischen und biochemischen Prinzipien. Vorsicht ist allerdings bei dem Versuch geboten Erkenntnisse von einfachen Modellorganismen auf komplexere Organismen zu übertragen. Mit zunehmender Komplexizität des Organismus nimmt auch die Ausdehnung des regulatorisches Netzwerks zu, weshalb neue Gesetzmäßigkeiten zu beachten sind. Escherichia coli, Bacillus subtilis, Saccharomyces cerevisiae, Dictyostelium discoideum, Influenza, Rhinovirus, # Mikroorganismen können als effiziente industrielle Produzenten eingesetzt werden; man denke dabei nicht nur an die bekannten Lebensmittelbereiche (Bier, Wein, Käse, Soja, etc.) sondern vor allem an hochentwickelte Biotechnologien wie z.B.: Produktion von pharmakologisch wirksamen Stoffen (vom Insulin bis zu den Antibiotika); Produktion von Enzymen als Katalysatoren in der chemischen Industrie; Produktion von therapeutischen Proteinen oder Enzymen (z.B. Insulin) Zu den interessantesten Entwicklungen der letzten Jahr zählen die diversen Methoden zur Produktion von zellulären Signalstoffen, immunaktiven Proteinen, bzw. auch die neuen Möglichkeiten zur Gewebezüchtung. # manche Mikroorganismen sind gefährliche Krankheitserreger, der medizinischen Mikrobiologie kommt daher in der Gesundheitsversorgung eine besondere Bedeutung zu. Vor allem in Regionen mit großer Armut in der Bevölkerung mit mangelnder ziviler Infrastruktur („Entwicklungsländer“) zählen neben dem Hunger durch Mikroorganismen ausgelöste Krankheiten zu den häufigsten Todesursachen. Albert Schweitzer (ungefähr) : „Es schaudert einem, wenn man im Mikroskop betrachtet, welch primitive Lebewesen daran Schuld sind, einem so hoch entwickelten Lebewesen, wie es der Mensch ist, solches Leid anzutun.....„ http://www.schweitzer.org/german/asdind.htm # Bedeutung der Mikroorganismen in der Ökologie (Landwirtschaft-Bodenökologie). Die Mikroorganismen stellen den größten Anteil an Biomasse auf der Erde ( Der Pilz der J.F.Kennedy zum Präsidenten machte..... Phytophtora infestans verursachte nämlich im Jahr 1845 eine Kartoffelfäule in Irland weshalb die Familien Fitzgerald und Kennedy in ihrer Not nach Amerika auswanderten. Irisch-stämmige Wähler waren auch dafür verantwortlich, dass Kennedy Präsident wurde. 0.3. Hilfsmittel und Methoden der Mikrobiologie Mikroskopie (Lichtmikroskopie ist die einzige Möglichkeit zur Untersuchung am lebenden Objekt); Elektronenmikroskopie (Transmission, Raster) Reinkulturen, Nährmedien (Physiologie) gentechnische Methoden (PCR)

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1. bakterielle Zellphysiologie und -biologie

bakterielle Morphologie, Größenvergleich

Wesentliche Beiträge zur mikroskopischen Beschreibung von Zellen und damit auch zur Zellphysiologie stammen von Schleiden (1840) und Bernard & Schwann (Beispiel: allium cepa Epidermis). Details zur mikros-kopischen Technik folgen im Kapitel 1 im 2.Semester. Die im Folgenden besprochenen Merkmale sind gleichzeitig Merkmale für Lebens-formen ganz allgemein. Bakterien besitzen keine Organellen und auch keinen Zellkern ! Bakterien sind einzellige Lebewesen unterschiedlicher Gestalt mit einer Größe von 0,2-5 µm (s. Abbildung ). Sie gehören zu den Domänen der Archaea und Bacteria (Prokaryonten) und unterscheiden sich von den Eukarya in wesentlichen Merkmalen hinsichtlich des Zellaufbaus der genetischen Organisation und des Stoffwechsels. 1.1. lichtmikroskopisch erkennbare morphologische Merkmale von Bakterienzellen: 1.1.1. Form: kugelig, Stäbchen, Spirillen: Die Formenvielfalt der Bakterien reicht von kugelig, einzeln oder in Gruppen (auch Ketten oder Haufen) über oval und Stäbchen- bis zu gewunden oder Keulen-förmig. Die Länge kann je nach Art und Kulturbedingungen 0,1-4µm betragen, die Dicke etwas weniger. Es gibt allerdings Ausnahmen wie Epulopiscium fishelsoni, einen Symbionten des Doktorfisches, der 500µm (!) lang werden kann. Die schraubenförmigen Bakterien sind mehr oder weniger stark gewundene Organismen mit oder ohne flexiblen Achsenfaden. Manche Arten z.B. Vibrionen umfassen nur einen Teil einer Schraubenwindung und erschei-nen deshalb kommaförmig. Unter Penicillineinwirkung entste-hen unter Zuchtbedingungen bei verschiedenen Bakterien soge-nannte l-Formen. (nackte

typische Bakterienformen (etwa 1300-fache Vergr.):

1 Streptokokken (in Ketten) 2 Diplokokken kettenförmig 3 abgeplattete Kokken, (Gono-) 4Diplokokken 5 Haufenkokken (Staphylo-) 6 Kokken in Vierer-Lagerung

(Sarcina) 7 plumpe, lange eckige Stäbchen 8 schlanke, abgerundete Stäbchen 9 plumpe, kurze, abgerundete

10 fusiforme Stäbchen

n )

n

n :

, n

r e

t mittelstä diger

Stäbchen

11kokkoide Stäbchen12 keulenförmige Stäbche

(Coryne-13fadenförmige Stäbchen14unverzweigte Fadenformen15verzweigte Fadenforme16Schraubenbakterien: Vibrionen17Schraubenbakterien: Spirille18Schraubenbakterien

Treponemen, BorrelienLeptospire

19Sporenbildner mit endständigeSpor

20Sporenbildner mi n ,ovaler Spore

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Protoplasten, die ihre Zellwand ganz oder teilweise verloren haben). Die Formgebung wird beeinflusst durch Bestandteile des Cytoskeletts und der Zellwand. 1.1.2. Begeißelung Geißeln sind Organe zur freien Ortsveränderung.

