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Perspektiven und Materialien zur Kirchentagslosung 2015 96 Ziel der Unterrichtseinheit / Gruppenstunde Die Kirchentags-Losung „damit wir klug werden“ bleibt unvollständig ohne den Satzbeginn aus Psalm 90,12: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“. Für Jugendliche liegt der Tod zumeist in weiter Ferne – dennoch werden sie manchmal ganz unvorbereitet in ihrem Umfeld damit konfrontiert. Film und Nachgespräch bieten intensive Impulse zum Nachdenken über Tod, Abschied und die Frage, was ein Leben wertvoll macht. Der Film „Zeit, die mir noch bleibt“ begleitet die letzten 15 Monate eines jungen Mannes. Nach der Diagnose Lungenkrebs beginnt eine Phase zwi- schen Hoffen und Verzweifeln, intensivem Glück und schwerem Leiden. Die Aufnahmen wirken so stark, dass man sich den damit verbundenen Fra- gen kaum entziehen kann. Ein Nachgespräch ist unverzichtbar (im schulischen Kontext daher auf jeden Fall eine Doppelstunde einplanen). Auch in der Jugendarbeit ist ein Einsatz gut denkbar, beispielsweise in einer Gruppenstunde (mindestens 90 Minuten) oder im Rahmen einer Wochenendfreizeit. Für Jugendliche unter 15 Jahren (z.B. Konfirmandengruppen) ist der Film nur bei einer intensiven Vor- und Nacharbeit zu empfehlen. Filmbeschreibung Markus H. (41), Vater von 3 Kindern, hat Lungen- krebs. Der bösartige Tumor wird operativ entfernt, eine anschließende Strahlentherapie lehnt Markus ab. Acht Monate später finden sich Metastasen in beiden Lungenflügeln und im Schulterblatt. Markus H. weiß: Wenn sich die Metastasen weiter so explosiv ausbreiten, bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Er hofft, dass sein Krebs zum Stillstand kommt. Gleichzeitig beginnt er, langsam Abschied zu nehmen. Er entwirft seinen Grabstein und plant eine letzte Reise nach Marokko. Lässt sich erst be- strahlen, als die Schmerzen unerträglich werden. Monate später schreibt er in seinen persönlichen Aufzeichnungen: „Ich bin nicht mehr überzeugt, dass ich den Krebs überlebe. Trotzdem bereue ich nicht, dass ich die Strahlentherapie nicht früher gemacht habe. So hatte ich noch einen wirklich schönen Sommer, ohne viele Einschränkungen. Vielleicht war es ja der letzte.“ Die WDR-Autoren Heidi und Bernd Umbreit do- kumentieren Markus H.´s eigenwilligen Umgang mit seiner tödlichen Krankheit. Über ein Jahr lang haben sie ihn mit der Kamera begleitet, seinen Mut und seine Verzweiflung erlebt, seinen Kampf und seine Einsamkeit – und die Versöhnung mit Krankheit und Familie. Zeit, die mir noch bleibt „Zeit, die mir noch bleibt: Diagnose Lungenkrebs“ – Mit Jugendlichen über den Tod ins Gespräch kommen | Wolfgang Ilg / Oliver Pum Grundgedanke: Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens anhand eines Dokumentarfilms. Zielgruppe: Jugendliche ab 15 (für Konfirmanden nur bei intensiver Vor- und Nacharbeit) Zeit: zwischen 70 und 120 Minuten Die angegebenen Zeiten für die einzelnen Schritte sind grobe Orientierungswerte Biblischer Bezug: Psalm 90 Material: Film von Bernd und Heidi Umbreit „Zeit, die mir noch bleibt“ www.oekumenischer- medienladen.de, Tel. 0711 22276-67, kostenfreie Ausleihe unter der MedienNummer DVK1328; Musikstück Loreena McKennitt – Dante’s Prayer; für Variante 2: edding marker (Anzeichnen der Zielpunkte für die Strahlentherapie); kleines Handtuch; Zigarettenschachtel; Sandalen (Marokko- Urlaub); Buch / Kladde und Stift (Tagebuch), große Uhr mit Sekundenzeiger, ein Kreuz