Arten der Begeißelung

Sie können von den Bakterien je nach Bedarf aktiviert werden (siehe Taxien). Für die Lage gibt es folgende Möglichkeiten: monopolar monotrich; monopolar polytrich; bipolar polytrich; peritrich Die Art der Begeißelung lässt sich bei manchen Arten durch eine spezielle Färbemethode, oder im Dunkelfeld nachweisen. Dabei ist aber zu beachten, dass die Geißel an sich im Lichtmikroskop nicht aufgelöst werden kann, sie jedoch durch Anlagerung von Farbpigmenten oder durch Streuung des Lichtes vor einem dunklen Hintergrund sichtbar gemacht werden kann (siehe Kapitel Lichtmikroskop). 1.1.3. Schleimkapseln ( die wesentlich größer als das Bakterium sein kann ); Viele Bakterien produzieren außerhalb der Zellwand eine Schleimschicht oder Glycocalyx. Ist sie scharf gegen die Umgebung abgegrenzt, so bezeichnet man sie als Kapsel. Geht das Kapselmaterial in das umgebende Medium über, so spricht man von Schleimen. Diese Kapseln und Schleime werden hpts. von extrazelluläre Polysacchariden (EPS) aber auch Polypeptide aufgebaut (Typen siehe Fritsche S 62 ). Die Molekülgröße ist dabei sehr unterschiedlich. Ausgeprägte Kapseln besitzt Streptococcus pneumoniae, ein Erreger der Lungenentzündung. Der Kapseln sind je nach Pathotyp verschieden aufgebaut und bedingen auch die Virulenz weil sie Schutz vor Phagocytose (z.B. durch Leukocyten) verleihen. Eine ausgeprägte Schleimbildung zeigt Leuconostoc mesenteroides auf saccharosereichen Medien. Die von diesen Bakterien gebildeten Dextrane haben eine praktische Bedeutung als Blutplasmaersatz. Die Möglichkeit, aus Dextranen vernetzte Systeme verschiedener Porengröße herzustellen, wird zur Produktion von Molekularsieben (Sephadex) verwendet. Zahnbelag besteht zum großen Teil aus Laevan (Streptococcus-Arten). Mit der Schleimbildung setzen sie sich in einem für sie günstigen Habitat fest. Ihre Stoffwechselprodukte führen zu Karies. Auch mehrere Arten von Schleimen werden von einer Bakterienart gebildet. So synthetisiert das phytopathogene Bakterium Pseudomonas syringae Laevane und Alginate. Einige Essigsäurebakterien (Acetobacter) scheiden Cellulosefasern aus, aus denen die feste Kahmhaut auf ethanolhaltigen Lösungen entsteht (bakterielles Papier). Die Kapseln von Bacillus anthracis und B. megaterium bestehen aus Polypeptiden, vor allem Polyglutaminsäure. Unter geeigneten Laborbedingungen können sich schleimbildende Bakterien auch vermehren, ohne diese Makromoleküle zu bilden. Die Kapseln und Schleime bringen für die Existenz am natürlichen Standort einen Selektionsvorteil.

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1.1.4. Zellwandtypus nach Art der Färbbarkeit Man unterscheidet zwischen Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien. Die Färbbarkeit nach der von Gram entwickelten Methode (Christian Gram, 1884, siehe Laborteil) geht auf Unterschiede im Zellwandaufbau zurück. Diese Unterscheidung liefert erste Hinweise auf die Zugehörigkeit des untersuchten Stammes zu einer bestimmten physiologischen Gruppe. Zu beachten ist dabei, dass die Färbbarkeit auch vom physiologischen Zustand dieses Stammes abhängen kann (alte Kulturen verhalten sich anders als frisch überimpfte). 1.2. Die Bakteriengeißel 1.2.1. Aufbau der Geißel Geißeln oder Flagellen bewirken durch Rotation eine aktive Bewegung. Anordnung und Zahl der Geißeln ist bei den einzelnen Arten verschieden. Geißeln sind 10- 20µm lange helikale Gebilde, die in der Cytoplasmamembran verankert sind, sie sind also länger als die Bakterien selbst.

Geißel bei Gram positiven Bakterien

Das eigentliche Filament ist aus Flagellin aufgebaut, dessen Monomere sich zu einem Hohlzylinder von 20nm Durchmesser anordnen. Der Haken und die Basalringe bestehen aus anderen Proteinen, die verschiedene Konformationen einnehmen können. Die Bewegungsenergie stammt von dem in der Membran aufgebauten Protonengradienten. Die Bewegung gegen den Uhrzeigersinn bewirkt geradlinigen Lauf, die im Uhrzeigersinn bewirkt Taumeln. 1.2.2. Arten der Bewegung: Geißelbewegung Chemo-, Phototaxis (Brock ab S90) Bakterien sind in besonderem Maß auf das Leben im Wasser oder zumindest feuchter Umgebung angewiesen. In dieser Umgebung unterscheiden sich die Konzentrationen von Lockstoffen oder Giftstoffen von Ort zu Ort, man spricht von Konzentrationsgradienten. Die Geißelbewegung kann nun abhängig von der Richtung des Gradienten gesteuert werden. Bakterien reagieren auf örtliche Veränderungen. Weil sie zu klein sind und diese Veränderungen entlang ihres Körpers wahrnehmen zu können, vergleichen sie die Signalstärke zu verschiedenen Zeitpunkten. Die bakterielle Bewegung teilt sich in Taumeln und geradlinige Läufe; eine Zunahme des Lockstoffes bewirkt eine Verlängerung der Messintervalle und damit auch eine Verlängerung der Laufzeit. Abschreckende Stoffe lösen genau dieselbe Reaktion aus, jedoch in umgekehrter Richtung. Das Sensorium der Bakterien besteht aus transmembranen Proteinen (sog. methylakzeptierende chemotaktische Proteine MCP´s), die bestimmte Signalstoffe binden können. Durch diese Bindung wird im Inneren der Zelle eine kurze Kinase-Kaskade ausgelöst, die im Endeffekt die Bewegung des Geißelmotors in die eine oder andere Richtung aktiviert bzw. hemmt. Die Beweglichkeit der Bakterien kann nicht nur Geißeln erreicht werden, zur Bewegung ohne Geißeln sind die gleitenden Bakterien (Myxobakterien, Cyanobakterien und einige anderer Bakteriengruppen) und Spirochaeten befähigt. Man unterschiedet verschiedene Arten der Bewegungssteuerung: Chemotaxie (Escherichia coli) Aerotaxie (O2) Phototaxie (Licht) (Cyanobakterien, Rhodospirillum centenum )

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Orientierung nach dem Licht entweder durch Taumeln bei Dunkelheit (Skotophobotaxis) oder durch gezielt Bewegung zu höheren Lichtintensitäten. Bei der Phototaxis sind ähnliche Motor-steuernde Proteine beteiligt, aber auch die ATP-Synthesesrate hat einen regulierenden Einfluß. Manche Cyanobakterien stellen ihre Schwebhöhe im Wasser so ein dass sie nicht zuviel Licht abbekommen um die Photooxidation nicht überhand nehmen zu lassen. Magnetotaxie: Orientierung nach den Feldlinien des Erdmagnetfeldes, wird durch ferromagnetisches Eisenoxid vermittelt, das in der Nähe der Geißelansätze lokalisiert ist. Die Magnetotaxis kommt bei anaeroben und microaerophilen Bakterien vor und orientiert sie in die sauerstoffarmen Tiefenschichten und Sedimente der Gewässer. (Lit.: Regulation der Geißelbewegung, Brock, S258) 1.3. Die Zellwand und die Zellmembran 1.3.1. Die Abgrenzung: Nach außen muss jede lebende Zelle durch eine dichte Membran abgegrenzt sein da sonst die grundlegende Bedingung für einen „lebendigen“ Stoffwechsel, nämlich abseits eines chemischen Gleichgewichtes abzulaufen, nicht erfüllt ist. Lebendige Systeme bedürfen eines Fließgleichgewichtes (steady state) und daher muss das Cytoplasma einerseits von der Umgebung abgegrenzt sein und außerdem über effiziente Mechanismen verfügen, gezielt bestimmte Substanzen durch die Membran zu transportieren. 1.3.2. Die Zellmembran: Die Zellmembran besteht bei fast allen Lebewesen (mit Ausnahme mancher Archaea) aus einer zweilagigen Lipidschicht, wobei die hydrophilen Seiten der Lipide nach aussen und zum Cytoplasma orientiert sind und die lipophilen Teile zueinander gerichtet sind. Sowohl die Membran als auch die Zellwand, werden von Enzymen in der Cytoplasmamembran gebildet. Die Zellmembran stellt eigentlich die Barriere zur Außenwelt dar, sie ist jedoch nur begrenzt osmotisch belastbar, falls die Zelle keine Zellwand hat. (vgl. Fahrradreifen). In der Membran befinden sich neben wichtigen Enzymsystemen für den Stoffwechsel auch Transportsysteme, die den Stoffaustausch zwischen innen und außen bewerkstelligen (siehe oben). 1.3.2.1. physiologische Bedeutung der Zellmembran: In der äußeren Membran findet sich eine Vielzahl von Proteinen, die sog. "Outer Membrane Proteins" = OMPs, denen zum Teil stabilisierende Funktion, zum Teil die Funktion von Rezeptoren, in vielen Fällen aber die Funktion von Porinen zukommt. Diese Porine bilden Kanäle, durch die gelöste niedermolekulare Substanzen relativ ungehindert in das Zellinnere, bzw. Abfallprodukte nach außen gelangen können. Über diesen Weg werden auch Exotoxine nach außen abgegeben. Die Zellmembran ermöglicht daher den selektiven Kontakt mit der Umgebung, durch sie wird bestimmt welche physiologischen Aufgaben eine Zelle gerade durchführt.

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1.3.3. Die Zellwand: Die Zellwand verleiht der Zelle Stabilität gegen osmotischen Streß und wirkt Form-gebend. Die Zellwand ist aus Murein (lat. murus = Mauer) bzw. Peptidoglycan aufgebaut, ist 2-80nm dick und liegt der zytoplasmatischen Membran direkt auf. Das Peptidoglycan ist ein Mischpolymer aus kurzen Peptiden und Zuckerderivaten, das als Netzwerk die Zelle außerhalb der Cytoplasmamembran umgibt. Wenn eine Bakterienzelle sich teilt, so werden im Mureinnetzwerk kleine Öffnungen erzeugt (durch Autolysine, die ähnlich dem Lysozym funktionieren) an denen neue Zellwandkomponenten eingebaut werden können, ohne dass die Zellstruktur zerstört werden muss. Dem inneren Druck der Zelle kann aber nur dann standgehalten werden, wenn die neuen Verknüpfungen gebildet wurden, bevor die alten aufgelöst wurden. Daher entstehen an dieser Stelle „Narben“ (ähnliche Prinzipien wirken auch beim Auf- und Abbau von Knochensubstanz oder überhaupt in der Embryonalentwicklung) 1.3.3.1. Zellwandbildung Grundgerüst der bakteriellen Zellwand ist eine Mureinschicht, das sog. Peptidoglykan, die aus zwei glykosidisch verbundenen Zuckerderivaten, dem N-Acetylglucosamin (NAG) und der N-Acetylmuraminsäure (NAM, bakterienspezifisch) sowie einem Tetrapeptid besteht, das zur Quervernetzung der Aminozucker-Ketten führt. Die Murein-Struktur der Bakterienzelle ist weder im Pflanzen- noch im Tierreich anzutreffen. Dies begründet den Einsatz von die Bakterienzellwand selektiv angreifenden Antibiotika, die die Peptidoglykansynthese stören, ohne daß die Zelle des Wirtsorganismus (Mensch, Tier) Schaden leidet (z. B. Penicilline, Cephalosporine). Die Zuckerderivate sind alternierend β-1,4-glykosidisch miteinander verknüpft. Der COOH-Rest der N-Acetylmuraminsäure ist mit einem Tetrapeptid verbunden. Diese Peptidkette ist bei den Gram(-) Bakterien direkt, bei den Gram(+) Bakterien über eine Peptidkette mit dem Tetrapeptid der nächsten Kette verknüpft. Die makromolekulare Struktur des Mureins kommt durch zwei Arten der Verknüpfung zustande, durch die Glycosidbindungen zwischen den Zuckerderivaten und den Peptidbindungen zwischen den Aminosäuren der Peptidseitenketten. Die Biosynthese erfolgt in 2 Schritten: # Transglycosylierung # Transpeptidierunng Die bakterizide Wirkung der β-Laktam-Antibiotika (Penicillin) setzt bei der Transpeptidierung ein. Die Zellwand der Bakterien wird nach ihrer Anfärb-barkeit, in der sog. Gram-Färbung, in zwei grundsätzliche Typen unterschieden: Zellwand grampositiver Bakterien (ein Farblack bleibt in der Zellwand bestehen) Zellwand gramnegativer Bakterien (Farblack lässt sich auswaschen)