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Ziel der Unterrichtseinheit / Gruppenstunde

Die Kirchentags-Losung „damit wir klug werden“ bleibt unvollständig ohne den Satzbeginn aus Psalm 90,12: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“. Für Jugendliche liegt der Tod zumeist in weiter Ferne – dennoch werden sie manchmal ganz unvorbereitet in ihrem Umfeld damit konfrontiert. Film und Nachgespräch bieten intensive Impulse zum Nachdenken über Tod, Abschied und die Frage, was ein Leben wertvoll macht.

Der Film „Zeit, die mir noch bleibt“ begleitet die letzten 15 Monate eines jungen Mannes. Nach der Diagnose Lungenkrebs beginnt eine Phase zwi-schen Hoffen und Verzweifeln, intensivem Glück und schwerem Leiden. Die Aufnahmen wirken so stark, dass man sich den damit verbundenen Fra-gen kaum entziehen kann. Ein Nachgespräch ist unverzichtbar (im schulischen Kontext daher auf jeden Fall eine Doppelstunde einplanen).

Auch in der Jugendarbeit ist ein Einsatz gut denkbar, beispielsweise in einer Gruppenstunde (mindestens 90 Minuten) oder im Rahmen einer Wochenendfreizeit. Für Jugendliche unter 15 Jahren (z.B. Konfirmandengruppen) ist der Film nur bei einer intensiven Vor- und Nacharbeit zu empfehlen.

Filmbeschreibung

Markus H. (41), Vater von 3 Kindern, hat Lungen-krebs. Der bösartige Tumor wird operativ entfernt, eine anschließende Strahlentherapie lehnt Markus ab. Acht Monate später finden sich Metastasen in beiden Lungenflügeln und im Schulterblatt.

Markus H. weiß: Wenn sich die Metastasen weiter so explosiv ausbreiten, bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Er hofft, dass sein Krebs zum Stillstand kommt. Gleichzeitig beginnt er, langsam Abschied zu nehmen. Er entwirft seinen Grabstein und plant eine letzte Reise nach Marokko. Lässt sich erst be-strahlen, als die Schmerzen unerträglich werden. Monate später schreibt er in seinen persönlichen Aufzeichnungen: „Ich bin nicht mehr überzeugt, dass ich den Krebs überlebe. Trotzdem bereue ich nicht, dass ich die Strahlentherapie nicht früher gemacht habe. So hatte ich noch einen wirklich schönen Sommer, ohne viele Einschränkungen. Vielleicht war es ja der letzte.“Die WDR-Autoren Heidi und Bernd Umbreit do-kumentieren Markus H.´s eigenwilligen Umgang mit seiner tödlichen Krankheit. Über ein Jahr lang haben sie ihn mit der Kamera begleitet, seinen Mut und seine Verzweiflung erlebt, seinen Kampf und seine Einsamkeit – und die Versöhnung mit Krankheit und Familie.

Zeit, die mir noch bleibt

„Zeit, die mir noch bleibt: Diagnose Lungenkrebs“ – Mit Jugendlichen über den Tod ins Gespräch kommen

| Wolfgang Ilg / Oliver Pum

Grundgedanke: Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens anhand eines Dokumentarfilms. Zielgruppe: Jugendliche ab 15 (für Konfirmanden nur bei intensiver Vor- und Nacharbeit) Zeit: zwischen 70 und 120 Minuten Die angegebenen Zeiten für die einzelnen Schritte sind grobe OrientierungswerteBiblischer Bezug: Psalm 90Material: Film von Bernd und Heidi Umbreit „Zeit, die mir noch bleibt“ www.oekumenischer-medienladen.de, Tel. 0711 22276-67, kostenfreie Ausleihe unter der MedienNummer DVK1328; Musikstück Loreena McKennitt – Dante’s Prayer; für Variante 2: edding marker (Anzeichnen der Zielpunkte für die Strahlentherapie); kleines Handtuch; Zigarettenschachtel; Sandalen (Marokko-Urlaub); Buch / Kladde und Stift (Tagebuch), große Uhr mit Sekundenzeiger, ein Kreuz