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Das Mureinnetz Gram-negativer Bakterien ist einschichtig, jenes Gram-positiver Bakterien dagegen besteht aus mehreren Schichten. Lysozym u. bakterielle Muroendopeptidasen können dieses Gerüst spezifisch spalten (Hühnereiweis, Tränenflüssigkeit) 1.3.4. Die äußere Membran von G- Bakterien (Brock S 83 Fritsche S. 58 ff): Bei Gram-negativen Bakterien befindet sich außerhalb der Peptidoglycanwand eine weitere Doppelmembran, die nicht aus Phospholipiden sondern aus Lipiden und Lipopolysacchariden aufgebaut ist. Der Raum zwischen den beiden Membranen wird Periplasma genannt und enthält neben der Peptidoglycanschicht diverse Enzyme des periplas-matischen Stoffwechsels (Zellwandsynthese, und –abbau, Lipidmetabolismus, Glycosylierungen, Transporter, Bindeproteine etc.).

Zellwand/-membran von G- Bakterien

An der äußeren Membran angeheftet befinden sich O-Antigene (Oberflächen-Antigene), die zur immunologischen Stamm-identifizierung herangezogen werden. Teile der sog. Lipid-A Komponente können als Endotoxine wirken (Salmonella, Shigella, Escherichia). Diese Endotoxine werden normalerweise nicht an die Umgebung abgegeben, sondern nur bei der Lyse der Zelle freigesetzt. Ihre pathogene Wirkung ist im Vergleich zu Exotoxinen wesentlich geringer, sie verursachen die Freisetzung von Pyrogenen (Fieber), lösen Durchfall und Entzündungen aus. Weitere Strukturen, die von der Zellwand, oder der äußeren Membran ausgehen sind die amorphen Kapseln, die in der Regel aus Polymeren einfacher Zucker (Polysacchariden) bestehen und vor dem Zugriff durch Abwehrzellen (z.B. Leukozyten, Makrophagen) schützen. Sie verleihen den Bakterien damit eine besonders krankmachende Wirkung (Virulenz). Strukturierte Anhangsgebilde sind auch die in großer Zahl pro Zelle (≤100) auftretenden Proteinfäden, die Fibrien oder Pili mit einer Länge von maximal 10µm. Sie dienen entweder dem Anhaften der Bakterien an Oberflächen und fördern so die Kolonisation von Schleimhäuten, oder sie fungieren als sog. Sex-Pili bei der Konjugation, wobei Plasmid-DNA von Bakterium zu Bakterium übertragen wird. Zellwand und Zellanhangsgebilde sind Träger der typenspezifischen Antigenität von Bakterien: Das Immunsystem erkennt Peptidoglykan, Geißeln und/oder Kapseln bzw. Lipopolysaccharide (z.B. O-Antigene) als körperfremd und kann gegen diese spezifischen, eine Immunreaktion auslösendenden Bestandteile (sog. Epitope), Antikörper ausbilden. Solche Antikörper kann man daher zur Identifikation von Bakterien ausnützen: Unbekannte Bakterien werden gegen eine Reihe von bekannten (mit typischen Antigenen wie bestimmten Lipopolysacchariden) über spezifische Antikörper (sog. diagnostische Seren) ausgetestet und nach entsprechenden positiven/negativen Reaktionsmustern serologisch differenziert.

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1.4. Das Cytoplasma: Die Zelle besteht zu 70% aus Wasser, das vor allem als Hydratationswasser der Proteine vorliegt und für den Ablauf der biochemischen Reaktionen eine wichtige Vorraussetzung ist. Im Cytoplasma der Bakterienzelle finden sich neben einer Vielzahl von Enzymen, Speicher-stoffen und diversen Metaboliten des Stoffwechsels (von Spurenelementen bis zu Vitaminen und Aminosäuren) Ribosomen (ca. 10000–15000), an denen die Protein-synthese stattfindet, Mesosomen (Membranein-faltungen), die für den Energiestoffwechsel wichtig sind, RNA und schließlich das Chromosom.

Schematische Darstellung der Ultrastruktur einer Bakterienzelle

Das Zytoplasma wird von einer Zellmembran umgeben (Details siehe 1.3.2.) und enthält alle funktionellen Komponenten des Stoffwechsels. Die Zelle ist ein dynamisches System. Viele Moleküle unterliegen einem ständigen Auf-und Abbau (turnover). Auch bei den m-RNA-Molekülen ist dieser hoch, da m-RNA direkt umzusetzende genetische Information bedeutet und daher nur zu der Zeit da sie auch gebraucht wird vorhanden sein darf („sonst quasseln alle gleichzeitig und durcheinander“). Die durchschnittliche Lebensdauer beträgt ca. 5% der Generationszeit, das bedeutet, dass bei einem Gehalt an 1000 mRNA-Molekülen pro Generation etwa 20 000 mRNA Moleküle synthetisiert werden. Auch die niedermolekularen Bausteine, wie die Aminosäuren und organische Säuren, werden schnell synthetisiert und verbraucht. In besonderen Maße trifft das für Cofaktoren wie ATP zu t Fließgleichgewichte. 1.4.1. Chromosom / DNA Das bakterielle Genom, besteht in der Regel aus einem Chromosom, einem ringförmigen DNA-Doppelstrang ( Adenin - Thymin, Guanin - Cytosin ), der mit bestimmten Proteinen assoziiert ist (dieses sog. Nucleoid kann im TEM sichtbar gemacht werden, die Proteine sind DNA-bindende Proteine, RNA-Polymerasen, DNA-Polymerasen, etc.). Die DNA im Nucleoid ist mit einer Größe von etwa 4-5 Mio bp (z.B. 4600 kbp in E.coli) für eine so kleine Zelle doch recht groß (etwa 1mm lang) und muß daher dicht gepackt sein. Dies geschieht bei Bakterien durch das sog. supercoiling einer Überdrehung des DNA-Dopelstranges über die eigentliche Ganghöhe hinaus (Gürtelexperiment). Darüber hinaus gibt es DNA in ebenfalls ringförmigen Plasmiden, von denen bis zu 40 vorkommen können. Sie enthalten nur wenige Gene und verleihen z.B. Resistenzen, die Fähigkeit zur Toxinbildung, oder die Fähigkeit zur Ausbildung sog. F-Pili (fertility), über die genetisches Material zwischen