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VorbereitungDer Filmeinsatz sollte nur erfolgen, wenn die Lehr-kraft bzw. der Gruppenleiter den Film zuvor selbst gesichtet hat. Wenn einzelne Jugendliche vor Kurzem selbst den Tod eines Angehörigen erlebt haben, sollte man diese auf den Film besonders vorbereiten.

Ablauf der Unterrichtseinheit / GruppenstundeHinführung (10 Min.)

Einstieg mit einem stillen Impuls an der Tafel: „Markus Hackl, * 1962, †2005“• Wie alt wurde Markus Hackl? • Wie alt sind deine Eltern?

Einführung in den Film: Es handelt sich um eine Dokumentation eines „echten Menschen“, am Ende steht kein „Happy End“. Manche, die diesen Film sehen, müssen selbst mit weinen – das ist okay.

Je nach Wissensstand der Jugendlichen kann es hilfreich sein, einige medizinische Begriffe vorab zu klären, die im Film vorkommen (OP, Metasta-sen, palliativ, Hospiz usw.).

Gemeinsame Betrachtung des Films (44 Min.)

Nachbesprechung (15 – 60 Min.)

Variante 1 (eher für ältere Jugendliche mit hoher Gesprächsbereitschaft)

• Jede(r) erhält drei Papierkarten (Din A6 = Postkartengröße) in den Farben gelb, grün, weiß. In Stillarbeit (5-10 Minuten) wird pro Karte ein Stichwort oder eine Frage notiert:• gelb: Eine Filmszene, die mir besonders nahe ging• grün: Ein Hoffnungsgedanke aus dem Film• weiß: Eine Frage oder eine Anmerkung zum Film• Anschließend findet in Dreiergruppen ein Austausch über die Karten und über die Filmeindrücke statt• Die Kleingruppenphase wird beendet, z.B. mit dem Musikstück, das Markus H. sich für seine Beerdigung gewünscht hat (Loreena McKennitt – Dante’s Prayer)• Offenes Plenumsgespräch.

Einstiegsimpuls: Die Lehrkraft öffnet die Tafel, auf der Innenseite steht Psalm 90,12: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“

Variante 2 (im Sitzkreis, eher bei kleinen Gruppen geeignet)

Im Kreis liegen einige Gegenstände aus dem Film

• edding marker (Anzeichnen der Zielpunkte für die Strahlentherapie)• kleines Handtuch• Zigarettenschachtel• Sandalen (Marokko-Urlaub)• Buch / Kladde und Stift (Tagebuch)• große Uhr mit Sekundenzeiger• ein Kreuz

Ausgehend von diesen Gegenständen entwickelt sich ein offenes Gespräch in der Gruppe. Als Anregung für das Gespräch können Fragen dienen, die sich auf den Film beziehen: „Könnte ich mir vorstellen, meinen eigenen Grabstein zu entwer-fen – wie würde er aussehen? Was würde ich tun, wenn ich wüsste, dass ich nur noch ein Jahr zu leben hätte?“

Variante 3 (direkter Einstieg in die Diskussion)

Einige der folgenden Film-Zitate werden auf Plakate geschrieben (oder aus dem Film heraus nochmals eingespielt). Sie dienen als Impuls für ein Gruppengespräch:• „Ich entwerfe hier meinen Grabstein. Auf meinem Grabstein will ich zeigen, dass der Tod für mich nur ein Übergang ist. So wie der Schmetterling aus der Raupe entsteht und in ein neues Leben davon fliegt.“ (9:00 Min.)• „Habe heute wieder viel zu viel geraucht. Auf die Frage, warum ich immer noch rauche, reagiere ich regelrecht aggressiv. Diese elende Sucht. Ich schaffe es nicht, davon loszukom- men.“ (12:50 Min.)• „Seit meiner OP habe ich den Eindruck, als wäre ein Vorhang aufgegangen. Ich sehe jetzt viel klarer als vorher. Im Moment habe ich das Gefühl, ganz nah am Leben dran zu sein.“ (14:20 Min.) • „Ich frage mich, was ich aus meinem Leben

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gemacht habe und merke, dass es die falsche Frage ist. Ich glaube inzwischen, dass es wichtig ist, sich für Menschen zu interessieren, für andere da zu sein. Sich selbst zu spüren und zu fühlen.“ (15:38 Min.)• „Heute bin ich dankbar, dass ich Zeit habe mich zu verabschieden. Zeit, Dinge zu klären. Verzeihung zu geben und Verzeihung zu erhalten. Darüber bin ich glücklich.“ (17:55 Min.)• „Selbst wenn ich morgen sterben müsste, würde ich sagen, dass ich gelebt habe. Hesses Gedicht ‚Die Stufen‘, das mich seit 20 Jahren begleitet, sagt ja auch am Ende: ‚Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegen senden‘. Ich glaube daran.“ (24:02 Min.)

Variante 4 (künstlerische Annäherung an das Thema)

• Tafel-Impuls: „Wenn ich meinen Grabstein selbst entwerfen müsste ...“• Die Jugendlichen setzen mit verschiedenen Materialien (Farbstifte, Ton, Straßenkreide o.ä.) Motive um, die ihnen für den eigenen Grabstein wichtig wären• Anschließend geht die Gruppe durch die impro- visierte „Ausstellung“ der Kunstwerke, wobei der Künstler jeweils seinen Entwurf erläutert.• Eine anschließende Unterrichtseinheit kann die vorkommenden Elemente aufnehmen und diese in Beziehung setzen zu zentralen christlichen Hoffnungssymbolen (Weizenkorn, Regenbogen, Taube, Kreuz usw.)

Alternative Einsatzmöglichkeit: Veranstaltung mit den Filmemachern

Das Filmemacher-Team Bernd und Heidi Umbreit kommt auf Anfrage auch zu Filmvorführungen in Schulklassen, zu Jugend- oder Gemeindeaben-den. Im Gespräch mit den Filmemachern haben die Zuschauer die Möglichkeit, weitere Hinter-gründe über den Film zu erfahren. Da es sich bei Umbreit-Filmen durchweg um Reportagen aus dem echten Leben handelt, sind diese mündlichen Erzählungen aus der Entstehung des Films sehr eindrücklich (Kontaktdaten: s. unten).

Verknüpfung mit dem Kirchentag

Es ist geplant, dass beim Kirchentag 2015 in Stuttgart Filmvorführungen mit Bernd Umbreit stattfinden. Das Kirchentags-Programm stand bei Redaktionsschluss allerdings noch nicht fest. Nähere Informationen finden sich voraussichtlich ab Herbst 2014 im Internet unter www.schuelerarbeit.de

Hinweise zum Film „Zeit, die mir noch bleibt“

• Dauer: 44 Min.• Verleih über: Ökumenischer Medienladen Stuttgart: www.oekumenischer-medienladen.de, Tel. 0711 22276-67, kostenfreie Ausleihe unter der MedienNummer DVK1328, auch Lieferung per Download möglich• Filmemacher: Heidi und Bernd Umbreit, Oberstenfeld (Landkreis Ludwigsburg) www.umbreit-film.de (Kontakt: [email protected], Tel. 07062 23527)• Der Film wurde ausgezeichnet mit dem Deutschen Kamerapreis 2006 sowie weiteren Preisen.