supercoiling der DNA

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zwei Zellen ausgetauscht werden kann (in ca. 70 % aller isolierter Bakterienstämme kommen Plasmide vor). Plasmide die in das Bakterienchromosom integriert werden können bezeichnet man als Episomen. Aus genetischer Sicht besonders auffallend sind „springende Gene“ Transposons, die ihren Genort verlassen und anderer Stelle wieder eingebaut werden können. Bakterien wird es durch diese Mechanismen möglich, sich an bestimmte Umweltbedingungen selektiv anzupassen (geringe Generationszeit !) und gewonnenes genetisches „Können“ (z.B. eine Antibiotikaresistenz) rasch weiter zu verbreiten. In einer schnell wachsenden Zelle wird fortlaufend repliziert, daher liegen in der Regel 2 oder 4 Kopien des Chromosoms vor, und der DNA-Gehalt schwankt. Plasmide liegen oft in noch viel höherer Kopienzahl vor, dies liegt am jeweiligen ori, dem Origin of Replikation (siehe Gentechnik, bzw. Molekularbiologie) Aufgrund der besonderen Einfachheit der Handhabung und der geringen Größe wurden Plasmide zum bewährten Instrument der Molekularbiologie und Gentechnik. Je nach Herkunft haben sie unterschiedliche Eigenschaften, sind aber meist für spezielle Vorhaben optimiert worden. Wichtig zu beachten ist, dass es sog. Kompatibilitätsgruppen gibt, die nur die Verwendung bestimmter Plasmide nebeneinander in einer Zelle zulässt. 1.4.1.1. bakterielle Genetik allg. Auf dem bakteriellen Chromosom befinden sich verschiedene Typen genetischer Information : 1. die Gene selber; sie entsprechen einem codierten Bauplan für Proteine und Enzyme.... 2. die Regulatoren zu diesen Genen; sie entscheiden, wann und in welcher Menge ein bestimmtes Gen sich auswirken soll. 3. darüber hinaus gibt es noch Information wann und wie oft dieses Chromosom wegen einer bevorstehenden Zellteilung kopiert werden soll und es enthält manche genetischen Elemente, die sich sehr flexibel verhalten können und dazu beitragen dass Bakterien sich in der Regel schnell an veränderte äußere Bedingungen oder einen neuen Selektionsdruck anpassen können; sie haben ein gewisses Potential ihr Genom zu verändern. 1.4.1.2. Genomorganisation: Bei Prokaryonten und auch Viren ist das Genom „kapitelweise“ organisiert. Man spricht von Operons, die immer eine bestimmte Gruppe von Genen nebeneinander enthalten. Diese Gene gehöre logisch zusammen werden gemeinsam transkribiert und codieren beispielsweise für eine Gruppe von Enzymen die in einem bestimmten Stoffwechselweg benötigt werden. Daraus folgt auch, dass sie gleichzeitig in der Zelle translatiert werden müssen. Operons codieren für Genprodukte die funktionell zusammengehören, die Zelle kann mit nur einem Teil dieser Proteine (Enzyme) nichts anfangen. 1.4.1.3. Gentransfern / Konjugation Eine Paarung, bei der haploide Chromosomen miteinander ein diploides Genom hervorbringen, so wie es bei den Eukaryonten geschieht, kennt man bei Bakterien nicht. Es gibt aber einen Mechanismus, der die Übertragung von genetischem Material ermöglicht. Die geschieht mit Hilfe von Plasmiden (meistens Episomen), die einerseits die Gene für die Ausbildung der für den Kontakt notwendigen Proteine codieren und andererseits genetisches Material besitzen das einfach nur übertragen

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wird. Dieses genetische Material kann auch vom Genom des Spenderbakteriums stammen. Zur Kontaktaufnahme zwischen den Bakterien ist die Ausbildung von sog F-Pili (fertility) notwendig. Diese Proteinbrücken ziehen die beiden Bakterienzellen aneinander, sodass schließlich eine Membranfusion entsteht, die die Übertragung ermöglicht. Zusätzlich codiert das F-Plasmid für Proteine des Kanals und zur Entwindung der DNA. Zur Übertragung erfolgt ein Strangbruch, ein Einzelstrang wird hinübergeschleust und gleichzeitig durch die DNA-Polymerase in der Spenderzelle ersetzt. Die Effizienz dieser Übertragungen kann dazu führen, dass innerhalb kürzester Zeit ein Plasmid von einer Plasmid-positiven Zelle auf eine gesamte Bakterienpopulation übertragen wird (Problem der Antikbiotikaresistenz bei der Chemotherapie von Infektionskrankheiten).

Schema der F-

Plasmidübertragung (rolling circle)

Die bakterielle Konjugation wurde 1946 von Joshua Lederberg und Edouard L. Tatum nachgewiesen. 1.4.2. RNA RNA ist einzelsträngig aus Ribonucleotiden (Adenin, Uracil, Guanin und Cytosin ) aufgebaut und kann nach bestimmten Funktionalitäten geordnet werden: m-RNA (messenger-RNA): vom Genom transkribierte genetische Information die

unmittelbar als codierte Vorlage zur Proteinbiosynthese verwendet wird. t-RNA (transfer-RNA): Aminosäure-Carrier im Rahmen der Proteinbiosynthese r-RNA (ribosomale RNA): von der RNA sind etwa 80% ribosomale RNA. Die Zelle

enthält 5.000-50.000 Ribosomen, die aus 60% RNA und 40% ribosomalen Proteinen bestehen.

Eine charakteristische Eigenschaft aller RNA-Moleküle, nämlich die Fähigkeit intramolekulare Basenpaarungen zu bilden ist für die Funktion der jeweiligen RNA-Typen entscheidend: RNA-Moleküle bilden sekundär-Strukturen die eine bestimmte räumliche Orientierung haben und dadurch mit entsprechenden Proteinen wechselwirken können (siehe t-RNA Struktur). Am Beginn der Die im Cytoplasma vorliegenden RNA-Moleküle haben entsprechend der unterschiedlichen Funktionen verschiedene Molekülgrößen. . 1.4.3. Proteinbiosynthese Eine m-RNA ensteht als Kopie eines bestimmten Gens bzw. Operons während der Transkription im Nucleoid. Die bakterielle (prokaryotische) m-RNA ist sehr kurzlebig und hat eine ungefähre Halbwertszeit von 20 Minuten. Während dieser kurzen Lebenspanne kann sie mehrfach von einem Ribosom gebunden und translatiert werden. Selbst wenn sie noch transkribiert wird können sich schon Ribosomen an sie heften. Die Transkription und Translation sind aufgrund dieses Umstandes im Bakterium räumlich eng mit einander verknüpft

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(Bei den Eukaryonten wird mRNA nach der Transkription noch modifiziert !). Die t-RNA unterscheidet sich von den anderen RNA-Spezies vor allem durch die geringere Größe und ihre Funktion als Trägermolekül für Aminosäuren entsprechend dem Anticodon. Es gibt mehr als 20 unterschiedliche t-RNA´s die spezifisch mit "ihrer" Aminosäure beladen werden und die am Ort der Proteinbiosynthese, dem Ribosom, "ihre" spezielle Stelle finden an die sie gehören. Ribosomen bestehen selbst aus Proteinen und ribosomaler RNA (r-RNA). 1.4.4. Stoffwechsel im Cytosol: Neben der „genetischen Verwaltung“ und der Proteinbiosynthese sind auch die meisten Stoffwechselprozesse im Cytoplasma lokalisiert. Da Bakterien nicht über Organellen verfügen, die spezielle Aufgaben im Rahmen des Stoffwechsels übernehmen können, müssen die Stoffwechselvorgänge im Cytoplasma genau reguliert sein, damit kein Chaos ausbricht ! Diese Regulation geschieht über die Steuerung der Genexpression und der Beschränkung auf bestimmte Stoffwechselaufgaben bei bestimmten Umweltbedingungen. Des weiteren wirkt eine Vielzahl von Inhibitoren und Aktivatoren auf die jeweiligen Enzyme und beeinflussen deren Aktivität. Bakterien sind daher sehr effizient was ihren Stoffwechsel und ihre Vermehrung betrifft, aber sie sind lange nicht so vielseitig wie Eukaryonten. Bakterien konnten dem Selektionsdruck der Eukaryonten nur durch Optimierung ihrer Lebensfunktionen und durch rasche Vermehrung begegnen:

„Wir können diese vielzelligen Organismen nicht überholen, sie abschießen oder ihnen aus dem

Weg gehen, aber wir können sie überwuchern“.

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Der bakterielle Stoffwechsel ist also bis auf jene Prozesse, die nur an Membranen ablaufen im Cytoplasma lokalisiert (Aminosäure- und Nukleotidbiosynthese, Fettsäurestoffwechsel, Citratzyklus, etc. ). Der Energiestoffwechsel (Photosynthese, Atmungskette, etc.) ist in der Regel an die Plasmamembran gebunden, da die ATP-Erzeugung hpts. über den Abbau eines Protonengradienten erfolgt, der zuvor an einer chemisch und elektrisch dichten Membran etabliert werden musste. (Stoffwechsel-Überblick siehe Kapitel 1.6.) 1.5. Gasvesikel: Cyanobakterien aber auch einige Purpurbakterien verfügen über Gasvesikel, die Ihnen ein Einstellen der Schwebhöhe erlauben. Diese Gasvesikel sind etwa 300-1000nm lang und 45-120nm breit und bestehen aus einer etwa 2nm dicken Proteinschicht (GvpA baut als β-Faltblatt eine gerippte Struktur aus die von GvpC quervernetzt wird). Diese Schicht ist Gas-durchlässig und Wasser-undurchlässig. 1.6. Sporen: Sporen sind morphologische Bestandteile nur weniger Bakteriengattungen. Es handelt sich um runde bzw. elliptische Gebilde, die sich durch extreme Widerstandsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen (Hitze, Austrocknung) auszeichnen. Es handelt sich nicht wie bei den Pilzen um Vermehrungsformen, sondern um Dauerformen der entsprechenden Bakterien, die in der Bakterienzelle als sog. Endosporen gelagert sind. Die Sporulation erfolgt nie in einer exponentiell wachsenden Kultur sondern nur dann wenn einer der Nährstoff zum limitierenden Faktor geworden ist. Die Entdeckung bakterieller Endosporen war von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da erstmals gezielt an der Verbesserung von Konservierungsmethoden in der Lebensmittelindustrie aber auch für viele anderen verderblichen Produkte gearbeitet werden konnte Wie lange können Endosporen überleben ? Was wirkt limitierend ? (Brock S. 105) Aus trockene Sporen-Präparaten konnten nach 40 Jahren innerhalb von 12 Stunden Bebrütung eine frische Kultur gewonnen werden ! Einer Gruppe von Mikrobiologen gelang 1995 die Rekultivierung einer 25-40 Mill Jahre alten Bacillusspore aus dem Darm einer ausgestorbenen Bienenart (science 268-1995, 1060-1064). Die hohe Hitzestabilität der Sporen begründet ihre Verwendung als Indikatoren für eine erfolgreiche Keimfrei-Machung beim Prozeß der Sterilisation: Standardisierte Teststreifen von Bacillus stearothermophilus müssen innerhalb der vorgeschriebenen Sterilisationszeit abgetötet worden sein. 1.6.1. Sporenbildung) Man unterscheidet: 1. Exosporen Exosporen sind S., die durch Sprossung entstehen und sich vom Mutterorganismus ablösen (kommt bei vielen Pilzen vor). 2. Endosporen. Endosporen werden in besonderen "Behältnissen", den Sporangien, gebildet. Endosporen werden nach dem Aufplatzen der "Behältnisse" freigesetzt. Stationen bei der Endosporenbildung: Der Ablauf ist so regelmäßig, dass man von einem Programm spricht. Die morphologischen Veränderungen basieren auf einer Veränderung der Enzymzusammensetzung, bedingt durch eine geänderte Genexpression als Antwort auf ein Hungersignal. Aufgrund von genetischen

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Untersuchungen kann man davon ausgehen, dass bei Bacillus etwa 200 Gene daran beteiligt sind ! Der Prozess der Sporenbildung dauert mehrere Stunden. Er beginnt mit einer Ansammlung von proteinhaltigem Material (hoher Brechungsindex), unter Verwertung vorhandener Speicherstoffe erfolgen zahlreiche Stoffumwandlungen. Während der ersten 5 Stunden der Sporenbildung wird ein großer Teil der Proteine der Sporenmutterzelle abgebaut. Als sporenspezifische Substanz wird Dipicolinsäure gebildet. In vegetativen Zellen kommt diese Säure nicht vor. Während der Synthese von Dipicolinsäure werden Calcium-Ionen bevorzugt auf-genommen ; in den reifen Sporen liegt die Säure offenbar als Calciumchelat vor und kann 10 bis 15% von der Trockenmasse der Sporen ausmachen. Die Dipicolinsäure ist im Protolasten der Sporen lokalisiert und nur in thermoresistenten Endosporen enthalten.

-OOC N COO- COO--OOC

++Ca

Die Separation der Spore vom restlichen Cytoplasma beginnt mit einer speziellen inäqualen Zellteilung. Durch Einschnürung der Cytoplasmamembran wird ein Teil des Protoplasten der Mutterzelle abgetrennt. In diesen Sporenprotoplast das Chromosom in verdichteter Form wird verpackt. Der Sporenprotoplast wird dann von der Cytoplasmamembran der Mutterzelle umgeben und eingehüllt. Das hat zur Folge, dass der Sporenprotoplast von zwei Cytoplasmamembranen umgeben ist, jede ist in der Folge an der Bildung der Sporenwand beteiligt. Die Membran des Sporenprotoplasten synthetisiert nach außen die Keimzellwand; die von der Mutterzelle stammende Membran synthetisiert zur Spore gewandt die Sporenrinde. Diese besteht aus einem vielschichtigen Gerüst von Peptidoglykan, das sich von dem der Zellwand vegetativer Zellen u.a. durch den Vernetzungsgrad unterscheidet. Die äußere Sporenhülle besteht weitegehend aus Polypeptiden. Auch eine weitere dünne Polypeptidhülle, das Exosporium, wird von der Mutterzelle gebildet; es ist nur bei wenigen Bakterien vorhanden und umgibt die Spore als lose, ballonartige Hülle. Die mehrschichtige Ummantelung führt dazu, dass die Hülle etwa 50% des Volumen bzw. der Trockenmasse der reifen Sporen ausmacht. Da die zukünftige Spore, in diesem frühen Stadium als Vorspore bezeichnet, ganz in das Plasma der Mutterzelle eingebettet ist, hängt auch der gesamte Stoffwechsel der Vorspore von der Versorgung durch die Mutterzelle ab. Die meisten Ressourcen bei diesem Prozess werden für den Aufbau der sehr dicken, mehrschichtigen Sporenwand gebraucht.

Schema der Entstehung von Sporen

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Ist die Spore fertig und als Folge der Lyse der Mutterzelle in die Umgebung entlassen, hat sie keinen messbaren Stoffwechsel mehr. Ihre Aufgabe ist es, lebens-feindliche Bedingungen zu überdauern. Außer den schon erwähnten Eigenschaften der Hitze- und Austrocknungstoleranz gehören dazu bemerkenswerte Resistenzen gegenüber organischen Lösungsmitteln, lytischen Enzymen, UV- und Röntgenbestrahlung. Trotz des Fehlens eines nachweisbaren Stoffwechsels reagiert die Spore noch ausgezeichnet auf Änderungen der Umweltbedingungen: Bei gutem Nährstoffangebot keimt die Spore zu einer neuen vegetativen Zelle aus, und der normale Zellteilungszyklus wird wieder aufgenommen. Der Durchmesser einer Spore beträgt etwa 0,8 µm. Im Zentrum ist der Protoplast mit dem Genom. Er wird geschützt von einer Membran (mem) und mehreren Schichten Ummantelung (sc). Die gesamte Schutzschicht: cx.

Spore von Bazillus subtilis

(TEM)

Ganz außen gibt es nochmals eine Außenmembran (ce). So ist die Spore gegen fast alle widrigen Umwelteinflüsse geschützt. 1.7. Umweltbedingungen : 1.7.1. aw-Wert, Nährstoffe, pH-Wert, Temperatur, Sauerstoffverhalten: Das Wasser: Wichtige Vorrausetzung für das Wachstum und die Ernährung von Mikroorganismen ist Wasser. Seine physikalisch-chemischen Eigenschaften sind mit keinem anderen Lösungsmittel vergleichbar, es ist ein ideales Medium um jene Reaktionen ablaufen zu lassen, die für die Lebenserhaltung notwendig sind. Nährstoffe: Für den Aufbau der Zellsubstanz sind folgende Makro-und Mikronährelemente nötig: Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, etc., die je nach Stoffwechseltyp aus unterschiedlichen Quellen bezogen werden. Aus ökologischen oder ernährungsphysiologischen Gründen leben viele Bakterien mit anderen Bakterien oder höheren Pflanzen und Tieren in unterschiedlich engen Gemeinschaften . Je nach Art des Zusammenlebens unterscheidet man bei den heterotrophen Mikroorganismen: Saprophyten leben von abgestorbenen organischen Stoffen. Kommensalen leben von Abfallstoffen eines Wirtes ohne gegenseitigen Nutzen oder

Schaden. Symbionten 2 Partner leben in engem räumlichen Kontakt zum gegenseitigen

Nutzen. Parasiten benötigen einen Wirt. Wasseraktivität (aw-Wert) Die Wasseraktivität ergibt sich aus dem Quotienten aus dem Partialdruck von H2O über dem Substrat (z.B Nährboden) und jenem über reinem Wasser. p(S)/p(H2O)

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Mikroorganismen benötigen für alle Stoffwechselaktivitäten Wasser. Der Entzug von Wasser führt daher zu einer Verlangsamung des Wachstums. Bei Abwesenheit von Wasser ruht der Stoffwechsel. Empfindliche Mikroorganismen werden unter diesen Bedingungen abgetötet. Die meisten Mikroorganismen wachsen bei einem einen aw-Wert von 0,98-1 am besten. Es gibt jedoch einige Mikroorganismen die sich auch noch bei kleineren aw-Werten vermehren können. Dazu gehören die osmophilen (zuckerliebenden) Hefen , die bis zu einem aw-Wert von 0,6 wachsen können. Die Wachstumshemmung bei geringeren aw-Werten nutzt man daher zur Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln (Trocknung, Einsalzen). Halophile Bakterien können ebenfalls bei niedrigen aw-Werten wachsen, man findet sie in Salzseen (salt lake city, totes Meer etc.) Man unterscheidet nach der optimalen Wachstumstemperatur: psychrophil ( kryophil) zwischen 0-20°C mesophil: 20-40°C thermophil: 40-70°C hyperthermophil (pyro-): ab 70°C pH-Wert: Der optimale pH-Wert liegt für Bakterien zwischen 6,5 und 7,5. Einige Arten vermögen aber auch bei streng alkalischer Reaktion oder im sauren Bereich (acidophile) zu wachsen.

Schneealge

Chlamydomonas nivalis

Sauerstofftoleranz / -bedarf: fakultativ-anaerob: bei Vorhandensein von O2 aber auch ohne O2; obligat anaerob: nur unter Luftabschluss (besitzen keine Katalase um das im Zellstoffwechsel auftretende H2O2 abzubauen Zelle stirbt bei O2 Kontakt). aerob: Obligat-nur unter Anwesenheit von O2. mikroaerophil: leben auch ohne Sauerstoff also benötigen den Sauerstoff nicht unbedingt 1.8. Speicherstoffe Bei vielen Mikroorganismen werden unter bestimmten Milieubedingungen intrazellulär Substanzen abgelagert, die als Speicher- oder Reservestoffe angesehen werden können: Polysaccharide, Fette, Polyphosphate und Schwefel. Diese Stoffe werden angehäuft, wenn die entsprechenden Ausgangssubsstanzen in der Nährlösung vorhanden sind, das Wachstum aber mangels einzelner Nährstoffkomponenten oder in Gegenwart von Wachstumshemmstoffen eingeschränkt oder unterbunden wird. Die Reservestoffe liegen in der Zelle in osmotisch inerter Form vor, d.h. sie sind wasserunlöslich. Bei Bedarf, unter günstigen Wachstumsbedingungen, werden die Reservestoffe wieder in den Stoffwechsel einbezogen. Die Reservepolysacharide, Neutralfette und Poly-β-hydroxybuttersäure (PHB) können als Kohlenstoff- und Energiequellen dienen und dadurch bei Abwesenheit äußerer Energiequellen die Lebensdauer der Zelle verlängern oder bei Sporenbildern die Bildung von Sporen auch in Abwesenheit äußerer Substrate ermöglichen. Polyphosphate (Volutin-Granula) können als

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Phosphatspeicherstoff und abgelagerter Schwefel als potentieller Elektronendonor angesehen werden (phototrophe Purpurbakterien). Manchen Bakterien lagern kristalline Proteine im Cytoplasma ab, einige haben interazelluläre Membranstapel, Gasvesikel oder auch Magnetit-Kristalle, die sie magnetisieren. 1.9. Farbstoffe: Zahlreiche Bakterien- und Pilzkolonien fallen durch eine ausgeprägte Färbung auf, sei es aufgrund der Ausscheidung eines Farbstoffes ins Medium oder einer Pigmentierung der Zelle. Die Fähigkeit, Farbstoffe zu bilden, ist ein offensichtliches phänotypisches und genetisches Merkmal. Gefärbte Formen lassen sich leicht erkennen und identifizieren. Bei den Farbstoffen handelt es sich um Derivate verschiedener Stoffklassen wie Carotinoide, Phenazinfarbstoffe, Pyrrolfarbstoffe, Azachinone, Anthocyane etc. Eine charakteristische Färbung kann auch durch die Anhäufung bestimmter mineralischer Stoffwechselprodukte auf entsprechendem Untergrund auftreten. Meistens dienen Farbstoffe den Bakterien als Komponenten des phototrophen Stoffwechsels oder als Schutz vor Licht und UV. Eine ganze Reihe verschiedener Bakterien, vor allem Luftkeime, können Farbstoffe bilden. Die Farbstoffe wie Pycocyanin, Violacein und Prodigiosin, sind sekundäre Stoffwechselprodukte, von denen einige sogar antibiotische Eigenschaften aufweisen. Carotinoide: Rote Carotinoide verleihen den Purpurbakterien ihre intensiv rote Färbung. Pulcherrimin: beruht vorwiegend auf Carotinoiden = rote Färbung Prodigiosin: Auf kohlenhydrathaltigen Nährböden kommt häufig ein Bacterium zur Entwicklung, das früher als Hostienpilz bezeichnet worden ist und heute Serratia marcescens heißt. Indigoidin: Gehört der Verbindungsklasse der Azachinone an, ein wasserunlösliches blaues Pigment. Phenazinfarbstoffe: Viele Pigmente, die von Wasserbakterien in die Nährlösung ausgeschieden werden, sind den Phenazinen zugehörig. Phenazinfarbstoffe: # Pyocyanin # Oxychloroaphin # Iodinin # Violacein: Purpurrotes Pigment